schall und rauch · es gibt dinge, die kommen und gehen und hinterlassen keine spuren – wie...

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Es gibt Dinge, die kommen und gehen und hinterlassen keine Spuren – wie Schall und Rauch. Die Mode ist so definiert – dem Duden nach ist die Mode etwas, „was einem zeitbe- dingten verbreiteten Interesse, Gefallen, Ver- halten entspricht“, und sie versteht sich selber so: als ein vorübergehendes Phänomen, auf handfesten kommerziellen Interessen beru- hend, nicht selten hübsch und phantasievoll, aber ohne Anspruch auf grundsätzliche Be- deutung oder dauerhafte Gültigkeit. Die Designer von Mänteln und Hüten, von Winter- und Sommerkollektionen geben das auch ehrlich zu. Andere Modemacher dage- gen sind weniger ehrlich. Die Modemacher der Wissenschaft zum Beispiel pflegen das Be- stehen kommerzieller Interessen und das Fehlen einer grundsätzlichen Bedeutung ihrer Entwürfe weit von sich zu weisen. Keine Mode der Wissenschaft kann lächerlich genug sein, um nicht im inbrünstigen Ton der Überzeu- gung als fundamentaler Fortschritt präsentiert zu werden. Von einer solchen Mode soll in diesem Heft die Rede sein: von der Ultra- schall-Untersuchung der Haut, die derzeit kaum mehr ist als (Ultra-)Schall und Rauch! Auch von Namen, Titeln und Ehrungen heißt es oft, sie seien nichts als Schall und Rauch. Und im Prinzip ist das richtig, denn Titel und Ehrungen haben geringe Bedeutung, niemand wird durch sie besser oder schlechter, wichti- ger oder weniger wichtig. Das wurde nicht immer so gesehen: in anderen Ländern und zu anderen Zeiten wurde (und wird) äußeren Ehren weit mehr Bedeutung beigemessen, als dies heute bei uns der Fall ist. Aber selbst wenn man Ehrungen nüchtern betrachtet, so bleiben sie doch ein Höhepunkt, der sich wohltuend vom Materialismus des Alltags absetzt, ein Zeichen besonderer Wertschät- zung, das Ehrenden und Geehrten auf persön- liche Weise miteinander verbindet. Schall und Rauch ? Nr. 3 I 1998 Zeitschrift des Zentrums für Dermatopathologie Freiburg Schriftleitung und redaktionelle Verantwortung: Wolfgang Weyers, Carlos Diaz, Imke Weyers, Susanna Borghi Druck: pronto Freiburg Inhalt: Zu diesem Heft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Was ist das ? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Bunt gemischt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Der besondere Fall: Die granuläre Parakeratose . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Memories . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Für Sie referiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Das ist es! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Dermatologie einmal anders: Die Haut-Sonographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Klinische Befunde – histopathologisch erläutert . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 5. Gießener dermatohistologisches Kolloquium: Glückwunsch an A.B. Ackerman zum Doctor medicinae honoris causa durch den Dekan der medizinischen Fakultät der Universität Gießen, Prof. K. Knorpp (Mitte) und den Leiter der Universitäts-Hautklinik, Prof. W.-B. Schill (rechts)

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Page 1: Schall und Rauch · Es gibt Dinge, die kommen und gehen und hinterlassen keine Spuren – wie Schall und Rauch. Die Mode ist so definiert – dem Duden nach ist die Mode etwas, „was

Es gibt Dinge, die kommen und gehen undhinterlassen keine Spuren – wie Schall undRauch. Die Mode ist so definiert – dem Dudennach ist die Mode etwas, „was einem zeitbe-dingten verbreiteten Interesse, Gefallen, Ver-halten entspricht“, und sie versteht sich selberso: als ein vorübergehendes Phänomen, aufhandfesten kommerziellen Interessen beru-hend, nicht selten hübsch und phantasievoll,aber ohne Anspruch auf grundsätzliche Be-deutung oder dauerhafte Gültigkeit.

Die Designer von Mänteln und Hüten, vonWinter- und Sommerkollektionen geben dasauch ehrlich zu. Andere Modemacher dage-gen sind weniger ehrlich. Die Modemacherder Wissenschaft zum Beispiel pflegen das Be-stehen kommerzieller Interessen und dasFehlen einer grundsätzlichen Bedeutung ihrerEntwürfe weit von sich zu weisen. Keine Mode

der Wissenschaft kann lächerlich genug sein,um nicht im inbrünstigen Ton der Überzeu-gung als fundamentaler Fortschritt präsentiertzu werden. Von einer solchen Mode soll indiesem Heft die Rede sein: von der Ultra-schall-Untersuchung der Haut, die derzeitkaum mehr ist als (Ultra-)Schall und Rauch!

Auch von Namen, Titeln und Ehrungen heißtes oft, sie seien nichts als Schall und Rauch.Und im Prinzip ist das richtig, denn Titel undEhrungen haben geringe Bedeutung, niemandwird durch sie besser oder schlechter, wichti-ger oder weniger wichtig. Das wurde nichtimmer so gesehen: in anderen Ländern und zuanderen Zeiten wurde (und wird) äußerenEhren weit mehr Bedeutung beigemessen, alsdies heute bei uns der Fall ist. Aber selbstwenn man Ehrungen nüchtern betrachtet, sobleiben sie doch ein Höhepunkt, der sichwohltuend vom Materialismus des Alltagsabsetzt, ein Zeichen besonderer Wertschät-zung, das Ehrenden und Geehrten auf persön-liche Weise miteinander verbindet.

Schall und Rauch ?

Nr. 3I 1998Zeitschrift des Zentrums fürDermatopathologie Freiburg

Schriftleitung und redaktionelle Verantwortung:Wolfgang Weyers, Carlos Diaz,Imke Weyers, Susanna Borghi Druck: pronto Freiburg

Inhalt:

Zu diesem Heft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1Was ist das ? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2Bunt gemischt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2Der besondere Fall:

Die granuläre Parakeratose . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7Memories . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9Für Sie referiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10Das ist es! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12Dermatologie einmal anders:

Die Haut-Sonographie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14Klinische Befunde –

histopathologisch erläutert . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

5. Gießener dermatohistologisches Kolloquium:Glückwunsch an A.B. Ackerman zum Doctor medicinaehonoris causa durch den Dekan der medizinischen Fakultätder Universität Gießen, Prof. K. Knorpp (Mitte) und denLeiter der Universitäts-Hautklinik, Prof. W.-B. Schill (rechts)

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Dies gilt auch für die Ver-leihung der Ehrendoktorwürdeder Medizinischen Fakultät der Justus-Liebig-UniversitätGießen an Albert BernardAckerman. Aus diesem beson-deren Anlaß fand vom 13. biszum 15. März das 5. Gießenerdermatohistologische Kollo-quium statt. Namhafte Refe-renten gaben sich die Ehre, zudiesem Zeichen der Wert-schätzung ihren persönlichenBeitrag zu leisten, und etwa120 Teilnehmer sorgten füreinen würdigen Rahmen. Mehrüber das Kolloquium findenSie auf vier Sonderseiten derFirma Hoechst Marion Rousselin der Rubrik „Bunt gemischt“!

