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SALLUST'S historiae in german language

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Gaius Sallustius Crispus

Historiae

Zeitgeschichte

Fragmenta ex prooemio Bruchstücke aus der Vorrede

Grationes et epistulae Reden und Briefe

Lateinisch I Deutsch

Übersetzt und herausgegeben von Otto Leggewie

Philipp Reclam jun. Stuttgart

Powered by LATINSCAN

RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK Nr. 9796

Alle Rechte vorbehalten <D 1975 Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stutegart

Gesamtherstellung: Reclam, Ditzingen. Printed in Germany 2005

RECLAM, UNIVERSAL-BIBLIOTHEK und RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK sind eingetragene Marken

der Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart ISBN 3-15-009796-7

www.reclam.de

Historiae

Zeitgeschichte

Fragmenta ex prooemio

Bruchstücke aus der Vorrede

Orationes et epistulae

Reden und Briefe

A. Bruchstücke aus der Vorrede

Sallust hat auch im Prooemium zu dem Geschichtswerk »Hi­storiae« (78 bis 67 v. Chr.) die herrschende Moral im Staate kritisch beurteilt tmd die Bedeutung eines Engagements, be­dingt durch einen ernsten äußeren Feind (daß die Nieder­ringung der Karthager den Anlaß für den endgültigen Fall Roms bildete, darf gewiß als Konstruktion der Historiker gelten), für eine glückliche Entwicklung des Gemeinwesens herausgestellt. Sein Fragen nach den Ursachen der geschicht­lichen Entwicklung Roms erfährt hier gegenüber dem, was er in »De coniuratione Catilinae« (die alte Zeit wird hier gepriesen: die Römer tun als edle Menschen und gute Bürger das Rechte von Natur aus, nicht aufgrund von Satzungen) und in »De bello lugurthino« (ein äußerer Feind hält Rom und die Römer auf dem rechten Weg; mit seiner Unterwer­fung setzt der Verfall ein) äußert, eine bemerkenswerte Ab­wandlung. Nur zwei kurze Epochen der römischen Ge-

Fragmenta ex prooemio1

I 1: Res populi Romani M. Lepido Q. Catulo consulibus ac deinde militiae et domi gestas composui. 2 I 7: Nobis primae dissensiones vitio humani ingenii evenere, quod inquies atque indomitum semper inter certamina liber­tatis aut gloriae aut dominationis agit. I 11: Res Romana plurumum imperio valuit3 Servio Sulpicio et Marco Marcello consulibus omni Gallia cis Rhenum atque

1. Oberliefert von Augustinus (Oe c ivitate Dei); zitiert nach Mauren­brecher (Historiarum Reliquiae, Stuttgart 1967). 2. Damit beginnt Sallust sein Werk. 3. Die Worte deuten auf den Beginn eines größeren Absd1nitts hin (in I 7 dürfte eine Vorbemerkung dazu stehen), dem eine Darstellung des

Bruchstücke aus der Vorrede 5

schichte - einmal, 1md da besonders deutlich, nach der Ver­treibung der Könige, zum anderell, und da weniger ausge­prägt, nach dem Zweiten Punischen Krieg - lassen nach Salllest eine günstige Be1erteilung des römischen Staatswesens zu. Diese Zeiten sind gekennzeichnet durch die Bewährung (virtus) und das Streben nach Anerkennung (gloria), zu­gleich aber auch dMch Not und Bedrohung. Notlagen jedoch sind für den Verfasser der »Historien« nicht mehr erfolg­reiche Mahmmg zum Guten, sie vermögen nur noch ein Still­halten, einen •BMgfrieden< zu bewirken. Die Beendigung von Not und Gefahr löst nicht etwa die Verfehlung und den Verfall aus, sondern läßt diese immer schon wirksamen Kräfte erneut und verstärkt sichtbar werden. Das Bemühen um Vergrößemng des Imperiums kann durch den notwendig sich ergebenden Mißbrauch der Macht kaum noch gerechtfer­tigt werden. Die selbst durchlebte Zeit ist für Sallust - die persönlichen Schicksale sind gewiß mitbestimmend -Ergeb­nis einer schlimmen Vergangenheit; sie wieder ist Grund­lage für eine noch dunklere Zukunft.

Bruchstücke aus der Vorrede·

I 1 : Die Taten des römischen Volkes in Krieg und Frieden im Konsulatsjahr des M. Lepidus und Q. Catulus und in den Jahren danach1 habe ich zusammengestellt. I 7 : Für uns ergaben sich die ersten Entzweiungen durch die in der Natur des Menschen liegende Fehlerhaftigkeit ; denn unruhig und ungezähmt, bewegt er sich stets inmitten der Kämpfe um Freiheit oder Ruhm oder Herrschaft. I 1 1 : Das römische Staatswesen galt in seiner Machtentfal­tung besonders viel unter den Konsuln Servius Sulpicius und

6 Fragmenta ex proocmio

inter mare nostrum et Oceanum, nisi qua paludibus invia fuit, perdomita. optumis autem moribus et maxuma con­cordia egit inter secundum atque postremum bellum Car­thaginiense [ causaquc . . . non amor iustitiae, sed stante Car­thagine metus pacis infidae fuit]. at discordia et avaritia at­que ambitio et cetera secundis rebus oriri sueta mala post Carthaginis excidium maxume aucta sunt. nam iniuriae va­lidiorum et ob eas discessie piebis a patribus aliaeque dissen­siones domi fuere iam inde a principio neque amplius quam regibus exactis, dum metus a Tarquinio et bellum grave cum Etruria positum est, aequo et modesto iure agitatum. dein servil i imperio patres plebem exercere, de vita atque tergo regio more consulere, agro pellere et ceteris expertibus soli in imperio agere. quibus saevitiis e t maxume fenore oppressa plebes, cum adsiduis bellis tributum et militiam simul tolera­ret, armata montem sacrum atque A ventinum insedit tum­que tribunos piebis et alia iura sibi paravit. discordiarum et certaminis utrimque finis fuit secundum bellum Punicum.

Aufstiegs voranging: Die äußere Macht des Staates, eine negative sitt­lich-ethische Entwicklung und der Weg ins Verderben waren darin wohl in einer Aufeinanderfolge dargestellt.

Bmchstücke aus der Vorrede 7

Marcus Marcellus, nachdem ganz Gallien diesseits des Rheins und in dem Bereich zwischen unserem Meer2 und dem Ozean völlig niedergeworfen war, abgesehen von dem Teil, in dem es durch Sumpfgebiete unzugänglich war. In bester sittlicher Gesundheit und in größter politischer Geschlossenheit aber lebte es in der Zeit zwischen dem zweiten und dem letzten Krieg gegen Karthago,3 [der Grund dafür war nicht Liebe zur Gerechtigkeit, sondern Furcht vor einem zengesicherten Frieden, solange Karthago bestand].4 Jedoch Zwietracht und Habgier und auch Ehrsucht und alle anderen schlimmen Ei­genschaften, die in Tagen des Glücks aufzukommen pflegen, wuchsen nach der Vernichtung Karthagos in höchstem Maße. Denn die Ungerechtigkeiten der Stärkeren und die durch diese bedingte Trennung der Plebs von der Senatspartei und andere Entzweiungen herrschten im Inneren schon vom er­sten Anfang an; und keineswegs länger als nach Beendigung der Königszeit, bis die Furcht vor Tarquinius abgelegt und der schwere Krieg gegen die Etrusker beigelegt war, lebte man nach gleichem, abgewogenem Recht. Dann plagten die Senatoren die Plebs durch eine Herrschaft, wie sie Sklaven gegenüber passend ist ; über Leben und auch über Tod faß­ten sie Beschlüsse in der Art von Königen, sie vertrieben von Äckern und herrschten mit uneingeschränkter Gewalt, wäh­rend alle übrigen keinen Anteil an Grund und Boden5 hat­ten. Durch diese grausame Behandlung und ganz besonders durch Schuldenlast niedergedrückt, setzte sich die Plebs, zu­mal sie in nicht abreißenden Kriegen Besteuerung und Mi­litärdienst zugleich zu tragen hatte, bewaffnet auf dem Hei­ligen Berg6 und auch auf dem Aventin fest und verschaffte sich damals die Volkstribunen und andere Rechte. Ende der Zwistigkeiten und des Streites auf beiden Seiten war der Zweite Punische Krieg.

8 Fragmenta ex prooemio

I 124 : Postquam remoto metu Punico simultates exercere vacuum fuit, plurumae turbae, seditiones et ad postremum bella civilia orta sunt, dum pauci potentes, quorum in gra­tiam plerique concesserant, sub honesto patrum aut piebis ilomine dominationes adfectabant, bonique et mali cives ad­pellati non ob merita in rem publicam omnibus pariter cor­ruptis, sed uti quisque locupletissumus et iniuria validior, quia praesentia defendebat, pro bono ducebatur. I 164: Ex quo tempore maiorum mores non paulatim ut an­tea, sed torrentis modo praecipitati ; adeo iuventus luxu at­que avaritia corrupta, ut merito dicatur genitos esse, qui neque ipsi habere possent res familiaris neque alios pati.

4. fr. 12 kann unmittelbar an fr. 11, fr. 16 unmittelbar an fr. 12 an· schließen.

Bmchstücke aus der Vorrede 9

I 1 2 : Seitdem die Furcht vor den Puniern beseitigt war und man wieder freie Zeit hatte, Rivalitäten auszutragen, ent­standen sehr viele Unruhen, Aufstände und schließlich Bür­gerkriege, indem nur wenige Mächtige, deren Gnade die mei­sten sich anheimgegeben hatten, unter dem ehrbaren Namen des Senats oder der Plebs nach Alleinherrschaft trachteten ; und da a l le in gleicher Weise verdorben waren, bezeichnete man Bürger als gut und schlecht nicht wegen ihrer Verdienste gegenüber dem Staat, sondern je nachdem, wie ein jeder be­sonders begütert und im gewaltsamen Vorgehen stärker war, galt er als gut, weil er schützend eintrat für die augenblick­lichen Verhältnisse. I 1 6 : Von diesem Zeitpunkt7 an ging es mit der Gesittung der Vorfahren nicht mehr allmählich wie zuvor, sondern in der Art eines Wildbachs bergab ; so sehr war die Jugend durch Schwelgerei und Habgier verdorben, daß man mit Recht sagt, es seien Menschen geboren, die weder ihr eigenes Ver­mögen erhalten noch zulassen konnten, daß andere das ihre behielten.

B. Reden und Briefe

Die »Reden und Briefe� aus den »Historien� Sallusts sind­zusammen mit den Reden aus »De coniuratione Catilinae� und »De bello lugurthino� -allein durch den codex Vati­canus 3864 überliefert. Unterstellt man, daß Sallust Einla­gen dieser Art in die »Historien« in geringerer Zahl als in die übrigen Werke eingefügt hat, so darf man Vollständig­keit der Oberlieferung annehmen, ohne daß dieses mit letz­ter Sicherheit gesagt werden kann. Auch oder gerade in den »Historien« bleibt Sallust bemüht, die geschichtlichen Zu­sammenhänge aufzuklären: Damit zeigt er sich als echter Historiker. Die die zusammenhängende Darstellung unter­brechenden »Reden und Briefe«, die den um den Staat be­sorgten Römer erkennen und den unerbittlichen Kampf der Parteien sichtbar werden lassen, sollen das zeitliche Geschehen verdeutlichen; sie dienen zugleich der Charakterisierung der Personen. Sie geben nicht immer die Oberzeugung Sallusts wieder; sie alle - stilistische und künstlerische M eisterstücke­sind frei gestaltet und der Obersetzung bzw. der Interpre­tation oft schwer zugänglich.

I. Rede des M. Aemilius Lepidus vor dem römischen Volk

Zu Beginn des Jahres 79 v. Chr. legte L . Cornelius Sulla die Diktatur nieder. M. Aemilius Lepidus, der Vater des späte­ren Triumvir, und Q. Lutatius Catulus, ein führender Opti­mat, wurden zu Konsuln für das fahr 78 v. Chr. gewählt. Lepidus hatte sich unter Ausnutzung der Proskriptionen und als Statthalter von Sizilien (81 v. Chr.) unrechtmäßig berei­chert. Seine damit im Zusammenhang stehende Abkehr von der Optimatenpartei und der Aufstieg zum Führer der Po-

I. Rede des M. Aemilius Lepidus 1 1

pularen hatten die Gegnerschaft Sullas zur Folge. Sulla aber starb bereits kurz nach Amtsantritt der neuen Konsuln. Die vielfältigen Warnungen vor einem Konsul Lepidus be­stätigten sich. Dieser nämlich gefiel sich darin, Marius nach­zueifern und es in der Amtsführung Sulla gleichzutun. Ge­gen diesen sparte er nicht mit persönlichen Schmähungen; er rief zum Kampfe gegen seine Reformen und für die dadurch verlorene Freiheit auf. Sallust verlegt die vorliegende Rede, in der die Frage der Freiheit stark betont und die ganz auf die Alternative die­nen oder herrschen abgestellt ist, zeitlich vor; Lepidus tut bei seinen Angriffen gegen Sulla so, als lebe dieser noch. Da­mit wird erreicht, daß »in rechter Bewertung der Vorberei­tungen und Ansätze vor Ausbruch des offenen Kampfes die Motive der Rebellion möglichst gesammelt vorgetragen wer­den können« (Büchner, »Sallust«, S. 208). Lepidus geht aus von der durch die sullanischen Maßnahmen verschuldeten Kluft innerhalb des römischen Volkes und spricht für alle, die durch Sulla an Besitz und an Rechten Schaden erlitten hatten: für die Söhne der Geächteten, denen nunmehr der Zugang zu Staatsämtern verschlossen war; für das Volk von Rom, dem der Empfang von verbilligtem Getreide versagt wurde; für die Latiner und die Bundesgenossen, die zwar das römische Bürgerrecht erhalten, ihren Landbesitz jedoch an die Veteranen verloren hatten; für die entschädigten Vete­ranen, die zusehen mußten, wie fruchtbare Gebiete wenigen Großen zugespielt wurden. Lepidus erweist sich in dem Aufruf zum Kampf als beden­kenloser Demagoge, der die politische Situation weder richtig zu werten bereit noch diese zu meistern imstande ist, der eine Friedensordnung entwickelt, die in Wirklichkeit nichts anderes ist als Knechtschaft. Die vielfach mit einer besonderen Art von Ironie ausgestat­tete Rede läßt untergründig die Charakterzüge des Lepidus deutlich werden: begonnene Konstruktionen enden ganz plötzlich; parallele Sätze werden ungleich gestaltet; notwen­dige Zwischengedanken sind als überflüssig weggelassen.

I. Oratio M. Aemili Lepidi consulis ad populum Ro­manum (I 55 M)

(1) Clementia et probitas vostra, Quirites, quibus per ceteras gentis maxumi et clari estis, plurumum timoris mihi faciunt advorsum tyrannidem L. Sullae, ne, quae ipsi nefanda aestu­matis, ea parum credundo de aliis circumveniamini, praeser­tim cum illi spes omnis in scelere atque perfidia sit neque se aliter tutum putet, quam si peior atquc intestabilior metu vostro fuerit; quo captis libertatis curam miseria eximat, aut, si provideritis, in tutandis periculis magis quam ulciscundo teneamini. (2) satellites quidem eius, homines maxumi nomi­nis, optumis maiorum exemplis, nequeo satis mirari; qui do­minationis in vos servitium suum mcrccdem dant et utrum­que per iniuriam malunt quam optumo iure liberi agcrc : (3) praeclara Brutorum atque Aemiliorum et Lutatiorum proles, gcniti ad ea, quac maiorcs virtutc pcpcrcrc, subvortunda. (4) nam quid a Pyrrho, Hannibale Philippoque et Antiecho de­fensum est aliud quam libertas et suae cuique sedes, neu cui nisi legibus pareremus? (5) quae cuncta scaevus iste Romulus quasi ab externis rapta tenet, non tot exercituum clade ne­que consulum et aliorum principum, quos fortuna belli con­sumpserat, satiatus, sed turn crudelior, cum plerosque secun­dae res in miserationem ex ira vortunt. (6) quin solus om-

I. Rede des M. Aemilius Lepidus vor dem römischen Volk1 (I 55 M)

( 1 ) Quiriten, eure Milde und Redlichkeit, Eigenschaften, durch die ihr unter allen anderen Völkern sehr groß und berühmt seid, bereiten mir gegenüber der Tyrannei des L. Sulla ein Höchstmaß an Furcht, ihr könntet dadurch umgarnt werden, daß ihr bei anderen zu wenig für wahrscheinlich haltet, was ihr selbst als schändlich erachtet, zumal jede Hoffnung bei jenem in Verbrechen und Treuebruch ruht und er sich nur dann sicher glaubt, wenn er infolge eurer Furcht noch schlech­ter und abscheulicher ist ; darin gefangen gehalten, soll euch die Erbärmlichkeit das Besorgtsein um die Freiheit wegneh­men, oder, wenn ihr doch vorausschauend denkt, sollt ihr euch mehr auf die Abwehr von Gefahren beschränken, als mit der Verwirklichung der Rache beschäftigen. (2) Ober seine Spießgesellen freilich, Menschen mit sehr bedeutenden Namen, mit vorbildlichen Ahnen, kann ich mich nicht genug wundern ; sie nämlich zahlen als Kaufpreis für die Herrschaft über euch ihre eigene Knechtschaft und wollen beides lieber unrechtmäßig, als unter bestem Recht als freie Menschen zu leben : (3) Eine herrliche Nachkommenschaft von Männern wie Brutus und Aemilius sowie Lutatius,2 geboren, das zu vernichten, was ihre Vorfahren durch tapfere Bewährung er­rungen haben ! (4) Denn was sonst wurde gegen Pyrrhus und Hannibal, gegen Philipp und A ntiochus3 verteidigt als die Freiheit und ein eigener Wohnsitz für jeden und außerdem, daß wir uns niemand unterordneten als den Gesetzen?4 (5) Und dies alles hält diese Karikatur eines Romulus fest, wie wenn er es auswärtigen Feinden entrissen hätte ; er hat noch nicht genug vom Verderben so vieler Heere, so vieler Kon­suln5 und anderer führender Männer, die das Mißgeschick im Kriege zuvor hinwegraffte, sondern ist dann nur noch grausamer, wenn das Glück die meisten vom Zorn zum Mit­gefühl umstimmt. (6) Ja, er hat als einziger von allen seit :\lenschengedenken Strafen gegen später Geborene6 festge­legt, so daß diesen eine ungerechte Behandlung früher gewiß

14 I. Oratio M. Aemili Lepidi consulis

nium post memoriam humani generis supplicia in post futuros composuit, quis prius iniuria quam vita certa esset ; pravis­sumeque per sceleris inmanitatem adhuc tutus fuit, dum vos metu gravioris serviti a repetunda libertate terremini. (7) Agundum atque obviam eundum est, Quirites, ne spolia vostra penes illum sint ; non prolatandum neque votis pa­randa auxilia, nisi forte speratis taedium iam aut pudorem tyrannidis Sullae esse et eum per scelus occupata periculosius dimissurum. (8) at ille eo processit, ut nihil gloriosum nisi tutum et omnia retinendae dominationis honesta aestumet. (9) itaque illa quies et otium cum libertate, quae multi probi potius quam Iaborern cum honoribus capessebant, nulla sunt : ( 1 0) hac tempestate serviundum aut imperitandum, habendus metus est aut faciundus, Quirites. ( 1 1 ) nam quid ultra? quaeve humana superant aut divina inpolluta sunt? populus Roma­nus, paulo ante gentium moderater, exutus imperio gloria iure, agitandi inops despectusque ne servilia quidem alimenta reliqua habet. ( 1 2) sociorum et Lati magna vis civitate pro multis et egregiis factis a vobis data per unum prohibentur, et piebis innoxiae patrias sedes occupavere pauci satellites mercedem scelerum. ( 1 3) Ieges iudicia aerarium provinciae reges penes unum, denique necis civium et vitae l icentia. ( 1 4) simul humanas hostias vidistis et sepulcra infecta sanguine

