schraubertipp - polo motorrad · komplette sets mit lager und dichtringen gibt es in...

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Technik-Hotline: 02165/8440-500 Nr. 11: Reibungsloser Lagergleiter Schraubertipp Fotos: Andreas Prinz Präsentiert von und Andreas Prinz Lenkkopflager haben einen enormen Einfluss auf die Fahrei- genschaften eines Motorrads. Zu lose eingestellt können sie zum gefürchteten Pendeln führen, eingelaufene, korrodierte oder zu fest sitzende Lager beein- flussen das Kurvenverhalten. Es sind Verschleißteile und nicht umsonst gehört ihre Kontrolle zu den wichtigsten Prüfkriterien von TÜV und DEKRA. Los geht´s: Die Hutmutter wird am besten ge- löst, so lange die Gabelholme noch drin sind Spart Arbeit: Wer einen Haken in der Decke hat, kann die Lenkergruppe daran aufhängen Zentralmutter: Hier hilft am besten ein Haken- schlüssel Das Lenkkopflager besteht grundsätzlich aus zwei Hälf- ten, der oberen und dem unteren. Sie sind entweder als Kugel- oder als Kegelrollenlager ausgelegt. Will man das Lenkkopflager prüfen, stellt man das Motorrad zu- nächst auf den Hauptständer und sorgt dafür, dass das Vorderrad entlastet ist. Jetzt stellt man sich vor das Rad und fasst an die unteren Enden der beiden Gabelholme und bewegt diese leicht vor und zurück. Ist dabei kein Spiel zu fühlen, ist das Lager zumindest nicht zu lose eingestellt und hat den ersten Test bestanden. Die weitaus häufigere Verschleißerscheinung aber sind die so genannten Rastermarken. Da die Lenkung eines Motorrads mehr als 90 Prozent der Zeit in Geradeaus- stellung steht und die Kugeln bzw. Rollen die Lager- schalen somit immer an der gleichen Stelle berühren, entstehen hier kleine Vertiefungen. Um dies zu prüfen, fasst man jetzt den Lenker an einem Ende behutsam mit Daumen und Zeigefinger an und dreht ihn ganz langsam hin und her. Hat man das Gefühl, der Lenker will in der Mittelstellung einrasten, so sind die Lager auf jeden Fall hinüber und schleunigst zu erneuern. Komplette Sets mit Lager und Dichtringen gibt es in Erstausrüsterqualität bei POLO. Ausbau der Gabelbrücken Zunächst muss das Motorrad auf dem Hauptständer stehen und das Vorderrad entlastet sein. Theoretisch könnte der Tank am Motorrad bleiben. Da man aber viel im Lenkbereich schrauben wird, ist es sinnvoll, ihn zu demontieren. So verhindert man, dass ein abrutschendes Werkzeug hässliche Spuren hinterlässt. Als nächstes kontrolliert man, ob und wie weit die Gabelrohre an der oberen Gabelbrücke durchgescho- ben sind. Dieses Maß sollte für die spätere Montage aufgeschrieben werden. Danach erfolgt der Ausbau des Vorderrads sowie aller Bauteile, die mit den Gabelbrücken oder den Gabel- holmen verbunden sind. Dazu gehören in der Regel der Kotflügel, der Gabelstabilisator und die Brems- sättel. Häufig sind die Bremsleitungen an der unteren Gabelbrücke verschraubt. Entsprechende Halterungen sind zu lösen. Aber bitte nur die Halterungen lösen, niemals die Bremsleitungen selber. Die jetzt an den Bremsleitungen hängenden Bremssättel können mittels Spannbändern irgendwo fixiert werden und stören somit nicht mehr. Nun löst man zunächst die zentrale Mutter bzw. Überwurfmutter der oberen Gabelbrücke. Da die Gabelbeine noch eingebaut sind, kann man dies gegen den Lenkanschlag machen und braucht so nicht am Lenker gegenzuhalten. Jetzt können die Klemmungen der Gabelholme an der obe- ren und unteren Gabelbrücke gelöst und die Holme komplett nach unten herausgezogen werden. Will man sich die Demontage von Lenkerarmaturen, Brems- und Kupplungshebel, Lenker, Instrumenten und Lenkschloss ersparen, sollte man sich eine Mög- lichkeit suchen, die ganze Einheit mitsamt oberer Gabelbrücke mit Hilfe von Spannbändern etwa an der Garagendecke aufzuhängen. Fast immer lassen Züge und Kabel soviel Spielraum, dass man ausreichend Platz für die weiteren Arbeitsschritte hat. Ist dies nicht möglich, müssen alle genannten Bauteile demontiert werden. Danach hat man die obere Gabelbrücke freigelegt und kann sie abnehmen. Jetzt haben wir die zentrale Befestigungs- und Einstell- mutter vor uns. An diesem Punkt sollte man sich den Spaß gönnen, die untere Gabelbrücke nochmals hin- und herzudrehen. Denn ohne das Gewicht von Gabelbeinen und Vorderrad fühlt man die Neigung zum Einrasten in der Mittelstellung noch viel deutlicher. Gab es vorher noch leise Zweifel, weiß man spätestens jetzt, dass sich die Reparatur lohnen wird. Die Mutter wird mit einem Hakenschlüssel oder einem Schraubendreher gelöst und abgenommen. Unter der Mutter findet man noch eine Staubschutzscheibe, die den Eintritt von Schmutz und Wasser ins Lager verhindern soll. Die Einbaulage dieser Scheibe bitte merken. Beim Lösen der Mutter muss man die untere Gabelbrücke unbedingt mit der anderen Hand abstüt- zen, um ein Herausfallen und eventuelle Beschädigun- gen zu vermeiden. Das obere Lager kann jetzt aus dem Lenkkopf herausgenommen werden. Austausch der Lager Die beiden Lagerschalen im Rahmenkopf können nun relativ einfach mit einem geeigneten Durchschlag und einem Hammer entfernt werden. Die Lagerstellen werden gesäubert und leicht gefettet. Jetzt können die neuen Lagerschalen eingesetzt werden, wobei man darauf achten muss, dass jedes Lager mit seiner jeweiligen Lagerschale zusammen gehört und nicht vertauscht wird. Beim Einschlagen achtet man darauf, dass die Lager nicht verkanten. Man beginnt mit leichten, auf den Umfang verteilten Hammerschlägen, bis die Lagerscha- le in ihrem Sitz etwas fixiert ist. Jetzt nimmt man eine der alten Schalen als Einschlaghilfe, um Beschädigun- gen zu vermeiden. Wichtig ist, dass die Lagerschalen bis zum Anschlag in den Rahmenkopf eingetrieben werden. Zu erkennen ist dies an dem plötzlich heller werdenden Schlaggeräusch.

