schaber, p. ethischer subjektivismus
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Peter Schaber Rafael Hüntelmann (Hrsg.)
Grundlagen der Ethik
Normativität und Objektivität
2. unveränderte Auflage
ontosverlagFrankfurt London
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2. unveränderte Auflageder 1. Auflage, Hänsel-Hohenhausen, Frankfurt 2003
Paperback Edition2003
¤2003 ontos verlagPostfach 61 05 16, D-60347 Frankfurt a.M.
Tel. ++(49) 69 40 894 151 Fax ++(49) 69 40 894 169
ISBN 3-937202-26-9 (Germany)ISBN 1-904632-16-5 (U.K.)
2003
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PRACTICAL PHILOSOPHY
Edited byHeinrich Ganthaler x Neil RoughleyHerlinde Pauer-Studer x Peter Schaber
The aim of the series is to publish high-quality work
that deals with questions in practical philosophy f rom
a broadly analytic perspective. These include questionsin meta-ethics, normative ethics and "applied" ethics,
as well as in political philosophy, philosophy of law
and the philosophy of action. Through the publicationof work in both German and English the series aims
to f acilitate discussion between English- and German-
speak ing practical philosophers.
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Inhalt
Contents
Vorwort ......................................................................................... 7
PETER SCHABER
Die andere Moral des ethischen Sub jek tivisten .................................. 9
FRIEDRICHDUDDA
Mich wählend wähle ich den Menschen ............................................ 25
HALLVARD LILLEHAMMER
The Idea of a Normative Reason ...................................................... 41
KIRSTENB. ENDRES
Practical Reasons ............................................................................ 67
TATJANA TARKIAN
Wahrheit in der Ethik ..................................................................... 89
ERWIN
TEGTMEIER
Emotional Acts and Moral Facts ...................................................... 109
PAUL BLOOMFIELD
Truth or Power? .............................................................................. 123
THOMASZOGLAUER
Die Vernunf t: Ein Sklave der Affek te?
Zur Kritik am moralischen Sub jek tivismus .....................................145
NORBERT P. ANWANDER
Zur normativen Kraf t prak tischer Gründe ......................................163
RAFAELHÜNTELMANN
G.E. Moores Unterscheidung zwischen natürlichen und
nicht-natürlichen Eigenschaf ten und der ontologische Status
moralischer Urteile ......................................................................... 181
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PETER SCHABER
Die ander e Mor al des ethischen Sub jek tivisten1
ohn Leslie Mack ie beginnt sein berühmtes und breit disk utiertes Buch“Ethik . Die Erf indung des Richtigen und Falschen” mit dem Satz: “Es
gibt k eine ob jek tiven Werte” (Mack ie, 1981). Diesen Satz halten viele
Philosophen f ür wahr. Gewisse wie z.B. der Konstanzer Philosoph PeterStemmer sind dabei gar der Meinung, es sei zudem auch ohne weiteres
möglich, unter Philosophen einen Konsens darüber zu erreichen, dass esob jek tive Werte nicht gebe. (Stemmer, 2000) Für Mack ie sprechen zwei
Argumente gegen die Annahme ob jek tiver Werte. Da ist zum einen dassogenannte Argument aus der Relativität, wonach man mit der Idee ob-
jek tiver Werte der Verschiedenheit moralischer Systeme nicht Rechnungtragen k önne; und da ist zum anderen das ohne Zweif el gewichtigere so-
genannte Argument aus der Absonderlichk eit, demzuf olge ob jek tive Werte
absonderliche Entitäten seien - eine Einschätzung, die wiederum von vie-len Philosophen geteilt wird. Wie absonderlich ob jek tive Werte sind,wer
de deutlich
,so Mac
k
ie,wenn
wir
uns
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ärtigten
, dass
dieseso beschaff en sein müsste, dass sie uns nicht nur den Weg zeigen, den wir
beschreiten sollten, sondern uns zugleich motivieren, ihn auch wirk lich
zu beschreiten. “Ein ob jek tiver Wert würde von jedem, der ihn erk ennt,angestrebt, und zwar nicht auf grund irgendeiner k ontingenten Tatsache,dass dieser Mensch (oder alle Menschen) gerade so beschaff en ist, dass ereben dies wünscht, sondern aufgrund einer diesem Wert innewohnendenWürdigk eit, realisiert zu werden” (Mack ie, 1981). Das Streben nach derRealisation ob jek tiver Werte beruht demnach nicht auf den Interessenund Wünschen von Handelnden, sondern ist auf die Beschaff enheit derob jek tiven Werte selbst zurück zuf ühren. Mit anderen Worten: Sobaldein ob jek tiver Wert als solcher erk annt wird, wird er angestrebt. Dieser
Gedank e scheint Mack ie - und nicht nur ihm - absonderlich, da seinerAnsicht nach etwas, das der Fall ist, nicht schon als solches motivierenk ann. Fak ten inhärieren k eine Forderungen und Überzeugungen, die