Bunt gemischt

Im Rahmen der Jahrestagung der AmericanAcademy of Dermatology Ende Februar inOrlando fand ein gemeinsames Treffen derInternational Society of Dermatopathology mitden Fachgesellschaften von Amerika, Latein-amerika und Europa statt. Zum Programm zähl-te u.a. ein dreistündiger Kurs mit dem Titel„Challenge the Experts“, der den TeilnehmernGelegenheit gab, ihre schwierigsten Präparate

anerkannten Experten vorzulegen. Unter diesenvier Experten waren neben Luis Requena(Madrid) für apokrine Tumoren und LorenzoCerroni (Graz) für Lymphome auch zwei Mit-glieder des Zentrums für DermatopathologieFreiburg: A. Bernard Ackerman für maligne Me-lanome und Carlos Diaz für kutaneWeichteiltumoren. Auch Wolfgang Weyers waraktiv am Kongreß beteiligt: in einem halbstün-digen Vortrag ging er auf die Veränderungenein, denen die Dermatologie während der Zeitdes Nationalsozialismus unterworfen war. Beigleicher Gelegenheit wurde sein Buch zu die-sem Thema vorgestellt, das unter dem Titel„Death of Medicine in Nazi Germany:Dermatology and Dermatopathology underthe Swastika“ bei Ardor Scribendi und Lippin-cott-Raven erscheint und für 120,– DM erhält-lich ist. Das Buch, das eine Zeitgeschichte amBeispiel der Dermatologie entwirft und reichbebildert ist, war auf der Academy-Tagungrasch vergriffen, kann jedoch über die ISBN-Nummer 0-7817-1714-0 in jedem Buchgeschäftbestellt werden.

Mit Beginn des Jahres 1998 wurde WolfgangWeyers in den Herausgeberstab der Zeit-schrift „Cutis“ aufgenommen. Die Zeitschriftvermittelt „cutaneous medicine for the prac-titioner“ und ist die am weitesten verbreiteteFachzeitung auf dem Gebiet der Dermatologie.Neben Prof. Robert Baran aus Cannes istWolfgang Weyers einziges europäischesMitglied des Editorial Boards von „Cutis“. 2

Was ist das?

Wolfgang Weyers mit A. Bernard Ackerman und Carol Field von Lippincott RavenPublishers auf der Industrieausstellung der Jahrestagung der American Academy of Dermatology Ende Februar in Orlando.

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Am 14. März 1998 wurdeAlbert Bernard Ackermanvon der medizinischen Fa-kultät der Justus-Liebig-Universität Gießen dieWürde eines Doctor medi-cinae honoris causa zuge-sprochen. Diese seltene Aus-zeichnung, die nur etwa allefünf Jahre verliehen wird,ging erstmals in der Ge-schichte der Universität aneinen Dermatologen. Umdem Ereignis einen enstpre-chend würdigen Rahmen zugeben, fand vom 13. bis zum15. März 1998 das

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5. Gießener dermatohistologisches Kolloquium : Wolf-Bernhard Schill mit OttoBraun-Falco, A. Bernard Ackerman und Wolfgang Weyers (v.l.n.r.).

statt, organisiert vom Zentrum für Dermatolo-gie und Andrologie der Justus-Liebig-Universi-tät Gießen in Zusammenarbeit mit demZentrum für Dermatopathologie Freiburg undder Geschäftseinheit Allergologie/Dermatolo-gie/Rheumatologie/ZNS von Hoechst MarionRoussel. Kein anderer Rahmen erschien uns fürdie Verleihung der höchsten akademischenAuszeichnung an eine große Persönlichkeitbesser geeignet als eine sehr persönlich gehal-tene Veranstaltung auf höchstem akademi-schem Niveau. Dies war das Ziel, das wir unsgesteckt hatten, und es wurde bei weitem über-troffen! Würden die Vorträge des Kolloquiumsin einer beliebigen renommierten dermatologi-schen Zeitschrift zusammengefaßt, kaum einanderes Heft dieser Zeitschrift wäre interessan-ter und lesenswerter.

Es begann abends am Freitag, dem 13.: DerDekan der Gießener medizinischen Fakultät,Klaus Knorpp, wies auf die Seltenheit einerEhrendoktorwürde hin und gab seiner FreudeAusdruck, selbst einmal diese hohe Auszeich-nung verleihen zu dürfen. Michael Bachhuber,der Leiter der Abteilung Dermatika bei HoechstMarion Roussel, ging auf die Besonderheit derDermatologie ein, die in der leichten Zugäng-lichkeit und Beurteilbarkeit krankhafter Verän-derungen bestehe und dazu geführt habe, daßan der Haut weit mehr Krankheiten unterschie-den werden könnten als an anderen Organen.Entsprechend kompliziert sei die Materie undentsprechend wichtig eine genaue Diagnostik,die jeder Therapie vorausgehen müsse. Dasjahrelange Engagement von Hoechst MarionRoussel als Mitorganisator und Hauptsponsor

der Gießener dermatohistologischen Kolloquiasei in diesem Sinne zu verstehen: als Beitrag zudem Fundament, auf dem jede therapeutischeEntscheidung beruhe.

Wolf-Bernhard Schill, der Leiter der GießenerHautklinik und Tagungsleiter, ging in seiner Er-öffnungsrede auf den Titel des Kolloquiums,„Ackermania“, ein. Der Begriff „Manie“ sei un-terschiedlich definiert, zum einen als Zustandgeistiger Verwirrung und somit nicht eben pas-send für eine wissenschaftliche Veranstaltung,zum anderen als ein Zustand der Erregung unddes Enthusiasmus, und in diesem Sinne wolleer auch den Titel „Ackermania“ verstandenwissen. Damit leitete er zu den ersten beidenVorträgen über, die die Geschichte undZukunft der Dermatopathologie zum Themahatten. Wolfgang Weyers (Freiburg) definiertezunächst den Begriff „Dermatopathologie“ als„Lehre von der Erkennung und Klassifikationvon Hautkrankheiten“. Daher schloß er in sei-nen Vortrag die Geschichte der makroskopi-schen Dermatopathologie mit ein, von derersten Einteilung von Hautkrankheiten durchGalen bis hin zu den Klassifikationen vonJoseph Jakob Plenck und Robert Willan. Sehrausführlich schilderte er dann die Entwicklungder Mikroskopie, die Einführung der Zellular-pathologie, die Etablierung der Biopsie mit derFolge rasch zunehmender Kenntnisse auf demGebiet der Dermatohistopathologie undschließlich die Entwicklung der systematischenDermatohistopathologie, die in der Einführungder „Pattern-Analyse“ durch A.B. Ackermanihren vorläufigen Abschluß fand. A. BernardAckerman (Philadelphia) warf anschließend

5. Gießener dermatohistologische Kolloquium

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den Blick in die Zukunft, verdeutlichte anhandeiner statistischen Erhebung überPublikationen, Fellowships, Fortbildungsveran-staltungen und Teilnahme an Prüfungen das inden USA gefährlich nachlassende Engagementder Dermatologen auf dem Gebiet derDermatohistopathologie und wies auf ähnlicheTendenzen in Deutschland hin. Es sei absurd,daß im Anforderungskatalog für dieFacharztprüfung in Deutschland Kenntnisse aufGebieten wie der Haut-Sonographie verlangtwürden, während die Dermatohistopathologieals zentrale Säule des Faches mit keinem Worterwähnt sei. „Wenn die Dermatologie dieDermatohistopathologie verliert, verliert dieDermatologie sich selbst, und der größteVerlierer ist der Patient!“

