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Entomologie heute 22 (2010): 107-150 Schmetterlinge oder Köcherfliegen? Bemerkungen zum Kapitel „De papilionibus“ aus der Historia succinorum“ (1742) des NATHANAEL SENDEL Butterflies or Caddisflies? Comments on the Chapter “De papilionibus” from the “Historia succinorum” (1742) Written by NATHANAEL SENDEL HARTMUT GREVEN & WILFRIED WICHARD Zusammenfassung: NATHANAEL SENDEL (1686 - 1757) gilt als bedeutender Pionier der Bernstein- forschung. Er war offenbar der erste, der in Bernstein eingeschlossene Pflanzen und Tiere beschrieb und diese durch einen Kupferstecher auf 13 Tafeln abbilden ließ. Davon zeugt seine 1742 erschie- nene „Historia succinorum corpora aliena involventium et naturae opere pictorum et caelatorum ex Augustorum I et II cimeliis Dresdae conditis aeri insculptorum“. Dieses Werk ist die erste wissenschaftliche Arbeit aus der königlichen Naturalienkammer zu Dresden, heute „Senckenberg Naturhistorische Sammlun- gen Dresden“. Wir haben daraus das Kapitel „De papilionibus“ gewählt, um beispielhaft die Vorge- hensweise und den Stil SENDELs darzustellen. SENDEL bedient sich des später in der Paläontologie praktizierten „Aktualitätsprinzips“, indem er von der Lebensweise der rezenten verwandten Orga- nismen auf die ihrer fossilen Vertreter schließt. SENDEL schreibt in Latein; seine Diktion ist kompli- ziert und pompös; die verwendeten Metaphern sind nur Gebildeten verständlich. Die Kommentare zur Biologie der „Schmetterlinge“, die er der Beschreibung der Fossilien voranstellt, sind subjektiv und reichen nicht an das Niveau seiner relativ sparsam zitierten Quellen heran. In den vom Kupfer- stecher CHRISTIAN FRIEDRICH BOETIUS (1706 - 1782) angefertigten Abbildungen sind nicht immer alle Einzelheiten zu erkennen, die im Text beschrieben werden. Dass die Bilder insgesamt heutigen Ansprüchen nicht genügen, liegt in erster Linie an der damaligen, noch unzureichenden Präparati- onstechnik und der optischen Auflösung. Von den 16 in Bernstein eingeschlossenen „Schmetterlin- gen“ auf Tafel II sind mindestens zwölf nach ihrem Habitus Köcherfliegen, die SENDEL den Nacht- schmetterlingen zuordnet; das Taxon Trichoptera war damals noch nicht bekannt. Dafür, dass die meisten Stücke Köcherfliegen enthalten, spricht auch, dass diese in Baltischem Bernstein deutlich zahlreicher vertreten sind als Schmetterlinge, die hier weniger als 0,5 % aller tierischen Inklusen ausmachen. Einer der sogenannten Schmetterlinge ist wahrscheinlich eine Schabe und ein weiterer ist nicht zu identifizieren. Nur zwei Einschlüsse sind vielleicht Schmetterlingen (Motten) zuzuordnen. Schlüsselwörter: Historia succinorum“, Bernstein-Inklusen, Lepidoptera, Trichoptera Summary: NATHANAEL SENDEL (1686 - 1757) is considered as an outstanding pioneer of amber research. Obviously, he was the first, who not only described, but also has made 13 tables of animals and plants included in amber by an engraver. In 1742 his famous “Historia succinorum corpora aliena involventium et naturae opere pictorum et caelatorum ex Augustorum I et II cimeliis Dresdae conditis aeri insculptorum” was published, which appears to be the first scientific publication from the royal natural history collection in Dresden, today “ Senckenberg Naturhistorische Sammlungen Dresden”. We selected the chapter VII “De papilionibus” of this volume to exemplarily show SENDEL’s procedural methods and style. SENDEL uses a kind of „principle of actuality“, when he deduces the habit of fossils from that of their extant putative relatives. SENDEL used Latin in a complex and sesquipedalian diction; his metaphors are understandable only to well-educated people. Notes on the biology of

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Bemerkungen zum Kapitel „De papilionibus“ aus der „Historia succinorum“ 107

Entomologie heute 22 (2010)

Entomologie heute 22 (2010): 107-150

Schmetterlinge oder Köcherfliegen?Bemerkungen zum Kapitel „De papilionibus“ aus der

„Historia succinorum“ (1742) des NATHANAEL SENDEL

Butterflies or Caddisflies?Comments on the Chapter “De papilionibus” from the “Historia

succinorum” (1742) Written by NATHANAEL SENDEL

HARTMUT GREVEN & WILFRIED WICHARD

Zusammenfassung: NATHANAEL SENDEL (1686 - 1757) gilt als bedeutender Pionier der Bernstein-forschung. Er war offenbar der erste, der in Bernstein eingeschlossene Pflanzen und Tiere beschriebund diese durch einen Kupferstecher auf 13 Tafeln abbilden ließ. Davon zeugt seine 1742 erschie-nene „Historia succinorum corpora aliena involventium et naturae opere pictorum et caelatorum ex AugustorumI et II cimeliis Dresdae conditis aeri insculptorum“. Dieses Werk ist die erste wissenschaftliche Arbeit ausder königlichen Naturalienkammer zu Dresden, heute „Senckenberg Naturhistorische Sammlun-gen Dresden“. Wir haben daraus das Kapitel „De papilionibus“ gewählt, um beispielhaft die Vorge-hensweise und den Stil SENDELs darzustellen. SENDEL bedient sich des später in der Paläontologiepraktizierten „Aktualitätsprinzips“, indem er von der Lebensweise der rezenten verwandten Orga-nismen auf die ihrer fossilen Vertreter schließt. SENDEL schreibt in Latein; seine Diktion ist kompli-ziert und pompös; die verwendeten Metaphern sind nur Gebildeten verständlich. Die Kommentarezur Biologie der „Schmetterlinge“, die er der Beschreibung der Fossilien voranstellt, sind subjektivund reichen nicht an das Niveau seiner relativ sparsam zitierten Quellen heran. In den vom Kupfer-stecher CHRISTIAN FRIEDRICH BOETIUS (1706 - 1782) angefertigten Abbildungen sind nicht immer alleEinzelheiten zu erkennen, die im Text beschrieben werden. Dass die Bilder insgesamt heutigenAnsprüchen nicht genügen, liegt in erster Linie an der damaligen, noch unzureichenden Präparati-onstechnik und der optischen Auflösung. Von den 16 in Bernstein eingeschlossenen „Schmetterlin-gen“ auf Tafel II sind mindestens zwölf nach ihrem Habitus Köcherfliegen, die SENDEL den Nacht-schmetterlingen zuordnet; das Taxon Trichoptera war damals noch nicht bekannt. Dafür, dass diemeisten Stücke Köcherfliegen enthalten, spricht auch, dass diese in Baltischem Bernstein deutlichzahlreicher vertreten sind als Schmetterlinge, die hier weniger als 0,5 % aller tierischen Inklusenausmachen. Einer der sogenannten Schmetterlinge ist wahrscheinlich eine Schabe und ein weiterer istnicht zu identifizieren. Nur zwei Einschlüsse sind vielleicht Schmetterlingen (Motten) zuzuordnen.

Schlüsselwörter: „Historia succinorum“, Bernstein-Inklusen, Lepidoptera, Trichoptera

Summary: NATHANAEL SENDEL (1686 - 1757) is considered as an outstanding pioneer of amberresearch. Obviously, he was the first, who not only described, but also has made 13 tables ofanimals and plants included in amber by an engraver. In 1742 his famous “Historia succinorum corporaaliena involventium et naturae opere pictorum et caelatorum ex Augustorum I et II cimeliis Dresdae conditis aeriinsculptorum” was published, which appears to be the first scientific publication from the royalnatural history collection in Dresden, today “ Senckenberg Naturhistorische Sammlungen Dresden”.We selected the chapter VII “De papilionibus” of this volume to exemplarily show SENDEL’s proceduralmethods and style. SENDEL uses a kind of „principle of actuality“, when he deduces the habit offossils from that of their extant putative relatives. SENDEL used Latin in a complex and sesquipedaliandiction; his metaphors are understandable only to well-educated people. Notes on the biology of

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“butterflies”, which precede the description of the fossils included in amber, are subjective andsuperficial and do not attain the level of the sparsely cited scientific literature. Pictures engraved byCHRISTIAN FRIEDRICH BOETIUS (1706 - 1782) do not allow identifying all details described in the text.They do not reach up to modern documentation, due to the imperfect preparation techniques andoptical resolution at this time. From the 16 “butterflies” shown on plate II and assigned to night-flying lepidopterans by SENDEL, at least 12 are very probably caddisflies as judged from theirexternal appearance. The taxon “Trichoptera” was still unknown at this time. Also the fact thatBaltic amber typically contains more caddisflies than butterflies, which latter only represent lessthan 0.5% of all animal inclusions here, argues for the numerical superiority of caddisflies inSENDEL’s material. One specimen probably represents a cockroach, a further specimen is unidentifiable,and only two amber pieces probably contain a butterfly (moth).

Keywords: „Historia succinorum“, amber inclusions, Lepidoptera, Trichoptera

1. Einleitung

Die Frage nach der Herkunft des Bernsteinsist schon in der Antike diskutiert worden.Auch der griechische Philosoph ARISTOTELES

(384 v. Chr. - 322 v. Chr.), der „von den Elek-trideninseln im Adriatischen Meer schreibt,auf denen Pappeln vorkommen, die das elec-trum (= Bernstein, Verf.) ausschwitzen“ (KÖ-NIG & HOPP 1994, S. 145), hat sich offensicht-lich damit auseinandergesetzt. Die in diesemZusammenhang wohl aber am häufigstenzitierten antiken Autoren sind der römischeEnzyklopädist GAIUS PLINIUS SECUNDUS MA-IOR (PLINIUS der Ältere, etwa 23 - 79) sowieder römische Geschichtsschreiber PUBLIUS

CORNELIUS TACITUS (um 55 - 116). Beide ha-ben u.a. durchaus korrekte Vorstellungen vonder Entstehung und Natur des Bernsteinswiedergegeben. Wir zitieren hier die wichtig-sten Sentenzen im Wortlaut, weil man inBüchern über Bernstein zwar oft die Namender beiden Autoren liest, doch nur selten, wassie tatsächlich zu diesem Sachverhalt gesagthaben.PLINIUS wird seiner Rolle als Enzyklopädistgerecht und fasst im 37. Buch seiner „Natu-ralis Historia“ in den Abschnitten 31-51 denBernstein, der electron heiße, weil die Sonneden Namen Elector trage, die unterschiedli-chen, so auch mythischen Vorstellungen überseine Herkunft zusammen. Er führt eine Viel-zahl von Autoren an, die unter anderem derMeinung sind, dass in den Tränen (der

Schwestern des Phaeton, die aus Trauer überden vom Blitz getroffenen Bruder zu Pap-peln verwandelt wurden) Bernstein fließe(„...lacrimis electrum ... fundere...“; 37, 31), dannaber, dass Bernstein in Ligurien ausgegrabenwürde (“...effodi in Liguria...“; 37, 33), dassrotgelber Bernstein aus dem Harn einesmännlichen und blasser bzw. weißer Bern-stein aus dem Harn weiblicher Luchse entste-he („...fieri ex urina lyncum bestiarum, e maribusfulvum et ignneum, e feminis languidius atque can-didum…“; 37, 34), dass Bernstein in Britanni-en aus Felsen fließe („...in Britannia petris ef-fluere...“; 37, 35), eine Ausscheidung des Eis-meeres („...esse concreti maris purgamentum...“;37, 35) oder ein Saft der Sonnenstrahlen sei(„...solis radiorum sucum intellegi...“; 37, 36) oderaus Schlamm enstehe („...ex limo gigni...“; 37,38) etc. Schließlich sagt er ab 37, 42-44: „Nasci-tur autem defluente medulla pinei generis arbori-bus, ut cummis in cerasis, resina in pinis erumpitumoris abundantia, densatur vigore vel tempore autmari, cum ipsum intumescens aestus rapuit ex insu-lis, certe in litora expellitur...“ (Er [der Bern-stein] entsteht aber aus dem herabfließendenMark von Bäumen aus der Gattung der Fich-ten, <so> wie der Gummi bei den Kirsch-bäumen, das Harz bei den Fichten durchÜberfluss an [Nahrungs]saft hervorbricht. Erverdichtet sich durch Kälte oder durch die Zeitund durch das Meer, wenn die anschwellen-de Flut ihn von den Inseln wegführt <und>er an die Küsten gespült wird), und dann„arboris sucum esse etiam prisci nostri credidere, ob

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id sucinum appellantes, pinei autem generis arborisesse indicio est pineus in adtritu odor et quod accen-sum taedae modo ac nidore flagrat“ (Auch unsereVorfahren haben geglaubt, dass es der Safteines Baumes sei, und nannten ihn deshalbSuccinum. Der Beweis für <seine> Herkunftvon einer Fichte ist der fichtenartige Geruch,wenn man in reibt, und die Tatsache, dass er,wenn man ihn anzündet, wie Kienholzbrennt und duftet), und schließlich (37, 46):„...liquidum id primo destillare argumento suntquaedam intus tralucentia, ut formicae culicesqueet lacertae, quae adhaesisse musteo non est dubiumet inclusa durescente eodem remansisse.“ (Dafür,dass er zuerst in flüssigem Zustand herab-träufelt, spricht mancherlei, das aus dem In-neren hindurchscheint, wie Ameisen, Mückenund Eidechsen, die zweifellos am frischen<Saft> hingen und beim Erhärten dessel-ben darin eingeschlossen blieben). Der latei-nische Text stammt aus der zweisprachigenAusgabe der „Naturalis historia“ von KÖNIG

& HOPP 1994, die deutsche Übersetzung nurzum Teil.Im 45. Kapitel der „Germania“ des TACITUS

heißt es ähnlich, aber kürzer (Satz 6-8): „su-cum tamen arborum esse intellegas, quia terrenaquaedam atque etiam volucria animalia plerumqueinterlucent, quae implicata humore mox durescentemateria clauduntur. Fecundiora igitur nemora luco-sque, sicut Orientis secreti, ubi tura balsamaquesudantur, ita Occidentis insulis terrisque inesse credi-derim, quae vicini solis radiis expressa atque liquen-tia in proximum mare labuntur ac vi tempestatumin adversa litora exundant ... si naturam suciniadmoto igne temptes, in modum taedae accendituralitque flammam pinguem et olentem; mox ut inpicem resinamve lentescit“ (ANDERSON & FUR-NEAUX 1962). (Man kann dennoch erkennen,dass der Bernstein von den Bäumen stammt,weil meistens mancherlei auf der Erde krie-chende und auch fliegende Tiere hindurch-schimmern, die, nachdem sie in die Flüssig-keit hineingeraten sind, alsdann in die erstar-rende Masse eingeschlossen werden. Ich ver-mute daher, dass wie im fernen Morgenland,wo Weihrauch und Balsam <von den Bäu-

men> ausgeschwitzt werden, so auch auf denInseln und in den Ländern des Abendlandesreichere Wälder und Haine wachsen. Die durchdie Strahlen der nahen Sonne hervorgebrach-ten Flüssigkeiten fließen in das nächstgelege-ne Meer und gelangen durch die Gewalt derStürme an die gegenüberliegenden Strände...Nähert man den Bernstein dem Feuer, umseine Natur zu ergründen, brennt er wie Kien-holz und entwickelt eine schwelende, starkriechende Flamme; <und> wird bald klebrigwie Pech oder Harz).Die „terrena ... atque etiam volucria animalia“ wer-den bisweilen als „kriechende und sogar flie-gende Insekten“ übersetzt (z.B. HARENDZA

1960, S. 41). In Anbetracht dessen, was auchdamals schon an tierischen Einschlüssen be-kannt war – PLINIUS spricht auch von Eidech-sen –, ist dies sicher etwas eng gefasst.Eine Zusammenfassung der Geschichte desBernsteins und der Bernsteinforschung ist hiernicht beabsichtigt (s. dazu GANZELEWSKI &SLOTTA 1996; HINRICHS 2007), es sei lediglichangemerkt, dass die Herkunft des Bernsteinsauch später noch Anlass zu ganz unterschied-lichen Spekulationen gegeben hat, die nichtdie u.a. von PLINIUS und TACITUS vertreteneMeinung favorisierten. Im Jahre 1733 stehtin ZEDLERs Universal-Lexicon, „dass neuer-dings alle mit einander schreiben, der Agsteinsey ein Erd-Hartz oder Safft, den das Meerwegführet, und die Wellen an den Strand desKönigreichs Preussen gejaget, allwo er sichfigire und harte werde, so wie ihn man zuse-hen bekomme“ (ZEDLER 1733; Spalte 1395).Allerdings werden vorsichtshalber in den fol-genden Spalten dreierlei Arten von Bernsteinunterschieden, und zwar Bernstein, der vonBaumsäften kommt, von Erdharz oder Erd-saft sowie von der Fettigkeit der Tiere (ZED-LER 1733; Spalten 1399 - 1401). Die erste kri-tische „Naturgeschichte“ des Bernsteins undseiner Erforschung ist 1767 in deutscher Spra-che erschienen (BOCK 1767).Was die Entstehung des Bernsteins betrifft,vertrat SENDEL, von dem im Folgenden dieRede sein wird, mittelalterliche Ansichten. Er

