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SENIORENKONFERENZ Handlungsleitlinie - Umgang mit FeM Erarbeitet durch die Pflegedienstleitungen der stationären Einrichtungen der Altenhilfe und der Kreiskliniken Traunstein-Trostberg im Landkreis Traunstein

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SENIORENKONFERENZ

Handlungsleitlinie - Umgang mit FeM

Erarbeitet durch die Pflegedienstleitungen der stationären Einrichtungen der Altenhilfe und der Kreiskliniken Traunstein-Trostberg im Landkreis Traunstein

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Landkreis Traunstein Seniorenkonferenz

Handlungsleitlinie Umgang mit FeM

Erarbeitet durch die Pflegedienstleitungen der stationären Einrichtungen der Altenhilfe

und der Kreiskliniken Traunstein-Trostberg im Landkreis Traunstein

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Vorwort 3 Mitwirkende 5 Unsere Leitgedanken 6

Bewusstsein fördern 1. Hintergründe kennen und reflektieren 7 1.1 FeM im Blickwinkel von Sturzgefährdung 7 1.2 FeM im Blickwinkel von forderndem Verhalten 8 1.3 Was spricht gegen FeM 8 1.4 Zusammenfassung 8 2. Bewusstsein schaffen und selbst erfahren 9 2.1 Wissenstransfer, Konzeptarbeit 9 2.2 Selbsterfahrung 11 2.3 Mitarbeiter 11 2.4 Bewohner/Bewohnerinnen und Patienten/Patientinnen und ihre

Angehörigen/Betreuer/innen 11

2.5 Bevölkerung (FeM im häuslichen Bereich) 12

Prozesse steuern 3. Prozesse steuern und dokumentieren 13 3.1 Pflegeprozess und FeM 13 3.2 Sechser-Schritt der Redufix-Studie 13 4. Alternativen 16 4.1 Eine Person kennen lernen 16 4.2 Umfeld und Milieu gestalten 17 4.3 Hilfsmittel bewusst nutzen 17 4.4 Den Körper in Bewegung halten 18 4.5 Multiprofessionell zusammen arbeiten 19 4.6 Fachlichkeit gezielt einsetzen 20 4.7 Weitere personelle Ressourcen organisieren 20 4.8 Vielfältige Methoden einbringen 21 4.9 Mit Medikation sensibel umgehen 21

Juristisch korrekter Umgang 5. Das letzte und kürzest anzuwendende Mittel 22 5.1 Erwirken eines richterlichen Beschlusses (Verfahren) 22 5.2 Umgehen mit dem richterlichen Beschluss 24 5.3 Dokumentation 26 Ausblick 27 Anhang 28 Übung „Geschenkverpackung“ 28 Übung „Die Zange“ 29 Übung „Es wird enger“ 30

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Vorwort Freiheitsentziehende bzw. freiheitseinschränkende Maßnahmen (FeM) haben in den letzten Jahren große Aufmerksamkeit erhalten. Besonders in Bezug auf den Bereich der Pflege und Betreuung von Bewohnern stationärer Einrichtungen wurden FeM – insbesondere bei Menschen mit Demenz – von den Medien vielfältig aufgegriffen. Weiter erschienen Veröffentlichungen, Handreichungen und Fachaufsätze zu diesem Thema von Seiten der Verbände, von wissenschaftlicher und ebenso von ministerieller Seite. Der sensible Schnittpunkt in Bezug auf FeM ergibt sich aus den sich gegenüberstehenden Ansprüchen von

FREIHEIT SCHUTZ. Alle Beteiligten rund um die Pflege und Betreuung - insbesondere die verantwortlichen Pflegefachkräfte – wissen und spüren diese Herausforderung vielfältig und hautnah. Jeder Mensch möchte „frei sein“. Ebenso wünschen sich dies die Mitarbeiter in Einrichtungen und Angehörige bzw. Betreuer für ihre Pflegebedürftigen, aber auch Unversehrtheit. Um das sensible Thema FeM hat sich auch maßgeblich Ursula von der Leyen als ehemalige Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bewusst angenommen. Maßgeblich unterstützte sie die Durchführung des Modellprojekts „Reduktion von körpernaher Fixierung bei demenzerkrankten Heimbewohnern“. Die Ergebnisse dieses Modellprojektes sind nachzulesen in „Redufix, Alternativen zu Fixierungsmaßnahmen oder: Mit Recht fixiert!“(2007) In dieser Studie wird eindrucksvoll belegt, wie Häufigkeit und Dauer von Fixierungen durch eine Kombination einfacher Maßnahmen gesenkt werden kann. Die Ergebnisse der Redufix-Studie, als fachlich anerkannter Stand der Wissenschaft (2007), bot vielfältig Grundlage für Diskussionen im Rahmen der „Traunsteiner Arbeitsgruppe FeM“ (TAF) und diente ebenso als Fundament bzw. zur Reflexion für eine professionelle fachliche und verfahrenstechnische und rechtliche Umgehensweise mit FeM. Das Wissen um

1. Hintergründe zu FeM, 2. Transparenz der Prozessteuerung/Alternativen und 3. Maßgaben zur Dokumentation

sind die drei Schwerpunkte dieser Handreichung. Diese Handreichung basiert auf den Ergebnissen acht dreistündiger Treffen (Juli 2008 – Juli 2009) der Pflegedienstleitungen aus den Einrichtungen der stationären Altenhilfe im Landkreis Traunstein und der Pflegedienstleitung der Kreiskliniken Traunstein-Trostberg. Diese Treffen fanden freiwillig im Rahmen der Seniorenkonferenz, Arbeitsgruppe 1 (stationäre Einrichtungen) statt. Ebenso wurde durch Mittel aus der Seniorenkonferenz die drucktechnische Umsetzung ermöglicht.

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Diese Handreichung bietet eine schnelle Übersicht zu wichtigen Eckpunkten zum professionellen Umgang mit FeM. Die an diesem Prozess mitwirkenden Pflegedienstleitungen aus den stationären Einrichtungen der Altenhilfe im Landkreis Traunstein stellen hierdurch ihre Ergebnisse dar.