Am nächsten Morgen ging Otto Braun-Falco(München) auf die Bedeutung von A.B. Acker-man für die Entwicklung der Dermatologie imNachkriegs-Deutschland ein. Philip LeBoit (SanFrancisco), der Herausgeber des AmericanJournal of Dermatopathologie, schilderte seinKonzept der lymphozytären Vasculitis, einesunspezifischen histopathologischen Befundes,der jedoch bei manchen Krankheiten (v.a. Per-niones, Lupus erythematosus profundus, Her-pesvirus-Infektionen, Morbus Degos) gehäuftbeobachtet werde und deshalb differentialdia-gnostisch wichtig sein könne. Helmut Wolff(Lübeck) schilderte das Leben FriedrichWegeners sowie einige Aspekte der nach ihmbenannten Krankheit, der Wegener’schenGranulomatose. Peter Soyer (Graz) wies aufdie Wichtigkeit einer guten klinisch-histopa-thologischen Korrelation bei melanozytärenTumoren hin, Manfred Goos (Essen) forderteeine enge Verknüpfungvon histopathologischerDiagnostik und Grund-lagenforschung, um dieZukunft der Dermato-pathologie zu sichern,und Jorge Sanchez(Puerto Rico), der Präsi-dent der InternationalSociety of Derma-topathology, ging aus-führlich auf diagnosti-sche Probleme beimLupus erythematosustumidus ein.

Am Samstag nachmit-tag setzten sich zweiRedner mit der Grund-lagenforschung ausein-ander. Zunächst berich-

tete Enno Christophers (Kiel) über nicht-immunologische Abwehrmechanismen derHaut, wie z.B. Proteine, die durch AggregationLöcher in Zellmembranen verursachen könn-ten. Eine unterschiedliche Aktivität solchernicht-immunologischer Abwehrmechanismentrage wahrscheinlich zu Phänomen wie dersehr seltenen Superinfektion bei Psoriasis vulga-ris und der sehr häufigen bei atopischer Derma-titis bei.

Eckhard Kownatzki (Freiburg), der Entdecker desInterleukin-8, setzte sich mit den Grenzen derWissenschaft auseinander. Diese lägen zum einen

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5. Gießener dermatohistologisches Kolloquium:Eröffnungsansprache durch Michael Bachhuber (HoechstMarion Roussel).

Wolfram Sterry (rechts) stützte mit Klonalitätsuntersuchungen die These von A.B. Ackerman(links), daß die Parapsoriasis en plaques ein frühes Stadium der Mycosis fungoides darstellt.

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in menschlichenSchwächen begrün-det. Der Kampf umDrittmittel könnezur Verfälschungvon Forschungser-gebnissen führen,das Prinzip des„peer reviews“ beiJournalen zur Ab-lehnung wichtigerArtikel und an-schließender Plagi-ierung durch dieGutachter, unddurch Kumpaneiund gegenseitiggünstige Beurtei-lungen würden gan-ze Forschungszwei-ge am Leben erhal-ten, für die es keine gesicher-ten Grundlagengäbe, wie dies z.B.bei der weltweitmit Milliardeninve-stitionen geförder-ten Tumorimmu-nologie der Fall sei.Schwerwiegenderseien aber nochgedankliche Gren-zen der Wissen-schaft, die darinbegründet lägen,daß die wissen-schaftliche Metho-de auf der künstli-chen Herstellungeiner vereinfachtenSituation beruhe,die sich nur unzu-reichend auf dassehr viel komplexere Zusammenspiel unter-schiedlichster Einflußgrößen in der Natur über-tragen lasse. Die Richtung der Forschungwürde zudem nicht durch die wirklich interes-sierenden Fragen bestimmt, sondern durch diezur Verfügung stehenden Methoden, und dermoderne Wissenschaftler erinnere an einenMann, der seinen Schlüssel verloren habe, ihnunter einer Laterne suche, und auf die Frageeines Passanten, ob er den Schlüssel dennwirklich unter der Laterne verloren habe, ant-worte: „Nein, aber hier ist Licht!“

Dem Vortrag von Eckhard Kownatzki schloßsich eine Darstellung der Geschichte der

Dermatohistologie an der Universität Gießendurch Matthias Bonczkowitz (Gießen) an.

Der Sonntag begann mit einem Vortrag vonWolfram Sterry (Berlin) zur Frühdiagnose derMycosis fungoides. Ackermans These, daß dieParapsoriasis en plaques eine frühe Manifesta-tion der Mycosis fungoides sei, wurde durchKlonalitätsuntersuchungen bestätigt. Nachneuesten Ergebnissen bestünde eine inverseKorrelation von klonalen Lymphozyten in Hautund peripherem Blut. Wenn sich zum Beispielunter PUVA-Therapie die Hautveränderungenzurückbildeten und klonale Lymphozyten inder Haut verschwänden, nähme ihre 5

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Konzentration im peripheren Blut zu, so daßnicht von einer Vollremission, sondern voneinem Kompartimentwechsel auszugehen sei.Der theoretisch naheliegende Schluß, beiMycosis fungoides und Parapsoriasis im er-scheinungsfreien Intervall eine systemischwirksame Therapie durchzuführen, sei aberderzeit noch nicht vertretbar. Zudem sei dieProliferation der neoplastischen T-Lymphozytenso gering, daß Zytostatica nur eine geringeWirkung hätten, wie dies primär aggressive Be-handlungsstrategien in der Vergangenheit ver-deutlicht hätten. Klaus Wolff (Wien) nahm zuder noch nicht entschiedenen Frage Stellung,ob das Kaposi-Sarkom als Neoplasie oder alsHyperplasie einzustufen sei. Nachdem dasKaposi-Sarkom jahrelang als Gefäßhyperplasiegegolten habe, sei in letzter Zeit vereinzeltüber multizentrisch vorhandene klonale Zell-populationen berichtet worden, die als echteMetastasen gelten müßten. In der Diskussioninterpretierte Bernard Ackerman diese Fälle alsechte Angiosarkome, die sich in Assoziationmit dem Morbus Kaposi entwickelt hätten.

Carlos Diaz (Freiburg) und Luis Requena(Madrid) gingen anschließend auf Diagnose-möglichkeiten bei kutanen Weichteiltumorenund Tumoren mit apokriner Differenzierungein. Giovanni Borroni (Pavia) tauchte in diegriechische Mythologie ein und verglichBernard Ackerman mit Prometheus, der für dieMenschen das Feuer stahl. Wolfgang Weyers(Freiburg) schilderte die historische Entwick-

lung des Konzeptes der Spezifität von Krank-heiten und kritisierte die noch heute vielfachbestehende Auffassung, unterschiedliche Krank-heiten könnten allmählich ineinander überge-hen (z.B. Lupus erythematosus in Lichen pla-nus, Morphea in progressive Sklerodermie,Purpura pigmentosa progressiva in Mycosisfungoides, „dysplastischer“ Naevus in malignesMelanom). Dieter Metze (Münster) stellte diemikroskopischen Befunde dar, die bei Juckreizder Haut erhoben werden können, und LorenzoCerroni (Graz) beschloß die Tagung mit einerphilosophischen Betrachtung zum Thema „DieIllusion der Sicherheit“.