1 Für k ritische Hinweise möchte ich Susanne Boshammer herzlich dank en.
J
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sich auf Tatsachen beziehen, k önnen “niemals den Willen motivieren”(Mack ie 1981, S. 47).
Ich werde mich im f olgenden weder mit den von Mack ie angef ühr-ten noch mit anderen Argumenten gegen die These von der Existenz ob-
jek tiver Werte auseinandersetzen. Mir geht es nachf olgend vielmehr umdie Konsequenzen, die die Leugnung ob jek tiver Werte f ür unsere morali-schen Ansichten erster Ordnung ergeben würden. Die Frage, die ich imf olgenden untersuchen werde, lautet also: Was f olgt f ür den Inhalt derMoral, f ür das, was als moralisch richtig und f alsch angesehen werden
muss, wenn Mack ie mit seiner These Recht hat, dass es k eine ob jek tivenWerte gibt? Ich werde zu zeigen versuchen, dass diese Behauptung imwörtlichen Sinne radik ale Konsequenzen hat: Wer ob jek tive Werte zu-
rück weist, verpf lichtet sich zumindest implizit - so meine These - auf ei-ne Moral, die die Wurzeln unserer common sense-vorstellung von Moraltangiert und die in einem so stark en Mass von dieser Vorstellung ab-
weicht, dass die sich ergebenden Normen vom common sense nichtmehr als moralischen Normen anerk annt würden.
Mack ie schreibt ganz zu Beginn seines Buches, dass man mit “dreisehr verschiedenen Reak tionen” (Mack ie 1981, S. 11) auf die These, es
gebe k eine ob jek tiven Werte zu rechnen habe, denen zuf olge diese Be-h
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tens trivial oder drittens sinnlos sei. Ich werde hier im Sinne der erstenReak tion argumentieren und zeigen, dass es gute Gründe gibt, die Thesevon der Nicht-Existenz ob jek tiver Werte f ür verderblich zu halten. Wie
Peter Stemmer meine auch ich, dass die Konsequenzen der Verneinung
ob jek tiver Werte f ür den Inhalt der Moral nicht zu unterschätzen sind.Stemmer schreibt: “In moralphilosophischen Grundlagendisk ussionenunter Philosophen ist es in der Regel nicht schwer, f ür die These, dass esk eine ob jek tiven Werte ... gibt, Zustimmung zu f inden. Aber nur seltenwird erf asst, was die Bestreitung eines ob jek tiven Ank ers f ür unsere mo-
ralischen Vorstellungen bedeutet ... “ (Stemmer 2000, S. 253) Die Ver-
neinung ob jek tiver Werte zieht meines Erachtens eine radik ale und in
ihren Folgen verderbliche Revision der Moral nach sich - eine Konse-quenz, die in der metaethischen Disk ussion leider nicht deutlich genuggesehen wird.