Die Selbständigkeit und die unternehmerische Eigenverantwortung der Träger in Zielsetzung und Durchführung ihrer Aufgaben bleiben nach

Art. 1, Absatz 2 Pflege- und Wohnqualitätsgesetz (PfleWoqG) unberührt. Vielen Dank allen Mitwirkenden für Engagement und Tatkraft im Rahmen dieses Prozesses. Landkreis Traunstein

Seniorenkonferenz

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Mitwirkende Gemeinde Einrichtung PDL/Name Bergen Pur Vital Fr. Grundner (PDL) Grabenstätt „In der Au“ Fr. Klipp (PDL) Grabenstätt Kreisaltenheime Traunstein Fr. Meinelt (PDL) Grassau Seniorenheim Grassau Hr. Basowski (PDL) Inzell Diakonisches Werk,

Chiemgaustift Hr. Bader (PDL)

Inzell Seniorenheim Inzell Fr. Reiter (PDL) Marquartstein Wohnstift Marquartstein Fr. Gräf (PDL)

Fr. Sakautzki (stellvertr. PDL) Nussdorf Selberdingerheim Hr. Schinko (PDL) Obing Seniorenheim

St. Benedikt-Frabertsham Fr. Ziegelgänsberger (PDL), Fr. Mirwald (EL)

Palling Kreisaltenheime Traunstein Fr. Franke (PDL) Reit im Winkl Altenheim Reit im Winkl Fr. Lopar (PDL) Ruhpolding Altenheim Ruhpolding Fr. Krüger (PDL),

Fr. Fröhler (QB) Siegsdorf Kardinal Michael-von-Faulhaber,

Deutschorden Alten- und Pflegeheim

Fr. Höcherl (PDL)

Taching Altenheim St. Georg Hr. Truckses (HEP) Tittmoning Pflege- und Therapiezentrum

Tittmoning Fr. Stadler (PDL) Fr. Schwab (QB)

Traunreut AWO Seniorenzentrum Fr. Moherndl (PDL) Fr. Sax (WBL, stellvertr. PDL)

Traunstein Diakonisches Werk, Seniorenzentrum Wartberghöhe

Fr. Niemietz (PDL)

Traunstein Kreiskliniken Traunstein-Trostberg

Hr. Stettner (PDL) Fr. Rieder (Gesundheits- und Krankenpflegerin) Hr. Buchner (Gesundheits- und Krankenpfleger)

Trostberg Kreisaltenheime Traunstein Fr. Wirth (PDL) Trostberg Pur Vital, Zentrum für Senioren Fr. Löhnert (PDL)

Fr. Steiglechner (PDL, QB) Unterwössen Seniorenheim Unterwössen Fr. Auer (PDL) Landratsamt Traunstein

FQA Fr. Glück (Dipl.-Sozialpäd. FH) Fr. Herb (Gesundheits- und Krankenpflegerin)

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Unsere Leitgedanken 1. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Selbstbestimmung gehört zur

Würde des Menschen und ist ein Zeichen von Freiheit. Freiheit ist des Menschen höchstes Gut.

2. Bewegung bzw. „sich bewegen können“ gehört zum Merkmal des

menschlichen Wesens. Körperliche Bewegungsfreiheit ist ein wesentlicher Faktor für Lebensqualität.

3. Der Mensch hat durch seine natürliche Anlage sich bewegen zu können in

seiner gesamten Lebenszeit das Risiko zu stürzen und sich dadurch zu verletzen.

4. Für die Vermeidung von Stürzen ist das unumgängliche Mittel der Aufbau

von Muskelkraft und der Erhalt der Balance. Dazu braucht es in jedem Lebensalter Übung und kontinuierliches Training.

5. Im Rahmen des Pflegeprozesses sind sich die Pflegekräfte der Aufgabe

bewusst, den Bewohner vor Schaden zu schützen und gleichzeitig ein Höchstmaß an Freiheit zu gewährleisten. Individuelle alternative Lösungen stehen im Vordergrund.

6. Die Dokumentation macht Verfahren, Handlungen sowie den Einbezug

aller Beteiligten (z.B. Pflegeteam, Angehörige, Betreuer, Arzt) in Bezug auf FeM transparent.

7. Multiprofessioneller Austausch, Fortbildungen und dessen

Wissenstransfer innerhalb der Einrichtungen hält das Bewusstsein zu diesem Thema lebendig.

8. Wir nutzen interne und externe Audits zur Reflexion und

Weiterentwicklung im Umgang mit FeM.

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Bewusstsein fördern Ein professionelles Bewusstsein im Umgang mit FeM und dessen Aufrechterhaltung ergeben sich nicht von selbst. Es braucht kontinuierlich fachlich geleiteten Wissenstransfer sowie ein durch realitätsnahe Selbsterfahrung bewirktes Verständnis „was bedeutet FeM für einen Menschen“.

Schon Konfuzius sagte: Was Du mir sagst, das vergesse ich.

Was Du mir zeigst, daran erinnere ich mich. Was Du mich tun lässt, das verstehe ich.

1. Hintergründe kennen und reflektieren Die Redufix-Studie gibt darüber Auskunft, dass die meisten in Heimen lebenden Personen, die fixiert werden, kognitiv beeinträchtigt oder dement sind. Zudem sind Betroffene häufig in ihrer Mobilität eingeschränkt, pflegebedürftig und inkontinent. Eine FeM besteht dann, wenn jemand ohne Einwilligung in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt wird durch:

• Mechanische Vorrichtungen (z. B. Bettgitter, Bauchgurt, Schutzdecke, einsperren, Trickschlösser,…)

• Medikamente (z.B. Neuroleptika, Psychopharmaka mit dem Ziel der Ruhigstellung)

• Andere Maßnahmen (z. B. unzugängliches Arretieren des Rollstuhls, Wegnehmen von Kleidung, Schuhen, Sehhilfen, Gehhilfen,…)

Sowohl in der Gerontopsychiatrie als auch im Bereich der Altenpflege dominieren zwei Problembereiche als Begründung für FeM. 1.1 FeM im Blickwinkel von Sturzgefährdung Einerseits wird als Grund für FeM „Schutz vor Sturz und sturzbedingten Verletzungen“ wegen Sturzgefährdung, Gang- und Transferunsicherheit genannt (72,4 %).

Reflexion dieser Aussage: Es ist im Nationalen Expertenstandard Sturzprophylaxe nachzulesen, dass die größtmögliche Chance Menschen vor Stürzen zu schützen ein gezieltes Kraft- und Balancetraining ist. Findet kein kontinuierliches Training statt nimmt die Muskelkraft ab und somit die Sturzgefahr zu. Fixierungen unterstützen somit einen kontraindizierten Prozess: Muskelabbau statt Muskelaufbau!

1.2 FeM im Blickwinkel von herausforderndem Verhalten

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Zum Anderen wird psychomotorische Unruhe, Umtriebigkeit, Rastlosigkeit bzw. Wanderverhalten (82,8 %) genannt. Dies sind meist Anzeichen, die Orientierungslosigkeit ausdrücken.

