serie a - jahresbericht 2010 1.1 der fakultät für architektur, rwth aachen

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Der Jahresbericht 2010 1.1 präsentiert einen aktuellen Einblick in die laufende Diskussion an unserer Architekturschule. "Selbstbauprojekte / Student-Constructed-Projects" ist das Schwerpunktthema dieser Ausgabe. Vier aktuelle Beispiele werden vorgestellt, die zeigen, wie praktische Erfahrungen in der konkreten Realisierung von Bauvorhaben in die universitäre Ausbildung integriert werden.

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Impressum

Serie A - Jahresbericht 20101.1 der Fakultät für Architektur, RWTH Aachen

RedaktionUniv.-Prof. Peter Russell, Dekan (Konzeption, Texte)Dipl. Ing. Sandra Hortz (Konzeption, Gestaltung, Layout, Lektorat) Marcella Hansch B.Sc. (Gestaltung, Layout)Alexandra Schmitz B.Sc. (Gestaltung, Layout) Sahar Berressem M.A. (Übersetzung)

Fakultät für Architektur der RWTH Aachen

ISSN 1862-0310ISBN 978-3-936971-26-2

Erschienen in der Reihe: Jahresberichte der Fakultät für Architektur, RWTH Aachen

Band 1.1/ 1. Halbband 2010

Herausgegeben von der Fakultät für Architektur der RWTH Aachen

©FdR (Freunde des Reiff e.V.) - Aachen 2010Schinkelstraße 1D - 52062 [email protected]

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, sind vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages oder der Autoren ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf fotomechanischem Wege zu vervielfältigen oder unter Verwen-dung elektronischer Systeme zu verarbeiten und zu verbreiten.

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Inhalt / Table of Contents

Impressum / ImprintInhalt / ContentsVorwort des Dekan Foreword of the DeanEinleitung / Introduction

Selbstbauprojekte /Student-Constructed ProjectsWohn- und Küchengebäude in Kananga Kindergarten in Hamlet Creche Winterschule im Himalaya

Forschungsprojekte /Research ProjectsMegacities - Herausforderung Megastädte STARS - Stadträume in Spannungsfeldern

Abschlussarbeiten / ThesesDiplom /DiplomaKeimzelle Keimzelle „Frisch und Fromm“ - Weingut im Rheingau Bodemuseum Hochkant am Alsterfleet Wasserkraftwerk Chlus Dock in Magdeburg Neues Bauhaus Museum Weimar Neues Museum für die alten Meister Q1 - RWTH Campus West Moschee Oman Dive Center

Abschlussarbeiten / ThesesBachelor Interventionen an der Port de ParisInterventionen an der Port de Paris Interventionen an der Port de Paris Freiheits- und Einheitsdenkmal in Berlin Freiheits- und Einheitsdenkmal in Berlin Stadtwohnen Hospiz Köln - Severinsviertel

Entwürfe / Design ProjectsDiplom / DiplomaThermic Power Oman Ile de Cygnes

Master Grenzstationen CH Feuerwehrwache HS9 Leichte Kost „Da ist Platz!“ Bachelor Bologna - Das Haus der Stadt Lützow-Kaserne Aachen Lützow-Kaserne Aachen

Stegreife - Seminare / Impromptu Designs - SeminarsLiving Design „Grüner wird´s nicht!“ BIG - Grundlehre BIG - Bild_Raum_Zeit-digital BIG - Erforschen und Erfinden BIG - Reisen und Zeichnen

Faculty News - RetrospectiveZur Sache, bitte... Ein Erasmusjahr in Valencia Festakt Gottfried Böhm Form follows technology NeustartMontagabendgespräche WS 09/10Constructing knowledge Mustergültig Werkberichte SS 09

Vorschau / Preview

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Vorwort

Systematisch die eigenen Leistungen zu diskutieren und zugleich auch nach außen hin darzustellen, ge-hört zu den zentralen Aufgaben einer Hochschule – wir nehmen sie an der Architekturfakultät der RWTH Aa-chen sehr ernst. Die Qualität der Ausbildung zum Ar-chitekten, ihre gesellschaftliche Relevanz und ihr Stel-lenwert sind nur so lange garantiert, wie sie auch anre-gend reflektiert werden.Der Jahresbericht für Architektur der RWTH Aachen 2010 präsentiert einen aktuellen Einblick in die laufen-de Diskussion an unserer Architekturschule. Er richtet sich an Studierende und Lehrende, an Fachleute und an eine an unseren Aufgaben und Problemstellungen interessierte Öffentlichkeit.Das Buch zeigt Beispiele aus der Lehre an den Lehrge-bieten und Lehrstühlen der Architekturfakultät. Es stellt die Ergebnisse des Entwurfs, der Konstruktion, der ge-stalterischen Fächer und der Forschung vor. Die Syner-gien, die aus dieser einzigartigen Fächervielfalt resul-tieren, zeigen, wie wir Einfluss nehmen auf die Lösung aktueller Planungs- und Bauprobleme und wie wir zu einer besseren Gestaltung unserer Umwelt beitragen.Ein herzlicher Dank gilt den Kolleginnen und Kollegen sowie zunächst und vor allem den Studierenden für ihr Engagement und für die Ergebnisse. Mit der vorlie-genden Publikation stellen wir uns dem internationa-len Wettbewerb um die bestmögliche Ausbildung zum Architekten. Uni.-Prof. M.Arch. Peter J. RussellDekan der Fakultät für Architektur

Foreword

Discussing our own achievements and making them transparent to a wider community in a stringent and systematic way belongs to the central tasks every Uni-versity has to fulfil – a task which the faculty of archi-tecture at the RWTH Aachen University has placed a serious emphasis. The quality of teaching und educa-ting future architects, their social relevance and their importance can only be guaranteed when they are ac-companied by critical reflection.The faculty of architecture‘s almanac presents a vivid insight into current affairs and discussions in our ar-chitectural school. It is addressed to students and te-achers, to experts and as well to a public which may be interested in our special qualities and problems.The book presents examples of work from professorial chairs in the faculty of architecture. It shows solutions to constructive and artistic subjects as well as solutions which have emerged out of special research projects. Synergetic effects which result from these outstanding variety of subjects demonstrate how we are able to in-corporate influences from current problems of planning and construction in order to create a better built envi-ronment. Special gratitude is owed to all the colleagues and teaching staff and above all to the students for their engagement and effort. With the present publica-tion we hope to enter into an international competition of the best-possible educational standards for students of architecture.

Univ.-Prof. M.Arch. Peter J. RussellDean of the Faculty of Architecture

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Einleitung

Willkommen zur Neuauflage der Serie A in 2010. Vier Jahre nach unserer ersten Ausgabe (Band 0) sind die Bachelor- und Masterstudiengänge eingeführt und ste-tig weiter entwickelt worden. In dieser Zeit ist vieles passiert an der Fakultät für Architektur der RWTH Aa-chen University.Neben den neuen Studiengängen wurde etwa die Hälfte der Professuren altersbedingt neu besetzt. Da-raus resultiert zwangsläufig eine große Veränderung in der Ausrichtung der Lehre und Forschung. In den kommenden Semestern wollen wir kontinuierlich die besten Arbeiten und Ergebnisse der Lehre, sowie aktu-elle Forschungs-Aktivitäten an unserer Fakultät in der Serie A darstellen.

Wir werden in jeder Ausgabe ein gesondertes Schwer-punktthema aufgreifen, welches die besonderen Leistungen unserer Studierenden, Lehrenden und for-schenden Mitglieder der Fakultät dokumentieren soll.

In der Vergangenheit wurden hervorragende Ergeb-nisse produziert, aber es ist nicht ausreichend darüber geredet worden. Dies wird die Serie A nun ändern!

In diesem Heft stellen wir eine Reihe von Aktivitäten vor, die in einem erstaunlichen Prozess zu ‚Selbstbau-projekten in Entwicklungsländern‘ geführt haben. In Afrika oder im Himalaya wurden durch das Engage-ment unserer Lehrenden und Studierenden Projekte realisiert, die ohne diese kreative und finanzielle Unter-stützung nicht zustande gekommen wären.

Die ‚gelebte Entwicklungszusammenarbeit‘ mit ört-lichen Beteiligten und Handwerkern ist nur ein Aspekt des Erfolgs dieser Selbstbauprojekte. Bemerkenswert ist auch die Umsetzung der eigenen Ideen, die körperliche Erfahrung mit dem Bauen unter zumeist extremen kli-matischen Bedingungen. Die Studierenden erleben et-was Wunderbares: Am Ende stehen sie vor einem ferti-gen Gebäude, wo anfänglich nichts war, außer ein paar Skizzen und am Ende können sie sagen: „Das habe ich geleistet.“ Diese Erfahrungen sind unbezahlbar!

Schwerpunktsthema Zu den großen Leistungen in der Vergangenheit der Fakultät gehört die Tradition der Selbstbauprojekte, die als Teil des Studiums in Zusammenarbeit von Leh-renden und Studierenden realisiert wurden. Das Reiff-museum ist umgeben von Selbstbauprojekten, von denen ein großer Teil unter der Leitung vom Lehrstuhl Tragkonstruktionen errichtet wurden.

Weniger präsent sind unsere Selbstbauprojekte im Ausland. Weit entfernt vom Reiffmuseum, der europä-ischen Kultur und des Klimas sind eine Reihe von Pro-jekten entstanden, die von engagierten Studierenden, je nach baulichen Bedürfnissen erschaffen wurden. Es sind Projekte, die aber nicht nur Bedürfnisse befriedi-gen wollen, sondern auch als Initialzündung für wei-tere Bauten fungieren sollen. Durch den großartigen Einsatz der ehrenamtlichen Aktivitäten seitens der Lehrenden, sind diese Baupro-jekte aber erst möglich geworden. Wir wollen uns auf

diesem Wege bei allen Beteiligten für ihren unermüd-lichen Einsatz bedanken: Die Serie A widmet daher ihr erstes Schwerpunktthema diesen Leistungen und prä-sentiert die vier aktuellsten Beispiele in Südafrika, im Kongo und im Himalaya.

Es gibt bei allen Selbstbauprojekten aber nicht nur den Aspekt zu helfen, sondern auch den Effekt der ‚Meta-morphose‘ vom Studierenden zum Architekten/in, den wir auf den Gesichtern aller Heimkehrer/innen erken-nen können.

Univ.-Prof. M. Arch. Peter J. RussellDekan der Fakultät für Architektur

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Introduction

Welcome to the second edition of Serie A. Since our first issue (No. 0) four years ago, the Bachelor and Ma-ster Programs presented in the book have been intro-duced and constantly further developed. During this time a lot has happened at the Faculty of Architecture at RWTH Aachen University. Apart from the new pro-grams there are also ten new members in the professo-riate which led to great changes concerning the orien-tation of teaching and research in the Faculty.

In the coming semesters we want to successively pre-sent the best achievements from teaching as well as new activities in research at our Faculty in the Serie A. In addition, we want to address a main topic in each issue which is meant to document the special achie-vements of our students, teachers and the researching members of the Faculty.

We achieved many extraordinary things in the past couple of years without talking about them. Now, the Serie A is here to change that.

In this book we want to present a series of activities which have led to the „Student-Constructed-Projects in Developing Countries“. In Africa or in the Himala-yas our teachers and students with great commitment realized projects which would not have been possible without this creative and financial support.

The experienced development cooperation with local parties and craftsmen is only one aspect of the suc-

cess of these Student-Constructed-Projects. Of equal importance is the realization of the participants’ own ideas and the corporeal experience of building under often extreme climatic conditions. The students ex-perience something wonderful: To stand in front of a completed house where before was nothing but a few drawings and then to say, „I did this“. Priceless!

Main TopicOne of the great achievements in the Faculty’s past is the tradition of the Student-Constructed-Projects, which have been realized in cooperation of teachers and students as parts of the study program. The Reiff Museum is surrounded by Student-Constructed-Pro-jects most of which were erected by the Department of Structures and Structural Design.

Our Student-Constructed-Projects abroad are less conspicuous. Far away from the Reiff Museum, Euro-pean culture and climate a number of projects to meet different building requirements were realized by our committed students. Projects have been created which not only were meant to satisfy needs, however, but were also supposed to have a priming effect with other buildings following in its wake. These building pro-jects were made possible by the great honorary efforts of the teachers. We want to take this opportunity to thank all involved for their untiring efforts.

The Serie A therefore dedicates its first main topic to these efforts and presents the four most recently built

examples in South Africa, the Congo and the Himala-yas. In these and all the other Student-Constructed-Projects it is not only the notion of helping the needy which is important. It is also the transition from student to architect that we can read in the faces of all the stu-dents coming back.

Univ.-Prof. M. Arch. Peter J. RussellDean of the Faculty of Architecture

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SELBSTBAUPROJEKTE STUDENT CONSTRUCTED PROJECTS

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Studenten bauen für Studenten - U.KA Kananga Université du KasayiForschungs- und Entwicklungsprojekt 2010 URL: http://www.kongo.isl.rwth-aachen.de/wordpress/

Masterplan (Stand 2010)

Grundriss Schnitt

Die Stiftung Deutscher Architekten unterstützte Stu-dierende der RWTH Aachen und der Uni Siegen bei der Umsetzung eines Hilfsprojekts im Kongo: Studenten bauen für Studenten

26.04.2010 | „Es ist schon ein kleines Wunder, was hier in nur einem Monat entstanden ist“, so eröffnete tief bewegt der kongolesische Rektor der Université du Kasayi, Prof. Nyeme Tese, die Abschlussfeier des Pro-jektes „Des étudiants construisent pour des étudiants“ (Studenten bauen für Studenten) am 29. März 2010 in Kananga in der Demokratischen Republik Kongo. Ja, wir haben es mit viel Schweiß, Ausdauer, Improvisation und Kreativität und gegenseitiger Hilfe geschafft, zwei Gebäude als Initialprojekt für die geplante neue Baufa-kultät im Kongo zu errichten.

Das Projekt ist von der Vision geleitet, mit der Entwick-lung und dem Neubau der Université du Kasayi einen wichtigen Baustein zur wirtschaftlichen und soziokultu-

rellen Stabilisierung einer bislang vernachlässigten Re-gion im Herzen Afrikas – in der Demokratischen Re-publik Kongo – zu setzen. Wir - das ist eine Gruppe bestehend aus 15 Studierenden und sieben Hochschul-mitarbeitern der RWTH Aachen (unter der Leitung von Prof. Rolf Westerheide) und der Universität Siegen (unter der Leitung von Prof. Bernd Borghoff), die am 27. Februar 2010 in die demokratische Republik Kon-go geflogen sind, um dort ein Wohn- und Küchenge-bäude für Studenten der kongolesischen Université du Kasayi zu realisieren. Die Reise war der bisherige Höhepunkt einer Entwick-lung, die vor 14 Jahren begonnen hat. Seit 1996 exi-stiert in Kananga, der Hauptstadt der Provinz Kasai-Occidental, die erste nachkoloniale Hochschule, die „Université Notre-Dame du Kasayi“. Seit 2001 ist der Lehrstuhl für Städtebau und Landesplanung der RWTH Aachen mit einem Forschungsprojekt unter der Leitung von Prof. Rolf Westerheide und Stefan Krapp an der weiteren Entwicklung der Hochschule beteiligt.

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Rendering RenderingRendering

In den letzten Jahren gab es an der RWTH zahlreiche Projekte und Entwürfe, die sich mit der Situation im Kongo befasst haben und aus denen viele Projektideen hervorgegangen sind. Das neueste Entwurfs- und Rea-lisierungsprojekt - ein Studentenwohnheim für die kon-golesischen Studenten, eine Kooperationsarbeit zweier deutscher Unis und einer jungen kongolesischen Uni - wurde finanziert von der Stiftung Deutscher Archi-tekten, vom Deutschen Akademischen Austausch Dienst (DAAD), vom „Verein zum Aufbau und Aus-tausch mit der Université du Kasayi (U.KA.) Kongo“ und vom Institut für Städtebau und Landesplanung der RWTH Aachen.Der Entwurfsprozess erforderte aufgrund der finan-ziellen und technischen Ressourcen interdisziplinäre, innovative Herangehensweisen – unter Einbeziehung angepasster Technik-, Klima- und Konstruktionskon-zepte, die in Symbiose mit den architektonischen Ideen entstanden sind. Da wir es bei der baulichen Umset-zung vor Ort nicht mit einem Team von erfahrenen

Baupraktikern zu tun hatten, kam der Planung des Bauprozesses und der Erstellung einzelner Bauteile eine wesentliche Bedeutung zu. Nach dem ersten großen Staunen und der Befürchtung, mit den Mitteln, Werkzeugen, der Hitze und dem Re-gen niemals in der kurzen Zeit einen solchen Gebäude-komplex aufbauen zu können, wurde die Begeisterung vor Ort immer größer. Denn die Herausforderung, quasi nur mit Handarbeit und mit Baumaterialien, die alle aus dem unmittelbaren Umfeld der Baustelle und Region stammen, zu arbeiten, spornte alle gleicherma-ßen an - Deutsche und Kongolesen.Erbauen konnten wir die beiden Gebäudekomplexe nur durch die intensive und harte körperliche Arbeit der kongolesischen und deutschen Studenten. Auf der Baustelle gab es weder fließendes Wasser noch Elek-trizität und auch keine Bau- und Werkzeugmaschinen. Alles wurde per Hand und Körperkraft geleistet. Unser Bauprojekt musste mehrere Kriterien erfüllen: Es musste 1. sehr kostengünstig geplant und ausgeführt

werden, 2. eine impulsgebende Wirkung bezüglich Materialverwendung und Ressourcenschonung haben, 3. über das architektonische Produkt eine identitätsstif-tende Wirkung für die Uni und die Studenten auslösen, 4. einen architektonischen Ausdruck bekommen, der sich vom bisher Gebauten positiv abhebt, und 5. in der gemeinsamen Arbeit den Begriff „interkultureller Aus-tausch“ persönlich erfahrbar machen. Alle Beteiligten sind sich einig, dass wir die anvisierten Ziele weitgehend erreichen konnten. Wir haben gegen-über herkömmlichen Bauprojekten durch den Einsatz von z.B. Maniok als Mörtel und Putzzuschlag teuren Zement ersetzen können. Dies hat eine Kostenredukti-on von 8000 Euro bewirkt. Wir haben in Planung und Ausführung den extremen klimatischen Bedingungen in der Savanne dadurch Rechnung getragen, dass wir durch die Stellung der Gebäude und die Dachüberstän-de sowie durch Raumhöhe und Durchlüftungsmöglich-keit für einen sehr guten Sonnen- und Regenschutz ge-sorgt haben.

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Der in diesem Sinne nachhaltige und konstruktiv solide Baukomplex integriert sich gut in die Landschaft, er-öffnet wunderbare Ausblicke und schafft auch in dem Hofraum, der in einer eintägigen Gemeinschaftsarbeit geebnet wurde, sehr wichtige Kommunikationsmög-lichkeiten. Durch die Ausrichtung und Höhe des Daches und die vertikale Ausrichtung von je drei Fenstern für die einzelnen Zimmer entsteht durch die Querlüftung und Lichtmenge ein angenehmes Raumklima. Die extrem starken Regenfälle und Wassermassen er-fordern besondere Vorkehrungen bezüglich geregelter Wasserableitung und langsamer Versickerung. Nach-dem das stabile, den starken Winden trotzende Dach fertiggestellt war, haben wir mit dem Lauf des Was-sers eine Art Regenrigole gebaut und das Ganze dann einem in das Gelände modellierten Versickerungsbe-reich zugeführt. Die kongolesischen Arbeiter und Bau-ern konnten uns hierzu die entscheidenden Tipps in der Befestigung dieses Landschaftsbauwerks geben.

