selbsthilfe 01_2012

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SELBSTHILFE Verband Angehöriger und Freunde psychisch Kranker Poste Italiane Spa - Spedizione in abbo- namento postale - D.L. 353/2003 (Conv: in L. 27/02/2004, n. 46) art. 1, comma 2, DCB Bolzano Reg. 3.7.1995, n. 17/95, Nr. 1/2012 KINDER- UND JUGEND- PSYCHIATRIE IN SüDTIROL MITGLIEDERVERSAMMLUNG DES VERBANDES

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Zeitung des Verbandes Angehöriger und Freunde psychisch Kranker, Bozen

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Page 1: Selbsthilfe 01_2012

SELBSTHILFE

Verband Angehöriger und Freunde psychisch Kranker

Poste Italiane Spa - Spedizione in abbo-namento postale - D.L. 353/2003 (Conv: in L. 27/02/2004, n. 46) art. 1, comma 2, DCB Bolzano Reg. 3.7.1995, n. 17/95, Nr. 1/2012

Kinder-undJugend- psychiatrieinsüdtirol

mitgliederversammlung desverbandes

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SELBSTHILFE

IMPRESSUM

Dritteljährliche Informationsschrift des Verbandes Angehöriger und Freunde psychisch Kranker

Eintragung beim Tribunal Bozen: Nr. 17/95 R. St. vom 3.7.1995

Herausgeber:Verband Angehöriger und Freunde psychisch KrankerG.-Galilei-Str. 4/a39100 BozenTel. 0471 260 303 Fax 0471 408 [email protected]

Verantwortlich für den Inhalt:Prof. Carla Leverato

Redaktion:Martin Achmüller, Margot Gojer, Lorena Gavillucci, Laura Kob, Carla Leverato;

Übersetzung:Martin Achmüller, Margot Gojer, Klaudia Klammer, Carla Leverato, Carmen Premstaller;

Bilder:Archiv, Martin Achmüller, Edith Bertol, Margot Gojer, Carmen Premstaller;

Layout:Carmen Premstaller

Druck:Karo Druck, Frangart

Die Redaktion dankt allen, die durch verschiedene Beiträge zur Veröffentlichung dieser Ausgabe beigetragen haben. Sie behält sich das Recht vor, Kürzungen an den Texten vorzunehmen.

Inhaltsverzeichnis

Editorial

Normalund/oderverrückt?

Kinder-undJugendpsychiatrieinSüdtirol

Dr.VeraNicolussi-Leck- neueKinder-undJugendanwältin

DiedreigrößtenHerausforderungen andiezukünftigeKinderpsychiatrie

PsychischeErkrankungen imschulpflichtigenAlter

Zinard‘sGeschichte

MitgliederversammlungdesVerbandes2012

EinWendepunkt

Projekt:Selbständigwohnen

KostenloseBenützungderöffentlichenVerkehrs- mittelfürZivilinvalidenab74%

GrundsteinfürpsychiatrischesRehabilitations- zentruminBozengelegt

Eröffnung:AmbulatoriumfürAllgemeine PsychiatrieundLiaisons-Psychiatrie

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gefördert von der Stadtgemeinde Bozen

gefördert von der

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EDITORIAL

Liebe Leserinnen und Leser!Carla Leverato

a ls ich von Kindern mit einer psychischen Störung sprach,

sagte eine Frau zu mir, sie kenne eine Mutter mit einem autistischen Kind. Und sie fügte hinzu: „Ich frage sie nie nach ihrem Sohn, um sie nicht in Ver-legenheit zu bringen.“

Ich fand es sehr traurig, dass sie nicht merkte, dass eigentlich nur sie selbst verlegen war, dass es nur ihr selbst peinlich war und dass das, was sie irrtümlicherweise für gute Bildung hielt, die Mutter noch einsamer machte und ihr das Gefühl gab, eine psychische Störung wäre wirklich et-was, wofür man sich schämen müsse.

Der Schmerz, wenn ein Familienmit-glied an einer psychischen Erkran-kung oder Störung leidet, ist groß – ganz besonders, wenn ein Kind da-von betroffen ist.

Wenn es sich um eine andere schwe-re Erkrankung handelt, zeigen sich alle solidarisch und verständnisvoll

und bieten ihre Hilfe an. Wenn die Diagnose jedoch „psychische Erkran-kung“ lautet, werden die Eltern oft in ihrer Verzweiflung allein gelassen. Mit (fast) niemandem können sie reden, sich öffnen, Verständnis und Trost suchen.

Gegen diese Diskriminierung, diese Ausgrenzung kämpft der Verband seit vielen Jahren.

Bei einem solchen oder ähnlichen Schicksalsschlag ist der emotionale Ablauf, der in einem vorgeht, mehr oder weniger vorprogrammiert:Vom gefühlsmäßigen Durcheinander (ich weiß nicht mehr, was ich tue, ich vergesse alles) zur Wut auf alles und jeden, einschließlich auf jene, die gar nichts damit zu tun haben; von Schuldgefühlen (was habe ich bloß getan, womit hab ich das verdient? Klar, ich war keine gute Mutter, wa-rum ist mir nicht schon früher etwas aufgefallen?) über Angst (Wer weiß, was passieren wird? Wie sehr wird mein Kind leiden müssen? Es wird nie so sein wie die anderen.) zur Ein-samkeit (Niemand versteht mich. Nie-mand weiß, wie sehr ich leide.) von Traurigkeit (nichts interessiert mich mehr) zum Gefühl von Leere und Verzweiflung (auch die gesunden Fa-milienmitglieder werden zu Gegnern oder zumindest zum Hindernis, weil sie Zeit und Energie stehlen, die ich für das Kind brauche) und manchmal auch zu Depressionen. Verzweifelt sucht man nach Erklärungen… bis man allmählich die Erkrankung und die Situation akzeptiert.

Der Weg dorthin ist schwer, insbeson-dere wenn die Hilfe der anderen fehlt.

Hilfe bestehend aus Zuhören, Mut machen, aber auch aus alltäglicher, konkreter Unterstützung, wie bei-spielsweise „Ich bleibe ein wenig bei deinem Kind, geh du in Ruhe einkau-fen.“, oder „Bring es zu mir nach Hau-se, dann kann es mit meinen Kindern spielen.“, u. ä.

Etwas, was wir alle tun können, ist zum einen richtige Informationen zu verbreiten und zum anderen mit gutem Beispiel im Sinne der Solidari-tät vorangehen. Wahrscheinlich sind das sogar die besten Hilfen.

Und dann gibt es noch die Selbst- hilfe, bei der wir an uns selbst arbei-ten, um etwas zu verändern. In der Geschichte von Zinard stoßen wir auf ein Beispiel einer Mutter, die sich nicht scheute, zu handeln. Sie hat sich so-fort bei den Ärzten alle notwendigen Informationen über die Prognose, die Symptome, die Behandlungs- möglichkeiten, die Medikamente, den Umgang besorgt. Sie hat verstanden, dass auch die Mitschüler und deren Eltern und die Lehrpersonen darü-ber Bescheid wissen müssen, um ihre Ängste und ihre Verlegenheit zu über-winden, um zu wissen, was passieren könnte und was zu tun wäre. Und alle standen schlussendlich hinter ihr.

Aber natürlich brauchte auch sie an-fangs Hilfe, um sich ihrer Gefühle klar zu werden. Nur so war sie auch in der Lage, die der anderen zu verstehen. Versuchen auch wir, eine so verzwei-felte, betroffene Familie niemals allein zu lassen, schenken wir ihnen unsere Solidarität, alle gemeinsam gegen das Stigma.