I. Rede des M. Aemilius Lepidus 15

war als das Leben ; und in Verkehrung jeder Regel lebte er durch die Ungeheuerlichkeit seines verbrecherischen Tuns bis heute in Sicherheit, indem ihr euch aus Furcht vor noch här­terer Knechtung davon abschrecken l ieget, die Freiheit zu­rückzufordern. (7) Ihr müßt handeln und euch entgegenstellen, Quiriten, damit die euch entrissenen Güter und Rechte nicht in der Hand jenes7 Mannes sind ; ihr dürft die Sache nicht hinaus­schieben und euch nicht durch Gebete Hilfen verschaffen, es sei denn, ihr hofft, Sulla empfinde schon Ekel oder Scham über seine Tyrannei und er werde unter größerer Gefahr wieder aufgeben, was er auf verbrecherische Weise in Besitz genommen hat. (8) Jener aber ist schon so weit vorausgeeilt, daß er nur das Sichere für ruhmvoll und alles für ehrenhaft hält, was der Behauptung seiner Herrschaft dient. (9) So gibt es denn jenen Frieden und jene Ruhe in Freiheit nicht mehr, wonach viele redliche Menschen eher zu greifen pflegten als nach einer mit Ehrenämtern verbundenen, angestrengten Tä­tigkeit : ( 1 0) In dieser stürmischen Zeit heißt es dienen oder herrschen, Furcht empfinden oder Furcht bereiten, Quiriten. ( 1 1 ) Denn was gibt es noch darüber hinaus? Oder, welche menschlichen Rechte sind noch übriggeblieben, oder gar, wel­che göttlichen Gesetze sind noch nicht entweiht? Das römische Volk, kurz zuvor noch Lenker der Völker, ist der Herrschaft, des Ruhmes und des Rechtes beraubt ;8 unfähig zu handeln und verachtet, hat es nicht einmal die den Sklaven zustehende Nahrung9 für sich übrigbehalten. ( 1 2) Eine große Menge von Bundesgenossen und von Latinern werden durch einen Mann von der Ausübung des Bürgerrechts ausgeschlossen, das ihnen von euch als Lohn für viele hervorragende Taten verliehen wurde, 10 und die väterlichen Wohnsitze des schuldlosen Vol­kes haben ganz wenige seiner Spießgesellen als Lohn für ihre Verbrechen in Besitz genommen. (13) Gesetze und Gerichte, Staatsvermögen, Provinzen und Königreiche, endlich die willkürliche Entscheidung über Tod und Leben von Bürgern sind in der Hand eines einzigen. ( 14) Zugleich habt ihr Men­schen gesehen, wie Opfertiere geschlachtet, und Gräber, ge-

16 I. Oratio M. Aemili Lepidi consulis

civili. (15) estne viris reliqui aliud quam solvere iniuriam aut mori per virtutem? quoniam quidem unum omnibus fi­nem natura vel ferro saeptis statuit, neque quisquam extre­mam necessitatem nihil ausus nisi muliebri ingenio exspec­tat. ( 1 6) Verum ego seditiosus, uti Sulla ait, qui praemia turba­rum queror, et bellum cupiens, qui iura pacis repeto. (17) scilicet quia non aliter salvi satisque tuti in imperio eritis, nisi Vettius Picens et scriba Cornelius aliena bene parta prodegerint, nisi adprobaritis omnes proscriptionem innoxio­rum ob divitias, cruciatus virorum inlustrium, vastam urbem fuga et caedibus, bona civium miserorum quasi Cimbricam praedam venum aut dono datam. ( 1 8 ) at obiectat mihi pos­sessiones ex bonis proscriptorum: quod quidem seelerum illius vel maxumum est non me neque quemquam omnium satis tutum fuisse, si recte faceremus. atque illa, quae turn formi­dine mercatus sum, pretio soluto iure dominus, tarnen resti­tuo, neque pati consilium est ullam ex civibus praedam esse. (19) satis illa fuerint, quae rabie contracta toleravimus : manus conserentis inter se Romanos exercitus et arma ab externis in nosmet vorsa. seelerum et contumeliarum omnium finis sit ; quorum adeo Sullam non paenitet, ut et facta in gloria nume­ret, et, si liceat, avidius fecerit. (20) Neque iam, quid existumetis de illo, sed quantum au­deatis: vereor, ne alius alium principem exspectantes ante

I. Rede des M. Aemilius Lepidus 17

tränkt mit Bürgerblut. ( 1 5) Ist für Männer noch etwas ande­res übrig, als das Unrecht aufzuheben oder bei mannhaftem Einsatz zu sterben? Denn die Natur hat doch für alle, auch für die, die von Eisen umschlossen sind, ein Ende bestimmt, und nur der, dessen Sinn weibisch ist, wartet auf den unver­meidlichen Tod, ohne etwas gewagt zu haben. ( 1 6) Ich aber bin, wie Sulla sagt, ein Aufrührer, der ich mich über Belohnungen für politische Unruhen beklage, und ich bin begierig nach Krieg, der ich im Frieden geltende Rechte zurückfordere. ( 1 7) Natürlich, weil ihr nur wohlbehalten und ausreichend gesichert in eurer Herrschaft sein werdet, wenn Vettius11 aus Picenum und der Schreiber12 Cornelius die ehrlich erworbenen13 Güter anderer verschwendet haben, wenn ihr alle beifällig aufgenommen habt die wegen ihres Reichtums erfolgte Proskription Unschuldiger, die marter­vollen Strafen bedeutender Männer, die durch Verbannung und Mord bedingte Entvölkerung der Stadt, Verkauf oder Verschenkung der Güter unglücklicher Bürger, wie wenn es Cimbernbeute14 wäre. ( 1 8 ) Er aber wirft mir Grunderwerb aus den Gütern Proskribierter vor: Das gerade ist entschie­den das größte seiner Verbrechen, daß nicht ich und auch sonst niemand unter allen ausreichend sicher gewesen wär�, wenn wir recht handeln würden. Und doch gebe ich zurück, was ich damals aus Angst gekauft habe, obwohl ich durch Zahlung des Kaufpreises rechtmäßig Eigentümer geworden bin,t• und es ist nicht meine Absicht geschehen zu lassen, daß aus dem Besitz von Bürgern irgendwie Beute eingebracht wird. ( 1 9) Jenes dürfte genug sein, was wir als Auswirkun­gen der Raserei ertragen haben: römische Heere, die mitein­ander handgemein, und römische Waffen, die von den äuße­ren Feinden weg, gegen uns selbst gerichtet wurden. Mit allen Verbrechen und Beschimpfungen soll es ein Ende haben ; über diese empfindet Sulla so wenig Reue, daß er sich seine Untaten zum Ruhme anrechnet und sie, wenn er könnte, noch begieriger ausführte. (20) Ich bin nun nicht mehr darum besorgt, wie ihr über ihn urteilt, sondern darum, wieviel ihr wagt: Ich fürchte näm-

18 I . Oratio M. Aemili Lepidi consulis

capiammt, non opibus eius, quae futiles et corruptae sunt, sed vostra socordia, qua rapturn ire licet et, quam audeas, tarn videri felicem. (21} Nam praeter satellites commacula­tos quis eadem volt aut quis non omnia mutata praeter vic­torem? scilicet milites, quorum sanguine Tarulae Scirtoque, pessumis servorum, divitiae partae sunt! an quibus praelatus in magistratibus capiundis Fufidius, ancilla turpis: hono­rum omnium dehonestamentum? (22) itaque maxumam mihi fiduciam parit victor exercitus, cui per tot volnera et Iabores nihil praeter tyrannum quaesitum est. (23) nisi forte tribuni­ciam potestatem evorsum profecti sunt, per arma conditam a maioribus suis, utique iura et iudicia sibimet extorquerent: egregia scilicet mercede, cum relegati in paludes et silvas contumeliam atque invidiam suam, praemia penes paucos intellegerent. (24) quare igitur tanto agmine atque animis incedit? quia secundae res mire sunt vitiis obtentui. quibus labefactis, quam formidatus est, tarn contemnetur, nisi forte specie concordiae et pacis, quae sceleri et parricidio suo no­mina indidit. neque aliter rem publicam et belli finem ait, nisi maneat expulsa agris plebes, praeda civilis acerbissuma, ius iudiciumque omnium rerum penes se, quod populi Romani fuit. (25) quae si vobis pax et composita intelleguntur, maxuma turbamenta rei publicae atque exitia probate, adnuite legibus

I. Rede des M. A emilius Lepidus 19

l ieh, der eine von euch wartet auf den andern, daß er die Führung übernehme, und ihr werdet eingefangen nicht durch seine Machtmittel, die unzuverlässig und verkommen sind, sondern ob eurer Sorglosigkeit, aufgrund deren man auf Raub ausgehen und so glücklich16 erscheinen kann, wie man dreist ist. (21 ) Wer nämlich außer seinen schmachbefleckten Spießgesellen hat die gleichen Wünsche,17 oder wer möchte nicht alles verändert wissen außer dem Sieger?18 Vielleicht die Soldaten19, durch deren Blut für einen Tarula und einen Sci rtus,20 die übelsten Kreaturen unter den Sklaven, Reich­tum erworben wurde ! Oder die, denen bei der Übernahme von Kmtern ein Fufidius2 1 , die gemeine Sklavensecle, vor­gezogen wurde : Eine Entehrung aller Ehrenämter? (22) Da­her weckt in mir größte Zuversicht das siegreiche Heer, von dem bei so vielen Wunden und Strapazen nichts als ein Tyrann gewonnen wurde. (23) Es sei denn, die Soldaten sind angetreten, die tribunizische Gewalt, die mit Hilfe der Waf­fen von ihren Vorfahren begründet wurde, zu zerstören und sich selbst damit Recht und Gerichte22 zu entwinden : Natür­lich um einen ganz besonderen Lohn, da sie, in Sümpfe und Wälder2'� verbannt, einsahen, Schmach und Ungunst sei ihr Anteil, jede Art von Lohn aber in der Hand von nur weni­gen. (24) Wieso also geht er mit einem so großen Gefolge und mit solchem Stolz einher? Weil das Glück wunderbar zum Deckmantel für Laster dient. Wenn dieses erst erschüt­tert ist, wird er in dem Maße verachtet, wie er gefürchtet ist, es sei denn, er tritt unter dem Schein von Eintracht und Frie­den auf; Bezeichnungen, die er seinem verbrecherischen Tun und seinem verruchten Morden24 beigelegt hat. Und nur dann, so sagt er, gebe es ein Gemeinwesen und ein Ende des Krieges, wenn es bei der Vertreibung der Plebs von Haus und Hof - der schmerzlichsten Beraubung, die Bürger tref­fen kann25 - bleibe, wenn aber Remt und Rechtsprechung in allen Angelegenheiten, d ie bisher dem römischen Volk gehör­ten, in seiner Hand blieben. (25) Wenn dies von euch als Friede und Ordnung verstanden wird, dann billigt die gren­zenlose Verwirrung und die Vernichtung des Staates, stimmt

20 I. Oratio M. A emili Lepidi conmlis

inposms, accipite otiurn curn servitio et tradite exernplurn posteris ad rern publicarn suirnet sanguinis rnercede circurn­veniundarn. (26) rnihi quarnquarn per hoc surnrnurn irnperiurn satis quaesiturn erat nornini rnaiorurn, dignitati atque etiarn praesidio, tarnen non fuit consiliurn privatas opes facere, potiorque visa est periculosa libertas quieto servitio. (27) quae s i probatis, adeste, Quirites, et bene iuvantibus divis M. Aerniliurn consulern ducern et auctorern sequirnini ad re­cipiundarn libertatern.

I. Rede des M. A emilius Lepidus 21

den aufgezwungenen Gesetzen zu, nehmt die mit Knecht­schaft verbundene Ruhe hin und gebt späteren Generationen ein Beispiel, das Gerneinwesen um den Preis des eigenen Blutes zu gefährden. (26) Obwohl, was mich betrifft, durch diese höchste Amtsgewalt genug erreicht war für den Namen meiner Vorfahren, für mein eigenes Ansehen und auch für meine Sicherheit, war es dennoch nicht meine Absicht, mir persönliche Machtmittel zu verschaffen, und eine gefahren­reiche Freiheit erschien mir besser als eine ungestörte Skla­verei. (27) Quiriten, wenn ihr dieses billigt, so seid an meiner Seite und folgt unter dem gütigen Beistand der Götter dem Konsul M. Aernilius als Führer und Ratgeber, die Freiheit zurückzugewinnen.

II. Rede des L. Marcius Philippus vor dem Senat

L. Marcius Philippus, ein Mann von hoher Bildung, galt als einsichtsvoller Senator und als geschulter Redner (Cicero, »Brutus« 173; 186; »De oratore« II 78; III 1). Er vertritt die Nobilität und ist bemüht, den Senat unter Hinweis auf die >Würde< ( dignitas) zu energischem Vorgehen zu bewegen. Er verteidigt zugleich die Herrschaft des Senats und stellt als ranghöchster Senator den Antrag, gegen Lepidus, den seditiosus und Störer des Friedens, den Ausnahmezustand zu erklären und so den Inhabern der höchsten zivilen und mili­tärischen Gewalt besondere Machtvollkommenheiten zu ver­leihen. Grundlage dafür ist der Ernst der Lage: Lepidus (vgl. die Einleitung zu I), der als Prokonsul amtiert, unterhält in Etrurien ein Heer und bereitet den Umsturz vor; Wahlen

li. Oratio L. Marci Philippi in senatu (I 77 M)

(1) Maxume vellem, patres conscripti, rem publicam quietam esse aut in periculis a promptissumo quoque defendi, deni­que prava incepta consultoribus noxae esse. sed contra sedi­tionibus omnia turbata sunt et ab iis, quos prohibere magis decebat ; postremo, quae pessumi et stultissumi decrevere, ea bonis et sapientibus faciunda sunt. (2) nam bellum atque arma, quamquam vobis invisa, tarnen, quia Lepido placent, sumunda sunt, nisi forte cui pacem praestare et bellum pati consilium est. (3) pro di boni, qui hanc urbem omissa cura adhuc tegitis : M. Aemilius, omnium flagitiosorum postremus,

11. Rede des L. Marcius Philippus vor dem Senat 23

für das fahr 77 v. Chr. hat es wegen der Unruhen noch nicht gegeben, ein interrex übt die Gewalt aus. Lepidus wird schließlich zum Staatsfeind erklärt; er rückt mit seinem Heere aus Etrurien an, wird aber vor den Toren Roms, in der Nähe des Marsfeldes, geschlagen und stirbt später als Flüchtling auf Sardinien. Die Rede des Philippus, beherrscht von dem mannigfaltig abgewandelten Gegensatz pax-bellum, ist nach Inhalt und Stil das Gegenstück zu der Rede des Lepidus: Philippus spricht flüssig und verständlich; er verwendet durchgängig gegensätzliche Begriffe und Gedanken; er ver­zichtet auf rednerische Effekte und baut die Perioden sym­metrisch und ausgewogen. Nach vielen oft weit voneinander getrennten Antithesen steht am Schluß des Ganzen ein Antrag •in ruhigerer Stili­sierung<.

I I. Rede des L. Marcius Philippus vor dem Senat (I 77 M)

( 1 ) Väter und Beigeordnete, mein inniger Wunsch wäre es, das Gemeinwesen möchte Ruhe haben oder in gefahrvollen Lagen von allen entschlossenen Männern verteidigt werden, und zuletzt, verderbliche Vorhaben möchten den Ratgebern zum Schaden sein. Im Gegensatz dazu aber ist alles durch Aufstände in Verwirrung gebracht, dazu noch von denen, denen es eher angestanden hätte, jene zu verhindern ; und was die Verdorbensten und Törichtsten beschlossen haben, müssen Gutmeindende und Verständige schließlich gar noch ausführen. (2) Denn Krieg und Waffen sind euch zwar ver­haßt, und doch müßt ihr dazu greifen, weil Lepidus Gefal­len daran hat, es sei denn, es beabsichtige jemand, für den Frieden einzustehen und damit den Krieg über sich ergehen zu lassen. (3) Ihr guten Götter, die ihr diese Stadt bis heute beschützt, während sie selbst die Sorge aufgegeben hat : M.

24 II. Oratio L. Marci Philippi in senatu

qui peior an ignavior sit deliberari non potest, exercitum opprimundae libertatis habet et se e contempto metuendum effecit ; vos mussantes et retractantes verbis et vatum carmi­nibus pacem optatis magis quam defenditis, neque intellegitis mollitia decretorum vobis dignitatem, ill i metum detrahi. (4) atque id iure, quoniam ex rapinis consulatum, ob seditio­nem provinciam cum exercitu adeptus est. quid ille ob bene facta cepisset, cuius sceleribus tanta praemia tribuistis? (5) at scilicet eos, qui ad postremum usque legatos pacem con­cordiam et alia huiusce modi decreverunt, gratiam ab eo peperisse ! immo despecti et indigni re publica habiti praedae loco aestumantur ; quippe metu pacem repetentes, quo habi­tam amiserant. (6) Equidem a principio, cum Etruriam coniurare, proscrip­tos accersi, largitionibus rem publicam lacerari videbam, maturandum putabam et Catuli consilia cum paucis secutus sum. cetcrum illi , qui gentis Aemiliae bene facta extollcbant et ignoscundo populi Romani magnitudinem auxisse, nus­quam etiam turn Lepidum progressum aiebant, cum privata arma opprimundae l ibertatis cepisset, sibi quisque opes aut patrocinia quaerundo consilium publicum corruperunt. (7) at tune erat Lepidus latro cum calonibus et paucis sicari is, quorum nemo diurna mercede vitam mutaverit ; nunc est

1/. Rede des L. Marcius Philippus vor dem Senat 25

Aemilius1, der nichtswürdigste aller Lasterhaften, bei dem man nicht entscheiden kann, ob er mehr schlecht oder mehr feige ist, besitzt ein Heer zum Sturze der Freiheit und hat sich aus einem Verachteten zu einem Menschen entwickelt, den man fürchten muß ; ihr aber wünscht unter Tuscheln und Sträuben den Frieden mehr durch leere Worte oder durch Sehersprüche herbei, statt ihn zu verteidigen, und ihr er­kennt nicht, wie infolge schwächlicher Beschlüsse euch die Würde, jenem die Furcht genommen wird. (4) Und das mit Recht, da er als Belohnung für seine Räubereien das Konsu­lat, ob des Aufruhrs eine Provinz mit einem Heere erlangt hat. Was hätte jener erst für verdienstvolle Taten davonge­tragen, dem ihr für Verbrechen so hohe Belohnungen zuge­teilt habt? (5) Natürlich aber haben die, die bis zu allerletzt für Gesandtschaften, Frieden, Eintracht und andere Dinge dieser Art gestimmt haben, Dank von ihm erfahren! Ganz im Gegenteil, verachtet und der Teilhabe an der Staatsver­waltung für unwürdig gehalten, gelten sie als Beutegut ; ver­ständlich, denn sie wollten ja durch Furcht den Frieden zu­rückgewinnen, durch die sie ihn als Besitztum aufgegeben hatten. (6) Ich jedenfalls war von Anfang an, als ich sah, daß Etru­rien2 sich verschwor, die Proskribierten herbeigerufen und das Gemeinwesen durch Bestechungen zugrunde gerichtet wurden, der Meinung, man müsse eilen, und mit nur weni­gen bin ich des Catulus3 Vorschlägen gefolgt. Im übrigen haben jene, die immer erneut die Ruhmestaten der Gens Ae­milia priesen und behaupteten, die Größe des römischen Vol­kes habe durch Verzeihen zugenommen und sogar damals noch sei Lepidus4 nach keiner Seite zu weit gegangen, als er schon eigenmächtig zu den Waffen gegriffen habe, um die Freiheit zu stürzen, jene also haben einen dem Staat dienen­den Beschluß verdorben, indem jeder für sich Machtmittel oder Patronate zu erreichen suchte. (7) Damals aber war Le­pidus4 ein Straßenräuber mit Troßknechten und mit nur we­nigen Meuchelmördern, von denen wohl keiner für einen Taglohn sein Leben geopfert haben dürfte ; jetzt ist er Pro-