Interkultureller Austausch und innovative Herange-hensweisen: Deutsche und kongolesische Studenten lernten in der Zusammenarbeit viel voneinander. Das Projekt stand immer unter dem Leitgedanken des ge-genseitigen Lernens. Diese Haltung hat es uns und un-seren Studierenden erleichtert, von den wenigen kon-

golesischen Bauarbeitern vor Ort sehr viel im Umgang mit den im Kongo gebräuchlichen Materialien zu er-fahren, und die Kongolesen haben am Ende des Pro-jektes unsere Stringenz im Entwurf und in der Arbeit schätzen gelernt.Alle Architekturen im Kongo funktionieren nur dann wirklich gut, wenn sie die Komplementarität von innen und außen einer gebauten Struktur berücksichtigen. Das heißt Vorbereiche, überdachte Zonen, Windschutz und Durchlüftung, eine richtige Ausrichtung zur steil stehenden Sonne und Multifunktionalität der gemein-schaftlichen Bereiche müssen in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Die Begegnungen mit den Verant-wortlichen und Entscheidern der Universität, der Bür-germeisterin, dem Gouverneur und vielen neugierigen Studierenden und Bewohnern der Umgebung haben uns Hoffnung gemacht, dass in diesem ausgebeuteten Land Architektur verbinden kann. Maniok als Mörtelersatz: Maniok ist eines der Haupt-nahrungsmittel im Kongo. Die reife Maniokwurzel wird geschält, getrocknet und in Mühlen zu Mehl verar-beitet. Die Abfälle (Schale, Endstücken, faule Stellen) können ebenfalls zum Mehl verarbeitet werden, das als Rohstoff zur Mörtelherstellung eingesetzt wird. Das Maniokmehl wird allerdings nicht wie Zement in Pul-verform direkt verwendet. Das Maniokmehl wird mit

Wasser und Maismehl zu einem dickflüssigen Binde-mittel verarbeitet. Dazu werden ca. 80 Liter Wasser erwärmt und etwa 10 Liter Maniokmehl untergerührt. Nachdem das Wasser etwas Bindung hat, werden 10 Liter Maismehl hinzugefügt. Die Mischung wird unter ständigem Rühren ca. 60 Minuten gekocht. Ergebnis ist eine dicke, Kleister ähnliche, grüngraue Flüssigkeit.Um den Maniokkleber zu lagern, wird eine Grube aus-gehoben, in die der fertige Kleber geschöpft wird. In dieser ist der Kleber mehrere Tage haltbar. Um den Wasserverlust durch Verdunstung und Versickerung auszugleichen, wird regelmäßig Wasser untergemischt. Der Mörtel wird in einem Mischungsverhältnis aus acht Schubkarren dunkler Erde, fünf Schubkarren Sand und sieben Eimern Maniokkleber hergestellt. Je nach Ver-wendungszweck wird im Nachhinein noch Maniokkle-ber oder Wasser hinzugefügt, um die Mörtelfähigkeit zu verbessern. Für horizontale Fugen wird eine tro-ckenere, für vertikale Fugen wird eine weichere Mi-schung hergestellt. Der Mörtel braucht in der Sonne ca. zwei Tage, um auszuhärten. Die Festigkeit entspricht in etwa der einer mageren Zementmischung. Wir sind uns darüber im Klaren, dass hier noch weiterer Forschungs-bedarf zum konstruktiven Einsatz erforderlich ist. Die RWTH Aachen und die Uni Siegen werden sich hie-rin auch verstärkt weiter engagieren.

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Entwerfen, Entwickeln, Bauen Ithuba Skills College Hall in Montic, Südafrika 2008/2009 Lehrstuhl für Gebäudelehre und Entwerfen - Dipl.-Ing. Bernadette Heiermann, Dipl.-Ing. Judith Reitz Lehrstuhl für Tragkonstruktion - Univ.-Prof. Dr.-Ing. Martin Trautz, Dipl.-Ing. Arne Künstler in Kooperation mit dem gemeinnützigen Verein, S2arch (Social Sustainable Architecture), Wien URL: http://gbl.arch.rwth-aachen.de/ddb/ Hamlet Creche, Phase 4, 2010 Lehrstuhl für Gebäudelehre und Entwerfen - Dipl.-Ing. Bernadette Heiermann, Dipl.-Ing. Judith Reitz Lehrstuhl für Tragkonstruktion - Univ.-Prof. Dr.-Ing. Martin Trautz, Dipl.-Ing. Christoph Koj, Dipl. Ing. Arne Künstler in Kooperation mit der Henkel Friendship Initiative und Vuya! Investments Südafrika URL: http://gbl.arch.rwth-aachen.de/montic/

HintergrundSeit 2006 finden von Seiten der Lehrstühle Gebäu-delehre und Tragkonstruktionen Lehrveranstaltungen statt, die im Rahmen von Realisierungsprojekten in Südafrika praktische Erfahrungen in der konkreten Verwirklichung von Bauvorhaben in die universitäre Ausbildung integrieren. Von der ersten Entwurfsskizze über die Entwicklung von Modellen, Ausführungsplänen und 1:1-Mock-ups bis hin zur Realisierung durchlaufen die Studierende in-nerhalb eines Jahres sämtliche Phasen eines Projektes.Die 3 bislang gebauten Entwürfe wurden jeweils aus den vorgegebenen Parametern Programm, klimatische Bedingungen und Ökonomie (knappes Buget) entwi-ckelt.

Ein weiterer Schwerpunkt lag in der Entwicklung ex-perimenteller Bauweisen und Konstruktionen im Holz-bau, hinsichtlich Tragwerk und Fügungstechnik.

Die Projekte werden vor Ort gemeinsam mit den lo-kalen Gemeinden, Ngo´s und einheimischen Helfern realisiert.

Axonometrie

3D-Modell

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Schnitt

Ansicht West

Schnitt

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Perspektive 3Perspektive 2Perspektive 1

Ithuba Skills College Hall 2008-09

Das Ithuba-Projekt ist eine Gemeinschaftsinitiative mit den gemeinnützigen Organisationen Ithuba Skills Col-lege, Johannesburg, und S2arch, Wien. S2arch hat es sich zum Ziel gesetzt, europäische Uni-versitäten und andere Bildungseinrichtungen zu ver-netzen, damit sie in Südafrika nach dem Motto »Build together, Learn together« notwendige Gebäude wie Kindergärten und Schulen planen und zusammen mit Studenten und Einheimischen bauen. Im Rahmen die-ser Projektaktion ist in Montic, etwa 40 km südlich von Johannesburg, vor zwei Jahren das Ithuba Skills College mit der Intention gegründet worden, afrika-nischen Jugendlichen, welche aus ärmlichsten Verhält-nissen der umliegenden Townships kommen, in einer fünfjährigen Qualifizierungsphase Kenntnisse in Eng-lisch, Mathematik und Naturwissenschaften, aber auch praktische Basisfertigkeiten wie Mauern, Tischlern oder

Nähen zu vermitteln. Insgesamt werden auf dem Cam-pus fünf Klassenräume mit zugeordneten Werkstätten, eine Bibliothek, eine Veranstaltungshalle, ein Küchen-haus, ein Verwaltungsgebäude und einige Wohnhäu-ser für Lehrer und Gäste entstehen.

Die zentrale, 250 qm große Halle wird für Unterricht, Tanz- oder Theateraufführungen, aber auch für Gottes-dienste und andere Feierlichkeiten der angrenzenden Gemeinde genutzt. Mit dem vorgelagerten Platz bildet das Gebäude daher die Mitte des Campus. Nach Os-ten schließen die Klassenräume und Werkstätten an, im Norden ist der Bau einer Bibliothek geplant.Das Gebäude ist als Mischkonstruktion aus Beton/Zie-gelwänden und Holzstützen/Trägern gebaut worden. Während die Wände im Süden und Osten aus preis-werten ortüblichen Zement-Ascheziegeln gemauert wurden, wurde am Boden die gesamte Holzkonstrukti-on aus Standardprofilen vorfabriziert. Dreizehn Haupt-

träger lagern im Westen auf örtlich gegossenen Be-tonstützen, im Osten auf schlanken Holzstützen auf. Die Aussteifung des Daches erfolgt über 120 ebenfalls vorfabrizierte Nebenträger, die zwischen die Haupt-träger geschraubt wurden. Während die Fassaden im Westen und Süden weitgehend geschlossen gemauert und geschlämmt sind, öffnen sie sich im Norden und Osten großflächig über transparente Polycarbonat-Hohlkammerplatten, um die wärmende Wintersonne zu nutzen. Ganzseitig angeordnete hohe Türen führen auf den zentralen Platz, ein ausladender Dachüberstand bietet hier eine wettergeschützte Außenfläche für kleine Auf-führungen und ausreichenden Sonnenschutz im Som-mer.Im Süden grenzen die Nebentrakte an: Neben Küche und Lager gibt es einen Sanitärbereich mit Kompost-Toilettensystem, in dem Flüssig- und Feststoffe ge-trennt entsorgt werden.

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Hamlet Creche, Phase 4, 2010

Phase 4, ist ein Township am Rande der Kleinstadt Prince Alfred Hamlet, ca 130 km nordwestlich entfernt von Kapstadt gelegen. Vor 4 Jahren wurden die von den Bewohnern selbstgebauten sogenannten Shacks von der Kommune durch sogenannte staatlich geför-derte RDP Häuser ersetzt. Für die ca 300 dort lebenden Kleinkinder gibt es bislang keinen Kindergarten. Das Projekt entstand in Zusammenarbeit mit der Fa Henkel und ihrem südafrikanischen BEE Partner Vuya!.Das Gebäude entwickelte sich aus den Anforderungen, klimatisch gute Bedingungen im sehr heißen Sommer, wie auch im verhältnismäßig kalten Winter zu errei-chen, sowie örtlich vorhandene preisgünstige Materi-alien zu verwenden.

Die in der Hauptsache verwendeten Materialien sind daher auf der Baustelle hergestellte massive Lehm-steine, ortsübliche Holzquerschnitte und als Fassaden-material Brettholz aus der lokalen Obstwirtschaft.Der Kindergarten ist Nord-Süd orientiert. Gruppenräu-me, Küche sowie die Nebenräume sind linear angeord-net. Im Süden vorgelagert ist eine überdachte langge-streckte Loggia, die sich vor der Küche zu einem groß-zügigen Essplatz aufweitet.Das Gebäude ist als Holzständerkonstruktion ausge-führt. Die Dachkonstruktion besteht aus einer Reihung von asymmetrischen Satteldächern, die elementweise auf der Bodenplatte vorgefertigt und anschließend auf die tragenden Wände bzw. Stützen gesetzt wurden. Einen besonderen Reiz macht hierbei die wechselsei-tig angeordnete Faltung in der Dachuntersicht aus, die

Teil des Tragwerks, einer Sparrenkonstruktion mit Zug-band, ist.Im Norden sind die Wände mit massiven Lehmziegeln ausgefacht und beidseitig verputzt. Bewegliche Blend-läden vor den Fenstern schützen im Sommer vor der Sonne, im Winter erwärmt die tiefstehende Sonne die Räume. Im Süden, Osten und Westen sind die Wände innenseitig mit großformatigen aussteifenden Sperr-holzplatten verkleidet. Zwischen die Holzstützen sind ungebrannte Ziegelsteine als Speichermasse gestapelt, die zusätzlich von außen gedämmt sind. Darauf aufge-bracht ist eine Beplankung aus recycelten Brettern der in der Obstwirtschaft überall verwendeten Obstkisten. Die Dachhaut besteht aus verzinktem Blech.Das Gebäude wird in den Semesterferien im Sommer 2010 fertig gebaut.

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Im nordindischen Ladakh, auf einer Hochebene etwa 3700 Meter über dem Meeresspiegel liegt der Ort Sani. Zur Verbesserung der Lebensbedingungen sollte hier, in der Abgeschiedenheit zwischen den Gebirgszügen des Himalaja und des Karakorum, eine Winterschule gebaut werden. Die wesentliche Herausforderung für Planung und Bau des Projektes war es, einfache solare Strategien mit lokalen Bautraditionen zu verbinden.

Hintergrund des ProjektesDer Initiator des Projekts ist der Aachener Förderverein Sani Zanskar, der sich zur Aufgabe gemacht hat, die Lebensbedingungen im bäuerlich geprägten Zanskar-tal zu verbessern. Nach ersten Patenschaften wurde es vorrangiges Ziel, die Bildungschancen der Kinder und die medizinische Grundversorgung im Tal zu verbes-sern. Eine Winterschule mit Krankenstation sollte ge-baut werden.

Mit dieser Idee wandte sich der Verein im Sommer 2006 an das Lehrgebiet Technischer Ausbau und Ent-werfen der RWTH Aachen. Das Haus sollte auf einer Fläche von ca. 150 Quadratmetern neben einem groß-en Schulraum kleinere Zimmer für medizinische Be-handlungen bieten. Wegen des kurzen Sommers im Himalaja musste schnell und einfach gebaut werden. Die grundlegende Frage aber war: Wie kann die Schule an einem Ort ohne technische Infrastruktur bei Winter-temperaturen, die häufig unter -20°C liegen, beheizt werden? Brennholz ist in der nahezu baumlosen Regi-on zu wertvoll und der traditionell verfeuerte getrock-nete Kuhdung nur wenig effektiv. Es war daher nahe-liegend, die einzige, aber reichlich verfügbare Energie-quelle im Tal zu nutzen: die Sonnenenergie. Die ein-gesetzten solaren Techniken mussten so einfach und funktionell sein, damit die Nutzer sie selber bauen und

Das Gebäude wurde im Rahmen eines Seminars von Studenten geplant und im Spätsommer 2007 zusam-men mit örtlichen Kräften in nur vier Monaten Bau-zeit realisiert. Über ein detailliertes Monitoring wurde die thermische Entwicklung im Haus ausgewertet; die Ergebnisse dienen der Optimierung der Winterschule selber - darüber hinaus liefern sie grundlegende Kenn-werte zur Auslegung weiterer Projekte in der Region.

Himalaya Winterschule im Himalaya Lehr- und Forschungsgebiet für Technischen Ausbau und Entwerfen Studienprojekt

Studenten füllen Strohwände20

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benutzen können. Zweite Maßgabe für die Planung war die nur beschränkte Verfügbarkeit von Bauma-terialien. Traditionell wird ausschließlich in Bruchstein und Lehm gebaut, und schon Holz muss aus tiefer ge-legenen Regionen herangeschafft werden.

Planungsphase im SeminarÜber ein Seminar wurden zunächst von Studierenden-gruppen grundsätzliche Entwurfsalternativen erarbeitet und in ihrer thermischen Leistungsfähigkeit berechnet. Ziel der Entwürfe war zunächst die optimale Nutzug der Sonnenenergie - mit dem fortschreitenden Ent-wurfsprozess rückten aber zunehmend Fragen der Bau-ökonomie der innenräumlichen Flexibilität und Erwei-

terbarkeit in den Vordergrund. Die in Gruppen erarbei-teten Entwurfsvarianten dienten einer grundlegenden energetischen und räumlichen Abwägung.

Das Ergebnis ist ein lang gestrecktes, zur Sonne ausge-richtetes Gebäude. Der additive eingeschossige Grund-aufbau begünstigt eine einfache und schnelle Reali-sierung, die Südfassaden wurden von konstruktiven Erfordernissen freigehalten und den verschiedenen inneren Anforderungen entsprechend unterschiedlich ausgebildet: Im Schulraum wird die Sonnenenergie über die große Verglasung direkt genutzt - er bietet zur Tagesmitte das angenehmste Raumklima, kühlt je-doch nachts durch die Glasflächen wieder ab. In den kleineren Räumen kommen Trombewände zum Einsatz - hier wird die Wärme tagsüber in eine hinter der Glas-wand liegende Lehmwand eingespeichert und nachts zeitverzögert in den Raum abgegeben. Letzter Baustein des thermischen Konzepts sind die zweischaligen, gut dämmenden Lehm-Strohwände.

Die ersten Berechnungen und die nachfolgenden de-taillierten Simulationen zeigten: Die hohe solare Ein-strahlung im Winter ermöglicht eine ausreichende Be-haglichkeit über die meisten Wintertage auch ohne zusätzliche Beheizung. Für die extremsten äußeren Be-dingungen, die durch die - wie sich später herausstell-te - seltene Kombination extrem tiefer Temperaturen mit geringer Einstrahlung über mehrere Tage definiert war, war die angestrebte Zielgröße jedoch nur schwer zu erreichen. Für diese Zeiten wurde optional der Ein-bau eines länger speichernden Kollektor Steinspeicher-systems eingeplant.

Studenten beim Bau Studenten und einheimische Arbeiter beim Bau der Fassaden 21

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Bau der WinterschuleIm Sommer 2007 reiste eine Gruppe Aachener Stu-denten nach Indien, um das Haus zusammen mit ört-lichen Kräften zu errichten. Die Bautechniken vor Ort sind archaisch: Sämtliche Baustoffe werden von Hand und vor Ort bearbeitet, Hebezeuge, und selbst Schub-karren sind nicht zu finden. Gleichzeitig gibt es eine überraschende Anwendungsvielfalt der wenigen Ma-terialien: Neben den in Massen vor Ort geformten und getrockneten Lehmsteinen wird nicht nur mit Kuhdung bewehrter Lehmputz sondern auch fein gesiebter Mar-kalak-Lehm verwendet, der durch seinen hohen Ton-gehalt selbst für die Abdichtung der Flachdächer ge-

eignet ist. Der Bau erfordert neben der körperlich müh-samen Arbeit in der Höhenluft viel Überzeugungsarbeit für die, für örtliche Verhältnisse ungewohnten Details und für die Anpassung der lokalen Bautechniken an die Vorgaben des Projektes: so erforderten zum Bei-spiel die Realisierung der aus rohen Konstruktionshöl-zern gezimmerten zweifachen Verglasungen nicht nur baubegleitende Details, sondern auch beharrliche Ver-handlungen, um den lokalen Schreiner zu überzeugen. Nach vier Monaten Bauzeit wurde die Schule im Spät-sommer 2007 zusammen mit dem örtlichen Partner-verein eingeweiht.

Monitoring Um die Temperaturentwicklung zu messen, wurde das Gebäude vor der Abreise mit einfachen Thermome-tern ausgestattet. Nach fünf Wintermonaten kamen Rückmeldungen aus Sani: Die Berichte sind positiv, die Messergebnisse jedoch sehr uneinheitlich. Die Nutzer hatten vor Einbruch des Winters ein Loch in das Dach geschlagen, in der Annahme, der übliche Rauchabzug für ein offenes Feuer zur Beheizung sei vergessen wor-den. Nach Reparaturen, technischen und baukonstruk-tiven Verbesserungen an Dach und Boden wurde eine autonome Messstation samt Photovoltaikanlage instal-liert, um die Leistungsfähigkeit des Objekts detailliert und verlässlich auswerten zu können. Nach dem Win-ter 2008/2009 gab es aus Sani weit präzisere Anga-ben. Für die Auswertung sind zwei Zeiträume von be-sonderem Interesse: extrem kalte Perioden mit Tages-durchschnittstemperaturen unter –20°C und Perioden

Innenansicht

Frontansicht22

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mit einer sehr geringen durchschnittlichen solaren Ein-strahlung < 50 W/m²d. In beiden Situationen fallen in vergleichbaren traditionellen Innenräumen die Tempe-raturen deutlich und dauerhaft unter den Gefrierpunkt. In der Schule kann gegenüber den Außentemperaturen eine um 20-30°C höhere Raumtemperatur realisiert werden. Nur in zwei Wochen des Jahres mit dauerhaft geringer Einstrahlung und niedriger Außentemperatur unterschreitet die durchschnittliche Raumtemperatur die +5°C Grenze. Zusammengefasst kann gesagt wer-den, dass in 95% der Wintertage in einfacher Lehm-bauweise auch unter Einsatz nur passiv solarer Strate-gien ausreichende Energiegewinne zur Beheizung des Gebäudes erzielt werden können.

Das Projekt zeigt: Die Kombination einfacher solarer Maßnahmen mit lokalen Bautechniken bringt deutliche Energiegewinne. Der g emeinsame Bau der Schule, die positive Resonanz der Nutzer und die Verwendung der gewonnenen Erkenntnissen für nachfolgende Projekte in der Region lassen eine weitere Anwendung und Ver-breitung der einfachen solaren Strategien und Bautech-niken erhoffen.Für die beteiligten Studenten bot die Winterschule eine seltene Chance: ein Projekt schon im Studium vom er-sten Entwurfsgedanken bis zur Fertigstellung zu beglei-ten und wesentlich mit zu gestalten: denn gerade die Umsetzung des Schulbaus und der intensive Austausch mit den Bewohnern von Sani ist nicht zuletzt auch der Begeisterungsfähigkeit und der Unbefangenheit der Studierenden zuzuschreiben.Tillmann Heuter, TA+E

Bauherr:Förderverein Sani Zanskar, Aachen; Nyima Odser Sorig Foundation, Sani Planung: Tillmann Heuter, Lehrgebiet Technischer Ausbau und Entwerfen, Vertretung der Professur: Jo Ruoff

Beteiligte Studierende im Bau: Katrin Broll, Sabine Hennen, Nils Jansen, Johannes Meyer, Björn Mierau, Adrian Oellers, Helena Oellers, Susanne Schneider, Susanne Stübben, Susanne Weitzel

Technische Beratung: Schmidt Reuter GmbH, KölnLehrstuhl für Baubetrieb und Gebäudetechnik, RWTH Aachen, Marten F. Brunk

Förderer: Pro-RWTH, Sto-Stiftung

Eckdaten:Lage: Sani, Jammu und Kashmir, IndienHöhe: 3700 m üNNTechnische Infrastruktur vor Ort: keineNutzfläche: ca. 150 m²Photovoltaiksystem mit 1000 W peak

Studenten beim Bau der Fassade

Fertiges Gebäude mit Schülern

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FORSCHUNGSPROJEKTERESEARCH PROJECTS

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Megacities - Megachallenge Herausforderung Megastädte Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur Lehrstuhl für Ingenieurgeologie und Hydrogeologie Lehrstuhl für Stadt- und Bevölkerungsgeologie (Christian-Albrechts-Universität, Kiel) Departement of Architecture and Urban Planning (Guangdong University of Technology, Guangzhou) “Analysis of informal dynamics in mega urban areas - based on spatial structure and steering mechanisms focused on water in the Pearl River Delta” Teil des Schwerpunktprogramms SPP 1233 „Megacities - Megachallenge - Informal Dynamics of Global Change“, Deutsche Forschungsgesellschaft 2007-2009 URL: http://www.megacities-megachallenge.org/

Herausforderung Megastädte Der weltweite Trend zur Megastadt hält an. Gab es 1970 lediglich 3 Megastädte, sind es heute bereits über 40. Vor allem in Entwicklungs- und Schwellenlän-dern wird die Zahl der Megastädte und polyzentralen Megaagglomerationen weiter zunehmen. Als Schwer-punkte des globalen Wandels werden sie zu wichtigen „Laboratorien der Zukunft“, in denen globale Trends geschaffen und reflektiert werden. Megaurbane Ge-sellschaften stehen aber auch komplexen Problemen gegenüber, die zu neuen und unberechenbaren sozi-alen, ökonomischen, räumlichen und politischen Orga-nisationsformen führen.Angesichts dieser planerischen Herausforderung hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft 2007 das Schwer-punktprogramm „Megacities – Megachallenge: Infor-mal Dynamics of Global Change“ gestartet. Insgesamt 9 Projektteams beschäftigen sich mit den unterschied-lichen Facetten der informellen Dynamik in der Meg-aagglomeration des Pearl River Deltas, China bzw. der Megastadt Dhaka, Bangladesh. Hauptziel des Schwer-punktprogramms ist es, theoretische Ansätze und Mo-delle zu entwickeln, die als ganzheitliche Erklärungs-ansätze für die informellen Prozesse und Strukturen in Megastädten dienen können.Abb. 1: Strukturwandel in der Megastadt? (K. Wiethoff 2008)

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ForschungsrahmenBislang nutzte die Stadtforschung meist Ansätze, die dem europäischen und amerikanischen Urbanitätskon-text entstammten. Diese werden häufig dem sich heute bietenden Bild der zunehmenden Megaurbanisierung nicht mehr gerecht. Für eine dem Zeit- und Urbanitäts-geist angemessene Stadtforschung wird die Integration in multidisziplinäre und mehrdimensionale Forschungs-ansätze in Zukunft wichtiger denn je. Der Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur der RWTH Aachen untersucht im Rahmen des DFG-Programms in einer interdiszipli-nären Kooperation die dynamischen Prozesse inner-halb der Wechselwirkungen von Mensch und Umwelt in Guangzhou. Der integrative Ansatz vereint theore-tische Konzepte mit Forschungsmethoden von Sozial-, Natur- und Planungswissenschaften. Es sollen formelle und informelle Institutionen und Prozesse identifiziert werden, die für Auswirkungen innerhalb des fortschrei-tenden Urbanisierungsprozesses verantwortlich sind.