Reflexion dieser Aussage: Aus fundierten gerontopsychiatrischen Konzepten ist zu entnehmen, dass herausforderndes Verhalten meist im Zusammenhang mit mangelnder Orientierung zur Person, zu Raum, zum Umfeld und Situation auf Grund einer nachlassenden Fähigkeit, den Tag zu gestalten, auftritt. Also steht hinter herausfordernden Verhaltensweisen ein (Hilfe-)„Bedürfnis“, z.B. sagt mir: „wer bin ich?“, „wo bin ich hier?“, „wer sind die anderen hier?“, „was ist mein Platz und meine Rolle hier?“ und allen voran „was soll ich hier tun?“

1.3 Was spricht gegen FeM Die Absicht, die Sicherheit des Bewohners über FeM zu gewährleisten, ist mit erheblichen Gefahren verbunden. Folgende Hauptpunkte werden auch innerhalb der Redufix-Studie genannt:

- Verlust von Kontrolle, Freiheit und Autonomie und sozialen Bezügen - Erhöhter Stress - Quetschungen, Nervenverletzungen und Ischämien - Todesfälle durch Herzversagen oder Ersticken - Medizinische Komplikationen wie Pneumonie, Dekubitus, Infektionen oder

Thrombosen sowie Zunahme von Stuhl- und Urininkontinenz - Muskelatrophie und Verlust der Balance, Kontrakturen

1.4 Zusammenfassung Die meist genannten Begründungen für FeM bringen oftmals genau das Gegenteil bzw. sind keine adäquaten Antworten auf Bedürfnisse der Bewohner, die befriedigt werden wollen. Verzeihen Sie, wenn wir hier folgende Fragen in den Raum stellen: „Haben Sie sich schon einmal gewünscht angebunden zu werden?“ „Wenn ja, wann und wie oft – zweimal am Tag, dreimal in der Woche, zwanzig Mal im Monat, XY-Mal im Jahr?“

Die Redufix-Studie drückt es so aus: „Bewegungseinschränkungen sind kurzfristig unter Umständen als Schutzmaßnahme wirksam, mittelfristig dagegen mit erheblichen Risiken verbunden“

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2. Bewusstsein schaffen und selbst erfahren FeM in stationären Einrichtungen der Altenhilfe Der aus der Redufix-Studie sich abzeichnende Sachverhalt, dass

a) die meisten in Heimen lebenden Personen, die fixiert werden, kognitiv beeinträchtigt oder dement sind und

b) zudem häufig in ihrer Mobilität eingeschränkt, pflegebedürftig und inkontinent sind,

zeigt uns analog die Themenfelder mit denen wir uns bewusst fachlich und praktisch in Bezug auf die Bewohner in unseren Einrichtungen auseinander setzen müssen. FeM im Krankenhaus Immer mehr ältere Patienten mit körperlichen Einschränkungen und Orientierungsstörungen werden bei nur kurzer Verweildauer im Krankenhaus aufgenommen. Ein großes Problem stellt dabei der Verlust der gewohnten Umgebung und der vertrauten Bezugspersonen dar. Zusätzlich werden sie durch Operationen und andere diagnostische Eingriffe mit ungewohnten Medikamentennebenwirkungen konfrontiert. Notwendige aber lästig empfundene Drainagen und Schläuche finden oft wenig Akzeptanz. In dieser Situation ist eine Risikoabwägung zwischen dem Wohl des Patienten und einer körperlichen Gefährdung von elementarer Notwendigkeit. Freiheitsentziehende Maßnahmen sind, falls notwendig, ärztlich anzuordnen und trotzdem auf ein Minimum zu reduzieren. Bei nicht einwilligungsfähigen Patienten muss – wie in Heimen – eine Genehmigung des Betreuungsgerichts beantragt werden, dies aber nur, wenn abzusehen ist, dass die Fixierung nicht nur kurzzeitig notwendig sein wird (z.B. wie beim sog. Durchgangssyndrom). Das Spannungsfeld zwischen Schutz und Freiheit ist ein täglich neuer Balanceakt. Auch die kompetente Überleitung von und zu den ambulanten und stationären pflegerischen Einrichtungen wird zu einer immer wichtigeren Aufgabe des täglichen Handelns. Neue Wege einer am Wohl und den Bedürfnissen des Patienten orientierten Vorgehensweise müssen geschult und zur Anwendung kommen. Dies erfordert ständige Fort- und Weiterbildung und Sensibilisierung des medizinischen und pflegerischen Fachpersonals. 2.1 Wissenstransfer, Konzeptarbeit Information und Wissenstransfer zum Themenfeld „gerontopsychiatrisch veränderte Menschen“ (Symptome, Zusammenhänge, Methoden, Konzepte) über interne Qualitätszirkel sowie durch Fort- und Weiterbildungen sind zu sichern. Für viele Einrichtungen der stationären Altenhilfe steht hier der wichtige Schritt, sich mit der veränderten Bewohnerstruktur – ca. 60 % Menschen mit Demenz – im Rahmen der Anpassung bzw. Neugestaltung entsprechender Pflege- und Betreuungskonzepte auseinander zu setzen.

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Die Auseinandersetzung mit dem fachlich anerkannten Stand der Wissenschaft für die Weiterentwicklung der einrichtungsspezifischen Konzeption ist unumgänglich und passiert bereits über die Ausbildung zur gerontopsychiatrischen Fachkraft. Diese Fachkräfte bewusst „einzuschalten“ und deren erlerntes Fachwissen bei Fragen im Umgang mit oben genanntem Personenkreis wollen wir nutzen und sehen diese als wichtigen Partner im Pflegeprozess. Folgende Konzepte bilden derzeit ein Abbild des fachlich anerkannten Stands der Wissenschaft:

- Milieutherapie (soziale Umgebung/Beziehungen gestalten, Intervallkonzept, architektonisch-räumliche Umgebungsgestaltung)

- Validaton nach Naomi Feil - Biografiearbeit (Verstehen von Verhaltensweisen als Basis für deren

adäquate Bedürfnisbefriedigung) - Selbsterhaltungstherapie (SET) nach Dr. Barbara Romero - Personenzentrierter Ansatz nach Tom Kitwood - Realitätsorientierungstraining (ROT) – jedoch mit dem Verzicht auf

Korrektur! - Psychobiographisches Pflegemodell nach Prof. Erwin Böhm - Erlebnisorientierte Pflege nach Carl R. Rogers und Rien Verdult - Mäutik nach Cora van der Kooij - „3-Welten-Modell“ als segregativer Ansatz nach Dr. Christoph Held

Alle genannten Konzepte unterliegen dem Bedürfnis Menschen mit Demenz durch Maßnahmen und Methoden in ihrer Ganzheit zu erfassen und ihre oft nicht verstehbaren Verhaltensweisen zu durchschauen und diese adäquat zu befriedigen und ihre Lebensqualität zu sichern bzw. zu verbessern. Zusätzlich bietet das Qualitätshandbuch „Leben mit Demenz“ des Kuratoriums für Deutsche Altenhilfe (KDA) vielfältig Informationen und Methodenbeschreibungen zu „Zugänge finden und erhalten in der Förderung, Pflege und Begleitung von Menschen mit Demenz und psychischen Veränderungen“. Ausführlich zur Vielfalt und zum Stand verschiedener Konzepte in Bezug auf Menschen mit Demenz können Sie nachlesen in der aktuellen Grundsatzstellungnahme Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz in stationären Einrichtungen des MDS (Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. ) unter: http://www.mds-ev.de/media/pdf/Demenz-Broschuere_4MB.pdf