26 !I. Oratio L. Marci Philippi in senatu

pro consule cum imperio, non empto, sed dato a vobis, cum legatis adhuc iure parentibus ; et ad eum concurrere homines omnium ordinum corruptissumi, flagrantes inopia et cupidi­nibus, seelerum conscientia exagitati, quibus quies in seditio­nibus, in pace turbae sunt. ei tumultum ex tumultu, bellum ex bello serunt, Saturnini olim, post Sulpici, dein Mari Da­masippique, nunc Lepidi satellites. (8) praeterea Etruria at­que omnes reliquiae belli arreetae, Hispaniae armis sollieitae, Mithridates in latere veetigalium nostrorum, quibus adhue sustentamur, diem bello eireumspieit: quin praeter idoneum dueem nihil abest ad subvortundum imperium. (9) Quod ego vos oro atque obseero, patres eonseripti, ut animadvortatis, neu patiamini lieentiam seelerum quasi ra­biem ad integros eontaetu proeedere. nam ubi malos praemia seeuntur, haud faeile quisquam gratuito bonus est. (10) an exspeetatis, dum exereitu rursus admoto ferro atque flamma urbem invadat? quod multo propius est ab eo quo agitat statu, quam ex paee ct coneordia ad arma civilia, quae ille advorsum divina et humana omnia eepit, non pro sua aut quorum simulat iniuria, sed legum ae libertatis subvortun­dae. (1 1 ) agitur enim ae laeeratur animi eupidine et noxarum metu, expers eonsili, inquies, haee atque illa temptans ; me­tuit otium, odit bellum ; luxu atque lieentia carendum videt

//. Rede des L. Marcizts Philippzts vor dem Senat 27

konsul mit einem Imperium, das er nicht erkauft, sondern von euch erhalten hat, mit Legaten, die ihm bis heute recht­mäßig gehorchen ; und bei ihm sind die am meisten verdor­benen Menschen aller Stände zusammengeströmt, wild er­regt durch Not und Leidenschaften, vom Bewußtsein ihrer Verbrechen gequält, Menschen, für die es im Verlauf von Aufständen Ruhe, im Frieden Unruhen gibt. Diese reihen Aufruhr an Aufruhr, Krieg an Krieg, einst Trabanten des Saturninus5, später des Sulpicius6, dann des Marius7 und Damasippus8, jetzt des Lepidus9• (8) Außerdem befindea sich Etrurien° und alle noch übriggebliebenen Kriegsgebiete in Aufregung, die beiden Spanien10 sind durch Waffenlärm in Unruhe, und Mithridates1 1 sieht sich in der Flanke unserer Einnahmequellen, durch die wir uns bis heute aufrecht hal­ten, nach dem rechten Zeitpunkt für einen Krieg u m : Für­wahr, außer einem geeigneten Führer fehlt nichts, unsere Herrschaft zu vernichten! (9) Unter diesen Umständen bitte und beschwöre ich euch, Väter und Beigeordnete, ein waches Auge zu haben und nicht zuzulassen, daß die Willkür verbrecherischen Treibens gleichwie die Tollwut bis zu denen vordringt, die von ver­derblichem Einfluß noch unberührt sind. Wo nämlich Beloh­nungen den Schlechten zufallen, ist nicht leicht jemand ohne Gewinnstreben gut. ( 1 0) Oder wollt ihr warten, bis er er­neut ein Heer heranführt und mit Feuer und Schwert in die Stadt eindringt? Das bedeutet von seiner jetzigen Lage aus einen viel kleineren Schritt als aus Friede und Eintracht zum Bürgerkrieg, den jener gegen jede göttliche und menschliche Ordnung begonnen hat, nicht um ein Unrecht an der eigenen Person oder an denen zu sühnen, für die er eintreten zu müssen vorgibt, sondern, um Gesetze und Freiheit zu zer­stören. ( 1 1 ) Getrieben nämlich und gequält wird er von lei­denschaftlichem Verlangen im Herzen und von der Furcht vor Strafe : er ist ratlos und ruhelos, er versucht dieses, aber auch jenes ; er fürchtet die Zeit der Ruhe, er haßt den Krieg ; er sieht, daß er sich eines übermäßigen Aufwands und der Zügellosigkeit enthalten muß, zwischenzeitlich aber nutzt er

28 I/. Oratio L. Marci Philippi in senatu

atque interim abutitur vostra socordia. ( 1 2) neque mihi satis consili est, metum an ignaviam an dementiam eam adpellem, qui videmini tanta mala quasi fulmen optare se quisque ne attingat, sed prohibere ne conari quidem. ( 1 3 ) Et quaeso considerate, quam convorsa rerum natura sit. antea malum publicum occu!te, auxilia palam instruebantur, et eo boni malos facile anteibant ; nunc pax et concordia dis­turbantur palam, defenduntur occu!te. quibus illa placent, in armis sunt, vos in metu. ( 1 4) quid exspectatis ? nisi forte pudet aut piget recta facere. an Lepidi mandata animos mo­vere? qui placere ait sua cuique reddi et aliena tenet ; belli iura rescindi, cum ipse armis cogat ; civitatem confirmari, quibus ademptam negat ; concordiae gratia tribuniciam po­testatem restitui, ex qua omnes discordiae accensae. ( 1 5 ) pes­sume omnium atque inpudentissume, tibine egestas civium et luctus curae sunt, cui nihi! est domi nisi armis parturn aut per iniuriam? alterum consulatum petis, quasi primum red­dideris, bello concordiam quaeris, quo parta disturbatur ; nostri proditor, istis infidus, hostis omnium bonorum. ut te neque hominum neque deorum pudet, quos per fidem aut periurio violasti! ( 1 6) qui quando ta!is es, maneas in senten-

II. Rede des L. Mareius Philippus vor dem Senat 29

eure Lässigkeit unbedenklich aus. ( 1 2) Und ich habe nicht genug Einsicht, ob ich das Furcht oder Feigheit oder Unver­stand nennen soll, wenn es so scheint, daß jeder einzelne von euch zwar wünscht, das so große Unheil möchte ihn gleichwie ein Blitz nicht treffen, er aber nicht einmal den Versuch macht, es abzuwehren. (13) Und so überlegt bitte, wie umgewandelt der Zustand der Dinge ist. Früher erfolgten verderbliche Anschläge ge­gen den Staat im geheimen, Hilfeleistungen in aller Offen­heit, und dadurch waren die Guten stets leicht den Schlech­ten voraus ; heute werden Friede und Eintracht öffentlich gestört, nur heimlich verteidigt. Und die, die sich für jenes Schlimme entscheiden, stehen unter Waffen, ihr lebt in Furcht. ( 1 4) Was wartet ihr noch? Es sei denn, ihr empfindet Scham oder Mißmut, das Rechte zu tun. Oder haben die Forderun­gen des Lepidus1 2 euch beeindruckt? Dieser behauptet, er sei dafür, daß jeder sein Eigentum zurückerhalte, behält aber fremdes Gut ; er wolle das Kriegsrecht aufgehoben wissen, während er selbst mit Waffen Zwang ausübt ; er möchte das Bürgerrecht derer bestätigt sehen, denen es, wie er selbst sagt, nie genommen wurde ; er sei dafür, daß um der Eintracht willen die tribunizische Gewalt wiederhergestellt werde, an der doch alle Zwistigkeiten sich entzündet haben. ( 1 5) Du Schlechtester und Schamlosester von allen, sind für dich etwa Armut und Trauer der Bürger ein Gegenstand der Sorge, der du daheim nichts hast, was nicht mit Waffengewalt oder durch Unrecht erworben ist? Ein zweites Konsulat erstrebst du, als ob du das erste zurückgegeben hättest,1" durch Krieg suchst du Eintracht zu erreichen, dabei wird sie - kaum ge­wonnen - durch diesen gestört ; Verräter bist du an uns14, treulos gegen die eigenen Leute da, Feind aller Guten! Wieso schämst du dich eigentlich nicht vor Menschen und vor Göt­tern, die du durch Mißachtung des Treueversprechens oder durch Bruch des Gelübdes verletzt hast! ( 1 6) Da du nun ein­mal von solcher Art bist, fordere ich dich auf, bei deiner Meinung zu bleiben und die Waffen zu behalten, uns aber nicht - selbst ruhelos - durch Hinauszögern des aufrühreri-

30 !I. Oratio L. Marci Philippi in senatu

tia et retineas arma, te hortor, neu prolatandis seditionibus, inquies ipse, nos in sollicitudine attineas. neque te provin­ciae neque Ieges neque di penates civem patiuntur. perge, qua coeptasti, ut quam maturrume merita invenias! ( 1 7) Vos autem, patres conscripti, quo usque cunctando rem publicam intutam patiemini et verbis arma temptabitis? di­lectus advorsum vos habiti, pecuniae publice et privatim ex­tortae, praesidia deducta atque inposita ; ex lubidine Ieges imperantur, cum interim vos legatos et decreta paratis. quan­to mehercule avidius pacem petieritis, tanto bellum acrius erit, cum intelleget se metu magis quam aequo et bono sus­tentatum. ( 1 8) nam qui turbas et caedem civium odisse ait et ob id armato Lepido vos inermos retinet, quae victis tole­randa sunt, ea, cum facere possitis, patiamini potius censet : ita illi a vobis pacem, vobis ab illo bell um suadet. ( 1 9) haec si placent, si tanta torpedo animos oppressit, ut obliti seelerum Cinnae, cuius in urbem reditu decus ordinis huius interiit, nihilo minus vos atque coniuges et Iiberos Lepido permissuri sitis: quid opus decretis, quid auxilio Catuli? (20) quin is et alii boni rem publicam frustra curant. agite, ut lubet, parate vobis Cethegi atque alia proditorum patrocinia, qui .rapinas et incendia instaurare cupiunt et rursus advorsum deos pena­tis manus armare! sin libertas et vera-·magis placent, decer­nite digna nomine et augete ingenium viris fortibus! (21)

ll. Rede des L. Marcius Philippus vor dem Senat 31

sehen Treibens in der Unruhe festzuhalten. Weder Provinzen noch Gesetze, noch Schutzgottheiten dulden dich als Bürger. Fahre fort, wie du begonnen hast, damit du möglichst bald den verdienten Lohn findest ! ( 1 7) Ihr aber, Väter und Beigeordnete, wie lange wollt ihr durch euer Zögern den Staat schutzlos lassen und mit bloßen Worten gegen Waffen angehen? Aushebungen von Soldaten, gegen euch gerichtet, wurden abgehalten, Gelder im öffent­lichen und privaten Bereich erpreßt, Besatzungstruppen hier abgezogen und dorthin verlegt ; nach Belieben werden Ge­setze angeordnet, während ihr derweil Gesandtschaften und Beschlüsse vorbereitet. Beim Herkules, je begieriger ihr den Frieden erstrebt habt, desto hitziger wird der Krieg sein, wenn er erst merkt, daß er durch eure Furcht besser gestützt ist als durch das Gefühl für Recht und Billigkeit. { 1 8 ) Wer nämlich Unruhen und Mord an Bürgern zu hassen vorgibt und euch deshalb unbewaffnet hält, während Lepidus be­waffnet ist, der ist der Meinung, ihr solltet lieber hinneh­men, was Besiegte ertragen müssen, obwohl ihr selbst es an­deren antun könntet : Mit diesem Rat empfiehlt er für jenen Frieden von eurer Seite, für euch aber von seiner Seite Krieg. {1 9) Wenn ihr dieses für gut befindet, wenn eine so tiefe Stumpfheit euch niedergedrückt hat, daß ihr, ohne der Ver­brechen Cinnas15, durch dessen Rückkehr in die Stadt die Zierde dieses Standes zugrunde gegangen ist, eingedenk zu sein, nichts desto weniger euch und sogar eure Frauen und Kinder dem Lepidus überlassen wollt : warum sind dann noch Beschlüsse, warum ist dann noch des Catulus16 Hilfe erforderlich? {20) Wahrlich, er und die anderen Gut

-en um­

sorgen das Gemeinwesen ohne Erfolg. Handelt, wie es euch beliebt, verschafft euch den Schutz des Cethegus17 und ande­rer Verräter, die Raub und Brandsch�tzung wieder aufleben zu lassen und sich erneut gegen die heimischen Götter zu wappnen wünschen! Wenn ihr euch aber mehr für die Frei­heit und für das Wahre entscheidet, so beschließt, was eures Namens würdig ist, und mehrt den Mut bei den tapferen Männenil {2 1 ) Ein neues Heer steht bereit, dazu Pflanz-

32 //. Oratio L. Marci Philippi in senatze

adest novus exercitus, ad hoc coloniae veterum militum, no­bilitas omnis, duces optumi : fortuna meliores sequitur. iam illa, quae socordia nostra collecta sunt, dilabentur. (22) Quare ita censeo : quoniam M. Lepidus exercitum pri­vato consilio paraturn cum pessumis et hostibus rei publicae contra huius ordinis auctoritatem ad urbem ducit, uti Ap. Claudius interrex cum Q. Catulo pro consule et ceteris, qui­bus imperium est, urbi praesidio sint operamque dent, ne quid res publica detrimenti capiat.

Il. Rede des L. Marci11s Philippzes vor dem Senat 33

Städte altgedienter Soldaten, die ganze Nobilität, die besten Führer im Kriege : Das Glück folgt den Besseren. Schon bald wird sich auflösen, was sich da durch unsere Sorglosigkeit angesammelt hat. (22) Daher stelle ich diesen Antrag : Da ja M. Lepidus ein Heer, das er in persönlicher Verantwortung ausgerüstet hat, im Bunde mit den Verworfenstcn und den Feinden des Staa­tes dem Gutachten dieses Standes zum Trotz zur Stadt hin­führt, soll der Interrex Ap. Claudius18 zusammen mit dem Prokonsul Q. Catulus19 und allen übrigen, die ein Imperium besitzen, die Stadt schützen und sich bemühen, daß der Staat keinen Schaden erleidet. 2o

II I. Rede des C. Aurelius Cotta vor dem Volk von Rom

Die Konsuln des Jahres 75 v. Chr. waren L. Octavius und C. Aurelius Cotta, von denen dieser als hervorragender Red­ner galt (Cicero, »Brutus« 202 ff. und »De oratore« /I I 31). In Rom und in Italien war die Lage bei Amtsantritt der Konsuln schwierig: Die im Felde stehenden Heere -vor allem in Spanien und Asien -mußten versorgt werden; die Seerät�ber behinderten den Verkehr zur See und damit die Zufuhren empfindlich; die Provinzen waren azesgeplündert; Mißernten -vor allem in Gallien-führten zu Tez�emng und Hzmgersno t. Das Volk verarmte von fahr zu Jahr mehr und machte die Beamten für die wachsende Not verantwortlich.

1 1 1. Oratio C. Aureli Cottae ad populum Roman um (II 47 M)

(Post paucos dies Cotta mutata veste permaestus, quod pro cupita voluntate plebes abalienata fuerat, hoc modo in con­tione populi disseruit :)

(1) Quirites, multa mihi pericula domi militiaeque, multa advorsa fuere ; quorum alia toleravi, partim reppuli deorum auxiliis et virtute mea : in quis omnibus numquam animus negotio defuit neque decretis labos ; (2) malae secundaeque

!//. Rede des C. Aurelius Cotta vor dem Volk von Rom 35

Als Octavius und Cotta eines Tages auf dem Wege zu einer Wahlversammlung auf dem Fomm waren, entlud sich die Wut des Volkes; es kam auf der Via Sacra zu Tätlichkeiten gegen die beiden Konsuln. Einige Tage später wandte sich Cotta mit einer Rede an das Volk und rief z1er Besonnenheit und zur Hilfeleistung in der Bedrängnis attf: nicht nttr zeit­lich, sondern auch stofflich besteht damit eine enge Verbin­dleng Ztt dem folgenden Brief des Cn. Pompeius. Cotta aber wttßte dem Volk keinen besseren Rat zu geben, als daß es sich in die unvermeidliche Not fügen solle. A 1ech dtt rch An­spielungen a1ef eigene Schicksale (Verurteilung im Jahre 91 v. Chr. als Anhänger des L. DmSIIs im Kampf für die Rechte der Italiker; durch den Sieg der Marianer bedingtes Exil und Heimkehr erst nach S1ellas Sieg im fahre 82 v. Chr.) ver­suchte er, das Volk für sich zu gewinnen. Ober den Erfolg, den er mit seiner Rede hatte, verla1e tet nichts.

III. Rede des C. Aurelius Cotta vor dem Volk von Rom (II 47 M)

(Nach nur wenigen Tagen sprach Cotta, anders gekleidet und tief betrübt darüber, daß das Volk keineswegs die ge­wünschte Gesinnung gezeigt, sondern sich ganz gegensätzlich verhalten hatte, in der Volksversammlung in dieser Weise:) 1

( 1 ) Quiriten, viele Gefahren daheim und im Kriege, vieles Widerwärtige hat es gegeben ;2 davon habe ich das eine er­tragen, einen Teil mit Hilfe der Götter und durch meine eigene Tatkraft abgewendet : Bei all diesem hat niemals die Entschlossenheit für eine Aufgabe, niemals die andauernde :\nstrengung bei der Durchführung von Beschlüssen gefehlt ; ·)) unglückliche und glückliche Umstände änderten bei mir immer nur die Mittel, nicht meine Grundhaltung. Im Gegen­satz dazu aber hat mich in diesen Notzeiten alles" zugleich mit dem Glück im Stich gelassen. Außerdem verdoppelt das hohe Lebensalter, 4 das an sich schon drückend ist, meine Be-

36 lll. Oratio C. Aureli Co ttae ad popztlum Romamtm

res opes, non ingenium mihi mutabant. at contra in his mise­riis cuncta me cum fortuna deseruere. praeterea senectus, per se gravis, curam duplicat, cui misero acta iam aetate ne mortem quidem honestam sperare licet. (3 )nam si parricida vostri sum et bis genitus hic deos penatis meos patriamque et summum imperium vilia habeo, quis mihi vivo cruciatus satis est aut quae poena mortuo? quin omnia memorata apud inferos supplicia scelere meo vici. (4) A prima adulescentia in ore vostro privatus et in magi­stratibus egi : qui lingua, qui consilio meo, qui pecunia volu­cre, usi sunt. neque ego callidam facundiam neque ingenium ad male faciundum cxercui ; avidissumus privatae gratiae maxumas inimicitias pro re publica suscepi ; quis victus cum illa simul, cum egcns alienae opis plura mala exspectarcm, vos, Quirites, rursus mihi patriam deosque penatis cum in­genti dignitate dcdistis. (5) pro quibus beneficiis vix satis gratus videar, si singulis animam, quam nequeo, concesserim. nam vita ct mors iura naturae sunt: ut sine dedecore cum c ivibus fama ct fortunis integer agas, id dono datur atque accipitur. (6) Consules nos fccistis, Quiritcs, domi bellique impeditis­suma re publica. namque imperatores Hispaniae Stipendium milites arma frumentum poscunt, ct id res cogit, quoniam defectione sociorum et Sertori per montis fuga neque manu certare possunt neque utilia parare. (7) exercitus in Asia

II I. Rede des C. Aurelius Cotta vor dem Volk von Rom 37

sorgnis, denn ich Unglücklicher bin schon an das Ende meiner Tage gelangt und darf nicht einmal einen ehrenvollen Tod erhoffen. (3) Denn wenn ich ein Hochverräter" an euch bin und, zweimal geboren,0 hier meine heimischen Götter, das Va­terland und die höchste Befehlsgewalt gering achte, welche martervolle Strafe ist dann für mich im Leben ausreichend oder welche Buße nach dem Tode? Fürwahr, alle Bestrafun­gen, die es, wie man berichtet, bei den Unterirdischen gibt, habe ich dann durch mein verbrecherisches Tun überboten.' (4) Von frühester Jugend an habe ich vor euren Augen als Privatmann und als Beamter gelebt : Wer meine Redekunst , wer meinen Rat, wer mein Geld in Anspruch nehmen wollte, durfte dieses. Nie aber habe ich meine gewandte Art zu re­denH oder meinen Scharfsinn in der Absicht eingesetzt, schlecht zu handeln ; wenn ich auch ganz leidenschaftlich nach per­sönlicher Freundschaft verlangte, habe ich doch sehr ernste Feindscha ften für den Staat auf mich genommen ; als ich dann, durch diese zugleich mit dem Staat bezwungen" und auf die Hilfe anderer angewiesen, noch mehr übel erwartete, habt ihr, Quiriten, mir wieder ein Vaterland und heimische Götter verbunden mit ungewöhnl icher Würde gegeben. (5 ) Und für diese Wohltaten dürfte ich auch dann kaum dank­bar genug erscheinen, wenn ich, was i ch nicht kann, mein Leben für jeden einzelnen von euch hingäbe. Denn Leben und Tod sind Rechte der Natur : Daß man aber ohne Schande und ohne Einbuße an Ruf und Glücksgütern im Kreise seiner Mitbürger lebt, das wird als Geschenk gegeben und emp­iangen. (6) Quiriten, ihr habt uns zu Konsuln gemacht in einem Augenblick, da der Staat drinnen und draußen in einer sehr schwierigen Lage ist . Denn die Feldherren in Spanien for­dern Sold und Soldaten, Waffen und Proviant ; und dazu zwingt sie die Lage der D inge, da sie doch infolge des Ab­ialls der Bundesgenossen und des Sertorius 1° Flucht durch das Gebirge weder einen offenen Kampf l iefern, noch sich verschaffen können, was zum Kriege nötig ist . (7) Heere werden in Kleinasien und in Kilikien wegen der übergroßen

38 Ill. Oratio C. Aureli Cottae ad populum Romanum

Ciliciaque ob nimias opes Mithridatis a!untur, Macedonia plena hostium est nec minus Italiae marituma et provincia­rum, cum interim vcctigalia parva et bellis incerta vix par­tem sumptuum sustincnt : ita classe, quae commeatus tueba­tur, minorc quam antca navigamus. (8) haec si dolo aut so­cordia nostra contracta sunt, agite, ut monct ira, supplicium sumitc ; sin fortuna communis aspcrior est, quare indigna vobis nobisque et rc publica incipitis? (9) Atquc ego, cuius aetati mors propior cst, non deprecor, si quid ca vobis incommodi demitur ; neque mox ingenio cor­poris honestius quam pro vostra sa!ute finem vitae fecerim. ( 1 0) adsum en C. Cotta consul ; facio quod saepe maiorcs asperis bcllis fecere : voveo dedoque me pro rc publica. ( 1 1 ) quam dcinde cui mandetis, circumspicite ; nam talem hono­rcm bonus nemo volet, cum fortunae et maris ct bel!i ab aliis acti ratio rcddunda aut turpiter moriundum sit. ( 1 2) tantum­modo in animis habetote non me ob scelus aut avaritiam cae­sum,sed volentem pro maxumisbeneficiis animam donodcdissc. ( 1 3) per vos, Quiritcs, ct gloriam maiorum, tolerate advorsa et consulitc rei publicae ! ( 1 4) mu!ta cura summo imperio inest, multi ingentes Iabores ; quos nequiquam abnuitis et pa­cis opulentiam quaeritis, cum omncs provinciae regna maria terraeque aspera aut fessa bellis sint.