In autoritär-zentralistischen Systemen wie in China ha-ben informelle Faktoren und Prozesse in der Siedlungs-entwicklung nicht die Ausmaße wie in demokratisch-dezentral geprägten Ländern. Dennoch existieren – bisweilen in erheblichem Umfang – solche informellen Einflüsse auf formell gestaltete Siedlungsstrukturen. Sie werden hier besonders wirksam, da sie außerhalb eines scheinbar komplett „von oben“ gesteuerten Prozesses ablaufen und aufgrund dessen meist auch außerhalb des Blickwinkels der „offiziellen“ Analyse, Bewertung und Planung liegen. Die Rolle der ungesteuerten, auf lokaler Ebene eingreifenden Faktoren auf formell ge-plante und strukturierte Städte wird in China immer

bedeutender. Im Forschungskontext wurden daraus drei Unterziele abgeleitet:• Verständnis der vielschichtigen Siedlungsdynamiken in der Megastadt Guangzhou,• Verständnis der Beziehungen zwischen sich än-dernden Ressourcenströmen und –Qualitäten (ökolo-gische Vulnerabilität), sich ändernden Siedlungsstruk-turen und Lebensbedingungen (sozioökonomische Vulnerabilität) in verschiedenen räumlichen Einheiten und Bevölkerungsgruppen,• Differenzierung formaler und informeller Instituti-onen und Prozesse, die für die veränderte Stadtland-schaft verantwortlich sind.Untersuchungsareal: Stadtlandschaft PerlflussdeltaFür die Megastadtforschung stellt China durch sein rasantes Stadtwachstum eine Besonderheit dar. Seit 1978 hat sich in China die Anzahl der Städte mehr als verdreifacht, im gleichen Zeitraum hat sich die Anzahl der Städte mit über einer Million Einwohnern vervier-facht, mehr als 20 Städte haben über fünf Millionen Einwohnern, darunter fünf Megastädte mit mehr als 10 Millionen registrierter Einwohnern. In China leben 422 Millionen Menschen in den Städten, wobei die Dunkel-ziffer nicht-registrierter Migranten auf 148 Millionen geschätzt wird.

Seit Anfang der 1990er Jahre entstanden in China als Ausdruck für enormes Wirtschafts- und Bevölkerungs-wachstum zahlreiche Sonderentwicklungszonen, so auch im Pearl River Delta. Der urbane Ballungsraum des Deltas gehört zu den am dichtesten besiedelten Regionen der Erde - eine diffuse Verstädterungszo-

Abb. 2: megaurbane und polyzentrale Stadtlandschaft des Pearl River Deltas (K. Wiethoff 2008)

ne mit 40 bis 60 Millionen Einwohnern, die sich über 150 Kilometer von Hongkong über Shenzhen bis nach Guangzhou erstreckt. Die Megastadt Guangzhou ist eines der wirtschaftlichen Kraftzentren Chinas - hier werden die Auswirkungen auf die urbanen Transfor-mationsprozesse besonders deutlich: Eine starke globa-le wirtschaftliche Nachfrage schafft Arbeitsplätze und zieht aus den armen Provinzen zahlreiche Menschen an. Dieser Andrang - im Zuge der Reform in den 80er Jahren durch Deng Xiaoping in Gang gesetzt - entwi-ckelt sich zunehmend zu einem Problem für die Stadt.

Untersuchungsansatz: urban units als interdisziplinäres Analysetool für megaurbanes ManagementIn den komplexen Agglomerationen megaurbaner Räume stellen die unterschiedlichen Skalen der Be-trachtung eine große Herausforderung dar: Während bei einer Untersuchung der meist großen Verwaltungs-

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Abb. 3: Konzept der urban units; Betrachtung von Makro-, Meso- und Mikrokontext, (K. Wiethoff 2009)

einheiten die Komplexität nicht mehr beherrschbar ist, liefert die Betrachtung der kleinsten Ebene (z.B. einzel-ne Gebäude) kein differenziertes Bild. Um das megaur-bane System zu verstehen, ist es daher notwendig, die großen Agglomerationsbereiche in kleinere Einheiten zu gliedern. Dafür werden sich wiederholende Mi-krostrukturen – etwa einzelne Gebäudetypen und ihre angrenzenden Außenräume – zu Gruppen mit jeweils gleichartigen, homogenen Charakteristika zusammen-gefasst.

Mit Hilfe dieser „Stadtbausteine“ wird es möglich, das unübersichtliche System der Megacity auf wichtige, für die Entwicklungsanalyse charakteristische Hauptele-mente zu reduzieren. Die verschiedenen Stadtbaustein-Typen können mit ihren ökologischen, ökonomischen und sozialen Kennwerten als „Zeiger-Struktur“ für das Gesamtsystem Guangzhou fungieren. Für ihre Ab-grenzung bieten sich in der Region des Perlflussdeltas Strukturen an, die aus der traditionellen und aktuellen Siedlungsentwicklung hervorgehen und auf gewach-senen Subeinheiten unterhalb der Ebene des gesamt-en Siedlungskomplexes basieren. Dazu gehören in sich mehr oder weniger stark geschlossene Gebäudestruk-turen oder Blöcke; traditionelle Beispiele in China sind hierbei Hofhäuser oder die besonders in der kommu-nistischen Ära ausgebauten „Danwei“, aber auch die modernen, häufig an westliche Leitbilder angelehnte Gated Communities.

Die derart definierten Raumeinheiten bilden die Grundlage zur strukturellen Analyse von Ist-Situation

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und vorhandenen Wechselwirkungen. Die Interaktion der funktional und strukturell verschiedenartigen ur-ban units, aus denen sich die Stadtlandschaft zusam-mensetzt, ihre Relevanz für das mega-urbane System und ihr Einfluss auf Entwicklungsdynamiken und Res-sourcenflüsse sind von entscheidender Bedeutung für ein tieferes Verständnis vom Funktionieren von Mega-städten. Ein Ziel des Forschungsprojektes ist es daher, räumliche und strukturelle Verknüpfungen zwischen den urban units sowie dynamische Prozesse innerhalb zu identifizieren und zu analysieren.

Der Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur hat eine stadtmorphologische Analyse mit Schwerpunkt auf in-formellen Dynamiken und spezifischen Raumcharakte-ristika auf unterschiedlichen Betrachtungsebenen (Mi-kro, Meso, Makro) durchgeführt. Auf Basis der urban units erfolgte eine Mikroanalyse in zwei Schritten.1) qualitative und quantitative Analyse von bebautem und unbebautem Raum,2) Studien zu folgenden megaurbanen Phänomenen:a) Wechselwirkungen in den Randbereichen (z.B. äu-ßere und innere Entwicklungstendenzen, Zugänglich-keit)b) Raumausprägung (z.B. Proportionsstudien)c) Typologien von Selbstregulierungsprozessen (z.B. Raumgestaltung, Raumumwidmung, Mikrourbanis-mus)d) Szenarien für Entwicklungstendenzen (z.B. Hand-lungsoptionen)e) Raumstudien zu verschiedenen sozialräumlichen Situationen (z.B. Privatheit und Öffentlichkeit in der Raumnutzung)Hierbei standen folgende Forschungsfragen im Vorder-grund:1) Wie beeinflussen die laufenden Urbanisierungspro-zesse die Stadtgestalt der Megastadt Guangzhou?2) Was kann - im Sinne einer nachhaltigen Stadtent-

wicklung- aus den ablaufenden Veränderungsprozes-sen, und den daraus resultierenden unterschiedlich motivierten Raumeingriffen (Mikrourbanismus) gelernt werden?

UntersuchungsgebieteDer Untersuchungsschwerpunkt der vier Feldphasen zwischen 2007 und 2009 wurde auf die kleinteiligen und heterogenen urban units gelegt, die vielfältige Dy-namiken in den Bereichen Bau-, Freiraum-, Gewässer- und Bewohnerstrukturen erwarten ließen. Nach der ersten Grobklassifizierung verschiedener Typen im ge-samten Stadtgebiet, wurden auf Basis von Satelliten-bildern und Ortsbegehungen 70 urban units, darunter 10 Dörfer im periurbanen Bereich, 15 bereits urbani-sierte Dörfer, 25 heute zunehmend industriell geprägte Ruralstrukturen und 20 Altstadtstrukturen ausgewählt und einer Kurzanalyse unterzogen. Bei der Auswahl la-gen folgende Kriterien zugrunde:• zu erwartende dynamische Einflüsse auf Stadtent-wicklungsebene• Vergleichbarkeit der Gebiete hinsichtlich ihrer Grö-ße, Struktur und (in)formeller Veränderungsprozesse (raumstrukturell, ökologisch und sozioökonomisch)In einem weiteren Schritt erfolgte die Auswahl von vier Gebieten für eine Tiefenanalyse, die für die o. g. vier Gruppen Referenzgebiete genereller strukturel-ler Veränderungstendenzen in Guangzhou darstellen. Die Wahl fiel auf das urban village Xincun im Osten und die Dörfer Shibi und Yuangangcun, beide im Sü-den Guangzhous, sowie mit Yunguicun eine gut erhal-tene Bebauungsstruktur in der Altstadt. Alle Gebiete befinden sich im Einflussbereich der neuen Stadtent-wicklungsachse, die eine städtebauliche Neustruktu-rierung in Nord-Süd- Ausdehnung mit 5 Millionen qm Planungsfläche vorsieht. Sie sind somit weitgreifenden wirtschaftlichen, räumlichen und sozialen Verände-rungen unterworfen und eignen sich daher besonders

als Untersuchungsräume.

Einblicke in Ergebnisse1) Makroebene: Aussagen zur allgemeine Entwick-lungstendenz Guangzhous Ausgehend von den morphologischen Vergleichsanaly-sen der über 70 urban units kann die These aufgestellt werden, dass es innerhalb der Entwicklung vom Dorf zum Dorf in der Stadt viele Parallelen gibt. Es zeichnen sich verschiedene Veränderungsprozesse ab, die für eine zunehmende Urbanisierung sprechen, je größer die Nähe zu den neuen Stadtentwicklungsprojekten ist. Diese sind zum Teil zwar deutlich zeitversetzt, aber in ihrer strukturellen Ausprägung einander sehr ähnlich. Aufgrund der unterschiedlichen Lage im Stadtraum befinden sich die Gebiete in verschiedenen morpholo-gischen Entwicklungsstadien. Die Dörfer Guangzhous folgen einer Art „klassischer“ Entwicklung von urban villages, die von einer ehemals dezentralen und unat-traktiven Randlage zu einer prädestinierten Zentrums-lage gelangen. Die- von der Stadt absorbiert- in immer größere Verdichtung übergehen, bis sie Platz machen müssen für jene Projekte, die Rendite und Prestige für die Stadt versprechen.

2) Mikroebene: megaurbaner Mikrourbanismus und seine MotivationIn den Untersuchungsgebieten konnten verschiedene wiederkehrende Raumcharakteristika identifiziert wer-den, die symptomatisch für Gebiete sind, die sich ak-tuell im raumstrukturellen Umbruch befinden. Die un-terschiedlichen räumlichen Veränderungen spiegeln die aktuellen Entwicklungstendenzen der urban units wider. Man kann unterscheiden zwischen (1) Arealen mit einem hohen Grad an strukturellem Wechsel, der sich aber nachweislich erst in jüngerer Zeit etabliert hat und von einem Aufbrechen der traditionellen Stadtclu-sterung zeugt, und (2) den noch sehr ursprünglichen

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Abb. 5: Typische Problemstellungen im megaurbanen Kontext und resultierende Handlungsstrategien (R. Strohschön, K. Wiethoff 2009)

Raumstrukturen, die durch Topographie oder Zugangs-beschränkungen Innen und Außen deutlich separieren. Vielfach wird das vorhandene Raumangebot an die be-nötigte Nachfrage an Nutzungsoptionen und Gestalt adaptiert. In Abhängigkeit von soziokulturellem Hin-tergrund und ökonomischen Möglichkeiten der Nutzer zeigt sich ein „situativer Urbanismus“, der sich in ver-schiedenen Facetten von Mikrourbanismus äußert.

Die anhaltenden rasanten Urbanisierungsprozesse be-dingen, dass die ursprünglich zentral von oben gesteu-erten Regulierungsmaßnahmen (sog. „top-down-Pro-zesse“) dieser Dynamik nicht gewachsen sind. So ent-steht zwischen den ökonomischen, strukturellen und Umwelt-Veränderungen und dem staatlichen Handeln ein Vakuum, das vielfältige Handlungsspielräume bie-tet für bauliche Erweiterungen, Schaffung von Low-Cost-Wohnraum und informelle Einnahmequellen. Mit der wirtschaftlichen Liberalisierung ist die privat-wirtschaftliche Nutzung dieser informellen Räume zu einem festen Bestandteil des städtischen Lebens ge-worden. Es vollzieht sich also ein Wandel von „top-down-Prozessen“ hin zu „bottom-up-Prozessen“, die sich vornehmlich auf der kleinräumlichen Mikroebene widerspiegeln. Die räumliche Struktur der städtischen Flächen territorialisiert gesellschaftliche Ordnungen und reguliert erlaubte wie unerlaubte Tätigkeiten der Bewohner.

Bezogen auf den Wandel der Stadtgestalt und der Frei-raumstruktur tun sich in diesem Zusammenhang fol-gende Fragen für den weiteren Forschungskontext auf: Was bedeutet es, wenn die Bänke des Aufenthalts abgebaut werden, wenn die Straßen die Gegenden der feindlichen Wildnis – Nicht-Orte gewissermaßen - darstellen und die inneren Enklaven abgerissen wer-den? Bilden sich neue Enklaven in den neuen Apart-mentkomplexen? Ändern sich die Gewohnheiten der

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Abb. 7: Phasenmodell des Urbanisierungsprozesses in Xincun, Guangzhou (K. Wiethoff 2008)

Abb. 6: Phasenmodell des Urbanisierungsprozesses in Shibi, Guangzhou (K. Wiethoff 2008)

städtischen Civitas? Werden Orte angeeignet, die zum Aufenthalt eignen? Deutlich wird auf jeden Fall: Die Gestalt, Nutzung und räumlichen Struktur des Frei-raumes wird sich innerhalb der verschiedenen Stadt-einheiten in den nächsten Jahren weiter drastisch wan-deln, muss sie doch den Bedürfnissen einer wachsen-den Megastadt gerecht werden, die auf dem Weg von lokaler Landwirtschafts- zu globaler Produktionsstätte ist. Generell verbunden ist diese Entwicklung mit einer Reduktion des öffentlichen Raumes zugunsten größe-rer Wohnkapazitäten und Verkehrsflächen – und den zu erwartenden strukturellen Folgeproblemen und Mangelerscheinungen in der (Frei-) Raumversorgung.3) Entwicklung einer neuen Analyse- und Darstellungs-methode zu Abbildung struktureller Transformations-prozesse: das urban pattern

Resultierend aus der Frage nach einer möglichen struk-turellen Vergleichbarkeit der Gebiete, die zeitliche As-pekte berücksichtigt, wurde die Idee der „urban pat-tern“ entwickelt. Ihnen liegt die Vermutung zugrunde, dass die Stadtgestalt von historischen Permanenzen ge-prägt ist, die sich noch heute abzeichnen und somit in Form urbaner Signaturen abgebildet werden können. Die in Abb. 6 und 7 dargestellten „urban pattern“ zei-gen Prinzipdarstellungen der Entwicklungen des ur-ban village Xincun und des Dorfes Shibi zu drei ver-schiedenen Zeitphasen. Das Kreisdiagramm links auf der Abbildung veranschaulicht die grundsätzliche Ent-wicklungstendenz bedingt durch aktuelle und zukünf-tige Restrukturierungs- und Investitionsmaßnahmen. Gleichermaßen werden die Permeabilität der Randbe-reiche sowie die Dichte durch unterschiedliche Durch-

lässigkeiten der Kreislinie dargestellt. Eine abstrahierte und nicht lokalbezogene Darstellungsform dieser Art ermöglicht es, unter Berücksichtigung der Einflussde-terminanten Demographie und Bevölkerungszusam-mensetzung, Raumstruktur sowie Transformationspro-zesse, Rückschlüsse auf zukünftige Entwicklungsten-denzen anderer Gebiete zu ziehen – immer die Annah-me voraussetzend, dass ähnlich strukturierte Gebiete vergleichbare „interne Funktionsweisen“ haben.

4) Ausblick: Szenarienentwicklung Durch die Definition der urban units und die Analy-se sich wiederholender Mikrostrukturen können Ver-änderungen und/oder Gemeinsamkeiten im Transfor-mationsprozess kleinräumlich analysiert, differenziert und zum gesamtstädtischen Kontext in Bezug gesetzt werden. In einem weiteren Schritt können die so iden-tifizierten „Transformationsvariablen“ eine Basis für die Simulation zukünftiger Situationen darstellen. Hier-durch wird es möglich, veränderte (Land)Nutzungs-strukturen in einem urbanen Gebiet zu erkennen und Rückschlüsse auf urbane Ressourcen zu ziehen.

Es wird die These aufgestellt, dass grundsätzlich be-stimmten Flächentypen spezifische Probleme und Handlungsoptionen zugewiesen werden können. Die-se wiederholen sich auf Flächen ähnlicher oder gleicher Typologie und werden damit zu erkennbaren, sich wie-derholenden Handlungsmustern, Strategien und räum-lichen Mustern, die sich ebenso in ihrem Auswirkungs-grad auf das System der Megastadt ähneln. Die Über-tragbarkeit dieser These auf andere megaurbane Kon-texte gilt es zu überprüfen. Eine detaillierte Analyse der Nutzungen und der damit verbundenen strukturellen und ökologischen Veränderungen kann dabei helfen, die tatsächliche Einflussintensitäten der urban units für die gesamte Stadtentwicklung zu evaluieren und nega-tiven Auswirkungen nachhaltig entgegenzuwirken.

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Stars Stadträume in Spannungsfeldern Plätze, Parks und Promenaden im Schnittbereich privater und kommunaler Aktivitäten Lehrtsuhl für Planungstheorie und Stadtentwicklung Leitung: Univ.-Prof. Dr. Klaus Selle Bearb.: Dr. Ulrich Berding, Dipl.-Ing. Antje Havemann, Dr. Juliane Pegels, Dipl.-Ing. Bettina Perenthaler URL.: http://www.pt.rwth-aachen.de , Rubrik „Forschung“

Laufzeit: 10/2006–09/2009; 2010 Verlängerung um ein Jahr.Förderung: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)

Anlass: „Schwarz-weiß-Malerei“In den Fachdebatten ging man lange Zeit davon aus, dass öffentlich zugängliche Räume immer auch „öf-fentliche“ – unter Eigentums- und Verfügungsrecht der Kommune stehende – Räume sind. Im Umkehrschluss könnten Räume in „privater Hand“ per Definition keine öffentlichen Räume sein. Und auch die Vorstellungen von Rolle und Reichweite des Planens und Steuerns öf-fentlicher Akteure schienen mit diesen Schwarz-weiß-Bildern aufs Engste zu korrespondieren: In den öffent-lichen Räumen wirkte die Gestaltungsmacht der kom-munalen Planung und Politik, in den privaten die der Märkte und einzelner Eigentümer – gezügelt besten-falls durch öffentliche Rahmensetzungen.