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2.2 Selbsterfahrung Die Auseinandersetzung mit Konzepten ist eine wichtige Basis für FeM. Jedoch birgt erst die Erfahrung bzw. Selbsterfahrung in Bezug auf FeM einen veränderten Blickwinkel für Pflegemitarbeiter. Im Rahmen der TAF-Treffen wurden kontinuierlich für „das am eigenen Leib erfahren von FeM“ sog. Übungen umgesetzt und ausgewertet! Diese Übungen wurden als sehr wertvoll empfunden und werden im Anhang aufgeführt und kurz beschrieben. Wichtig: Das Lesen der Übungen bringt in keinster Weise das Erfahrungsergebnis aus der persönlich erlebten Umsetzung zu Tage. Also, setzen Sie solch eine Übung evtl. bei Ihrer nächsten Pflegeteambesprechung bzw. im Rahmen Ihrer Qualitätszirkelarbeit zu FeM ein. 2.3 Mitarbeiter Hierzu möchten wir Ihnen folgende anregende und bestimmt überdenkenswerte Fragen als Anregung für die Zusammenarbeit mit Angehörigen stellen:

1. Wie drücken Sie in Ihrem Leitbild Ihre Haltung zu FeM aus? 2. Wie nehmen Sie im Konzept Ihrer Einrichtung zu FeM Stellung? 3. Wie transportieren Sie kontinuierlich Ihre Haltung und Einstellung in Bezug

auf FeM an Ihre Mitarbeiter weiter? 4. Wie sichern Sie über Kommunikationsstrukturen eine kontinuierliche

Bewusstseinsbildung zu FeM? 5. Wie bilden Sie in Ihrer Pflegeplanung und Ihrem Pflegemodell den Umgang

mit FeM transparent und nachvollziehbar ab? 6. Wie gestalten Sie die Auseinandersetzung mit Alternativen zu FeM? 7. Wie stellen Sie die Evaluierung und evtl. Anpassung von FeM sicher?

Weitere Fragen finden Sie unter folgendem Link, der Sie zum Prüfleitfaden für Einrichtungen der Pflege und Behindertenhilfe Bayern führt: http://www.stmas.bayern.de/pflege/pruefung/pruefleitfaden.pdf Zum Umgang mit FeM können sie die Seiten 101 – 105 gut zur Reflexion der Prozesse in Ihrer Einrichtung nutzen. 2.4 Bewohner und ihre Angehörigen/Betreuer Auch hier haben wir etliche Fragen für Sie:

1. Wie transportieren Sie Ihre Haltung und Einstellung in Bezug auf FeM an Bewohner, Angehörige/Betreuer?

2. Wie sichern Sie eine stetige Information, wenn es um den Einsatz bzw. Nicht-Einsatz von FeM geht?

3. Wie sorgen Sie evtl. im Rahmen von Kommunikationsplattformen für Wissenstransfer und Selbsterfahrung für Angehörige/Betreuer?

4. Wie sorgen Sie dafür, dass Ihre Zusammenarbeit mit den Angehörigen/Betreuern im Rahmen Ihrer Dokumentation transparent und nachvollziehbar ist?

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2.5 Bevölkerung (FeM im häuslichen Bereich) Die breite Bevölkerung zu „verändern“ bzw. ein fachliches Bewusstsein zu implementieren ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Dennoch können auch Sie einen Betrag leisten, z.B. indem Sie wiederkehrend im Rahmen Ihrer Öffentlichkeitsarbeit für den Umgang mit FeM immer ein paar kleine Zeilen einplanen! Broschüre der Landeshauptstadt München Weiter wurde zu FeM im häuslichen Bereich von der Landeshauptstadt München, Sozialreferat, eine umfassende Broschüre erstellt, die Sie über folgenden Link einsehen und herunterladen können. http://www.muenchen.de/Rathaus/soz/sozialesicherung/betreuungsstelle/98321/index.html

http://www.muenchen.de/cms/prod1/mde/_de/rubriken/Rathaus/85_soz/03_sozialesicherung/betre

uungsstelle/freiheitsentziehende_massnahmen_im_haeuslichen_bereich.pdf Das Anliegen dieser Broschüre „Umgang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen im häuslichen Bereich“ wird wie folgt beschrieben: Die Beschränkung der körperlichen Bewegungsfreiheit ist ein schwerwiegender Eingriff in die Rechte der Betroffenen. Dennoch ist sie manchmal notwendig. Mit dieser Broschüre möchten wir Betreuende und Familienangehörige zu diesem schwierigen Thema informieren.

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Prozesse steuern 3. Prozesse steuern und dokumentieren 3.1 Pflegeprozess und FeM Im Rahmen der Prozesspflege in Ihrer Einrichtung erheben Sie im Rahmen der Pflegeanamnese (Diagnose und Biografie) die Situation, mit der der Bewohner in Ihre Einrichtung kommt. Dies ist die Basis für die daraus folgende Pflegeplanung (im Landkreis Traunstein meist über das Pflegemodell Monika Krohwinkel). Durch die konsequente Durchführung und Evaluation ergibt sich automatisch der Entwicklungs- und Verlaufsprozess zu FeM. Die Maßnahmen, z.B. Anwendung bzw. Durchführung von Maßnahmen (wie auch Pflegehandlungen) sind ebenso bei FeM zu dokumentieren. 3.2 Sechser-Schritt der Redufix-Studie Die sechs Schritte aus der Redufix-Studie für die Heran- und Umgehensweise im Pflegeprozess und somit im Pflegeteam sind folgende:

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1. Schritt: Analyse der Situation Beschreibung des Ist-Zustandes Analyse der bisherigen Maßnahmen Systematische Risikoeinschätzung Formulierung von Zielen

- Welche Situationen (z.B. vermehrte Stürze) oder Verhaltensweisen (z.B. Weglaufen, „betreten und räumen in Zimmer anderer Bewohner/innen“) liegt dem Bedürfnis nach einer FeM zugrunde?

- Welche Maßnahmen wurden bisher eingesetzt/getestet? - Systematische Risikoeinschätzung unter Einbezug folgender Personen:

Bewohner/in, Pflegende/r, Angehörige/r, Betreuer/in, Arzt/Ärztin - Eine wichtige Frage wäre: „Geht es vorrangig um die unmittelbare

körperliche Unversehrtheit oder wollen wir die Mobilität der Bewohner/innen möglichst lange erhalten?

- Welche WERTE vertreten wir in unserem Leitbild, in Konzepten? - Welche Haltung und Einstellung vertritt die gesamte Einrichtung mit dem

dort tätigen Personal in Bezug auf FeM? 2. Schritt: Einschätzung der Alternativen

Welche Alternativen stehen zur Verfügung? Welche Ziele lassen sich mit den Alternativen erreichen? Welche Risiken haben sie?

- Welche Alternativen zu Fixierungsmaßnahmen stehen zur Verfügung? - Welche Ideen haben unterschiedliche Personen im Pflegeteam (z.B. hier

eine Sichtung der nun erstellten Liste „Alternativen“)?

