sakdrissi das älteste goldbergwerk der welt
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Thomas StöllnerTRANSCRIPT
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Standen zunächst die Metalle selbst im Vordergrund und hat vor allem die Forschungsgruppe um Evgenij N. Černych auf die große Bedeutung des Kaukasus für die umliegenden prähistorischen Kulturen verwiesen, so folgten seit den 1980er Jahren erstmals auch bergbauarchäologische Forschungen. Die Forschung wurde in den letzten Jahrzehnten nicht nur in Georgien, sondern auch in den umliegenden Ländern wie Aserbaidschan und Armenien intensiviert. Vor allem die Gewinnung von Metallen wie Kupfer und Gold, aber auch von anderen mineralischen Rohstoffen wie Steinsalz geriet so in den Fokus der wirtschaftsarchäologischen Betrachtung der kaukasischen Kulturen zwischen dem 5. und 2. Jt. v. Chr. In Georgien waren es vor allem die Arbeiten des Archäometallurgen Givi Inanischwili sowie die des Bergingenieurs und Geologen Timur Mudschiri, die Geländebeobachtungen und Überlieferungen zu allem Bergbau zusammen getragen haben. Dabei fielen insbesondere die Fundstellen im Kreis Bolnissi auf, vor allem die polymetallische Lagerstätte von Abulmulg, für die Mudschiri als erster prähistorisches Alter annahm und auch als einer der ersten den Goldabbau diskutierte. ***Falls möglich bitte diesen Absatz um 5 Zeilen Text erweitern!***
Der Bergbaudistrikt von Bolnissi und die Lagerstätte von Sakdrissi
Von den Lagerstätten des kleinen bzw. Ciskaukasus kann das Revier westlich der Stadt Bolnissi als eines der bedeutendsten in Georgien beschrieben werden. Es besteht aus mindestens 100 verschiedenen Vererzungen und Vorkommen und kennt Goldvorkommen in den meisten von ihnen. Auch die Flüsse führen Gold, was mindestens seit dem 18. Jh. bekannt war, als die Vorkommen erstmals beschrieben und kommerziell abgebaut wurden. Die Lagerstättenentstehung geht in die älteren Phasen der alpidischen Metallogenese zurück (ca. 85 bis 75 Mio. Jahre) und gehört somit zum „Tethyschen Eurasischen Metallogenetischen Gürtel“, der sich von den Alpen über Südosteuropa, das nördliche Anatolien über den Kaukasus bis in das zentrale Asien (Himalaya) erstreckt. Vor allem vulkanogene Massivsulfidlagerstätten (VMS) bilden die Basis für den Erzreichtum der Region. Kupfer tritt in nennenswerter Form hier vor allem in den Tiefenzonen der Lagerstätte auf, wo es in der primären Zusammensetzung in polymetallischer Paragenese mit Blei und Zink vorliegt. Im sogenannten Eisernen Hut dieses Lagerstättentyps dagegen finden sich häufig epithermale Gold- und Gold-Silberlagerstätten, die dort beträchtliche Anreicherungszonen ausbilden können. Dagegen weisen sie
Sakdrissidas älteste Goldbergwerk der Welt
Thomas Stöllner
Der Erzreichtum der Kaukasusregion ist sprichwörtlich und es überrascht nicht, dass die prähistorische Archäologie immer wieder die Anfänge von Metallurgie und Bergbau im Kaukasus gesucht hat. Die Forschung hierzu geht in das 19. Jh. zurück, doch war es dem 20. Jh. vorbehalten, erste systematische Ergebnisse zu frühem Bergbau und der Verwendung kaukasischer Erze zu liefern.
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Sakdrissi, Kachagiani. Oben links: Die Luftaufnahme der ausgeerzten Gänge zeigt die typische Struktur einer ineinander vernetzten Stockwerkvererzung; oben rechts: Der Feldort in Grube 1, Nord-Erweiterung mit Feuersetzspur und abgeschlägelten vordersten Bereich; unten: Formen von Steinhämmern in Sakdrissi.