Diese Bilder und Vorstellungswelten sind durchaus noch nicht ganz verschwunden. Sie wirken etwa in der Diskussion über die „Privatisierung“ öffentlicher Räu-me fort: Dabei scheint es so, als würde vormals Öf-fentliches nun dem Privaten zugeschlagen. Zugleich aber eröffnet diese Diskussion den Blick auf etwas, das es bislang nicht zu geben schien: Stadträume rücken ins Blickfeld, die zwar öffentlich nutzbar sind, die sich

aber keineswegs im öffentlichen, sondern im privaten Eigentum befinden.

Aus Vorstudien erwuchs die Vermutung, dass die Überschneidung und Überlagerung von öffentlichen und privaten Einflüssen keineswegs ein auf exotische Sondersituationen und neueste Entwicklungen be-schränktes Phänomen darstellt. Unsere Vermutung war, dass die von den Stadtnutzerinnen als „normale“ öffentliche Räume erlebten Plätze, Parks und Prome-naden in vielen Fällen im Eigentum von verschiedenen „privaten“ Akteuren sind bzw. von nicht-kommunalen Akteuren beeinflusst und geprägt werden.

Dieser Vermutung gehen wir seit 2007 am Lehrstuhl für Planungstheorie und Stadtentwicklung im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geför-derten Projektes „STARS – Stadträume in Spannungs-feldern“ nach.

VorgehenDas erste Ziel der empirischen Arbeit bestand darin, zu-nächst Räume zu identifizieren, die im Einfluss nicht-kommunaler Akteure liegen. Diese identifizierten „hy-Bemeroder Rathausplatz Eigentumsgrenze

Bahnhofsvorplatz EigentumsgrenzeTypisch „hybrid“: Eigentumsgrenzen (zum Beispiel zwischen Kommune und Privateigentümer) bleiben für die Nutzer oft unsichtbar. Beispiele aus Hannover: Bemeroder Rathausplatz und der Vorplatz des Hauptbahn-hofes (Ernst-August-Platz).

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oder urbane Erlebnis-Center –, sondern um ganz all-tägliche, öffentlich nutzbare Plätze, Grünflächen und Verbindungsräume.

2. Stadträume im Schnittbereich kommunaler und pri-vater Aktivitäten sind „normal”.Die „hybriden” Räume sind so alltäglich, dass die privat-kommunalen Schnittbereiche für die kommu-nalen Akteure erst dann überhaupt ins Bewusstsein rücken, wenn z. B. bauliche Veränderungen genaue Nachforschungen bedingen oder anderer Handlungs-

bedarf besteht. Allerdings sind den Befragten in den meisten Kommunen die Besitzverhältnisse von Flächen und Räumen gar nicht präsent – auch sie werden erst im Handlungsfall relevant, obwohl dieses Wissen ent-scheidend sein kann für eine frühzeitige Kommunika-tion mit Beteiligten und auch einer langfristigen Ent-wicklungsplanung dienlich wäre.

3. Eine Vielzahl von Akteuren und Interessen ist invol-viert.Während uns die Fallstudien mit der großen Zahl unter-

briden“ Räume sollten dann im Rahmen ausführlicher Fallstudien einerseits hinsichtlich ihrer Funktion, ihrer räumlichen Situation und ihrer baulichen Beschaffen-heit, andererseits hinsichtlich der sie beeinflussenden Akteure erfasst und genauer beschrieben werden:Wer hat Eigentumsrechte?Wer baut, entwickelt, pflegt die Räume?Wer reguliert die Nutzer und Nutzungen?Dann sollten die Hintergründe ihrer Entstehung ergrün-det und die Wirkungen analysiert werden, die aus den Einflüssen der unterschiedlichen Akteure resultieren.Um der Frage nachzugehen, welche Folgerungen aus dem Zusammenwirken der Akteure für den Hand-lungsbedarf der Kommunen resultieren, wurden In-terviews mit leitenden Vertreter/-innen der jeweiligen für Stadtplanung und Grünflächen zuständigen Ämter bzw. Fachbereiche geführt. Die aus den 29 Fallstudien und den ca. 40 Interviews gewonnenen Ergebnisse wurden in einem kontinuier-lichen Prozess abgeglichen und mit externen Fachleu-ten aus Wissenschaft und Praxis im Rahmen einer Di-aloggruppe diskutiert. Zudem wurden auf vier Werk-stattgesprächen Zwischenstände erörtert und Anre-gungen für die weitere Arbeit formuliert.

BefundeIm Folgenden sollen wesentliche Befunde des Projekts thesenartig zusammengefasst werden:1. Stadträume im Schnittbereich kommunaler und pri-vater Aktivitäten existieren in allen Lagen und Kontex-ten der Stadt.Entgegen der Annahme, „hybride” Räume stellten exotische Ausnahmefälle in unseren Städten dar, hat STARS gezeigt, dass eine große Zahl von Freiräumen in unseren Städten im Schnittbereich kommunaler und nicht-kommunaler Aktivitäten existieren. Es handelt sich nicht um „besondere” Räume mit speziellen Funk-tionen oder Bauformen – wie etwa Shopping-Malls Kapuziner Karree

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gänglich gemacht. Es ist also oft weniger eine „Privati-sierung“ öffentlicher Räume als vielmehr eine „Veröf-fentlichung“ privater Räume zu beobachten.

5. Es gibt eine große Vielfalt von Status quo und Dy-namik.Oft hängen räumliche Entwicklungen und dynamische Akteurskonstellationen eng zusammen. Weniger of-fensichtlich sind Veränderungen von Zuständigkeiten und Eigentumsverhältnissen. Für die kommunalen Ak-teure bedeutet dies vor allem potenziell unzuverlässige Strukturen bei der Produktion öffentlich zugänglicher Räume.Gerade in Kommunen, in denen Projektentwickler, Fi-lialen und Investoren in kurzen Intervallen kaufen, ver-kaufen und weiterentwickeln, wird sehr viel Wert auf vom Eigentümer unabhängige Sicherungen gelegt. Die Akteursbezüge müssen also gleichermaßen flexibel wie dauerhaft geregelt werden – eine Herausforderung für kommunale und juristische Strukturen.

6. Konflikte sind nicht typisch für Stadträume im Schnittbereich kommunaler und privater Aktivitäten.Obwohl sich das Zusammenspiel kommunaler und nicht-kommunaler Akteure vielschichtig gestaltet, stel-len größere Konflikte die Ausnahme dar. In der Regel bemühen sich die Akteure, auftauchende Konflikte auf kommunikativem Wege zu lösen. Als häufige grund-sätzliche Probleme in diesem Zusammenhang wurde uns jedoch geschildert, dass Absprachen und Vereinba-rungen zwischen den Akteuren nicht immer aktenkun-dig sind oder nicht an die jeweils ausführenden Organe vor Ort kommuniziert werden. Die Vermutung, dass vermehrte Konflikte spezifisch für Räume im Schnittbe-reich sind oder bei Beziehungen mit privaten Akteuren verstärkt auftreten, wird aber nicht bestätigt. 7. Bei Planung und Bau „hybrider“ Räume wird deut-

lich: Marktdynamik und Verwaltungsdynamik unter-scheiden sich erheblich voneinander.Der städtebauliche Vertrag, der als Instrument spezi-ell für die Regelungen mit Privaten geschaffen wurde, gehört zum Alltagsgeschäft der Bebauungsplanung und ist vor allem für detaillierte und flexible Festset-zungen beliebt. Dabei sind „Deals” oder „Kopplungs-geschäfte” mit Privaten durchaus üblich.

Ein wesentlicher Faktor, der die privat-kommunale Ko-produktion erschwert, ist allerdings gerade die Dauer der Standard-Verfahren der Kommune. Privaten wi-derstrebten die langwierigen Verwaltungsverfahren in der Regel, und es sei ihnen oft wichtiger, einen kalku-lierbaren Zeitrahmen zu haben als spezifische Forde-rungen durchzusetzen. Allerdings sehen die kommu-nalen Vertreterinnen durchaus die Notwendigkeit, sich den Privaten in diesem Punkt anzupassen. Die Intervie-wten stimmen darin überein, dass frühzeitige Kommu-

schiedlicher „privater” Akteure überraschten, machten die Interviews besonders deutlich, dass auch die Kom-munen selten mit nur einer Stimme sprechen: „Der Blumenstrauß privater Akteure trifft auf einen Blumen-strauß an kommunalen Akteuren. Auch die Stadt ist inzwischen in vielfältigste Einrichtungen und Verwal-tungsformen aufgesplittert.” Zudem stellte sich heraus, dass Bund, Länder oder auch Kirchen zum Teil genauso renditeorientiert agieren wie Private – und daher harte Verhandlungspartner für die Kommune sein können.

4. „Hybride“ Räume entstehen aus verschiedenen An-lässen und Gründen.So vielschichtig „hybride” Räume, die involvierten Ak-teure und Interessen sind, so vielfältig sind auch die Hintergründe der Entstehung dieser Stadträume. Meist bringen mehrere Anlässe Akteure zusammen: z. B. im Falle von Vorplätzen, wo das Gebäudeumfeld adäquat gestaltet werden soll; oder in neuen Quartieren, wo Freiräume die Wohn- und Lebensqualität erhöhen sol-len; häufig werden auch im Rahmen des Strukturwan-dels ehemals private Freiräume der Öffentlichkeit zu-

Alte SpinnereiEhemals geschlossene Räume werden umgenutzt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Zum Beispiel die „Alte Spinnerei“ in Leipzig oder das Kapuziner Karree in Aachen.

BücherplatzÖffentlich nutzbare Räume im Privateigentum fügen sich oft so nahtlos in das Netz der öffentlichen Räume ein, dass erst im Zuge von Planungspro-zessen die nicht-kommunale Eigentümerschaft erkannt wird – zum Bei-spiel im Fall des „Bücherplatzes“ in Aachen.

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nikation und Kontaktpflege mit Privaten ausschlagge-bend für das Gelingen von Kooperationen sind.

8. Es braucht Regelungen für den dauerhaften Betrieb: Pflege und Instandhaltung.Sowohl in den Fallstudien als auch in den Interviews zeigte sich, dass öffentlich zugängliche Räume von vie-len verschiedenen Akteuren gepflegt werden können. Bezüglich der Qualität der Pflege lassen sich keine Ge-setzmäßigkeiten ableiten: Private pflegen ihre Räume selten schlechter als die Kommune, tendenziell küm-mern sie sich eher um höherwertige Pflege. In den In-terviews wurde jedoch deutlich, dass Geldgeber für Planung und Bau von Räumen sehr viel besser zu fin-den sind als Finanziers des dauerhaften Betriebs. Es ist also notwendig, Regelungen mit langjähriger Perspek-tive zu treffen.

9. Die Kommune muss wissen, was sie will und ihre Steuerungsinstrumente optimal nutzen.In den Interviews zeigte sich, dass die Kommune als „multiple self” agiert. Dadurch entstehen fragmen-tierte Raumzuständigkeiten und unterschiedliche Inte-ressen, die zunächst innerhalb der Kommune ausgegli-chen werden müssen; denn gerade bei der Verhand-lung mit nicht-kommunalen Akteuren ist ein eindeu-tiger Standpunkt der Kommunen von Vorteil.

Was heißt das für die kommunale Praxis?Die Instrumente, die den Kommunen zur Gestaltung der Bezüge zwischen den Akteuren zur Verfügung ste-hen, sind letztendlich überall dieselben. Deren kreativer Einsatz oder Kombination ist das, was die unterschied-liche Versiertheit der Kommunen im Umgang mit wei-teren Akteuren ausmacht. Im Vorteil sind hier beson-ders die Kommunen, die sich ohnehin im Rahmen von gezielten Programmen oder Konzepten ihren öffentlich nutzbaren Stadträumen widmen. Viele dieser Kommu-

nen pflegen einen kontinuierlichen Austausch mit ihren nicht-kommunalen Gegenübern, der, wenn konkrete Projekte anstehen, intensiviert wird. Da nur in erstaunlich wenigen Kommunen davon be-richtet wurde, dass bereits zu einem frühen Zeitpunkt die Eigentumsverhältnisse bei Planungen als relevante Daten herangezogen werden, wäre es wichtig, dieses Wissen auch in den Planungsämtern vorzuhalten oder aber dieses Wissen den Stadtplanungsämtern direkter zugänglich zu machen.Auch der „öffentliche Raum“ ist mittlerweile Gegen-stand des Verhandlungsstädtebaus und damit ein Handlungsfeld der Stadtentwicklung wie jedes andere. Dies bedeutet, dass sich die Kommune eben auch in Bezug auf die öffentlich nutzbaren Räume auf nicht-kommunale Akteure einlassen muss, wenn sie Stadt-räume produziert, pflegt und betreibt. Dabei kommt der Kommune weniger die Rolle eines neutralen Mode-rators konträrer Interessen zu, sondern eher die Pflicht, ihre eigene Position in dieser Koproduktionen zu fin-den. Gerade in Bezug auf öffentlich nutzbare Räume ist dies ein schwierigeres Unterfangen, da es in kei-ner Kommune eine Gesamtverantwortung für sie gibt. Eine neue Sichtweise des „öffentlichen Raumes“ als „öffentlich nutzbarer Raum“ eröffnet hier die Chan-ce, den dahinter stehenden komplexen Verhältnissen gerecht zu werden und sich durch die oben beschrie-benen Maßnahmen vorzubereiten auf Veränderungen und Verhandlungen.

Im Sommer 2010 erscheint ein Buch zum Thema mit externen Beiträgen: Ulrich Berding, Antje Havemann, Juliane Pegels, Bettina Perenthaler (Hg.): Stadträume in Spannungsfeldern. Plätze, Parks und Promenaden im Schnittbereich öffentlicher und privater Aktivitäten.

Bahnhofsvorplatz HausordnungNur in Einzelfällen regeln Hausordnungen die Nutzungen „hybrider“ Räume. Auch die Überwachung mit Kameras stellt eher eine Ausnahme dar.

Duft- und TastgartenDas Spektrum der an Planung, Finanzierung, Bau und Pflege beteiligten Akteure ist häufig sehr breit. Ein Beispiel ist der Leipziger Duft- und Tast-gartens: ein vielschichtiges Kooperationsprojekt des Grünflächenamtes, der Universität Leipzig sowie verschiedener Vereine und privater Spon-soren.

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ABSCHLUSSARBEITENTHESES

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Keimzelle Lehrgebiet Computergestütztes Planen in der Architektur - Univ.-Prof. Dpl.-Ing. Peter Russell Lehr-und Forschungsgebiet für Bauplanung und Baurealisierung - Univ.Prof. Dipl.-Ing. Sabine Brück Diplom WS 09/10 Patrick Lingenberg

AufgabenstellungAuf Basis eines Krisenszenarios aus einer bestimmten klimatischen Region soll eine Keimzelle entwickelt wer-den, die den Opfern bei einem schnellen Neuanfang auf ihrem eigenen Land hilft. (...) Es ist ein schlüssiges Konzept vorzustellen und über definierte Zeiträume zu erläutern. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt auf dem architektonischen Konzept und dessen Umset-zung im Krisengebiet.

Konzept - Grundsätzliche ThesenDas Projekt ist angesiedelt in den ländlichen, dörflichen bis vorstädtischen Gebieten Perus, einem von Armut und Arbeitslosigkeit geprägtem Entwicklungsland....

Um effektiv die durch die Aufgabenstellung ange-strebte Hilfe leisten zu können, ist die Kenntnis um die Hilfe-Empfänger (den Auftraggeber) der elementarste Faktor, der über Erfolg oder Miss-Erfolg einer jeden Hilfe-Leistungs-Ambition entscheidet.Die ehrliche Be-antwortung der Frage, wer “Nutznießer” einer solchen Hilfe-Leistung sein sollte, ergibt sich sehr schnell aus der Betrachtung der Bedürftigkeiten und der daraus folgenden Erkenntnis, dass es die Ärmsten der Armen sind, diejenigen, welche nicht die nötigen Mittel ha-ben, sich selbst aus einer solchen Krisen-Situation zu manövrieren. Es sind jene, bei denen eine Hilfeleistung aus humanitärer Sicht am dringendsten benötigt wird und am sinnvollsten anzusetzen ist.

Peru liegt auf der Grenze zweier tektonischer Platten und wird dadurch immer wieder von Erdbeben heimge-sucht. Einstürzende Häuser sind der Grund dafür, dass es immer wieder zu zahlreichen Todesfällen kommt.Erdbebenresistentes Bauen ist zumeist aus mangelnder Kenntnis oder aber aus mangelnden finanziellen Mit-teln nicht verbreitet.

Das Projekt ist also unter folgender Überschrift zu ver-stehen:- Nachhaltige Hilfe für die nicht-urbane Bevölkerung - In ländlichen, dörflichen, vorstädtischen Strukturen- Hilfe zur SelbsthilfeDurch:- Einbringen einer Startenergie- Nutzung der lokalen Ressourcen - Beteiligung der Opfer am Wiederaufbau- Stärkung der sozialen, gemeinschaftlichen Strukturen

Ziel dieses Projektes ist eine möglichst flächen-deckende, unterstützende Versorgung der ländlichen Bevölkerung Perus nach schweren Erdbeben.Darüber hinaus ist der Spagat zwischen Sofort-Hilfe und Wie-deraufbaumaßnahmen zu leisten. Konzeptuell ist das folgend beschriebene Hilfe-Paket KEIMZELLE vielmehr als KEIMZELLEN-THEMATIK zu verstehen.

Über die Nothilfe (Erste Hilfe) hinaus handelt es sich nicht nur um eine materielle Unterstützung, sondern 38

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vor allem darum, erdbebenresistentes Bauen zu schu-len und Wissen darum zu vermitteln. Die nach Kata-strophenereignissen schnell notwendige Erstversor-gung wird mittels eines kompakten “Paketes” (Nothil-fe-Tonne), welches leicht und somit “schnell” zu trans-portieren ist, geleistet.

Um flächendeckend versorgen zu können, muss das Hilfe-Paket finanzierbar sein. Aus diesem Grund sind seine Inhalte auf das Wesentliche reduziert und nur in Zusammenhang mit einer zentralen Gemeinschafts-struktur (Basis-Lager) vollends wirksam.

Die Integration dieses Gesamt-Paketes (Nothilfe-Pa-ket + Basis-Lager) in Systeme bewährter internationa-ler Hilfsorganisationen ist ebenso unabdingbar. (Me-dizinische Grundversorgung, Wasser- und Nahrungs-mittelversorgung).Das Basislager ergänzt diese beste-henden Strukturen somit um die sofortige Integration von Wiederaufbau- unterstützenden Maßnahmen (in bestehende Sofort-Hilfe-Konzepte) und versteht sich somit als eine Art Schulungs-Zentrum für erdbeben-resistentes Bauen unter ortsspezifischen Verhältnissen. Weder die Nothilfe-Tonne noch das Basis-Lager dürfen als Einzelnes gesehen werden, sondern müssen immer als Gesamtkonzept verstanden werden.

Das Konzept enthält also einen Bauplan, dessen Ab-lauf und Umsetzung organisiert werden muss und eine starke Beteiligung der betroffenen Bevölkerung bedarf, somit deren Selbstständigkeit fördert und sie aus der

reinen Hilfe-Empfangenden-Position in eine aktive Rol-le versetzt. Der Wiederaufbau wird fast ausschließlich auf Grundlage von Schulungen und Beratungen statt-finden, so dass Selbstständigkeit und Autonomie der Bevölkerung, welche seit jeher bei der Errichtung ihrer Gebäude stark involviert ist, gefördert wird bzw. ge-wahrt bleibt.

Bei der ländlichen Bevölkerung Perus, als Zielgruppe, steht dabei ein effektives und kostengünstiges Bauen im Vordergrund. Die Verwendung lokal erhältlicher Baumaterialien macht die Maßnahme für “jeden” er-schwinglich und fördert ihre Nachhaltigkeit durch po-tentiell hohe Nachahm-Effekte. Einer flächendeckend hohen Arbeitslosigkeit kommt die Eigenbeteiligung am Bau sehr entgegen, da sie das Potential birgt, sich im Bausektor zu spezialisieren. Kurzfristige Anstellungen in lokalen Bauunternehmen und somit einkommens-schaffende Maßnahmen sind damit nicht nur denkbar, sondern auch erwünscht.

Die aus einer derartigen Krisenbewältigung hervorge-henden Erkenntnisse und Fähigkeiten im Bezug auf erdbebenresistentes Bauen und Konstruieren steigern, wenn sie mit den traditionellen Gewohnheiten verein-bar sind und zudem weitergegeben und somit in das bestehende Kulturgut integriert werden, nachhaltig die Lebens-Qualität der betroffenen Bevölkerung. Somit kann die Krise als Chance betrachtet werden, welche genutzt werden will...