Die Hauptvorträge wurden voneinander durchkurze Einschübe getrennt, die alle den gleichenTitel trugen: „Bernie and I“. Richard Miller (Tuc-son), Gerd Plewig (München), Imke Weyers(Freiburg), Peter Kind (Frankfurt), Noreen Walsh(Halifax), Willi Meigel (Hamburg), ChristaKühnl-Petzoldt (Freiburg), Heino Hügel (Frie-drichshafen), Petra Milde (Washington, D.C.),Volker Steinkraus (Hamburg), und MatthiasVolkenandt (München) berichteten über ihrepersönlichen und beruflichen Beziehungen zuProfessor Ackerman, die sich teilweise überJahrzehnte hinweg erstreckten. Jim Ackerman,der Bruder von Bernard Ackerman, schilderteunmittelbar vor dem festlichen Essen amSamstag abend im Kloster Arnsburg die frühe-sten Jahre des neuen Gießener Ehrendoktors.Besonders hervorzuheben ist außerdem WilliMeigel, der sich entschloß, Ciceros Ausfüh-

6A. Bernard Ackerman (Philadelphia) bei „philosophischen“Betrachtungen: Wie sollte man Dermatohistopathologiebetreiben?

Eine persönliche gehaltene Veranstaltung mit vielen persönli-chen Kontakten: Max Hundeiker (Hornheide, links) imGespräch mit Matthias Bonczkowitz (Gießen).

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rungen über die Freundschaft zu referieren – inEnglisch und Latein. „Ein Leben ohne Freund-schaft kann nicht angenehm sein,“ heißt es da,und „Ich glaube, nur unter Tugendhaften kann esFreundschaft geben.“

Von den zahlreichen Anekdoten, die erzählt wur-den, seien hier nur vier vorgestellt, die MatthiasVolkenandt zum besten gab: 1. Als er sich mitdem Gedanken trug, Dermatologe zu werden,war er in New York und wollte den ihm unbe-kannten Bernie Ackerman um Rat fragen. Er rech-nete damit,von einer Sekretärin einen Termin in 3bis 6 Wochen zu erhalten. Stattdessen sagteAckerman: „Let’s meet tomorrow at six o’clock!“2. Als er am nächsten Morgen in aller Früheerschien, fragte er, wieviel Zeit für das Gesprächzur Verfügung stehe. Ackerman antwortete: „Asmuch as we need.“ 3. Als er erzählte, daß er inNew York daran arbeite, Gene zu entschlüsseln,sagte Ackerman: „Poor guy – the only genes Iknow are Blue Jeans!“ 4. Als er mit Ackerman vonNew York nach Philadelphia fahren wollte, dreiMinuten vor Abfahrt des Zuges am Bahnhof warund erleichtert feststellte, man habe es geradenoch geschafft, antwortete Ackerman: „Threeminutes early – what a waste of time!“

Höhepunkt des Kolloquiums aber war fraglosdie Zeremonie der Verleihung der Ehrendok-torwürde. Am Samstag nachmittag begann siemit einem Streichquartett (aus Bachs „Kunst derFuge“), an das sich die Laudatio anschloß:Helmut Kerl, der Leiter der Grazer Hautklinikund Präsident der European Society of Derma-topathology, würdigte A. Bernard Ackerman alsMensch und Wissenschaftler. Der Dekan dermedizinischen Fakultät der Justus-Liebig-Uni-versität Gießen las den Text der Urkunde vor,und übergab das Dokument. Bernard Acker-man dankte und sprach bewegt davon, wieviel

es gerade für ihn als Juden bedeute, diese hoheAuszeichnung von einer deutschen Universitätentgegennehmen zu dürfen. Anschließendhielt er einen langen Vortrag mit dem Titel „APhilosophy of Practice of Surgical Pathology:Dermatopathology as a Model“ – eine Destilla-tion der wichtigsten Gedanken seiner mehr alsdreißigjährigen beruflichen Karriere.

Dies war das 5. Gießener dermatohistologischeKolloquium, ein Ereignis, wie man es in dieserForm wohl nur einmal erlebt, ein Wo-chenende, an dem die Zeit stehenzubleibenschien, ein Höhepunkt, an den alle Teilnehmerlange zurückdenken werden!

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Eine Veranstaltung mit einer einzigartig herzlichenAthmosphäre: A. Bernard Ackerman dankt Lorenzo Cerronifür seinen Vortrag über die „Illusion of Certainty“.

Der besondere FallGranuläre Parakeratosevorgestellt von T. Hauschild (Rheinfelden) und C. Diaz(Freiburg)

Ein 60jähriger Mann stellte sich mit bräunli-chen, leicht infiltrierten und diskret schuppen-den, relativ scharf begrenzten Plaques in bei-den Leisten vor. Er gab an, die Veränderungenbestünden in unterschiedlicher Ausprägung seit5 Jahren und gingen mit leichtem Juckreiz ein-her. In der Vergangenheit seien sie mehrfach

unter der Diagnose eines Erythrasmas lokalbehandelt worden. Die Eigen- und Familien-anamnese war bezüglich Hautkrankheitennegativ, der Patient wendete im Inguinalbereichweder Desodorantien noch andere Externa an.Die histopathologische Untersuchung ergabeine psoriasiforme Epithelhyperplasie mitPapillomatose und eine Vergröberung desKollagens im Stratum papillare. Über verbreite-tem Stratum granulosum fand sich eine breitekompakte Parakeratoseschicht. Auffällig warenzahlreiche kleine Granula in den parakeratoti-schen Hornzellen, die diesem Krankheitsbildden Namen gaben: Granuläre Parakeratose.

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Die granuläre Parakeratose wurde vor 7 Jahrenerstmals beschrieben. Northcutt et al. berich-teten damals über 4 Patienten mittleren bishöheren Alters, bei denen sich uni- oder bi-lateral in den Axillen juckende, erythema-töse und hyperpigmentierte Hautverände-rungen entwickelten. Die Autoren interpre-tierten die Veränderungen als eine merkwür-dige Kontaktreaktion auf Desodorantien.Gegen diese Annahme spricht jedoch, daßdie granuläre Parakeratose später auch in derInguinalregion beobachtet wurde, wie zumBeispiel beim hier geschilderten Patienten.

Klinisch beginnt die granuläre Parakeratosemit gering infiltrierten, juckenden, erythe-matösen Plaques, die im weiteren Verlauf zueiner Hyperpigmentierung führen. In Ab-hängigkeit vom Stadium der Erkrankung istdifferentialdiagnostisch unter anderem aneinen Morbus Bowen, eine irritative oderallergische Kontaktdermatitis und einenMorbus Hailey-Hailey zu denken. DieDiagnose wird histopathologisch gestellt:keine andere Dermatose geht mit der cha-rakteristischen Retention von Keratohyalin-granula in parakeratotischer Hornschichteinher. Diese Befundkonstellation stützt dieVermutung, daß es sich bei der granulärenParakeratose im Prinzip um eine Verhor-nungsstörung handelt. Der genaue Patho-mechanismus ist jedoch ebenso unbekanntwie die Ätiologie.

Entsprechend der langen Anamnese, befan-den sich die Veränderungen unseres Patien-ten in einem fortgeschrittenen Stadium, wasnicht nur an der Hyperpigmentierung, son-dern auch an histopathologischen Zeichenchronischer mechanischer Irritation (psoria-siforme Epithelhyperplasie, Hypergranulose,kompakte Hornschicht, vergröbertes Kolla-gen im Stratum papillare) zu erkennen war.Diese Veränderungen im Sinne eines Lichensimplex chronicus könnten der granulärenParakeratose sekundär durch chronischesReiben aufgepfropft sein, andererseits ist esmöglich, daß chronische mechanische Irri-tation im intertriginösen Bereich zur Verhor-nungsstörung beiträgt, die als granuläreParakeratose in Erscheinung tritt. Wie häufigbei klinischem Verdacht auf Intertrigo histo-pathologisch eine granuläre Parakeratosenachgewiesen werden kann, ist nicht zusagen, da eine Intertrigo fast nie biopsiertwird. Die granuläre Parakeratose ist jedochsicher viel häufiger, als dies Literaturanga-ben erwarten lassen, nach denen bisherweltweit erst sieben Patienten beschrieben

Flache, hyperpigmentierte Plaques in beiden Leisten.