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Post on 29-Aug-2019

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Technik-Hotline: 02165/8440-500

Nr. 11: Reibungsloser Lagergleiter

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Präsentiert von und Andreas Prinz

Lenkkopflager haben einen enormen Einfluss auf die Fahrei-genschaften eines Motorrads. Zu lose eingestellt können sie zum gefürchteten Pendeln führen, eingelaufene, korrodierte oder zu fest sitzende Lager beein-flussen das Kurvenverhalten. Es sind Verschleißteile und nicht umsonst gehört ihre Kontrolle zu den wichtigsten Prüfkriterien von TÜV und DEKRA.

Los geht´s: Die Hutmutter wird am besten ge-löst, so lange die Gabelholme noch drin sind

Spart Arbeit: Wer einen Haken in der Decke hat, kann die Lenkergruppe daran aufhängen

Zentralmutter: Hier hilft am besten ein Haken-schlüssel

Das Lenkkopflager besteht grundsätzlich aus zwei Hälf-ten, der oberen und dem unteren. Sie sind entweder als Kugel- oder als Kegelrollenlager ausgelegt. Will man das Lenkkopflager prüfen, stellt man das Motorrad zu-nächst auf den Hauptständer und sorgt dafür, dass das Vorderrad entlastet ist. Jetzt stellt man sich vor das Rad und fasst an die unteren Enden der beiden Gabelholme und bewegt diese leicht vor und zurück. Ist dabei kein Spiel zu fühlen, ist das Lager zumindest nicht zu lose eingestellt und hat den ersten Test bestanden.

Die weitaus häufigere Verschleißerscheinung aber sind die so genannten Rastermarken. Da die Lenkung eines Motorrads mehr als 90 Prozent der Zeit in Geradeaus-stellung steht und die Kugeln bzw. Rollen die Lager-schalen somit immer an der gleichen Stelle berühren, entstehen hier kleine Vertiefungen. Um dies zu prüfen, fasst man jetzt den Lenker an einem Ende behutsam mit Daumen und Zeigefinger an und dreht ihn ganz langsam hin und her. Hat man das Gefühl, der Lenker will in der Mittelstellung einrasten, so sind die Lager auf jeden Fall hinüber und schleunigst zu erneuern. Komplette Sets mit Lager und Dichtringen gibt es in Erstausrüsterqualität bei POLO.