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Die Hurrikans, die mit Wind und Regen Haiti verwü-

sten, zerstören jedes Jahr aufs Neue die Lebensgrund-

lage vieler Haitianer. Durch Armut und fehlende Ar-

beitsmöglichkeiten haben sie keine Chance, ein neues

Leben mit einer festen Behausung aufzubauen oder

gar Vorkehrungen für die nächste Hurrikansaison zu

treffen. Die Keimzelle schafft die Grundlage, auf die

eine Familie nach einer solchen Katastrophe aufbauen

kann. Zunächst bietet die Keimzelle ein erstes tempo-

räres Zuhause, das nach und nach mit eigenen Mitteln

erweitert werden kann. Der Lebensstandart soll nicht

auf unser Niveau angehoben werden, sondern langfri-

stig so verbessert werden, dass er von den Haitianern

aus eigener Kraft und ohne Hilfe von außen gehalten

werden kann.

Gefertigt werden die Keimzellen in Deutschland oder

anderen Geberländern, da auf Haiti die Rohstoffe und

Fertigungsmöglichkeiten nicht vorhanden sind. Da die

Keimzellen mit Spenden finanziert werden, sind Fer-

tigung und Inhalt der Kiste kostengünstig. Die Kiste,

Grundlage der Keimzelle, ist aus Aluminium gefertigt.

Aluminiumstrangpressprofile dienen als Grundelement

der Konstruktion. Durch diese Fertigungsart hat die

Kiste ein Eigengewicht von nur 120 kg. Neben dem

geringen Gewicht hat Aluminium den Vorteil, nicht zu

verwittern oder zu rosten. Es wird während des Ferti-

gungsprozesses eloxiert und ist, obwohl die Keimzelle

jahrelange extremen Witterungen ausgesetzt ist, ge-

schützt.

Keimzelle Lehrgebiet Computergestütztes Planen in der Architektur - Univ.-Prof. Dpl.-Ing. M.Arch. Peter Russell Lehr-und Forschungsgebiet für Bauplanung und Baurealisierung - Univ.Prof. Dipl.-Ing. Sabine Brück Diplom WS 09/10 Anne Bauer

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Mit den Außenmaßen 200,5 x 151 x 163,5 cm ent-

spricht die Keimzelle den Maßen eines LD3-Contai-

ners, einer Transporteinheit für den Flugverkehr, der

in die gängigen Flugzeugtypen verladen werden kann.

Mit Flugzeugen des Militärs und Hilfsorganisationen

werden die Keimzellen nach Haiti geflogen. Flughäfen,

die von diesen Maschinen angeflogen werden können,

befinden sich an der Küste. Von dort aus werden die

Keimzellen zu Distributionsstützpunkten im Landesin-

neren gefahren und gelagert. Diese Stützpunkte sind

an das Straßennetz angeschlossen und mit einem LKW

zu erreichen. Von den Stützpunkten können die Keim-

zellen mit LKW oder Unimog zu den Dörfern gefahren

werden. Sobald nach einem Hurrikan die Wege wieder

nen Grundvorrat an haltbaren Grundnahrungsmitteln.

Dinge, die mitgeliefert werden, sind entweder sehr

robust (Solarlampe), so dass die Wahrscheinlichkeit,

teure Ersatzteile kaufen zu müssen, gering gehalten

wird oder sie sind so einfach gestaltet, dass mit wenig

Geld und vorhandenen Mitteln Ersatz geschaffen wer-

den kann (Gabione). Um nicht nur Hilfe anzubieten,

sondern, im Rahmen der Möglichkeiten, die Ursachen

zu bekämpfen, enthält die Keimzelle einen Solarofen.

Dieser nutzt die Sonnenenergie zum Garen von Le-

bensmitteln. Die Nutzer müssen keine Holzkohle oder

importiere Rohstoffe kaufen oder Bäume illegal ab-

holzen. Einfach gestaltet stellt der Solarofen eines der

Elemente dar, die von den anderen mit Hilfe einfacher

zu befahren sind, können die Keimzellen an Betroffene

geliefert werden. Die Keimzelle stellt keine schnelle

Ersthilfe dar, sondern kann präventiv geliefert werden.

Abhängig von der Höhe der Spendengelder und Akzep-

tanz in der Bevölkerung entsteht ein flächendeckendes

Netz der Keimzellen. Eine Keimzelle kann bis zu fünf

Personen versorgen, was der durchschnittlichen Größe

einer haitianischen Familie entspricht. Der Aufbau der

ersten Phase der Keimzelle dauert etwa zwei Stunden

und kann von einer Person, besser aber von zwei Per-

sonen bestritten werden. Die bebilderte Anleitung ist

einfach verständlich. Aufgebaut bietet die Keimzelle

einen wind- und regengeschützten Schlafraum für fünf

Personen. Die Familie erhält Decken, Isomatten und ei-

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zusätzliche temporäre Räume und Außenbereiche zu

schaffen. Diese Art zu bauen knüpft an die traditionelle

Bauweise der Karibik an. Bei dieser entsteht ein Zwei-

Raum-Haus, das, parallel zum Wachsen der Familie,

weitere Räume erhält. Der erste temporäre Raum bie-

tet ausreichenden Schutz, sodass Geld und Zeit in dau-

erhafte, sichere Materialien investiert werden können.

Bei einem Hurrikan werden die Nutzer über das mitge-

lieferte Kurbel- und Solarradio frühzeitig gewarnt. Der

Inhalt der Kiste kann in die oberen Fächer gepackt wer-

den. Es bleibt auch Platz für persönliche Gegenstände,

die sicher verstaut werden sollen. Durch die Füllung

der unteren Ebene der Kiste mit Geröll und dem ein-

gebauten Wassertank beträgt das Gesamtgewicht der

und leicht erhältlicher Materialien nachgebaut werden

können. Ein weiteres einfach nachzuahmendes Ele-

ment ist die anzubringende Trinkwasserreinigung. Bei

der Solardesinfektion wird Wasser in PET-Behältern ge-

füllt und je nach Bewölkungsgrad 6 bis 24 Stunden der

Sonne ausgesetzt. Die UVA-Strahlung im Sonnenlicht

zerstört Keime und Erreger. Die Keimzelle schafft eine

erste neue Heimat und eine Verbesserung der Lebens-

qualität. Die Menschen können sich von der Katastro-

phe und dem Verlust des Hauses erholen. Sie können

zu Kräften kommen und nach und nach neues Material

kaufen. So entstehen über die Jahre neue, solide Räu-

me und ein befestigter Außenraum. Das Material der

Keimzelle kann immer wieder verwendet werden, um

Kiste 3 Tonnen und hält einem Hurrikan der Stufe 5

stand. Gabione (Gewicht gefüllt rund 250 kg/Stück)

und die daran befestigte Gitterroste bleiben außerhalb

der Kiste. Je nach Fortschritt und Materialauswahl des

Ausbaus ist die Sicherheit der Bewohner nicht garan-

tiert. Sie können Schutz in öffentlichen Gebäuden su-

chen. Auch in abgelegenen Dörfern gibt es Schulen, die

staatlich oder durch Hilfsorganisationen geführt sind.

Diese größeren Gebäude sind viel stabiler und bieten

weit mehr Schutz als Einfamilienhäuser es können.

Nach dem Hurrikan können die Nutzer zurückkehren

zu ihrer Keimzelle. Sollten Teile oder das gesamte Haus

zerstört sein, kann mit Hilfe der Keimzelle mit dem er-

neuten Wiederaufbau begonnen werden.

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„Frisch und Fromm“ ein Weingut im Rheingau Lehrstuhl für Tragkonstruktionen - Univ.-Prof. Dr.-Ing. Martin Trautz Lehr- und Forschungsgebiet für Bauplanung und Baurealisierung - Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Sabine Brück Diplom WS 08/09 Miriam Winkler

Das Weingut „Frisch und Fromm“ zählt mit seiner bewirtschafteten Fläche von 200 Hektar und einer Erntemenge von 27.000 Hektoliter zu den großen Weingütern im Rheingau. Das Planungsareal für das projektierte Weingut befindet sich am Rand der Ge-meinde Johannisberg. Es besetzt am Dorfrand von Jo-hannisberg eine prominente Stelle und ist wegen der

terrassenartigen Topographie weithin sichtbar.

Der Neubau des Weinguts soll mit seiner Architektur für das Thema Weinbau auf höchstem Niveau stehen und so positioniert werden, dass er als deutliches Zeichen für die Marke „Frisch und Fromm“ aus dem Rheintal zu erkennen ist. Die besonderen Qualitäten des Ortes

(Dorfstruktur, Bedeutung des Schlosses für das Pano-rama des Ortes) müssen trotz des hohen Bauvolumens erhalten werden.

Das Weingut ist an der steilsten Stelle des Baugrund-stücks positioniert und nutzt damit geschickt den na-türlichen Geländeverlauf für die Anforderungen der

Modell

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Produktion. Zwei Riegel sind über ein in den Hang in-tegriertes Sockelgeschoss miteinander verbunden. Der Zwischenraum zwischen den Riegeln (Weingarten) mit Blick auf das Kloster Johannisberg ist der Empfangshof für die Besucher.Die Besucherebene ist strikt von der Produktionsebene getrennt. Vom Weingarten gelangen die Besucher in

den östlichen Riegel zu Verkauf, Verkostung und Ver-waltung. Der westliche Riegel bildet einen Luftraum über Kelterei und Tanklager, so dass die darin befind-lichen Ausstellungsbereiche intelligent mit der Produk-tion verknüpft sind.Die Produktionsbereiche des Weinguts sind aus klima-tischen Gründen unter der Erde angeordnet. Die An-

lieferung erfolgt oberirdisch an der höchsten Stelle der Struktur, so dass der Transport von Trauben und Most durch die Schwerkraftmöglich ist.Die Fassade aus wärmegedämmten Profilgläsern fügt sich tagsüber gut in die umgebende Rebenlandschaft ein, nachts wird sie zum weit sichtbaren Zeichen für das neue Weingut.

Außenperspektive

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Lageplan Grundriss EG50

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Schnitt C-C

Schnitt A-A

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Bodemuseum Lehrstuhl für Baukonstruktion 2 - Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Hartwig Schneider Lehr- und Forschungsgebiet Architekturtheorie - Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Axel Sowa Diplom WS 09/10 Mathias Loth

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Aufgabe des 7. Xella Studentenwettbewerbs ist der Entwurf eines Erweiterungsbaus für das Bode-Museum in Berlin. Es geht hier darum, den vielfältigen unter-schiedlichen Raumanforderungen hinsichtlich ihrer ei-gentlichen Funktions- und Nutzungsart einen ange-messenen Ort, eine angemessene Form und eine Un-abdingbarkeit im Gesamtgefüge zu geben. Der Ort, die Stadt und die Struktur, die zu entdecken sind, geben dieser Aufgabe das Besondere.

Es galt hier eine Struktur zu finden, die den Anforde-rungen nach Raum gerecht wird und zugleich auf das polygonale Grundstück gegenüber dem Bo demuseum eingeht. Basierend auf einem Raster aus gleichseitigen Dreiecken wurde eine Wabenstruktur entwickelt, die lediglich an zwei Stellen von den Grundstücksgren-zen abweicht. Die Ausstellungsebenen werden als

geschosshohe Wabenplatten ausgebildet und bilden das Tragwerk, das zwischen der Fassade und den Ker-nen über das offene Foyer und die Verwaltungsebene spannt. Dabei werden die Ausstellungsräume dezen-tral von dem offenen Foyer über drei Treppenräume erschlossen. Diese zwei- bis dreige schossigen Räume laden mit gezielten Ausblicken zum Verweilen ein und eignen sich auch zum Ausstellen großformatiger Kunst-objekte. Die Säle sind in tuitiv zu durchwandern und er-möglichen so sehr unterschiedliche Routen und Ausei-nandersetzungen mit der Kunst. Die Räume mit ihren unterschiedlichen Wandlängen und Winkeln erlauben der Kunst in Dialog zueinander zu treten, nehmen sich jedoch durch Einfachheit und Kontinuität des ungerich-teten Rasters zurück. Die Raumstruktur vermittelt so das Gefühl bis tief in das Gebäude und in die Kunst hi-nein einzutauchen.

Schnitt

Grundriss EG

Grundriss OG

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Hochkant am Alsterfleet Lehrstuhl für Wohnbau und Grundlagen des Entwerfens - Univ.-Prof. ir.Dipl.-Ing. Wim van den Bergh Lehrstuhl für Gebäudelehre und Grundlagen des Entwerfens - Univ.-Prof. Arch. Meinrad Morger Diplom SS 09 - EAP-Preis 2009 - Annerkennung Dietlind Schälte

Lageplan Grundrisskonzept Blick vom Steinhöft54

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Blick von der Slamatjenbrücke

„Darf an diesem Ort ein Hochhaus gebaut werden? Ist das Hochhaus ein Solitär oder Teil der Stadt? Und welche Vorteile bietet das Wohnen im Hochhaus?“ Mit diesen wichtigen Fragestellungen eröffnet Frau Schälte ihren Vortrag. Hochhäuser seien in Hamburg kein Stadtbild prägendes Thema. Aber der Ort be-gründe die Möglichkeit. Historisch betrachtet ist die Stadt der Binnenalster zugewandt, der Brückenschlag zur Hafencity noch nicht vollzogen. Insofern leistet ein Hochhaus an diesem Ort einen wichtigen Beitrag und wertet die Promenade entlang des Alsterfleet zur Elbe auf. Ein Hochhaus sei immer ein Solitär. Das von Frau Schälte entworfene Hochhaus fügt sich präzise in den städtebaulichen Kontext. Es reagiert sorgfältig auf Nah- und Fernbezüge. Es belässt im Kreuzungsbereich den Blick auf die historische Feuerwache. Es verarbeitet durch zwei Versprünge die städtebaulichen Maßstäbe. Es präsentiert sich mit einer wohltuenden Schlankheit zur Hafencity.

Der skulpturalen Architektur liegt ein strenges Ge-bäuderaster zugrunde: Orthogonal zur Uferkante

ausgerichtete Schotten nehmen im Zentrum den Ge-bäudekern und nach Norden und Süden wechsel-weise Zimmerpaare und Gemeinschaftsräume auf. Die Tragstrukutur wird im Kontext des Grundrisses beinahe unsichtbar. Immer gleiche Fensterformate sind mal bis zum Boden mit Blick in die Tiefe und mal mit Brüstung zum Hineinsetzen ausgeführt. Die Fenster werden von einer rot eingefärbten Betonfassade gefasst.

Frau Schälte begreift das verdichtete Wohnen über der Stadt als Chance für die Gemeinschaft. Die Grundrisse sind verblüffend einfach organisiert und subtil differen-ziert: Wie auf einem Schachbrett wechseln sich paar-weise zusammengefasste Schlafräume mit Küchen und Wohnräumen ab. Anstelle des einen großen Raums tritt je nach WG-Größe eine Vielzahl kleinerer Räume, die die Flurzonen erweitern und natürlich belichten. Frau Schälte macht sich hierbei die aus der Kubatur resultierenden unterschiedlichen Raumtiefen zunutze. Besonders bemerkenswert ist, dass sie es versteht diese Systematik geradezu spielerisch auf große wie kleine Wohneinheiten anzuwenden.

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FunktionsverteilungAnsichtLängsschnitt

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Grundriss Eingang Foyer Grundriss Wohnungen

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Wasserkraftwerk Chlus Lehrstuhl für Gebäudelehre und Grundlagen des Entwerfens Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Anne-Julchen Bernhardt Univ.-Prof. Arch. Meinrad Morger Diplom SS 09 - EAP-Preis 2009 - 1. Preis Auszeichnung: Helmut-Hentrich-Stiftung Luise Kister

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Wasserkraftwerke sind ein Teil unserer Kulturland-schaft. Durch ihre oft einmalige landschaftliche Lage kommt der Gestaltung der Kraftwerke ein besonderer Stellenwert zu. Vor allem die in den Gebirgen situierten Kraftwerke sind zudem oft Zentren des Tourismus. Im Spannungsfeld zwischen rationaler Technik und Natur gilt es, dem Erscheinungsbild der Kraftwerke Ausdruck zu verleihen.Wasserkraft ist derzeit die einzige erneuerbare Ener-giequelle, die einen wesentlichen Beitrag zur Gesamt-stromproduktion leistet. In der Schweiz tragen die Wasserkraftwerke etwa 60 % der Stromproduktion. Das schweizerische Bundesamt für Energie hat kürzlich eine Studie zum Ausbaupotenzial der Wasserkraft bis ins Jahr 2050 veröffentlicht. Demnach könnte bei op-timalen Bedingungen die Produktion um weitere 16 % wachsen. Die Topografie des Landes bietet dazu gün-stige Voraussetzungen. Die Rätia Energie Gruppe plant ein neues Wasserkraftwerk in der Talenge „Chlus“, Landquart, Schweiz.

Das Prättigau - das Tal zwischen Landquart und Klo-sters im Kanton Graubünden - ist ein von der Land-quart durchflossenes, 40 km langes, meist enges Tal. Man erreicht das Prättigau von Landquart her durch die beeindruckende Talenge „Chlus“. Im Tal sind be-reits drei Kraftwerksstufen vorhanden, die seit ca. 1920 betrieben werden: Klosters, das vom Davoser See ge-speist wird, Schlappin und Küblis. Die Rätia Energie sieht weiteres Potenzial durch eine Nutzung der Stufe Küblis-Landquart. Im Bereich der Talenge „Chlus“ soll eine neue Kraftwerkzentrale entstehen, die in Kaska-de mit der Zentrale Küblis betrieben werden soll. Da es sich um ein Speicherkraftwerk handeln wird, ist es aus technischer Sicht sinnvoll, die Zentrale am Fuße des südlichen Felsmassivs der „Chlus“ zu positionie-ren. Das weiter oben im Tal gesammelte Wasser wird durch einen im Fels angeordneten Druckstollen ins Tal geleitet, um dort am tiefsten Punkt direkt die Turbinen anzutreiben.

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Die Verfasserin entwickelt aus der Komposition von leeren und gefüllten Volumen einen kompakten, skulp-turalen Gesamtkörper, der sich zurückhaltend und dennoch präsent in der Landschaft positioniert. Der introvertierte Leerraum, der die Maschinengruppen aufnimmt, durchdringt in Form einiger weniger Öff-nungen das geschlossene Volumen, das die Räume für den Menschen und empfindliche Teile der Maschinerie beherbergt. Neben Belichtung, Belüftung und Erschlie-ßung ermöglichen diese Öffnungen dem Passanten reizvolle Einblicke in das Krafthaus. Die Massivität des in rohem Beton entworfenen Körpers stellt eine adä-quate Antwort auf die Kraft des Wassers dar. Das

Sichtbarmachen des Triebwassers im Gebäude spiegelt zum einen das energiespendende Element Wasser in-nerhalb des Krafthauses wieder und bildet zum ande-ren sinnliche Momente aus. Das einfache, intelligente und schlüssiges Konzept wird durch einen hervorragenden Grad der Durcharbeitung unterstrichen. Das Projekt besticht durch seine Eigen-ständigkeit und Poesie. Über die funktional und tech-nisch einwandfreie Umsetzung hinaus, hat die Ver-fasserin einen Ort mit außerordentlichen räumlichen Qualitäten und einer unverwechselbaren Atmosphäre geschaffen. Die Hervorragenden, perspektivischen Darstellungen verbildlichen dies.

Grundrisse

Rendering60

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Schnitte

DetailschnittRendering 61

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Dock in Magdeburg Leben an und mit der Elbe Lehrstuhl für Wohnbau und Grundlagen des Entwerfens Univ.-Prof. ir. Dipl.-Ing. Wim van den Bergh Xella Studentenwettbewerb 2008/2009 Dietlind Schälte, Philippe Frey

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Innovativer Wohnbau in MagdeburgDie Aufgabenstellung überrascht – auf den ersten Blick. Wird von der ostdeutschen Landeshauptstadt meist ein tristes Bild von Plattenbauten und Bevölkerungsrück-gang gezeichnet, so entsteht bei näherer Auseinander-setzung ein deutlich differenzierterer Eindruck. Anders als die Partnerstädte Magdeburgs bei der IBA 2010 ka-nalisiert sich der Rückgang der Bevölkerung weniger in der überregionalen Abwanderung sondern in Suburba-nisierung – also einer Bewegung in die Vororte. Hier knüpfen wir an. Die Hintergründe und Motivation dieser Suburbanisie-rung wurden eingehend analysiert. Die Qualitäten der Vororte sehen die Verfasser auf dem Wettbewerbs-grundstück erreicht, ja übertroffen: Neben einer Viel-zahl von Freizeitmöglichkeiten, der unmittelbaren Nähe zum Rotehornpark und den Elbauen, der guten Anbin-dung bei gleichzeitig ruhiger, „grüner“ Lage, kann vor

allem die schnelle Erreichbarkeit des Zentrums und der Hauptverkehrsachsen von Magdeburg als großer Plus-punkt des Gebietes angeführt werden. Durch Anbieten dieser Anzahl von Qualitäten und einem flexiblen, kin-derfreundlichen Wohnen soll versucht werden die Sub-urbanisierung „umzuleiten“.