110 HARTMUT GREVEN & WILFRIED WICHARD

meinte, Bernstein entstehe durch aufsteigen-de Dämpfe aus dem Erdinneren in Sedimen-ten in der Nähe des Meeres. Insekten würdennur dann in diese eingeschlossen, wenn sieauf den Boden fielen und in meeresnaheSpalten und Hohlräume der lehmigen („venalutosa“) und holzigen („lignea vena“) Bern-steinadern kröchen (SENDEL 1725, 1726, 1728).Einige Jahre später wird der KönigsbergerTheologe und Historiker FRIEDRICH SAMUEL

BOCK (1716 - 1785), in Übereinstimmung miteinigen der antiken Vorstellungen und denÜberlegungen des russischen Universalge-lehrten MICHAIL WASSILJEWITSCH LOMONOSSOW

(1711 - 1765), für die pflanzliche Herkunftvon Bernstein eintreten und im Titel seinesBeitrags von „einer neuen wahrscheinlichenErklärung seines Ursprungs“ sprechen (BOCK

1767).Bernsteine und Bernstein-Inklusen sind seitlangem beliebte Sammelobjekte. Sammlerim 16.-18. Jahrhunderts waren meistensÄrzte und Apotheker, die manchmal auchvon Berufs wegen – Bernstein wurde auchals Arznei verwendet – mit Bernstein zu tunhatten, und Wohlhabende, darunter auchAdlige, die sich dafür interessierten. Be-rühmt war die Bernsteinsammlung aus demDresdener Naturalienkabinett des sächsi-schen Kurfürsten und Königs von PolenAUGUST DES STARKEN (1670 - 1733) und des-sen Sohn FRIEDRICH AUGUST II. (1696 -1763) (vgl. FISCHER 1939; HINRICHS 2007; WI-CHARD & GREVEN 2009).Über diese umfangreiche, heute aber nichtmehr existierende Sammlung erschien im Jah-re 1742 die erste wissenschaftliche Arbeit ausdem Naturalienkabinett (FISCHER 1939; KÜH-NE et al. 2006) in lateinischer Sprache unterdem Titel „Historia succinorum corpora alienainvolventium et naturae opere pictorum et caelatorumex Augustorum I et II cimeliis Dresdae conditisaeri insculptorum conscripta a Nathanaele Sende-lio..“ (Geschichte der Bernsteine, die fremdeKörper enthalten, teils durch das Wirken derNatur gestaltet als auch geschnitzt aus den zuDresden erbauten Schatzkammern der Au-

gusti I. und II, in Kupfer gestochen, verfasstvon Nathanael Sendel...), im Folgenden kurz„Historia succinorum“ genannt, die mit 13 Ta-feln des Kupferstechers Friedrich BOETIUS

(1706 - 1782) reich bebildert war. Aus demBernsteinkabinett, das in dem königlichenMuseum aufbewahrt wurde und nach demInventar um 1740 etwa 1500 Bernsteine (ohnedie kunstgewerblichen Gegenstände) umfas-ste, wählte SENDEL nur die wichtigeren undselteneren Stücke aus (“...ex infinito glebarumnumero, quae in Museo Regio asservantur, potioreset rariores tatummodo esse electas...; SENDEL 1742,S. VIII, Vorwort).In einer früheren Mitteilung haben wir be-reits Aufbau und Gliederung der „Historiasuccinorum“ vorgestellt, etwas zur Geschichtedieser Veröffentlichung sowie einige Datenaus dem Leben des Autors zusammengetra-gen (vgl. auch FISCHER 1939; HINRICHS 2007;WICHARD & WICHARD 2008) und versucht,einige Kapitel daraus zu übersetzen und de-ren Inhalt kurz zu kommentieren (WICHARD

& GREVEN 2009).SENDEL gliedert sein Werk in drei Teile, vondenen der erste umfangreichste die Tiere be-handelt, die in Bernstein eingeschlossen sind(„Historia insectorum succino conditorum“). Sei-nen Beschreibungen von Inklusen stellt erjeweils einige Bemerkungen zur Biologie derrezenten Vertreter der behandelten Tiergrup-pe voran. Der Verfasser interpretiert also Bern-stein-Inklusen aus der unmittelbaren Beob-achtung und Kenntnis der lebenden Ver-gleichsobjekte. Dieses Aktualitätsprinzip istseit LYELL (1830) in der Paläontologie ein be-währtes Verfahren (HOOYKAAS 1963; GLOUD

1987; HENNINGSEN 2009; WICHARD et al. 2009).Im Folgenden widmen wir uns dem KapitelVII der „Historia succinorum“, in dem es of-fenbar um „Schmetterlinge“ („De papilioni-bus“) geht. Im Gegensatz zu der früheren Mit-teilung nähern wir uns dem Text, der Dar-stellung und dem Verfasser etwas kritischer.Der Anhang enthält zudem den Versuch ei-ner sprachlich geglätteten Übersetzung sowieden lateinischen Wortlaut dieses Kapitels.

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2. Wer war NATHANAEL SENDEL?

NATHANAEL SENDEL wird in modernen En-zyklopädien der Geschichte der Biologie nichtgenannt (vgl. JAHN 2000). So stellt sich zwangs-läufig die Frage, ob er nicht bedeutend genugwar oder ganz einfach vergessen worden ist.Ein Porträt von ihm scheint nicht zu existie-ren. Einige Daten aus SENDELs Leben seienkurz aufgeführt (für Einzelheiten siehe PAW-LAK 1995; HINRICHS 2007; WICHARD & WI-CHARD 2008).SENDEL wurde 1686 in Elbing an der Ostsee(heute Polen) geboren, genoss dort einegründliche Schulausbildung, beendete seinMedizinstudium in Halle, praktizierte in El-bing als Arzt und Stadtphysikus und beganndort, sich für Bernstein zu interessieren undBernsteineinschlüsse zu sammeln. Er korre-spondierte mit Zeitgenossen, die ebenfallsBernstein sammelten, vor allem mit dem Arztund Naturforscher Johann Philipp BRYNE

(1680 - 1764). Die rege Korrespondenz derbeiden, überwiegend zum Thema Bernstein,ist in 41 Briefen erhalten geblieben (ROOB &HOFF 1988; WICHARD & WICHARD 2008).Anfang des 18. Jahrhunderts veröffentlichteSENDEL drei Arbeiten über die Entstehungdes Bernsteins und dessen Eigenschaften(SENDEL 1725, 1726, 1728).Diese Schriften machten ihn in naturwissen-schaftlichen Kreisen über Danzig und Elbinghinaus bekannt und zu einem anerkanntenBernsteinforscher. SENDELs Beschäftigung mitBernstein wurde bereits 1723 in der Zeit-schrift „Das gelahrte Preuszen“ gewürdigt(ANONYMUS 1722/23) und in London wer-den die „Electrologiae per varia tentamina histori-ca ac physica continuandae, Teil I-III“ (SENDEL

1725, 1726, 1728) in umfangreichen Auszü-gen in Englisch übersetzt und in der „ActaGermanica: or, the Literary Memoirs of Ger-many“ (1742) veröffentlicht. Es ist daher nurfolgerichtig, wenn VON HEUCHER (s.u.) bereitsin einem Brief von 1826 darauf hinweist, dass„Herr Sendel in Elbingen, zu Beschreibungder historiae contentorum Succineorum, be-

reits choisirt worden“ ist (zitiert nach FISCHER

1939: 218).AUGUST DER STARKE hatte den WittenbergerProfessor für Anatomie und Botanik JOHANN

HEINRICH VON HEUCHER (1677-1746) beru-fen, die Sammlungen in Dresden zu ordnenund einer wissenschaftlichen Bearbeitungzuzuführen. 1730 erstellte HEUCHER einennoch heute vorhandenen Bernstein-Katalog,„Novum inventarium collectionis succinorum“ überdie Bernsteinsammlung des Naturalienkabi-netts im Dresdner Zwinger.Offenbar hat SENDEL sich aber auch selbst umdiese Aufgabe bemüht, denn er schreibt imVorwort der „Historia succinorum“ (SENDEL

1742, S. IV ) „Quae felicitas ut nobis contingeret,partim tacitis votis cupivimus partim verbis expres-simus“ (Dass uns dieses Glück [nämlich dieBernsteine zu untersuchen, Verf.] zuteil wür-de, haben wir teils insgeheim gewünscht, teilsdeutlich gesagt). Das Resultat war die 328Seiten umfassende „Historia succinorum“ (Abb.1), die 1742 in Großfolio mit 13 Kupferta-feln erschien (s. Abb. 2) und noch im selbenJahr besprochen wurde (ANONYMUS 1742).Diese Besprechung enthält im Wesentlichenein überschwängliches Lob der Sammlung inDresden und ist ansonsten erstaunlich nüch-tern. Sie enthält zum Teil sehr detaillierteZusammenfassungen der einzelnen Kapitel,vor allem der Abschnitte, die von der „Er-zeugung des Agsteins“ handeln, und immerwieder Hinweise darauf, was alles abgebildetworden ist. Über den Autor wird lediglichgesagt: „Der gelehrte Herr Sendel, welcher vordiesem schon die Historie des Agtsteinesuntersuchet, hat auch dieses Wercks unter-nommen, und alles beobachtet, was zu meh-rerer Vollkommenheit desselben gereichenkonnte“ (S. 781). Am Ende der Rezensionwird in besonderem Masse die Ausstattungdes Buches gewürdigt („Wir müssen nochzuletzt bekennen, dass dieses Buch welchesuns die Seltenheiten einer königlichen Samm-lung zeiget, auch mit vollkommener Prachterscheinet, und es hat unsere Pressen nochkein Buch verlassen, welches an Sauberkeit

112 HARTMUT GREVEN & WILFRIED WICHARD

Abb. 1: Eine der beiden existierenden Titelseiten der „Historia succinorum“.Fig. 1: One of the two existing front pages of the ”Historia succinorum“.

Bemerkungen zum Kapitel „De papilionibus“ aus der „Historia succinorum“ 113

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Abb. 2: Tafel II der „Historia succinorum“. Die Bilder 19-34 zeigen die „Schmetterlinge“, dieim Kapitel „De papilionibus“ besprochen werden.Fig. 2: Plate II from “Historia succinorum”. The pictures 19-34 show the “butterflies” describedin the chapter “De papilionibus”.

114 HARTMUT GREVEN & WILFRIED WICHARD

des Drucks, Schönheit des Papiers und an-dern zu der Vollkommenheit eines Werckesgehörigen Eigenschaften, diesem an die Seitegesetzt werden könnte“; S. 794-795).Die Tafeln gehen auf denZeichner, Kupfer-ätzer und Kupferstecher CHRISTIAN FRIEDRICH

BOETIUS (1706 - 1782) zurück, der damalsHofkupferstecher zu Dresden war. Üblich warwohl damals, dass der Autor die entsprechen-den Abbildungen gezeichnet und der Kup-ferstecher diese dann gestochen hat. HINRICHS

(2007) hält es allerdings für denkbar (ohnedies näher zu begründen), dass BOETIUS je-des Stück selbst in die zum Zeichnen güns-tigste Lage gebracht hat und dann mit Hilfeeines Vergrößerungsglases nur das dargestellthat, was er auch gesehen hat. SENDEL sagt dazu,dass er die Bernsteine mit Inklusen in natür-licher Größe in Kupfer habe stechen lassen(„Insuper glebas, inclusum exhibentes, eadem ma-gnitudine, qua conspiciuntur aeri incidendas curavi-mus“; Vorwort S. VIII).Aber im Kapitel „De papilionibus“ gibt es Pas-sagen, die einen Sachverhalt relativ genau be-schreiben – SENDEL hat ein Vergrößerungs-glas benutzt (s. § XX) –; diese Details sindaber nicht auf den Bildern zu sehen. So stehtz.B. in § 14 über den „Schmetterling“ aufBild 19, er besitze auf seinen Schultern undam Kopf eine große Menge an Federchen undauf den Flügeln Schuppen, und in § XX, indem er die beiden „Schmetterlinge“ auf denBildern 31 und 32 behandelt, dass er mit „be-waffnetem Auge“ den eingerollten Rüsselhabe sehen können.

3. Die Sprache der „Historia succinorum“

SENDEL schreibt (noch) in lateinischer Spra-che und unterscheidet sich damit bereits voneinigen Zeitgenossen (s.u.). Das wird in ei-ner 1755 erschienenen ausführlichen Bespre-chung der Schrift „Kurzer Entwurf der kö-niglichen Naturalienkammer in Dresden“ desAufsehers dieser Sammlung, des Herrn CHRI-STIAN HEINRICH EILENBURG (1709 - 1771), inder auch die beiden früheren in lateinischer

Sprache erschienen Schriften der Naturalien-kammer erwähnt werden (eine davon ist SEN-DELs „Historia succinorum“), beklagt („Mit demlateinischen Werken dieser Art kann nur einersehr geringen Zahl von Gelehrten gedienetwerden“; ANONYMUS 1755: 755). Nun mussdieser Vorwurf nicht allzu schwer wiegen,wenn man bedenkt, dass diese Rezension inder Zeitschrift „Das Neueste aus der anmu-thigen Gelehrsamkeit“ abgedruckt ist. Die-ses Journal wurde von dem Schriftsteller, Dra-maturg und Literaturtheoretiker JOHANN

CHRISTOPH GOTTSCHED (1700 - 1766) heraus-gegeben, der als Senior der deutschen Gesell-schaft in Leipzig für seine Bemühungen umdie Reform der deutschen Sprache und Lite-ratur bekannt war. GOTTSCHED war auchHauptautor seiner Zeitschriften, so auch der„Anmuthigen Gelehrsamkeit“, so dass nichteinmal auszuschließen ist, dass er die Rezen-sion selbst geschrieben hat. Schwerer wiegtsicher, dass der einzige zeitgenössische Au-tor, den SENDEL zitiert, der entomologischsehr versierte Sprachforscher, Theologe undAltphilologe JOHANN LEONHARD FRISCH (1666- 1743), dem es ein Leichtes gewesen wäre inLatein zu schreiben, wie viele seiner Schriftenbezeugen, sein umfangreichstes naturwissen-schaftliches Werk in deutscher Sprache schrieb(s. Abb. 3 unten rechts). Im ersten Band sei-ner von 1721 - 1738 in 13 Teilen erschienenen„Beschreibung von allerley Insekten inTeutschland“ heißt es: „...dann die Lateini-sche, welche bisher in solcher Materie von denmeisten gebraucht worden, ist vielen unbe-quem, sonderlich denen, die in Teutschlandohne Latein dergleichen Untersuchungen lie-ben: Geschweige, daß die halb oder ganzGriechisch Namen der Gewürme in solchenSchriften, auch denen, die sonst Latein ver-stehen einen Eckel machen“ (FRISCH 1730 a ,aus dem Vorbericht, ohne Seitenangabe).SENDEL schreibt natürlich kein klassisches La-tein, das z.B. in den Schriften des römischenRedners MARCUS TULLIUS CICEROs (107 v. Chr- 43 v. Chr.) durch kunstvollen Periodenbauund Rhythmus besticht. Er ist auch viel we-

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niger sachlich und präzise wie beispielsweisesein Zeitgenosse J. L. FRISCH in seinen kürze-ren, in lateinischer Sprache verfassten natur-wissenschaftlichen Abhandlungen. SENDELsSätze sind zum Teil von beachtlicher Längeund enthalten zahlreiche Partizipialkonstruk-tionen, die die Übersetzung erschweren (s.z.B. Fußnote zu § XVIII; § XIX, zweiter Satz;§ XXI, sechster Satz). Dazu kommt noch derhäufige Gebrauch von unvollständigen Sät-zen (Ellipsen) (z. B. am Anfang von § XXII).Seine Diktion ist für unseren Geschmack, aberauch im Vergleich mit anderen Autoren,umständlich, langatmig und pompös. SEN-DEL bemüht sich oft krampfhaft um Synony-me und benutzt Metaphern, die nur dem Ge-bildeten geläufig sein konnten. Er lässt seineLeser nicht im Zweifel darüber, dass er sichzu diesen zählt; aus seinen Formulierungenwird zudem immer wieder deutlich, dass erseine antiken Schriftsteller kennt (s. z.B. § 11).Darauf werden wir aber im Folgenden nichtnäher eingehen. Aus all diesen Gründen istder Text der „Historia succinorum“ nicht soohne Weiteres in ein halbwegs verständlichesDeutsch zu übersetzen (vgl. auch WICHARD