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kaum mehr nennenswerte Kupfergehalte auf; diese waren im Laufe der Lagerstättenentwicklung abgereichert worden. Das vertikale „teleskoping“ der Lagerstätte führte u. a. dazu, dass Eisenerze wie Goethit und Limonit, seltener Hämatit zusammen mit Edelmetallen in den tagnahen Bereichen angereichert wurden, während Kupfer in abbauwürdigen Mengen erst in einer Teufe (gibt an, wie tief ein Punkt unter Tage unter einem definierten Referenzpunkt auf der Oberfläche liegt) von ca. 60 m zu Tage tritt; die tagnahen und erreichbaren Lagerstätten wurden vor allem auch in den historischen und prähistorischen Perioden genutzt und es liegt nahe, dass vor allem die Edelmetalle Ziel des Abbaus dieser Zeit waren. Die Lagerstätten um Bolnissi sind wie jene von Madneuli (wo heute ein großer Tagebau betrieben wird) oder die Lagerstätten von Sakdrissi I–V mit einem rhyolithischen Dom verbunden, der das Muttergestein bildet und als solcher auch granodioritische Einschlüsse aufweist. Die Au und Au/Ag führenden Lagerstätten selbst besitzen meist Quarz und Hämatit als Gangart und sind somit als ein ausgesprochen hartes und schwer abbaubares Erz anzusprechen. Bei den Goldgehalten im Erz handelt es sich, wie auch bei dem Waschgold der Region, meist um ein fein verteiltes Freigold. Es ist nur in extremen Anreicherungszonen mit bloßem Auge sichtbar.
Diese Charakteristik der Lagerstätte bestimmte auch die Nutzungsschwerpunkte in den früheren Perioden der Kulturgeschichte. Sind es neben den Edelmetallen heute vor allem die aus den primären Sulfiderzen gewonnenen Metalle, so haben aufgrund ihrer Erreichbarkeit vor allem die Eisenerze, die Edelmetalle und auch oxydische Kupfererze eine Rolle gespielt. Letztere wurden meist als Farbpigmente für die Herstellung von Glasuren ver-wendet (etwa der sogenannte Lagward oder Lasurstein, ein grün-blaues Kupferoxyd, für den die Dörfer im mittleren Maschawera-Tal seit dem Mittelalter bekannt waren).
Die Forschungen des deutsch-georgischen Teams zwischen 2004 und 2013Im Rahmen eines zunächst von der VW-Stiftung finanzierten und später auch von der Deutschen Forschungsgemeinschaft fortgeführten Projektes fiel
die Wahl eines geeigneten Forschungspunktes auf die Bolnissi-Region und genauer auf die Lagerstätte von Sakdrissi, bzw. den kleinen Teilbereich von Sakdrissi I, oder den sogenannten Kachagiani-Hügel, wie die dazugehörige Erhebung heute genannt wird. Diese Lagerstätte war erstmals in den 1980er Jahren exploriert und beschrieben worden. Der schon erwähnte Timur Mudschiri hat auch den dort bekannten Altbergbau erstmals in die prähistorische Zeit einordnen können und ebenfalls die Gewinnung von Reicherzfällen und Edelmetallen angenommen. Prähistorischer Bergbau war am Kachagiani-Hügel in guter Überlieferungsqualität sowohl über wie auch untertägig erschließbar. Somit konnte hier eine montanarchäologische Forschung von Anbeginn zielgerichtet ansetzen. In den Jahren zwischen 2004 und 2013 wurde das Bergwerk am Kachagiani-Hügel ausführlich vermessen, verprobt und archäologisch untersucht. Im Rahmen der deutschgeorgischen Forschungen gelang es, etwa ein Viertel des Grubenbaues zu untersuchen. Durch diese Forschungen konnten umfassende Einblicke in die Chronologie, die Abbau und Aufbereitungstechnik wie auch in die wirtschaftliche und gesellschaftliche Struktur der sehr frühen Edelmetallgewinnung gewonnen werden. Schon bald fiel die ungewöhnlich hohe Datierung der stratifizierten und ungestörten Ablagerungsschichten der primären Bergbauphase auf. In Lagen unter 8 m sind diese von jüngeren Bergbauversuchen gänzlich ungestört und original erhalten. Durch zahlreiche Keramikfunde und andere Artefakte (z. B. Obsidian) wie auch durch Radiokarbondatierungen kann die erste und wahrscheinlich bedeutendste Nutzphase in die Zeit der Kura-Araxes-Kultur in der zweiten Hälfte des 4. Jts. wie auch in die Zeit um 3000 v. Chr. eingeordnet werden. Es ist somit nach heutigem Wissensstand das älteste erhaltene Berggoldbergwerk der Welt!