OrdnungDurch die Einfassung des Grundstücks von zwei Strömen der Elbe orientiert es sich auf der Westseite klar zum Winterhafen mit Blick auf Altstadt und Dom und lässt sich durch die Vegetation auf der Ostseite der Verlauf der alten Elbe erahnen. Flankiert wird das Gebiet von einer Allee, die durch prägnanten Baumbe-stand dem Grundstück eine klare geometrische Linie zur Seite stellt. Diese Ordnung des Gebiets bildet den Rahmen für die vorgeschlagene Neuplanung.

Zwei TypologienAuf diese Parameter reagiert der Entwurf mit zwei Typologien. Als erstes ist ein „Quartier“ von Stadt-häusern zu nennen. Durch die Anordnung von vier länglichen Haustypen werden Räume in dem Quar-tier gebildet, die Funktionen des Zusammenlebens aufnehmen. Diese Plätze werden durch die gezielte Setzung von öffentlichen Funktionen, einer Kinder-tagesstätte und eines Cafés mit Anleger für ein Aus-flugsboot, ergänzt. Als wichtiges Kriterium bei der Pla-nung der Häuser wurden auf der einen Seite die klare Differenzierung von öffentlichen und privaten Flächen angesehen und auf der anderen Seite der Blick auf die Elbe in jedem Typ erreicht. Innenhöfe bieten Möglich-keit zum Rückzug, während auf den Dachterrassen der Blick auf das Wasser genossen werden kann.Als Pendant zur klaren geometrischen Form der Allee wird ein Riegel angeordnet, der über dem Quartier

Maisonette WohnzimmerPictogramme

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zu schweben scheint. Dieser wird über Laubengänge erschlossen, die eine öffentliche Kommunikationszo-ne bilden. Um die einzelnen Wohnungen abzugren-zen und eine individuelle Eingangsituation zu schaffen, werden Loggien als Eingangsbereiche angeboten. Der Gegenspieler der Eingangsloggia, der private Außen-raum befindet sich auf der Westseite des Riegels mit einem fantastischen Blick auf Elbe und die Altstadt von Magdeburg.

Schnitt Stadthäuser mit Ansicht Kita

Ansicht Allee

Schnitt Quartiersstraße und Ansicht Riegel

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Stadthaus Wohnhof

Blick vom Wasser Blick auf Quartiersplaty

Aus der Beurteilung der Jury Ein Riegel mit Durchwohnen, parallel am Fluss, quer auf der Brücke, rollt in einem Piktogramm einen Ra-senteppich aus. Im Entwurf dagegen wird ein Teppich von schmalen, tiefen Wohnhäusern mit Innenhöfen herausgearbeitet, wobei das Grün aufgegeben ist und das Grundstück durch seine Bewohnergruppe kolon-siert wird. Der Riegel und die Wohnungsreihe an der Elbe haben Stadtblick. So entsteht ein kleines städte-bauliches Ensemble, das Boot und Auto aufnimmt und in dem die gepflasterte Quartierstraße an einem inte-ressanten Punkt endet, wobei eine strikte Raumorgani-sation von Öffentlichkeit und Privatheit erzeugt wird. Der Funktionsablauf und die räumlichen Qualitäten der tiefen Wohnungen sind hervorragend, auch hinsicht-lich einer genauen und eleganten Architektursprache und Darstellung.

BauteilrecyclingFür den Neubau sehen die Verfasser den Einsatz des so genannten Bauteilrecyclings vor: Bauteile aus dem Rückbau von Großwohnsiedlungen werden als Ganzes in Neubauten eingesetzt. Bis zu 20 Jahre alte Bauteile von Plattenbauten können so einer erneuten Nutzung zugeführt werden und bilden die Basis des Neubaus. Dieses Verfahren spart nicht nur Geld, sondern auch große Massen an Bauschutt die beim Rückbau vor allem im Osten Deutschlands anstehen. In der Planung gilt es zunächst ein „Spendergebäude“ zu finden, welches sich möglichst nah zum Neubau befindet und dessen Demontage zeitnah stattfindet. Die verwendbaren Bauteile werden vor Ort zerlegt und auf die Baustelle des Neubaus transportiert. Eine Anpassung erfolgt le-diglich bei der Länge und Breite der Bauteile – Fenster- und Türöffnungen werden später eingefügt.

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Neues Bauhaus Museum WeimarLehr- und Forschungsgebiet für Bauplanung und Baurealisierung - Univ.Prof. Dipl.-Ing. Sabine Brück Lehrstuhl für Kunstgeschichte - Univ.-Prof. Dr. phil. Alexander MarkschiesDiplom SS 09 Dörthe Weigelt

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Page 67: Serie A - Jahresbericht 2010 1.1 der Fakultät für Architektur, RWTH Aachen

Weimar ist ein historischer Ort, den sich der Besucher

im Stadtschloss erschließen kann. Die Früchte aus dem

»Kosmos Weimar« kann nur ziehen, wem die Ver-

knüpfung der Geschichte mit der Gegenwart gelingt.

In der Weimarer Museumslandschaft ist dies vorrangig

die Aufgabe des neuen Bauhaus-Museums.

Weimar besitzt eine einzigartige, wenn auch nicht um-

fassende Sammlung zur Vorgeschichte, der Geschichte

und Nachwirkung des Staatlichen Bauhauses, das hier

1919 gegründet wurde. Nach der im Bauhaus-Archiv

Berlin ist sie die nach Umfang und Qualität bedeu-

tendste weltweit. Den Grundstock bilden die etwa 150

Werkstattarbeiten, die 1925 von Walter Gropius in Abendperspektive 67

Page 68: Serie A - Jahresbericht 2010 1.1 der Fakultät für Architektur, RWTH Aachen

Ansichten

Schnitte

68

Page 69: Serie A - Jahresbericht 2010 1.1 der Fakultät für Architektur, RWTH Aachen

Weimar zurückgelassen wurden. Wichtige Werkgrup-

pen einzelner Meister — so vor allem Lyonel Feininger

— und Schüler — u. a. Peter Keler, Karl Peter Röhl, An-

dor Weininger und Walter Determann — ergänzen sie.

Wichtige Bestände befinden sich darüber hinaus in der

Bauhaus-Universität Weimar/Archiv der Moderne und

im Thüringischen Hauptstaatsarchiv. Diese Sammlung

bildet den Kern der musealen Präsentation. Ein zweiter

Schwerpunkt des Bauhaus-Museums ist der Ableitung

der Bauhaus-Ideale aus der Geschichte des funktio-

nalen Designs, die ihre Anfänge in der klassischen Peri-

ode hat, gewidmet. Schließlich ist drittens ein Wechsel-

ausstellungsbereich von entscheidender Bedeutung.

Innenperspektive 69

Page 70: Serie A - Jahresbericht 2010 1.1 der Fakultät für Architektur, RWTH Aachen

Ein neues Museum für die alten MeisterLehr- und Forschungsgebiet für Bauplanung und Baurealisierung - Univ.Prof. Dipl.-Ing. Sabine Brück Lehrstuhl für Kunstgeschichte - Univ.-Prof. Dr. phil. Alexander MarkschiesDiplom WS 09/10 Rostislav Komitov

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Page 71: Serie A - Jahresbericht 2010 1.1 der Fakultät für Architektur, RWTH Aachen

Von der „Podesthaftigkeit“ der Architektur und der

„Heiligkeit“ der Kunst

Lange beobachte ich die immer stärker werdende

Tendenz, bei welcher die museale Architektur immer

stärker und konsequenter die Wege der absoluten

Gleichgültigkeit geht. Diese Gleichgültigkeit ist haupt-

sächlich so zu verstehen, dass die Beziehung zwischen

Raum und Kunstwerk ihre Sensibilität ständig verliert.

Die Architektur zieht sich immer mehr im Hintergrund,

der Raum versteckt sich, um der Kunst mehr Platz zu

schaffen. Diese beinahe übertriebene Heiligsprechung

der Kunst zeigt sich nicht nur bei dem Kunstwahn un-

serer Gesellschaft, sondern auch in jeglichen architek-

tonischen Lösungen, welche den goldenen Schleier der

Kunst immer stärker ausformulieren. Man könnte fast

von einer „Podesthaftigkeit“ der Architektur sprechen.

Eine Architektur, die es nicht schafft oder nicht will, Di-

aloge zu schaffen, Geschichten zu erzählen.

Die Architektur steht nicht mehr im Zusammenhang

mit dem Kunstwerk (wie z.B. dies zur Zeit der Gotik,

der Renaissance, des Barocks der Fall war). Der Raum

bleibt im Schatten der Kunst, er passt sich an dem Aus-

gestellten an, ohne Ansprüche auf eine Lebhaftigkeit

und gewisse Eigenständigkeit zu stellen. Es wird viel zu

leicht vergessen, dass Kunst ein Teil des Raumes und

der Raum ein Teil der Kunst ist. Man könnte sogar be-

haupten, dass beide ohneeinander nicht funktionieren

würden.

Diese Betrachtungen waren entscheidend für die Kon-

zeption dieses Entwurfes. Dies ist ein Experiment, bei

dem versucht wurde, sich von jeglichen ästhetischen

Gesetzlichkeiten zu lösen, um ein Gebäude zu scha-

fen, das aus Dialogen, Kontrasten, Überraschungen,

Konsequenzen, und Inszenierungen besteht. Versucht

wurde, die Kunst und die Architektur als ein Ganzes,

Untrennbares zu zeigen.

Maßgebend für die Konzipierung der funktionalen Hülle

des neuen Museums für alte Meister, war der Umgang

mit der Umgebung. Bei der Gestaltung des Gebäudes

gab es vier Kriterien, die entscheidend waren:

Die drei Puntkte: der festgelegte Platz des neuen

Einganges, die Blickbeziehung und Verbindung zum

Bode- Museum und die Führung zum Pergamon- Mu-

seum (und die restliche Museumsinsel).

Die Linie: diese wird von der Bahntrasse dargestellt, die

das Grundstück sehr stark prägt. Die tragende Struktur

der Bahnstrecke besteht aus Wölbungen, welche zur

Zeit hauptsächlich als Lagerflächen verwendet wer-

den.

Das Gebäude macht einen Sprung zwischen Funktiona-

lität und Symbolik, indem beide Gegensätze zu einem

Ganzen verschmolzen sind. So ist die symbolische Ge-

bäudegestaltung ohne die funktionale Ausarbeitung

(und umgekehrt) nicht denkbar.

Der Entwurf ist wie eine theatralische Inszenierung,

sowohl außen, als auch innen. Man wird durch das

Gebäude geführt, der Besucher tanzt unbewusst die Blick vom Bodemuseum

Haupteingang

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Page 72: Serie A - Jahresbericht 2010 1.1 der Fakultät für Architektur, RWTH Aachen

Choreographie der Architektur. Schwellen, Treppen,

Lichtakzente dienen dazu, aus dem Gebäude ein

Bühnenbild der Gegenwart zu schaffen.

Außen tritt das Gebäude zurück, um vor der Bahntrasse

einen Platz zu schaffen, welcher seinerseits die Verbin-

dung des Gebäudes zu dem Pergamon- Museum dar-

stellt. Auf der Seite, welche zum Bode- Museum führt,

bildet sich einen Trichter, der einen ständigen Dialog

zwischen den Gebäuden schafft.

Durch die systematische, konzeptionelle Ausarbeitung

der Umrisskanten bildet sich auch die funktionale Glie-

derung des Museums: es wird in drei Flügel unterteilt,

welche unterschiedliche Nutzungen aufweisen.

Der Hauptflügel (der Mittelflügel) ist der einzige

Gebäudeteil, der im Kontakt mit dem Boden steht.

Die restlichen zwei „schweben“ in der Luft. Durch

das Einsetzen eines gewaltigen mit Bronze bekleideten

Eingangselementes (durch eine perspektivische Verzer-

rung verstärkt) und durch das „Schweben“ der beiden

anderen Flügel wird erreicht, dass der Besucher das

gesamte Gebäudekomplex als ein „Tor“ wahrnimmt:

der neue Eingang zur Museumsinsel.

Im Inneren des Gebäudes gibt es zwei Welten,

deren Bezüge zueinander sich ständig ändern: Die

Welt der Kunst und die Welt der Architektur, welche

durch Übergangsräume (Raumschwellen, die ebenso

mit Bronze verkleidet) miteinander verbunden sind.

Die Architekturwelt weist eine große Vielfältigkeit

auf, welche durch unterschiedliche Inszenierungen,

Lichtführungen, Raumoberflächen, Akustik etc erreicht

wird. Die Trennung beider Welten ist fast überall durch-

gängig. Ausnahme machen die Zwischengeschosse,

auch Metaebenen genannet, welche man durch „ver-

steckte“ Treppen erreichen kann. Die Metallenen sind

auch die einzigen Ruhebereiche in dem Museum. Von

da aus kann man in die Ausstellungsbereiche runter-

blicken. Auf dieser Weise gelingt es dem Besucher,

den Raum und die in dem Raum ausgestellten Kunst-

werke als ein ganzes zu betrachten. Somit wird dieses

Ganze zum Kunstwerk. Solche Durchblicke in anderen

Ebenen sind überall zu finden. Dies ist dafür wichtig,

damit man das gesamte Museum mit all seinen Einzel-

heiten als ein Erlebnis wahrnimmt und nicht nur die in

dem Gebäude ausgestellten Meisterwerke. Grundriss 1.OG

Grundriss 1.EG

Schnitt B-BSchnitt A-A72

Page 73: Serie A - Jahresbericht 2010 1.1 der Fakultät für Architektur, RWTH Aachen

Grundriss 3.OG

Grundriss 2.OG

Fassadenschnitt

Schnitt D-DSchnitt C-CSchnitt B-B 73

Page 74: Serie A - Jahresbericht 2010 1.1 der Fakultät für Architektur, RWTH Aachen

Q1_RWTH Campus WestQuartierskonzept für Wohnen und VersorgungLehrstuhl für Planungstheorie und Stadtentwicklung - Univ.-Prof. Dr.-Ing. Klaus Selle Lehrstuhl für Städtebau und Landesplanung - Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Kunibert WachtenDiplom WS 09/10 Helena Gerhard

Gestaltungsplan74

Page 75: Serie A - Jahresbericht 2010 1.1 der Fakultät für Architektur, RWTH Aachen

Auf dem Gelände des ehemaligen Rangier- und Güterbahnhofes Aachen-West soll nach dem Willen von Stadt und RWTH in den nächsten Jahren Europas größter Campus entstehen. Auf dem rund 200.000 Quadratmeter großen Gelände entlang der Bahnstre-cke vom Westbahnhof in Richtung Laurensberg sollen Unternehmen und Forschungsinstitute in Clustern zu-sammengefasst werden.Die RWTH rechnet mit über 5.000 neuen Arbeitsplät-zen – dies bedeutet auch einen erheblichen Bevölke-

Perspektive Campus-TerrassenPerspektive Innenhof

rungszuwachs. Daher soll neben Büros, Forschungsein-richtungen und Produktionsanlagen auch attraktiver Wohnraum mit der erforderlichen sozialen und tech-nischen Infrastruktur geschaffen werden.Die Entwurfsaufgabe richtet den Fokus auf eine poten-tielle Wohnnutzung auf dem RWTH Campus West, das heißt die Entwicklung eines Quartiers – Q1 für Woh-nen und Versorgung. Bei der Konzeptentwicklung ste-hen drei Fragen im Vordergrund:-Wie kann eine städtebaulich verträgliche Einbindung

des neuen Campus-Quartiers in die vorhandenen Wohn-, Gewerbe- und Freiraumstrukturen des umlie-genden Stadtgebietes gelingen?-Welche nachfrageorientierten „urbanen Wohntypo-logien“, jenseits vom Eigenheim und dem Stadthaus, lassen sich in welchem Mix auf dem „Campusgelände“ realisieren? Welche ergänzenden Funktionen können die Attraktivität des neuen Quartiers stärken?-Welche ergänzenden Funktionen können die Attrakti-vität des neuen Quartiers stärken?

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Page 76: Serie A - Jahresbericht 2010 1.1 der Fakultät für Architektur, RWTH Aachen

MoscheeLehrstuhl für Städtebau und Landesplanung - Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Kunibert Wachten Lehr- und Forschungsgebiet Denkmalpflege - Univ.-Prof. Dr.-Ing. Christian RaabeDiplom WS 09/10 - Walter-Henn-Förderpreis 2010 - Beste AbschlussarbeitKalliopi Ousoun-Andreou, Stanimir Zhelyazkov

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Page 77: Serie A - Jahresbericht 2010 1.1 der Fakultät für Architektur, RWTH Aachen

Schnitt D-D

Grundriss UG Grundriss EG

Nach einer intensiven Auseinandersetzung mit Ort und

Nutzeranforderungen des islamischen Zentrums, rea-

gieren die beiden Verfasser auf die Aufgabenstellung

mit einer Erweiterung der bestehende Bilal- Mo-schee

und einer Neuanlage eines großzügigen Innenhofs mit

umliegenden Bauköpern, die die gesamte Anlage nun

städtebaulich schlüssig an die Professor-Pirlet-Str. an-

bindet. Der Entwurf begreift die starke Topographie

des Geländes als Chance, um große Teile der Baumas-

se der Bildungseinrichtungen des islamischen Zentrums

in Hanglage einzugraben und somit scheinbar zurück

treten zulassen. Dadurch hebt sich der Baukörper der

neuen Moschee als Solitärbau besonders hervor. Der

vierseitig umschlossene In-nenhof liegt auf der tieferen

Ebene und spannt zwischen den einzelnen Gebäuden

aber auch auf beiden Ebenen der Anlage einen span-

nungsreichen und vielseitig nutzbaren Außenraum

auf. 77

Page 78: Serie A - Jahresbericht 2010 1.1 der Fakultät für Architektur, RWTH Aachen

Perspektive

Bei der baulichen Vergrößerung der Moschee wählen

die Verfasser den Begriff der ,,fugenlosen Erweite-

rung’’ der Moschee, bei der charakteristische Bauele-

mente der bestehenden Moschee, wie das Minarett,

die geschlossene Betonfassade, Geschosshöhen und

Kubatur des Bestandes aufgenommen und in das neue

Gebäude integriert werden. Diese Form der Erweite-

rung der Moschee stützen sie auf eine umfas-sende

Recherche von Erweiterungen bekannter Moscheen

weltweit und greifen eine der traditionellen Erweite-

rungsformen auf.

Als sehr gut gelungen ist der sensible Umgang mit

unterschiedlichen räumlichen Qualitäten und gewähl-

ten Nutzungen im Zusammenspiel von Bestand und

Neubau zu sehen. Unterschiedliche Geschosshöhen,

ein gezieltes Belichtungskonzept und unterschiedliche

Raumproportionen schaffen ein beeindruckendes

Raumerlebnis im Innenraum durch eine bewusste

Neuinterpretation der Räumlichkeiten für rituelle Nut-

zungen.

Die schlüssige und souveräne Präsentation des Ent-

wurfes unterstützte die gute grafische Darstellung der

Arbeit. Diese Arbeit stellt eine sehr gute Betrachtung

der Problematik aus planerischer Sicht dar und ist in

allen Teilen des Diploms, der Analyse, der Kriterien-

bildung, der Entscheidungsfindung und planerischen

Umsetzung von überdurchschnittlicher Qualität.

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Page 79: Serie A - Jahresbericht 2010 1.1 der Fakultät für Architektur, RWTH Aachen

Ansicht Nord

Ansicht Ost 79

Page 80: Serie A - Jahresbericht 2010 1.1 der Fakultät für Architektur, RWTH Aachen

Oman Dive Center Lehrstuhl für Städtebau und Landesplanung - Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Kunibert Wachten Lehr- und Forschungsgebiet Stadtbaugeschichte - Univ.-Prof. Dr.-Ing. Michael Jansen Diplom SS 09 Catherine Thoma und Philipp Reimann

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Page 81: Serie A - Jahresbericht 2010 1.1 der Fakultät für Architektur, RWTH Aachen

Baustrukturplan

Rendering Tower 05

Das Sultanat Oman befindet sich im Südosten der

Arabischen Halbinsel. Es ist eine Monarchie mit etwa

drei Millionen Einwohnern, die seit den 1970er Jahren

aufgrund der Erdölförderung eine rasante Entwicklung

durchlaufen hat. Anders als die Arabischen Emirate

verfügt das Land über eine mehrtausendjährige Sied-

lungstradition eines klassischen Handelsstaats durch

Seefahrt und Karawanen. Mit der Entwicklung der letz-

ten Jahrzehnte verschwindet nach und nach die traditi-

onelle Lebensform in Klein- und Mittelstädten, die mit

einer Aufgabe der alten Siedlungen einhergeht.

Die Lage des Oman Dive Center befindet sich an ei-

ner ruhigen und idyllischen Bucht ca. 15 km entfernt

vom lebendigen Hafen in Muttrah. Es hat für den tou-

ristisch erschlossenen Oman als eines der bekanntesten

Tauchcenter eine lange Tradition und hohe Bedeutung

für die Tourismusbranche.

Die felsigen Landmassen, die die Bucht umgeben, bie-

ten vielfältige Möglichkeiten für spannende Ausblicke

und laden ebenso wie die ruhige Wasseroberfläche zur

Entwicklung neuer Ideen für ein internationales Quar-

tier ein.