& GREVEN 2009).Wir wollen den Schreibstil SENDELs an eini-gen Beispielen aus dem Kapitel „De papilioni-bus“ belegen. Weitere Beispiele wird der Leserleicht finden, wenn er den lateinischen Textmit der Übersetzung vergleicht.SENDEL verweist in diesem Kapitel achtmalauf Abbildungen von Schmetterlingen (s.§XIV, §XV, §XVI, § VII, §XVIII, §XIX,§XX, §XXIII). Siebenmal wählt er ein ande-res Verb, um den Leser darauf hinzuweisen(s. Anhang). Im Text finden sich zwei Meta-phern, die nur dem Gebildeten verständlichsein konnten. So schreibt er in § 11 (S. 83):“Atque ita optime quidem fido praeeunte Achate,laudatissimo Frischio, distinctos papiliones vides.“Er bezeichnet seinen Zeitgenossen J. L. FRISCH

(s.u.) als „fidus Achates“, d.h. als treuen Achat.Achates wird in der Aeneis des römischenDichters VERGIL (= PUBLIUS VIRGILIUS MARO;70 v. Chr. - 19 v. Chr) als bester Freund und

Gefährte des Aeneas etwa 17-mal genanntund dabei sechsmal mit dem Attribut „ fi-dus“ (= treu“) versehen (HIRZEL 1964). Achatwird hier zum Sinnbild des treuen und zu-verlässigen Begleiters. Wir haben „fidus Acha-tes“ mit „zuverlässiger Gewährsmann“ über-setzt.Im selben Paragraphen heißt es dann eben-falls auf S. 83: „Haerebit hic, nisi nos omnia fal-lunt, vel ipsi Oedipo aqua...“.; „aqua haeret“ isteine Redensart mit der Bedeutung „da ha-pert es“ oder „die Sache gerät ins Stocken“(eigentlich „hier stockt das Wasser“). SENDEL

fügt noch den Oedipus hinzu, welcher derSage nach das Rätsel, das die Sphinx jedemvorbeiziehenden Thebaner aufgab, löste unddamit Theben von diesem Ungeheuer befrei-te (von RANKE-GRAVES 1964). Seine Fähig-keit, alle Rätsel lösen zu können, war bereitsin der Antike sprichwörtlich. Bei dem Ko-mödiendichter TERENZ (PUBLIUS TERENTIUS

AFER; um 195/190 v. Chr. - 158/59 v. Chr.)heißt es in dem Stück „Das Mädchen vonAndros (Andra)“: „Non: Davus sum, non Oedi-pus“ (Terent. And. 194, siehe SARGEAUNT 1964,S. 22), also „Nein: Davus bin ich, nicht Oedi-pus [der alle Rätsel lösen könnte]“. Wir ha-ben die Passage mit „ Hier wird, wenn unsnicht alles täuscht, selbst Ödipus Problemehaben...“ übersetzt. Ähnlich auch in § XXI„Qualis, utut Oedipo opus habet,si...“. (Wie auchimmer eine solche <Frage> den Oedipusnötig hat, will man...“).Geziert und pompös ist der Satz in § 12 (S.83) „Ad quem laborem superandum, cum iam nerviintendendi sunt, agedum pro virili experiamur, quan-tum ferre humeri valeant, quantum recusent.“(Wohlan, lasst uns im Hinblick auf die zubewältigende Arbeit, wenn schon die Kräfteangespannt werden müssen, mannhaft erpro-ben, wie viel die Schultern zu tragen vermö-gen und wie viel nicht), um einfach zu sagen,dass er sich anstrengen wird, seiner Aufgabegerecht zu werden, und dabei vielleicht anseine Grenzen gelangen wird.In § 27 (S. 90) leitet er dann mit dem Satz„Nos iam iam cantu grillorum allecti, ad contem-

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plationem illorum avocamur.”(Jetzt werden wir,durch den Gesang der Grillen angelockt, zuderen Betrachtung abberufen) auf das näch-ste, mit „De Grillis“ überschriebene Kapitelüber.

4. Wen zitiert Sendel im Kapitel „De pa-pilionibus“?

SENDEL zitiert erstaunlich wenig Literatur,wenn er sich in einigen Paragraphen über dieBiologie rezenter Schmetterlinge auslässt. Erzitiert eher bei Nebensächlichkeiten die be-reits verstorbenen Autoren ULISSEALDROVANDI

(Abb. 3, oben links), JOHN JOHNSTON (Abb.3, oben rechts), JAN GOEDAERT (=JOHANNES

GODAART) (Abb. 3, Mitte links), JAN SWAM-MERDAM (Abb. 3, Mitte rechts), MARIA SIBYL-LA MERIAN (Abb. 3, untern links) wegen ihrerschönen Zeichnungen und seinen Zeitgenos-sen JOHANN LEONHARD FRISCH (Abb. 4, un-ten rechts)Nahezu alle hier aufgeführten Personen ha-ben Bedeutendes für die Entomologie geleis-tet, sei es als aktive Forscher oder als Enzy-klopädisten (s. BODENHEIMER 1928; JAHN

2000). Wir erwähnen daher ihre entomologi-schen Hauptwerke und gehen später auf dieSachverhalte ein, derentwegen sie von SEN-DEL zitiert worden sind (s. Fußnoten imAnhang).ULISSE ALDROVANDI (1522 - 1605), italienischerArzt und Naturforscher, war, wie auch KON-RAD GESNER(1516 - 1565), eher Enzyklopädist,jedoch durchaus auch Forscher. ALDROVANDIsHauptwerk ist eine elfbändige Naturgeschich-te der Tiere („Historia animalium“). Für die En-tomologie bedeutsam sind die sieben Bücherüber die Insekten („De animalibus insectis libriseptem“) von 1602 (zuletzt aufgelegt 1638!).

THOMAS MUFFET (1553 - 1604), auch MOF-FETT oder MOUFFETT, ein englischer Arzt undnamhafter Entomologe. Er untersuchte u.a.die Anatomie der Seidenraupe und veröffent-lichte 1634 in London sein „Insectorum siveminimorum animalium theatrum“ in zwei Bü-chern, das später auch in englischer Spracheerschien.JOHN JOHNSTON (1603 - 1675) war ein poly-glotter Universalgelehrter aus Polen. Sein un-vollendetes Hauptwerk, „Historia naturalis ani-malium“, ist eine allgemeinverständliche, illu-strierte Enzyklopädie der Pflanzenwelt unddes Tierreichs für ein breiteres Publikum.Zwischen 1650 und 1653 erschienen fünfBände mit insgesamt 1025 Textseiten und2859 Abbildungen, darunter 1653 auch einBand über Insekten („Historia naturalis de In-sectis“). Die Bücher wurden noch 1755 - 1769aufgelegt, also zu SENDELs Lebzeiten, undwaren damals bekannter als die Quellen, z.B.GESNER und ALDROVANDI (s.o.), die JOHNSTON

für seine „Historia“ benutzt hatJAN GOEDAERT (=JOHANNES GODAART) (1617- 1668), ein holländischer, nicht naturwissen-schaftlich ausgebildeter Maler, publizierteüberwiegend eigene Beobachtungen über dieMetamorphose der Insekten. Die drei zu-nächst in holländischer Sprache verfasstenBände – zwei sind zu seinen Lebzeiten, eindritter Band ist postum erschienen –, wurdennach seinem Tode ins Lateinische („Metamor-phis naturalis insectorum“) übertragen und mitAnmerkungen versehen sowie später auch insEnglische übersetzt.Der holländische Arzt JAN SWAMMERDAM

(1637 - 1680) beschrieb in seiner 1669 erschie-nenen allgemeinen Geschichte der Insekten(„Historia generalis insectorum“) bereits sehr de-tailliert u.a. die Anatomie von Eintagsfliegen

Abb. 3: Porträts namhafter Gelehrter, die SENDEL im Kapitel„De papilionibus“ zitiert.Fig. 3: Portraits of famous students quoted by SENDEL in the chapter “De papilionibus”.Oben links/Above left: ULISSE ALDROVANDI. Oben rechts/Above right: C JOHN JOHNSTON.Mitte links/Middle left: JAN GOEDAERT (JOHANNES GODAART). Mitte rechts/Middle right: JAN

SWAMMERDAM. Unten links/Below left: MARIA SIBYLLA MERIAN. Unten rechts/Below right:JOHANN LEONHARD FRISCH.

Bemerkungen zum Kapitel „De papilionibus“ aus der „Historia succinorum“ 117

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und der Honigbiene, verglich die Larvensta-dien verschiedener Insektengruppen und ihreWeiterentwicklung zur Imago und benutztediese zur Gliederung der „Insekten“ in Groß-gruppen. Das Buch ist 1737/1738 in einer

zweisprachigen lateinisch-holländischen Aus-gabe erschienen, die sich zum Teil erheblichvon der ersten Auflage unterscheidet.MARIA SIBYLLA MERIAN (1647 - 1717) wurdedurch ihre hervorragenden und detailgetreu-

Abb. 4: Kohlweißling. Kupferstich XLV aus Band 1 (1679) des „Raupenbuch“ von MARIA SIBYLLA

MERIAN.Fig. 4: Cabbage butterfly. Copper engraving from Volume I (1679) of the “Raupenbuch” (1679) byMARIA SIBYLLA MERIAN.

Bemerkungen zum Kapitel „De papilionibus“ aus der „Historia succinorum“ 119

Entomologie heute 22 (2010)

en Abbildungen und Beschreibungen vonInsekten und deren Larven bekannt (Abb.4). Wichtige Werke sind u.a. „Der Raupenwunderbare Verwandlung“ und „Metamorpho-sis Insectorum Surinamensis“.JOHANN LEONHARD FRISCH (1666 - 1743) warSprachwissenschaftler, Theologe und Altphi-lologe. Unter vielem anderem schrieb er ein„Teutsch-lateinisches Wörterbuch“, verfassteaber seine „Beschreibung von allerley Insec-ten in Teutschland“ in Deutsch. Diese Bü-cher enthalten sorgfältige Beobachtungen, be-rücksichtigen die ältere Literatur (das gilt auchfür die anderen genannten Autoren) und sindmit durchaus aussagekräftigen Zeichnungenversehen (vgl. Abb. 6, oben).Wir haben im Kommentar im Anhang dieBemerkungen dieser Autoren, auf die sichSENDEL bezieht, ausführlich zitiert, damit sichder Leser ein Bild davon machen kann, wasSENDEL tatsächlich von diesen übernommenhat. Zudem wird bereits bei einem flüchti-gen Vergleich der Texte deutlich, wie vielschnörkelloser und „wissenschaftlicher“ die-se Autoren geschrieben haben.

5. Inhalt des Kapitels „De papilionibus“

Das Kapitel enthält 27 unterschiedlich langeParagraphen, deren Inhalt im Folgenden kurzzusammengefasst ist (weitergehende Kom-mentare finden sich im Anhang).In § 1 sagt SENDEL, dass er nun zu den Anely-tra, d.h. zu den Insekten ohne Elytren, mitbeschuppten Flügeln kommen wolle, alsoden Schmetterlingen, da er die Anelytra mitvier membranösen Flügeln bereits behandelthabe. Er betont, dass man von diesen vorallem Libellen kaum in Bernstein fände, undformuliert eine allgemeine Regel, nach dergrößere Tiere selten oder nie in Bernstein ein-geschlossen würden.In § 2 sind die beiden ersten Sätze gekünsteltund pompös (s. Übersetzung). Im Folgen-den ist SENDEL der Meinung, dass größereInsekten selten intakt in Bernstein zu findenseien und eingeschlossene Fragmente, wie

zum Beispiel Beine anzeigten, dass die Tiereversucht hätten, aus der anfänglich noch flüs-sigen Masse zu entkommen. Im Hinblick aufdas Fehlen von Libellen fügt er noch an, sichauf SWAMMERDAM berufend, dass diese denbesten Gesichtssinn hätten und wohl eher inpflanzenreichen Gebieten als über sandigenUferregionen flögen.In § 3 meint er, das Fehlen von Libellen inBernstein würde mehr als genug durch diewunderschönen Schmetterlinge (die man dar-in fände) ausgeglichen.In § 4 schwärmt er davon, wie Schmetterlin-ge doch das Auge betörten, bewundert denkunstvollen Pinselstrich der Frau MERIAN (vgl.Abb. 4) und preist den Anblick von Schmet-terlingen, ihre Antennen, ihren „befiederten“Körper, ihre Farben und ihre „Spiele“ in derLuft, die er wohl in Mußestunden zwischenduftenden Blumen beobachtet hat.In § 5 weist er darauf hin, dass in Bernsteineingeschlossene Schmetterlinge durchaus ih-ren ästhetischen Reiz hätten. Man könne ihrAussehen aus Einzelteilen rekonstruieren,man könne Schmetterlinge entdecken, dieruhten, andere, die gewissermaßen noch imFluge eingeschlossen worden seien. Zudementschädige der Glanz des Bernsteins für dienicht mehr vorhandenen Farben.In § 6 ist er der Meinung, dass es nicht vielausmache, dass man keine Tagfalter und sons-tige größere Falter in Bernstein fände. Dafürseien zahlreiche kleinere, in der Nacht aktiveSchmetterlinge vorhanden.In § 7 sagt er wortreich, er wolle zunächst et-was zur Biologie und zur Verschiedenheit derrezenten Schmetterlinge sagen. Das würde dieBetrachtung der in Bernstein Eingeschlosse-nen erleichtern, deren methodische Bearbei-tung jedoch sicher schwierig sei.In § 8 erinnert er an die Unterschiede vonvierflügeligen Fliegen und Schmetterlingen.Wichtig sei es, ihre Entwicklung zu verfolgenund sich auch die Larven anzusehen. Darausergäben sich nicht nur Unterschiede zwischenden genannten Gruppen, sondern auch in-nerhalb der Schmetterlinge. Die echten

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Schmetterlinge entstünden anders als bei-spielsweise die Motten, die ihren Ursprungu.a. in wollenen Kleidern hätten.In § 9 betont er die noch einmal die Unter-schiede zwischen den Schmetterlingen undunterscheidet Tag- und Nachtfalter und sol-che, die zum Licht fliegen und sich dabei ver-brennen (= Lichtfliegen).In § 10 nennt er als gute Unterscheidungsmerk-male zwischen Tag- und Nachtfaltern äußereGestalt und Farbe. Tagfalter seien meist farbig,hätten hochgeklappte oder ausgebreitete Flü-gel, währen Nachtschmetterlinge aschfarben sei-en, einen eulenähnlichen Kopf besäßen undbehaart seien. Er zitiert J. L. FRISCH, der solcheSchmetterlinge Nachteulen genannt habe.In § 11 lobt er Herrn FRISCH gleich noch ein-mal und vergleicht ihn mit dem treuestenGefährten des Äneas (s.o.), weil er doch dierezenten Schmetterlinge gut unterschiedenhabe. Das könne jeder, der sich aufs Beob-achten der Natur verstünde. Die in Bernsteineingeschlossenen zu benennen, dürfte aller-dings mit Schwierigkeiten verbunden sein,weil viele nicht gut erhalten seien.In § 12 betont er, sich mächtig anstrengen zuwollen. Der Leser könne keine größeren,prächtigen Schmetterlinge im Bernstein erwar-ten, sondern im Wesentlichen kleine Nacht-schmetterlinge, und zwar Motten.In § 13 kündigt er an, dass er jetzt vier große,vier mittlere und vier kleine in Bernstein ein-

geschlossene Schmetterlinge behandeln wol-le. Es handelt sich dabei um die Abbildun-gen 19-33 auf Tafel II (vgl. Abb. 2).In § 14 beschreibt er detailliert Lage und Aus-sehen des ersten der vier großen Schmetter-linge („Anführer der Schar“), und zwar vonoben und von unten, und macht auf die an-gelegten Flügel, das sich verjüngende Abdo-men, den feinen Flaum auf Kopf und Schul-tern, eine „mehlige“ Substanz auf dem ge-samten Körper und auf die dunkelgrüneBauchseite des Insekts aufmerksam (Abb. 5:19 a und b).In § 15 sagt er etwas zu einem weiteren ele-ganten, großen, mit Mücken vergesellschaf-teten Schmetterling, den er von oben undvon unten abbildet. Auch dieser habe wie dervorher Beschriebene die dunkelbraunen Flü-gel gesenkt, die hier das Abdomen nicht ganzbedeckten. Er meint, es sei ein Nachtschmet-terling. Wenn man allerdings die Unterseitemit dem kräftigen Körper und dem geringel-ten Abdomen betrachte, könnte man auf dieIdee komme, es sei ein Scarabaeus (Abb. 5:20 a und b).In § 16 behandelt er den Schmetterling aufBild 21 in vier Zeilen. Er sieht kürzere undlängere geäderte Flügel. Der Kopf sei aller-dings verborgen (Abb. 6, unten links). In ei-ner langen Fußnote bemerkt er dazu, dassein Freund ihn darauf aufmerksam gemachthabe, dass es doch eher eine „musca ephemera“,

Abb. 5: Die in Bernstein eingeschlossenen „Schmetterlinge“ auf den Bildern 19 und 20 (Tafel II)aus der „Historia succinorum“.Fig. 5: The „butterflies“ included in amber of the figures 19 and 20 (plate II) in the “Historiasuccinorum”.

