schädigung des auges durch wasserstoffsuperoxyd (h2o2)

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Sch~idigung des Auges durch Wasserstoffsuperoxyd (H202). Yon Wetland ProL Dr. W. Koster Gzn. im l~aag-Holland. Als ich vor ungef~hr zwanzig Jahren reich bemfihte, die Wirkung einiger chemischen Substanzen auf das Auge zu untersuchen, mit Riick- sicht auf die Entziindung und Reizung der Conjunctiva beim Heufieber, wurde meine Aufmerksamkeit besonders dem Kalium chloricum (KC1Q) und dem Wasserstoffsuperoxyd (H202) zugelenkt, welche beide KSrper schon bei der Behandlung der MundhShle l~ngere Zeit einge- btirgert worden waren; es war besonders die Abgabe yon Sauerstoff bei dicsen Stoffen, welche mir eine giinstige Wirkung zu versprechen schien. Bei den Versuchen am gesunden Tier und an meineu eigenen Augen stellte es sich bald her~us, dab das Kal. chlor, fast in ges~ttigter kalter LSsung gebraucht werden konnte, ohne irgendwelchen Schaden zu verursachen., w~hrend das Auge fiir Wasserstoffsuperoxyd sich au•erordentlich empfindlich erwies. ~J'ber meine Resultate mit dem ersteren Mittel habe ich dann in der Zeitschr. f. Augenheilk. 15, 6 und in der Ned. Tijdschr. v. Geneesk. l, 16. 1906 einen kurzen Bericht erstattet; fiber die Ergebnisse der H202-Wirkung habe ich geschwiegen, indem ich sozusagen nur Negatives zu berichten hatte. Es gelang mir namlich nicht, eine Stgrke der LSsung zu finden, welche keine Reiz- erscheimmgen hervorrief und imstande war, das Jucken und Brennen, besonders bei dem Heufieberkatarrh, zu beseitigen. Schon bei sehr schwachen LSsungen yon 0,5% und weniger wurde die norm&le Schleim- haut bedeutend gereizt, und die Entziindungserscheinungen bei der Conjunctivitis steigerten sich. Beim Tierversuch verursachte l proz. LSsung, einige Male hintereinander eingetr~ufelt, starke allgemeine Hyperamie des ganzcn Auges und nach einigen Minuten schon leicht getrtibte Hornhaut. LSsungen yon 2 his 5% ergaben bedeutend his stark getrtibte tIornhaut und st~rk gereiztes Auge. In den n~chsten Tagen verschwanden die leichteren Triibungen, die st~trkeren hielten an und ergaben das Bild einer Keratitis parenchymatosa. Auffallend war aber bei den leichteren Trtibungen, daft die Angen in den nachfolgen- den Tagen welch warden und ebenso wie die schwerer geschadigten

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Page 1: Schädigung des Auges durch Wasserstoffsuperoxyd (H2O2)

Sch~idigung des Auges durch Wassers toffsuperoxyd (H202).

Yon

Wetland ProL Dr. W. Koster Gzn. im l~aag-Holland.

Als ich vor ungef~hr zwanzig Jahren reich bemfihte, die Wirkung einiger chemischen Substanzen auf das Auge zu untersuchen, mit Riick- sicht auf die Entziindung und Reizung der Conjunctiva beim Heufieber, wurde meine Aufmerksamkeit besonders dem Kalium chloricum (KC1Q) und dem Wasserstoffsuperoxyd (H202) zugelenkt, welche beide KSrper schon bei der Behandlung der MundhShle l~ngere Zeit einge- btirgert worden waren; es war besonders die Abgabe yon Sauerstoff bei dicsen Stoffen, welche mir eine giinstige Wirkung zu versprechen schien. Bei den Versuchen am gesunden Tier und an meineu eigenen Augen stellte es sich bald her~us, dab das Kal. chlor, fast in ges~ttigter kalter LSsung gebraucht werden konnte, ohne irgendwelchen Schaden zu verursachen., w~hrend das Auge fiir Wasserstoffsuperoxyd sich au•erordentlich empfindlich erwies. ~J'ber meine Resultate mit dem ersteren Mittel habe ich dann in der Zeitschr. f. Augenheilk. 15, 6 und in der Ned. Tijdschr. v. Geneesk. l, 16. 1906 einen kurzen Bericht erstattet; fiber die Ergebnisse der H202-Wirkung habe ich geschwiegen, indem ich sozusagen nur Negatives zu berichten hatte. Es gelang mir namlich nicht, eine Stgrke der LSsung zu finden, welche keine Reiz- erscheimmgen hervorrief und imstande war, das Jucken und Brennen, besonders bei dem Heufieberkatarrh, zu beseitigen. Schon bei sehr schwachen LSsungen yon 0,5% und weniger wurde die norm&le Schleim- haut bedeutend gereizt, und die Entziindungserscheinungen bei der Conjunctivitis steigerten sich. Beim Tierversuch verursachte l proz. LSsung, einige Male hintereinander eingetr~ufelt, starke allgemeine Hyperamie des ganzcn Auges und nach einigen Minuten schon leicht getrtibte Hornhaut. LSsungen yon 2 his 5% ergaben bedeutend his stark getrtibte tIornhaut und st~rk gereiztes Auge. In den n~chsten Tagen verschwanden die leichteren Triibungen, die st~trkeren hielten an und ergaben das Bild einer Keratitis parenchymatosa. Auffallend war aber bei den leichteren Trtibungen, daft die Angen in den nachfolgen- den Tagen welch warden und ebenso wie die schwerer geschadigten