Ein jüngerer Nachlesebergbau fand erneut in der Spätantike, d. h. im 5. und 6. Jh. n. Chr. statt; wir wissen heute, dass in dieser Zeit der Grubenbau nochmals geöffnet und die nach wie vor Gold führenden Randpartien der Stöße (Stoß = Wand des Grubenbaues) erneut abgebaut, „hereingewonnen“ wurden. Allerdings reichte diese Nachnutzung kaum so tief wie der Bergbau des 4. Jts. v. Chr.
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Sakdrissi, Kachagiani-Hügel. Oben: Grabungsarbeiten 2011 in Pinge A.; unten: Vermessungsarbeiten unter Tage.
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Die Technologie der Goldgewinnung und die Experimentalarchäologie
Untersuchungen an den Stein und Knochengeräten, die verschiedenen Befunde über und unter Tage wie auch eine Reihe experimentalarchäologischer Studien vermitteln ein recht genaues Bild über die verschiedenen Schritte der frühbronzezeitlichen Goldgewinnung. Die bis dato freigeleg-ten Grubenbaue der KuraAraxesKultur reichen bis in eine Teufe von 30 m unter Oberfläche. Die Baue sind meistens entlang der geologischen Streichrichtung der Erzgänge angelegt und wurden in schrägen, sogenannten tonnlägigen Bauen ausgebeutet. Dabei spielte die Feuersetzmethode eine herausragende Rolle: Alle nicht tagnahen und durch den spätantiken Bergbau und seiner Keilhauenarbeit gestörten Gruben weisen eindeutige Spuren in Form von Feuersetznischen und kuppeln wie auch von Rußspuren auf: Besonders eindrücklich ist die Feuersetzspur in der Nordstrecke des Grubenbaues 1/2-Norderweiterung: Dort liegt ein Feldort vor, d. h. das jüngste Abbauende des Vortriebs an dieser Stelle. Die Stöße lassen noch das Abschlägeln der Oberfläche nach dem letzten Feuersetzen erkennen. Durch den Befund ist also nicht nur das Feuersetzen in einer Teufe von 25 m nachgewiesen. Er zeigt auch die Technik und das Maß des Vortriebs, etwa 25 cm, das bei einem Feuersetzvorgang durch Schlägelarbeiterzielt wurde.
Die bergmännische Arbeit kann man aufgrund unserer Befunde in Vortriebs-, Scheide- und Wiederverfüllungsarbeiten (der sogenannte Versatz) aufteilen. Neben der Gesteins- und Erzgewinnung wurde die Scheidearbeit auch in oder nahe den Gruben durchgeführt. Dies belegt die Fundlage der Poch- und Scheidsteine (häufig gefunden im Nahbereich der Gruben). Diese spezialisierte Arbeit ist sehr zeitaufwändig. Sie wird deshalb während des Abbaubetriebs von weiteren spezialisierten Mitgliedern der Bergbaugemeinschaft durchgeführt worden sein.
Interessant ist die Tatsache, dass Teile der Gruben sehr aufwändig verfüllt, d. h. „versetzt“, wurden: Diese „Berge“ wurden nach Abschluss des Abbaues erneut und sehr aufwendig in die Grube verbracht: Nicht nur bergmännischer Abraum, sondern auch Aufbereitungsrückstände wurden in auffälliger Weise erneut eingebracht. Dies spricht für sozial und ritu-
ell motivierte Tätigkeiten, denn Stabilisierungsgründe hatte diese „Versetzung“ jedenfalls keine.