Eine verkehrliche Anbindung ins Umland und nach

Muttrah und Muscat besteht bereits, die Erschließung

des Standortes selbst muss jedoch entwickelt werden.

In seiner sehr provisorischen Gestalt wird es jedoch

mittlerweile bedrängt von verschiedenen hochwertigen

Hotelplanungen in unmittelbarer Umgebung. Die Nut-

zung des Tauch- und sportiven aquatischen Zentrums

soll beibehalten, aber in anderer Form in die Gesamt-

planung integiert werden (Unterwassertauchschule,

schwimmendes Center etc.)

Wichtige Ziele der städtebaulichen Planung sind:

• Schaffung einer spannenden Nutzungsmischung der

internationalen Begegnung,

des kulturellen Austausches, Freizeit und wasserbezo-

genen sportlichen Nutzungen,

verschiedenen Formen des temporären und dauer-

haften Wohnens und Infrastruktur

• Nutzung der Potentiale von Wasser und Land (am-

phibische Nutzungskonzepte und

Gebäudeformen)

• Ausschöpfung des energetischen Potentials des Was-

sers

Insgesamt gilt es, zeitgemäße, an Kultur, Klima und

Naturraum angepaßte omanische Siedlungsmuster

zu entwerfen, die traditionelle Vorbilder omanischer

Landschaftsgestaltung integrieren lassen.81

Page 82: Serie A - Jahresbericht 2010 1.1 der Fakultät für Architektur, RWTH Aachen

Perspektive Shuttleboot

Ausschnitt Quartier - Grundriss

Apartmentetage Apartmentetage 2 Wohnen Büro Werkstatt OTEC -Versuchsanlage Dock

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Page 83: Serie A - Jahresbericht 2010 1.1 der Fakultät für Architektur, RWTH Aachen

Perspektive Shuttleboot

Sicht von einem Boot bei der Einfahrt in die Bucht

Sicht vom Heliport des Tower 06 auf das Quartier

Die Diplomarbeit stützt sich in der Konzeptentwicklung auf eine äußerst fundierte Auseinandersetzung mit dem Ort des Oman Dive Centers sowie auf eine eigens entwickelte Programmatik für das International Quar-ter. Zentraler Impulsgeber für die neue Siedlung soll das Oman Sea Research Center sein, ein Forschungs-institut für Meeresbiologie und aquatische Technolo-gien, das sowohl baulich-räumliche als auch funktio-nale Faktoren definiert, die in einem technisch orien-tierten Städtebau-Architektur-Konzept resultieren. Aus dem Forschungsthema ergibt sich für die Bear-beiter die Idee einer aquatischen Siedlung, die langfri-stig energetisch autark funktionieren soll. Stadträum-lich spannen sie einen Bogen von einem Strandquartier im Westen der Bucht über drei aquatische Quartiere auf Plattformen zu zwei Forschungstürmen im Meer, wobei jedes Quartier ebenfalls über einen zentralen Turm verfügt. Während die beiden Forschungstürme technoide Strukturen darstellen, die ausschließlich vom Oman Sea Research Center genutzt werden, bilden die Quartierstürme jeweils zentrale Orte mit öffentlichen wie auch Wohnnutzungen der ansonsten aus Hofhäu-sern bestehenden Siedlungsräume. Sie sind entlang einer Promenade angeordnet, die alle vier Quartiere oberir-disch erschließt. Hierzu parallel verlaufen unter-irdisch ein Mobilitätssystem der ansonsten autofreien Sied-lung – mit ihren Parkhäusern im Osten und We-sten der Bucht – und alle Energieversorgungsstränge, die alle sechs Türme miteinander verbinden. Ergänzt werden die Quartiere von solitären Wohnbauten ent-lang der Südhänge der Bucht. Nicht nur die sehr inten-sive Programmfindung und die kreative städtebauliche Idee, sondern auch die enorm tiefe Durcharbeitung von technischen wie auch strategischen Details über-zeugen, so dass die Arbeit die in der Aufgabenstellung formulierten Anforderungen in allen Teilen erfüllt bzw. über sie hinausgeht und damit einen sehr guten Bei-trag darstellt. 83

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Max Dankward Riemenschneider INTERVENTIONEN an der Porte de Paris in St. Denis RWTH Aachen, Fakultät Architektur (Univ.-Prof. Anne Julchen Bernhardt, Univ.-Prof. Axel Sowa) Riemenschneider reanimiert einen vom Verkehr umtosten Knotenpunkt in St. Denis bei Paris. Auf dem Grundriss eines historischen Kreisverkehrs entwickelt er ein zylindrisches Gebäude, das in moderner Sprache an die Revolutionsarchitektur von Etienne Boullée anknüpft und den Ort mit einem radikalen Bauwerk neu definiert. Als Referenz an den Bestattungsort vieler fran-zösischer Könige, die benachbarte Kathedrale, schlägt er ein riesiges Kolumbarium vor, in dem computergesteuert deponierte Urnen den Raum definieren und das Licht regulieren. Diese Grundidee wird konsequent umgesetzt und auf höchstem Niveau weiterentwickelt. Innerhalb des Gebäudes ergeben sich inszenierte Wegeführungen und inhaltlich entwickelte Raumfol-gen die unseren Umgang mit den Toten völlig neu interpretieren. Dies gibt reichlich Anlass zur inhaltlichen Diskussion, unbestritten bleibt die hohe Qualität von Entwurf und Darstellung.

Interventionen an der Port de ParisLehr- und Forschungsgebiet Architekturtheorie - Univ.-Prof. Dipl. Ing. Axel SowaLehrstuhl für Gebäudelehre und Grundlagen des Entwerfens - Univ.-Prof. Arch. Meinrad Morger, Univ.-Prof. Dipl. Ing. Anne-Julchen BernhardtBachelorarbeit SS 09 - Studienpreis „BDA Masters 2009“Max Riemenschneider

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Page 85: Serie A - Jahresbericht 2010 1.1 der Fakultät für Architektur, RWTH Aachen

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Friedhof

Innere Wand 11168 Urnenfächer zum Innenraum mit tranzluzenter Polycarbonat Fassade

RundgangDurchwegung durch die Urnenwand

Übergang/Zeremonie

Treppenhügel„Schreiten“ in das Geistliche; Treppe schmiegt sich der Decke zunehmend an -> „Trancezustand“Verabschiedungshalle„schwebend“ zwischen „Leben und Tod“

Krematorium

FunktionsringAufbahrungshalle, Personalräume, Verwaltung

Ofen/ GitterostebeneKern des Krematorium; Hebebühne zu Katafalk in Verabschiedungshalle

Äußere Wand15925 Urnenfächer Außenfassade bestehend aus Platten in Urnenfachgröße in matter Stahloptik die als Gesamtarrangement eine homogen erscheinende Oberfläche ausbilden

Andachtsringdurch Oberlichter heller Flur mit 26 Andachtsräumen

1. Obergeschoss

Kellergeschoss Erdgeschoss

2. Obergeschoss 87

Page 88: Serie A - Jahresbericht 2010 1.1 der Fakultät für Architektur, RWTH Aachen

Intervention an der Porte de Paris Lehrstuhl für Gebäudelehre und Grundlagen des Entwerfens - Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Anne-Julchen Bernhardt Lehrstuhl für Architekturtheorie - Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Axel Sowa Bachelorarbeit SS 09 - Auszeichnung Helmut-Hentrich-Stiftung Leonard Wertgen

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Page 89: Serie A - Jahresbericht 2010 1.1 der Fakultät für Architektur, RWTH Aachen

6 Dichter Bewuchs über dem Ausgang der Metrostation schafft einen Ausstieg im Wald. Das Aufsteigen aus dem Untergrund wird zu einem erhabenen Erlebnis. Man taucht auf in einer völlig anderen Welt. Exotische Pflanzen verleihen dem Raum eine ursprüngliche Natürlichkeit.

5 Die Ziege ist ein Tier und damit ein starkes Symbol von Natürlichkeit. Sie ist ein Nutztier des Menschen, hier aber nutzlos. Sie irritiert den Auto-fahrer oder vorbeigehenden Fußgänger. War das gerade eine Ziege?

10 Hohe Bäume ragen zu beiden Seiten über die Autobahn und bilden so eine Torsituation des Parks aus. Der knochige Gestus der Schwarzkiefer, Pinus nigra, weckt Assoziationen eines fernen märchenhaften Ortes.

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Ausstieg im Wald ZiegeninselWaldtor

Mensch und MenschWo lebt der Mensch? Der nomadisch lebende Mensch der Steinzeit bewegte sich in größter Freiheit auf die-sem Planeten. Er folgte lediglich den Regeln der Natur: den Jahreszeiten, dem Wandern der Tiere. Mit dem Beginn der Sesshaftigkeit des Menschen entstanden erste Siedlungen. Aus diesen Siedlungen erwuchsen Städte. Heute lebt etwa die Hälfte der Menschheit in städtischen Strukturen. In ihr stehen der Mensch und sein Handeln ständig im Kontext des Nächsten. Der Raum den Mensch und Mensch sich teilen ist der öf-fentliche Raum. In der europäischen Stadt definieren

ausgesprochene und still vereinbarte Regeln das ge-meinsame Nutzen dieses Raumes.Die Freiheit des Nomadenlebens ist einer leistungsfä-higen Zivilisation gewichen, die Sehnsucht danach ist möglicherweise geblieben.

ToposGierig hat die Ausbreitung des Menschen die Land-schaft verschlungen. Das Verlangen nach Mobilität, das Streben nach Effizienz und die technische Mög-lichkeit der Umsetzung haben im letzten Jahrhundert große überregionale Verkehrswege entstehen lassen.

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Fontäne

2 Eine zwanzig Meter hohe Fontäne wird dem Stadtpanorama am Wen-debecken des Kanals hinzugefügt.

Bunte Wiese

3 Blumen, Löwenzahn und Mohn, verschiedener Farben wachsen durch-einander. Durch die wilde und bunte Wiese entsteht ein Moment der Sommeridylle.

Gefangenes Floß

4 Der Steg ist als Floß konstruiert. Die Struktur besteht aus Euro-Paletten welche über Drahtseile mit Industriekanistern verbunden sind. Das Floß wird an den vorhandenen Pollern festgemacht und bildet so einen Steg für sommerliche Nutzung. Der Steg wird von der Gruppierung Maltour-neé die sich für die Erhaltung der Brachflächen am Wendebecken des Ka-nals einsetzt aufgebaut, gemeinsam mit weiteren Freiwilligen, wie etwa den Bewohnern des Parks.

Haus am Waldrand aus „Aneignungen an der Porte de Paris“.(L. Wertgen und M. Helten)

Sie durchschneiden die Landschaftsräume und verbin-den kurzfristig Menschen miteinander.An der Porte de Paris treffen verschiedene Verkehrssy-steme aufeinander: der Automobilverkehr, der Schiff-verkehr, der Zugverkehr und der Fußgängerverkehr. Zwischen den floral erscheinenden Geometrien des Verkehrsknoten, den idealen Radien der Straßen, ist eine neue Art des Raumes entstanden. Diese Resträu-me des Verkehrs sind grüne Inseln der Freiheit in ei-ner gebauten Stadt wie Paris. Sie sind getrennt von der Stadt durch die reißenden Ströme des Verkehrs.

ZufluchtIn welchem Maße ist eine Stadt definiert? Der öffent-liche Raum ist vielerorts in seiner Nutzbarkeit streng vordefiniert.Auf der Wiesenfläche am Wendebecken des Kanals ist es möglich zu Zelten und zu Grillen. Ein Fußballplatz lockt täglich Jugendliche aus Saint Denis an. Der Kanal wird auf vielfältige Weise genutzt. Liebespärchen sit-zen am Kanal und schauen in die Weite des Flusslaufs. Angler warten mit einer Flasche Wein darauf, dass ihr Abendessen anbeißt. Und für manche ist das Wasser sogar Lebensmittelpunkt. Sie leben am und vom Kanal,

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Page 91: Serie A - Jahresbericht 2010 1.1 der Fakultät für Architektur, RWTH Aachen

Belvedere - Und plötzlich dieser Überblick

8 Was glänzt dort in der Ferne, in der Höhe? Das Belvedere befriedigt die Neugierde des Menschen, der unter der Autobahnbrücke entlang geht und sich fragt wie das Gebiet von oben aussieht. Die Spindeltreppe mit ihren hohen Wangen verbietet Zwischenausblicke. Sobald die Platt-form erreicht ist eröffnet sich ein Überlick über den anderen Park – und die Gesamtheit der Eingriffe.

Texturen des Ortes (von links): brachliegendes Gras, Löwenzahl, Huf-lattich, Schafgarbe

7 Der Spontanbewuchs der Brachflächen wird verdichtet an der Spitze der Dreiecksfläche durch minimale Bodenaufschüttung angepflanzt und so ausgestellt. Die Bepflanzung wird durch Sedumarten und unempfind-liche Gräser ergänzt. Es entsteht ein vielfältiger Bewuchs in Textur und Höhe.

Schönes Unkraut Café mit Gemüsegarten und Lavendelfeld

9 Das Café ermöglicht dem eiligen Pendler einen Kaffee zum Mitneh-men und dem Verweilenden intime Sitzmöglichkeiten mit Blick auf die Landschaft des Parks und den Kanal. Der landschaftsarchitektonisch klar gestaltete Uferbereich erhält als Übergang zur Wildnis des Verkehrskno-ten in Feldern kultivierte Natur.

waschen sich und ihre Kleider dort. So leben im Umfeld der Porte de Paris illegal etwa fünfzehn Menschen. Bei Ihnen handelt sich um Einwanderer, Sinti und Roma, sans-papier und andere die ihre Rolle in der Gesell-schaft verloren haben oder nie hatten. Ihre Aneignungen der Verkehrsbauwerke, Schächte und Vegetation zu Wohnsituationen bilden eine analy-tische Sammlung in Form von Zeichnungen, Photogra-phien und Beschreibungen. Das Nebeneinander und Miteinander der Spaziergän-ger, Sportler, Pendler, Stadionbesucher und Aneigner verlangt einen urbanen Raum, den anderen Park.

Der andere ParkDie Porte de Paris ist ein Ort maximaler Öffentlichkeit, fernab von gewohnter geregelter Öffentlichkeit. Dem Raum ist keine klare Nutzung zugewiesen, er ist frei, offen und heterogen.Das Vorhandene und meine Eingriffe bilden zusammen den anderen Park. Um die Offenheit des Areals zu er-halten sind die Eingriffe gering. Sie schaffen Momente der Irritation. Sie stellen den Gegensatz von Stadt und Landschaft zur Schau und markieren so dieses parkar-tige Gefüge als einmalig im Kontext der Stadt Paris.Die Eingriffe schaffen besondere Momente, indem sie

den Raum atmosphärisch umdeuten:Die raue Stimmung der Brache wird durch idyllische Momente gebrochen. Dabei spielen Motive arka-discher Landschaften und englischer Landschaftsgär-ten eine Rolle. Die Nutzung des Ortes wird in ihrer Vielfalt nicht ein-geschränkt, sondern durch programmatische und at-mosphärische Eingriffe intensiviert. Der Passant wird verleitet, den Ort und seine Qualitäten zu sehen. Der Ort wird Brache und Idylle zugleich.

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Interventionen an der Port de Paris Lehr- und Forschungsgebiet Architekturtheorie - Univ.-Prof. Dipl. Ing. Axel Sowa Lehrstuhl für Gebäudelehre und Grundlagen des Entwerfens - Univ.-Prof. Arch. Meinrad Morger, Univ.-Prof. Dipl. Ing. Anne-Julchen Bernhardt Lehrstuhl für Wohnabu und Grundlagen des Entwerfens - Univ.-Prof. ir. Wim van den Bergh Bachelorarbeit SS 09 Niklas Fanelsa

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Thema der Bachelorarbeit war eine Intervention auf dem Gelände der Porte de Paris. In einem heterogenen Gemenge von Infrastrukturen, Zwischenräumen und Fragmenten am Rande der Metropole Paris sollte ein Eingriff vorgenommen werden. Art und Umfang war dem Bearbeiter dabei freigestellt – ein selbstgewählter Ansatz unter der Berücksichtigung der ortsspezifischen Themen sollte gefunden werden.In einem einwöchigen Workshop vor Ort sollten mit einer „Erfinderischen Analyse“ der Ort untersucht und entdeckt werden. Aus diesem ersten Schritt sollte eine sich ein Manifest entwickeln, dass das spätere Vorge-hen begründet und verankert.Ein klassisches Hotel besteht aus einer großen Anzahl unterschiedlicher Funktionen, die meist in einem hybri-den Baukörper zusammengefasst werden.Ein großes Bauvolumen würde die Vielschichtigkeit und Individualität der einzelnen Orte der Port de Pa-ris zerstören und negieren. Ein einziges Volumen kann daher nicht auf die Gegebenheiten und Anforderungen antworten. Auch sind viele Funktionen, die ein klassi-sches Hotel beherbergte obsolet geworden – die Zeit der großen Bälle und Raucherclubs ist vorbei. Der Entwurf eines spezifischen Hotels, bestehend aus unterschiedlichen Einheiten, bildet den Grundgedan-ken der Hotelfragmente. Das breite Nutzungsgefüge des Hotels wird aufgespalten und am Ort neu verar-beitet. Die einzelnen Einheiten können dabei viel prä-ziser auf den Ort und die jeweiligen Anforderungen eingehen. Die einzelnen Nutzungen verteilen sich über die gesamte Port de Paris und schließen bestehende Wohnnutzungen, wie die Aneigner mit in das Konzept ein. Die Wohneinheiten können bestehende Systeme zur Akupunktur nutzen. Dabei können bauliche und infrastrukturelle Vorteile genutzt werden.Die kontemporären Anforderungen eines Hotels wer-den in den Entwurf mit eingewoben. Minimales Per-

sonal kann die einzelnen Einheiten überwachen und warten. Die Reservierung erfolgt im Vorfeld über In-ternet, oder vor Ort an einem Automaten. Frühstücks-sacks und Getränke können auch automatisch bezogen werden. Bei mehr Bedürfnis nach sozialer Interaktion können die schon lokal vorhandenen Infrastrukturen, wie Shopping Mall oder Döner Bude genutzt werden.Das fragmentarische Hotel wird universales Instrument beim temporären Verweilen auf der Porte de Paris.Der Basisturm bildet den Kern und die Zentrale des Ho-tels. Jede autonome Subeinheit geht mit der Basis eine Verbindung ein. Hotelbenutzer die kein Zimmer benö-tigen, können einen Dusch-O-Mat benutzten, oder ei-nen Snack kaufen. Direkt neben dem Eingang befindet sich ein Automat zur Buchung eines Zimmers.Das Love Hotel stellt eine nahezu autarke Einheit im System dar. In diesem Drive-In Hotel, das direkt an das System Autobahn angeschlossen ist, können für kurze Dauer Liebeszimmer gemietet werden. Dabei suchen sich die Benutzer im Vorfeld eines, der sechs verschie-denen Themenzimmer, aus. Nach der Benutzung kön-nen die Gäste das Love Hotel auf der anderen Seite ungesehen wieder verlassen.Die gemeinschaftlichen Wohneinheiten am Rand der Maltournee nutzen das schon vorhandene Angebot von Fußball, Wiese und Schwimmbecken. Aktive Grup-pen können hier das großstädtische geordnete Leben hinter sich lassen. Die einzelnen Wohnköper schmie-gen sich an die Böschung und nutzen die vorhandenen Treppen als Zugang.Die Infrastruktur aus Parkplätzen und Decken wird ge-nutzt, um kleine Wohnbungalows für die Reisenden zu schaffen. Da im Parkhaus keine natürliche Belichtung vorhanden ist, werden Löcher zur oberen Parkfläche aus der Decke herrausgebrochen. Bäume verraten die untere Wohnnutzung und verändert die Fläche des al-ten Bushofs.

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Hotelfragmente

Dusch-O-Mat

GrundmodulGeländer

Stufe/Wangen

Automat

Leuchtreklame

ServiceContainer

Getränk-O-Mat

Snack-O-Mat

Sitzbank

Read-O-Mat

Toilett-O-Mat

Toilett-O-Mat

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1 Auswahl des Zimmers & Bezahlung2 Einparken3 Benutzen4 Abreise

Hütte

Klassenzimmer

Luxus

Urwald

SM

Bibliothek

Parkfläche

Grundausstattung

Themenzimmer

Lageplan 1:800

1

2

3

4

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Freiheits- und Einheitsdenkmal in Berlin Lehrstuhl für Plastik - Univ.-Prof. grad. Des. Michael Schulze Lehrstuhl für Kunstgeschichte - Univ.-Prof. Dr. phil. Alexander Markschies Bachelorarbeit SS 09 Derya Bekar

„Deutsche Symphonie“ Der Text der deutschen Nationalhymne ist die drit-te Strophe des Gedichtes „Das Lied der Deutschen“, verfasst von August Heinrich Hoffman von Fallersle-ben 1841. Die Melodie entstammt dem Kaiserlied von Joseph Haydn, komponiert 1796.

Durch die Trennung und die Wiedervereinigung be-kommt die erste Verszeile eine besondere Bedeutung: „Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Va-terland!“. Seit der Wiedervereinigung ist dieses Lied die Hymne aller freien und geeinten Deutschen.