Leicht papillomatöse Oberfläche der hyperpigmentiertenVeränderungen.

Epidermishyperplasie mit breiter Granularzellschicht undkompakter Hyperkeratose sowie vergröberte Kollagenfasern in vertikaler Anordnung in verlängerten Papillen.

Parakeratose mit multiplen, kleinen, basophilen Granulainnerhalb von Corneozyten.

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worden sind. Wir selbst haben in den letztenWochen noch eine zweite Patientin mit typi-scher granulärer Parakeratose in beiden Axillenbeobachtet.

Die Angaben zur Therapie der granulärenParakeratose sind sehr unterschiedlich. Inmanchen Fällen war eine lokale Steroidthe-rapie erfolgeich, in anderen nicht. Bei einemPatienten wurde unter Kryotherapie, bei einemanderen unter systemischer Behandlung mitIsotretinoin eine deutliche Besserung gesehen.

Andere Therapieversuche, wie zum Beispieldie systemische Gabe von Ciprofloxazin, Ery-thromyzin und Ketokonazol, blieben erfolglos.

Literatur:Northcutt AD, Nelson HT, Tschen JA. Axillary granular para-keratosis. J Am Acad Dermatol 1991; 24: 541-544.Mehregan et al. Axillary granular parakeratosis. J Am AcadDermatol 1995; 33: 373-375.Webster CG, Resnik KS, Webster GF. Axillary granular para-keratosis: Response to isotretinoin. J Am Acad Dermatol1997; 37: 789-790.

MemoriesAlphonse Devergie – 200 Jahre

Vor 200 Jahren wurde in Paris der Mann gebo-ren, dem wir unter anderem die Beschreibungder nummulären Dermatitis und der Pityriasisrubra pilaris verdanken: Alphonse Devergie.Als Sohn eines Kranken-hausangestellten hörteDevergie schon als Kinddie Vorlesungen vonDupuytren. Im Jahre1823 schloß er sein Me-dizinstudium mit einerDissertation über die kli-nische Untersuchungdes Abdomens ab. An-schließend widmete ersich vor allem zwei Ge-bieten: der Gerichtsme-dizin und der Derma-tologie. Seine genaueBegutachtung von Ver-giftungen und Schuß-wunden war ebenso ge-fragt wie sein Urteil überHautveränderungen.

Die dermatologische Aus-bildung erhielt er amHopital Saint Louis vonLaurent Biett, den er1841 als Kliniksleiterablöste. Ebenso wieBiett hatte Devergiemaßgeblichen Anteil daran, daß sich dieEffloreszenzenlehre Robert Willans inFrankreich durchsetzte. Seine Neigung zugenauer morphologischer Analyse wird ineinem Artikel über das Ekzem deutlich, das bis

dahin als vesikulöse Hautkrankheit beschrie-ben worden war. Devergie betonte, daß manBläschen nur vorübergehend sähe, und defi-nierte das Ekzem anhand von vier Kriterien:„1.) Rötung der erkrankten Oberfläche; 2.)konstanter, unterschiedlich starker Juckreiz;3.) Sekretion einer klaren, gelblichen, serösenFlüssigkeit, die Leinen grau färbt und versteift,wie dies durch Samenflüssigkeit geschieht; 4.)ein roter und gepunkteter Zustand der Haut,

verursacht durch ent-zündete Öffnungen vonunzähligen Kanälen, diedas seröse Sekret abge-ben.“

Mit diesen Kriterienstellte Devergie nichtnur unter Beweis, daßihm als echtem Fran-zosen amouröse Aben-teuer nicht fremd waren,sondern verhalf auchzur besseren Charakte-risierung einer heteroge-nen Gruppe von Krank-heiten, deren Abgren-zung nach wie vorumstritten ist. Dies giltvor allem für die num-muläre Dermatitis. De-vergie beschrieb sie1854 als eine „besonde-re Spezies“ des Ekzems,die durch juckende,münzförmige Plaquesan Stamm und Extremi-täten gekennzeichnet sei.

Die Besonderheit der Erkrankung liege jedoch„weniger in der nummulären Anordnung als inihrer Hartnäckigkeit und der Schwierigkeit, siezu behandeln,“ ein Urteil, dem man sich bisheute anschließen kann.

Alphonse Devergie (1798-1879)

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des 19. Jahrhunderts von der Morphologie ab-und ätiologischen Theorien zuwandten. AlfredHardy selbst entwickelte zusammen mit ErnestBazin die Diathesen-Lehre, nach der fast alleHautveränderungen durch wenige anlagebe-dingte Reaktionsmuster verursacht seien.Wenngleich die Diathesen-Lehre den Wegzum Verständnis genetisch bedingter Haut-krankheiten ebnete, erwies sich der Versuch,sämtliche Hautveränderungen auf anlagebe-dingte Reaktionsmuster zurückzuführen, alssehr viel realitätsferner und dogmatischer alsDevergies übertriebene Betonung morphologi-scher Details. Entsprechend geharnischtattackierte Devergie die Theorie von Hardyund Bazin, „die das Vorurteil in die Wissen-schaft eingeführt hat, die die Studenten vonden Studien abhält, die wichtig sind, um sieauf die Praxis vorzubereiten, die gute, gründ-liche Beobachtung durch Träumereien undEinbildungen ersetzt hat.“

Am Ende hatten beide recht: Devergie undHardy. Um Hautkrankheiten voneinander ab-zugrenzen, reicht die morphologische Analysenicht aus – auch andere Gesichtspunkte, wieder Verlauf oder Hinweise auf eine genetischeVerankerung, müssen berücksichtigt werden.Über die Ursache von Erkrankungen ist jedochzu wenig bekannt; noch heute sind die mei-sten ätiologischen Konzepte kaum mehr als„Träumereien und Einbildungen“. Das Funda-ment der Dermatologie bleibt daher weiterhindie „gute, gründliche Beobachtung“ im SinneDevergies.

Auch die Erstbeschreibung der Pityriasis rubrapilaris im Jahre 1857 zeigt Devergies Fähigkeitzu präziser morphologischer Beobachtung.Die Erkrankung sei charakterisiert durch klei-ne, pyramidenförmige, follikuläre Papeln, dievon einem Haar durchquert und von eineroberflächlichen Hornlamelle bedeckt würden.Die Papeln seien voneinander durch einenschmalen Streifen normaler Haut getrennt undvermittelten bei der Palpation das Gefühl einesReibeisens. Mit Ausnahme des behaartenKopfes könne das gesamte Integument befal-len sein, typisch jedoch sei der Befall derExtremitäten-Streckseiten und vor allem derDorsalseiten der proximalen Phalangen derFinger.