Bemerkungen zum Kapitel „De papilionibus“ aus der „Historia succinorum“ 121

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Abb. 6: Tafel XIV aus dem achten Teil der „Insecten in Teutschland“ (oben). Die Originallegendelautet: „n. 1. Die Fliege oder Art von Ufer-Aaß. 2. Ein Unterflügel. 3. Ein Oberflügel. 4. Der Wurmvor der letzten Häutung. 5. Ein paar Floßfedern desselben“ (FRISCH 1730 b). Die in Bernsteineingeschlossenen „Schmetterlinge“ auf den Bildern 21 und 22 (Tafel II) aus der „Historia suc-cinorum“ (unten links). Schmetterling bei ALDOVANDRI (1638), den SENDEL mit dem Einschluss aufBild 22 vergleicht (unten rechts)(s. Fußnote im Anhang §17).Fig. 6: Plate XIV from the eighth part of the „Insecten in Teutschland“ (above). The legend is:“n. 1. The fly or species of „Ufer-Aaß“. 2. Lower wing. 3. Upper wing 4. The worm before the lastmoult. 5. Some float feathers of them” (FRISCH 1730 b). The „butterflies“ included in amber, figures21 and 22 (plate II) in the “Historia succinorum” (below left). Butterfly in ALDOVANDRI (1638)compared by SENDEL with the inclusion figure 22 (below right) (see footnote in the appendix §17)

eine Eintagsfliege, sei, wie sie Herr FRISCH inseinem Buch abgebildet habe (Abb. 6, oben).SENDEL verneint allerdings eine Ähnlichkeit,weil sein Exemplar breitere und zudem un-terschiedlich lange Vorder- und Hinterflügelhabe; eine solche Diversität käme bei Ein-tagsfliegen nicht vor.In § 17 glaubt er, dass auf Bild 22 (Abb. 6,unten links) ein Schmetterling abgebildet sei,der Ähnlichkeit mit Schmetterlingen auf Ab-bildungen bei JOHNSTON und ALDROVANDI

habe. Er weist ihm einen Platz zu (ohne die-sen aber zu nennen).In § 18 widmet er sich den mittelgroßenSchmetterlinge auf den Bildern 23 - 26. Einersei schwarz mit Flügeln, die länger seien alsder Körper (Abb. 7: 23), wohl eine „muscaephemera“ oder ihr zumindest ähnlich. Derzweite (Abb. 7: 24) gehöre wohl zu denen,die dem Licht zuflögen. Der dritte (Abb. 7:25) und vierte (Abb. 8: 26) dürften wohl win-zige Motten sein, einander sehr ähnlich, ob-

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Abb. 7: Die in Bernstein eingeschlossene „Schmetterlinge“ auf den Bildern 23-29 (Tafel II) aus der„Historia succinorum“.Fig. 7: The „butterflies“ included in amber of the figures 23-29 in the “Historia succinorum” (plate II).

wohl sie in unterschiedlichen Stellungen ein-geschlossen seien.In § 19 behandelt er die kleinen und kleins-ten Schmetterlinge und verweist auf die Bil-der 27, 28, 29 (Abb. 7) und 30 (Abb. 8). AufBild 30 sieht man die Schmetterlinge gleichscharenweise eingeschlossen. Alle zählt er zuden kleinen Nachtschmetterlingen, und zwarzu den Motten („e tineis nati“).In § 20 kommt er zu den Bildern 31 und 32(Abb. 9). Der erste, offenbar auf Bild 31 ab-gebildete Schmetterling dürfte zu den Weiß-lingen („albiduli“) und Handwerkern („cerdo-nes“) gehören – im Hinblick auf diese Na-men bezieht er sich auf SWAMMERDAM. DerSchmetterling habe weiße Flügel mit schwar-

zen Pünktchen, ansonsten gefiederte Anten-nen, einen gefiederten Kopf und „bestäub-te“ („mehlige) Flügel. Das sei aber nur mit„bewaffnetem“ Auge erkennbar. In diesemFalle würde man auch den eingerollten Rüs-sel erkennen.In § 21 macht er einen Ausflug in die Ent-wicklung von Schmetterlingen. Das sei zwarschwierig, doch reiche es aus, sich mit derEntwicklung solcher Schmetterlinge zu be-fassen, die dem oben erwähnten Einge-schlossenen sehr ähnlich seien. Eine Gele-genheit dazu hätte sich ergeben, als Schmet-terlinge bzw. deren Larven die Bäume imGarten kahl gefressen hätten. Die Würmer(Larven) seien als junge einander ähnlich,

Bemerkungen zum Kapitel „De papilionibus“ aus der „Historia succinorum“ 123

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Abb. 8: In Bernstein eingeschlossene „Schmetterlinge“ auf Bild 30 (Tafel II) aus der „Historia suc-cinorum“ (oben). Grabgemeinschaft (Taphozönose) von Köcherfliegen (unten) (aus WICHARD 2005).Diese homogenen Taphozönosen weisen auf die bei Köcherfliegen häufigen Schwarmflüge hin.Fig. 8: „Butterflies“ included in amber of figure 30 (plate II) in the “Historia succinorum” (above).Taphocoenosis of caddisflies (below) (from WICHARD 2005). Such homogenous taphocoenosessuggest mating flights frequently observed in caddisflies.

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Abb. 9: Die in Bernstein eingeschlossene „Schmetterlinge“ auf den Bildern 31-34 aus der „Historiasuccinorum“ (Tafel II).Fig. 9: The „butterflies“ included in amber of the figures 31-34 in the “Historia succinorum” (plate II).

Bemerkungen zum Kapitel „De papilionibus“ aus der „Historia succinorum“ 125

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brächten aber ganz unterschiedliche Adultihervor, so u. a. Ichneumonen und Wespen.Aus den Puppen schlüpften kleine, weißli-che Schmetterlinge mit gepunkteten Flügeln,die wohl dem ähnelten, der in Bernstein ein-geschlossen sei. Insgesamt sei die Zuord-nung aber fraglich und wenn andere zutre-fender urteilten, würde er sich deren Argu-menten nicht verschließen.In § 22 will er sich bei Bild 32 (Abb. 9) kurzfassen, weil er sich so lange bei dem vorigenSchmetterling aufgehalten habe. Zudemspräche der Einschluss wegen seiner Quali-tät für sich selbst. Es könne sich um einenSchmetterling handeln, der dem Licht zu-fliegt, oder um eine Fliege, wie sie sich beiGOEDAERT auf Tafel III fände (vgl. Abb. 10links)In § 23 behandelt er mit Bild 33 einen „wohl-genährten“ kleinen Schmetterling mit ausge-breiteten Flügeln und Resten von Mund,Rüssel und Beinen, dessen weiße Färbungim Bernstein erhalten geblieben sei und derwohl aus Raupen entstehe, die Blätter zu-sammenzögen (Abb. 9).

In § 24 beschreibt er Bild 34 (Abb. 9, unten),die zwei braune „Schmetterlinge“ zeigt. Diesund ihre Gestalt veranlassen ihn, beide „Mot-tenschmetterlinge“ zu nennen. Darüber hin-aus verweist auf eine Abbildung, die demeingeschlossenen Schmetterling ähnlich sei,und die Erläuterungen zur Entwicklung beiGOEDAERT (Abb. 10 rechts).In § 25 meint er, dass er jetzt genug in Bern-stein eingeschlossene Schmetterlinge beschrie-ben habe. Man könne jetzt zwar zur Beschrei-bung anderer Insekten übergehen, doch esmüssten noch wichtige Fragen beantwortetwerden, besonders die, warum so viele kleineSchmetterlinge in Bernstein eingeschlossenseien, obwohl die Art und Weise ihrer Ent-stehung an einer öden Küste unklar sei.In § 26 tritt er der einseitigen Sicht entge-gen, dass sich diese kleinen Schmetterlingenur in Getreidevorräten entwickelten, dadoch nahezu alles aus dem Tier- und Pflan-zenreich – er nennt u. a. Wolle, Leder, Haa-re, Fleisch sowie Rinde, Blätter, Holz etc. –und selbst manches aus dem mineralischenBereich (verschiedene Erden, Staub) für ihre

Abb. 10: Zwei Tafeln mit „Schmetterlinge“ aus GOEDAERT (1662), die SENDEL falsch zitiert (s.Fußnoten in § XXII, § XXIV und § XXVI, Anhang).Fig. 10: “Butterflies” from GOEDAERT (1662) misquoted by SENDEL (see footnotes in § XXII,§ XXIV and § XXVI, appendix).

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Entwicklung geeignet sei und sie daher anganz unterschiedlichen Orten, auch an Küs-ten vorkämen. Die Tatsache, dass so vieledieser kleinen Schmetterlinge in der Naturund im Bernstein vorkämen, sei für ihn Be-weis genug.In einer längeren Fußnote geht er auf GOE-DAERT ein, der in einem verwesenden Enten-hoden einen Schmetterling gefunden habe.Das sei wenig glaubwürdig, da eine feuchteVerwesung eher ein Substrat für Fliegen undderen Larven sei, nicht aber für Schmetterlin-ge und deren Larven. Er sei der Ansicht, derAutor habe eine trockene Verwesung vor sichgehabt. Weiterhin sei der Autor der Meinung,dass nur dann irgendwelches Fleisch vonWürmern befallen werden könne, wenn de-ren Eltern vorher dort für Nachkommen-schaft gesorgt hätten.In § 27 wolle er, nachdem er nun begründethabe, warum die kleinen Schmetterlinge inBernstein eingeschlossen würden, nun dieFrage beantworten, zu welcher Jahreszeit diesgeschähe. Dies sei der Sommer, weil dieSchmetterlinge ja mit Flügeln im Bernsteineingeschlossen seien, die sie im Winter nichthätten. Es sei also falsch zu behaupten, In-sekten, die im Winter Spalten und Schlupf-winkel an der Küste aufsuchten, würdendann von flüssigem Bernstein eingeschlos-sen. Vielmehr sei seine Theorie richtiger, nachder die Insekten in frei zugänglichem Bern-stein eingeschlossen würden. Im Schlusssatzleitet er zum nächsten Kapitel über, das vonden Grillen handelt.In der Fußnote bemüht er zwei Autoren, soGOEDAERT, der von dem schon erwähntenkleinen Schmetterling gesagt habe, er würdesich im Winter verstecken. Wenn dieser Au-tor aber der Meinung sei, er tue dies in seinerursprünglichen Gestalt, dann sei dies ein Irr-tum, weil die Schmetterlinge Flügel und Bei-ne abwürfen und sich mit einer Hülle umgä-ben. Eben dies habe auch MOUFFETT beschrie-ben, aber auch der habe sich geirrt, weil er derMeinung gewesen sei, die Schmetterlingewürden in ihrer Hülle verwesen und später

„wiedergeboren“. Das sei nicht der Fall, siewürden sich in der Theka zum Schmetterlingumwandeln.

6. Schmetterlinge, Köcherfliegen oder was?

SENDEL betont in der Einleitung seiner „His-toria succinorum“, dass Probleme bei der Un-tersuchung von Bernstein-Inklusen auftreten.Wie aus einigen Textstellen zu entnehmenist, hat SENDEL zur Analyse wohl ein Vergrö-ßerungsglas benutzt. Im Vorwort sagt er,dass er die Stücke „...oculo, tam nudo, quam ar-mato sollicite contemplati sumus...“(S. VII), d.h.sorgfältig mit unbewaffnetem und bewaff-netem Auge inspiziert habe. Die Beschreibungund Darstellung der in Bernstein eingeschlos-senen Insekten ging damals nicht genauer,weil oft nur Fragmente vorlagen (vgl. § 11)und wie SENDEL u.a. im Vorwort beklagt, oftdie Farbe eines in Bernstein eingeschlosse-nen Insekts verlorengegangen sei, mit derenHilfe man doch öfter die verschiedenen Ar-ten der Tier zu unterscheiden pflege („... inclu-si insecti color in succino deperditus esset, quo ta-men animalium diversae species saepius distinguisolet“; SENDEL 1742, S. VII).Darüber hinaus steckte die Paläontologie alsWissenschaft noch in den Anfängen und hilf-reiche Bestimmungsschlüssel für Fossilienund für Bernstein-Inklusen gab es nicht.Im Kapitel „De papilionibus“ stellt SENDEL 16Einschlüsse (Tafel II: Abb. 19-34) als„Schmetterlinge“ vor, von denen er die einenoder anderen noch näher zu klassifizieren ver-sucht. Nach heutiger Kenntnis handelt es sichbei dem meisten um Köcherfliegen.Ein wesentliches, schon früh erkanntesMerkmal der Köcherfliegen ist die „Behaa-rung“ der Flügel, die SENDEL (1742) das eineoder andere Mal erwähnt. Auf dieses (aut-apomorphe) Merkmal machte erstmals – 73Jahre später – KIRBY (1815) in einer Arbeitaufmerksam, in der er das Taxon Strepsi-ptera begründete. In einer langen Fußnote,in der es um die korrekte Würdigung vonMerkmalen geht, schreibt er auf Seite 87

Bemerkungen zum Kapitel „De papilionibus“ aus der „Historia succinorum“ 127

Entomologie heute 22 (2010)

„...Phryganea, which is evidently not in itsproper place, being more nearly allied to theLepidoptera than to the Neuroptera”, ver-gleicht dann die damals schon bekannteGattung Phryganea mit Schmetterlingen ein-schließlich Motten, betont offensichtlicheUnterschiede (keinen langen spiraligen Rüs-sel, Flügel ohne Schuppen etc.) und endetauf Seite 88 mit dem Satz: „If these remarksappear to entomologists well founded, andit be thought right to consider Phryganea asconstituting a new order, I think it might bedistinguished, since the wings of all theknown species are hair, by the name Tricho-ptera.“ Mit dieser Fußnote ist das Taxon Tri-choptera begründet worden, und zwar 1815und nicht, wie in den Trichopteren-Arbei-ten, die wir diesbezüglich konsultiert haben,im Jahre 1813 (z.B. FISCHER 1960, WIGGINS

2004; HOLZENTHAL et al. 2007).Abbildung 11 zeigt eine Tafel mit Köcher-fliegen, die AUGUST JOHANN RÖSEL VON RO-SENHOF (1705 - 1759), Miniaturmaler und Na-turbeobachter aus Nürnberg sowie Zeitge-nosse von SENDEL, in seinen „Insekten-Be-lustigungen“ veröffentlichte, die ab 1740 her-ausgegeben und in den darauffolgenden Jah-ren in drei Sammelbände zusammengefasstwurden (RÖSEL VON ROSENHOF 1746, 1749,1755). RÖSEL VON ROSENHOF sowie der zuvorbereits erwähnte J. L. FRISCH haben lebendeTiere beobachtet. RÖSEL VON ROSENHOFs prä-zise Darstellungen liefern die ersten Abbil-dungen, die Artbestimmungen von Köcher-fliegen möglich machen. Auf Tafel XVI sindLarven, Köcher, Puppe und Imagines vonLimnephilus rombicus (Limnephilidae), auf Ta-fel XVII Larven, Köcher und Imagines vonPhryganea grandis (Phryganeidae) abgebildet.Die charakteristische „Behaarung“ auf denFlügeln einer Köcherfliegen-Imago zeigtAbbildung 12 (oben). Fossile Köcherfliegenim Baltischen Bernstein lassen nicht immer„Haare“ auf den Flügeln erkennen. In Bern-stein eingeschlossene Imagines (Abb. 12,unten) haben oft eine typische, vom Harzseitlich abgeflachte Körperhaltung und zu-

dem oft blau oder grün glänzenden Augen(in natura aber nicht), deren irisierende Far-ben durch Interferenzerscheinungen – bei derFossilisierung entsteht zwischen genoppterCornea und Bernstein eine dünne Luftschicht– hervorgerufen werden (WICHARD et al.2005).Die Einschlüsse mit den Nummern 21-30sowie 32 und 34 auf Tafel II der „Historiasuccinorum“ sind so dargestellt, wie man übli-cherweise Köcherfliegen im Bernstein vorfin-det, d.h. mit typischem, schlankem Körperund in seitlicher Lage, die Flügel am Körperangelegt, die Beine teilweise abgespreizt, derrelativ kurze Kopf (etwas breiter als lang) mitmeist bogenförmig nach vorne oder seitlichnach hinten gerichteten fadenförmigen An-tennen. Warum bei den von SENDEL bearbei-teten Bernstein-Inklusen Köcherfliegen zahl-reicher sind als Schmetterlinge, liegt sicher auchdaran, dass Köcherfliegen in unsortiertenBernsteinsammlungen unter allen tierischenInklusen mit etwa 2-3 % vertreten sind, wäh-rend Schmetterlinge mit < 0,5 % recht seltenvorkommen (HOFFEINS & HOFFEINS 2003;SONTAG 2003; WICHARD & WEITSCHAT 2004).Danach befänden sich rein theoretisch unterden 1500 Inklusen-Steinen des DresdnerBernsteinkabinetts etwa 30-45 Köcherfliegenund nur ein bis sieben Schmetterlinge. DieBernsteinsammlung der Naturalienkammerzu Dresden wurde 1849 bei einem Brand desZwingers, in dem sie seit 1728 untergebrachtwar, zerstört (FISCHER 1939; KÜHNE et al.2006). Noch wenige Jahre zuvor hatte CARL