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SELBSTHILFE

a ls ich Kind war, in Deutschland vor etwa einem halben Jahrhun-

dert, haben sich die Jungens zu Kar-neval gern als Cowboys und Indianer verkleidet. Getreu dem damals unangefoch-tenen amerikanischen Film- und Fern-sehmonopol waren die Cowboys die Guten und meistens Siegreichen, die Indianer die Bösen und mei-stens Verlierer; natürlich wollten die meisten unter uns lieber bei den Guten sein. Unter den Bleich-gesichtern gab es aber auch noch mal eine Zweiteilung zwischen den guten und gesetzestreuen Sheriffs und den bösen, Regeln missachtenden Ban-diten; seltsamerwei-se hatten hier die schwarzen ver-m u m m e n d e n H a l s t ü c h e r der Bösen eine weit-aus größe-re Anzie-hungskraft als der blanke Sheriffstern der Ord-nungshüter.

Heutzutage meine ich manchmal, in meiner psychiatrischen Ar-beits- und bürgerlichen Lebenswelt Ähnliches zu sehen: Die meisten Menschen halten sich für normal; wer besonders sein will, sorgt dafür, als „cool“, „geil“, „hip“ oder “trendy“ aufzuscheinen, keineswegs aber als „verrückt“. Denn den im me-dizinischen Sinn „Verrückten“ haftet weiterhin etwas Unheimliches an; der Begriff gilt als Unwort, das zwar allent-halben kursiert, aber von niemandem hinterfragt werden will.

So gibt es doch noch kategorische Grenzen oder Klassenunterschiede in

unserer offiziellen und inklusiv sein wollenden „Es ist normal, anders zu sein“-Gesellschaft.Gleichzeitig und paradoxerweise erle-ben wir aber als Kinder der Demokra-tie und Nutznießer der freiheitlichen Selbstbestimmung und -verwirkli-chung jedes Ermahnen zum Einhal-ten von Regeln als lästig, unbeliebt, altväterlich. Das reizt vor allem zu

Protest und erst recht zu gewisser-maßen emanzipatorischer Regel-

überschreitung. Umsicht, Rücksicht, daraus

resultierende Zurückhal-tung oder gar Verzicht sind

vielleicht in politischen Reden „in“, in der All-

tagspraxis aber „out“: Wenn es ums Eigene

und die familiäre „privacy“ geht,

dann ist kein Gesetz, keine

Regel, kein S t a n d a r d tolerant ge-nug: Ich bin

ich. Die Ge-sellschaft? Kann

mich mal! Mein Leben gehört mir, mein Bauch, meine Ansprüche.

So scheint den meisten Mitmenschen dieser Spagat zwischen „ganz normal“ und „unver-gleichlich einzigartig“ zu gelingen, ohne sie daran zu hindern wei-ter an einem Denken in scheinbar unverrück-

baren Gegensätzen festzuhalten: „Normal – Verrückt“, „Gesund – Krank“, „Richtig – Falsch“, „Gut - Schlecht“, „So wie wir – Anders als wir“ sind Denk-schablonen, die unser alltägliches Leben und Erleben und den mit-menschlichen Umgang nachwievor prägen. Dabei wissen wir alle, dass dieses Denken und Fühlen oft allzu einfach ist, dass es sehr wohl für die-

Normal und/oder verrückt?Mitmenschliche Reflexionen zum Phänomen des psychischen KrankensIngo Stermann

ACHTUNGDENKFALLEN

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SELBSTHILFE

se Gegensatzpaare Zwischenformen, Übergänge, Gemeinsamkeiten und dritte Wege gibt:

zwischen „richtig“ und „falsch“ kann es Perspektiven geben, die scheinbare Widersprüche auf einer höheren Sinnebene auflösen und als sich ergän-zende Komponenten aufschei-nen lassen;

ein schlechtes Ergebnis kann immer noch das am wenigsten katastrophale sein, während ein zunächst guter Ausgang Spätfolgen oder Nebeneffekte zeitigen kann, die niemand ak-zeptiert hätte, wenn man nur genügend umsichtig und vo-rausschauend gewesen wäre;

ein Kranker weckt Bewun-derung für die Zuversicht und Kunst, mit denen er sein Schicksal annimmt, gestaltet und meistert, und ein Gesun-der erntet Verachtung, weil er seine Talente unentwickelt ver-kümmern lässt und sein Leben vergeudet;

Wer diese Art zu denken, diese Übung in zuversichtlicher Geduld, mitmenschlicher Demut und Toleranz besonders entfaltet, sind - wenn auch erzwungenermaßen - Menschen mit psychiatrischer Lebenserfahrung, so-wohl die selber Betroffenen als auch Angehörige und Freunde: Auf eine besondere Weise haben sie die bittere Wahrheit erfahren, dass man wirklich nur das zu schätzen weiß, was man einmal verloren hat.

Zu solchen potentiell verlierbaren Werten gehören auch „Normalität“, Gesundheit und selbstverständliches Teilen eines gemeinsamen Realitäts-verständnisses, die in Wirklichkeit nicht selbstverständlich, beständig und allemal verbindlich sind, sondern beschädigt werden und verloren ge-hen können.

Umgekehrt: Wer mit dem Phänomen des psychischen Krankens befasst ist, das niemals einen einzelnen Men-schen allein erfasst, sondern immer um sich greift und Andere mit betrifft, kann auch erfahren, dass Mut und die Anstrengung, das eigene Denken zu erweitern, das eigene Fühlen und Bangen zu stärkerer Reife zu bringen und Anderen anzuvertrauen, sich auszahlen kann. Denn wer schweigt

und unauffällig bleibt, verschafft sich echolose Einsamkeit; wer sich hinge-gen mitteilt, mag viel Unverständnis auslösen, macht aber Aufhebens von sich selbst und wird vielleicht von einem Menschen, die/der verstehen kann und will, bemerkt.

Was dann passiert, lässt sich am ehesten in paradoxer Form ausdrü-cken: Das eigene Leben und das mit-menschliche Zusammenleben kön-nen GLEICHZEITIG bescheidener und reicher, enger und tiefer, aufrichtiger und stärker werden.

Zuweilen zeigt sich dies in Selbst-erfahrungsgruppen, in denen Be-troffene, Angehörige, aber auch Menschen ohne psychiatrische Vor-erfahrung zusammenkommen, um sich selber im Spiegel Anderer besser zu erkennen und verstehen: Die soge-nannten Normalen erfahren dann die sensible Empfindungstiefe psychisch Krankender und diese letzteren ihren Wert und ihre besondere Verbunden-heit mit den ersteren.

Solche Erfahrungen können – im Klei-nen der persönlichen Erfahrung - die große demokratische Gesellschaft mitmenschlich veredeln.

2006 waren es noch ca. 2.000 Euro, die wir von Ihnen in Form der 5 Pro-mille erhalten haben. Über die Jahre haben immer mehr Personen dem Verband die 5 Promille zugewiesen und somit haben wir im letzten Jahr vom Staat von Ihren Steuererklärungen fast 7.000 Euro bekommen. Wir bitten Sie weiterhin, mit Ihrer Unterschrift auf der Steuererklärung die 5 Promille unserem Verband zu geben. Sie sind für Sie als Steuerzahler keine zusätzliche Ausgabe, aber für den Verband nützlich für die Unter-stützung der Familien.

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SELBSTHILFE

i m Gegensatz zu anderen Provin-zen Italiens bietet sich in Südtirol

eine einzigartige Situation. Mit Be-schluss der Landesregierung vom 18. Juni 2007 wurde der Kinder- und Jugendpsychiatrie eine eigene Orga-nisations-, Führungs- und Leistungs-struktur zugeschrieben.

eigenständigeFachambulanzen

Dies führte dazu, dass in den vier Gesundheitsbezirken (Bozen, Meran, Brixen und Bruneck) eigenständige Fachambulanzen für psychosoziale Gesundheit im Kindes- und Jugend-alter errichtet wurden.