Im Zuge der Forschungen ist insbesondere ein Bereich des Grubenumfelds von Grube A über Tage aufgefallen; im Gegensatz zu den zahlreichen Poch- und Scheidesteinen hatten sich Feinaufbereitungsgeräte wie Reibmühlen und Unterleger sowie verschiedene Arten von Kombinationsgeräten nur an dieser Stelle des Bergbauareals gefunden. Nahe einem zisternenartigen, grubenbauartigen Bassin fanden sich Hunderte solcher Geräte in einer Halde. Dies spricht für einen speziellen Platz, wo Gold führende Erze aufbereitet und, wie die Zisterne nahe legt, auch auf ihren Edelmetall-Gehalt getestet wurden: Wie erwähnt, ist Freigold nur schwer mit freiem Auge sichtbar. Daher ist solche eine Untersuchung besonders wichtig, wenn die Abbauwürdigkeit einzelner Gänge getestet werden sollte.
Der ganze bergmännische Arbeitslauf konnte auch im Experiment nachvollzogen werden. Zwischen 2011 und 2013 wurden insgesamt elf bergmännische Gewinnungsversuche mit der Hilfe des Feuersetzens getestet. Dabei zeigte sich das effiziente Zusammenspiel von Feuersetzen und Schlägel sowie Geweihhackenarbeit. Sie bewährte sich auch unter Tage und insbesondere in den nach und nach sehr hoch gewordenen Hallen des Gangbergbaues. Dort ließ sich insbesondere feststellen, dass das Feuersetzen einen guten Wetterzug beförderte und durch einen sehr einfachen Kamineffekt bis in größere Tiefen funktionierte.
Neben der Gewinnung und der Scheidung, d. h. einer Trennung des Erzes von der Gangart und den unerwünschten Nebenmineralien, ließen sich auch weitere Arbeitsschritte nachweisen, das Mahlen des Erzkonzentrates sowie seiner nassmechanischen Konzentrierung, die man sich vielleicht an einem Fließgewässer wie der nahen Maschawera vorstellen muss. Vor allem das zeitaufwendige Mahlen wie auch die pyrotechnische Endverarbeitung, dem Schmelzen im Tiegel, muss man sich dagegen in der Siedlung vorstellen. Die Untersuchung der nahegelegenen, zeitgleichen Siedlung von BalitschiDzedzwebi hat hier Werkstätten mit metallurgischen Installationen und den Nachweis zahlreicher Goldmahlgeräte in einzelnen Häusern er bracht: Offensichtlich wurde ein Teil des Erzkonzentrates zur zeitaufwendigen Endbearbeitung in die Siedlung gebracht.
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Sakdrissi, Kachagiani. Oben: Feuersetzexperimente, Schlägelarbeit nach dem Feuersetzen in einem goldführenden Quarz-Hämatitgang; unten: Aufbereitungsexperimente. Pochen und Mahlen der Quarz- und Hämatitfraktion.
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Balitschi, Dzedzwebi. Oben: Fundstellen auf dem Siedlungsplateau, Stand 2008/2009; unten: metallurgische Werkstätte der Kura-Araxes-Kultur mit zweiphasiger Schmelzherd- und Erz- bzw. Schlackenmahlanlage.