3. Schritt: Entwicklung eines Maßnahmeplans Fallkonferenz/Fallbesprechung mit folgenden Personen:

Betroffene Person, Pflegepersonal, Bevollmächtigte, Betreuer, Angehörige, ggf. Arzt

- Festlegung des Überprüfungszeitraumes, ob die jeweilige Maßnahme die definierten Ziele unterstützt

4. Schritt: Entscheidung treffen

Vorbereitung der Entscheidung Die Ziele festlegen und fachlich begründen Risikoeinschätzung

- Möglichst Konsens (Übereinstimmung) bei allen Beteiligten herstellen. - Absprache treffen, wer letztendlich darüber entscheidet, welche Maßnahme

getroffen wird. - Hat man sich für eine Maßnahme entschieden, die vormundschafts-

gerichtliche genehmigt werden muss, z.B. Bauchgurt, wird festgelegt, wer mit den Angehörigen spricht und diese über das Prozedere (Antragstellung, Betreuungsstelle, richterliche Inaugenscheinnahme) informiert.

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5. Schritt: Umsetzung der Maßnahmen Auf der Basis des Maßnahmeplans Ggf. Legitimation durch den Bevollmächtigten/Betreuer Ggf. vormundschaftsgerichtlich genehmigt

- Wer ist verantwortlich für die Durchführung? - Festlegung eines Zeitplans für die Umsetzung, z.B. „die Maßnahme wird 2

Wochen zum Test durchgeführt und evaluiert (siehe 6. Schritt)“ 6. Schritt: Beobachtung und Evaluation

Wer ist verantwortlich? Zeitplan

- In welchen Zeiträumen wird die Maßnahme überprüft? - Wer überprüft (bemüht sich um Wahrnehmung der) Entwicklungsweisen

des Bewohner/in durch die Umsetzung der Maßnahme/n? - Sind die vorher bestimmten Ziele erreicht worden? - Muss noch etwas verändert oder angepasst werden?

Deutlich kommt hier nochmals heraus, dass dies keine „Allein-Entscheidung“ ist, sondern dringende Abstimmung, Unterstützung, Reflexion im gesamten Pflegeteam eines Wohnbereiches und sicher auch mit den Pflegedienstleitungen braucht! Dies könnte z.B. in Fallbesprechungen in den Pflegeteams der Wohnbereiche passieren.

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4. Alternativen Die aufgeführten Alternativen wurden in der Gemeinschaft der PDL im Rahmen der TAF-Treffen erarbeitet und beschrieben. Diese sollten stetig im Rahmen von Sturzprophylaxe und Umgang mit herausforderndem Verhalten präsent, abgewogen und ausprobiert werden.

4.1 Eine Person kennen lernen Biografieerhebung - Biografiegespräch mit dem Bewohner mit vorgegebenem Fragenkatalog - Biographiebogen an die Angehörigen ausgeben - Zusätzliche biografische Informationen in der täglichen Arbeit sammeln - Biografische Daten in die Tagesstruktur einfließen lassen - Interdisziplinäre Bewohnervorstellung/Fallbesprechung - Bedürfnisse der Bewohner werden berücksichtigt Angehörigenarbeit (siehe 2.4 Bewohner und ihre Angehörigen/Betreuer) - Angehörige sollen Hausstrukturen kennen, durch frühzeitige Hausvorstellung und -begehung, Vorstellung der jeweiligen Mitarbeiter - Einbeziehung in Pflegeplanung und Fallbesprechung - Einbeziehen in Maßnahmenfindung - Unter Umständen Miteinbeziehung in die Maßnahme - Angehörigengruppen, -nachmittage oder –abende, evtl. auch mit speziellen

Themen, wie z. B. FeM, Demenz etc. - Individuelle Beratung

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4.2 Umfeld und Milieu gestalten „Unter Milieutherapie wird ein therapeutisches Handeln zur Anpassung der materiellen und sozialen Umwelt an die krankheitsbedingten Veränderungen der Wahrnehmung, des Empfindens, des Erlebens und der Kompetenzen (der Verlust und der Reserven) der Demenzkranken verstanden“. (Grundsatzstellungnahme des MDK zu Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz in stationären Einrichtungen, Seite 109.) Küche/Wohnküche - Gewohntes Milieu - Anregen der Sinne - natürliche Beschäftigung (Normalitätsprinzip) - Erleben von Gemeinschaft, Großfamilie - Kreativität fördern, Gedächtnistraining Garten der Sinne - gezielte Gartengestaltung mit geführten Wegen, unterbrochen durch z.B. Ruheoasen, Hochbeete, Tiere, Brunnen, spezielle Bepflanzung, Riechecken Nachtkaffee - Gemütliche Ecke in der Nähe des Stationszimmers/ Pflege-Stützpunkt - Tisch, Stühle, ansprechende, angenehme Atmosphäre - Anlaufpunkt für alle Bewohner, unterstützt die Individualität, - Selbstbestimmung - adäquates Angebot für Bewohner/innen mit gestörtem Wach-, Schlafrhythmus

- reduziert Einsatz von Medikamenten - positive Flüssigkeitsbilanz - Entlastung für Mitarbeiter

4.3 Hilfsmittel bewusst nutzen An der Person: Schlafsack (um körpernahe Fixierungen zu vermeiden) - Bewohner muss sich darin wohl fühlen - Geborgenheit/Sicherheit/Wärme - Alternative zur Gurtfixierung - Schutz vor Verletzungen ABS Socken (Socken mit Gumminoppen, die rutschsicher sind) - desorientierter Bewohner soll sie immer tragen, auch nachts. - Beobachtung des Verhaltens / Akzeptanz beim Erstgebrauch - Bewohner hat beim selbständigen Aufstehen mehr Sicherheit,

nicht auszurutschen - Hat gleichzeitig auch warme Füße

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Hüftprotektoren (Schutzmaßnahme für sturzgefährdete Menschen) - Angeboten werden Gürtel und Hose - Ist geeignet zum Schutz vor Oberschenkelhalsfrakturen - Eine Fixierung durch Gurt wird unter Umständen vermieden Sturzhelm - in Einzelfällen anzuwenden z.B. bei schweren Anfallsleiden, wenn Alternativen

nicht gegriffen haben - auf sichere Handhabung muss geachtet werden Aus dem Umfeld: Signalmatte (Bodenmatte, die bei Druck ein Signal auslöst) - liegt vor dem Bewohnerbett, - mit dem Schwesternruf verbunden - unterschiedliche Größen vorhanden - als Alternative zum Bettgitter Niedrigflurbetten (Bett kann bis auf 23 cm Bodenhöhe gesenkt werden) - Verletzungsgefahr und Sturzhöhe sind reduziert - Bettgitter bleibt erspart Matratzen (Liegen auf dem Boden vor dem Bett) - Bettgitter wird vermieden - Verletzungsgefahr bei Sturz wird vermindert - Angst vor dem „eingesperrt sein“ wird vermieden Rutschmatten auf Stühlen (gummierte Antirutschmatten die das Wegrutschen, besonders auf glatten Sitzflächen verhindern sollen) - Einsatz auf glatten Sitzflächen, bevorzugt auf Rollstühlen - Einsatz bei Bewohnern mit körperlichen Einschränkungen, die keine normale Sitzposition erreichen können Orientierungslicht (gedämpfte Lichtquelle, die nachts brennt um die Orientierung zu verbessern) - das Bettlicht sollte vom Bett aus erreichbar sein - zusätzlich sollte sich ein Orientierungslicht auf dem Weg zur Toilette oder der Zimmertüre befinden - es soll eine individuelle Lösung erreicht werden, wenn sich der Mitbewohner/in vom Licht gestört fühlt 4.4 Den Körper in Bewegung halten Regulation des Energiehaushalts Dem dementiell Erkrankten die Möglichkeit bieten, überschüssige Energien abzubauen oder zu lenken (durch sinnvolle Beschäftigung wie z.B. Spazieren gehen).Helfen könnten dabei z.B. Biographiearbeit, adäquate Milieutherapie, Ergotherapie, Angehörige, Ehrenamtliche, Schüler.