Diese Fachambulanzen stellen ei-nen Bezugspunkt im Netzwerk des landesweiten Dienstes für die Kinder- und Jugendpsychiatrie selbst, sowie in der Zusammenarbeit mit allen anderen zuständigen Dien-sten und Einrichtungen, im sani-tären, sozialen und pädagogischen Kontext dar. In den jeweiligen Fach- ambulanzen arbeitet ein multidiszipli-näres Team, welches in seinem Kern aus Kinder- und Jugendpsychiatern, Psychologen, Sozialpädagogen und Sozialassistenten besteht. Aus organi-satorischer Sicht ist zu unterstreichen, dass hier die Gesundheitsbezirke mit den Sozialsprengeln eine integrative Kooperation geschafft haben.

derauFtraglautet:vorsorge,diagnose,behandlung,rehabilitationundnachsorge

Der Auftrag des Südtiroler Netz-werkes der Kinder- und Jugend- psychiatrie bezieht sich auf die Vorsor-ge, Diagnose, Behandlung, Rehabilita-tion und Nachsorge psychiatrisch er-krankter Kinder und Jugendlicher und hat das Ziel, ein flächendeckendes, abgestuftes Angebot an ambulanten, teilstationären und stationären Ein-richtungen im Bereich der Psychiatrie

und Psychotherapie von Kindern und Jugendlichen zu gewährleisten.

zusammenarbeitundnetzwerKarbeit

In der Netzwerkarbeit mit Kindern und Jugendlichen ist die Zusam-menarbeit mit den Kindergärten und Schulen, dem Arbeitsmarkt für Ju-gendliche und aufgrund der beson-deren rechtlichen Situation, auch die enge Kooperation mit dem Jugend-gericht von besonderer Bedeutung.Diese Zusammenarbeit wird durch ge-meinsame Sitzungen, Fortbildungen, Veranstaltungen, Reflexionsgruppen sowie fachspezifischer Arbeitsgrup-pen gepflegt.

Als Beispiel sei hier die Arbeitsgrup-pe zum Thema Autismus genannt, welche ganz im Sinne des Trialogs zwischen Helfern, Betroffenen und

Kinder- und Jugendpsychiatrie in SüdtirolAndreas Conca, Veronika Hafner

bozen:Fachambulanz für psychosoziale Gesundheit im Kindes- und JugendalterGrieser Platz 10, 39100 BozenTel. 0471 446 211 oder 0471 446 222

meran:Fachambulanz für psychosoziale Gesundheit im Kindes- und JugendalterKrankenhaus Meran, Rossinistraße 1, 39012 MeranTel. 0473 251 100Erstkontakte erfolgen über das Sekretariat des Psychologischen DienstesTel. 0473 251 000

brixen:Fachambulanz für psychosoziale Gesundheit im Kindes- und JugendalterKrankenhaus Brixen, Dantestraße 51, 39042 BrixenTel. 0472 812 956 oder 0472 812 958

bruneck:Fachambulanz für psychosoziale Gesundheit im Kindes- und Jugendalter mit angeschlossener TherapieeinrichtungEOS Sozialgenossenschaft, Dantestraße 2/H/I, 39031 BruneckTel. 0474 370 070

Angehörigen wichtige Schritte un-ternommen hat, um der steigenden Nachfrage konkrete und spürbare Antworten zu geben.

eineeigenestationäreKinder-undJugendpsychiatrie

Als nächster Schritt ist die Errichtung einer eigenen stationären Kinder- und Jugendpsychiatrie in Südtirol geplant. Diese soll noch innerhalb des Jahres 2012 im Krankenhaus Meran eröffnet werden.Auch die zur Zeit noch eigenständigen Fachambulanzen sollen in nächster Zeit zu einem einzigen Departement zusammengeführt werden.

Damit wird man der Umsetzung zu-künftiger Herausforderungen gerecht und die bestehende komplexe Netz-werkarbeit könnte weiter optimiert werden.

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SELBSTHILFE

Die Kinder- und Jugendanwältin hat ihren Amtssitz in Bozen, Cavourstraße 23/c. Tel. 0471 970 615, Fax 0471 327 620info@kinder-jugendanwaltschaft-bz.orgwww.kinder-jugendanwaltschaft-bz.org

Betriebsweiter Dienst für Kinder- und Jugendpsychiatrie/-psychotherapie

Familienberatungsstellen,sozialdienste,schulen,infes,psychologischedienste,usw.

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Fach-ambulanz

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Kinder-neuropsychiatrie

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Kinder-neuropsychiatrie

dr.mennabruneck

n achdem Dr. Simon Tschager, der erste Kinder- und Jugendanwalt Südtirols, nach nur eineinhalb Jahren im Jänner 2012 sein Amt nieder-

legte, wurde am 06. März 2012 Dr. Vera Nicolussi-Leck vom Südtiroler Land-tag zur neuen Kinder- und Jugendanwältin gewählt.

Vera Nicolussi-Leck wurde 1976 in Bruneck geboren und studierte Rechts-wissenschaften in Verona, München und Innsbruck. Zurzeit unterrichtet sie an der Hotelfachschule in Bruneck.

Am 10. April 2012 hat sie nun ihr Amt als Kinder- und Jugendanwältin angetreten. Bis Ende der Legislaturperiode in 1,5 Jahren möchte sie die Auf-bauarbeit von Dr. Tschager bestmöglichst fortführen.

Dr. Vera Nicolussi-Leck - neue Kinder- und Jugendanwältin

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SELBSTHILFE

e xperten gehen davon aus, dass etwas weniger als 20 % der

Minderjährigen psychische Auffäl-ligkeiten aufweisen und dass diese Gruppe bis zum Jahr 2020 um fast 50 % zunehmen wird. Nur ca. 15 % der betroffenen Familien nehmen tatsächlich Hilfe in Anspruch. Verschiedene Untersuchungen ha-ben ergeben, dass 5 % der Kinder und Jugendlichen psychiatrische Behand-lung benötigen, das sind in Südtirol ca. 5.000. 10 % von ihnen brauchen eine stationäre Einrichtung, in der sie therapiert werden können. In Südtirol sind das ca. 500 Minderjährige.Seit 15 Jahren hat die Psychiatrie Bruneck Erfahrung mit der Betreuung und Behandlung psychisch erkrank-ter Kinder und Jugendlicher.

Auf dieser Grundlage können drei Anliegen geortet werden, die ge-löst werden müssen, damit eine ge-

eignete Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Krankenhaus Meran entstehen kann.

bereitschaFtsdienstrundumdieuhr

Das dringendste Anliegen ist die umgehende Schaffung eines Bereit-schaftsdienstes rund um die Uhr. Be-troffene Kinder und Jugendliche sol-len zu jeder Tages- und Nachtzeit von Kinder- und nicht von Erwachsenen-psychiatern untersucht und betreut werden können. Dazu werden 5-6 Kinderpsychiater benötigt. Momen-tan gibt es 5 Kinderpsychiater und einen erwachsenenpsychiatrischen Koordinator im Land, die Zeit ist wohl reif.