Allerdings hatte Devergie bei der morphologi-schen Analyse nicht immer eine so glücklicheHand. Seine Differenzierung von Efflores-zenzen aufgrund geringster Unterschiede inFärbung oder Form führte zur Aufstellung zahl-reicher Krankheitsvarianten ohne klinische Re-levanz. Devergies Kollege am Hopital Saint-Louis, Alfred Hardy, beschuldigte Devergie ineinem offenen Brief im Jahre 1861, er habe „sichdurch übertriebene Betonung der Erschei-nungsformen von Hautkrankheiten erlaubt,eine Serie von Spezies und pathologischenVarianten zu erfinden, zu beschreiben und zubenennen, die sich von den allgemein akzep-tierten Arten durch nichts als unerheblicheDetails unterscheiden.“ Die übertriebeneBetonung morphologischer Details trug dazubei, daß sich die Dermatologen in der 2. Hälfte

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Für Sie referiert

Melanome werden in der Regel mit um sogrößerem Abstand zur Seite exzidiert, je weitersie zur Tiefe eingedrungen sind. Diese Praxisist Folge einer Übernahme fehlerhafter Kon-zepte der Vergangenheit, die kürzlich in einem

Übersichtsartikel ausführlich dargestellt wur-den (Weyers: Dermatopathol Pract Concept1997; 3:238-246). Eine in Pittsburgh und Dallasdurchgeführte prospektive Studie zur mikro-skopisch kontrollierten Melanom-Exzisionstellt insofern einen Fortschritt dar, denn siemachte den horizontalen Exzisionsabstandvom horizontalen Durchmesser einesMelanoms und nicht von seiner vertikalen

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Dicke abhängig. Die Autoren kamen zu demErgebnis, daß Melanome mit großem Durch-messer in der Regel weniger scharf begrenztsind als kleine Melanome und dementspre-chend mit größerem Seitenabstand exzidiertwerden sollten. Das gleiche gelte für Melanomean Kopf, Händen und Füßen, die weniger scharfbegrenzt seien als Melanome an Stamm, Armenund Beinen. Falls eine sorgfältige mikroskopi-sche Kontrolle der Schnittränder gewährleistetsei, könnten 75% der Melanome ohne erhöh-tes Rezidivrisiko mit einem Seitenabstandvon weniger als 6 mm entfernt werden(Zitelli et al.: J Am Acad Dermatol 1997; 37: 422-429).

In einer Studie des Zentrums für Dermatopatho-logie Freiburg und der Gießener Hautklinikwurde die These untersucht, daß der Lichenamyloidosus nicht Ursache, sondern Folgevon Juckreiz und Kratzen sei. Bei4 von9 Patienten mit Lichen amyloi-dosus bestanden Hinweise auf eineAtopie, bei 4 weiteren Patientenandere mit Juckreiz verbundeneGrundkrankheiten. Chronisches Krat-zen kann zu einem Untergang vonKeratinozyten führen. Das Amyloid,das beim Lichen amyloidosus ausKeratinpeptiden untergegangenerKeratinozyten hervorgeht, war fastausnahmslos auf Areale begrenzt,die zusätzlich Zeichen chronischenKratzens aufwiesen. Durch Behand-lung der mit Juckreiz verbundenenGrundkrankheiten und lokale Steroid-therapie (v.a. unter Okklusion undintraläsional) wurde in 7 von 9 Fäl-len eine Besserung erzielt. Die Stu-die weist darauf hin, daß das Amy-loid beim Lichen amyloidosus einsekundäres Phänomen darstellt,dessen Entfernung (z.B. durch Versu-che mit DMSO-Creme oder Derm-abrasion) keine Vorteile verspricht;die Therapie sollte stattdessen aufdie Beseitigung des Juckreizesabzielen (Weyers et al.: J Am AcadDermatol 1997; 37: 923-928).

Aus Michigan wird über eine beson-dere Form der Defektdeckungnach größeren operativen Eingrif-fen an der Helix berichtet. DieAutoren verschlossen Defekte durcheinen gestielten Lappen aus derRetroaurikulärregion, der an Vorder-seite der Ohrmuschel und an derHelix angenäht wurde. Der Lappen

wurde zusätzlich parallel zur Helix mit demOhrknorpel vernäht, um den natürlichenSulcus der Helix wiederherzustellen. Nach dreiWochen wurde der Lappen abgetrennt und ander Rückseite der Ohrmuschel vernäht,während der sekundäre Defekt in der Retro-aurikulärregion mit dem Rest des gestieltenLappens sowie Mobilisation oder freien Pla-stiken verschlossen wurde. Die kosmetischenErgebnisse waren ausgezeichnet (Johnson,Fader: J Am Acad Dermatol 1997; 37: 975).

Die seltene Entwicklung von Fibrosarkom-ähnlichen Arealen innerhalb einesDermatofibrosarcoma protuberans (DFSP)wurde vom Zentrum für DermatopathologieFreiburg in Zusammenarbeit mit den Institutenfür Pathologie und Dermatologie Las Palmasuntersucht. Bei zwei von vier Patienten kam es

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zu mehreren Rezidiven mit zunehmend ausge-prägten Kernatypien, bei einem dieser Patien-ten zum Tod durch Lungenmetastasen. Ange-sichts der ansonsten guten Prognose des DFSPdeuten diese Verläufe darauf hin, daß Fibro-sarkom-ähnliche Areale innerhalb eines DFSPden Übergang in ein Sarkom höheren Mali-gnitätsgrades anzeigen (Diaz et al.: Am J Der-matopathol 1997; 19: 562-567).

Für die Pityriasis rosea wird seit langem einevirale Genese angenommen. In einer Studieaus Genua wurde nun die Rolle von humanemHerpesvirus 7 (HHV-7) bei Pityriasis roseauntersucht. Die Autoren fanden HHV-7 DNAmittels PCR in der Haut, im Plasma und inmononukleären Zellen des peripheren Blutesbei allen 12 untersuchten Patienten mit aktiverPityriasis rosea, während bei Kontroll-Patien-ten in der Hälfte der Fälle schwach positiveReaktionen in mononukleären Zellen festge-stellt wurden und Untersuchungen von Plasmaund Haut negativ blieben. In mononukleärenZellen des peripheren Blutes fand sich beiPatienten mit Pityriasis rosea zudem ein Her-pesvirus-typischer zytopathischer Effekt, undim Überstand einer Zellkultur konnten elektro-

nenmikroskopisch Herpes-Virionen nachge-wiesen werden. Vor allem wegen des Nach-weises von HHV-7 DNA in zellfreiem Plasma,der auf eine aktive Replikation des Virus hin-weist, sprachen sich die Autoren für eineVerursachung der Pityriasis rosea durchhumanes Herpesvirus 7 aus (Drago et al.:Dermatology 1997; 195: 374-378).

Bei Leukämien können sich neoplastischeZellen dem entzündlichen Infiltrat von Haut-krankheiten beimengen. Von Zentrum für Der-matopathologie Freiburg und der Universitäts-Hautklinik Hamburg wird über einen Patientenmit chron. myeloischer Leukämie in Vollremis-sion berichtet, bei dem ein Basaliom entferntwurde. Im peritumoralen Infiltrat fanden sichreichlich Blasten. Die daraufhin durchgeführ-ten Staging-Untersuchungen erbrachten keineweiteren Anhaltspunkte für ein Rezidiv derLeukämie, so daß eine zytostatische Therapieausblieb. Wenig später verstarb der Patient aneinem akuten Blastenschub. Bei myeloischenLeukämien sind Tumorzellen im Infiltratentzündlicher oder neoplastischer Haut-krankheiten prognostisch relevant und soll-ten entsprechend behandelt werden (Diaz,Bloedern-Schlicht: J Cutan Pathol 1998; 25:185-186).

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Das ist es !