GEORG BERENDT (1790 - 1850) ein Verzeich-nis mit Kommentar zu 670 untersuchten In-klusen-Bernsteine angefertigt (BERENDT

1986). In diesen Stücken befanden sich annä-hernd tausend Inklusen; etwa 50 % warenZweiflügler, 10 % Phryganeiden, 10 % Spin-nen und 30 % andere Arthropoden, wie Kä-fer, Ameisen, Tausendfüßer und einige Pflan-zenreste. Dreihundertsiebzig Bernsteine wa-ren nach Ansicht von BERENDT (l. c.) wertlos.Immerhin wies er etwa 10 % Phryganeiden(alte Bezeichnung für Köcherfliegen = Tri-

128 HARTMUT GREVEN & WILFRIED WICHARD

choptera) nach; das ist ein Prozentsatz, dererheblich über dem statistisch zu erwarten-den Wert liegt (s. o.). Dieses Phänomen trittauch bei Sichtung vieler privater Sammlun-gen auf und ist wohl darauf zurückzufüh-ren, dass unwillkürlich größere, mit bloßem

Auge sichtbare Inklusen bevorzugt gesam-melt werden.Von den 16 in Bernstein eingeschlossenen„Schmetterlingen“ sind mindestens zwölfnach ihrem Habitus Köcherfliegen – das Ta-xon „Trichoptera“ war damals noch nicht be-

Abb. 11: Die Tafeln XVI und XVII mit Köcherfliegen aus Band II der „Insekten-Belustigung“ vonRÖSEL VON ROSENHOF (1749).Fig. 11: The tables XVI and XVII showing caddisflies in Vol II of “Insekten-Belustigung” of RÖSEL

VON ROSENHOF (1749).

Bemerkungen zum Kapitel „De papilionibus“ aus der „Historia succinorum“ 129

Entomologie heute 22 (2010)

Abb. 12: Lasiocephala basalis (Lepidostomatidae) (Foto: B. EISELER) (oben). In Bernstein einge-schlossene Köcherfliege (Polycentropodidae) (unten) (aus WICHARD et al. 2009)Abb. 12: Lasiocephala basalis (Lepidostomatidae) (Photo: B. EISELER) (above). Caddisfly (Polycen-tropodidae) included in amber (below) (from WICHARD et al. 2009).

130 HARTMUT GREVEN & WILFRIED WICHARD

kannt (s. o.) – ; darüber hinaus ist einer der„Schmetterlinge“ wahrscheinlich eine Schabe,vielleicht sogar ein Weibchen mit Oothek (Abb.5: 19 a, b), ein weiterer ist nicht zu identifizie-ren (Abb. 5: 20). Nur zwei der 16 Einschlüssekönnten Schmetterlinge (Motten) sein (Abb.9: 31 und 33 a, b). Dafür spricht der Habitusder eingebetteten Tiere; die selteneren Schmet-terlinge sind im Bernstein meist mit aufge-klappten Flügeln eingeschlossen und sehengedrungen aus. Zudem glaubt SENDEL (§ 20),bei einem der beiden Schmetterlinge (Tafel II,Abb. 31) „mit bewaffnetem Auge“ den einge-rollten Rüssel erkannt zu haben.

Schlussbemerkungen

Trotz der positiven Aufnahme während (vgl.Einleitung ) und noch einige Zeit nach ihremErscheinen ist die „Historia succinorum“ desNATHANAEL SENDEL bald in Vergessenheit ge-raten. FISCHER (1939) vermutet, dass man sichnach Erscheinen der Naturgeschichte des Bern-steins von BOCK (1767) immer weniger für dieArbeiten SENDELs interessierte, weil er im Hin-blick auf die Entstehung des Bernsteins eherdem Mittelalter verhaftet war. Unbestrittenhandelt sich jedoch um ein prächtig ausgestat-tetes und bemerkenswertes Werk, das mit 13Tafeln erstmals einige ausgewählte Bernstein-Inklusen in Wort und Bild darstellt.K. HINRICHS (2007, S. 436) sieht SENDELs„innovative Leistung“ „in der Fähigkeit derAbstraktion, die im Außerachtlassen (sic!Verf.) der Bernsteinhülle bestand“ (alle Zi-tate auf S. 436), doch schießt sie übers Zielhinaus, wenn sie meint, dass damals der Be-sucher des Bernsteinkabinetts im Katalogder Sammlung – sie meint damit die „Hi-storia succinorum“ – nachschlagen und „dasWissen antiker und neuzeitlicher Denkendarüber sowie die neuesten Forschungser-gebnisse des Autors des Katalogs, Natha-nael Sendel, zum Thema nachlesen“ konnte(S. 422). Die „Historia succinorum“ ist sichermehr als nur ein kommentierter Katalog. Sieerfüllt aber weder im Kapitel „De papilioni-

bus“ noch in anderen Kapiteln (s. WICHARD

& GREVEN 2009) ganz das, was die Autorinformuliert.Was die „Biologie“ der rezenten „Schmetter-linge“ (und anderer Gruppen) angeht, sokann er sich nicht mit den von ihm eher bei-läufig zitierten älteren Autoren und J. L.FRISCH messen. Das betrifft Stil, Präzisionund wissenschaftlichen Gehalt. Zumindestauf dem Gebiet der damaligen Entomolo-gie scheint SENDEL eher Schöngeist und Di-lettant (in des Wortes eigentlicher Bedeutungvon lateinisch „diligere“ = lieben) zu sein, dersich z. T. sicher auch anhand eigener Beob-achtungen (vgl. § IV) im Kapitel „De papilio-nibus“ der „Historia succinorum“ subjektiv überSchmetterlinge (und in anderen Kapiteln überweitere Insekten) auslässt.Dennoch, als Verfasser dieses frühen Werkesder Paläoentomologie darf der Elbinger Arztund Bernsteinforscher NATHANAEL SENDEL

(1686-1757) als Pionier der paläoentomolo-gischen Bernsteinforschung angesehen wer-den (WICHARD & WICHARD 2008).

Danksagungen

Wir danken ganz herzlich Frau DANIELA ER-LER, Bibliothek der Senckenberg Naturhisto-rischen Sammlungen Dresden, für die Be-schaffung von Literatur, und Herrn Oberstu-dienrat JÖRG EPPING, Moers, für die Hilfe beieinigen, uns nahezu unübersetzbar erschei-nenden Passagen.

Literatur* nicht gesehen

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Bemerkungen zum Kapitel „De papilionibus“ aus der „Historia succinorum“ 133

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134 HARTMUT GREVEN & WILFRIED WICHARD

Bemerkungen zum Kapitel „De papilionibus“ aus der „Historia succinorum“ 135

Entomologie heute 22 (2010)

Anhang

Im Folgenden haben wir versucht, das Ka-pitel „De papilionibus“ halbwegs verständlichzu übersetzen. Eine wörtliche Übersetzungverbietet sich; sie wäre nahezu unlesbar.Übersetzung ist daher stets zugleich auchInterpretation. Wir haben also Sprache undStil ein wenig geglättet und auch den Ge-brauch der Zeiten zum Teil der heutigenDiktion angepasst. Darüber hinaus habenwir überlange Sätze bisweilen in mehrerekürzere Sätze umgewandelt. Wir hoffen, beischwierigen Passagen zumindest den Sinngetroffen zu haben. Für den „Normalleser“sind sprachliche und stilistische Feinheitennicht relevant. Wer den lateinischen TextWort für Wort mit der deutschen Überset-zung vergleicht, wird am ehesten merken,worin die Probleme lagen und wo wir nurnoch sinngemäß übertragen haben. Nurganz vereinzelt haben wir bei einer freienÜbersetzung eine dem Original mehr ange-

näherte Übersetzung in eckigen Klammernhinzugefügt.Mit * versehene Fußnoten stammen von SEN-DEL, Anmerkungen, die mit Ziffern oder ei-nem + (Anmerkung zu einer Fußnote) ge-kennzeichnet sind, von uns. Manchmal ha-ben wir in spitze Klammern Worte eingefügt,um den einen oder anderen Satz verständli-cher zu machen, oder um Ellipsen (s. o.) zuvervollständigen. Auf die zum Teil offensicht-lichen Druckfehler in den lateinischen Zitatensind wir nicht näher eingegangen.

Über Schmetterlinge

§ INachdem wir bisher ausführlich die Tierchenohne Elytren, <und zwar> die mit je vierund ebenso auch die mit zwei membranö-sen Flügeln ausgestatteten, behandelt haben,kommen wir zu denen, die keine Elytren be-sitzen [Anelytra], <jedoch> mit beschupp-ten [bestäubten] Flügeln geschmückt sind,

136 HARTMUT GREVEN & WILFRIED WICHARD

d.h. zu den allbekannten Schmetterlingen. Biswir beginnen, eingehend deren Naturge-schichte zu behandeln, müssen wir zunächstzumindest mit einigen Worten jenen merk-würdigen Umstand erwähnen und erläutern;warum man wohl meint, dass von den An-elytra mit vier membranösen Flügeln, sowohlvon jenen besonders bekannten, als auch vonden unseren Kindern wohl vertrauten „per-lae“ oder Libellen, nicht mehr in Bernstein zusehen sind. Wie auch immer, die Lösung die-ser Frage scheint wohl nicht schwer auf unszu lasten, wenn wir mehr über die vorhande-nen als über die nicht vorhandenen Ein-schlüsse reden. Unterdessen wird es nichtganz überflüssig sein, hier eine generelle, auchmir schon seit langem nützliche Regel aufzu-stellen, dass größere Tier sich entweder ganzselten oder niemals in Bernstein eingeschlos-sen zeigen.

§ IIDie Wahrheit erstrahlt mit ihrem eigenenLicht, die Erfahrung, die wir <weiter> untengegen eine andere Überzeugung von anderensorgfältiger beisteuern wollen, allein durchden Beweis, sobald wir gemäß unseres Vor-habens beginnen müssen, über die falschenund unbegründeten Einschlüsse1 zu spre-chen. Dieser Diskussion fehlt nicht die ver-bündete Schwester, <nämlich> das Wissen,das man sich aus der Natur und ebenso ausder natürlichen Beschaffenheit des Bernsteinsund dieser ein wenig größeren Insekten an-eignen muss. Ein Bernsteinstück wird seltenso groß sein, dass es ausreicht, ein solcherartgrößeres Insekt einzuschließen, insbesonde-re, wenn man seine Aufmerksamkeit auftransparente Bernsteine richtet, die fast allein,wie wir gesehen haben*2, wegen ihrer besse-ren Fluidität geeignet sind, Insekten zu fan-gen. Daraus folgt auch, dass die etwas größe-ren von Bernstein bedeckten Insekten beina-he immer verstümmelt, verschiedener Teileberaubt, und am Rande des <Bernstein>klumpens liegend zu finden sind. Wir fügen<noch> hinzu, dass diese größeren <Insek-

ten> sich auch dem flüssigen Bernstein wi-dersetzen können. Die langen, in den Bern-stein hineingeratenen Beine, die öfter einenKlumpen allein besetzen, während das In-sekt selbst fehlt, zeigen sehr deutlich an, dasses geflohen ist und sich aus den Fesseln <desflüssigen Bernsteins> befreit hat. Zudemwird man aber, ganz besonders wohl auchaus der Eigenart der Libellen, ihr Fehlen indiesem Habitat herleiten, weil sie, wie derhochberühmte SWAMMERDAM**3 beobachtethat, von allen Insekten mit dem besten Ge-sichtssinn versehen, Pflanzen und Blumen,nicht aber sandigen, unfruchtbaren Ufersandanfliegen3. Das wollen wir <jedoch> deinemUrteil überlassen.

* s. das vorige Kapitel § XXXVI

** s. Hist. Insect. General. Sect. IV p. 62

1 Es handelt sich um das Kapitel II „De falsis etarte factis inclusis“ im Zusatz („Auctarium“) desersten Teils der „Historia succinorum“.

2 Das Kapitel V „De Culicibus“ (Über Mücken)der Classis I („Insecta volantia“) behandelt in§ XXXVI die Unterschiede in der Struktur vondurchsichtigem und opakem Bernstein und dieTatsache, dass im Erstgenannten mit seiner La-mellenstruktur nie oder zumindest sehr seltenEinschlüsse gefunden werden.

3 In der holländischen Ausgabe der „Historia gene-ralis insectorum“ von 1669 heißt es dazu: „...dat despinnen vollmakter gesigt hebben, als eenige an-dere bloedeloose dieren, Uytsonderende nogtansde a. Rombouten, de welke wy oordeelen de groot-ste of meeste oogen te hebben.“ (SWAMMERDAM

1669, S. 69). (...dass die Spinnen einen gutenGesichtsinn haben, wie <auch> einige andereblutlose Tiere, insbesondere <sind> zu erwähnendie a. Rombouten+ (Randvermerk a. Perla, Libel-lula, Verf.), von denen wir meinen, dass sie diegrößten und die meisten Augen haben.)In der zweisprachigen lateinisch-holländischen,ansonsten stark erweiterten Ausgabe ist der fastidentische Text – aus den“ bloedeloose dieren“sind allerdings Insekten geworden, der Vermerkam Rande fehlt und die Schreibweise hat sich

Bemerkungen zum Kapitel „De papilionibus“ aus der „Historia succinorum“ 137

Entomologie heute 22 (2010)

geringfügig geändert – folgendermaßen übertra-gen worden: „...Araneis perfectiorem, quam aliisquibuscunque Insectis, visum obtigisse. Excipiatur ni-hilominus Perla seu Libella, quae maximis sive nume-rosissimis videtur oculis instructa esset.“ (SWAMMER-DAM 1737: S. 53).

+Rombouten = heute Gomphidae (Anisoptera).

3 Die Passage ist nur verständlich, wenn man be-rücksichtigt, dass SENDEL die These vertritt, dassBernstein in Sedimenten entstehe, die nahe am Meerliegen und dass Insekten eingeschlossen werden,wenn sie auf den Boden fallen, in ufernahe Spaltenund Höhlen der sogenannten Agtstein-Adern krie-chen und dort in der noch flüssigen Bernsteinmassegefangen und eingebettet werden (s. o).

§ IIIWie auch immer, dass Libellen im Bernsteinfehlen1, muss uns nicht allzu sehr betrüben.Es wird leicht durch die große Anzahl vonSchmetterlingen ausgeglichen, jener äußersterfreulichen Tierchen nämlich, mehr als herr-lich in Bau und Aussehen, auf die wir jetztAugen und Sinn richten werden, um sie ge-nauer zu betrachten,

1 Vollständige, in Bernstein eingeschlossene Li-bellen werden auch heutzutage nur äußerst sel-ten gefunden (WICHARD et al. 2009).

§ IVDenn allein jene <Tierchen>, aus demüberreichen Schatz der Natur [entnom-men], haben nicht wegen ihrer Eleganz,durch welche sie höchstes Ansehen haben,gewissermaßen die Augen betört, so dasssie ein einzigartiges Objekt der Betrachtunggeworden sind. Wir lassen mehrere uner-wähnt, so sehr sind wir durch die einzigar-tige Malkunst der äußerst kenntnisreichenFrau MERIAN in Bann gezogen worden, werlobt wohl <nicht> zum Lohne <ihrer>Tüchtigkeit ihren äußerst kunstvollen Pin-selstrich. Wer kann, wenn er immer wiederdas überaus liebliche Schauspiel derSchmetterlinge sieht, befriedigt von hinnen

gehen, um nicht die Kunst zu bewundern,welche beinahe die Schönheit der Naturanzeigt? Wie haben wir doch uns selbstangenehme Mußestunden inmitten liebli-cher Blumen verschafft, ein Gedanke, derbereits jetzt wiederkehrt, wiewohl die Wie-sen schon schneeweiß sind.Wie hat unsere Augen doch öfter der her-vorstechende Glanz <ihrer> Augen zwi-schen den ausgestreckten befiederten Anten-nen bezaubert! Wir erwähnen den auf demzarten Körper verteilten Flaum, der aus Tau-senden von Federchen besteht. Wir kom-men auf die Flügel zurück, ihren vorzüg-lichsten Schmuck und <ihre vorzüglichste>Zierde, prächtig aufgrund ihrer äußerst ge-schmackvollern Farben, bald von Schnee undPurpur, bald von Gold und Silber, ja, sogarglänzend wie Perlmutt. Ja, wir stellen unssogar ihr Leben vor, ihren unterschiedlichenGeschmack und auch ihre überaus häufigenTätigkeiten. Bald nämlich beobachten wir,wenn sie die Flügel ausgebreitet haben,gleichsam in der Luft ihre ausgelassene Spie-le; bald stellen wir uns andere vor , die mitsich senkenden Flügeln zwischen üppigenBlumen und Düften ruhen, bald wendenwir uns denen zu, die mit ihrem äußerstzarten1 Rüssel Säfte von Kräutern undStrauchwerk holen.