zwangseinweisungen

Das heikelste Anliegen betrifft die Zwangseinweisung von Jugendlichen und Kindern. Situationen, die die Ge-sundheit Jugendlicher ernsthaft ge-fährden, können und sollen dem Ju-gendgericht gemeldet werden. Wird hingegen die elterliche Fürsorge-pflicht verletzt, ist dies ein Anliegen für das Vormundschaftsgericht. Bis zum 14. Lebensjahr der Kinder können verzweifelte Eltern alleine darüber verfügen, wo ihre Kinder aufgenommen werden sollen. Ab 14 Jahren gilt seit 2010 für Jugendliche, die sich weigern, an die Psychiatrie zu gehen, die gleiche Regelung wie für Erwachsene, die zwangseingewie-sen werden. Ein neues Landesgesetz sieht vor, dass auch in diesem Fall zwei Ärzte die Zwangsbehandlung vorschlagen müssen, und der Bürger-meister sie verfügt. Dann kommen die Kinder in die Südtiroler Erwachsenen-psychiatrien. Dort gehören sie aber, auch laut einer Stellungnahme der WHO, sicher nicht hin. Deshalb versu-chen wir alle möglichen Alternativen. Die Kinderpsychiatrie in Innsbruck ist meist überfüllt, wir suchen nationale Zentren ab und Deutschland von

München bis Augsburg. Allerdings stellt sich grundsätzlich die Frage, ob ein Jugendlicher gegen seinen Wil-len über die Staatsgrenzen hinaus in Behandlung gebracht werden darf. Staatsgesetze sehen das nicht vor, der Fall wird aber in einem auch gesund-heitlich geöffneten und geeinten Europa ab 2013 häufiger auftreten. Eltern können ihre minderjährigen Kinder zwingen, mit ihnen eine Reise ins Ausland zu machen. In der Praxis ist das aber fast nicht durchführbar.

errichtungeinerKinder-undJugendgerechtenabteilung

Das dritte und wichtigste Anliegen ist die Errichtung einer Abteilung, die kinder- und jugendgerecht ist. Klassische Psychotherapie spricht bei Kindern und Jugendlichen mit schweren Störungen kaum an. Sie stehen viel eher auf Maßnahmen wie Spiele, Wettkämpfe, Unterhaltung, Tiertherapie, Maltherapie oder Sport. Sie vermitteln viel intensiver Erleb-nisse und Beziehungen, als Gespräche allein das tun. Auch wissen wir aus der Pädagogik, dass Kinder viel eher von anderen Kindern lernen als von Erwachsenen. Deshalb sind Aktivi-täten in der Gruppe sehr wichtig. Sie sollen soziale Regeln wie Fairness und Kooperation lehren. Gleichzeitig ist es nicht leicht, den häufig extrem freiheitsliebenden, pubertierenden Jugendlichen Grenzen zu setzen. Dazu wird ein Team an Fachleuten und eigenen Berufsbildern benötigt. Es soll den Kindern Vorbild sein, gut zusammen halten und unkompliziert zusammen arbeiten. Entscheidend ist, dass die Abteilung von der Erwachsenenpsychiatrie ge-trennt wird. Wir machen in Bruneck gerade die Erfahrung: Junge Men-schen verletzen sich häufiger als Er-wachsene selbst, ältere Menschen können das nachahmen. Es gibt also in einer altersgemischten Abteilung sogar eine Gefährdung der Älteren durch die Jüngeren.

Die drei größten Herausforderungen an die zukünftige KinderpsychiatrieRoger Pycha

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SELBSTHILFE

u m die Kinder- und Jugend-psychiatrie auch aus schulischer

Sicht zu beleuchten, haben wir uns an das Schulamt gewandt. Für das deutsche Schulamt vereinbare ich ei-nen Termin mit der Verantwortlichen der Dienststelle für Unterstützung und Beratung, Dr. Heidi Ottilia Nie-derstätter, die mich gemeinsam mit ihrer Mitarbeiterin Dr. Veronika Pfeifer freundlich empfängt.

Ich erkläre, was ich für den Verband wissen möchte und frage, ob es mög-lich ist, das Vorkommen psychischer Störungen in Hinsicht auf der von den Schulen angewandten Diagnostik zu beziffern.

lehrpersonenhabeneinebesserevorbereitung

Frau Dr. Niederstätter weist mich da-rauf hin, dass ihren Aufzeichnungen zufolge das signifikanteste Phänomen das des Autismus ist: gut 40 Fälle.

„Warum so viele?“, frage ich, weil mir die Zahl im Vergleich zu früher enorm hoch erscheint. Die Frauen erklären mir, dass die Anzahl der Be-troffenen nicht gestiegen ist, dass sich aber seitdem die Art und Weise der Untersuchung geändert hat. Man ist aufmerksamer geworden und die Sensibilität und Vorbereitung der Lehrpersonen hat sich deutlich ge-bessert. Deshalb kann eine Diagnose heute oft schon im Kindergarten ge-stellt werden. Und es muss auch berücksichtigt werden, dass heutzutage alle Schüler eine Oberschule besuchen.

Im Vergleich zur Eingliederung von Schülern mit anderen Behinde-rungen bereitet die Integration von autistischen Kindern keine besonde-ren Schwierigkeiten. Aber auch hier ist selbstverständlich eine spezielle Vorbereitung und Ausbildung der Lehrer und der Stützlehrer erforder-lich. Dazu unterbreiten die Schulen

bzw. das Schulamt verschiedene Vor-schläge. Alles weitere liegt dann aber an den einzelnen Personen - wie in je-dem anderen Bildungs- und Arbeits-bereich auch.

Die Familien von autistischen Kindern aber, sind, zusätzlich zu den „norma-len“ Schwierigkeiten, verwirrter und unsicherer über die anzuwendenden Integrationsmethoden.

Die Unsicherheiten rühren von der Tatsache her, dass eine Methode von manchen Experten als erfolgreich an-gepriesen wird, manchmal sogar als Wunder, von anderen hingegen als Illusion.Dies gilt zum Beispiel für die „ge-stützte Kommunikation“.

Für die Schule ist es oft schwierig, wenn es in diesem, wie in anderen Bereichen, weder gegenseitiges Ver-trauen noch Zusammenarbeit gibt, sondern nur den Anspruch der Eltern – und das passiert leider manchmal – dass jede Erziehungs- und Reha- bilitationsaufgabe ausschließlich ih-nen obliegt.

Eine Beziehung zu den Mitschülern beim Spektrum Autismus hängt mehr oder weniger von der Schwere der Si-tuation ab. Die Schwierigkeiten wer-den während der Pubertät größer, und noch mehr in der Oberschulzeit – auch mit den Lehrpersonen.

Das Schulamt pflegt die Kontakte zu den Schuldirektoren und achtet vor allem in besonders schwierigen Fäl-len auf die Sensibilisierung der Ober-schuldirektoren.

integrationistFürJedeschuleeinwichtigesziel

Von sich aus, sagt Frau Dr. Niederstät-ter, dass Integration im Grunde in je-der Schule möglich ist. Wichtig dabei ist, nicht nur das Matura-Diplom als Bestätigung der „Normalität“ bekom-men zu wollen.

esgibtaucheindanach

Weil es darf nicht vergessen werden, dass es auch ein Danach gibt: das Pro-blem der Freizeit, der Arbeitseinglie-derung usw.

Und hier sind andere Ressourcen sei-tens der Familie gefragt. Nun aber ohne die Hilfe der Schule. Die Mit-schüler sind fort, zu Hause sind nur Erwachsene und folglich ist das Risi-ko, zu resignieren groß. Was soll‘s, eh alles umsonst...

Zum Thema der psychotischen Stö-rungen wurde vom Schulamt im ver-gangenen März in Bozen ein Kongress mit dem Titel: “Verhaltensstörungen und Hyperaktivität” organisiert.