/Il. Rede des C. A rtrelitls Cotta vor dem Volk von Rom 39

Macht des Mithridates 1 1 unterhalten, Makedonien ist voll von Feinden, und nicht weniger sind es die Küstenbereiche Italiens und der Provinzen, während indessen die geringfü­gigen, durch die Kriege unsicher gewordenen Staatseinkünfte kaum einen Teil der Aufwendungen decken : Daher ist unsere Flotte, welche die Transporte schützte, gegenüber früher an Zahl geringer und wir s ind zu See schwächer geworden. (8) Wenn diese Nöte durch unsere Heimtücke oder auch durch unsere Fahrlässigkeit herbeigeführt sind, dann handelt, wie der Zorn es euch eingibt, und vollzieht die Todesstrafe ; wenn aber das allgemeine Geschick bestimmender ist, warum beginnt ihr, was euer und unser sowie des Staates unwürdig ist? (9) Und ich, dem bei seinem Alter der Tod schon ganz nahe ist, suche diesen nicht durch Bitten von mir abzuwenden, wenn durch ihn irgendein Schaden von euch genommen wird ; und ich dürfte bald infolge natürlicher körperlicher Beschaf­fenheit keineswegs ehrenvoller den Tod finden, als ich viel­leicht jetzt für eure Rettung ende. ( 1 0) Hier stehe ich nun, der Konsul C. Cotta ; ich tue, was unsere Vorfahren in schwie­rigen Kriegen oft getan haben : 1 2 Ich weihe mich und gebe mich für den Staat hin. ( 1 1 ) Seht ihr euch um, wem ihr die­sen dann anvertraut ; denn ein solches Ehrenamt wird kein redlicher Mann wollen, wenn man für ein Mißgeschick zur See und in einem von anderen betriebenen Krieg Rechen­schaft geben oder schimpflich sterben muß. ( 1 2) Wenigstens dieses aber sollt ihr bei euch bedenken, daß ich nicht wegen eines Verbrechens oder wegen Habsucht das Leben ·verwirkt, sondern es freiwillig als Dank für sehr große Wohltaten ge­opfert habe. ( 1 3 ) Quiriten, bei euch und bei dem Ruhm der Vorfahren mahne ich : ertragt Widerwärtigkeiten und sorgt für den Staat ! ( 1 4) Viel Fürsorge ist mit der größten Macht verbunden, dazu viele außerordentl iche Anstrengungen ; und diese verweigert ihr ohne Nutzen und sucht nach Üppigkeit im Frieden, während doch alle Provinzen und Königreiche, �eere und Länder in Bedrängnis oder durch Kriege erschöpft sind.

IV. Brief des Cn. Pompeius an den Senat

Der Brief des Pompeius, der, wie Salbest ( »Historiae� Il 18 M) berichtet, im Kriege erfahren und in allen anderen Dingen, nur nicht der Herrschaft gegenüber Z1erückhaltend war (Il 17 M), der Alexander dem Großen in Taten und Entschlüssen nacheiferte (III 88 M), führt in das Jahr 75/74 v. Chr., in dem L. Octavi1es und C. Aurelius Cotta Konsuln waren (vgl. die EinZeitleng zu III). Der in Spanien gegen Sertorius (seine Taten blieben nach Sallust - I 88 M - viel­fach ohne rühmliche Erwähnung, da er zunächst nur wenig bekannt war und die Berichterstatter ihm Erfolge neideten) geführte Krieg war trotz mancher Siege wenig erfolgreich verlaufen. Die Verbundenheit des Volkes mit Sertorius, der sich auf den Kampf im Gebirge verstand und geschickt und mutig vorging, und die natürlichen Schwierigkeiten des Lan­des schadeten den Römern sehr. Der Senat in Rom hatte sich den Klagen der in Spanien täti-

IV. Epistula Cn. Pompei ad senatum ( I I 98 M)

{1 ) Si advorsus vos patriamque et deos penatis tot labores et pericula suscepissem, quotiens a prima adulescentia ductu meo scelestissumi hostes fusi et vobis salus quaesita est, nihil amplius in absentem me statuissetis, quam adhuc agitis, patres conscripti ; quem contra aetatem proiectum ad bellum sae­vissumum cum exercitu optume merito, quantum est in vo­bis, fame, miserruma omnium morte, confecistis. (2) hacine spe populus Romanus liberos suos ad bellum misit? haec sunt

IV. Brief des Cn. Pompeius an den Senat 4 1

gen Heerführer gegenüber taub gezeigt. Daher richtete Pom­peius einen dringenden Hilfemf an ihn ; er wies darauf hin, olme eine starke Unterstützung werde sich der Krieg nicht weiterfiihren lassen, ja er werde vielleicht sogar nach Italien verlagert. Mit diesem Appell hatte Pompeius Erfolg : Geld und Tmppenverbände wurden vom Senat bewilligt. Ein schnelles Ende des Krieges blieb dennoch aus; es kam erst mit dem Tode des Sertorius. Pompeius feierte 71 v. Chr. den Triumph über Spanien und trat zugleich das Konsulat an. Während Cotta in seiner Rede (Ill) die Hungersnot in Rom mit den Erfordernissen des Krieges begründet, werden in dem von Sallust künstlerisch gestalteten, an Gegensätzen (Leistung des Feldherrn / Not der Soldaten - Versagen der Regierenden) und Vbertreibzmgen reichen Brief des Pom­peius Mangel an Proviant für das Heer und drohender Hun­ger als nicht weniger gefährlich hingestellt. Anfang und Schluß des B riefes sind gedanklich als Einheit geformt. Zeit­lich und stofflich gehören die Rede Cottas und der Brief des Pompeius zusammen.

IV. Brief des Cn. Pompeius an den Senat ( I I 98 M)

{ l ) Wenn ich euch, dem Vaterland und den Penaten gegen­über so vielmals Mühen und Gefahren auf mich genommen hätte, wie seit meiner frühesten Jugend1 unter meiner Füh­rung die verruchtesten Feinde geschlagen und für euch Ret­tung erreicht wurden, so hättet ihr nichts Argeres gegen mich in Abwesenheit beschließen können, als ihr es bis jetzt noch betreibt, versammelte Väter ;2 und mich, der ich ungeachtet meines jugendlichen Alters leichtfertig in den schrecklichsten Krieg zusammen mit einem hochverdienten Heere gestürzt wurde, habt ihr, soweit es an euch l iegt, durch Hunger, die allerelendeste Todesart, aufgerieben . (2) Hat in dieser Hoff­nung das römische Volk seine Söhne in den Krieg geschickt? Sind das die Belohnungen für die Wunden und für das Blut,

42 IV. Epistula Cn. Pompei ad senatum

praemia pro volneribus et totiens ob rem publicam fuso san­guine? fessus scribundo mittundoque legatos omnis opes et spes privatas meas consumpsi, cum interim a vobis per triennium vix annuus sumptus datus est. (3) per deos inmor­talis, utrum censetis me vicem aerari praestare an exercitum sine frumento et stipendio habere posse? (4) Equidem fateor me ad hoc bellum maiore studio quam consilio profectum, quippe qui nomine modo imperi a vobis accepto diebus quadraginta exercitum paravi hostisque in cervicibus iam Italiae agentis ab Alpibus in Hispaniam sub­movi. per eas iter aliud atque Hannibal nobis opportunius patefeci. (5) recepi Galliam Pyrenaeum Lacetaniam Indigetis et primum impetum Sertori victoris novis militibus et multo paucioribus sustinui hiememque castris inter saevissumos hostis, non per oppida neque ex ambitione mea egi. (6) quid deinde proelia aut expeditiones hibernas, oppida excisa aut recepta enumerem, quando res plus valet quam verba? castra hostium apud Sucronem capta et proelium apud flumen Tu­riam et dux hostium C. Herennius cum urbe Valentia et exer­citu deleti satis clara vobis sunt : pro quis, o grati patres, ege­statem et famem redditis. (7) itaque meo et hostium exer­citui par conditio est : namque stipendium neutri datur ; vic­tor uterque in Italiam venire potest. (8) Quod ego vos moneo quaesoque, ut animadvortatis neu cogatis necessitatibus privatim mihi consulere. (9) Hispaniam citeriorem, quae non ab hostibus tenetur, nos aut Sertorius

IV. Brief des Cn. Pompeius an den Senat 43

das um des Gemeinwesens willen so oft vergossen wurde? Müde geworden durch Schreiben und durch Entsendung von Gesandtschaften, habe ich alle meine persönlichen Mittel und Erwartungen aufgebraucht, während indessen von euch im Verlauf von drei Jahren3 kaum der Bedarf für ein Jahr ge­währt wurde. (3) Bei den unsterblichen Göttern, meint ihr wirklich, ich könnte die Stelle des Staatsschatzes vertreten oder ein Heer ohne Proviant und Sold unterhalten? (4) Ich für meine Person gebe zu, in diesen Krieg mit mehr Eifer als Überlegung gezogen zu sein, denn ich habe, als ich bloß den Titel des Oberbefehlshabers von euch empfangen hatte, innerhalb von vierzig Tagen e in Heer ausgerüstet4 und die Feinde, die sich schon auf dem Nacken Italiens be­fanden, von den Alpen weg bis nach Spanien getrieben. Durch dieses Gebirge habe ich einen anderen, für uns beque­meren Weg5 als Hannibal erschlossen. (5) Ich habe Gallien, die Pyrenäen, Laketanien und das Land der Indigeter6 zu­rückgewonnen, dem ersten Ansturm des siegreichen Sertorius7 mit jungen, zahlenmäßig weit geringeren Soldaten standge­halten und den Winter im Feldlager inmitten der wildesten Feinde, nicht in festen Städten und nicht entsprechend mei­nem Buhlen um Gunst8 zugebracht. (6) Was soll ich weiter­hin Gefechte oder Unternehmungen i m Winter, was die Zer­störung oder Rückeroberung von Städten aufzählen, da die Wirklichkeit doch mehr gilt als Worte? Die Eroberung eines feindlichen Lagers am Sucro7, die Schlacht an der Turia, die Vernichtung des feindlichen Führers C. Herennius9 m itsamt der Stadt Valentia und seinem Heere sind euch hinreichend bekannt : Als Lohn für diese Taten gebt ihr, dankbare Väter, Armut und Hunger. (7) So ergibt sich denn für mein Heer und das Heer der Feinde die gleiche Lage : Sold nämlich wird keinem von beiden gezahlt ; das eine kann so gut wie das andere siegreich nach Italien gelangen. (8) Deshalb mahne und bitte i ch euch, aufzumerken und mich nicht durch Notlagen zu zwingen, aus eigener Kraft für mich zu sorgen. (9) Das diesseitige Spanien,t0 sowei t es noch nicht von den Feinden besetzt gehalten wird, haben wir oder Ser-

44 IV. Epistu la Cn. Pompei ad senattim

ad intcrnccionem vastavimus practcr maritumas civitatis . u!tro nobis sumptui oncriquc sunt. Gallia supcriore anno Me­telli exercitum stipendio frumentoque aluit et nunc malis fructibus ipsa vix agitat. ego non rcm familiarem modo, ve­rum etiam fidem consumpsi. ( 1 0) reliqui vos estis : qui nisi subvenitis, invito ct praedicente mc exercitus hinc ct cum eo omne bell um Hispaniac in Italiam transgredientur. ( 1 1 ) (Hae litterae principio sequentis anni recitatae in senatu. sed consulcs decretas a patribus provincias inter se paravere : Cotta Galliam citeriorem habuit, Ciliciam Octavius. ( 1 2) dein proxumi consules L. Lucullus et M. Cotta litteris nun­tiisquc Pompei graviter pcrculsi cum summae rei gratia turn, ne excrcitu in Italiam dcducto nequc laus sua ncque dignitas esset, omni modo stipendium et supplementum paravere, ad­nitente maxime nobilitate, cuius plerique iam turn lingua ferociam suam et dicta factis scqucbantur . )

IV. Brief des Cn. Pompeizts an den Senat 45

torius 1 1 bis zum völligen Ruin verwüstet mit Ausnahme der Seestaaten : Sie bringen für uns dazu noch Kosten und sind so eine Bürde. Gall ien unterhielt noch im vergangeneu Jahr das Heer des Metellus 12 durch Zahlung von Sold und Liefe­rung von Getreide, und heute kann es infolge von Mißern­ten kaum selbst bestehen . Ich habe nicht nur mein Vermögen, sondern auch meinen Kredit verbraucht. ( 1 0) Ihr seid noch übrig : Wenn ihr nicht helfend einspringt, wird gegen meinen Willen, wohl aber gemäß meiner Vorhersage13 das Heer und mit ihm der ganze Krieg in Spanien von hier nach Italien hinübergehen. ( 1 1 ) (Dieser Brief wurde zu Anfang des nächsten Jahres im Senat verlesen. Die Konsuln aber trafen durch Absprachen untereinander Vorkehrungen im Hinblick auf die für sie vom Senat bestimmten Provinzen : Cotta verwaltete das diesseitige Gal\ien, Kilikien Octavius. ( 1 2) Die nächsten Konsuln L. Lucullus und M. Cotta stellten dann, durch den Brief und die Berichte des Pompeius tief bestürzt, auf jede nur mögliche Weise Sold und Verstärkungen bereit, einmal des ganzen Staates wegen, ganz besonders aber in der Absicht zu verhindern, daß es um ihren R uhm und ihre Würde ge­schehen sei , wenn erst das Heer nach Italien herübergeführt sei ; dabei bemühte sich besonders die Nobilität, aus deren Reihen die meisten schon damals durch ihre Worte ihrer wi l ­den Art Ausdruck verliehen, ihren Worten aber durch ihre Taten folgten. ) l ·l

V. Rede des Volkstribunen C. Licinius Macer vor dem Volk

Seit dem Unternehmen des Lepidus (vgl. zu I) gab es immer wieder Versuche, die sullanische Ordnung zu beseitigen. Man war besonders bemiiht, die tribtmicia potestas in ihrer ursprünglichen Gelttmg wiederherzustellen, wobei die herr­schende Not im Volk als Ansatzptmkt benutzt w11rde. Nicht genug damit, daß die Bewerbung eines gewesenen Volkstri­bunen um eine andere Magistratur seit Sulla tmmöglich war, hatte dieser außerdem durchgesetzt, daß der Versammlung des Volkes nur solche Anträge durch die Volkstribunen zur Beratung zugeleitet werden dttrftcn, welche die Billigtmg des Senats erfahren hatten. Senatsbeschlüssen, die den Inter­essen des Volkes entgegenliefen, konnten die Papularen nicht mehr wirksam entgegentreten: Eine seit den Gracchen viel­fach gem1tzte Möglichkeit des Volkes war rechtlich nicht mehr gesichert; die dttrch die Lex Hortensia (287 v. Chr.) verbürgte Gesetzeskraft der Plebiszite war dahin. C. Lici­nius Macer (Volkstribtm des Jahres 73 v. Chr.), der als Red-

V. Oratio C. Licini Macri trihuni piebis ad plehem ( 1 1 1 48 M)

( 1 ) Si , Quirites, parum existumaretis, quid inter ius a maiori­bus relictum vobis et hoc a Sulla paraturn servitium interesset, multis mihi disserundum fuit docendique, quas ob iniurias et quoticns a patribus armata plcbcs sccessisset utique vindices para visset omnis iuris sui tribunos plebis. (2) nunc hortari modo reliquum est et ire primum via, qua capessundam ar-

V. Rede des Volkstribunen C. Licinius Macer 47

ner vor Gericht (Cicero, »Brutus« 238) tätig war und sich auch als Geschichtsschreiber versuchte (Cicero, »De legibus« I 7), spricht in der von Sallust künstlerisch gestalteten Rede, die durch einseitige Parteinahme charakterisiert ist und ebenso­viel \Vahres wie Falsches enthält, in der sich die Widersprüch­lichkeit des politischen Lebens abzeichnet, diese politischen Gmndfragen an, aber auch die durch Ableistung von Kriegs­dienst tmd durch mangelnde Versorgteng bedingte Not des Volkes mit allen sozialen Härten. Die Rede vermittelt einen Eindmck von der in Rom herrschenden Unzufriedenheit. Dem Einwand der politischen Gegner, durch den azech mit Mitteln der Demagogie geführten Kampf dem Volke ver­lorengegangene Rechte zurückzugeben werde erneut Zwie­tracht in das Staatswesen hineingetragen, weiß Macer mit dem Hinweis auf die Fürsorge für das Volk zu begegnen. Macers Bemühzengen trugen gewiß mit dazu bei, daß das Volkstribunat im Jahre 70 v. Chr. wieder gestärkt wzerde. Ober seinen weiteren Lebensweg ist nur bekannt, daß er sich als Provinzialstatthalter der Erpressteng schuldig machte, daß er deshalb von Cicero im Jahre 66 v. Chr. angeklagt wurde und im gleichen Jahre, verlassen und entkräftet, starb.