1 delicatus kann auch mit wählerisch oder ge-nusssüchtig übersetzt werden.

§ VUnsere Bernsteine halten wohl eingeschlos-sene Schmetterlinge von nicht geringerer An-mut bereit: Ja, nicht ohne Grund können wiruns überzeugen, dass man hier schönereAnsichten von diesen <Schmetterlingen>haben wird. Es wird nämlich <so> sein, dassihre äußerst kunstvolle Struktur, wenn schonnicht immer im Ganzen, so doch aus irgend-einem Teil erkannt wird. Man wird ihre Man-nigfaltigkeit untereinander betrachten müs-sen. Man wird die verschiedenartigen Verhal-tensweisen beobachten müssen, die derjeni-

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gen nämlich, welche ruhen, und die der ande-ren, die gleichsam bis jetzt im Flug fixiertworden sind. Schließlich wird der Glanz, dervom Bernstein ausgeht und in dem sie präch-tig und zierlich liegen, die fehlende Farbe er-setzen.

§ VIEs macht wohl auch nicht viel aus, dass wirhier keine Tagschmetterlinge sehen, die beiSonnenschein fliegen; oder auch Nachtschmet-terlinge, welche wie meistens die Übrigen anGröße übertreffen? Da es uns doch genügenkann, wenn wir zum Beispiel irgendeine Reihevon kleineren und nachts fliegenden beobach-ten, die ja nun zur Nachtzeit fast die ganzeLuft erfüllen. Ja, weil man sogar Angehörige[Tiere] dieses Geschlechts, die freilich sonst dasLicht meiden, im durchsichtigen Spiegel desBernsteins sieht, wird man selbst hier nichtauf Seltenes verzichten müssen.

§ VIIAber wir wollen uns unverzüglich dem Zielund der Beschreibung unserer Schmetterlin-ge zuwenden. Um diese <Beschreibung>besser zu verstehen, wollen wir zunächst ineiner Einführung die betrachten, die in die-sem Geschlecht vorkommen und im Reichder Natur leben, <und> dann die verschie-denen Arten anhand ihrer Kennzeichen undcharakteristischen Merkmale, damit wir da-nach umso leichter die <in Bernstein> Ein-geschlossenen behandeln können.1 Die Grün-de, nach welcher Methode und in welcherReihenfolge es sich wohl ziemt, diese alle zuerfassen, welche Namen ihnen wohl zukom-men, und schließlich, welche Entwicklung siewohl einschlagen, sind sicher nicht leicht an-zugeben.

1 Kommt dem heutigen Aktualitätsprinzip nahe(s.o).

§ VIIIUm das Werk glücklicher zu vollenden, musszuerst daran erinnert werden, welcher Un-

terschied zwischen den vierflügeligen Flie-gen und den Schmetterlingen aufgrund <ih-res> Ursprungs und <ihrer> Entwicklungschon früher *1 aufgezeigt worden ist. Umsie nicht leicht mit diesen zu verwechseln,haben wir das Studium <ihrer> Entwick-lung, und eine Inspektion des Wurmes, ausdem beide Tiere hervorgehen, gefordert. DieEntwicklung trennt die Schmetterlinge abernicht nur von verschiedenen anderen Insek-ten, sondern auch die Schmetterlinge selbstvoneinander. Die echten Schmetterlinge, dieden Namen Schmetterlinge auch verdienen,entstehen nämlich anders; auf andere Weisedie einen, welche den Motten ähnlich sind,und offenbar aus wollenen Kleidern entste-hen, und andere <entstehen> sogar aus demHausrat, aus allem, was an Tierischem undPflanzlichem gelagert wird. Es wird ange-bracht sein, diese „Schmetterlinge der Mot-ten“ ** zu nennen.

* s. Kap. III § III, 1, 2 und folgende.

** Mottenfliegen.

1 Es handelt sich um das Kapitel III „De muscisquadripennis singularibus“ (Über eigentümliche vier-flügelige Fliegen) der Classis I („Insecta volantia“).

§ IXNicht weniger muss man jenen bekanntenUnterschied zwischen den Schmetterlingen nen-nen, da zumindest bei bloßerBetrachtung so-wohl Gestalt als auch Farbe die einen, obwohlauch diese <nur> bisweilen, am Tage zieren,die anderen dagegen fliegen nachts, wie wir be-obachtet haben; daher heißen jene Tagfalter unddiese Nachtfalter. Und hier muss auch eine an-dere Schmetterlingsart erwähnt werden, welchegewöhnlich [welcher gewöhnlich bestimmt ist]dem Licht zufliegen und sich <dort> verbren-nen. Diese von den anderen, früher <Genann-ten> verschieden können als Schmetterlingeoder Fliegen, die zum brennenden Licht flie-gen, bezeichnet werden. *

* Lichtfliegen

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§ XEs gibt aber kein anderes besseres und deut-licheres Unterscheidungsmerkmal derSchmetterlinge als die Überprüfung der Ge-stalt und der Farbe, womit allein schon Tag-und Nachtschmetterlinge, sobald sie in dieHände gelangen, von Naturkundigen er-kannt werden können. Denn man sieht jeneTagschmetterlinge fast immer prächtig undauf das Lebhafteste gefärbt; man sieht siemit Flügeln, empor gestreckt und ausgebrei-tet, und sich gewissermaßen zum Flug nei-gend. Wenn man sich aber dagegen dieNachtfalter anschaut, erkennt man, dass sieim Habitus und auch in der Färbung ganzanders aussehen. Diese haben nämlich tat-sächlich einen Kopf ähnlich dem der Nacht-eulen, wonach der hochberühmte FRISCH

diesen auch den Namen Nachteulen gege-ben hat1, so wie sie auch meist unauffälligaschfarben sind, entweder schwarzbraun,oder eine für die „Mottenfliegen“2 üblicheund charakteristische <Farbe> haben. Zu-

dem zeigt ihre Gestalt die charakteristischenbesonderen Merkmale; beinahe alle siehtman geschmückt mit den bei Nachteulenüblichen Halsbändern; die einen hängennämlich von den Schultern, die anderen vomHals, oder fallen vom Nacken auf den Rü-cken, und enden zuweilen mit behaarten undbefiederten oder hervortretenden Knotengewissermaßen auf einen Höcker3.

1 FRISCH schreibt am Schluss des Vorworts desdritten Bandes seiner „Insecten in Teutschland“dazu: „Den Namen Eule habe ich den Nacht-Papilionen gelassen, die würcklich am Kopf, auchmeistens mit der Farbe, den Eulen gleichen; dieanderen heisse ich Nacht-Vögel, die keine solcheGleichheit haben, und doch nur des Nachts flie-gen. Die kleinen aber, die des Nachts um dasLicht fliegen, behalten den Namen Licht-Flie-gen billig davon. Oder wann sie eine Gleichheitmit den Fliegen haben, die aus den Motten inden Kleidern und Pelzwerck werden, setze ichsie in die Klasse der Motten-Fliegen“ (FRISCH

1721, Vorbericht, ohne Seitenangabe).

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2 s. § VIII

3 Offenbar handelt es sich um den stark „behaar-ten“ Thorax, der dem der Köcherfliegen – SEN-DEL beschreibt hier im Prinzip Köcherfliegen (vgl.Abschnitt 6) – sehr ähnlich ist (s. Abb. 12).

§ XIUnd so sieht man, dass Schmetterlinge be-stens unter Anleitung eines zuverlässigenGewährsmannes, des ganz vortrefflichen<Herrn> FRISCH*1, unterschieden wordensind, was relativ leicht ist, wofern nur die inder Natur lebenden <Schmetterlinge> be-obachtet, der Ursprung der einzelnen er-forscht, <ihre> Eigenart aufgespürt oderauch die Toten untersucht werden können.Aber in Wahrheit ist es nämlich eine vielschwierigere Angelegenheit, ob wohl die inBernstein eingeschlossenen <Schmetterlin-ge> in gleicher Weise so erkannt und unter-schieden werden, dass niemand an der ein-deutigen Namensgebung zweifeln möge.Wenn uns nicht alles täuscht, wird hier selbstOedipus Probleme haben2, wenn freilich vie-les von dem, was nötig ist, fehlt, von demauch kaum Gestalt und Struktur gut erhal-ten geblieben sind.

*s. l. c. Teil III im Vorwort.

1 Es handelt sich um das in unserer Fußnote in §X erwähnte Vorwort aus dem dritten Band der„Insecten in Teutschland“, in dem FRISCH unteranderem begründet, warum er die Schmetterlin-ge Papilionen nennt und welche er wie unter-scheidet (FRISCH 1921).

2 Ödipus als Rätsellöser (s. Abschnitt 3, Die Spra-che der „Historia succinorum“)

§ XIIWohlan, lasst uns im Hinblick auf die zubewältigende Arbeit, wenn schon die Kräfteangespannt werden müssen, mannhaft erpro-ben, wie viel die Schultern wohl zu tragenvermögen und wie viel nicht. Wenn wir je-doch nun diesbezüglich berichten, wie vor

allem die im Bernstein eingeschlossenenSchmetterlinge beschaffen sind, müssen wirfreilich unserem Leser sagen, er möge nichtdie großen, mit prächtigen Farben glänzen-den in diesem <Bernstein>Grab suchen. Dienämlich hier liegen, werden hauptsächlichNachtschmetterlinge sein, desgleichen kleineund geeignet von Bernstein <vollständig>bedeckt zu werden; zum größten Teil Mot-ten.

§ XIIIAber nachdem der Schauplatz selbst eröffnetworden ist, wollen wir die Wohnstätten dereinzelnen Schmetterlinge <im Bernstein>betrachten, und zwar werden wir uns derReihe nach in der ersten Abteilung eine Serievon vier sehr großen Schmetterlingen, in derzweiten Abteilung dieselbe Anzahl mittelgro-ßer, und in der dritten schließlich ebenso vie-le der kleinsten ansehen.

§ XIVUnter jenen Ansehnlichen möge als erster derAnführer der Schar genannt werden, abgebil-det auf Tafel II, Bild 19, und zwar mit bei-den Seiten des Klumpens, die seine Ober-und Unterseite zeigen. Man sieht den Einge-schlossenen mit niedergedrückten Flügeln,vielleicht weil er eine Art von Schmetterlin-gen war, die, wenn sie sitzen, die Flügel ange-legt haben und <diese> dem Körper amnächsten sind, so wie die Flügel der Vögel,oder weil der flüssige Bernstein jene nieder-gedrückt hat. Eine der beiden Antennen istlänger und in die Höhe gestreckt (bei a), diezweite, kürzere ist herabgedrückt (bei b) undzieht bis an den Rand des Klumpens, wieuns seinerzeit schien. Diese Antennen sindnicht ganz kahl, aber offenbar auch nicht be-sonders gefiedert, wie auch immer, Schulternund Kopf zeigen eine deutlichere Menge vonkleinen Federn. Im übrigen zeigt aber das Bilddes auf dem Rücken liegenden Insekts sehrgut eine mehlige Substanz auf allen Flügeln,auf dem gekrümmten, sich allmählich ver-jüngenden Abdomen und ebenso dem

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<noch> erhaltenen Bein. Zudem ist dieservortreffliche Klumpen einzigartig, weil er dendunkelgrün gefärbten Bauch <des Insekts>zeigt.

§ XVEinen anderen Schmetterling von ebensol-cher Eleganz und Größe zeigt Tafel II, Bild20, zusammen mit einigen Mücken [der sichüber die Gemeinschaft mit einigen Mückenfreut]; diesen haben wir wiederum in unter-schiedlicher Ansicht zeichnen lassen. Auf derSeite a ist offenbar etwas von seinem Rückenzu sehen, mit ähnlich gesenkten Flügeln voneben derselben Farbe wie die gerade genann-ten Flügel des vorher erwähnten Insekts, d.h.dunkelbraun, während unter diesen <Flü-geln> ein Teil des Abdomens hervorragt.Aus dieser Ansicht war nichts zu erkennen,was dagegen gesprochen hätte [konnte nichtsdeutlich Unverträgliches und Feindliches ge-genüber der Wahrheit erkannt werden], die-sem Insekt einen Platz unter den Nacht-

schmetterlingen, oder den anderen, die zumLicht fliegen, zuzuweisen, obgleich man sa-gen könnte, dass auf der gegenüberliegen-den Seite, <nämlich auf b>, aufgrund deswohlgenährten Körpers <dieses> Insektsund besonders des Abdomens, auf demAnnuli zu unterscheiden sind, und das asch-farben ist, ein Scarabaeus abgebildet ist.

§ XVIDer dritte Schmetterling* in dieser Reihe, denman auf Tafel II, Bild 21 erkennt, weist langeund breite Flügel auf, die den Körper bede-cken1, und von diesen sind die kürzeren her-abgesenkte, die äußeren mehr ausgestreckt,überdies alle recht auffällig durch ihre Nervenund Adern, mag auch die übrige Gestalt desKopfes verborgen sein..

* Als wir einmal eben dieses Tierchen unlängstgleich als Schmetterling bezeichneten [grüßten],haben wir uns daran erinnert, dass uns ein Freunddarauf aufmerksam gemacht hat [das uns voneinem Freund das Ohr gezupft worden ist], ob

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wir nicht besser diesen zu einer Art der vierflüg-ligen Fliegen, d.h. zu <einer Art> der Eintags-fliegen, stellen wollten, die der hochberühmteFrisch an der schon früher angeführten Stelle,TeilVIII, auf Tafel 141 beschrieben und abgebildethat. Da aber zudem eine neuerliche Überprü-fung der seit langem in unseren Schachteln auf-bewahrten <Bernstein>Klumpen uns zögernließ, dieses Insekt zu benennen, und weil wirauch anhand unserer Abbildung keine „musca ephe-mera“ bestimmen konnten, nicht nur wegen derbreiteren Flügel, sondern auch wegen <ihrer>unterschiedlichen Länge, haben wir deutlich auf-gezeigt, dass eine solche Verschiedenheit bei den„Eintagsfliegen“ nicht vorhanden ist, die gleichbreite Hinter- und Vorderflügel haben; dies wur-de von uns schon oben anhand eines charakteri-stischen Merkmals beobachtet.

+ FRISCH schreibt im achten Teils der „InsectenTeutschlands“ in Kapitel XIV „Von einer Artgeschwänzter Würme, die einige Ufer-Aaß hei-ssen; und von der ungeschwänzten Fliege, so dar-aus wird“. Es heißt hier: „Die (Jungen) aber indas Wasser kamen, fiengen an drey Spitzen hin-ten auszubreiten, die doch hernach die Fliegenicht hat... Den Griechischen Namen Epheme-rus oder Hemerobius, den dieses Insekt hat, mußman so verstehen, dass man keine länger als ei-nen Tag in der Luft sieht, ... (Es folgt eine genaueBeschreibung, Verf.) ... Der Leib hat von denHinterfüssen an bis zu dem Schwanz 8. Absätze.Am Hals-Ring stehen die vordersten Füsse; anvier solchen Absätzen auf jeder Seite sind anjedem zwey und also zusammen 16. Floß-Fe-dern, mit welchen sie, wann sie still sitzen, ohneUnterlaß gleichsam rudern, und spielen... Die16. Floß-Federn haben, wie Baum-Blätter in derMitte einen Grad, an welchem an jeder Seiteneben hinaus 7. Ribben gehen, die am Ende wie-der gabeln machen...“ (S. 30).Damit sind unzweideutig Eintagsfliegenlarvengemeint (vgl. Abb. 6).Dann geht es aber weiter „Die Fliege so darauskommt, ist schwarzbraun; hat bey 50. Absätzean den Fühl-Spitzen; ein breites Halsband; kur-zen Hinterleib; und schwarze Adern oder Rib-ben in den doppelten Flügeln. Auf der anderenPlatte die XIIIte Tabelle (es ist aber die XIV;Verf.) ist, die einige Ufer-Aaß heissen; n.1. DieFliege oder Art von Ufer-Aaß. 2. Ein Unterflü-gel. 3. Ein Oberflügel. 4. Der Wurm vor der

letzten Häutung . 5. Ein paar Floßfedern dessel-ben“ (FRISCH 1730 b, S. 30-31).Die Imago gehört nicht zu der beschriebenenEintagsfliegenlarve. Die abgebildeten Vorder- undHinterflügel haben nach FRISCH schwarze Adern.Ferner zeigen sie viele, gleichmäßig angeordnetesubcostale Queradern. Diese Flügelnervatur istbei Netzflüglern (Überordnung Neuropteroidea)verbreitet und kommt in ihrer schwarzen Vari-ante ausschließlich bei Schlammfliegen der Gat-tung Sialis (Ordnung Megaloptera) vor. Beide,Schlammfliegen und Eintagsfliegen, leben imselben aquatischen Biotop, was die Verwechs-lung erklären kann.