Auch das italienische Schulamt legt großen Wert auf die Aus- und Weiter-bildung der Lehrpersonen. Im Schuljahr 2011/2012 fanden di-verse Kurse statt, unter anderem:

über die Entwicklungsstörungen Dyskalkulieüber die Prävention von Verhal-tensauffälligkeitenüber das Aufmerksamkeitsdefizit-syndrom (ADHS)über Kommunikations- und Bezie-hungsstörungen (Autismus und Kommunikation)

Das Schulamt hat mir außerdem freundlicherweise eine Statistik über-reicht. Daraus geht hervor, dass von insgesamt 14.302 Schülern 851 eine Funktionsdiagnose haben.Von diesen haben beachtliche 337 Schüler, das sind 39,6 %, spezifische Lernstörungen. An nächster Stelle kommen 115 Schüler (13,51 %) mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyper-aktivitätsstörung. 81 sind im Grenz-bereich der intellektuellen Leistungs-fähigkeit (9,51 %), 55 haben eine Intelligenzminderung (6,46 %), 29 eine tiefgreifende Entwicklungsstörung (3,4 %) und 4 Schüler weisen psychiat-rische Störungen (0,47 %) auf.

Psychische Erkrankungen im schulpflichtigen AlterCarla Leverato

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SELBSTHILFE

und seine Schuhe von sich. Er schlug sich selbst und biss jeden, der sich ihm näherte und zog alle bei den Haaren (wie viele Lehrer und Mitarbei-ter hat er bei den Haaren gezogen!). Es galt, die Stereotypen zu vermeiden, die Fixierungen auf ein vorhandenes Verhalten, das sich tendenziell bis ins Unendliche wiederholte. Die Lehrpersonen begegneten die-sem Verhalten gelassen und ruhig. Sie arbeiteten zusammen, immer bereit zu intervenieren und sich gegenseitig zu unterstützen um dieses Minimum an erforderlichen Regeln einzuhal-ten, um nicht davon abzuweichen, um keine Ausnahme zu erlauben. Die selben Regeln wurden der Mutter mitgeteilt, die sie damals wie heute mit gleichbleibender Beständigkeit durchsetzt. Es ist wie mit den Launen eines Kleinkindes: wenn du nur ein-mal nachgibst, hast du verloren. Und alle schafften es, niemals nachzuge-ben, trotz der Anstrengungen die dies erforderte und immer noch erfordert. Die gleichen Schulkollegen, die später auch mit ihm zur Mittelschule gingen, haben seine Verhaltensweisen immer entdramatisiert, seine Schreie mit einem ruhigen: „Es ist nur Zinard, das vergeht gleich wieder“, kommentiert.

Die Lehrer wussten, dass Zinard sehr intelligent war, aber nicht, wie sie mit ihm kommunizieren können. Deshalb besuchten sie eine Weiterbildung über „Gestützte Kommunikation“ (Facilitated Communication).Die Mutter möchte vor allem über die

...ist eine globale, frühzeitige Entwick-

lungsstörung. Er zeigt schwere Inte-grationsstörungen in der Wahrneh-mung, dem Erkennen, der verbalen und non-verbalen Kommunikation, der Sozialisierung, der Eigenstän-digkeit und der sozialen Anpassung.Autismusformen können mit ande-ren Störungen zusammen auftre-ten: Epilepsie, Wahrnehmungsstö-rungen, Chromosomenstörungen, Stoffwechselstörungen oder Infekti-onen um die Geburt - oder er kann auch als Folge davon auftreten.Die Symptome der verschiedenen Autismusformen weisen verschie-dene Arten und verschiedene Inten-sität auf und können auch altersab-hängig variieren. (A. Canevaro 1997)

schichten zu sein, in der alle glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende sind. Stattdessen ist es eine Geschichte voller Enttäuschungen und Ängste, voller Suche, Konsequenzen und Ent-scheidungen. Was herausklingt ist Kraft, Mut, Hoff-nung, Realitätssinn, Optimismus. Trotz aller Schwierigkeiten sieht sich die Mutter als eine glückliche Frau.

Mit zweieinhalb Jahren sprach Zinard immer noch nicht, da es aber einen ähnlichen Fall in der Familie gab, machte sich niemand Sorgen. Bis zum Kindergarten, wo ihnen bewusst wur-de, dass er sich nicht so verhielt wie die anderen Kinder. Es begannen die Untersuchungen bei verschiedenen Ärzten, bis in spezialisierten Zentren in Mailand die Diagnose Autismus gestellt, die auch in Verona bestätigt wurde.

Die Familie zog nach Bozen. Auf eigene Kosten begann die Mutter zu lernen, was Autismus überhaupt ist. Bis zu diesem Tag hatte sie noch nie davon gehört. In den Kindergärtnerinnen fand sie sofort Hilfe. Der Übergang zur Grund-schule „Manzoni“ erfolgte auf Rat-schlag der Neuropsychiaterin Felicita Scolati. „Erinnert euch daran, dass ihr nie allein seid“, sagt sie zu den Lehr-personen. Und sie hält auch heute noch immer Wort. Bereits in den ersten Schultagen stellt sich die Mutter den anderen Müttern vor – ohne Angst und ohne Scham erzählt sie von ihrem Sohn. Und alle wurden sofort zu ihren Verbündeten. Auch die Mitschüler werden infor-miert und von Anfang an wissen sie, wie Zinard sich verhält und wie sie darauf reagieren sollen, um ihm zu helfen, seine Schwierigkeiten, seine Ängste, seine Stereotypen zu über-winden. Weil Schwierigkeiten gab es genügend. Zinard akzeptierte keinerlei Grenzen, ebenso wenig Veränderungen jegli-cher Art. Er reagierte darauf mit lau-tem Geschrei und unangebrachtem Verhalten. Er schleuderte seine Brille (wie viele Paare hat er zerbrochen!)

Zinard‘s Geschichte

z inard wurde am 07. April 1996 in einem kleinen Dorf in den Abruz-

zen geboren. Seine Familie stammt aus Albanien. Er ist ein autistischer Junge.

Heuer besucht er die erste Klasse des Klassischen Sprachgymnasiums. Ich möchte seine Geschichte aber von Beginn an kennen lernen. Ich werde in einem Raum der Schule „Alessandro Manzoni“ von der Stütz-lehrerin Marina Fusmini, die Zinard seit der Volksschule betreut und das Treffen organisiert hat, und von Elena Chiesi, unterstützende Mitarbeiterin, empfangen. Auch die Mutter von Zinard ist da: sie sagt zu mir, ihr Name – für uns Italiener beinahe unmöglich auszusprechen – sei nicht wichtig: sie ist die Mutter und fertig. Die Arbeit in der Schule hat nicht sie gemacht, fügt sie hinzu: sie ist hier, um mir die Geschichte von Zinard zu erzählen. Mit leuchtenden Augen, freundlichem Gesicht und fast Dankbarkeit dafür, dass ich mich für ihren Sohn interes-siere, beginnt sie zu erzählen. Das was folgt, der Ton in dem sie spricht, scheint eine dieser Ge-

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positiven Sachen sprechen, von de-nen es viele gab. Vor allem die Hilfe der Ärzte: „Denk nicht, dass es deine Schuld wäre. Akzeptiere die Krankheit deines Sohnes. Er wird nicht genesen, aber er kann besser leben. Ihr alle könnt lernen, besser zu leben. Nimm das Leben Tag für Tag in Angriff“, wur-de ihr von Anfang an gesagt. Dann gab es die Hilfe des Vaters, denn allen war zu Recht klar, dass Zinard immer beide Eltern brauchen wird. Nie fehlte die Unterstützung der bei-den Herkunftsfamilien, die der Mutter und die des Vaters. „Mein Sohn wurde zweimal geboren: einmal am 07. April 1996 und einmal, als ich meine Vorstellung des idealen Sohnes begrub, mit den Hoffnungen und der Zukunft, die ich mir für ihn gewünscht hatte und nun wusste, dass sie nie eintreffen würde. Und so wurde Zinard – der wahre Zinard – geboren, der, der er heute ist, geliebt so wie er ist“, sagt mir die Mutter mit leuchtenden Augen.