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Rundweg (in der Regel Gartenanlage einer stationären Einrichtung) - Bewohner/in kann seinen Bewegungsdrang ausleben - Reduzierter Medikamenteneinsatz - Bewegung in gewohnter Umgebung - Stoffwechsel wird angeregt

Spaziergänge, frische Luft - sich ungehindert bewegen können (Wohnbereich/Garten) - Paradiesgarten (wie z.B. im beschützenden Bereich der AWO Traunreut) - Sinnesgarten (Riechen, Schmecken, Fühlen, Tasten) - Hochbeet mit Gewürzpflanzen - Mobilisation mit Rollstuhl, Balkon - Kaffeetrinken/Gymnastik/Arbeiten/Tiere versorgen - Ausflüge, Einkaufsfahrten, Gemeindeleben teilnehmen Kraft- und Balancetraining - Feste Termine z.B. zweimal in der Woche durch geschulte Personen,

Physio- oder Ergotherapeuten - Einteilung verschiedener Leistungsgruppen, z. B. Rollstuhlfahrer,

Dementengruppe, etc. - Findung geeigneter Hilfsmittel - Findung einer geeigneten Räumlichkeit - Eventuell Begleitung durch geeignete Musik - Für Abwechslung sorgen - Für Kontinuität sorgen, Transfer sicherstellen - Entsprechende Dokumentation - Regelmäßige Auswertung und Überprüfung der Maßnahme 4.5 Multiprofessionell zusammen arbeiten Sozialer Dienst/Soziale Betreuung (Soziale Kontakte zum Umfeld erhalten, pflegen und erweitern können) - Tagesstruktur finden - Anbieten von speziellen Tagesprogrammen auch im Freien - bei Demenz SET (Selbsterhaltungstherapie) - bei orientierten Bewohnern (Krohwinkl, ATLS usw.) - Normalität schaffen (wie zu Hause) - Selbstwertgefühl erhalten - Sinn finden - Ressourcen erhalten und fördern - kulturelles Angebot

Ergotherapie (Arbeits- und Gestaltungstherapie) - Für die Gruppe: Gedächtnistraining, Bewegungstherapie, Kochen, Backen,

Gartenarbeit, Musizieren, jahreszeitliche Kulturarbeit, Ausflüge, Tiertherapie, - Für einzelne Personen: Einzelbeschäftigung unter Berücksichtigung der Biografie,

Anleitung zum Essen, Trinken, Waschen, Gehen. - Alltagssituationen wieder bewältigen lernen - Besorgung von sinnvollen Hilfsmitteln (Antirutschmatte, Rollatoren, Rollstühle,

behindertengerechtes Besteck, Schreibhilfen usw.) - Einzelgespräche, Einzeltherapie

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4.6 Fachlichkeit gezielt einsetzen Gerontopsychiatrische Fachkraft (Weiterbildung für Pflegefachkräfte) - Dauert ca. 2 Jahre, wird in Blöcken unterrichtet - Die Ausbildung ist auf Menschen mit veränderten psychischen Verhalten im Alter

ausgerichtet - Die gerontopsychiatrische Fachkraft ist Multiplikator und Anleiter für das

gesamte Team - Die gerontopsychiatrische Fachkraft fördert die individuelle und auf die

Bedürfnisse abgestimmte Betreuung des altersbedingt veränderten Menschen. - Die Fachkraft arbeitet biografisch und ressourcenorientiert. 4.7 Weitere personelle Ressourcen organisieren Betreuungskräfte nach Richtlinie § 87 b SGB XI Pflegebedürftige Menschen mit demenzbedingten Fähigkeitsstörungen, psychischen Erkrankungen oder geistigen Behinderungen im Sinne des § 45a Abs. 1 SGB XI haben in der Regel einen erheblichen allgemeinen Beaufsichtigungs- und Betreuungsbedarf. Ihre Versorgungssituation in der stationären Pflege wird überwiegend als verbesserungsbedürftig angesehen. Mit der Zahlung von leistungsgerechten Zuschlägen zu den Pflegesätzen für die zusätzliche Betreuung und Aktivierung von Heimbewohnern nach den Regelungen des § 87b SGB XI werden den Pflegeheimen finanzielle Grundlagen gegeben, eine bessere Betreuung für die Betroffenen im Sinne der von den Fachverbänden geforderten „Präsenzstrukturen“ zu organisieren, die darauf abzielen, die betroffenen Heimbewohner bei ihren alltäglichen Aktivitäten zu unterstützen und ihre Lebensqualität zu erhöhen. Auszubildende zur Pflegefachkraft Unterstützt unter Anleitung den einzelnen Bewohner bzw. Bewohnergruppen bei ihren täglichen Aktivitäten. Ehrenamtliche (müssen betreut - Ansprechpartner muss benannt werden), - regelmäßiger Besuchsdienst (1x wöchentlich), auch wenn der Bewohner im

Krankenhaus ist - Unterstützung bei Festen/ Ausflügen/ Spaziergängen/ Kirchgang/ Einkäufe mit

oder für den Bewohner/ Tierbesuchsdienst/ Vorlesestunde/ Musizieren/ - Bindeglied in die Gesellschaft/Gemeinde/Stadtteil Praktikanten - Studenten der Sozialen Arbeit - Schüler der FOS/BOS, die längerfristige Praktika (mindestens 3 Wochen) absolvieren = Einarbeitungsaufwand/Leistungseinbringung Andere Personen - Einbinden, z.B. phasenweise, von Bezugspersonen in den alltäglichen Pflege- und Betreuungsablauf z. B. Angehörige, Arzt, Pfarrer, Vertrauenspersonen, Vereinskollegen, Nachbarn usw.