1Die lang gestreckten, den Hinterleib verdecken-den Flügel und insbesondere die konkave Formder distalen Flügelränder, sowie die auffälligeÄderung sprechen sehr für eine Köcherfliege.

§ XVIIJeder, der die ältere Literatur kennt [ein alterBesitzer gewesen ist], hat den vierten Schmet-terling auf Tafel II, Bild 22, als JOHNSTONsSchmetterling erkannt, der auf Tafel VI, vor-letzte Reihe rechts1, abgebildet ist. Derselbeist auf Tafel 10 bei ALDOVANDRI 2 unter derZiffer vier aufgeführt. Aber wahrlich geste-hen wir auch diesem einen Platz zu, wir be-stätigen dies und glauben nicht, dass diesüberprüft werden müsse [nachdem wederkeine Bestätigung unsrerseits, noch ein Zwei-fel daran hinzugefügt worden ist, seine Mei-nung zu überprüfen].

1 Abbildung und dazugehöriger Text aus JONSTO-NUS (1657) waren uns nicht zugänglich.

2 Diese Tafel befindet sich im zweiten Buch imersten Kapitel, das von Schmetterlingen handelt(„De papilionibus“) auf Seite 251. Zu Bild 4 (s.Abb. 6 rechts) schreibt der Autor (einige Buch-staben waren unleserlich, z. T. ergänzt): „Quar-tus aluo quoque luteo est, sed magis ad croceumaccedit, & punctis notatur in medio deorsumdescende.tibus at.e rimis. Alae internae ejusdemcum aluo sut coloris, & similibus quoque punctismaculantur; exteriores leviter pallideq; lutescunt,tergus, & antennae colore sunt ferrugineo, pedescroceo (ALDOVANDRI 1638, S. 250).

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(Der vierte hat einen gelben Körper, mehr wieSafran, und er ist in der Mitte durch abwärtsziehende Punkte und Kerben (sehr wahrschein-lich „atque rimis“) gekennzeichnet. Währendseine inneren Flügel wie der Körper gefärbt sindund auch mit ähnlichen Punkten gefleckt sind,<sind> die äußeren leicht und blass, sie sind gelb-lich-braun (eigentlich: sie werden kotig), Rückenund Antennen eisengrau, Beine safrangelb).

§ XVIIIWir schicken uns nun an, die mittelgroßenSchmetterlinge, die auf den Bildern 23-26der Tafel II dargestellt sind, zu betrachten.Was den ersten von diesen angeht, <so>ist er ganz schwarz; er hat zudem Flügel,die den Körper beträchtlich überragen.Wenn jemand diesen aufgrund der Abbil-dung als „musca ephemera“ ansprechen wird,oder zumindest als einen dieser <musca>ähnlichen <Schmetterling>, wird er das tunkönnen, ohne dass wir widersprechen.Wenn wir unserer Untersuchung einiger-maßen vertrauen, scheint man den zweiten<Schmetterling> zur Schar jener rechnenzu müssen, die dem Licht zufliegen, ob-gleich man mehrere Schmetterlinge diesemBild zuordnen kann. Der dritte schließlichähnelt bloß einer kleinen Fliege und <ist>vergesellschaftet mit mehreren, winzigenanderen Mottenabkömmlingen. Davonweicht auch der vierte und letzte nicht ab,obgleich sie sich zumindest in einer unter-schiedlichen Lage zeigen, jener vorwärts ge-neigt mit Flügeln, die den Körper bede-cken, dieser auf dem Rücken und mit nie-dersinkenden Flügeln.

§ XIXEndlich präsentieren wir zum Schluss [denZug schließend] auch die kleineren und klein-sten Schmetterlinge, zusammengefasst aufTafel II, Bilder 27-30, der persönlichen Be-trachtung des Lesers. Sobald ich nämlich derMeinug war, alle diese zur Verwandtschaft derkleinen, von Motten abstammenden Nacht-schmetterlinge rechnen zu müssen, auch diebeiden Erstgenannten, freilich in einem

Klumpen vereint und unter diesen <Nacht-schmetterlingen> ganz vorzügliche, dann<auch> die auf den Bildern 28 und 29 we-gen <ihres> zierlichen Baues gezeigten, undden Erstgenannten relativ ähnlich, undschließlich die letzten scharenweise zusam-men mit einer vortrefflichen winzigen Spin-ne eingebettete1, wird ein flüchtiger Blick ihn<den Leser> lehren, dass er kleine Schmet-terlinge der winzigsten Art vor sich hat.

1 Bild 30 (Abb. 9) zeigt einen kleinen Teil einesKöcherfliegenschwarmes, der offenbar währenddes Hochzeitsflug – ein Verhalten, das von vie-len Trichopteren-Arten bekann ist – eingeschlos-sen wurde. Im Bernstein entspricht diese An-sammlung einer homogenen Taphozönose, alsoeiner Grabgemeinschaft, bei denen Individuennur eines Taxon eingeschlossen sind. Manchmalkommen auch zwei oder drei Trichopteren-Ar-ten in einem Inklusenstein vor; doch dann han-delt es sich meist um eine homogene Taphozö-nose mit weiteren aquatischen Insekten, die mitihrer Grabgemeinschaft eine aquatische Biozö-nose aus Gewässern im eozänen Bernsteinwaldrepräsentieren (WICHARD 2009).

§ XXWir fügen zum Schluss, wie üblich, die ande-ren Schmetterlinge hinzu, die unsere Ge-schichte nicht unerheblich bereichern, und dieauf den Bildern 31 und 32 der Tafel II inKupfer gestochen sind. Und man wird kaumirren, wenn man besonders dem Erstgenann-ten allein von allen, wie viele wir auch bis jetztgesehen und durchmustert haben, einen Platzbei den „Weißlingen“ („albiduli“) und „Hand-werkern“ („cerdones“) einräumt (wir sind vonSWAMMERDAM darüber belehrt worden, dassdie Tagschmetterlinge von den Holländernso genannt werden)1, sobald die weit ausge-breiteten Flügel und deren weiße Farbe mitdazwischen verstreuten schwarzen Pünktchenseine Schönheit und Stellung mehr als genugpreisen und rechtfertigen. Was aber das übri-ge elegante Äußere des eingeschlossenen Tier-chens bezeugt, das mag man von den befie-derten Antennen, dem Kopf, der mit eben-

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solchen Federchen geschmückt ist, und den„bestäubten“ Flügeln, das heißt, aus densel-ben Federchen bestehend, herleiten, obwohlwir diesen ganzen Schmuck nicht mit unbe-waffnetem, sondern eher mit bewaffnetemAuge aufdecken müssen, mit dessen Hilfewir auch besonders auf der anderen Seite desKlumpens auch den eingerollten Rüssel se-hen konnten.

1 In der holländischen Ausgabe der „Historia gene-ralis insectorum“ heißt es hierzu: „...de selve sijn,voor eerst de c. Capellen die by dag vliegen/ anders ook, Flinders / ende Pennevogels /genoemt. Sijnde vorders haare besondere naa-men niet meer in onse taale als twee of trie; alsdie van Witkens ofte Booter capellen / endeSchoenlappers“ (...) (SWAMMERDAM 1969, S. 128).(...dies sind vornehmlich die c. Kapellen, die beiTag fliegen (Erklärung am Rand c. Papiliones diur-ni = Tagschmetterlinge), anders auch Flindersoder Pennevogels genannt. Es gibt vorderhandvon ihnen nicht mehr als zwei oder drei spezielleNamen in unserer Sprache, wie Witkens (Weis-slinge), Booter capellen (Bootsbauer) und Scho-enlappers (Schuster).In der lateinisch-holländischen Ausgebe hat diesePassage den gleichen Wortlaut, in der lateinischenÜbersetzung sind es die Belgier, welche dieSchmetterlinge Vlinders und Pennevogels nennen,und die Witkens heißen „albuli“, die Booter capel-len „papiliones butyraceorum“ und die Schoenlap-pers „cerdones“ (SWAMMERDAM 1737, S. 551).

§ XXIIndem wir uns vergegenwärtigen, dass <uns>Schmetterlinge von dieser Gestalt und diesemBau im Sommer beinahe immer begegnen,<und zwar> wahrlich im Überfluss, der den-noch nicht schadet, wollen wir uns mit derFrage seiner <des eingeschlossenen Schmet-terlings> Entstehung befassen. Wie auch im-mer eine eine solche < Frage> den Oedipusnötig hat, wollte man sie freilich erschöpfendbeantworten, muss sie dennoch nicht als völ-lig unbeantwortbar [dunkel] bezeichnet wer-den; da es uns ausreichen zu können scheint,die Entwicklung des Schmetterlings, der demEingeschlossenen ähnlich ist, aufzudecken,

wenn wir nicht seine selbst <Entwicklung deseingeschlossenen Schmetterlings> vortragenwollen, gleichsam als eine Angelegenheit, beider wir den Nagel auf den Kopf getroffenhaben [als eine mit der Nadel berührte Sache].Während wir darüber nachdenken, kommen<uns> zugleich jene in den Sinn, welche wiroben* anlässlich der winzigen, von kleinenRaupen abstammenden Fliegen studiert ha-ben. Wir werden die Phänomene seiner Ab-stammung2, die nun freilich in geeigneter Wei-se teils wiederholt, teils ergänzt werden müs-sen, zur Erklärung heranziehen. Zweifelsoh-ne ging das Jahr zu Ende und was alles brach-te es in den Monaten Juli und August hervor;wir sahen beinahe überall kleine weißlicheSchmetterlinge. Als wir deren Ursprung zu er-gründen suchten, ergab sich eine Gelegenheitvor aller Augen, die uns freilich alle als Garten-liebhaber schmerzte, weil wir sahen, dass dieBäume, uns ein angenehmer Anblick, vonWürmern ihres grünen Kleides beraubt wa-ren. Mit welchem Aussehen dieselben im Hin-blick auf Form und Farbe gleich sind, solangesie jüngere sind, und welche unterschiedlichenNachkommen die Erwachsenen nach vollzo-gener Umwandlung erzeugen, <das> habenwir schon damals gesagt, weil wir angegebenhaben, dass aus den einen winzige Ichneu-monen-Fliegen3, aus anderen aber Wespen ent-stehen. Letztere freilich bewunderten wir alle,da sie mit einem runden Köpfchen ge-schmückt sind, mit sehr langen und sehr be-weglichen Antennen, mit einem grazilen undzarten Körper, und diesem zarteren „Faden“,der Thorax und Abdomen verbindet. Wirmussten noch über die kleinen Puppen [chry-sales] reden, die auch diesen Lebensraum be-setzen. Freilich sahen wir aus den Aufbewahr-ten nach einiger Zeit weiße Schmetterlingeschlüpfen, versehen von hier und von dort<auf beiden Seiten> der Flügelflächen mitwinzigen Pünktchen. Und wenn wir jemalssagten, dass der Schmetterling, den wir hierbeschrieben haben [dieses Schlages] unser ein-geschlossener ist oder dass er diesem einiger-maßen ähnlich ist, sind wir mit unserer Ent-

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scheidung nicht weit von der Wahrheit ent-fernt. Aber wir bekennen freimütig, dass wirfreilich auch in einer zumindest unsicherenAngelegenheit geurteilt haben. Wenn einer vonirgendwelchen <Leuten> den Einschluss all-gemeiner bewertet hat, nachdem das Urteilunterdessen nicht beachtet worden ist4, undandere ein zutreffenderes Urteil fällen, werdenwir uns diesem freilich weniger widersetzen.

* siehe oben Kapitel IV „De muscis ordin.“ §.LXVIII.

1 Siehe Abschnitt 3, Die Sprache der „Historiasuccinorum“.

2 Offenbar des oben erwähnten in Bernstein ein-geschlossenen Schmetterlings.

3 Wohl Schlupfwespen.

4 Die Übersetzung ist nicht ganz klar, vor allemdas „in pratensium, magisque vulgarium censum refer-re“, das wörtlich etwa mit „in eine auf der Wiese

befindliche, und eher allbekannte Zensuslisteeintragen“ zu übertragen wäre.

§ XXIISo viel aufgrund der günstigen Gelegenheit,<die uns dieser> auserlesene Schmetterling<geboten hat>; wenn wir uns bei dessenBetrachtung etwas länger aufgehalten haben,werden wir uns bei dem nächsten kürzer fas-sen. Weil dieser nämlich im Hinblick auf sei-nen vortrefflichen und zierlichen Bau deut-lich sichtbar aus einem entsprechend vortreff-lichen Klumpen leuchtet, kann er, sogar hin-länglich als stumme Person agierend, für sichselbst sprechen. Wenn man <ihn> also einst-weilen mit uns entweder zu den Schmetter-lingen stellt, die dem Licht zufliegen, fast vongleicher Gestalt wie etliche aus dem Licht her-beifliegende, oder <ihn> als Fliege bezeich-net, nicht unähnlich der von GOEDAERT *1

gezeichneten, wird das völlig richtig sein.

* Siehe Tafel III an erster Stelle im Appendix.

146 HARTMUT GREVEN & WILFRIED WICHARD

1 In der von uns eingesehenen Ausgabe gibt eskeinen Appendix; auf Tafel III sind eindeutigoben, also an erster Stelle, eine Raupe und dannein Schmetterling abgebildet (s. Abb. 11 links),auf der darauf folgenden Tafel IV findet sichallerdings zuerst eine Fliege. Beide haben wenigÄhnlichkeit mit dem Bild 32 auf SENDELs TafelII.Nachdem GOEDAERT (1662) unter „Experimen-tum III“ (S. 38 ff) über die Raupe und ihre Nah-rung gesprochen hat, fährt er fort (S. 39): „HaecEruca ad transformationem se accinxit sexto Junii, in-que ea permansit dies quatuordecim, & tunc ex ea prodi-it papilio albus, cujus effigies expressa est in tabulatertia ad litteram B. Post dies aliquot semen suum ejecit,atque in vita permansit dies viginti & quatuor, absqueullo alimento“. (Diese Raupe begann am sechstenJuni mit der Umwandlung und blieb darin vier-zehn Tage, und dann kam aus dieser ein weißerSchmetterling hervor, dessen Bild auf Tafel III Bzu sehen ist. Nach einigen Tagen gab er seinen„Samen“ ab, und blieb <noch> 24 Tage ohne jedeNahrung am Leben).Von den Larven der Fliegen steht unter „Experi-mentum IV“ (S. 40), dass man sie auf Latrinenfindet und dass sie aus menschlichen Exkremen-ten entstehen („invenitur in latrinis, originem habensex hominum excrementis“).

§ XXIIIDie restlichen Klumpen auf den letzten Bil-dern 33 und 34 sind nicht weniger betrachtens-wert. Der erste, zweimal, mit den Buchstaben aund b gekennzeichnet, zeigt einen kleinen wohlgenährten Schmetterling mit ausgebreitetenFlügeln, welche die frühere weiße Farbe im gel-ben <Bernstein> bewahrt haben, wie leicht zuerkennen ist. Es gibt indessen jedoch auf derSeite a, welche die Oberseite dieses <Schmetter-lings> zeigt, einige Reste des Mundes und desRüssels wie auch der Beine; in b aber sieht manden kleinen weißen Körper von der anderenSeite. Wenn man übrigens fragen wird, welcherArt von Schmetterlingen wir diesen zurechnenwollen, werden wir denselben zwanglos in dieReihe jener stellen, die aus den Raupen entste-hen, welche Blätter zusammenziehen++.

++ Gemeint sind offensichtlich Vertreter der Tor-

ticidae, deren Raupen in eingerollten und zu-sammengesponnenen Blättern leben („Wickler“).

§ XXIVDer letzte <Klumpen> zeigt zwei kleineeingeschlossene Schmetterlinge von brau-ner Farbe, die darum zu den „Motten-schmetterlingen“ gestellt werden müssen,was außer der Farbe auch ihre nebenbeibetrachtete Gestalt lehrt. Unterdessen wirdes auch sein, dass man eine Abbildung die-serart Schmetterling, der nicht sehr von demeinen der Eingeschlossenen abweicht, beiGOEDAERT*1 findet. Auf diese und zugleichauf die Entwicklung dieses <Schmetter-lings>, vom Autor sorgfältig erläutert, wol-len wir dich verweisen.