Sie verspricht mir, dass ich Zinard nächste Woche persönlich kennenler-nen darf. So. Wer nicht weiß, wie er sich beneh-men soll, bin ich. Er aber taxiert mich mit einem schnellen Blick, er nähert sich und gibt mir einen Kuss. Was für eine Erleichterung! Er vertraut mir. Natürlich sind auch die Mutter und die Lehrerinnen anwesend. Sie fra-gen ihn, ob er auf einige meiner Fra-gen antworten möchte. Ich frage ihn, ob er mir seine Gedanken mitteilen möchte. Er stimmt zu, und benützt dabei die Tafel mit „ja“ und „nein“. Er setzt sich an den Computer und schreibt mit einem Finger. Fest drückt

...ist eine Methode, die es Menschen mit schweren kommunikativen Problemen ge-

stattet, selbstständige Entscheidungen zu treffen, in dem sie mit einem Finger auf Objekte, Bilder, Symbole oder Buchstaben zeigen. Dies erlaubt auti-stischen Menschen mittels eines Hilfsmittels zu kommunizieren: einer Tafel mit Figuren, Zahlen oder Buchstaben, einer Schreibmaschine oder einem Compu-ter, mit Hilfe einer Person, eines Moderators, der die Aufgabe hat, den Betrof-fenen physisch zu unterstützen, eine emphatische Beziehung aufzubauen: ich habe dich verstanden, ich habe verstanden, was du sagen willst und, in einer Art Symbiose, schreiben wir es zusammen. (A. Canevaro 1997).

er ihn auf jede Taste und macht dabei jedes Mal einen Laut, der wie „zin“ oder „din“ klingt. Er schreibt: „Zinard braucht (ei-nen) Referenten. Zinard ist sehr nervös.“ Mir fällt auf, dass er, wenn er etwas falsch schreibt, weil er auf zwei nebeneinander-liegende Buchstaben zugleich drückt oder den daneben liegen-den erwischt, seinen Fehler von selbst korrigiert. Auf die Frage von Frau Daniela, ob er nervös sei, antwortet er mit „ja“ und fügt hinzu: „Ich werde zu einem klei-nen Kind, das nichts mehr sagen kann. Ich habe Angst, dich nicht glücklich zu machen.“Tatsächlich machte ihn die Zusam-menkunft in einem Ort wie der Schu-le mit ihren Lehrerinnen, die ihn über-schwenglich empfingen und mir, die er nicht kennt, ein wenig nervös. Als er sich ein wenig beruhigt hat, lässt er mich an seinen Gedanken teilha-ben: “Ich kann von meiner vielfältigen Komplexität erzählen. Ich befriedige die Wünsche von allen oder von we-nigen. Ich bin ein Weiser und mir mei-ner Erkrankung sehr bewusst.“Danke Zinard, auch ich habe sofort gelernt, dich so zu akzeptieren, wie du bist. Und du hast mich bereichert! Die Lehrpersonen haben mir weitere seiner Gedanken mitgeteilt, die sie gesammelt hatten:„Ich denke, dass wirklich jeder beo-bachten könnte, bevor er spricht. Be-obachten erlaubt es, besser zu spre-chen.“„Um mich zu kennen, muss man mich leben. Man muss alles über mich wis-sen, um mich zu lieben.“Am Ende dieser großartigen Erfah-rung frage ich mich, warum in diesem

Fall – im Gegensatz zu vielen anderen – alles bestens funktioniert hat und sich alle in den Unterlagen beschrie-benen Vorraussetzungen realisiert haben, ganz im Einklang mit den Pro-grammen usw. Was ist passiert? Vielleicht gab es gar keine Schwierigkeiten? Oh doch, die gab es. Die Art und Weise, wie ihnen begegnet wurde, ist außer-gewöhnlich. Vor allem erhielten sie die Zustimmung und Unterstützung der Direktorin Mirca Passarella, die alle geplanten Tätigkeiten und Erfah-rungen unterstützte.

Dann die Einsatzbereitschaft und der Mut der Mutter, und vor allem ihre Fähigkeit, der Realität ins Auge zu bli-cken, ohne Scham, ohne sich zu Hau-se zu verkriechen, ohne immer alles nur von den anderen zu verlangen, sondern sich jedem Tag zu stellen. Außergewöhnlich war auch die Kompetenz der Lehrpersonen; die Fähigkeit sich selbst zu hinterfra-gen, Enttäuschungen und Frustra-tionen entgegenzutreten und sich kontinuierlich weiterzubilden. Es war auch die unentbehrliche Un-terstützung durch die Spezialisten, neben der Familie und der Schulen in erster Linie durch die Neuropsychia-terin Dr. Felicita Scolati. Und schließlich die Zusammenarbeit und der kontinuierliche Informations-austausch zwischen allen Mitgliedern des Teams.

Ich bin aber überzeugt, dass es ohne die persönliche Beteiligung jedes ein-zelnen, jeder mit seiner Bereitschaft, seinem menschlichen Reichtum, sei-nen Fähigkeiten, alles nur bei der The-orie geblieben wäre. Das schließlich ist das wahre Geheimnis.

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d ie Veränderung der Gesellschaft und der Lebensbedingungen,

die steigenden Leistungsanforde-rungen - begann die Präsidentin die Vollversammlung - verlangen nach Umdenken, nach Anpassung des Gesundheits- und Sozialsystems. Demzufolge wird ein Ziel, eine Aus-richtung des Verbandes immer die selbe bleiben: „Als sozialpolitischer Verband sehen wir uns in der Pflicht, an einer humanen und fürsorglichen Gesellschaft mitzuwirken und uns aktiv in die soziale und gesundheit- liche Gestaltung miteinzubringen.”

Während alle bestehenden Initiativen - vom Beratungsdienst „Stützpunkt“ zur Selbsterfahrungswoche und zu den Ferieninitiativen, von den Selbst-hilfegruppen zu den Angehörigen-seminaren, von den Informationsver-anstaltungen zur Verbandszeitung und schlussendlich eine immer mehr zunehmende Tätigkeit der Lobby- und Advocacy-Arbeit („Einsatz für die Rechte“) beibehalten werden, wur-de beschlossen, sich in zwei grund-legende Richtungen zum Wohl der Mitglieder und ihrer Familien zu be-wegen: zum einen soll ein neues Kon-zept für die Angehörigengruppen

erstellt und zum anderen der „Fokus“ auf die Befriedigung der Bedürfnisse der Mitglieder gelenkt werden.

Diese letzte Aussage, ist eine Frage, die derzeit mit einem „Jein“ beant-wortet werden kann. Ohne Zweifel haben wir mit Überzeugung und mit gemeinsamen Kräften daran gear-beitet, die Lebensqualität der Fami-lien mit einem psychisch erkrankten Mitglied zu verbessern. Trotzdem wissen wir, dass es im Vergleich zum Bedarf nur ein Tropfen auf dem hei-ßen Stein ist. Was aber zählt, sind die positiven Gegebenheiten - „und die

Mitgliederversammlung des Verbandes 2012

„Werden wir den Bedürfnissen unserer Mitglieder gerecht?“Lorena Gavillucci

Tropfen sind sehr, sehr viele; genau genommen sind es 5.700 Stunden Freiwilligenarbeit; dies entspricht der Arbeit von drei Vollzeitbeschäftigten in einem Jahr.“

Von der notwendigen Weiterentwick-lung der Selbshilfegruppen sprach auch Martin Achmüller im Tätigkeits-bericht, die eine Herausforderung für die Gruppenleiter und für den Ver-band, der sie unterstützt, darstellt, weil in einer sich ändernden Gesell-schaft zwar neue Wege und neue Ver-haltensweisen gefragt sind, obwohl Schmerz, Hoffnung und der Wunsch nach Gemeinschaft immer dieselben bleiben.