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Mack ie hingegen meint, dass unsere metaethischen Ansichten, un-
sere, wie er sagt, moralischen Ansichten zweiter Ordnung2 f ür unseremoralischen Ansichten erster Ordnung3 k einerlei Konsequenzen hätten.“Diese Auff assungen erster und zweiter Ordnung sind nicht nur vonein-
ander verschieden, sondern auch voneinander vollk ommen unabhängig:Jemand k ann ethischer Sk eptik er zweiter Ordnung sein, ohne zugleichauch ethischer Sk eptik er erster Ordnung sein zu müssen, und umge-
k ehrt. Jemand k ann sehr f este Überzeugungen, sogar völlig k onventio-
nelle, vertreten und zugleich behaupten, dabei handle es sich nur um von
ihm selbst und anderen eingenommene Einstellungen und prak tischeVerhaltensmuster. Umgek ehrt k ann jemand alle k onventionelle Moralablehnen und behaupten, ihre Falschheit und Verwerf lichk eit sei als ob-
jek tiv wahr erwiesen” (Mack ie, 1981, S. 13). Demnach wäre es etwa mög-
lich, das Quälen von Kleink indern f ür abscheulich zu halten und allesdaf ür zu tun, um solche Abscheulichk eiten zu verhindern, ohne gleich-
zeitig die ob jek tive Richtigk eit dieser Ansicht behaupten zu müssen.Man k önnte etwa sagen:’Unabhängig von der Frage, ob dieses Urteil nunob jek tiv richtig ist oder nicht, f inde ich das Quälen von Kleink indern
abscheulich und werde mich dementsprechend auch verhalten’. So je-denf alls lautet Mack ies Ansicht.
Ich
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terliegt: Moralische Auff assungen zweiter Ordnung lassen moralischeAuff assungen erster Ordnung in k einer Weise unberührt. Zugunsten die-ser Behauptung möchte ich argumentieren, indem ich im f olgenden zei-ge, dass Mack ies These von der Nicht-Existenz ob jek tiver Werte unseremoralischen Ansichten erster Ordnung radik al verändern würde, wenn
sie sich durchsetzen würde - und zwar in einer Weise, die als verderblichbezeichnet werden müsste.
2 Dazu gehören unter anderem auch unsere Ansichten über den ontologischenStatus von Werten.3 Wie z.B.: ‘Es ist richtig, Menschen, die in Not sind, zu helfen’ oder ‘Es ist falsch,im 7. Monat abzutreiben’.
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1.Wie Mack ies These zu verstehen ist
Dabei sollte man zunächst k lären, was es heisst, die Existenz ob jek tiverWerte zu bestreiten. Mack ie zuf olge bestreitet, wer ob jek tive Werte ver-neint, zugleich die Existenz k ategorischer Forderungen. “Die von mir
vertretene These, es gebe k eine ob jek tiven Werte, stellt ... f ür den Be-reich der Ethik die genaue Bestreitung der Behauptung dar, irgendeinemk ategorischen imperativischen Element k omme Geltung zu” (Mack ie
1981, S. 13). Mack ie knüpf t hier an Kants bek annter Unterscheidung
zwischen k ategorischen und hypothetischen Imperativen an, wonach k a-tegorische Imperative Gebote darstellen, die unabhängig von den Wün-
schen und Neigungen des Handelnden und hypothetische ImperativeGebote, die bloss in Abhängigk eit von Wünschen und Neigungen Gel-
tung haben. “Ein k ategorischer Imperativ”, so Mack ie, “würde sich ... auf einen Handlungsgrund stützen, der in dem Sinne nicht bedingt wäre, alser nicht abhinge von einem gegenwärtigen, vom Handelnden gehegtenWunsch, zu dessen Bef riedigung die gef orderte Verhaltensweise beitragenwürde” (Mack ie 1981, S. 13). Nach Mack ie gibt es solche wunsch- undneigungsunabhängigen Handlungsgründe nicht; und dementsprechend
müsse man auch die Idee einer k ategorischen Geltung von Forderungen
auf gebe
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. “Ich
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eite al
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z ob jek tiver
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erte in
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,dass sie unbedingt, d.h. unabhängig von den Wünschen und Neigungen
des Handelnden, handlungsanleitend sein k önnten” (Mack ie 1981, S. 13).Die Existenz ob jek tiver Werte zu negieren, bedeutet demnach nichts an-
deres als die Existenz wunschunabhängiger Handlungsgründe zu bestrei-ten. Man k ann Mack ies Ausgangsthese, es gebe k eine ob jek tiven Werte
deshalb f olgendermassen ref ormulieren: ‘Es gibt k eine Handlungsgründe,die unabhängig von den Wünschen und Neigungen von Handelnden be-stehen’.