V. Rede des Volkstribunen C. Licinius Macer vor dem Volk ( I I I 48 M)

(1) Quiriten, wenn ihr nicht genug beachtetet, welcher Unter­schied zwischen dem euch von den Vorfahren überlieferten Recht und dieser von Sulla eingeleiteten Versklavung be­steht, hätte ich mich mit vielen Worten darüber verbreiten und ihr hättet darauf hingewiesen werden müssen,1 wegen welcher Ungerechtigkeiten und wie oft sich die Plebs bewaff­net von den Patriziern abgesondert2 und wie sie sich als Schützer ihres ganzen Rechts die Volkstribunen verschafft hat. (2) Unter den gegenwärtigen Voraussetzungen bleibt für mich nur übrig, zu mahnen und als erster den Weg zu

48 V. Oratio C. Licini Macri tribuni piebis

bitror libertatem. (3) nequc mc praeterit , quantas opes nobi­litatis solus, inpotens, inani specie magistratus, pellere domi­natione incipiam quantoque tutius factio noxiorum agat quam soli innocentes. (4) sed praeter spem bonam ex vobis, quae metum vicit, statui certaminis advorsa pro libertate potiora esse forti viro quam omnino non certavisse. (5) Quamquam omncs alii crcati pro iure vostro vim cunctam ct imperia sua gratia aut spe aut praemi i s in vos convorterc meliusque habent mercede delinquere quam gratis recte fa­cerc. (6) itaque omnes concessere iam in paucorum domina­tionem, qui per mil i tare nomen aerarium exercitus regna provincias occupavere et arcem habent ex spoli is vostris, cum interim more pecorum vos mult itudo singulis habendes fruendosque praebetis, cxuti omnibus, quae maiores reli­quere : nisi quia vobismet ipsi per suffragia, ut praesides olim, nunc dominos dest inatis. (7) itaque concesserc i l luc omnes. at mox, si vostra receperitis, ad vos plerique. raris enim animus est ad ea, quac placent, defendunda, ccteri va­lidiorum sunt. (8 ) An dubium habetis, num officere quid vobis uno animo pergentibus possit , quos languidos socordesque pertimuere? nisi forte C. Cotta, ex factione media consul , aliter quam metu iura quaedam tribunis piebis rest i tuit . et, quamquam Cn. Sicinius primus de potestate tribunicia loqui ausus mus-

V. Rede des Volkstribunen C. Licinius Macer 49

beschreiten, auf dem, wie ich glaube, die Freiheit zu errei­chen ist. (3) Und es entgeht mir nicht, eine wie machtvolle Nobilität ich allein, machtlos, ein Beamter von nichtigem Ansehen, aus ihrer Herrschaft zu verdrängen unternehme und um wieviel sicherer eine Clique Schuldiger handelt als recht­schaffene Männer, die allein stehen. (4) Abgesehen von mei­ner Zuversicht jedoch, die, sich von euch herleitend, über die Furcht gesiegt hat,a habe ich mich so entschieden, Widerwär­tigkeiten im Kampf für die Freiheit seien für einen tapferen Mann besser, als überhaupt nicht gekämpft zu haben. (5) Indessen haben alle anderen, obwohl sie doch gewählt sind, euer Recht zu wahren, ihre ganze Macht und ihre Amts­gewalt aus Freundschaft oder Zukunftserwartung oder für Belohnungen gegen euch gerichtet und halten es für besser, für Lohn sich zu vergehen, als ohne Entgelt richtig zu han­deln.� {6) Daher haben sich alle schon in die Herrschaft nur weniger begeben, die s ich unter dem Vorwand des Krieges des Staatsschatzes, der Heere, der Königreiche und der Pro­vinzen bemächtigt und eine Festung aus dem euch gehören­den Beutegut aufgebaut haben, während ihr, die große Viel­zahl, indessen nach Art des Viehs euch einzelnen als Besitz und zur Ausbeutung darbietet, alles dessen beraubt, was die Vorfahren hinterlassen haben : Es sei denn, es geschähe, weil ihr selbst für euch durch euer . Votum wie einst die Vorste­her, so jetzt die Herren bestimmt. (7) Daher sind nun alle5 zu jenen11 übergegangen. Schon bald aber werden sich die mei­sten euch wieder zuwenden, wenn ihr zurückgewonnen habt, was euch gehört. Nur einzelne nämlich haben den Mut, das zu verteidigen, wofür sie sich entscheiden, alle übrigen sind in den Händen der Mächtigeren.7 {8) Oder haltet ihr für bedenklich, ob für euch, die sie trotz Schlaffheit und Sorglosigkeit sehr fürchten, vielleicht irgend etwas hinderlich sein kann, wenn ihr einmütig vorgeht? Es müßte denn sein, C. Cotta8, Konsul mitten aus der Partei heraus,9 hätte den Volkstribunen gewisse Rechte aus anderen Beweggründen als aus Furcht wiedergegeben. Und in der Tat, obwohl Cn. Sic inius10, der als erster über die tribunizi-

50 V. Oratio C. Licini Macri tribuni piebis

Santibus vobis c ircumventus erat, tarnen prius i l l i invidiam metuere, quam vos iniuriae pertaesum est. quod ego nequeo satis mirari, Quirites ; nam spem frustra fuisse intellexistis. (9) Sulla mortuo, qui scelestum inposuerat servitium, finem mali credebatis : ortus est Ionge saevior Catulus. (1 0) tumul­tus intercessit B ruto et Mamerco consulibus ; dein C. Curio ad exitium usque insomis tribuni dominatus est ; ( 1 1 ) Lucul­lus superiore anno quantis animis ierit in L. Quimium, vidis­t is . quantae denique nunc mihi turbae concitantur ! quae profecto in cassum agebantur, si prius quam vos serviundi finem, i l l i dominationis facturi eram, praesertim cum his civil ibus armis dicta alia, sed certatum utrimque de domi­natione in vobis sit. ( 1 2) itaque cetera ex l icentia aut odio aut avaritia in tempus arsere ; permansit una res modo, quae utrimque quaesita est et erepta in posteru m : vis tribunicia, telum a maioribus l ibertati paratum. ( 1 3 ) Quod ego vos moneo quaesoque, ut animadvortatis neu nomina rerum ad ignaviam mutantes otium pro servitio ad­pelletis. quo iam ipso frui, si vera et honesta flagitium su­peraverit, non est condicio : fuisset, s i omnino quiessetis. nunc animum advortere et, nisi viceritis , quoniam omnis iniuria gravitate tutior est, artius habebunt.

V. Rede des Volkstribunen C. Licinius Macer 5 1

sehe Gewalt z u sprechen sich erkühnte, überwältigt worden war, wobei ihr nur vor euch hinmurmeltet, bekamen jene11 dennoch früher Furcht vor eurem Unwillen, als ihr11 des Un­rechts überdrüssig wurdet. Und darüber kann ich mich nicht genug wundern, Quiriten ; denn ihr habt eingesehen, daß euer Hoffen vergeblich gewesen ist. (9) Nach dem Tod Sul­las, der euch die verruchte Knechtschaft aufgebürdet hatte, glaubtet ihr fest an das Ende des Leidens : Da aber erstand der viel grausamere12 Catulus13• ( 1 0) Kriegsunruhen kamen dazwischen unter den Konsuln Brutus und Mamercus ; 1 4 dann spielte C. Curio15 den Herrn bis zum Untergang eines un­schuldigen12 Tribunen ; ( 1 1 ) mit welchem Obermut Lucullus111 im vorigen Jahre gegen L. Quintius vorgegangen ist, habt ihr gesehen. Und wie starke Stürme endlich werden jetzt ge­gen mich erregt ! Dies alles wahrlich wurde sinnlos betrieben, wenn jene ihrer Gewaltherrschaft früher ein Ende zu setzen beabsichtigten als ihr ein Ende eurer Knechtschaft, zumal da in den gegenwärtigen Bürgerkriegen17 die Schlagworte ver­schieden sind, von beiden Seiten aber nur um die Herrschaft über euch gestritten worden ist.18 ( 1 2) So loderten denn alle übrigen Zwistigkeiten, entstanden aus Willkür oder aus Haß oder aus Habsucht, nur eine Zeitlang ; dauernder Gegenstand des Kampfes ist nur die eine Sache geblieben, die von beiden Seiten erstrebt wurde19 und euch für die Zukunft entrissen ist : die tribunizische Gewalt, die von den Vorfahren für die Freiheit bereitgestellte Trutzwaffe.

·

( 1 3 ) Daher mahne und bitte ich euch aufzumerken, nicht nach eurer Feigherzigkeit die Bezeichnungen der Dinge zu ändern und dann von Ruhe statt von Unterdrückung zu sprechen. Eben jene zu genießen wird euch nicht mehr geboten, wenn die Lasterhaftigkeit über das Wahre und Ehrenhafte gesiegt hat : Es wäre ein Angebot gewesen, wenn ihr euch überhaupt ruhig verhalten hättet. So aber sind sie aufmerksam gewor­den, und sie werden euch noch kürzer halten, wenn ihr nicht den Sieg davontragt, da ja jedes Unrecht durch seine Schwere größere Sicherheit bietet.

52 V. Oratio C. Licini Macri trib1mi piebis

( 1 4) »Quid censes igitur? « aliquis vostrum subiecerit. pri­mum omnium omittundum morem hunc, quem agitis, impi­grae linguae, animi ignavi, non ultra contionis locum memo­res libertatis. ( 1 5) deinde - ne vos ad virilia illa vocem, quo tribunos plebei, modo patricium magistratum, libera ab auc­toribus patriciis suffragia maiores vostri paravere -, cum vis omnis, Quirites, in vobis sit et, quae iussa nunc pro aliis to­leratis, pro vobis agere aut non agere certe possitis, Iovem aut alium quem deum consultorem exspectatis? ( 1 6) magna illa consulum imperia et patrum decreta vos exsequendo rata efficitis, Quirites, ultroque licentiam in vos aueturn atque adiutum properatis. ( 1 7) neque ego vos ultum iniurias hor­tor, magis uti requiem cupiatis ; neque discordias, uti illi crimi­nantur, sed earum finem volens iure gentium res repeto et, si pertinacitcr retinebunt, non arma neque secessionem, tan­tummodo ne amplius sanguinem vostrum praebeatis, cen­sebo. ( 1 8 ) gerant habeantque suo modo imperia, quaerant triumphos, Mithridatem Sertorium et reliquias exulum per­sequantur cum imaginibus suis : absit periculum et labos, quibus nulla pars fructus est ! ( 1 9) nisi forte repentina ista frumentaria lege munia vostra pensantu r : qua tarnen quinis modiis Ebertatern omnium aestumavere, qui profecto non amplius possunt alimentis carceris. namque ut illis cxigui-

V. Rede des Volkstribunen C. Licinius Macer 53

( 1 4) • Was beantragst du also ? • , könnte jemand von euch darauf sagen. Zuallererst ist diese Unsitte, in der ihr ver­harrt, abzulegen, zwar rührig mit der Zunge, aber feige im Herzen zu sein, nicht über den Platz der Volksversammlung hinaus der Freiheit eingedenk. ( 1 5) Und dann - ich möchte euch nicht zu jenem mannhaften Tun aufrufen, wodurch eure Vorfahren Tribunen für die Plebs, die ursprünglich nur Pa­triziern zugängliche Magistratur20 und ein von der Bestäti­gung durch die Patrizier unabhängiges Stimmrecht21 erwor­ben haben - wartet ihr, Quiriten, obwohl alle Macht in eurer Hand liegt und ihr das, was ihr jetzt in Befolgung von Be­fehlen zum Nutzen anderer ertragt,22 gewiß für euch betrei­ben oder auch nicht betreiben könnt, auf Jupiter oder sonst einen Gott als Ratgeber ? ( 1 6) Jenen hochfahrenden Befehlen der Konsuln und Dekreten der Senatoren verschafft ihr durch Vollzug Rechtskraft, Quiriten, und obendrein beeilt ihr euch, die Willkür gegen euch noch zu mehren und sogar zu stützen. ( 1 7) Doch treibe ich euch nicht an, Rache zu neh­men für Ungerechtigkeiten, sondern mehr dazu, Ruhe zu verlangen ; und weil ich keine Zwistigkeiten will , wie jene es verleumderisch von mir behaupten, sondern deren Beendi­gung, fordere ich nach dem Völkerrecht euer Eigentum zu­rück ; und wenn jene es hartnäckig festhalten, werde ich keine bewaffnete Auseinandersetzung und keine Absonderung be­antragen, sondern nur, daß ihr nicht länger euer Blut feil­bietet.23 ( 1 8 ) Sie sollen in der ihnen eigenen Weise Kom­mandogewalt besitzen und ausüben, sie sollen nach Trium­phen streben und den Mithridates, den Sertorius23" und die Reste der Verbannten verfolgen, nur von ihren Ahnenbildern begleitet : Fern seien Gefahr und Anstrengung denen, für die es keine Teilhabe am Erfolg gibt ! ( 1 9) Es sei denn, daß durch dieses unerwartete Getreideversorgungsgesetz2"1 eure Dienste vergütet werden : Damit haben sie doch die Freiheit aller auf fünf Scheffcl25 Getreide für den Mann veranschlagt, die wahrlich nicht mehr wert sind als Gefängniskost. Denn wie durch diese infolge der Spärlichkeit der Tod zwar ferngehal-

54 V. Oratio C. Licini Macri tribuni piebis

tate mors prohibetur, senescunt vires, sie neque absolvit cura familiari tarn parva res et ignavi cuiusque tenuissumas spes frustratur. (20) quae tarnen quamvis ampla quoniam serviti pretium ostentaretur, cuius torpedinis erat decipi et vostrarum rerum ultro iniuriac gratiam dcberc ? ( 2 1 ) caven­dus dolus cst : namque alio modo neque valent in univorsos neque conabuntur. itaque simul comparant delenimcnta et differunt vos in adventum Cn. Pompei : quem ipsum, ubi pertimuere, sublatum in cervices suas, mox dempto metu lacerant. (22) neque cos pudet, vindices uti se ferunt liberta­tis, tot vi ros sine uno aut remittere iniuriam non audere aut ius non posse defendcre. (23) mihi quidem satis spectatum est Pompeium, tantac gloriae adulesccntem, malle principem volentibus vobis esse quam ill is dominationis socium aucto­remque in primis fore tribuniciae potestatis. (24) verum, Quirites, antea singuli civcs i n pluribus, non in uno cuncti praesidia habebatis . neque morcalium quisquam dare aut eri­pere talia unus poterat. (25) ltaque verborum satis dieturn est ! neque enim ignoran­tia res claudit. (26) verum occupavit nescio quae vos tor­pedo, qua non gloria movemini neque flagitio, cunctaquc praesenti ignavia mutavistis, abunde l ibertatem rati, quia

V. Rede des Volkstribunen C. Licinius Macer 55

ten wird, d ie Kräfte aber hinschwinden, so befreit ein so winziges Angebot einerseits nicht von Sorge um die Familie und hält andererseits die schwächsten Hoffnungen aller Nichtstuer hin.28 (20) Und da diese Hilfeleistung, wäre sie auch noch so bedeutend, euch doch nur als Preis der Knecht­schaft vorgesetzt würde - von welchem Stumpfsinn zeugte es dann, sich täuschen zu lassen und gar noch denen, die Un­recht tun, 27 für euer eigenes Hab und Gut zu Dank verpfl ich­tet zu se in? (2 1 ) Es gilt , vor ihrer Arglist auf der Hut zu sein : denn auf anderem Wege vermögen sie nichts gegen alle ins­gesamt, und sie werden es auch gar nicht versuchen. Daher beschaffen s ie Beschwichtigungsmittel und vertrösten euch zugleich auf die Ankunft des Cn. Pompeius : Und gerade ihn heben sie empor auf ihre Nacken, sobald arge Furcht s ie überkommt ; schon bald aber, wenn ihnen die Furcht genom­men ist, zerzausen sie ihn arg. (22) Und diese Männer, die sich als Verfechter der Freiheit ausgeben, schämen sich nicht, daß sie bei einer so großen Zahl, aber ohne den einen, nicht den Mut aufbringen, das Unrecht2H zu beendigen, oder nicht imstande sind, das Recht20 zu verteid igen. (23) Für mich jedenfalls ist es hinreichend erwiesen, daß Pompeius, e in junger Mann'10 von so hoher Anerkennung, eher mit eurer Zustimmung der erste als für jene Teilhaber an der Gewalt­herrschaft sein will , und daß er vor allem ein Förderer der tribuniz ischen Gewalt sein wi rd. (24) Quiriten, früher für­wahr hattet ihr als einzelne Bürger Schutz in der Mehrheit, nicht alle insgesamt in einem einzigen Manne. Und kein Sterbl icher vermochte solches allein zu geben oder gewaltsam zu nehmen. (25) So sind denn der Worte genug gesagt ! Denn nicht Un­kenntnis verschließt die Dinge.�1 (26) In Wirklichkeit hat sich eine mir unbegreifl iche Stumpfheit euer bemächtigt, un­ter deren Einfluß ihr 'nicht durch Ruhm und nicht durch Schande beeindruckt werdet ; und alles habt ihr für die au­genbli ckliche Tatenlosigkeit hingegeben in der Meinung, Frei­heit sei in vollem Maße vorhanden, weil man ja eure Rücken

56 V. Oratio C. Licini Macri tribuni piebis

tergis abstinetur et huc ire licet atque illuc : munera ditium dominorum. (27) atque haec eadem non sunt agrestibus, sed caeduntur inter potentium inimicitias donoque dantur in provincias magistratibus. (28) ita pugnatur et vincitur pau­cis : plebes, quodcumque accidit, pro victis est et in dies ma­gis erit, si quidem maiore cura dominationem illi retinuerint, quam vos repetiveritis libertatem.

V. Rede des Volkstribunen C. Licinius Macer 57

schont"2 und e s euch freisteht, hierhin und auch dorthin zu gehen : Geschenke eurer reichen Herren. {27) Und ebendiese besitzen die Landbewohner nicht, sondern sie werden wäh­rend der Fehden der Mächtigen geprügelt und den Staats­beamten als Geschenk mitgegeben in die Provinzen. {28) So wird für nur wenige gekämpft und gesiegt : Was auch ge­schieht, das Volk ist immer der besiegte Teil und wird es von Tag zu Tag mehr sein , wenigstens dann, wenn jene mit grö­ßerer Sorge ihre Herrschaft behaupten, als ihr eure Freiheit zurückfordert.

VI. Brief des Mithridates

Der Brief gehört in die Zeit des Dritten Mithridatischen Krieges (74 bis 64 v. Chr. ) . Mithridates, König von Pontlls, war nach wechselvollen Kämpfen gegen die Römer in den Jahren 74/73 bis 69 v. Chr. zu König Tigranes /. von A rme­nien, seinem Schwiegersohn, geflohen. Die Römer forderten die Auslieferung des Mithridates; Tigranes aber weigerte sich, dieser Fordemng nachzztkommen, und wurde dann vo1z L . Lucullus (vgl. Anm. //, 11 und Anm. V, 16) bei Tigrano­kerta im Jahre 69 v. Chr. schwer geschlagen. In der ausweg­losen Lage übernahm Mithridates, gegen dessen bessere Ein­sicht die Schlacht angenommen worden war, diplomatisch und militärisch die Führung und ging den Partherkönig Phraates ///. I A rsaces XI/. ( Arsaces ist der gemeinsame Name für die Könige der Parther) um Hilfe an; dieser Hil-

VI . Epistula Mithridatis (IV 69 M)

Rex Mithridates regi Arsaci salutem

( 1 ) Omnes, qui secundis rebus suis ad belli societatem oran­tur, considerare debent, l iceatne turn pacem agere, dein, quod quaesitur, satisne pium tutum gloriosum an indecorum sit. (2) tibi si perpetua pace frui licet, nisi hostes opponuni et scelestissumi, nisi egregia fama, si Romanos oppresseris, fu­tura est, neque petere audeam societatem et frustra mala mea cum bonis tuis misceri sperem. (3) atque ea, quae te

VI. Brief des Mithridates 59

femf kann brieflich erfolgt sein. Sallust hat die Möglichkeit genutzt und einen persönlichen Brief (die epistula criminosa kommt einer Rede gleich und regt die Römer zur Selbstprüfung an) des Mithridates an Phraates /Arsaces gestaltet. Meister­lich sind in ihn alle Gründe hineingenommen, die zum Wi­derstand zmd zum Kriege gegen Rom bewegen konnten. Mi­thridates hatte mit seinem Bemühen keinen Erfolg, denn ge­schickt verstand es Arsaces, völlige N eutralität zu wahren. Die vorgetragenen Gedanken - sie bieten ein düsteres Bild vom \V erden und Wachsen des Römischen Reid,es - finden sich in Teilstücken in der Rede des lugurtha vor Bocchus (Sallust, »De bello lugurthino« 81 , 1) zmd in der Rede des Averners Critognatus (Caesar, »De bello Gallico« VII, 77); auch T acitus bietet eine künstlerisch ausgefeilte Rede solcher Art, die er dem Britanner Calgacus in den Mund legt ( Agri­cola 30-32) und auf die Agricola eine Antwort erteilt (33,2 bis 34,3).