Ausbau der GabelbrückenZunächst muss das Motorrad auf dem Hauptständer stehen und das Vorderrad entlastet sein. Theoretisch könnte der Tank am Motorrad bleiben. Da man aber viel im Lenkbereich schrauben wird, ist es sinnvoll, ihn zu demontieren. So verhindert man, dass ein abrutschendes Werkzeug hässliche Spuren hinterlässt. Als nächstes kontrolliert man, ob und wie weit die Gabelrohre an der oberen Gabelbrücke durchgescho-ben sind. Dieses Maß sollte für die spätere Montage aufgeschrieben werden.

Danach erfolgt der Ausbau des Vorderrads sowie aller Bauteile, die mit den Gabelbrücken oder den Gabel-holmen verbunden sind. Dazu gehören in der Regel der Kotflügel, der Gabelstabilisator und die Brems-sättel. Häufig sind die Bremsleitungen an der unteren Gabelbrücke verschraubt. Entsprechende Halterungen sind zu lösen. Aber bitte nur die Halterungen lösen, niemals die Bremsleitungen selber. Die jetzt an den Bremsleitungen hängenden Bremssättel können mittels Spannbändern irgendwo fixiert werden und stören somit nicht mehr. Nun löst man zunächst die zentrale Mutter bzw. Überwurfmutter der oberen Gabelbrücke. Da die Gabelbeine noch eingebaut sind, kann man dies gegen den Lenkanschlag machen und braucht so nicht am Lenker gegenzuhalten. Jetzt können die Klemmungen der Gabelholme an der obe-ren und unteren Gabelbrücke gelöst und die Holme komplett nach unten herausgezogen werden.

Will man sich die Demontage von Lenkerarmaturen, Brems- und Kupplungshebel, Lenker, Instrumenten und Lenkschloss ersparen, sollte man sich eine Mög-lichkeit suchen, die ganze Einheit mitsamt oberer Gabelbrücke mit Hilfe von Spannbändern etwa an der Garagendecke aufzuhängen. Fast immer lassen Züge und Kabel soviel Spielraum, dass man ausreichend Platz für die weiteren Arbeitsschritte hat. Ist dies nicht möglich, müssen alle genannten Bauteile demontiert werden. Danach hat man die obere Gabelbrücke freigelegt und kann sie abnehmen.

Jetzt haben wir die zentrale Befestigungs- und Einstell-mutter vor uns. An diesem Punkt sollte man sich den Spaß gönnen, die untere Gabelbrücke nochmals hin- und herzudrehen. Denn ohne das Gewicht von Gabelbeinen und Vorderrad fühlt man die Neigung zum Einrasten in der Mittelstellung noch viel deutlicher. Gab es vorher noch leise Zweifel, weiß man spätestens jetzt, dass sich die Reparatur lohnen wird.

Die Mutter wird mit einem Hakenschlüssel oder einem Schraubendreher gelöst und abgenommen. Unter der Mutter findet man noch eine Staubschutzscheibe, die den Eintritt von Schmutz und Wasser ins Lager verhindern soll. Die Einbaulage dieser Scheibe bitte merken. Beim Lösen der Mutter muss man die untere Gabelbrücke unbedingt mit der anderen Hand abstüt-zen, um ein Herausfallen und eventuelle Beschädigun-gen zu vermeiden. Das obere Lager kann jetzt aus dem Lenkkopf herausgenommen werden.

Austausch der LagerDie beiden Lagerschalen im Rahmenkopf können nun relativ einfach mit einem geeigneten Durchschlag und einem Hammer entfernt werden. Die Lagerstellen werden gesäubert und leicht gefettet. Jetzt können die neuen Lagerschalen eingesetzt werden, wobei man darauf achten muss, dass jedes Lager mit seiner jeweiligen Lagerschale zusammen gehört und nicht vertauscht wird.

Beim Einschlagen achtet man darauf, dass die Lager nicht verkanten. Man beginnt mit leichten, auf den Umfang verteilten Hammerschlägen, bis die Lagerscha-le in ihrem Sitz etwas fixiert ist. Jetzt nimmt man eine der alten Schalen als Einschlaghilfe, um Beschädigun-gen zu vermeiden. Wichtig ist, dass die Lagerschalen bis zum Anschlag in den Rahmenkopf eingetrieben werden. Zu erkennen ist dies an dem plötzlich heller werdenden Schlaggeräusch.