Von der besonderen Aufmerksamkeit, die dem psychischen Leiden von Kin-dern und Jugendlichen zu widmen ist, informierte Dr. Andreas Conca (siehe nebenstehender Artikel).

Des Weiteren wird in Richtung bür-gerliche Mitverantwortung gearbei-tet und ein Lehrgang gestartet, um Freiwillige, welche junge psychisch erkrankte Erwachsene begleiten sol-len, auszubilden.

Herz und Seele des Verbandes findet sich auch in der Jahresabschlussrech-nung wieder. Daraus ist ersichtlich, dass dem Verband fast 7.000 Euro als Zeichen des Vertrauens vieler Men-

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schen in seine Arbeit über die 5 Pro-mille der Steuererklärung zugewiesen wurden.

Und großen Applaus gab es zum 15-jährigen Jubiläum im Verband von Margot Gojer.

Ein Wendepunkt

w ir sind an einem Wendepunkt angelangt, an dem es gilt, ohne

zu zögern, kontinuierlich und vereint zu arbeiten, damit die Kinder- und Jugendpsychiatrie in Südtirol eine gute Dynamik entwickelt. So ähnlich hat Dr. Andreas Conca, Leiter des Psychiatrischen Dienstes Bozen

und Koordinator des landesweiten Dienstes für psychosoziale Gesund-heit im Kindes- und Jugendalter, in seiner überaus interessanten Rede bei der Vollversammlung, der Sorge, die auch den Verband beschäftigt, Gestalt und auch Hoffnung verliehen: Wie wird es mit der Kinder- und Jugendpsychiatrie in unserem Land weitergehen mit all den Sorgen der Eltern um die Zukunft ihrer Kinder und mit den täglichen Herausforde-rungen? Mit großer Aufmerksamkeit haben die Anwesenden den span-nenden Ausführungen zugehört.

Die Situationen und das Umfeld, de-nen Kinder und Jugendliche mit psy-chischen Problemen begegnen, sind sehr komplex und verschieden. Dazu kommen die Schwierigkeiten für die Familien, eine solche Realität anzu-

nehmen. Die Schule ist mit einbezo-gen, die Ausbildung und alle Dienste.

Aber zuerst trifft es den Gesetzgeber und das Gesundheitssystem, Dienste anzubieten, die im ganzen Land ange-siedelt sind, hauptsächlich Ambulato-rien für die psychosoziale Gesundheit im Entwicklungsalter. Sie sollten die ersten Anlaufstellen für alle Fragen sein, die es zu lösen gilt, bevor eine Unterbringung in einer geschützten Struktur ins Auge gefasst wird. Dazu bräuchte es in jedem Bezirk Bera-tungsstellen. In Bozen, Meran, Brixen und Bruneck gibt es schon Vernet-zungen zwischen dem rein gesund-heitlichen Bereich und all dem, was diesen Betroffenen und ihren Fami-

lien Entwicklung und Gleichgewicht geben kann, wie z. B. Psychomotorik, Logopädie, Musiktherapie usw.

Seit Jahrzehnten, teilweise seit 50 oder 100 Jahren gibt es bei uns gute Strukturen. Die Herausforderung könnte darin bestehen, sie in die neuen Ziele zu integrieren. Ein Kind mit dem Autismus-Spektrum hat das Recht auf eine Früherkennung seiner Krankheit; jedes Kind, das Schwierig-keiten aufweist und sich an die Erste Hilfe wendet, hat das Recht auf eine sofortige psychiatrische Betreuung; ein Symptom, das bei mehreren Diagnosen vorkommt, muss in kurzer Zeit richtig zugeordnet werden.

Es gab sicher Fortschritte, auch in der Koordinierung oder im Zusam-menschluss von Kompetenzen, die

vorher bei verschiedenen Assesso-raten angesiedelt waren, oder in der Errichtung eines Netzwerkes zwischen öffentlichem und pri-vaten Gesundheitswesen. Doch es bleiben gewisse Problemthemen, wie z. B. die Schwierigkeit, Kinder-neuropsychiater mit einer sozial- psychologisch-therapeutischen Aus-richtung zu finden. Diesen Mangel gibt es aber auch auf internationaler Ebene, und dieser hat bisher leider die Eröffnung der Abteilung für sta-tionäre Aufenthalte in Meran hinaus-gezögert. Diese soll innerhalb 2012 eröffnet werden und sieht 15 Betten für Notfälle und für die akuten Phasen vor. Dennoch ist diese Stelle nur ein Glied in einer Kette, in dem die wich-

tigsten Bestandteile die ambulanten Dienste bleiben.

Schließlich und endlich bildet jedes Kind, jeder Jugendliche mit seiner Familie eine individuelle Realität, die eine individuelle Antwort braucht. Dr. Conca zeigte sich überzeugt, dass sich die Situation in Südtirol auf län-gere Sicht positiv entwickeln wird; er sprach auch von einer „Ökologie der Beziehungen“ und dem besonderen Augenmerk, das darauf zu legen ist. Er sprach vom Respekt vor jedem In-dividuum mit seiner Identität, von der Wertschätzung der Gesprächskultur anstelle des reinen Zwiegesprächs. Er sprach von den Eltern („was für El-tern?“) und von einem Werteverlust in unserer Zeit - der, wohl gemerkt, nicht Ursache von psychischen Störungen ist, aber uns alle herausfordert.

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i n Bozen gibt es derzeit 15 Wohnmö-glichkeiten für 25 Menschen mit

psychischer Erkrankung (allein oder in kleineren Gruppen). Es stellt ei-nen Weg in die Selbständigkeit dar, der im Jahr 2010 begonnen wurde, als man diesen Dienst vom Psychia-trischen Dienst des Krankenhauses auf die Sozialdienste übertrug, und der im laufenden Jahr zu Ende ge-führt werden soll. Damit erhält der Sozialdienst den „sozialen“ Bereich des Projektes „Selbständig Wohnen“; dem Psychiatrischen Dienst bleibt der spe-zielle gesundheitliche und rehabilita-tive Bereich.

Um die Durchführung kümmert sich eine Arbeitsgruppe von Mitarbei-tern des ZPG’s und des Behinderten- bereichs der Sozialdienste unter der Leitung von Dr. Luigi Corradini. Grundbedingung dafür ist, dass das Institut für den sozialen Wohnbau ei-nen großen Teil der dafür benötigten Wohnungen zur Verfügung stellt.

Für die „Selbsthilfe“-Redaktion ist es ab der Zeit, die aktuelle Situation zu begutachten. Es ist eine lange Ge-schichte. Sie entstand fast von selbst - damals als „Notfall“, heutzutage fast als täglicher Bedarf. Ausgegangen war

die Initiative von der Sozialassisten-tin Carla Vettorazzi. Der Krankenpfleger Paolo Piffer spricht von einer „1996 fast zufällig ent-standenen Idee ei-ner gemeinsamen Unterbr ingung“, als das Wohnbau- institut vier kri-tische Situationen in vier seiner Woh-nungen aufzeigte. Damals bezeich-nete das ZPG die Personen als leider nicht mehr „fähig für ein Zusammen-leben“ und verord-nete die Rückkehr in eine geschützte Struktur. Somit war die „geschützte gemeinschaftliche Wohnung“ gebo-ren und wurde seit-dem beibehalten.

Die sozialpädago-gische Wohnbe-gleitung wird zum „ n o t w e n d i g e n “ Herzstück des Pro-jektes für Personen, die vom ZPG als

geeignet erachtet werden. Es stellt eine Hoffnung und neue Aussichten für die Angehörigen dar. Sicher konn-ten und können nicht alle Menschen eine ausreichende Stabilität erlangen. Nicht alle werden den Weg in die er-wartete und vorgesehene Selbstän-digkeit gehen können. Doch der Ver-such in einer Wohngemeinschaft zu leben und somit Verantwortung für sich selbst zu übernehmen, gehört heute unabdingbar zur Behandlung von psychisch erkrankten Menschen.