Es handelt sich um Viruswarzen, die an derMundschleimhaut die gleichen Charakteristikaaufweisen wie an der Haut: sie sind auf einenumschriebenen Bereich begrenzt, treten dortoft multipel auf und können zu unregelmäßiggeformten Beeten konfluieren. Die einzelnenVerrucae sind scharf begrenzt und oberfläch-lich aufgefaltet; die für Warzen typischeHyperkeratose führt zu einer weißlichenVerfärbung, die an der Mundschleimhaut be-

sonders deutlich hervortritt. Insofern ist die Ab-grenzung von anderen Läsionen nicht schwie-rig. Mundschleimhautläsionen des Lichen pla-nus sind zum Beispiel weniger scharf und unre-gelmäßig begrenzt, nicht papillomatös undzumeist symmetrisch angeordnet; gegen dieDiagnose eines Plattenepithelkarzinoms spre-chen das Vorkommen multipler Läsionen, diepapillomatöse Oberflächenstruktur und natür-lich auch das Alters des Patienten.

Daß die Diagnose von Viruswarzen an derMundschleimhaut dennoch mehr Problemebereitet als an der Haut, hat mehrere Gründe.

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Zum einen werden klinisch eindeutige War-zen in Lehrbüchern der Oralpathologie unterirreführenden Bezeichnungen wie „fokale epi-theliale Hyperplasie“ oder „squamöses Papil-lom“ geführt; die pathologische Diagnose ent-spricht daher häufignicht dem Sprachge-brauch der klinischenMedizin. Zum anderenkönnen v.a. entzündlichveränderte, in Rückbil-dung befindliche War-zen Kernatypien aufwei-sen, die die Abgren-zung vom Plattenepi-thelkarzinom schwierigmachen. Dies gilt be-sonders für kleine Biop-sien, wie sie an derMundschleimhaut üb-lich sind. Darüberhin-aus sieht man anSchleimhäuten oft einlichenoides, bandför-miges Entzündungsinfil-trat, so daß ein Lichenplanus vorgetäuschtwird, und die charakte-ristischen Epithelverän-derungen der Viruswar-ze sind bei älteren Läsio-nen häufig nicht mehrsichtbar. Die histopa-thologische Diagnoseist daher nicht immer soleicht wie im vorliegen-den Fall, der an einerausreichend großenBiopsie alle wesentli-chen Charakteristikader Viruswarze – die

Akanthose und Papillomatose, ektatische Ge-fäße in verlängerten Papillen, fokal sog. Koilo-zyten, ein verbreitertes Stratum granulosum mitvergröberten Keratohyalingranula und supra-papilläre Parakeratosesäulen –erkennen läßt.

Die Keratohyalingranula des Stratum granulosum sind verrbö-bert. Ferner sieht man Keratinozyten mit pyknotischem Kernund perinukleärem Halo (sog. „Koilozyten“, siehe Pfeil))sowie Parakeratosesäulen.

Hyperplastisches Schleimhautepithel mit lichenoidem Lym-phozyteninfiltrat, an einen Lichen planus erinnernd. Diagno-stisch wegweisend sind die Papillomatose sowie die aufgefal-tete Oberfläche mit Hypergranulose und Parakeratosesäulen.

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Was unterscheidet die Haut von Leber, Niereund Dickdarm? Unter anderem die Lage: Le-ber, Niere und Dickdarm sind innen, die Hautist außen. Und das hat natürlich Bedeutung fürdie Medizin. Krankheiten der Haut lassen sichviel besser beobachten und differenzieren alsKrankheiten innerer Organe. Deshalb sind ander Haut auch viel mehr Krankheiten bekannt.Es gibt keinen Grund zur Annahme, daß Er-krankungen wie Lichen planus oder Pityriasislichenoides nicht auch Leber, Niere oderDickdarm betreffen können – aufgrund derversteckten Lage dieser Organe hat man nurnicht gelernt, sie dort zu unterscheiden.

Glücklicherweise ist der Mensch ein vernunft-begabtes Wesen. Wenn er etwas wirklich will,dann sinnt er auf Wege, es zu erreichen.Hängen ihm die Trauben zu hoch, dann steigter auf eine Leiter. Ist ihm eine Last zu schwer,dann baut er einen Flaschenzug. Und sind ihmOrgane zu versteckt, dann findet er Instru-mente, sie sichtbar zu machen.

Eines dieser Instrumente ist der Ultraschall.Durch Ausnutzung der Tatsache, daß mechani-sche Schwingungen mit einer Frequenz ober-halb des Hörbereichs an Grenzflächen ver-schieden reflektiert werden, gelang es, Dichte-unterschiede von Organen auf einem Bild-schirm sichtbar zu machen. Leber, Niere undDickdarm waren plötzlich in groben Struktu-ren erkennbar – ein großer Fortschritt für dieMedizin und höchst beeindruckend für Ärzteund Patienten.

Knöpfchen drücken, merkwürdige Strukturensehen und sich an deren Erklärung erfreuen – das hat höchsten Unterhaltungswert undwird darüberhinaus angemessen honoriert. Soprimitiv die Ergebnisse auch sein mögen imVergleich zur unmittelbaren Inspektion krank-hafter Veränderungen, wie sie nur an der Hautmöglich ist – wegen des Aufwandes, der umihretwillen betrieben wird, werden auchmagere Ergebnisse hoch bewertet.

An dieser Bewertung teilhaben zu wollen, istein nachvollziehbarer Gedanke. Vernünftigaber ist es nicht, auf eine Leiter zu steigen, umvertrocknete Trauben zu ernten, wenn dieschönsten, saftigsten Trauben in Reichweitedirekt über dem Boden hängen.

Trotzdem finden sich Leute, die genau diestun, schon um zu beweisen, daß sie des Leiter-Steigens mächtig sind. Als Pioniere ihrer Zunfthaben sie zu den Herstellern von Leitern besteKontakte, die schönsten, längsten Modellewerden ihnen angedient, und stolz schauensie aus, wenn sie deren letzte Sprossen er-klommen haben. „Seht her,“ rufen sie dann,„was wir alles können,“ und blicken von obenauf all jene herab, die sich unten an den safti-gen Trauben laben. Und wie nicht anders zuerwarten, versuchen sie, denen dort unten dievertrockneten Trauben schmackhaft zu ma-chen. Schließlich soll sich der ganze Aufwanddoch lohnen!

Die Haut-Sonographie ist eine solche ver-trocknete Traube. Sie ist ungewohnt, neu undzeigt die Realität auf andere Weise, hat aberansonsten nicht viel zu bieten. Um so markt-schreierischer wird sie angepriesen. In einerMitteilung „DDG aktuell“ (Hautarzt 48: 698,1997) heißt es zum Beispiel in großen Lettern:„Verlaufsbeobachtung bei Sklerodermie: So-nographie konkurrenzlos gut.“ Das mag wohlsein, aber gibt es in der Dermatologie tatsäch-lich keine drängenderen Probleme als dieVerlaufsbeobachtung bei Sklerodermie?

Weiter ist von der „Bedeutung der Sonogra-phie in der präoperativen Bestimmung vonTumordicke und -ausdehnung“ die Rede, undes wird betont, der Vergleich sonographischund histologisch gemessener Tumordickenergäbe „eine sehr gute Korrelation mit einemKorrelationskoeffizienten von ca. 0,93.“ Dasklingt höchst beeindruckend! Allerdings bleibtder Umstand, daß man mit etwas Übung dieDicke eines Melanoms viel billiger mit dembloßen Auge abschätzen kann, und auch diesauf Millimeterbruchteile genau, gänzlich uner-wähnt, ebenso wie die Tatsache, daß die prä-operative Bestimmung dieser Millimeterbruch-teile keine praktische Bedeutung hat.