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W. Koster Gzn.: Sehadigung des Auges durch Wasserstoffsuperoxyd (H202). 539

das Bfld einer Cyclitis zeigten, d. h. s ta rk herabgesetzte Spannung,

GlaskSrpertrf ibung, tiefe In j ek t ion der Sclera. Did sehr leichten Fi~lle

erhol ten sieh; die schwer gesch~digten Augen fielen der Atrophie anheim.

Ich ha t t e niemMs Gelegenheit gehabt, diese Er fahrungen zu verwerten, bis ieh voI~ges J a h r bei e inem meiner Pa t i en t en die Seh~tdi- gung eines gesunden Auges dureh ~rasserstoffsuperoxyd vorfand.

Es betraf einen 46j~hr. Herrn, der seit l;4,ngerer Zeit an einem ehronisehen Raueherkatarrh litt und sich regelm~Big dafi~ behandelte. Vet ungef~hr 3 Wochen hatte er aber am linken Auge eln sehr unbehagtiches Gefiihl versp'firt; das obere Lid war gesehwollen; es bestand keine Absonderung; nachher rStete das Auge sieh aueh, besonders an der ~emporalen Seite, and das Sehen wurde verschleiert.

Bei der Untersuehung Iand sich links S ~ 0,6; E bis M 0,5; die Iris gesehwollen, hypergmisch, nieht verf~rbt; die Pupille eine Spur unregetmgBig, und e~was enger a]s reehts; auf der Linse ein sehr feiner Niede~sehlag; keine tIornhauttrfibung oder hintere Ansehliige. Die Sclera war an der temporMen Seite tier injiziert, w/~hrend die RStung in diffuser Weiss sieh bis zu der tIornhaut ausbreitete; die Bindehaut dariiber zeigte einige ganz feine blasse KnStehen; das ganze Auge war in geringem Mate hyper~misch. Die Linse war Mar, der GlaskSrper etwas gleichm~gig triibe; der Augenhintergrund aueh hyper/~miseh; die Spannung des Auges war normal, und es war bei Druek nicht empfindlich. Am rechten Auge nur die Zeichen eines leichten ehronischen Katarrhs mit normaler Sehsehgzfe. Ich stellte fest eine leiehte Iridocyc]itis im Anfangsstadium, wobei das ]ange ProdromMstadium yon drei Wochen mir etwas augergewShnlich vorkam, und besonders die ]okale tiefe R6te an der Augenseite mir den Gedanken an einen lokalen ProzeB im CiliarkSrper oder der Chorioidea nahelegte. Besonders mit Riicksieht hierauf fragte ieh nach, ob keine Verletzung stattgefunden; yon einem Stog oder Stich oder Schlag war aber nichts bekannt; die Atiologie war dunkel; aueh nach l~ngerem Nachfragen kam niehts heraus. Ieh verordnete Atropin, heiBe Umschl~ge, Natrium salieylicum innerlich, und naehher Jodetum ka]ium. Dunk]e ]~rille und Sehonung der Augen. Die Pupille erweiterte sieh regelmfiBig, jedoch nieht mehr als bis 6 mm. Als naeh 10 Tagen der Zustand sich nietit besserte, gab ieh dem Auge eine halbe Stunde Radiumbestrahlung. Aneh auf dlese Therapie reagierte die Krankheit nicht merkbar; nach und naeh bi|dete sieh ein feiner Besehlag auf der hinteren Seite der I-Iornhaut; aueh war mit der Lupe jetzt eine feine Triibung der oberen tem- pora]en Teile derse]ben zu sehen, w~hrend die tiefe sclerale :Hyper~imie sieh nieht wesentlieh ~nderte. Jetzt nach 18 Tagen teilte der Patien~ mir mit, dab er sieh besonnen babe, dab er ca. 8--10 Tage vor dem Anfang seines AugenMdens aus Versehen eine Sptilung des ]inken Antes mit. einer 3 proz. LSsung yon Wasserstoff- superoxyd vorgenommen habe, dager aber sofort dnreh das heltige Brennen ge. warnt eine ausgiebige Spiilung mit Bors~;urel6sung hatte naehfotgen lassen, wodureh die anfi~ngliehe Reizung des Auges sieh nach kurzer Zeit zuriiekgebitdet habe, so dab er die ganze Saehe aus dem Gedgehtnis ver]oren. Die Krankenwgrterin, die ihm irrtiimlieh die Wasserstoffsuperoxydspiilung fertiggemacht hatte, habe ihn jetzt auf diesen Unfall aufmerksam gemacht. Es fief diese Mitteilung sofort meine alten Versuche fiber das Wasserstoffsuperoxyd in meine Erinnerung zuriick, und es war mir jetzt Mar, dal~ das ganze Bi]d der in ungewShnlicher Weise verlau- fenden Iridocyelitis und Kerateseleritis yon diesem ins Inhere des Auges diffun- dierten ehemisehen l~eize verursacht worden war. Ieh habe dann die weitere Be- handlung mit Atropin und Borsguresalbe fortgesetzt und allmiihlich im Verlaufe von weiteren 6 Woehen das Auge heilen sehen, wobei nur als Rest ein geringer