VI. Brief des Mithridates (IV 69 M)

König Mithridates grüßt König Arsaces

( 1 ) Alle, die selbst in glücklichen Verhältnissen leben und dann um Teilnahme an einem Krieg gebeten werden, müssen bedenken, ob es in der gegebenen Lage noch freisteht, Frie­den zu halten ; ferner, ob das, was man von ihnen verlangt, zur Genüge rechtmäßig, sicher und ruhmvoll oder anrüchig ist. (2) Wenn Du Dich eines beständigen Friedens erfreuen dürftest, wenn die Feinde für einen Angriff nicht günstig und nicht höchst ruchlos wären, wenn sich nicht durch die Nie­derwerfung der Römer ein vorzüglicher Ruf für Dich erge­ben könnte, möchte ich einerseits Deine Bundesgenossenschaft nicht zu erbitten wagen und andererseits vergeblich hoffen, mein Unglück lasse sich mit Deinem Glück verbinden. (3) Und das, was Dich, wie es scheint, zaudern lassen kann, näm-

60 VI. Epistula Mithridatis

morari passe videntur, ira in Tigranem reccntis belli et mcae res parum prosperae, si vera existumare voles, maxume hor­rabuntur. ille enim obnoxius qualem tu voles societatem ac­cipiet ; (4) mihi fortuna mulris rebus ereptis usum dedit benc suadendi et, quod florentibus optabilc est : ego non validissu­mus praebeo exemplum, quo rectius tua componas. (5) Namque Romanis cum nationibus populis regibus cunctis una et ea vetus causa bellandi est : cupido profunda imperi et divitiarum. qua prima cum rege Macedonum Philippo bel­lum surnpsere, dum a Carthaginiensibus prernebantur, ami­citiam simulantes. (6) ei subvenientem Antiochum conces­sione Asiae per dolum avortere ; ac mox fracto Philippo Antiochus omni cis Taurum agro et decem milibus talentD­rum spoliatus est. (7) Persen deinde, Philippi filium, post mulra et varia certamina apud Samothracas deos acceptum in fidem, callidi et repertores perfidiae, quia pacto vitam dederant, insomniis occidere. (8) Eumenen, cuius amicitiam gloriose ostentant, initio prodidere A ntiocho pacis merce­dem ; post, habitum custodiae agri captivi, sumptibus et con­tumeliis ex rege miserrumum servorum effecere, simulato­que inpio testamento fil ium eius Aristonicum, quia patrium regnum petiverat, hostium more per triumphum duxere ; Asia ab ipsis obsessa est. (9) postremo Bithyniam Nicomede mor-

VI. Brief des Mithridates 61

l ieh Dein Zorn auf Tigranes1 wegen des jüngsten Krieges und meine wenig günstige Lage, das wird besonders ermun­tern, wenn Du den wahren Sachverhalt zu beurteilen willens bist. Jener nämlich wird in seiner Bedrängnis ein Bündnis annehmen, wie Du es wünschst ; (4) mir hat das Schicksal dadurch, daß mir vieles gewaltsam entrissen wurde, die Er­fahrung vermittelt, gute Ratschläge zu geben, und, was für Menschen in glänzenden Verhältnissen wünschenswert ist : ich - keineswegs der Mächtigste - biete e in Beispiel für Dich, durch das Du Deine Angelegenheiten zweckmäßiger ordnen kannst. (5) Denn für die Römer gibt es seit eh und je diesen einzigen Anlaß, mit allen Stämmen, Völkern und Königen Krieg zu führen : ihre unermeßliche Begierde nach Herrschaft und Reichtum.• Aus diesem Grunde haben sie zuerst den Krieg gegen den Makedonenkönig Philipp:J begonnen, wobei sie Freundschaft heuchelten, solange sie von den Karthagern be­drängt wurden. (6) Antiochus,4 der jenem zu Hilfe kam, wandten sie truglistig durch die Überlassung Asiens ab ; und schon bald, nachdem Philipp überwältigt war, wurde Antio­chus aller Ländereien diesseits des Taurus5 und einer Summe von zehntausend Talenten beraubt. (7) Dann ließen sie den Perses0, den Sohn Phili pps, der nach vielen wechselvollen Kämpfen bei den samothrakischen Göttern in getreue Obhut genommen worden war, verschlagen und erfinderisch in ihrer Treulosigkeit, durch Schlaflosigkeit enden, weil sie ihm das Leben vertraglich geschenkt hatten. (8) Den Eume­nes7, mit dessen Freundschaft sie ruhmredig prahlen, verrie­ten sie zuerst an A ntiochus• als Preis für den Frieden ; später hatten sie i n ihm einen Hüter des eroberten Gebietes9 und machten durch Ausbeutung und schmachvolle Behandlung10 aus einem König den elendesten unter den Sklaven ; sie un­terschoben ein verruchtes Testament11 und führten seinen Sohn Aristonikus12, nur weil er das Königreich des Vaters beansprucht hatte, wie einen Staatsfeind im Triumphzug auf; Kleinasien wurde von ihnen selbst besetzt. (9) Zuletzt raub­ten sie Bithynien nach dem Tode des Nikomedes13, obwohl

62 VI. Epistula Mithridatis

tuo diripuere, cum fil ius Nysa, quam reginam appellaverat, genitus haud dubie esset. ( 1 0) Nam quid ego me appellem? quem diiunctum undique regnis et tetrarchiis ab imperio eorum, quia fama erat divi­tem neque serviturum esse, per Nicomedem bello lacessive­runt, sceleris eorum haud ignarum et ea, quae accidere, tes­tatum antea Cretensis, solos omnium Iiberos ea tempestate, et rcgem Ptolemaeum. ( 1 1 ) atque ego u!tus iniurias Nicome­dem Bithynia expuli Asiamquc, spol ium regis Antiochi, re­cepi et Graeciae dempsi grave servitium. ( 1 2) incepta mea postremus servorum Archelaus exercitu prodito impedivit. illique, quos ignavia aut prava calliditas, ut meis laboribus tuti essent, armis abstinuit, acerbissumas poenas solvunt : Ptolemaeus pretio in dies bel lum prolatans, Cretenses inpug­nati semel iam neque finem nisi excidio habituri. ( 1 3 ) Equidem cum mihi ob ipsorum interna mala dilata proe­lia magis quam pacem datam intellegerem. abnuente Ti­grane, qui mea dicta sero probat, te remoto procul, omnibus aliis obnoxiis, rursus tarnen bellum coepi Marcumque Cot­tam, Romanum ducem, apud Calchedona terra fudi, mari exui classe pul cherruma. ( 1 4) apud Cvzicum magno cum cxercitu in obsidio moranti frumentum defuit, nullo circum adnitente ; simul hiems mari prohibebat. ita sine vi hostium

VI. Brief des Mithridates 63

ohne Zweifel e in Sohn vorhanden war, geboren von der Nysa, die Nikomedes zur Königin erklärt hatte. ( 1 0) Denn warum soll ich mich selbst noch erwähnen? Ob­wohl ich auf allen Seiten durch Königreiche und Tetrarchien von ihrem Machtbereich getrennt war, ließen sie mich durch Nikomedes zum Krieg reizen, weil es von mir hieß, ich sei reich und wolle nicht Sklave sei n ; zugleich auch, weil ich sehr wohl ihre verbrecherische Art kannte und nachweislich das, was dann auch eintrat, den Kretern1\ die in dieser un­ruhigen Zeit allein unter allen noch frei waren, und dem König Ptolemäus15 vorausgesagt hatte. ( 1 1 ) Und ich rächte mich für die Ungerechtigkeiten, vertrieb den Nikomedes aus Bithynien, gewann Kleinasien, die dem König Antiochus weg­genommene Beute, zurück und nahm Griechenland das harte Los der Knechtschaft ab. ( 1 2) Meine Unternehmungen hemmte Archelaus16, der verworfenste unter den Sklaven ; er verriet dabei sein Heer. Und jene, die feiges Versagen oder die verkehrte Schläue, durch meine Anstrengungen Si­cherheit zu erlangen, vom Kampfe zurückhielt, erleiden jetzt die bittersten Strafen : Ptolemäus 1 7 schiebt für Geld den Krieg Tag für Tag hinaus, die Kreter1" wurden einmal schon angegri ffen und werden ein Ende des Kampfes nur durch ihre Vernichtung erhalten. ( 1 3 ) Da ich für meine Person einsah, daß für mich ob ihrer Nöte im Inneren kriegerische Auseinandersetzungen mehr aufgeschoben seien, als daß mir Friede gewährt sei, habe ich, obwohl Tigranes19, der meine Worte zu spät gutheißt, ab­winkte, obwohl Du weit entfernt warst und alle anderen untertan waren, den Krieg dennoch erneut begonnen und den Marcus Cotta20, den Anführer der Römer, zu Lande bei Kalchedon21 aus dem Felde geschlagen und zur See der herr­l ichsten Flotte beraubt. ( 1 4) Bei Kyzikus21, wo ich mit einem großen Heere bei der Belagerung aufgehalten wurde, fehlten mir die Lebensmittel, und niemand ringsum tat etwas für mich ; zugleich hinderte der Winter an der Nutzung des See­weges. So versuchte ich ohne gewaltsame Einwirkung der Feinde, in das väterliche Königreich zurückzukehren, verlor

64 VI. Epistttla Mitbridatis

regredi conatus in patrium regnum naufragiis apud Parium et Heracleam militum optumos cum classibus amisi . ( 1 5 ) re­stituto deinde apud Caberam exercitu et vari is inter mc at­quc Lucullum proel i is inopia rursus ambos inccssit . illi suberat regnum Ariobarzanis bello intactum, ego vastis circum om­nibus locis i n Armeniam conccssi. secutique Romani, non me, sed morcm suum omnia regna subvortundi, quia multi­tudinem artis locis pugna prohibuere, inprudentiam Tigra­nis pro victoria ostentant. ( 1 6) Nunc quaeso considcra, nobis opprcssis utrum firmio­rem te ad rcsistundum an finem belli futurum putes. scio equidem tibi magnas opes virorum, armorum et auri esse : et ea rc a nobis ad societatem, ab i l l i s ad praedam pcteris. cetcrum consi l ium est Tigranis regno integro mcis mi litibus belli prudcntibus procul ab domo parvo Iabore pcr nostra corpora bellum conficere, cum neque vinccre neque vinci sine tuo periculo possumus. ( 1 7) an ignoras Romanos, post­quam ad occidentem pergentibus fincm Oceanus fccit, arma huc convortisse neque quicquam a principio nisi rapturn ha­bere, domum coniugcs agros imperium? convenas olim sine patria parentibus, peste condi tos orbis terrarum, quibus non humana ulla neque divina obstant, quin socios amicos, pro­cul iuxta sitos, inopes potentisque trahant exscindant om­niaque non serva et maxume rcgna host i l ia ducant? ( 1 8 )

VI. Brief des Mithridates 65

aber durch mehrfachen Schiffbruch bei Parium�1 und Hera­klea21 die besten der Soldaten samt den Flottenverbänden. ( 1 5 ) Als ich dann bei Kabera�1 das Heer wieder aufgebaut hatte und es zwischen mir und Lucullus�2 zu wechselvollen Kämpfen gekommen war, trat für beide Seiten erneut eine Notlage ein. Für jenen war das Königreich des Ariobarza­nes23, vom Kriege unberührt geblieben, hilfreich nahe, ich aber wich nach A rmenien aus, da die ganze Gegend ringsum verwüstet war. Und die Römer folgten nicht mir, sondern ihrem Brauch, alle Königsthrone umzustürzen, und weil sie die Masse der gegnerischen Soldaten durch die örtliche Enge vom Kampfe fernhielten, prahlen sie mit der Unklugheit des Tigranes2 1 wie mit einem Sieg. ( 1 6) Jetzt, so bitte ich , überlege, ob Du Dich, wenn wir be­zwungen sind, fü r stärker hältst, Widerstand zu leisten, oder ob Du glaubst, damit werde das Ende des Krieges gekom­men sein. I ch jedenfalls weig, Du besitzt große Hi!fsquellen an Menschen, Waffen und Geld : Und ob dieser Tatsache wirst Du von uns als Bundesgenosse, von jenen als Beute begehrt. Und da das Königreich des Tigranes ungeschwächt ist und meine Soldaten im Kriege erfahren sind, ist es im übrigen unser Plan, den Krieg fern von Deiner Heimat und bei nur geringer Anstrengung Deinerseits durch unseren per­sönlichen Einsatz zu beenden, wobei wir weder siegen noch unterliegen können ohne Gefahr für Dich.2" ( 1 7) Oder weigt Du nicht, dag die Römer, nachdem ihnen der Ozean beim Vordringen nach Westen eine Grenze gesetzt hat, ihre Waf­fen hierher gerichtet haben und daß sie vom ersten Anfang an nichts besitzen, was nicht geraubt wäre, Haus und Frauen, Ländereien und Herrschaft? Dag sie einst zusammengelau­fene Fremdlinge waren ohne Vaterland und ohne Eltern, geschaffen zum Verderben des Erdkreises, denen keine mensch­lichen und keine göttlichen Gesetze im Wege stehen, Bundes­genossen und Freunde, nah und fern Wohnende, Mittel lose und Mächtige auszuplündern und auszurotten, alles ihnen nicht Dienstbare und ganz besonders die Königreiche für fe indselig zu halten ? ( 1 8 ) Denn nur wenige Menschen wo!-

66 VI. Epistula Mithridatis

namque pauci libertatem, pars magna iustos dominos volunt ; nos suspecti sumus aemuli et in tempore vindices adfuturi. ( 1 9) tu vero, cui Seleucea, maxuma urbium, regnumque Per­sidis inclutis divitiis est, quid ab illis nisi dolum in praesens et postea bellum exspectas? (20) Romani arma in omnis ha­bent, acerruma in eos, quibus victis spolia maxuma sunt ; audendo et fallundo et bella ex bellis serundo magni facti. ( 2 1 ) per hunc morem exstinguent omnia aut occident ; quod haud difficile est, si tu Mesopotamia, nos Armenia circum­gredimur exercitum sine frumento, sine auxiliis, fortuna aut nostris vitiis adhuc incolumem. (22) teque illa fama sequetur auxilio profeeturn magnis regibus latrones gentium oppres­sisse. (23) quod uti facias, moneo hortorque, neu malis per­nicie nostra tuam prolatare quam societate victor fieri.

VI. Brief des Mithridates 67

len die Freiheit, der Großteil wünscht sich gerechte Herren20 ; wir sind ihnen verdächtig als Nebenbuhler und Rächer, die zur rechten Zeit da sein werden. ( 1 9) Du aber, dem Seleu­kea27, die größte unter den Städten, und das Partherreich mit seinem weitbekannten Reichtum gehören, was erwartest Du von jenen außer Tücke für den Augenblick und in späte­rer Zeit Krieg? (20) Die Römer haben Waffen gegen alle, die schärfsten gegen die, nach deren Niederwerfung die Sie­gesbeute am grögten ist ; dadurch, daß sie etwas wagten, be­trogen und Kriege an Kriege reihten, s ind sie groß gewor­den. (2 1 ) Bei dieser Wirksamkeit werden sie alles vernichten oder selbst zugrunde gehen2" : Und dieses zu erreichen ist nicht schwer, wenn Du von Mesopotamien, wir von Arme­nien aus ihr Heer umgehen, das ohne Verpflegung, ohne Ver­stärkungen, bisher jedoch durch ein glückliches Geschick oder durch unsere Fehler unversehrt ist. (22) Und Dir wird der Ruhm zuteil werden, Du hättest Dich aufgemacht, großen Königen29 zu helfen, und hättest die Ausbeuter der Völker bezwungen. (23) Dieses zu tun, fordere ich Dich auf, und ich ermuntere Dich, nicht lieber durch unser Verderben Dein ei­genes aufzuschieben, als durch ein Bündnis mit uns Sieger zu werden.

Anmerkungen

Die • Fragmenta ex prooem io« folgen im al lgemeinen der Ausgabe • Sal lust i Crispi Historiarum Rel iquiae « , hrsg. von ß . Maurenbre­cher, Stuttgart 1 967. Den Reden und Briefen l iegt ein e igener Tex t zugrunde , de r auf de r Sal lust-Ausgabe der Heidelberger Texte 8 , ' 1 959, hrsg. v o n H . Haas, E. Römisch, M. Gelzer basiert.

A. Bmchstiicke aus der Vorrede I Die Zeit von 78 bis 67 v . Chr . 2 Gemeint ist das Mittelmcer. 3 Es handelt s ich um die Zeit von 2 1 8 bis 1 46 v . Chr. , wobei die

Kr iegszeit (2 1 8 bis 20 1 und 149 bis 1 46 v . Chr.) e inbezogen ist . 4 Die Oberl ieferung (causaqttc . . . non amor iustitiac, scd stantc

Cartbaginc metus pacis infidac fnit) ist n icht zu halren. Ich möch te mi t ßüchncr bz w . Kl i ngncr glauben , e in Gedanke wie cuius bo11i crat stantc Ca rtbagine metus pacis infidae (man be­fü rchtet , der Friede könne trügerisch se in) oder met11 pacis i11fidae coacti gehöre in die Lücke h ine in .

5 soli (von so/um, Grund und Boden ; n icht von solus, al le in) i s t von cxpertibus abhängig gemacht .

6 I m Jahre 494i493 v . Chr . 7 Der ze i r l i che Zusammenhang bleibt hier uns icher , da die fort­

sch reitende Darste l lung n icht herzustel len i s t .

8. Reden und Briefe

I. Rede des M. Aemilius Lepidus

I Die Rede darf als ech t gelten ; d ie Bedenken C. Lanzanis ( •L Cornel io Sulla Di ttatorc « , Mi lano 1 936) w u rden von Hohl, Enßlin und Bolaffi ausgeräumt.

2 Es s ind sul lafreundl ichc Famil ien genannt, d ie i n den Jahren 78 und 77 v . Chr. die höchsten Beamten stel lten .

3 Die Schlach ten von Benevent (275 } , Zama (202 } , Kynoskcphalä ( 1 97) und Magnesia ( 1 90) waren entscheidend.

4 Es wird angespielt auf die Verfassung, d ie s ich das Volk in fre ier Entsche idung gegeben hat .

5 Es handelt s ich um L . Cornelius Cinna (89} , L. Valcr ius Flac­cus (86} , C. Marius (82) , den Sohn des S iegcrs über lugurtha und die Cimbcrn/Teutonen, sowie Cn. Papir ius Carbo (82) .

6 Die Kinder Geäch teter verloren den Anspruch auf das V crmö­�;en der Eltern und die Mögl ichkei t einer Bewerbung um i\mter.

70 Anmerkzmgen

7 Der Lesart ill11m, n icht i/los wurde der Vorzug gegeben . 8 Di e Stärke des Volkes s tand und f ie l für Lepidus mi t der Madn

oder Ohnmacht der Volkstr ibunen. 9 jeder Sklave erh ie l t monatlich 4 bis 5 Scheffel (modii), d. h .

35 bis 44 Liter Getreide. 10 Die Maßnahme, ganzen Gemeinden gesetz l ich d ie Ausübung des

nach den Bundesgenossenkriegen (90/89 v . Chr.) verl iehenen Bürgerrechts zu verwehren, muß als unrechtmäßig gelten.

I I Vetti11s i s t n icht weiter bekannt ; wahrsche in l ich handelt es s ich um einen Freigelassenen Sul las und mögl icherweise den späteren Anhänger Cati l inas, der s ich als Denunziant unrühml ich her­vortat und von Cäsar beseit igt w urde.

12 Der scriba nahm den höchsten Rang unter dem bezahlten Per­sonal der römischen Beamten ein.

13 Der Lesart parta , n i cht pa rata wurde der Vorzug gegeben . 1 4 Das Verfahren Sullas und des Mar iu s wird betont gegen über­

gestel l t : Jener beraubte röm isd1e Bürger i h rer Habe, dieser verteilte den Feinden entrissene Beute.