Wir sollten uns hier an Mack ies Verständnis dessen, was es heisst,ob jek tive Werte zu bestreiten, orientieren, denn Werte haben in der Tat
etwas mit Gründen zu tun: Wenn x wertvoll ist, dann haben wir allein
dadurch schon einen Grund, x hervorbringen oder bewahren zu wollenoder x gegenüber eine positive Einstellung einzunehmen. Und wenn et-was ob jek tiv wertvoll wäre, dann hätten wir Gründe, in den beschrie-benen Weisen tätig zu werden, unabhängig davon, ob dies eigenen Wün-
schen oder Neigungen f örderlich ist oder nicht (vgl. dazu Schaber, 1999).
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2.Wunschabhängige Forderungen
Nach Ansicht von Mack ie und vieler anderer Moralphilosophen sindGründe zum Handeln notwendig an Wünsche und Neigungen der Han-
delnden geknüpf t. Ich habe dann und nur dann einen Grund, eine Hand-
lung auszuf ühren, wenn dies der Realisation eines meiner Wünsche f ör-derlich ist4, und dies gilt nun nicht bloß f ür bestimmte, sondern viel-
mehr f ür alle Handlungen, also auch f ür die jenigen Handlungen, die wir
als moralische Handlungen bezeichnen. Demnach habe ich dann und nurdann einen Grund, einer moralischen Forderung nachzuk ommen, wenn
dies meinen Wünschen entspricht. Mit anderen Worten: Eine moralischeForderung ist f ür mich nur dann verbindlich, wenn ich wunschabhängi-ge Gründe habe, ihr auch nachzuk ommen. Nur wenn das Tun von Xder Realisation meiner Wünsche entspricht, ist es gerechtf ertigt, von mir
zu f ordern, X zu tun. Andernf alls ist die an mich gerichtete Forderung,X zu tun, nicht gerechtf ertigt und hat dementsprechend f ür mich auchk eine Verbindlichk eit. Das wiederum bedeutet nichts anderes, als dasssich der Katalog der moralischen Forderungen, genauer der gerechtf ertig-
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Handlenden gestaltet.Welchen Inhalt wird nun eine solche wunschabhängige Moral ha-
ben? Da Menschen erf ahrungsgemäß unterschiedliche Wünsche haben,hat es den Anschein, dass sich unterschiedliche Inhalte, verschiedene
Moralen ergeben werden, eben je nachdem, welche Wünsche, die durchsie verpf lichteten Personen haben. Eine wunschabhängige Moral wird
sich also aus verschiedenen, individuellen Forderungsk atalogen zusam-
mensetzen.Dies jedoch würde sich k aum mit der sehr verbreiteten Vorstellung
vertragen, dass moralische Forderungen universale Geltung haben undf ür alle Handelnden verbindlich sind. Es stellt sich daher die Frage, ob
4 Üblicherweise wird hier von Wünschen, die wir unter idealisierten Bedingungenhaben, geredet: sei es von ausreichend inf ormierten Wünschen, oder von rationalenWünschen, d.i. von Wünschen, die wir nach rationaler Überlegung haben; das ist inunserem Zusammenhang aber nicht von Belang.