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5~t0 W. Koster Gzn.:

P~eiraktionsfehter iibriggeblieben ist: Sehsch~rfe liukes Auge mit - - 0,5cyl. - - 0,5 Aehs horiz. = 0,9.

Es ist in diesem Falle ffir den Patienten ein Glfick gewesen, dal~ er sofort zu dem Augenwasser gegriffen, um das Auge auszuspiilen; h~tte die dreiprozentige WasserstoffsuperoxydlSsung aueh nur einige Minuten ]~nger im Auge verweilt, so ware unbedingt eine parenchyma- tSse Keratit is die Folge gewesen, die sich naeh einigen Tagen mit sehwe- rer Iritis und Cyelitis verwiekelt haben wfirde. Und der Ausgang wtirde dann ein stark geseh~idigtes Auge, wahrseheinlieh wohl eine Phthisis bulbi gewesen sein.

Es erinnert n~imlieh die Verletzung des Auges in diesem Falle an jene Kalkver~tzungen, bei welchen sofort nach dem Unfall der kau- stische Stoff griindlieh aus dem Auge entfernt wird, wodureh die Ver- gtzung der Bindehaut und der Hornhaut der Hauptsache nach verhfitet wird, und wo man dennoch, nachdem die Sehsch~rfe anfi~nglich sehr befriedigend ist, nach einigen Wochen Glask6rpertrfibung auftret~n sehen kann und in einigen schweren F~llen sogar Netzhautabl6sung nach einigen Monaten vorfindet. In solehen Fallen handelt es sieh wohl um einen Kalkbrei mit vie] gelSstem Calciumhydroxyd, welches sofort in die tieferen Sehiehten der Bindehaut eindringt und in da s Innere des Auges d[ffundiert.

In der Literatur habe ich keinen einzigen klinischen Bericht fiber Wasserstoffsuperoxydverletzung des Auges finden kSnnen. Von einigen Autoren wird fiber Tierversuche beriehtet. So yon HussY), der besonders die direkte Wirkung yon L6sungen verschiedener St~irke auf die Hornhaut untersuehte und auch subeonjunctival injizierte. Vorfibergehende oder b]eibende Hornhauttrf ibung wurde verzeiehnet. Aueh L e n i n und G u i l l e r y (1. Ausgabe 1905) berichten fiber ghnliche Tierversuehe, mit Ergebnissen, die mit den meinigen in der direkten Wirkung fibereinstimmen; fiber einen spateren Einflu{~ auf die U r e a finde ich keine Angaben, aueh nicht bei W a g e n m a n n , wo er fiber die Ausgabe L e w i n (1911)referiert. Nach L. u. G. verursaeht die 1- -3proz . L6sung beim Mensehen ziemlieh heftigen Schmerz und tr i t t bei st~rkerer Konzentrat ion Hornhauttrf ibung auf. In der American Eneyclopsedia of ophthalmology (1916) wird kein Unfalt oder nachteiliger Einflug des Wasserstoffsuperoxyd auf das Auge erw~hnt.

In dem yon mir hier vorgeffihrten Falle lag also wohl haupts~chlieh eine Entztindung chemiseher Art, leiehteren Grades der temporalen Seite der Urea vor, mi t sekund~rer Exsudation in die Vorderkammer

1) Huss : Uber den Einflul~ des Wasserstoffsuperoxyds (Merck) auf das Auge und dessen Verwendb~rkeit in der Augentherapie. Klin. h[onatsbl, f. Augenheilk. XL (II. Bd.) ; S. 333: n¢~ch Wag e n m ann, tIandb. Graefe-Saemisch 2. Aufl. S. 1592.

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Schadigung des Auges dutch Wasserstoffsuperoxyd (H~02). 5'41

und in den GlaskSrper. Der geringe Grad der Scleritis und Keratitis ist entweder auch als sekund~.r aufzufassen oder mull vielleicht noch als direkte Reizerscheinung der chemischen Reizung aufgefaf~t werden.

Indem ich in der Literatur keinen Bericht fiber einen derartigen Fall vorfand und auf der anderen Seite die Frage nach einer mSglichen Spgtwirkung des Wasserstoffsuperoxyds bei Augenverletzungen gestellt werden kann, erschien die Beobachtung dieses I~rankheitsbildes mir wichtig genug, um dariiber bier eine kurze Mitteilung vorzulegen.