15 Die Lesart pretio soluto iure domintes (nicht p retio sol�< to , iun· dominis) i st an dieser sch w ierigen Stelle übernommen (anders : Büchner, •Sal lus t « , S. 4 1 0) , die In terpunktion entsprechend ge­ändert. Der Gegensatz von formidine und i11 re, auf den B üch­ner m i t Recht h ingew iesen hat, w i rd damit deutl icher. Stel lung und Bedeutung des tamen sowie die Verwendung des Begriffs restitt<o ordnen s id1 so besser i n den Zusammenhang e in .

16 Wahrscheinl ich wird auf Sul las Be inamen Felix angespie l t . 17 Zu ergänzen ist : w i e jener . 1 8 Die Lesart victorem, n ich t victo riam i st übernommen . D ie Stel­

lung von praeter satellites am Anfang und praeter 'IJicto rem am Ende des Satzes erscheint n ich t unwichtig .

1 9 Den Soldaten wird suggeriert, s ie sollten um die Früchte des Erfolges betrogen werden .

20 Es w i rd sich um Sklaven Geäch teter handeln, die von Sul la freigelassen wurden.

21 Fujidi11s war e in facher Soldat , der durd1 Sul las Hi lfe zu hohen mi l i tärischen Ehren kam. Die ihm hier nachgesagte Verworfen­heit , durch das ungewöhnliche Attribut ancilla betont, paßt nicht zu dem, was sonst von ihm berichtet w ird (er soll s ich z. B. gegen die Proskript ionen Sul las ausgesprochen haben ) .

2 2 Sul la minderte d i e Rechte des Volkes im Gerichtswesen : Richter konn ten auch wieder aus dem Senatorenstand genommen werden.

2 3 Dem Zweck der Rede entsprechend w i rd das an die Soldaten

Anmerkungen 7 1

verte i l te Ackerland geringschätz ig bewertet. 24 pa rricidium (pams, von gr icch . >Verwandter < ; caedere) bedeu­

tet e igendich �Vcrwandtcnmord c , im wei teren Sinne ·Zerstö­rung des Vaterlandes < .

25 I s t grammatisch e indeut ig a l s Appos it ion zu verstehen . I n ha l t ­l i ch i s t die Stel le sch "· icr iger ; entscheidet man s ich für die Be­tonung von plebes, so geht es um >Abhängigke i t des entwurzel­ten Volkes vom Staat < , en tscheidet man s ich - wie hier gesche­hen - für stärkere Betonung des expt� lsa , so ist d i e Deutun�,: >Beraubung, Raub< (gegen Ernout und Palad in i ) folgerich t ig .

/ 1 . Rede des L. Marcit<S Pbilippus

I Die E in le i tung zu I gibt näheren Aufschluß . 2 Die E in l e i t ung zu d ieser Rede en thä l t Gcnaucrcs . 3 Q. Lt<tati 11s Catt�lt<S war e in wegen se iner Ehrenhaft igkeit an­

erkannter Führer der Opt imaten , er widersetzte s i ch Sul la vor al lem in der Frage der Proskriptionen (vg l . auch die Ein le i tung Z U J ) .

4 Vgl . die E in le i tung zu I . 5 L. Appt�leit�s Satt� rnint�s war Volkstribun i n den Jahren 1 03

und 1 00 v. Chr . ; er setz te s ich rück haltlos für soz ia le Verbes­scrungen und eine angemessene Versorgung der Veteranen des Mar ius ein und fiel i n den daraus s ich ergebenden Kämpfen.

6 P. St<lpicit<s Rujt<S förderte als Volkstr ibun des Jahres 8 8 v. Chr . d ie I ta l iker und befürwortete d ie Übertragung des Ober­befehls an Marius im K rieg gegen Mith ridatcs ; von Sulla ge­ächtet, fand er den Tod.

7 Mari11s (vgl. Anm . I, 5 ) war Konsul i m Jah re 82 v . Chr . 8 Damasipptts entstammte der Nobil ität, wurde aber e i fr iger Ver­

fech te r der I n teressen der Papu laren und g in�; mit Gewalt ge­gen Adel ige vor (82 v . Chr . ) ; er wurde auf Sul las Befehl h in­gerichtet .

9 Vgl . die Ein le i tung zu den Reden I und I I . 1 0 Hispania citerior (Osten) und Hispania t� lterior (Westen ) wa­

ren Provinzen se i t dem Jahre 201 v. Chr. Sei t 80 v . Chr . stand Q. Scrtorius hier i n s iegreichem Kamp f gegen römische Heer­führer .

I I Mithridates, König von Pontus, großer Eroberer in Kleinas ien und in Griechenland sowie in der I n selwelt , wurde e in ernster Gegner für Rom, das drei Kriege (durch Sul la , Murcna und Lucul l us/Pompcius) gegen ihn führen mußte ( in der Zeit von 8 8 bis 63 v . Chr . ) ; er wurde i n Kleinasien a l s Befreier vom

72 Anme,·kt�ngen

Römerjoch gefeiert (Edikt von Ephesus im Jahre 88 v. Chr. : Al l e I tal iker sollten sterben) ; nach vielen En ttäusch ungen l ieß er s ich i m Jahre 63 v. Chr. auf der Krim töten .

12 Vgl . d i e E in le i tung zu den Reden I und I I . 1 3 Lepidus hatte das imperium proconmlare n ich t zu rückgegeben

(vgl. auch die Ein le i tung zu d ieser Rede ) . 1 4 Geme in t i st der Senat. 15 L. Comelius Cimza (\"gl . auch Anm. I , 5 ) versuchte z uerst legal ,

d ie su l lan ische Ordnung abz uschaffen ; als d ieses m ißlang, g i ng er zusammen m i t Mar iu s bewaffnet vor und wütete furch tbar gegen pol i t i sche Gegner.

16 Vgl. Anm. I ! , 3 . 17 P. Cornelius Cetbegus, ein pol i t i sch e influ ßreicher Mann , war

zunächst e in rücksich tsloser A nhänger des Marius , g ing dann aber zu Sul la über.

1 8 Ap. Claudius Pu/eber , Vater des i n der Zeit Ciceros herücht ig­ten Volkstribunen Clod iu s , wurde 79 Konsul und 77 v . Chr.

· interrex. 19 Vgl . Anm. I ! , 3 . 20 Dieses i s t d i e Formel f ü r d i e Verhängung des Ausnahme- bz w .

Be I age rungszus ta n des.

/II . Rede des C. Au rclius Cotta

Der codex Va ticamtS überl iefert diese e i n le itenden Worte n i ch t . Es i s t mögl ich , daß s ie aus e inem we i teren , heute n ich t mehr erhaltenen codex übernommen s ind . - Altttata 'Veste kann auf d i e Amtstracht h inweisen, aber auch auf Trauerkle idung .

2 Vgl. d ie Einle i tung zu d ieser Rede. 3 .znimus, pa tientia labomm und vis itzgeni. 4 sellectzts ga l t ab einem Alter von etwa 45 Jahren. 5 Vgl . Anm. I , 24. 6 Wie Cicero die Rückkehr aus der Verban nung a ls den Beginn

e iner altera vita ( .. Epistulae ad Att icum« IV , 1 , 8 ) oder e inen zwei ten dies natalis ( . . Orat io post reditum in senatu• 27) nennt , so sprich t Cotta aus demselben Anlaß von e iner •zweiten Ge­burt < .

7 Der S inn der Stelle ist : D ie Schu ld i s t so grof!, daß sie durch nichts get i lgt werden kann.

8 Vgl . d i e E in le itung zu d ieser Rede. 9 Vgl. d ie E i nle itung zu dieser Rede.

10 Q. Sertorius, aus dem Sabi nerland stammend und als Feldherr auf Seiten der Popularen bewährt , l i c fl im Jahre 80 v . Chr.

A nmerk11ngen 73

den in I tal ien zu Ende gegangenen Bürgerkrieg in Spanien wie­der aufleben und mach te den Römern in einem geschickt geführten Kle ink rieg (vgl. auch d ie Ein le i tung z u dieser Rede) viel zu schaf­fen , ehe er 73 v. Chr. du rch e ine Versch wörung den Tod fand.

I I Vgl . Anm. TI , I I . 1 2 Cotta bed ient s ich h ier in d ramatischer Weise der devotio

(Selbstweihung an die unterirdi schen Götter), die seit alters für röm ische Feldherren der letzte Ausweg in he i l losen Lagen war.

I V. Brief des Cn. Pompcius

I Pompei us, 1 06 v. Chr. geboren , 83 bis 6i v. Chr. Feldherr in Ost und West, kä mpfte schon im Alter von 23 Jahren s i egreich gegen d ie Marianer und erhielt, ohne im Besitze eines Amtes zu se in , e inen Tri umph. In den Jahren 80 bis 77 v. Chr. s tand er in S iz i l ien und Afrika im Felde. Er warf den Aufstand des Le­pidus (vg l . I ) endgült ig n ieder und erhielt daraufh in , erst 29 Jahre a l t (contra aetatem), das imperit<m proconmlare und zu­gle ich den Oberbefeh l im K rieg gegen Sertorius in Span ien .

2 I n wenig taktvol ler Weise wird d i e Anrede erst an d ieser Stel le gebraucht . Mit der Briefform ist es z u erklären , wenn s ie über­haupt nur hier erscheint . I n den Jahren 77 bis 75 v. Chr. , denn z u Ende des Jahres 75 wurde der Brief geschrieben.

4 Hier , wie auch bei den vorherigen (nomine . . . ) und den fol­genden (in cervicibus) Angaben handelt es s ich um e ine Über­treibung, da das Heer bereits vorhanden war.

5 Der Weg führte wahrschein l i ch von Turin über Susa (Segusio) und d ie Cottischen Alpen (Mont Genevre) an die D uran�e (Druent ia) .

6 Es handelt sich um Landschaften im Nordosten Spaniens zwi­schen Pyrenäen und Ebro bzw. im Süden der Ostpyrenäen.

7 Im Jahre 76 v . Chr. vor Lauro, südl ich vom Sucro (Jucar) . 8 Gemeint ist der Ehrgeiz, d i e Guns t der Soldaten und der Be­

wohner z u erhalten . - Die Darste l lung bedeutet zugleich e inen Tadel für den ebenfal ls gegen Sertorius e ingesetzten Feldherrn Caec i l ius Metel lus Pius (seit 81 ponti/ex maximt<s ; Triumph über Sertorius 71 v . Chr.) , der als weichlich und verschwende­risch bekannt war und deshalb vor allem bei der ä l teren, der Würde des römischen Namens bewußten Generation d ie Aner­kennung eingebüßt hatte (Sallust, » Historiae« li 70 M).

9 C. Herennills war Unterführer des Sertor ius . - Die Lesart de­leti (statt deletu.<, a u f Hercn n i u < bezo�en ) crfa l\ t d ie Vie lza h l

74 Anmerkungen

der Städter (cum urbe) und der Soldaten (wm exercitu). 1 0 Vgl. Anm. li , 1 0 . I I V g l . Anm. l U , 1 0 . 1 2 V g l . A n m . I V , 8 . 1 3 Damit wird d e m Senat d i e vol le Verantwortung zugeschoben. 1 4 Dieser erläuternde Zusatz entstammt einem Pal impsestblatt aus

Orleans . Er führt i n die Zeit zwischen Empfang und Wirkung des Schreibens, legt d ie aufgezeigten Gegensätze des Briefes in der h i s torischen Erzäh lung dar und betont d ie se so noch mehr .

V. Rede des C. Licinius Macer

1 Zu docendi i s t (aus dem vorhergehenden /11it) fuistis zu ergän­zen .

2 Nach der Oberl ieferung gab es solche secessiones piebis i n den Jahren 494 , 449 und 2 8 7 v . Chr . I n al len Fä l l en folgten Z uge­ständn isse an die plebs : 494 E inrichtung des Volkstr ibunats ; 45 1 -449 Aufzeichnung der Zwölf-Tafel -Gesetze ; 2 8 7 Plebiszite erhalten Gesetzeskraft (Iex Ho rtensia).

3 Der Redner buh l t um die Gunst der Zu hörer (captatio bene­volcntiae) und ermuntert zugle ich .

4 D i e h ier , w i e in dieser Rede überhaupt, stark hervortretende Gegensätzlichkeit i st zwar auch durch den Sti l Sallusts bedingt , mehr aber A usd ruck der pol i t i schen Lage. Die isol ierte Stel lung des Volkstr ibunen, der al le in die Rechte des Volkes wahrt und damit seiner Pflicht n achkommt, wird durch diese Verallgemeinerung besonders verdeutl icht.

6 illuc i s t bedeutungsgleich m i t ad illos. 7 D iese Formul ierung kommt e iner Sentenz gle ich. 8 Zu C. Au rcliz.s Cotta (Konsul im Jahre 75 v . Chr . ) vgi . d ie

E in le itung zu 1 1 1 . 9 Hat wohl die Bedeutung • i m eigentl ichen S inne z u r Partei ge­

hörig< und n ich t (wie auch vorgesch lagen) •gemäßig t < . 1 0 Der Vorname i s t nach Cicero (Brutus 2 1 6) verändert ; d i e Ober­

lieferung ist L . Sicinius bemühte s ich im Jahre 76 v . Chr., die Einengung der Rechte der Volkstribunen rückgängig zu machen .

1 1 Jene : d ie Siege r ; i h r : die Besiegten. 12 Übertreibungen aus der S icht der p/ebs. 1 3 Vgl. die Einle i tung zu I und A n m . I I , 3. 14 Im Jahre 77 v . Chr. 15 C. Scriboniz.s Curio (Konsul im Jahre 76 v . Chr.) war ein un­

erbittl icher Widersacher des S i c in iu s ; a l s Heerführer war er i n

Anmerkungen 75

Makedonien und im Donaugebiet erfolgreich bis 73 v . Chr. 16 Vgl. den zusätzlichen Text zu IV und Anm. I I , 1 1 . - Hier tritt

Lucullus als Verfechter des sullan ischen Systems gegen den Volkstribunen L. Quintius auf (74 v . Chr.) ; dieser rächte sich später, indem er die Abberufung des Lucullus vom östlichen Kriegsschauplatz betrieb (68 bis 66 v. Chr.) .

17 Anspielung auf die Kämpfe nach Sullas Tod. 18 Ist vor al lem mit Blick auf Lepidus und Catulus gesagt (vgl.

Anm. II, 3 und die Ein leitung zu 1 ) . 1 9 A l s Zwischengedanke i s t e inzuschieben : • I n d e m kommenden

Kampf ist unsere Partei die unterlegene . < 20 Die hohen J'i.mter im Staat (Konsulat, Prätur, J'i.dilität und

Quästur) waren ursprünglich nur (modo) den Patriziern vor­behalten ; hier ist in erster Linie an das Konsulat zu denken, das Plebejern erst 367/366 v. Chr. zugänglich wurde.

21 Es handelt sich neben der Frage um den Zugang zu den J'i.m­tern um den Streitpunkt zwischen Nobilität und Volk .

22 Nur für die Nobi l ität war Kriegsdienst von Vorteil ! 23 Erst damit wird der mit deinde ( 1 5 ) angekündigte zweite Vor­

schlag (Verweigerung des Kriegsdienstes) gemacht. 23a Vgl. Anm. Il, 1 1 und I l l , 1 0. 24 Näheres darüber ist nicht bekannt. Der Inhalt aber kann aus

Macers Worten erschlossen werden : Vertei lung von Brotge­treide durch den Staat, und zwar unentgeltlich oder verbilligt.

25 Vgl. Anm. I , 9. 26 Der von Orell i vorgeschlagenen Lesart parva res et ig11aviam

cuitHque tenuissima spe /rustratur bin ich nicht gefolgt, sondern bei ignavi cuiusque tenuissimas spes frustratur (Gronovius) ge-blieben. .

27 Das Abstraktum (iniuriae ist Dativ) steht für das Konkretum (iniustis).

28 Gemeint ist die Schmälerung der t ribtmicia potestas. 29 Gemeint ist das Recht, das sie zu haben glauben. 30 Pompeius war damals 33 Jahre alt. In seinem Konsulatsjahr

(70 v. Chr.) stellte er die ursprüngliche Bedeutung der tribzt­nicia potestas wieder her.

31 ignorantia ist als Subjekt verstanden, mit den Dingen s ind die Zusammenhänge gemeint : Die Zuhörer sind nach Auffassung des Redners durchaus im Bilde, daher brauch t er nicht weiter zu sprechen.

32 Die Iex Porcia (um 200 v . Chr.) verbot die Prügelstrafe gegen­über römischen Bürgern.

76 Anmerkungen

VI. B rief des Mithridates 1 Vgl. die Einleitung zu diesem Brief. 2 Eine so ganz einseitige Beurteilung der Römer kann nur eine

Vergewaltigung der historischen Tatbestände sein. Dieses trifft auch für die anschließend erwähnten Ereignisse zu.

3 Die Römer führten gegen Philipp I I . von Makedonien in den Jahren 200 bis 197 v . Chr. Krieg, besiegten ihn bei Kynoske­phalä und besiegelten damit die Großmachtstellung Makedo­n iens. Auf einen früheren Krieg mit einem für Phil ipp günsti­gen Friedensschluß im Jahre 205 v . Chr. weist vielleicht simll­lan tes amicitiam hin .

4 Der hier angesprochene Krieg gegen Antiechos I II . (wegen seiner Erfolge bei der Wiederherstel lung königlicher Macht i n Asien >der Große< genannt) , d e n König des Seleukidenreiches, wurde in den J ahren 1 9 1 / 1 90 v. Chr. geführt. Die Entscheidung fiel bei Magnesi a zugunsten der Römer.

5 Der Taurus ist Grenzgebirge zwischen Kilikien und Kappa­dokien.

6 Perses, der letzte Makedonenkönig aus dem Hause der Anti­goniden, nahm nach der gegen Aemilius Paullus verlorenen Schlacht von Pydna ( 1 68 v . Chr.) seine Zuflucht in dem Heilig­tum der Kabiren (ursprünglich : Dämonen der Erdentiefe ; später Schutzgottheiten der Seefahrer) auf der Insel Samothrake. Die hier angegebene Todesart ist nur eine von mehreren , die über­liefert sind (bei Plutarch wird von einem freiwilligen Hunger­tod, bei Velleius von einem Tod in libera ct<stodia in Italien gesprochen), und bezeichnenderweise die für die Römer ungün­stigste ; s ie verdient daher wenig Glauben.

7 Eumenes ll. war König von Pergamum ( 1 9 7 bis 1 5 3 v. Chr . ) , Nachfolger von Attalus I . Er war wie se in Vater mit Rom im Bunde und leistete Hilfe im Kampf gegen Antiochus.

8 Auch in dieser Angabe, die mit der sonstigen Überlieferung nicht übereinstimmt, muß eine bewußte Herabsetzung der Rö­mer gesehen werden.

9 Gemeint ist das eroberte Gebiet diesseits des Taurus (vgl. Anm . VI , 5 ) , wobei vor allem die mit der Freiheit beschenkten Grie­chenstädte ausgenommen blieben.

1 0 Dies kann durch Zweifel an der Loyalität des Eumenes bedingt gewesen sein und i� verletzender Beobachtung und Untersu­chung bestanden haben.

11 Das Testament stammte von Attalus I l i . , dem natürlichen Sohn des Eumenes ( 1 3 3 v. Chr. ) ; Rom war darin als Erbe des Reiches

Anmerktengen 77

bestimmt (Attalische Erbschaft) . 1 2 A ristonikus, Bastardsohn des Königs Eumenes, durCh die Ent­

scheidung des Attalus (vgl. Anm. VI, 1 1 ) von der Erbschaft aus­geschlossen (so erklärt sich die Bezeichnung i n p i o t e s t a -m e n t o) , stellte sich an die Spitze von Besitzlosen und Skla­ven und wollte einen >sozialistischen Sonnenstaat< (Heliopolis) einrichten. Er unterlag und wurde hingerichtet.

13 Nikomedes IV., König von Bithynien (94 bis 75 v. Chr. ) , ließ sich von den Römern zum Krieg gegen Mithridates bestimmen ; er wurde geschlagen, wodurch die Römer gezwungen wurden, den Kampf gegen Mithridates (Erster Mithridatischer Krieg) aufzunehmen (88 v. Chr.). Von Sulla erhielt Nikomedes die ursprüngliche Macht zurück (84 v. Chr.) ; er vererbte im Jahre 75 v. Chr. sein Reich den Römern , was zum Dritten Krieg ge­gen Mithridates führte.