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Die Goldgehalte der Lagerstätte
Wie viel Gold oder Edelmetallgehalt einst in Sakdrissi abgebaut wurde, lässt sich nur eingeschränkt bestimmen; hier ist zunächst darauf zu verweisen, dass Edelmetallgehalte in der Regel in Lagerstätten wie der hier vorgestellten sehr stark schwanken können. Zudem ist es sehr schwierig, in einer in Teilen abgebauten Lagerstätte die Metallgehalte zu bestimmen, vor allem wenn die ursprünglichen Reicherzpartien schon längst abgebaut worden waren. Dennoch haben sich bestimmte Anhaltspunkte ergeben: Da sind die Gold führenden Quarz und Hämatitgänge, vor allem jene, die in der prähistorischen Abbauphase abgebaut wurden; in den „unverritzten“ Partien ließen sich Erzreste finden, die zumindest eine Vorstellung darüber geben, mit welchen Mindestgehalten in den abgebauten Erzkörpern zu rechnen ist. Die gemessenen Goldgehalte lassen sich demnach mit 3 g bis 51 g pro Tonne Erz, im Durchschnitt etwa mit 15 g angeben. Und eine weitere Erkenntnis konnte gewonnen werden: Im prähistorischen „Versatz“ der
Grube wurden auch Goldgehalte gemessen, die naturgemäß das untere Ende der Skala darstellen und somit ein Maß für die einst entnommenen Goldgehalte sind. Im Rahmen des Forschungsprojektes konnten auch die Goldgehalte dieses Versatzes bestimmt werden. Demnach wurde durchschnittlich 1 g pro Tonne im Versatz belassen, was wiederum ein Maß für die gewonnene Goldmenge darstellt. Nach vorsichtigen Schätzungen der abgebauten Erz- und Gesteinsmengen müssen wir demnach von ca. 90 bis 150 kg Gold ausgehen, das einst in Sakdrissi gewonnen wurde. Diese Goldmenge ist für das 4. und 3. Jts. v. Chr. nicht unerheblich und dürfte auch von einigem wirtschaftlichen und kulturellem Wert gewesen sein.
Der Goldbergbaudistrikt im mittleren Maschawera-Tal
Mit der Entdeckung des Goldbergwerkes von Sakdrissi war von Beginn an die Frage verbunden, wie die bergmännischen Aktivitäten in ein wei
Sakdrissi, Kachagiani. Aus dem aufbereiteten Versatz der Kura-Araxes-Zeit ausgewaschenes Freigold.
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teres Siedlungsumfeld einzuordnen sind. Insofern begannen schon 2007 ausführliche Prospektionsarbeiten, die das Umfeld des Maschwara-Tals zwischen Kazreti und Maschawera sowie die Seitentäler unter die Lupe nahmen. Dabei wurden zahlreiche auch kupfer- bis bronzezeitliche Fundstellen entdeckt. Besonders aufschlussreich für unser Verständnis der Organisation der montanen Aktivitäten war hier besonders das große Siedlungsplateau von Balitschi-Dzedzwebi: Es liegt als Siedlungsplateau zwischen den Flüssen Maschwera und Dampludka. Die Siedlung hat eine Größe von nahezu 60 ha und dürfte auch strategischen Wert besessen haben: Der Ort sperrt in N-S Richtung die entlang des Tales verlaufenden Wegesysteme und liegt nur etwa 1 km Luftlinie von Sakdrissi entfernt. Es war daher naheliegend, eine Verbindung anzunehmen: Die Feldforschungen seit 2007 haben diesen Anfangsverdacht glänzend belegen können: Neben spätbronze- bis früheisenzeitlichen Siedlungskernen am Nord und Südplateau von Dzedzwebi ließ sich vor allem die KuraAraxesPeriode in allen Arealen belegen: Nach bisherigem Kenntnisstand verteilte sich die Kura-Araxes-zeitliche Besiedlung aber eher gestreut über das gesamte Areal: Im Dzedzwebi II, an einem abfallenden Nordhang, lag eine Werkstättensiedlung, von der bisher zwei Hausbefunde untersucht werden konnten. Goldmahlen und auch metallurgische Prozesse stehen nachweislich mit der Erzproduktion in Sakdrissi in Verbindung. Ein zweiter Siedlungskern lag dagegen am Südpla
teau, wo vor allem häusliche Aktivitäten und eine längere Siedlungssequenz innerhalb des gesamten 4. und des frühen 3. Jhs. nachzuweisen war. Diese spricht für eine klare Quartierbildung innerhalb der Siedlung. Doch darf nicht von einer dichten urbanen Struktur ausgegangen werden, wie zahlreiche frühbronzezeitliche Gräber zwischen den Siedlungszonen andeuten. Vor allem die Gräber eröffnen zahlreiche Möglichkeiten einer Annäherung an die einstige Bergbaubevölkerung. Anthropologische und genetische Untersuchungen sind im Gange und versprechen weiterführende Ergebnisse zur Populationsrepräsentanz und Gesellschaftsstruktur.