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4.8 Vielfältige Methoden einbringen Basale Stimulation (Anreize/Berührung des Körpers der Sinne und Seele) - Körperwahrnehmung – spüren - Nest bauen, Lagerungsschlangen - Mobiles Pflegenest, z.B. Cosychair - Atemstimulierende Einreibung (Rücken) - Aromapflege mit reinen Duftölen - Beruhigende/stimulierende Einreibungen - Bodenkontakt beim Sitzen Validation nach Naomi Feil (ist eine Methode, um Zugang zur momentanen Welt des dementen Menschen zu finden, das heißt wir versuchen in den „Schuhen des Menschen mit Demenz zu gehen“) - Demente Menschen dort abholen wo sie sind - Verhalten und Körpersprache spiegeln - nicht widersprechen (keine W-Fragen stellen) - Stimmung des dementen Menschen erfassen und wertschätzen (Empathie) - Einstufung der Demenz (1 – 3) und entsprechendes notwendiges Verhalten in der Begegnung einsetzen (wiederkehrende Bewegungen, Körperkontakt, Sinnesreize anbieten durch Musik, Tanzen usw.) Aromatherapie (Raumbeduftung mit ätherischen Ölen) - mit geeigneten Ölen Beeinflussung des Bewohners in die gewünschte Richtung

(angstlösend, stimmungsaufhellend, beruhigend) - auch möglich in größeren Räumen, wie z.B. Aufenthaltsraum - evtl. auch Verwendung bei Körperpflegemaßnahmen

4.9 Mit Medikation sensibel umgehen Medis Check (Überprüfung der Medikamente, die durch Sedierung (Ruhigstellung) die Bewegungsfreiheit einschränken, Überprüfung der Wechselwirkung zwischen mehreren Medikamenten) - Schulung der Mitarbeiter auf gründliche Beobachtung und Dokumentation von

Auswirkungen der Medikamente - in Zusammenarbeit mit dem behandelnden Hausarzt und unter Umständen mit

der Lieferapotheke sollen Wechselwirkungen geklärt werden - regelmäßige Überprüfung sedierender Wirkung von Medikamenten durch

verschiedene Instrumente wie z.B. Arztvisite, Pflegevisite, Fallbesprechung, etc. Überprüfung der Medikation und vor allem auch vor einer Medikation „ob dies die adäquate Lösung ist?“

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Juristisch korrekter Umgang 5. Das letzte und kürzest anzuwendende Mittel Die unberechtigte Anwendung von FeM stellt einen Straftatbestand nach § 239 StGB (Freiheitsberaubung) dar und kann zur Anzeige gebracht werden! Keine FeM liegt vor, wenn: Fall A: Der Bewohner wirksam in die Maßnahme einwilligt!

Empfohlen wird eine entsprechende Bestätigung des Hausarztes. Voraussetzung: Einwilligungsfähigkeit des Bewohners!

Fall B: Der Bewohner zu einer Fortbewegung überhaupt nicht mehr in der

Lage ist und nicht zu erkennen gibt, dass er mit der Maßnahme nicht einverstanden ist, z.B. Wachkomapatienten. Notwendigkeit: ärztliches Attest erforderlich über Bewegungsunfähigkeit bzw. fehlende Willkürmotorik. Dieses in angemessenen* zeitlichen Abständen erneuern mit Datum und Handzeichen des Arztes versehen lassen!

*zeitlich angemessenen Abstand gemeinsam mit dem Arzt einschätzen

5.1 Erwirken eines richterlichen Beschlusses (Verfahren) Bei der Anwendung von FeM bedarf es bei Heimen und ähnlichen Einrichtungen eines richterlichen Beschlusses, wenn der Bewohner/Bewohnerin bzw. Patient/Patientin nicht mehr einwilligungsfähig ist. Den entsprechenden Antrag muss der rechtliche Betreuer oder Bevollmächtigte stellen. Gibt es keinen rechtlichen Betreuer oder Bevollmächtigten, muss gleichzeitig ein Betreuungsverfahren eingeleitet werden. Nachfolgendes Formular – zur Verfügung gestellt vom Amtsgericht Traunstein - Betreuungsgericht (früher Vormundschaftsgericht) – muss hierfür ausgefüllt und eingereicht werden.

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5.2 Umgang mit dem richterlichen Beschluss Der richterliche Beschluss wird beim Betreuungsgericht Traunstein beantragt und die Notwendigkeit und Rechtmäßigkeit durch den Richter bei einem Augenscheintermin („Anhörungstermin“) festgestellt. Der richterliche Beschluss des Amtsgerichts, Betreuungsgericht Traunstein, enthält nachfolgend dargestellten Inhalt.

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Hieraus leiten sich maßgeblich der Umgang und die Dokumentation der Anwendung von FeM ab. Zu den vier Aspekten des Beschlusses ist es für den Pflegeprozess und das Verfahren beziehungsweise die Dokumentation wichtig, sich folgendes bewusst zu machen:

(1) dass sich der Durchführende vor und während der Maßnahme jeweils von der Unbedenklichkeit (fach- und sachgerechte Anwendung) überzeugen muss Ist dies wirklich das Mittel der „letzten Wahl“? Haben wir andere Möglichkeiten und Ideen in Erwägung gezogen, ausprobiert und sind diese Prozesse von uns dokumentiert worden? Sind z.B. Bettgurte intakt und werden diese entsprechend der Gebrauchsanweisung des Herstellers eingesetzt?

(2) dass sich die Beschränkung immer nur auf das unbedingt erforderliche Maß erstrecken darf Wenden wir die FeM wirklich nur „so kurz wie möglich bzw. solang wie nötig an? Wie können wir evtl. für eine Minimierung der Anwendungszeiten sorgen (Auseinandersetzung mit Alternativen)?

(3) dass eine schriftliche Aufzeichnung über Art und Dauer zu erstellen ist und

Wie stellen wir innerhalb unserer Dokumentation sicher, dass die Anwendung von FeM mit „Art“ (= Bettgitter, Gurt am Stuhl) und Dauer (von/bis) übersichtlich und nachvollziehbar dargestellt ist?

(4) dass das Personal für den Betroffenen stets erreichbar sein muss.

Wie gehen wir damit um, dass bei der Anwendung von FeM, sich jemand kontinuierlich davon überzeugt, dass die Person keinen Schaden nimmt? Wie stellt die Einrichtung sicher, dass der Bewohner sich in Notsituationen bemerkbar machen kann, z.B. Rufglocke?

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5.3 Dokumentation Die größte Not haben Mitarbeiter im Pflegebereich in Bezug auf das „Zuschadenkommen“ des Bewohners durch Vermeiden bzw. Nicht-Anwenden von FeM. Aus den bisherigen Abhandlungen ist wohl ersichtlich, dass Alternativen immer Vorrang haben sollten gegenüber FeM. Das ist jedoch nicht immer möglich, z.B. wenn die körperliche Verfassung des Bewohners an einem bestimmten Tag dagegen spricht. Der Angst vor Schadensersatzleistungen bzw. der Beschuldigung fahrlässig gehandelt zu haben, kann nur über eine gute Nachvollziehbarkeit des gesamten Prozesses in Bezug auf FeM (Pflegeplanung/Evaluation, Zusammenarbeit mit Angehörigen/rechtlichen Betreuern/Bevollmächtigten) innerhalb der Dokumentation entgegen gewirkt werden. Die lückenlose Dokumentation des FeM-Prozesses, der Einsatz von FeM bzw. warum keine FeM eingesetzt wurden, nennt der Jurist „sich exkulpieren“. Eintrag im Duden: ex|kul|pie|ren <sw. V.; hat> (Rechtsspr., bildungsspr.): vom Vorwurf des Verschuldens entlasten,

befreien; rechtfertigen.