14 Die Kreter galten seit dem Krieg gegen Antiochus als Freunde und Verbündete der Römer. Die Aufnahme der Verbindung zu den Kretern durch Mithridates gehört in das Jahr 88 v. Chr. Seit 74 v. Chr. wurden sie als Seeräuber durch die Römer be­kämpft. Ihre Insel wurde 67 v. Chr. erobert und als Provinz eingerichtet.

1 5 Hier muß es sich um Ptolemät<s IX. Soter handel n ; zu der Zeit, in die der vorliegende Brief gehört, regierte dessen Sohn Ptole­mäus XII . - Beide sind nicht unterschieden, da es dem Schreiber des Briefes nur um den König von 2\gypten geht.

16 Arehelalls war Feldherr des Mithridates in Griechenland ; er wurde mehrfach von Sulla besiegt. Für Mithridates führte er Friedensverhandlungen mit den Römern ; später trat er auf de­ren Seite, als er des Verrats - dieser ist nicht nachweisbar -verdächtigt und vertrieben worden war.

1 7 Vgl. Anm. VI, 1 5 . 1 8 Vgl. Anm. V I , 1 4 . 1 9 Vgl. d i e Einleitung zu diesem Brief. 20 M. Cotta war Konsul im Jahre 74 v. Chr. ; er war der Bruder

des C. Cotta (vgl. I I I ) . 2 1 V o n Griechen gegründete Städte a m Bosporus, a u f d e r Halb­

insel im Marmarameer, am Marmarameer, in Bithynien und in Pontus (die Reihenfolge im Text ist beachtet) .

22 Vgl. Anm. li , 1 1 . 2 3 Ariobarzanes war König von Kappadokien (95 bis 6 2 v . Chr.) ,

wurde als Freund der Römer mehrmals aus seinem Reich ver­trieben und von Sulla als Schutzwehr gegen TigranesfMithrida-

78 Anmerkungen

tes eingesetz t ; erst Pompeius festigte seine Herrschaft endgültig (66 v. Chr.) .

24 Zu den Warnungen durch Mithridates vgl. die Einleitung zu diesem Brief.

25 Für Arsaces wird die Lage gleich, wie er sich entscheidet, ge­fährlich bleiben, da sidt für ihn ein Ende des Krieges nicht er­geben kann. Eine Drohung gegenüber Arsaces - falls er sidt versage, könnten ihn die Sieger angreifen - sollte in dem vin­cere nicht gesehen werden.

26 Es handelt sich geradezu um eine Sentenz. Ob die Aussage audt als eine Rechtfertigung des römischen Madttgedankens verstan­den werden darf, wenn die Begriffe >mädttig< und >gut, ge­redtt< miteinander verbunden, ja gleichgestellt sind, ist fraglich, denn dann müßten iusti domini die Römer sein.

27 Seleukea war eine von Seleucus I . Nicator begründete Handels­stadt am Tigris, reidt an Einwohnern, von denen ein Teil freie Griedten waren.

28 Mit Paladini ist occident (nicht o ccident) angenommen. 29 Die Könige galten als die Feinde der Römer und damit der

Eroberer. An die in Unfreiheit lebenden eigenen Völker wird nidtt gedacht.

Nachwort

Der Historiker C. Sallustius Crispus (Krauskopf) lebte in der Zeit, i n der Rom seine Macht nach außen hin am stärksten entfaltete (das Imperium erreichte mit Cäsar im Jahre 51 v. Chr. seine größte Ausdehnung : • Historiae• , fr. 1 1 M) , die inneren Kräfte des Staates jedoch mehr und mehr zerrüttet wurden. Marius starb im Jahre 86 v. Chr. am 1 3 . Tage seines Konsulats, nachdem er gegen die Vertreter der Nobilität furchtbar gewütet hatte. Cinna beherrschte dann, gestützt auf die Volkspartei, das öffentl iche Leben in Rom ; die Spit­zen der Senatspartei weilten bei Sulla, der in Griechenland in siegreichem Kampf gegen Mithridates, den König von Pontus, stand. Am 1 . Oktober dieses bewegten Jahres 86 v. Chr. wurde Sallust im sabinischen Amiternum als Sproß einer wohlhabenden plebej i schen Familie geboren. Er war noch zu jung, um das blutige Ende des Ersten Bürgerkriegs, den rück­sichtslosen Gebrauch der Macht durch den siegreichen Sulla sowie die mit dessen Tod verbundenen Unruhen zu begrei­fen. Als Sallust im reiferen Jungenalter stand, erlebte er den glänzenden Aufstieg des Pompeius, das Ende der Anhänger des Marius in Spanien, den Sklavenkrieg, die Wiederherstel­lung der durch Sulla in ihrem Kern getroffenen tribunicia potestas und die Siege des Pompeius über die Seeräuber und über Mithridates. Sallust zählte 23 Jahre, als die Verschwö­rung Catilinas entdeckt und niedergeworfen wurde. Ober seinen damaligen Aufenthaltsort, über seine Haltung bei die­sem Ereignis und seine Obersiedlung nach Rom läßt sich Sicheres nicht sagen. Es ist eine Vermutung, die viel für sich hat, daß Sallust be­reits in jungen Jahren nach Rom kam, dort Rhetorik studierte und literarische, in geringem Mal!e auch philosoph ische Stu­dien betrieb, um so notwendige Voraussetzungen für die politi sche Anerkennung zu schaffen. Sein pol itischer Weg zeigt Rühmliches, aber auch viel Unrühml iches. Unbekannt ist, in welchem Jahre Sallust die Quästur bekleidete. In den

80 Nachwort

mit dem Namen des Volkstribunen Clodius verbundenen Unruhen des Jahres 52 v. Chr. bezog er gegen Cicero und Milo Stellung. Nicht zuletzt diese Tatsache führte dazu, daß er vom Zensor wegen anstößigen Lebenswandels aus dem Senat gestoßen wurde (50 v . Chr. ) ; Cäsar jedoch, der glaubte, ihn als Werkzeug benutzen zu können, ermöglichte ihm schon im folgenden Jahr die Wiederaufnahme in den Senat, indem er ihm ein politisches Amt verlieh. Wenig glücklich waren die Kommandos in Illyrien, in Kampanien und in Afrika in den sich anschließenden Jahren. Allein durch Cä­sars Autorität konnte sich Sallust einer kurz danach gegen ihn eingebrachten Klage wegen Erpressung (De repetundis) entziehen. Der namentlich in Afrika zusammengebrachte Reichtum erlaubte es später, daß Sallust - vielleicht aus Grün­den persönlicher Verbundenheit - Cäsars Landhaus in Tibur kaufte und auf dem collis hortorum (heute : Monte Pincio) die nach ihm benannten Gärten (horti Sallustiani) anlegen ließ. Von Cäsar allein hatte s ich Sallust Rettung versprochen, nur an ihn Hoffnung für die Zukunft geknüpft. So wurden denn dessen Ermordung (44 v . Chr.) und der folgende Bür­gerkrieg die entscheidenden Ereignisse in Sallusts Leben : Aus der Politik zieht er sich zurück, er beschließt, sich der Ge­schichtsschreibung zuzuwenden. Als Historiker, dessen Tätigkeit er als echtes negotium im römischen Sinne zu erweisen sich bemüht, möchte er zu dem Nachruhm gelangen, den er durch seine politische Tätigkeit nicht hatte erreichen können. Indem er sich und sein Tun in die historischen Zusammenhänge und sozialen Spannungen stellt, wird aus seiner Krise zugleich die Krise der römischen Gesellschaft und des Staates ersichtlich. Das Fortbestehen seines politischen Engagements erhellt aus dem Bemühen, die Ursachen für die Schwierigkeiten der Gegenwart zu ergrün­den und auf diese Weise doch noch aus dem Dunkel heraus­zufinden. Die Neuordnung des Staates nach dem Sieg Octa­vians erlebte Sallust nicht mehr. Er starb am 1 3 . Mai des Jahres 35 v . Chr. Sallust hat für sein von einer kritischen Grundhaltung be-

Nachwort 81

stimmtes, schriftstellerisches Schaffen die verschiedensten Aussageformen benutzt : In den Vorreden äußert er sich kri­tisch über sein Tun, er behandelt anklagend die Zustände der eigenen Zeit, die er nicht meisterte, er läßt die glanzvolle Vergangenheit als Gegenbild erscheinen und verstärkt so noch die düsteren Züge der Gegenwart ; in den im Stil des Posi­donius gestalteten, auch in die »Historien• eingeschobenen Exkursen ( I I 1-1 4 : Korsika ; I I I 6 1-80 : Pontus ; IV 26-27 : Sizi l ische Meerenge) gibt er Ausblicke und fördert das Ver­ständnis des Ganzen ; in Reden und Briefen (vgl. auch S. 10) charakterisiert er Personen und äußert sich wirkungsvoll zu politischen Fragen, Ereignissen und Strömungen der Zeit, deren ganze Widersprüchlichkeit deutlich werden soll. Vom kritischen Leser werden z. T. stark propagandistische Ele­mente leicht erkannt ! Sallust, dem Nachahmer des Thukydides und dem Nacheife­rer des M. Porcius Cato, geht es darum, das Entscheidende bei straffer Gliederung und ohne verwirrende Vielfalt aus­zusagen, die Ereignisse zu werten und einzuordnen. In Aus­druck und Satzform fallen folgende Eigenarten auf : Archaismen [volt, voltus, gerundus, lubido, plebes, honos,

imperi, senati, omnls, parentis, quls, laudavere, foret (= esset) ] ;

Unterlassung der später üblichen Assimilation bzw. Umwand­lung (adfectare, inpius) ;

Neubildungen und Umformungen sowie die Abneigung ge­gen übliche Wendungen ;

A ntithesen [ruheloses Pendeln zwischen Gegensätzen (a b a), Wechsel von Ort und Ziel der Handlung] ;

Kürze des Ausdrucks ; Pendelbewegung im Satzbau (betont sind Anfang und Schluß,

unbetont die Mittelglieder) ; Wechsel von chiast ischer (a b b a) und paralleler (a b a b)

WOrtstellung ; Zweiteilung des Ausdrucks mit gedankl ichem Gegensatz ; Häufung dreigliedriger Asyndeta (bei eindringlicher Schil­

derung) ;

82 Nachwort

Inkonzinnität der Sätze, der Numeri, der Kasus, der Genera verbi, korrespondierender Partikel ;

Gebrauch der Intensiva/I terativa und des historischen Infi-nitivs ;

Vorliebe für die Parataxe. In »De coniuratione Catil inae• hat Sallust die Ereignisse des Jahres 63 v. Chr. dramatisch gestaltet. Die Hauptpersonen, besonders Catilina selbst, beherrschen das Geschehen. Sallust geht es um die res populi ; Catilina ist für ihn der Feind von GeseJ;�- .4_nd Ordnung. Nicht zu übersehen sind die demokra­tische ' Einstellung und die Parteinahme für Cäsar, womit zugleich den Angriffen auf Cäsar als den geistigen Kopf der Verschwörung (Pamphlet »De consil i i s• aus Ciceros Nach­laß) begegnet werden sollte. Bei der Wahl des Stoffes für »De bello lugurthino• waren die Wichtigkeit des Ereignisses und die Gegnerschaft gegen die römische Nobilität, wohl auch das persönliche Interesse an Afrika bestimmend. Die inneren Verhältnisse des römischen Staates stehen im Mittelpunkt der Darstellung. Die Nobilität wird in ihrer schlimmsten Verderbnis und tiefsten Erniedrigung gezeigt ; Marius vertritt die Sache des Volkes. Die » Epistulae ad Caesarem senem de re publica• , >Flug­schriften<, die auf die Jahre 49 bzw. 46 v. Chr. passen, ent­halten Reformvorschläge für die Oberwindung der sozialen Not im Staat. Zwar wurde die Echtheit dieser beiden Briefe, vor allem wegen des Gehalts und der vereinfachten Beurtei­lung der politischen Lage, oft bezweifelt ; die Gedanken aber sind sallustisch, und auch stilistisch kann Sal lust der Verfas­ser sein. Bei der Frage nach der Echtheit muß auch die Beson­derheit des Briefstils beachtet werden ! End- und Höhepunkt der Gestaltungsmöglichkeit Sallusts, der die römische Geschichte als Einheit sieht und einer einheitlichen Entwicklung unterworfen glaubt, der die hi­storischen Tatsachen nach einem bestimmten künstlerischen Ordnungsprinzip in die Zusammenhänge einfügt, sind die »Historien• . In diesen ist die Geschichte des römischen Vol-

Nachwort 83

kes in dem Jahrzehnt zwischen 78 und 67 v. Chr. (fr. 1 M) behandel t ; von diesen isr allerdings nur weniges, aber genug erhalten, um einige grundsätzliche Aussagen über das Werk zu machen. In der Vorrede (vgl. auch S. 4 f.) hat Sallust ohne Zweifel eine kritische Betrachtung von Gegenstand und Werk gebo­ten, wodurch die Haltung des Autors und die Art der Dar­stellung deutlich werden. Es fehlt ein Zeugnis, aus dem her­vorgeht, wie Sallust gerade zu diesem Thema gekommen ist. Mit Sicherheit darf man sagen, Sallust habe, wie das auch in den anderen Werken geschieht, die führenden Männer Roms auf dem Gebiet der Historiographie genannt und sich in ihre Reihen gestellt (fr. 3 M) , um mit ihnen durch sein Schaffen in Wettstreit zu treten. Gewiß hat er dabei des Sisenna ge­dacht, als dessen Fortsetzer er sich versteht, mit Blick auf den er sein Werk ein recens scripturn (fr. 2 M) nennt. Auch Vorbilder wie Cato (Origines) und Fannius (Annales) wer­den erwähnt worden sein : Das Forschen nach den tieferen Ursachen der Dinge, das Streben nach überparteilicher Hal­tung und das Gefühl der Verpflichtung gegenüber der Wahr­heit (fr. 6 M) dürften sich bei Sallust nicht zuletzt durch diese Vorbilder erklären. Das Persönliche läßt Sallust im Hintergrund, das Geleistete allein soll und muß bestimmend sein. Die selbst erlebte, schlimme Zeit stellt Sallust in den großen Zusammenhang der Geschichte des römischen Volkes : Sie ist für ihn kein Wert an sich, sondern Ergebnis der (ver­derbten) Vergangenheit und Grundlage der (noch schlimme­ren) Zukunft. Auf diese Weise läßt Sallust die Größe - ver­körpert durch die oft in griechischen Formulierungen gerühm­ten Römertugenden - und den Verfall der res publica Ro­rnana deutlich werden. Moralische Betrachtungen über Wert und Sinn alles Geschehens, über das Gute und Böse in der Welt sind häufig und eindrucksvoll ; die Entwicklung zur Herrschaft (imperiurn) führt über das Ringen um Freiheit (libertas) und das Streben nach Anerkennung (gloria) . Soweit sich erkennen läßt, ist Sallust der erste römische Hi­storiker, der sich zwar die seit Fabius Pietor überkommene

84 Nachwort

Forderung zu eigen macht, Roms Macht zu verherrlichen, zu­gleich aber die für die Erreichung dieses Zieles angewandten Mittel sehr kritisch beleuchtet. Die harte Wirklichkeit bei der Eroberung der Welt und die Tatsache des wachsenden Wider­standes gegen Rom lassen Sallust fragen, ob der Herrschafts­gedanke römischer Prägung überhaupt zu vertreten ist. Auch äußert er die Überzeugung, das Gute und Ehrbare könne nur gelten, solange Furcht oder Not ein Abgleiten und Fehl­gehen verhinderten. Für Augustinus, der die »Historien« ausgeschöpft und diese fragmentarisch in »De civitate Dei« überliefert hat, bezeugt Sallust die Fragwürdigkeit der römischen Geschichte in der Zeit vor Christi Geburt. Als auffallend bezeichnet er, daß Sallust selbst seine Auffassung im Laufe des Schaffens (vgl. auch S. 4 f.) insofern berichtigt habe, als er zunächst (De con­iuratione Catilinae) das Gute im Menschen und in der Welt uneingeschränkt zu bejahen bereit gewesen sei, dann aber Vorbehalte gemacht habe (De bello Iugurthino) und schließ­lich zu einem eindeutig schlechten Urteil gekommen sei (Hi­storiae). Parallel zur Machtentfaltung nach außen verläuft für Sallust, gefördert durch der Parteien Streit und den Mangel an Ein­satz für den Staat, der Verfall der Wertordnung. Diese Ent­wick.lung beginnt schon sehr früh und nicht etwa erst mit der Niederwerfung Karthagos (fr. 1 1 M), wohl aber steigert sie sich seit diesem epochemachenden Ereignis, weil die fehlende Bedrohung durch den äußeren Feind den in Abhängigkeit verstrickten Menschen die Verpflichtung, sich für die Gemein­schaft zu bewähren (virtus), vergessen und verderbenbrin­gende Kräfte (feiges Versagen wird zur Tugend, Anpassung zu einer verherrlichten Methode) sich entwickeln läßt. In der Neuordnung des Staates durch Sulla ( 88 v . Chr.) sieht Sal­lust - im Gegensatz zu seinem Vorbild Posidonius - nicht den Versuch, durch Rückkehr zum Früheren das Verderben aufzuhalten ; Sulla ist vielmehr hier für ihn Inbegriff des Bösen. Die durch die menschliche Fehlerhaftigkeit (fr. 7 M) bedingte Sorge führt zu der bangen Frage, woher Persön-

Nachwort 85

lichkeiten kommen sollen, das Imperium durch menschliche Entscheidungen und ruhmvolle Taten zu erhalten und als Schutz- und Ordnungsmacht zu entwickeln. Wenn ein römischer Historiker in nationaler Unempfindlich­keit ein so düsteres Bild von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zeichnet, wenn er schonungslos den Imperialismus mit seinem Ordnungsanspruch und die Arbeit der Parteien kritisiert und deren Verantwortungslosigkeit dem anderen und dem Ganzen gegenüber anprangert, wenn er, ungeach­tet alles äußeren Glanzes, die schlimmen Seiten so stark und schonungslos aufzeigt, daß Gegner Roms es nicht schärfer tun könnten, so darf - da Sallust zugleich auf die Kraft des per­sönlichen Vorbilds hinweist und nach echten Persönlichkei­ten verlangt - angenommen werden, daß er die Hoffnung auf Besinnung und damit auf eine glückliche Zukunft noch nicht aufgegeben hat. Dieses bleibt auch gültig, wenn sich nachweisen läßt, daß viele Gedanken sich als Topoi erklä­ren. Wichtig ist, wie und wo ein solcher Topos in den Zusam­menhang übernommen ist, durch welches politisch-gesell­schaftliche Wertsystem die literarisch-künstlerische Arbeit, in der er sich findet, getragen ist. Sallusts Werke, Existenzanalysen des Menschen in der Ge­meinschaft (Büchner) , werden dem kritischen Leser stets dien­lich sein können, die eigene Zeit mit ihren Problemen zu ver­stehen.

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S. 9 ff.

Inhalt

A. Bruchstücke aus der Vorrede Fragmenta ex prooemio

B. Reden und Briefe . • .

4 4

1 0

I . Oratio M . Aemili Lepidi consulis ad populum Romanum ( I 5 5 M) . . . • . . . . . . . 1 2

Rede des M. Aemilius Lepidus vor dem römi-schen Volk . . . . . . • . . . . . . . 1 3

I I . Oratio L . Marci Philippi i n senatu ( I 7 7 M ) . . 22 Rede des L. Marcius Philippus vor dem Senat . 23

I I I . Oratio C. Aureli Cottae ad populum Romanum ( I I 47 M) . . . . . . . . . . . . . . . 34

Rede des C. Aurelius Cotta vor dem Volk von Rom . . . . . . . . . • . . . . . 35

IV. Epistula Cn. Pompei ad senatum ( I I 98 M) . . 4 0 Brief des Cn . Pompeius an den Senat . . . . . 4 1

V. Oratio C. Licini Macri tribuni piebis ad plebem ( 1 1 1 48 M) . . . . . . . . • . • . • . . 46

Rede des Volkstribunen L. Licinius Macer vor dem Volk . . . . . . • .

VI. Epistula Mithridatis (IV 69 M) Brief des Mithridates

Anmerkungen . .

Nachwort . . . .

Literaturhinweise

47

58 59

69

79

86