* Siehe l.c. Nummer LXII, S. 153.

1 Es handelt sich mit ziemlicher Sicherheit nichtum die Tafel mit der Nummer LXII. Auf diesersind kleine Räupchen abgebildet (GOEDAERT

1662), über die er unter „Historia LXII“ (S. 141,142) schreibt, dass er nicht herausbekommenhabe, was sie fräßen und sie daher letztendlicheingegangen seien. Vielleicht ist Tafel LXXII(Abb. 11 rechts) gemeint (s. den ausführlichenKommentar unter § XXVI).

§ XXVUnd so haben wir, wie wir glauben, derBeschreibung der eingeschlossenenSchmetterlinge Genüge getan, so dass wiruns der Betrachtung anderer Insekten zu-wenden könnten; wenn nicht vielleicht dieeine oder andere Frage, die man zur Insek-ten- und ebenso zur Bernsteinkunde stellt,und die hier an Ort und Stelle beantwortetwerden muss, anzeigte, dass man inne hal-ten muss. Es würde darunter besondersdie nicht unwichtige [nicht der niedrigstenBank] Frage beantwortet werden müssen:Warum es wohl eine so große Menge vonSchmetterlingen, besonders der kleineren,in Bernsteinen gibt, da man man doch ih-ren Entwicklungsmodus an der öden Kü-ste nicht erkennen kann?1

Bemerkungen zum Kapitel „De papilionibus“ aus der „Historia succinorum“ 147

Entomologie heute 22 (2010)

1siehe die Anmerkung 3 in § II

§ XXVIAber wir wollen doch selbst diesen Zweif-lern, denen nur allein die Entwicklung jener<kleinen Schmetterlinge> bei unseren Korn-kammern zwischen dem Getreidevorrat be-kannt ist, erwidern, dass diese <Entwick-lung> auf verschiedene und tausend Art undWeisen und auch an verschiedenen Orten,Küsten nicht ausgenommen, erfolgreich ist,da offenbar die ehrwürdigsten Reiche, dasTier- und das Pflanzenreich, diese <Entwick-lung> begünstigen. Daher werden für einegünstige Entwicklung dieser <kleinenSchmetterlinge> aus dem Tierreich Wolle,oder aus dieser verfertigte Kleider, Felle, Le-der, Fasern, Haare, Federn, und Fleisch** zurVerfügung stehen, oder schließlich alles, wasauch immer man an Masse aus diesem über-großen Vorrat benennt, in welche die Schmet-terlinge als zukünftige Nahrung ihrer Jungenje nach unterschiedlichem Geschmack ihre Eierlegen können. Daher werden dann <auch>aus dem Pflanzenreich Bäume und deren Rin-de, Blätter, zerfressenes Holz und auch ver-schiedenen Kräuter zur Verfügung stehen,während andere eher Näschereien lieben. Wirddann schließlich auch zur Verfügung stehen,was man aus dem Mineralienreich selbst ent-nimmt? Verschiedenen Erden und durchVermodern angesammelter Staub, ja sogarjene rindigen Hölzer fast des gesamten Stran-des, dergleichen wird man kaum als ungeeig-net für die Entwicklung dieser <Schmetter-linge> ansehen. Angenommen, man verbin-det daher die so große Menge von Schmet-terlinge, besonders der „Mottenschmetterlin-ge“, und die der in Bernstein Eingeschlosse-nen, wen gibt es, der dann wohl nicht diesenSachverhalt für ausreichend hält?

** Wenn wir die aus aus dem Fleisch, oder besserim Fleisch entstandenen kleinen Schmetterlingeerwähnen, haben wir wieder an jenen Schmet-terling gedacht, welchen GOEDAERT+ aus dem inVerwesung übergegangenen Hoden einer Berg-

ente beobachtet hat. Wenn wir dessen Beobach-tung genauer abwägen, werden wir kaum glau-ben, dass derselbe aus der Verwesung des vorhererwähnten Hodens hervorgegangen ist, wenn wirmeinen jemals jene feuchte Verwesung verstan-den zu haben [wenn wir wollen, dass jene feuch-te Verwesung verstanden worden ist], welcheallerdings den Würmern, aus denen Fliegen ent-stehen, nicht aber den Motten oder Raupen an-genehm zu sein pflegt. Dass der Autor eigentlichirgendeine Verwesung des Fleisches mit einerAustrocknung oder seine Umwandlung in tro-ckenen Schimmel wahrgenommen hat, scheinteher der Wahrheit zu entsprechen, ja sogar vondiesem <Autor> selbst bewiesen worden zu sein,weil er hinzufügt, dass nach wenigen Tagen die-ses Vorgangs++ Raupen, oder vielmehr Mottenin den Federn der Ente verstrickt waren. Im üb-rigen befallen Würmer nach Meinung des Autorsweder < das Fleisch> der Ente, noch irgendwel-ches andere Fleisch, wenn nicht durch die tieri-schen Eltern „Samen“ in dieses Fleisch, <d.h.>in die zukünftige passende Nahrung, gebrachtworden sind, wie wir, unterrichtet von einervernünftigeren Philosophie, schon oben ange-merkt haben.

+ Wir zitieren diese Passage nahezu vollständig –SENDEL gibt lediglich „GOEDARTIUS l. c.“ an –,weil sie sich möglicherweise auch auf die Fuß-note unter § XXIV auf diesen Absatz und diedazugehörige Abbildung bezieht, obgleich SEN-DEL für die Abbildung dort die Nummer LXIInennt.Unter „Experimentum LXXII“ (S.161-163)steht:„Eruca tabulae LXXII. ex putrefacto testiculo anatismontani. Inque eo testiculo tam diu vivit ac ullum ali-mentum possit ibi invenire, omniaque consumpta sint.Postea aleam formam asssumere coepit vigesima-nonadie Maii 1659, modumque transmutationis exhibui inmedio inter erucam & papilionem ex ea exortam intabula ad numerum 72. hanc transmutationem subeuntin anatum plumis ita convolutae atque abscondite eru-ca, ut nihil preter exiguum foramen capiti relinquatur ,per quod facta mutatione, papilio exire possit. Seprimadie Junii anni 1659 ante descripta eruca formam ha-buit exigui papilionis aut tineae ad numerum 72 deli-neate. habet haec tinea suam elegantiam, atque intervolandum laetatur admodum, variisque utitur corporisconvolutionibus ac conversionibus aspectu jucundis.Haetineae vivant, nisi arenearum reticulis captae devoren-

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tur. Lucem fugiunt, & loca querunt abstrusa & obscu-ra, latent etiam nonnunquam in hortis sub herbarumfoliis: delectatntur enim rore, & aluntur humore tenuiex herbis & floribus nonnullis exsudante, veluti &muscae quaedam: hyeme se abscondunt, & in ruinis,domibus aliisquein locis delitescunt. Hae tineae vivant,nisi arenearum reticulis captae devorentur. Lucem fu-giunt, & loca querunt abstrusa & obscura, latent eti-am nonnunquam in hortis sub herbarum foliis: delec-tatntur enim rore, & aluntur humore tenui ex herbis& floribus nonnullis exsudante, veluti & muscae qua-edam: hyeme se abscondunt, & in ruinis, domibus ali-isquein locis delitescunt.Ex hac historia nonnulli conjecturam faciunt, an erucahujus tabulae ante transmutationem suam perfectamformam umquam fuerit adepta, ac non potius factademum transmutatione, nata censeri debeat. Quia us-que ad illud tempus permansit in loco exortus sui, ibi-que alimentum sumpsit, sicut embryones in utero, &pulli gallinarum in ovis solent.” (GOEDAERT 1662, S.161-163).(Die Raupe auf Tafel LXXII <stammt> aus ei-nem in Verwesung übergegangenem Hoden ei-ner Bergente. Sie lebt so in diesem Hoden eineWeile und kann wohl dort irgendeine Nahrungfinden und alles mag wohl verbraucht wordensein. Später, am 29. Mai 1659, hat sie begonneneine andere Gestalt anzunehmen, und ich habedie Art der Veränderung in der Mitte zwischenRaupe und dem aus <Raupe> hervorgegange-nen Schmetterling auf der Tafel in Bild 72 dar-gestellt. Diese Veränderung beginnen die Rau-pen (eruca statt erucae!), die so in den Federnder Enten verwickelt und verborgen sind, dassnichts außer einer kleinen Öffnung für den Kopfbleibt, durch die nach der Metamorphose, derSchmetterling herauskommen kann. Am siebten(sehr wahrscheinlich septima statt seprima, Verf.)Juni 1659 hatte die beschriebene Raupe die Ge-stalt eines kleinen Schmetterlings oder einerMotte, bei Nummer 72 abgebildet. Diese Mottezeigt ihre Eleganz und freut sich sehr beim Flie-gens, fliegt umher und macht Kapriolen [treibtsich herum und dreht sich]), was ergötzlich an-zusehen ist. Diese Motten werden wohl am Le-ben bleiben, es sei denn, sie werden, gefangen inSpinnennetzen, gefressen. Sie fliehen das Lichtund suchen verborgene und dunkle Örtlichkei-ten auf, verstecken sich auch manchmal in Gärtenunter den Blättern von Pflanzen: Sie erfreuen sichnämlich am Tau und ernähren sich von dem gerin-gen Saft, der von etlichen Kräutern und Blumen

ausgeschwitzt wird, ganz wie gewisse Fliegen: imWinter verbergen sie sich in Ruinen und verkrie-chen sich in Häusern und sonst wo.Aufgrund dieser Geschichte vermuten manche,ob die Raupe auf dieser Abbildung (Tabula) ihrevollkommene Gestalt jemals vor der Metamor-phose angenommen hat und nicht danach (undnicht vielmehr dann erst, wenn die Veränderungeingetreten ist), und <daher> als Geborene an-gesehen werden müsste. Weil sie bis zu jener Zeitam Ort ihres Ursprungs geblieben ist, und dortNahrung verbraucht hat, so wie üblicherweiseEmbryonen im Uterus und Küken im Ei vonHühnern.

++ Die vorgeschlagene Übersetzung von „post pau-ca istiusmodi“ ergibt sich aus dem Text von GO-EDAERT, der beschreibt, dass bis zur Metamor-phose der im Hoden beobachteten Raupe nurknapp 10 Tage vergangen sind (29. Mai - 7. Juni).

§ XXVIIDa wir also genug Gründe angeführt haben,die dafür sprechen, dass kleine Schmetterlingeleicht in flüssigen Bernstein gelangen können[welche wollen, dass der Weg in den flüssigenBernstein den kleinen Schmetterlingen nichtverschlossen ist <und> anzeigen, dass diesersehr weit offen steht], nehmen wir uns mutigvor, auch ein anderes Phänomen im Hinblickauf eben diese Anwesenheit jener <Schmet-terlinge> im Bernstein zu ergründen, und eineandere Frage zu beantworten: Welche Jahres-zeit denn ein solcher Einschluss von kleinenSchmetterlingen wohl anzeigt? Wie auch im-mer wir die Thematik [die Materie des Ein-schlusses] nach unserem Plan behandeln wer-den, so können wir sie wegen dieser so beson-deren Gelegenheit nicht völlig ignorieren [un-berührt zurücklassen], indem wir wenigstensbeiläufig mit wenigen Worten dies sagen, dassvor allem auch der Einschluss dieser kleinenSchmetterlinge für die Sommerzeit spricht.Wenn wir nämlich sehen, dass diese als Flie-gende eingeschlossen und mit Flügeln verse-hen sind, die sie, wie wir wissen, im Wintergewiss nicht haben*, wird allein auf dieserGrundlage die Theorie derer widerlegt, welcheerklären, dass die im Winter Spalten und

Bemerkungen zum Kapitel „De papilionibus“ aus der „Historia succinorum“ 149

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Schlupfwinkel an der Küste aufsuchendenInsekten von flüssigem Bernstein eingehülltwerden. Vielmehr wird unsere <Theorie>, inder wir ausgearbeitet haben, dass diese <Schmetterlinge> in offen und unverhüllt daliegendem, flüssigem Bernstein eingeschlos-sen werden, in noch stärkerem Masse gestützt.Aber all dies wird weiter unten vollständigerzugänglich sein. Jetzt werden wir, durch denGesang der Grillen angelockt, zu deren Be-trachtung abberufen.

* Wenn wir gesagt haben, dass die „Mottenschmet-terlinge“ im Winter keine Flügel haben, müssenwir GOEDART+ als jemanden nennen, der unserernahezu Aussage widerspricht. Er, der an der schonfrüher aufgeführten Stelle den vorher genanntenkleinen Schmetterling als einen beschreibt, der dasLicht flieht, und dunkle und verborgene Plätzeaufsucht, bemerkt über denselben <noch>, dasser sich im Winter verberge und sich in Ruinen,Häusern und anderen Örtlichkeiten verstecke.Wenn er also meint, der Schmetterling tue das in

seiner früheren Gestalt, scheint er des Irrtumsüberführt zu sein, da wir nun einmal aufgrundunserer Beobachtung gelernt haben, dass keinerdieser Schmetterlinge weder Flügel noch Beinebehalten hat, sondern dass sich alle, nachdem siediese abgeworfen haben, in einer Theca (Hülle)verborgen haben. Und nicht anders beschreibtMOUFFET (l.c. 2. Buch, Kap. XXVII, p. 274)++

diese Entwicklung, weil er sagt, dass sich jeneMotte, verhüllt oder herabhängend, unter Verlustihrer Flügel und noch dazu der Beine an einemFaden vermittels des Schwanzes aufhänge. Indes-sen irrt er sich hier wohl auch gewaltig, weil erglaubt, dass sie <die Motte>, nachdem ihr Kör-per beschädigt und verwest ist, wiedergeborenwird. Denn die Schmetterlinge oder Phalaenae, dielebend in ihrer Theka (Hülle) in Gestalt eines Wur-mes verborgen sind, um Beschädigungen durchdie Luft, zu vermeiden, die steigen mit nahendemSommer nach vollendeter Metamorphose als flie-gende Tiere in die freien Lüfte empor.+ Es handelt sich hierbei um die in der Fußnotezu § XXVI behandelte Passage „ExperimentumLXXII“ (GOEDAERT 1662).

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++ Das Kapitel XXVII ist mit „De Tinea vestifera“überschrieben. Auf Seite 274 steht u.a.: „Estitem Tinea quaedam pendula, vel tunicata (inquit Pli-nius : ) tunicam suam sensit attrahens, ut cochleae te-stam; qua spoliata statim expirat: si vero nimium ex-creverit tunica , in chrysalidem abit, ex qua Phalaenaquaedam exigua stato tempore erumpit. Haec speciesfilo appensa in aedibus pendula aliquandiu, manet an-tequam in aureliam mutatur. Caput huic nigricans &exiguum; reliquum corpus obscure ex fusco albicat. The-ca ejus oblonga , ex aranea fere composita, non omninoteres, sed leviter compressa, & utraque in extremitatenonnihil hirsuta. Phalaenae inde natae, summis aedibusper pedes adhaerent, donec corrupto ac putrefacto corporeiterum nascuntur : putrescente jam corpore alisque &pedibus ultro cadentibus, filo per caudam sese suspend-unt. Tandem Thecam acquirunt, ac in hanc Tineae spe-ciem vertuntur” (MOUFETUS 1634).(Das ist sozusagen eine hängende Motte oder (wiePlinius sagt) eine bekleidete: Man sieht sie ihreHülle tragen, wie die Schnecken <ihre> Schale;

der Hülle beraubt, stirbt sie sogleich: wenn dieHülle sich aber weiterentwickelt hat, geht sie ineine Chrysalis (Puppe) über, aus der nach einerbestimmten Zeit eine kleine Phalaena schlüpft.Diese Species an einem Faden in Häusern hän-gend, bleibt (dort) eine Zeitlang hängen bevor siesich in eine Aurelia verwandelt. Ihr Kopf istschwärzlich und klein: Der übrige Körper schim-mert undeutlich aus dem Dunkelbraunen hervor.Ihre Theca (Hülle) ist länglich, gewöhnlich ausSpinnseide gemacht, nicht ganz rund, sondern leichtabgeplattet, und an beiden Enden etwas behaart.Die daraus entstandenen Phalaenae hängen mit denBeinen solange oben an den Häusern, bis sie, nachZerstörung und Verwesung ihres Körpers, wie-dergeboren werden. Während der Köper bereitsin Verwesung übergeht und Flügel und Beine ab-geworfen werden, hängen sie sich mit einem Fa-den vermittels des Schwanzes auf. Letztendlichbilden sie eine Theca (Hülle) und werden in besag-te Mottenart verwandelt.)