Aus der Dokumentation des Pflegeprozesses, die basiert auf einer

fundierten Anamnese (Pflegediagnose, Biografie) ressourcenorientiert

gestaltet sich eine Pflegeplanung (in Bezug zu Ihrem Pflegemodell),

die Probleme sichtbar macht, die vorhandenen Fähigkeiten (innerhalb der Person) und Ressourcen (Umfeld, Hilfsmittel) bewusst nutzt,

Ziele definiert und daraus Maßnahmen für die Umsetzung formuliert und diese

problemorientiert Maßnahmen ausweist und entsprechend im Durchführungsnachweis belegt (Datum/Hdz.) sowie ggf. im Pflegebericht Veränderungen, Besonderheiten sichtbar macht, sollte sich automatisch durch die kontinuierliche Evaluation der Wirkung der umgesetzten Maßnahmen (in Bezug zu den definierten Zielen) eine Transparenz in Bezug auf die Nachvollziehbarkeit des Pflegeprozesses – inkl. des FeM-Prozesses und Anwendung vom FeM – ergeben.

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Ausblick FeM ist ein stetiger Auseinandersetzungsprozess – vor allem aber ein Bewusstseinsprozess für alle, die am Pflegeprozess beteiligt sind. So ist in der Veröffentlichung zur Redufix-Studie nachzulesen:

„Nur mit Offenheit und Ideenreichtum kann der

Freiheitseinschränkung von demenziell erkrankten Menschen

entgegengewirkt werden“

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Anhang

Übung „Geschenkverpackung“ Binden Sie sich mit Geschenkbändern (meist leicht verfügbar) gegenseitig am Stuhl fest, z.B. am Bauch, einen Arm an der Lehne. Versuchen Sie mindestens 20 Minuten diese FeM auszuhalten. Steigerung: Beide Arme an den Lehnen festbinden. Beine am Stuhl fixieren. Auswertungsfragen: Was fällt Ihnen auf? Wie schaut es mit Ihrer Bewegungsfreiheit aus? Was spüren Sie dort, wo die FeM angebracht wurde? Stellen Sie sich vor, es kommt eine Fliege bzw. Steckmücke? Stellen Sie sich vor, Sie müssen zur Toilette und es hat grad keiner Zeit, Sie „zu befreien“? Intention der Übung: Bewusstsein am eigenen Körper spüren, wie schnell die eigene Freiheit sogar durch kleine Anwendungen (Geschenkbänder) eingeschränkt ist.

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Übung „Die Zange“ Zwei Personen stellen sich gegenüber. Eine Person ist „X“, die andere „Y“. Auf die Variante A sollte zum besseren Spüren des Unterschiedes Variante B folgen! Nun gibt es folgende Aufgabenstellung: Variante A: „offene Zange“ - freundlich Person X breitet „wie eine offene Zange“ die Arme schützend um Y. X hat nun die Aufgabe Y „ohne Worte“ in einer erdachten Schleife durch den Raum und wieder zurück an den Ausgangspunkt zu bringen. Alles darf eingesetzt werden, um Y wohlbehalten und vertraut zu führen, z.B. Augenkontakt, Lächeln, bestätigendes Augenzwinkern etc. Auswertungsfragen: Wie ist es Y mit dem „geführt werden ergangen?“ Welche Gefühle gab es? Welche Irritationen gab es eventuell? Wie wurde der Gesamtverlauf empfunden, z.B. am Anfang unsicher und mit der Zeit dann ganz sicher und vertraut? Wie lange hätte man diese Situation noch fortführen können? Variante B: „offene Zange“ – genervt Alle Personen Y werden von der Anleitung separiert (am besten aus dem Raum gehen). Die Personen X werden nun instruiert die gleiche Übung mit einer Änderung, d.h. wieder führen und eine Schleife gehen, jedoch diesmal mit unzufriedenem und genervtem Gesichtsausdruck, z.B. Augenrollen, angestrengter Blick, Kopfschütteln, durchzuführen. Auswertungsfragen: Wie ist es Y mit diesem anderen Verhalten von X beim „geführt werden ergangen?“ Welche veränderten Gefühle stellten sich ein? Welche Irritationen – vielleicht sogar Angstgefühle - gab es eventuell? Wie lange hätte man diese Situation noch fortführen können? Wie wurde der Gesamtverlauf empfunden im Gegensatz zur ersten Sequenz, z.B. „bei der ersten Übung war es angenehm geführt zu werden, beim zweiten Mal war man vielleicht sogar froh, dass die Übung beendet wurde! Intention der Übung: Bewusst selbst spüren, wie die „gleiche Situation“ (geführt werden) mit unterschiedlicher Herangehensweise (freundlich – genervt) völlig unterschiedliche Emotionen, Gefühle und Verhaltensweisen bei den jeweiligen Gegenübern hervor ruft. Transfer zum Umgang mit Bewohner/innen herstellen.

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Übung „Es wird enger“ Alle Anwesenden bilden einen Kreis, indem sie sich an den Händen fassen und auseinander treten. Die Hände werden wieder los gelassen. Nun darf sich eine Person „X“ in die Mitte begeben. Diese Person wird nun nacheinander verschiedene Aufgaben erhalten und der Kreis ebenfalls verschieden Anweisungen für Verhalten bekommen. Nach jeder veränderten Sequenz, wird die Person in der Mitte gefragt: „Wie geht es Ihnen?“ „Was empfinden Sie?“ „Wie lange halten Sie diese Situation aus?“ „Welchen Unterschied gibt es zur vorherigen Situation?“ Stetige Aufgabe von Person X: Sie möchte sich selbständig aus dem Kreis heraus bewegen!

a) Person X geht im offenen Kreis „aus und ein“ b) Der Kreis fasst sich an den Händen und Person X kann diese selbständig

öffnen und schließen zum hinaus und herein gehen. c) Der Kreis fasst sich wieder an den Händen. Person X geht unter den Händen

nach „draußen“ und wieder herein bzw. steigt auch über die Hürden. d) Die Hände können nun von der Person X nicht mehr geöffnet werden. Und

auch beim Übersteigen bzw. unten drunter durchkommen wird diese von den Mitgliedern des Kreises gehindert.

e) Der Kreis bleibt immer noch geschlossen und geht jeweils Schritt für Schritt auf Person X zu. Nach jedem Schritt werden die genannten Fragen an Person X gestellt.

f) Die Mitglieder des Kreises halten sich immer noch an den Händen und drehen ihre Körper nun seitlich, dass der Kreis noch enger wird. Wie geht es Person X nun?

Intention der Übung: Bewusstsein schaffen für FeM, d.h. „ich kann mich plötzlich nicht mehr dort hin bewegen, wohin ich möchte?“ Über diese Übung kann meist sehr gut der „Druck“ den Person X den anderen spiegelt, benannt werden, der entsteht, wenn man merkt „hier komme ich nicht raus!“ und welche Vehemenz sich dadurch entwickelt „alles daran zu setzen“ (z.B. Zwicken, Kratzen, „raffiniertes Ausbüchsen“), hier wieder raus zu kommen. Auch die Frage „wie lange halten Sie das aus?“ liefert spannende und eindeutige Ergebnisse.

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Landkreis Traunstein

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