Die Forschungen in Dzedzwebi sind vor allem durch ein jüngstes DFG-Projekt in vollem Gange.
Wie auch immer wir die Wirtschafts- und Gesellschaftsstruktur im Golddistrikt von Sakdrissi und Baltischi-Dzedzwebi beurteilen, die Siedlungsforschungen an diesem Ort stellen, neben der Untersuchung weiterer offener Siedlungen, einen Schlüssel zum Verständnis auch des Goldbergwerkes selbst dar.
Die Gefährdung und mögliche Zerstörung eines Weltkulturerbes
Es muss nicht betont werden, dass Sakdrissi und sein Umfeld ein außergewöhnliches Zeugnis nicht nur frühen technischen Wissens und komplexer logistischer Fähigkeiten darstellt. Mehr noch ist die
Sakdrissi. Luftaufnahme des Tagebaugebiet von Kwirazchoweli nördlich des Hügels von Kachagiani (in Rot).
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ses Gebiet eines der ganz wenigen Beispiele für das Zusammenwirken einer frühen montanwirtschaftlich tätigen Gemeinschaft: Es erlaubt Rückschlüsse auf die technische und logistische Komplexität einer frühmetallzeitlichen Gesellschaft, auf ihre wirtschaftlichen Aktivitäten und ihre „Weltsicht“, die ja auch den Handel mit dem wertvollen Prestigemetall mit einschloss. Und nicht zuletzt auch auf die Einwirkung einer komplexer Arbeitsteiligkeit auf soziale und kulturelle bzw. rituelle Aspekte dieser Gesellschaft.
Dieser sicher außergewöhnliche Fundplatz ist nun akut gefährdet: Die Abbaulizenz der Lagerstätten um Madneuli und Sakdrissi wurden 2012 an ein russisches-georgisches Bergbaukonsortium, die Firma RMG Gold verkauft. Sofort wurde der Wille erkennbar, die Reste der reichen Lagerstätte von Sakdrissi abzubauen. Dieses Wirtschaftskonsortium scheint eng mit der georgischen Regierung verflochten: Das georgische Kultusministerium hat Anfang Juni 2013 den schon 2006 durch Order N3/133 erteilten Monument-Status wieder aberkannt. Dieses Dekret N665, das in weiten Teilen die wissenschaftlichen Ergebnisse des Projektes ignorierte, kam durch eine Kommission zustande, die aus Personen gebildet wurde, denen teilweise eine enge Beziehung zu der Firma RMG Gold nachzuweisen ist. Trotz internationaler Proteste und trotz erneuter und eindeutiger wissenschaftlicher Beweise, die in der letzten Grabungskampagne 2013 erbracht wurden (eben das älteste bekannte Goldbergwerk der Welt zu sein), ließ sich die georgische Regierung nicht zu einer Wiedereinsetzung des Status bewegen. Vielmehr wurde der Kulturgüterschutz am 1. Oktober 2013 vollständig entfernt. Die georgische Regierung wich damit vor dem Druck des internationalen bzw. russisch-georgischen Großkapitals zurück: Eine wirkliche Kompromisslösung, die durchaus möglich gewesen wäre, war nicht erwünscht (Teilabbau und Erhalt einer Besuchsgrube im historisch bedeutenden Teil des Platzes oder zumindest die vollständige Erforschung des Platzes). Es ist zu befürchten, dass der nur auf schnellen Profit ausgelegte Goldbergbau in Kürze starten und das Denkmal Sakdrissi für immer zerstören wird. Georgien verliert damit eines seiner bedeutendsten archäologischen Denkmäler und die Welt ein Monument von internationalem Rang und Bedeutung.
Hauptmann 2010
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Literatur