Schwieriger ohne das entsprechende Spezialwerk-zeug ist das Abnehmen des Lagers von der unteren Gabelbrücke, da es sich hier um eine so genannte Presspassung handelt, was bedeutet, dass der Zap-fendurchmesser etwas größer ist als der Innendurch-messer des Lagers. Zunächst zerstört man den äuße-ren Lagerkäfig und nimmt ihn mitsamt der einzelnen Rollen ab. Jetzt verbleibt lediglich der Innenring des Lagers auf dem Zapfen. Diesen erwärmt man mit einer Heißluftpistole. Dann versucht man mit Hilfe eines Flachmeißels den Spalt zwischen Gabelbrücke und Lagerschale zu vergrößern. Gelingt dies nicht, kann man mit einer Lötlampe noch mehr Hitze in die Lagerschale einbringen, wobei die Gabelbrücke allerdings mit einem Blech vor der Flamme geschützt werden muss. Ist die Lagerschale erst einmal ein Stückchen von ihrem Sitzt gerutscht, kann man sie mit wechselseitigen Hammerschlägen ganz herunter-treiben und abnehmen. Jetzt wird die alte zerstörte Staubschutzscheibe durch eine neue ersetzt.

Letzte Hürde ist das Aufbringen des neuen Lagers auf seinen Sitz. Dazu wird der Innenring des Lagers wiederum mit einer Heißluftpistole erwärmt und auf den Zapfen geschoben. Wichtig ist, dass man nur auf den Innenring des Lagers schlagen darf, da sonst der sehr empfindliche Lagerkäfig beschädigt wird. Hier kann man einen kleinen Trick anwenden, indem man einen Innenlaufring der alten Lager an einer Stelle aufflext. Jetzt stülpt man ihn über das neue Lager, die beiden Lagerinnenringe liegen gegeneinander und man kann durch wechselseitiges Schlagen – ohne

Verkanten – das Lager aufpressen. Der aufgetrennte Ring lässt sich aufgrund seiner Öffnung anschließend wieder leicht abnehmen. Auch hier sitzt das Lager am Anschlag, wenn sich heller werdende Schlaggeräu-sche einstellen.

Die neuen Lager werden mit Wälzlagerfett gut eingefettet. Dann wird die untere Gabelbrücke in den Lenkkopf eingeführt, das obere Lager mitsamt Staubschutzscheibe eingesetzt und anschließend die Einstellmutter aufgedreht. Zunächst zieht man die Mutter mit einem Hakenschlüssel fest an, damit sich die Lager nochmals setzen können. Dann löst man die Mutter wieder und zieht sie, ohne Schlüssel, nur handfest an. Jetzt kann die obere Gabelbrücke wieder aufgesetzt werden. Die Hutmutter wird zwar aufgeschraubt, aber noch nicht festgezogen. Beim Einsetzen der Gabelrohre – auf gleiche Position links und rechts achten –, zieht man zuerst die Klemm-schrauben der unteren Gabelbrücke an. Erst jetzt wird die Hutmutter der oberen Gabelbrücke angezogen, danach die oberen Klemmschrauben. Nur in dieser Reihenfolge ist ein Verspannen der Gabel zu vermei-den. Jetzt wird das Lagerspiel nochmals überprüft. Der Lenker sollte bei leichtem Antippen von der Mit-telstellung zum Lenkanschlag fallen.

Zum Schluss erfolgt der Wiedereinbau der zu Beginn abmontierten Teile wie Schutzblech, Stabilisator, Vorderrad und Bremszangen. Vor der ersten Fahrt un-bedingt einige Male die Vorderradbremse betätigen, um den Druckpunkt wieder herzustellen.

Technik-Hotline: 02165/8440-500Präsentiert von und Andreas Prinz

Komplettset: obere und untere Dichtscheibe und zwei zusammengehörige Lager

Recycling: Beim Einpassen der neuen Lager dienen die alten als Eintreibwerkzeug

Vollfett: Dichtscheibe auflegen, Lager vor dem Zusammenbau gut schmieren

Raster-Fahndung: Hier haben sich die Kegelrol-len deutlich in die Lagerschale eingearbeitet

Sanfte Brise: Nach Erhitzen löst sich der La-gerring freiwilliger aus der Presspassung

Spaltbar: Wechselseitige Hammerschläge trei-ben das Lager von der Achse

Aufgepasst: Nach dem Lösen der Zentralmut-ter Gabelbrücke und Lenkachse sichern

Nr. 11: Reibungsloser Lagergleiter

Schraubertipp

In Reih und Gleid: Die Komponenten im Überblick