Und in schwierigen Fällen – wie zum Beispielbei der Unterscheidung zwischen Tumorantei-len und einem darunter gelegenen dichtenEntzündungsinfiltrat – versagt die Sonographieohnehin. Das gleiche gilt für die präoperativeBestimmung der Tumorausdehnung. Ist ein

Dermatologie – einmal anders Die Haut-Sonographie

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Tumor scharf begrenzt, leistet die Sonographiegute Dienste, wird aber nicht benötigt. Ist erunscharf begrenzt, kann sie hilfreich sein, istaber nicht zuverlässig. Kleinste Ausläufer einessklerosierenden Basalioms, die häufig nur ausschmalen Zellsträngen bestehen, sollen mitHilfe einer Methode erkennbar sein, derenAuflösungsvermögen im Bereich von 80 bis200 µm liegt? Wie soll das gehen?

Für die Beurteilung von Leber, Niere, Dickdarmoder Lymphknoten ist die Sonographie einewertvolle Methode – besser, man erntet ver-trocknete Trauben, als gar keine. An der Hautmag die Sonographie einmal wertvoll werden,zur Zeit aber ist die Darstellung so ungenau,daß – von wenigen Ausnahmen abgesehen –ein Vorteil nicht erkennbar ist. Mit Hilfe der kli-nischen und histopathologischen Untersuchungkönnen an der Haut ganz leicht Trauben geern-tet werden, die viel größer und schöner sind.

Natürlich kann man es keinem verbieten, trotzdieses Überflusses auf eine Leiter zu steigen,um vertrocknete Trauben zu pflücken. Unzu-mutbar aber ist es, wenn er dies von anderenverlangt. Und genau das ist der Fall! WelcheGründe dazu geführt haben, daß nach demneuen Weiterbildungskatalog Dermatologie/Venerologie „mindestens 200 Ultraschallauf-nahmen zur Prüfung vorzuweisen“ sind, seidahingestellt – die Konsequenzen sind klarund haben, wie jede Mode, einen kommerziel-len Hintergrund.

Randbereich eines sklerosierenden Basalioms. Winzige, nuraus wenigen Zellen bestehende Tumorformationen (Pfeile)finden sich inmitten eines fibrozytenreichen Stromas. Nichtselten ist es schon histopathologisch schwer, diese Tumor-ausläufer von Fibrozyten abzugrenzen. Sonographisch istdies völlig unmöglich.

Randbereich eines superfiziellen Basalioms mit Tumorzellenim Adnexepithel und an der Basis einer Reteleiste (Pfeile).Selbst bei wesentlich höherer Auflösung als der, die zur Zeittechnisch möglich ist, könnten diese Tumoranteile sonogra-phisch nicht von unbefallenem Adnexepithel und normalenReteleisten abgegegrenzt werden.

In der erwähnten Mitteilung „DDG aktuell“heißt es ganz offen: „Für Kliniken, die dievolle Weiterbildungserlaubnis anstreben (KVund Facharzt) sind zwei Ultraschallscanner(20- und 7,5-15 Mhz) erforderlich.“ Die Geräteund Hersteller werden sogleich genannt, nurdie Kosten werden verschämt verschwiegen:Sie liegen bei über 60.000 Mark (zuzüglichMehrwertsteuer). Um ihre Weiterbildungsbe-rechtigung nicht zu verlieren, werden alsosämtliche Hautkliniken Deutschlands ge-zwungen, für das Pflücken vertrockneter Trau-ben viele tausend Mark auszugeben, die siefür weit bessere Zwecke verwenden könnten!

Aber damit ist es nicht getan: Wer in derSonographie ausbilden will, muß zunächstselbst eine Ausbildung vorweisen, und die istnicht billig. Gefordert wird die Teilnahme aneinem dreistufigen, 40stündigen Kurs, für denjeder Teilnehmer mit 750 bis 950 Mark zurKasse gebeten wird. Das sichert die Auf-wandsentschädigung für die Referenten!

Es erweist sich eben doch manchmal alsschlau, was zunächst nicht vernünftig scheint,nämlich saftige Trauben liegen zu lassen undsich nach vertrockneten zu recken. Wenn mansich dadurch an die Spitze einer Modewellesetzt, werden einem auch vertrocknete Trau-ben versüßt. Die Modemacher der Hautsono-graphie stellen die Herren Dior und Lagerfeldglatt in den Schatten!

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Die lupoide Rosazea erhielt ihren Namen auf-grund der Ähnlichkeit zum Lupus vulgaris:ebenso wie der Lupus vulgaris geht sie mitPapeln und Knötchen einher, die unter Glas-spateldruck eine gelbliche Eigenfärbung zei-gen, ebenso wie beim Lupus vulgaris ist diesesPhänomen durch dicht gelagerte Granulomein der oberen Dermis bedingt. Bei diesen Gra-nulomen handelt es sich um Ansammlungenvon Histiozyten, denen die vollständige Elimi-nation antigener Substanzen nicht gelingt unddie sich dadurch morphologisch verändern:ihr Zytoplasma wird größer, so daß sie Epi-thelzellen ähnlich werden, und durch Kon-fluenz von Epitheloidzellen entstehen mehr-kernige Riesenzellen. Während beim Lupusvulgaris dieser Prozeß jedoch durch Myko-bakterien ausgelöst wird, liegt der lupoidenRosazea eine Perforation von Follikelinfundi-bula zugrunde. Der früher empfohlene Einsatzvon Tuberkulostatika wie INH entbehrt daherbei der lupoiden Rosazea einer pathophysiolo-gischen Grundlage.

Daß die lupoide Rosazea durch Ruptur vonHaarfollikeln verursacht wird, ist schon ausder Existenz einer pustulösen Verlaufsform derRosazea abzuleiten. Im Rahmen der suppura-tiven Follikulitis, die die pustulöse Rosazeakennzeichnet, kommt es durch von neutrophi-len Granulozyten freigesetzte Enzyme zu einerAlteration des Follikelepithels. Nach Rupturder geschwächten Epithelwand gelangt derInhalt der Follikel in die Dermis und induziertGranulome, die denen des Lupus vulgarishistopathologisch sehr ähnlich sein können,von einem dichten Lymphozytensaum bis hinzu zentralen Nekrosen. Das wichtigste histo-pathologische Kriterium zur Abgrenzung vomLupus vulgaris ist die Beziehung der Gra-nulome zu Haarfollikeln, und dieses Kriteriumkann man sich auch für die klinische Differen-tialdiagnose nutzbar machen: die Rosazea iststets ein follikulärer Prozeß, so daß am Randevon Plaques einzeln stehende, follikelgebun-dene Papeln und manchmal winzige Pustelnsichtbar sind, die eine Abgrenzung vom Lupusvulgaris und anderen differentialdiagnostischwichtigen Erkrankungen, wie der Sarkoidoseund dem Lupus erythematosus, erlauben.

Klinisch sieht man follikulär gebundene Papeln mit teilweisegelbbraunem Farbton, an einer Stelle auch eine Pustel (Pfeil).Histopathologisch findet sich ein von neutrophilenGranulozyten durchsetztes Follikelinfundibulum, umgebenvon einem epitheloidzelligen Granulom.

Klinische Befunde – histopathologisch erläutert