Freilich braucht es dazu ein Netz von Diensten, bei denen allerdings die Pflegeheime („residenze sanitarie assistenziali (RSA)“), fehlen - „interme-diäre“ Strukturen, die laut der Aussage des Erziehers Bruno Salvotti als ein-zige die „Kontinuität der Betreuung“ lösen könnten. Sie könnten garantie-ren, dass nur solche Menschen in die „geschützten Wohnungen“ kommen, die dafür geeignet sind, und zugleich jene Menschen aufnehmen, die in einer stärkeren Krise sind, aber nicht den Familien zugemutet werden kön-nen. Sie wären auch zuständig dafür, dass das Projekt des eigenständigen Wohnens nicht die anfänglich ge-planten 2 bis 4 Jahre überschreitet. Denn es sollte eine Übergangslösung sein, nicht eine dauerhafte, die viel-leicht den Bedürfnissen der Betrof-fenen nicht entspricht.

Ein weiteres Problem stellt die Flexi-bilität dar: die bürokratischen Wege für die Zuweisung der Wohnungen, die Berechnung der „Punkte“ usw. müssten verkürzt werden. Die Fa-milien weisen darauf hin, dass die Bewertung der Pflegebedürftigkeit und die damit verbundenen Betreu-ungszuschüsse den Betroffenen in den meisten Fällen nicht gerecht wer-den. Wer in diesem Bereich arbeitet, bestätigt ganz klar, dass die starken „Schwankungen“ des Befindens bei psychisch erkrankten Menschen sehr oft eine rasche Reaktion auf ihre Be-dürfnisse verlangen. Nur ein kleiner

Projekt: Selbständig wohnenLorena Gavillucci

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Teil der Bewohner dieser Wohnungen erhält ein Pflegegeld, und niemand mehr als die erste Stufe.

Schließlich hat der Landesausschuss bei der Genehmigung der Kriterien

für diesen Dienst sehr wohl aner-kannt, dass die Grund-rechte der Menschen in schwierigen Situationen zu respektie-ren sind, zu-gleich aber auch, dass man auf die-se Weise „der öffentlichen Hand Kosten erspart, die bei Unter-bringung in S t r u k t u r e n

aufkommen“.

Sehr besorgt sind die Familien, was den finanziellen Aspekt betrifft. Offi-ziell ist noch nicht die Rede von „Ein-sparungen“ im Sozialbereich; man

spricht vorerst von einer „Rationali-sierung der Spesen und der Maßnah-men“. Was dies aber im Detail heißt, wird mit Sorge erwartet. Man spricht davon, dass die gleiche Summe im Jahr 2012 zur Verfügung stehen wird, doch sollen „zur Vorsicht“ 5 % der öffentlichen Ausgaben „eingefroren“ werden - das ist gewiss keine kleine Summe. Die Kontrolle der Ausgaben für die Pflegesicherung ist absolut vonnöten (und wie oft wurde darauf hingewiesen, dass es nur für die Be-treuung ausgegeben werden sollte!); auf der anderen Seite werden viele Menschen tagtäglich mit einer ver-schärften Bewertungsstarre konfron-tiert, auch wenn es offiziell nicht be-stätigt wird.

Eines zeichnet sich ganz klar ab: die Zukunft wird für die Angehöri-gen und die Verbände, die sich um Menschen in Schwierigkeiten küm-mern, zunehmend mehr Einsatz er-fordern.

b eim Amt für Mobilität in Bo-zen und bei den ermächtigten

Fahrkartenschaltern ist seit Jänner 2012 das Ansuchen um die Aus-stellung eines Ausweises für die ko-stenlose Beförderung von in Südtirol ansässigen Zivilinvaliden ab 74 % erhältlich.

Die Anspruchberechtigten müssen das eigens dafür vorgesehene Formu-lar ausfüllen und dieses zusammen mit der Kopie des Personalausweises (Vor- und Rückseite) abgeben. Das Gesuch kann mittels Post, Fax oder E-mail an das Amt für Perso-

Kostenlose Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel für Zivilinvaliden ab 74 % Gültig seit 14. Februar 2012

nenverkehr geschickt oder bei einer ermächtigten Verkaufsstelle abgege-ben werden. Personen, die bereits einen Ausweis zur kostenfreien Beförderung haben,

können weiterhin diesen verwenden. Die Ausstellung des Ausweises für die freie Beförderung ist kostenfrei. Die Ausstellung eines Duplikates kostet 20,00 Euro.

Autonome Provinz Bozen, Abteilung Mobilität, Amt für Personenverkehr, Crispistraße 10 – Landhaus 3B, 39100 BozenTel. 0471 415 480, Fax 0471 415 499, [email protected]

Das Formular für das Ansuchen finden Sie unter www.provinz.bz.it/de/formulare/formulare-kategorien.asp?bnfmf_frid=1016659

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n ach vielen Jahren des Still-standes und der Vertröstung

durch die Landesregierung wurde der Bau des Rehabilitationszentrums mit Wohnheim in der Fagenstraße in Bo-zen als Ersatz für den „Grieserhof“ nun endlich begonnen. Am 29. Februar 2012 fand die feierliche Grundstein-legung für den Bau statt. Die geplan-te Struktur soll den Leitlinien einer modernen psychiatrischen Rehabili-tation, mit Öffnung nach innen und außen, entsprechen. Das Rehazen-trum wird sich in zwei Bereiche glie-dern: offen und flexibel mit den allge-meinen Diensten im Erdgeschoss und der obere Bereich (drei Stockwerke) mit dem Wohn- und Schlafbereich, den Therapieräumen und der Verwal-tung.Vorgesehen sind eine Tagesstätte für 15 Personen, ein psychiatrisches Rehazentrum für 24 Personen und

ein Wohnheim für 12 Personen. Das Gebäude soll zudem über einen Mehrzweckraum, eine Turnhalle, eine Tischlerei und eine Mensa verfügen. Umschlossen wird es von Grünfläche sein, die geschützte Bereiche im Frei-en bietet.

Die Struktur soll innerhalb 2013 fertig gestellt und Anfang 2014 in Betrieb genommen werden.

Grundstein für psychiatrisches Rehabilitationszentrum in Bozen gelegt

d er Direktor des Psychiatrischen Dienstes, Univ. Prof. Dr. Andreas Conca informiert, dass am 15. März 2012 das Am-bulatorium für Allgemeine Psychiatrie und Liaisons-Psychiatrie im Krankenhaus Bozen, Pavillion W, 1. Stock beim

Psychiatrischen Dienst eröffnet wurde.

Das Ambulatorium garantiert:für alle im Gesundheitsbezirk Bozen ansässige Personen eine psychiatrische Erstvisite mit kürzestmöglichen

Wartezeiten allen stationär aufgenommenen Patienten bei Bedarf eine fachärztliche Untersuchung durch einen Spezialisten

für psychische Erkrankungen allen Abteilungen des Krankenhauses und der Ersten Hilfe schnelle

Beratung bei Patienten mit psychischen Erkrankungen

Vormerkung: per Telefon für eine Erstvisite, mit oder ohne Antrag eines Arztes; per Telefon oder Fax für Beratungen, die von den Abteilungen des Kranken- hauses und der Ersten Hilfe angefragt werden.

Eröffnung: Ambulatorium für Allgemeine Psychiatrie und Liaisons-Psychiatrie

Montag - Donnerstag, 08:00-12:30 und 14.00-16.00 UhrFreitag, 08:00-14:00 UhrTel: 0471 435 146 - 0471 435 147, Fax: 0471 909 811