Das Konzept dieser Projektarbeit ist, die Nationalhymne für Besucher begehbar zu machen. Das Lied, bzw. die ersten sieben Sekunden der Melodie, während „Einig-keit und Recht und Freiheit“ gesungen wird, ist mit Hil-fe der Hüllkurve visualisiert, indem der Schwingungs-Zeitverlauf als Wellenform graphisch dargestellt wird. Konzept

Die zweidimensionale graphische Darstellung dient als Grundform des Entwurfes. Diese Struktur wird bei dem Entwurf als Scheibe eingesetzt und bekommt dadurch eine dritte Dimension. Durch den ungewöhnlichen Maßstab erhält die „Deutsche Symphonie“ eine kolos-sale Präsenz auf dem Gewölbe des ehemaligen Kaiser Wilhelm Nationaldenkmales. Das Denkmal wird durch die Wege nicht nur visuell mit der geplanten Schlossfreiheit verbunden, sondern es erhält dadurch auch einen städtebaulichen Bezug zu seiner Umgebung. Die vorbeifahrenden Fahrzeuge und Passanten erleben einen visuellen Eindruck, da durch schnelle Veränderung ihrer Blickwinkel, der Moire Ef-fekt entsteht. Weiterhin wird das Spreeufer mit groß-zügigen Sitztreppen und einer Plattform am Wasser neu definiert. Es wird ein näherer Bezug zur Spree für die Besucher und ein neuer Stadtraum für die Berliner erschaffen.

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Lageplan Ansicht Südwest

Schnitt 1-1

Grundriss

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Schnitt 2-2

Detail

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Nachtansicht Vogelperspektive

Perspektive

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Freiheits- und Einheitsdenkmal in Berlin Lehrstuhl für Plastik - Univ.-Prof. grad. Des. Michael SchulzeLehrstuhl für Kunstgeschichte - Univ.-Prof. Dr. phil. Alexander MarkschiesBachelorarbeit SS 09 Marie Carl

Der Entwurf Das Denkmal als ein Raum, ein Ort der Kommunikati-on, aber auch der Stille. Ein Ort, welcher zusammen-führt, jedoch auch Raum für sich selbst lässt. Ein immer währendes aufeinander Treffen und wieder verlassen um sich als Individuum, aber auch Teil der Gesellschaft zu sehen. Die Sinne werden sensibilisiert um bessere Kommunikation hervor zubringen.

Die Räume der WahrnehmungIn den Räumen werden oft einfache Situationen ver-stärkt. Verborgene Gefühle, Ideen zum Thema Einheit, jedoch auch zum Leben allgemein werden durch Sin-neswahrnehmung thematisiert. Es wird verarbeitete, was lange verborgen war um zu verstehen, was da-mals passiert ist. Gemeinsam wird wahrgenommen und gefühlt.

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Modellfoto

Modellfoto

Modellfoto

Schnitte

Grundriss

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DetailDetail

DetailModellfoto

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Modellfoto Modellfoto

Modellfoto Modellfoto103

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Stadtwohnen Hospiz Köln-SeverinsviertelLehr- und Forschungsgebiet Raumgestaltung - Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Uwe SchröderLehrstuhl für Baugeschichte und Denkmalpflege - Univ.-Prof. Dr. Ing. Jan Pieper Bachelorarbeit SS 09 Mathieu Oly

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Das Sterben in der Stadt. Ein Haus, zum Sterben, in der Stadt. Das urbane Hospiz. Der letzte Schritt des Menschen, ist die Lebensphase des Sterbens. Jeder stirbt, doch nur wenige wollen dies wahr haben. Der Tod ist in der modernen Gesellschaft als Fehler ange-sehen, als ein Versagen der Medizin. Man möchte sich der Vorstellung des Endlichen entledigen; so hat die Gesellschaft,verstärkt im 20. Jahrhundert, angefangen Mechanismen des Ausklammerns zu entwickeln. Der Tod wird im Leben ausgeklammert. Diese unmensch-liche Entwicklung heiszt es zu dämpfen; das Sterben ist so natürlich wie die Geburt. Die Auseinandersetzung mit dieser Endlichkeit einer jeden Existenz, muss zurück in die Gesellschaft. Die Kontraste der Geburt und des Sterbens müssen sich wieder, so wie dies in der Historie immer der Fall war, vermischen. Der richtige Ort der Rückkehr, kann nur die Stadt sein. Das Leben trifft auf das Sterben und macht dieses wieder sichtbar.

Die Würde des Menschen ist unantastbar. So lautet der erste Artikel des deutschen Grundgesetzes. Cicely Saunders sagte folgendes; „Sie sind wichtig, weil Sie

eben Sie sind. Sie sind bis zum letzten Augenblick wich-tig und wir werden alles tun, damit Sie nicht nur in Frie-den sterben, sondern auch bis zuletzt leben können.“ Insbesondere in der letzten Phase der menschlichen Existenz, ist eine würdevolle und angemessene Um-gebung absolut notwendig. Es soll die Pflicht der be-gleitenden Personen eines sterbenden Menschen sein, sich dessen Belange und Wünsche anzunehmen. Die bauliche Gestalt, einer solch komplexen und differen-zierten Aufgabe muss versuchen, in aller Vorsicht, auf diese speziellen Anforderungen der Gäste und Beglei-ter einzugehen. Die Essenz all dieser Aspekte, ist das Hospiz. Hier konzentrieren sich die Antworten auf diegestellten Fragen der Sterbenden unter uns. Es ist ein Haus zum Sterben, zum würdevollen Sterben. Dieses Haus, kann nicht auf alle individuellen Wünsche jedes einzelnen Gastes eingehen. Es kann jedoch jedem eine hohe Qualität bieten und genau dies muss dieses Haus leisten können. Eine Qualität, die allgemein verstanden und angenommen wird. Jeder ist im Tode gleich, es gibt in dieser Phase kaum greifbare Unterschiede. Das, was ein jeder Sterbende einzigartig macht, ist sein gelebtes

Leben. Seine gelebten Erfahrungen, Erinnerungen und Geschichten. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass der Gast, auch wenn er örtlich nun nicht mehr in seiner direkten, bekannten Umgebung ist, das Recht auf das Miteinziehen dieser Souvenirs hat. Der Gast soll sich sein Nest auskleiden dürfen.

Das Hospiz gebettet im Innersten der Stadt, im Block. Als integrativer Bestandteil der Gesellschaft; nicht da-zwischen, nicht am Rand, sondern mittendrin. So formt die materialisierte Lebendigkeit, der Block, die Gestalt des Neuen; des neuen Hauses für temporäres Woh-nen. Die innere Blockkontur lässt hier nur eine klare Form zu, die des Riegels. Im unmittelbaren Kontext, gilt es nun die Lage dieser Ergänzung zu bestimmen. Wie wird der Eingriff zu einer Bereicherung, zu einer Klärung der stadträumlichen Proportionen? Es gibt hier drei in Betracht gezogene Stellungen, die alle ei-nen Vorplatz zum nördlichen Blockrand ausbilden. Der Unterschied liegt im Verschieben der Riegels zu der Längsachse der Blockstruktur.Die erste Möglichkeit, beschreibt das Anlehnen des

Die Lage im BlockDer öffentliche VorplatzDer Hausrücken

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Riegels parallel an den südlich angrenzenden Bestand. Die zweite Stellung positioniert sich zentral in die inne-re Kontur des Blocks.Die gewählte Ausrichtung orientiert sich an der nörd-lichen Randbebauung und deren Nebenbauten. Nur di-ese Wahl lässt das Entstehen vollwertiger und klar defi nierter Stadträume zu. Das Sterben in der Stadt. Ein Haus, zum Sterben, in der Stadt. Das urbane Hospiz. Der letzte Schritt des Menschen, ist die Lebensphase des Sterbens. Jeder stirbt, doch nur wenige wollen dies wahr haben. Der Tod ist in der modernen Gesellschaft

als Fehler angesehen, als ein Versagen der Medizin. Man möchte sich der Vorstellung des Endlichen ent-ledigen; so hat die Gesellschaft, verstärkt im 20. Jahr-hundert, angefangen Mechanismen des Ausklammerns zu entwickeln. Der Tod wird im Leben ausgeklammert. Diese unmenschliche Entwicklung heiszt es zu dämp-fen; das Sterben ist so natürlich wie die Geburt. Die Auseinandersetzung mit dieser Endlichkeit einer jeden Existenz, muss zurück in die Gesellschaft. Die Kontraste der Geburt und des Sterbens müssen sich wieder, so wie dies in der Historie immer der Fall war, vermischen.

Der richtige Ort der Rückkehr, kann nur die Stadt sein. Das Leben trifft auf das Sterben und macht dieses wie-der sichtbar.

Die bauliche Gestalt. Das Gemüt des sterbenden Men-schen, fragt nach einem Haus, welches seine differen-zierten Stimmungen versteht. Eine Architektur model-liert aus den schwankenden Belangen der Grundstim-mungen des menschlichen Wesens. In dieser Phase des Lebens werden essentielle Dinge, wie Rückzug, Schutz, Gemeinschaft und Offenheit, wichtig. So sollte das

Grundriss106

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Haus genauso viele differenzierte Charakterbereiche, als es Gemütsstimmungen der Bewohner gibt, anbie-ten. Die Verfügbarkeit dieser Elemente muss da sein, wer diese wie in Anspruch nimmt, ist der Seele jedes einzelnen frei überlassen. So besteht das Gebäude aus drei Gedanken, dem harten Rücken, den Schatullen und der verbindenden Geste. Der steinerne, konkave Rücken versteht sich als tröstende Burg, als Möglich-keit des Abkapselns und Anlehnens. Dies ist die Me-tapher der vermeintlichen Beständigkeit und ewigen Geborgenheit.

An diese Grundmauern schmiegen sich die Schatullen. Als Behälter für einen edlen Inhalt. Das Wertvollste wird in eine warme, von Stoffen ausgekleidete und so-mit behagliche Holzschale gebettet. Der Inhalt ist der-maszen zerbrechlich, dass nur weiche Materialien den Raum fassen dürfen. Hier fi ndet das intime Leben der Sterbenden statt. Diese Räume lassen daher genügend Raum, für individuelle Wünsche oder persönliche Mit-bringsel, zu. Der dritte Gedanke entspringt dem Ange-bot der Verknüpfung der Schatullen und des Rückens. So besteht die Möglichkeit, des gegenseitigen Besu-chens oder Einladens. Ist dies nicht erwünscht, so kann der Gast sich mittels des Schlieszens textiler Raumtei-ler dieser sozialen Ebene widersetzen. Die verbindende Geste ist, in seiner Funktionsweise, demzufolge als hy-brid anzusehen.

Nordansicht

Ansicht

Südansicht

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ENTWÜRFE DESIGN PROJECTS

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Thermic Power Oman Ein Aufwindkraftwerk für das Sultanat Oman Lehrstuhl für Tragkonstruktionen Univ.-Prof. Dr.-Ing. Martin Trautz Gebundener Entwurf WS 08/09 Arnd Rose

Perspektive

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Die Hauptkomponenten des Aufwindkraftwerks sind die annährend kreisrunde Kollektorfläche und der zen-trale Kamin: Durch Sonneneinstrahlung erwärmt sich die Luft unterhalb der transparenten Dachfläche des Kollektors und strömt aufgrund ihrer geringen Dichte durch den Kamin nach oben, wodurch an den offenen Rändern des Kollektors neue kühle Luft angesaugt wird, die sich wiederum im Kollektor erwärmt. Die in dieser konstanten Luftströmung enthaltene Energie wird über Turbinen und Generatoren im Kaminsockel in elektrische Energie umgewandelt. Ebenfalls im Sockel-bereich des Kamins befinden sich die zum Betrieb und zur Wartung der Anlage erforderlichen Komponenten: Die Werkstätten, das Umspanwerk und die Leitwarte. Innerhalb des Kamins befindet sich auch ein Besucher- und Informationszentrum, von dem aus über Aufzüge eine Aussichtsplattform in 960 m Höhe erschlossen wird. Sowohl Mitarbeiter, als auch Besucher erreichen das Zentrum der Anlage über eine Seilbahn, die ober-halb des Kollektordachs fährt, für den Liefer- und War-tungsverkehr ist eine hierzu parallele Straße unterhalb des Daches vorgesehen.

KonstruktionskomponentenSchnitt Ansicht111

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Perspektive PerspektivePerspektive

Grundriss in 5 m HöheGrundriss in 15 m HöheAufsicht

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Perspektive Perspektive Perspektive

Grundriss Werkstatt und FunktionsbereichGrundriss BesucherebeneGrundriss oberste Ebene

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Aufgabe des Entwurfes ist es, in das allmählich aus den Jahrhunderten entstandene Stadtbild von Paris, des-sen heutige Erscheinung immer noch hauptsächlich durch die Errungenschaften des 19. Jahrhundert be-stimmt wird, ein neues „Wahrzeichen“ zu setzen, das ein charakteristischer Ausdruck unserer Generation in sich trägt. Als Standort für das Bauwerk dient hierbei die 1825 künstlich angelegte Insel „Ile des Cygnes“, die schon selbst durch ihre extrem lange und schmale Form (21 x 900 m) ein einzigartiges Merkmal der Pa-riser Seine darstellt; ein Ort, dessen Bedeutung durch den direkten Dialog mit dem nahe stehenden Eiffel-turm noch hervorgehoben wird.

Ile de Cygnes Lehrstuhl für Konstruktives Entwerfen - Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Mirko Baum Gebundener Entwurf SS 09 Markus Ruhe

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Lageplan Rendering Modellfoto

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Grenzstationen CHLehrstuhl für Baukonstruktion 2 - Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Hartwig SchneiderProjekt M1 / Gebundener EntwurfJuditha Rudolf

Eine Besonderheit in dem europäischen Grenzgefüge bildet die Schweiz, die nicht der Europäischen Union und der damit verbunden Zollunion beigetreten ist.Auf dem Grundstück der Zollanlage Weil am Rhein soll eine neue Gemeinschaftszollanlage als prototypisches Gebäude mit einer begrenzten Standzeit entwickelt werden.Neben den funktionalen Anforderungen die mit der Zollabfertigung zusammenhängen, stehen die Modu-larität und Demontierbarkeit der baulichen Struktur im Fokus der konstruktiven Konzeption.

Das Leitbild des Entwurfes, ist eine weitspannende Dachscheibe, die entsprechend der bestehenden Fahr-bahnstruktur auf sechs stählernen Baumstützen ruht.Um die Scheibe als frei tragendes Element sichtbar zu machen, werden die Baukörper der Zollanlage an den Rändern des Daches untergestellt, ohne einen physischen Kontakt herzustellen.Als Tragsystem für Dächer mir großen Spannwei-ten wird der Trägerrost herangezogen. Um einem hohen Grad der Vorfertigung gerecht zu werden, wird der Rost in einzelne rechteckige Module unterteilt, die im Inneren über einen verschieden großen ellipsoiden Hohlraum verfügen. Die Module weisen somit ver-schiede Materialstärken auf und werden dem Span-nungsverlauf der Decke entsprechend angeordnet.Um der leichten Bauweise gerecht zu werden und um die Form der Module herstellbar zu machen, wer-den die Module in Glasfaser verstärktem Kunststoff hergestellt.Die Zollgebäude stellen sich als scharfkantige Volumen unter das Dach und werden von inneren Regalwänden getragen. Außen nehmen sie sich mit einer homogenen Polycarbonatfassade und vertikalen Fensterstreifen zurück.118

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Modell

Ansicht

Pictogramme

Modell Fahrerperspektive 119

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Feuerwehrwache HS9 Lehrstuhl für Konstruktives Entwerfen - Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Mirko Baum Projekt M1 Dorothee Fritzsche

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Aufgabe des Entwurfes:

Die schwimmende Feuerwehrstation HS9, die während ihrer 31 Jahre langen Betriebstätigkeit die meisten Flus-seinsätze in Prag durchführte, wurde von kurzem we-gen ihres schlechten technischen Zustandes außer Be-trieb gesetzt. Die Prager Feuerwehr verlor dadurch eine wichtige Einsatzeinheit, deren Einsatzbereich sich heute einige in der Stadt stationierte Feuerwehrwachen teilen müssen. Diese unbefriedigende Situation soll künftig durch Errichtung einiger neuen „Land-Wasser“ Stütz-punkte verbessert werden. Aufgabe des Entwurfs ist die Neuplanung der Feuerwehrstation HS9, die gegen-wärtig an der Mündung vom Flusshafen Smichov als ein ortsfester Stützpunkt für Land- und Flusseinsätze entwickelt werden soll. Eine sinnvolle Einbindung der neuen Feuerwehrwache in den Fluss und das Straßen-netz sowie Raumkonzepte, die eine schnelle Einsatzbe-reitschaft der Mannschaft ermöglichen, sind hier von großer Bedeutung.

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Schnitte und Grundrisse

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Schnitte und Grundrisse

Beplankung_ Aluminiumblech vernietetSpant 1_ gefaltetes Aluminiumblech

Spant 2_ gefaltetes AluminiumblechStinger_ gefaltetes Aluminiumblech

Gummiauflager für RostRostelement 135/133Halterung Steg_ GusselementZwischenstück_ Anschluss PontonGussrahmen_ Zusammenschluss PotonPoton_ Glasfaserverstärkter KunststoffUmlaufende Gummidichtung

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Leichte Kost Varietétheater in Köln Lehr- und Forschungsgebiet Technischer Ausbau und Entwerfen - Dipl.-Ing. Joachim Ruoff M1 Projekt Julia Dobritz und Alexandra Idziak

Der Standort des neuen Musicals am Rudolfplatz bie-tet eine besondere städtebauliche Situation, da sich die beiden Hauptachsen Kölns an diesem Punkt kreuzen. Zum einen trifft die bereits sehr belebte Nord-Süd-Ach-se der Ringe auf die weniger prominente Ost-West-Achse. Des Weiteren bildet der Rudolfplatz durch seine Ausdehnung einen großzügigen Platz aus, der im Kon-text der städtebaulichen Ausrichtung des Musicals eine wichtige Rolle spielt.

Der Musicalkörper steht aufgrund seiner inselhaften Lage zwischen den beiden Straßen der Ost-West-Ach-se und den der Ringe, in einer ständigen Beziehung zum Stadtraum des Rudolfplatzes. Durch die zentrale Lage und hohe Frequentierung durch die öffentlichen Verkehrsmittel der KVB wird der Rudolfplatz von meh-reren Tausend Menschen am Tag überquert. Das Ge-bäude soll mit Hilfe der dynamischen Grundrissform eine selbstverständliche städtebauliche Er- und Um-schließung ermöglichen. Die vielbesuchten Nutzungen der Ringe werden in dem Riegel aufgegriffen und fort-geführt. In Ost-West Ausrichtung erstreckt sich das Musical und belebt, durch den im Osten liegenden Ein-gang, diese bisher vernachlässigte Achse. Das Musical erhält somit einen eigenen Vorplatz abgewendet von den Ringen.

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Grundriss EG

Grundriss 1.OG Grundriss 2.OG

Grundriss 3.OG Grundriss KG 125

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Der Eingang stellt sich als Stempel dar, der von allen Seiten freigestellt ist und somit die Besucher aus jeder Laufrichtung aufnimmt. Der Besucher betritt im Erdge-schoss den Eingangskörper und wird bereits im Foyer-bereich des 1.Obergeschoss aus dem sonstigen Besu-cherstrom des Rudolfplatzes herausgehoben. Der Saal befindet sich als Herzstück des Musicals zentral in der Mitte und gliedert das Foyer aufgrund seiner Form in Bereiche verschiedener Nutzungen. Das Foyer und die Zugänge in den Saal entwickeln sich terrassenartig um den Saal herum vom 1. bis 3. Obergeschoss und bieten dem Besucher am höchsten Punkt auf der Dachterrasse einen freien Blick auf dem Dom.

Detailschnitt126

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Schnitt A-A und Schnitt B-B

Ansicht Nord und Ansicht Ost

Ansicht Süd und Ansicht West 127

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Stadtplätze prägen seit jeher das Bild unserer Städte. Sie sind zentraler Bestandteil des öffentlichen urbanen Lebens, weisen eine große Vielfalt an unterschiedlichen Nutzungen und Gestaltungen auf, setzen architekto-nische Akzente und sind Spiegel des gesellschaftlichen und kulturellen Zusammenlebens.Im Rahmen eines Workshop-Seminars sollten sich die Studierenden mit dem urbanen Platzmodell auseinan-dersetzen und der Frage der aktuellen sowie zukünf-tigen Anforderungen und Bedürfnissen an städtische Plätze nachgehen: Welchen Anforderungen muss ein Platz in unseren heutigen Städten gerecht werden? Welche Rolle spielt er im urbanen Leben? Und welche

Gestaltungskriterien sind zu beachten, damit ein Platz seine ihm zugedachten Funktionen erfüllen kann?Verschiedene Platztypologien und –qualitäten wurden während einer 3-tägigen Exkursion nach München und Nürnberg anhand von historischen und modernen ur-banen Plätzen untersucht und bewertet.Das Planungsgebiet des Entwurfs, der Nelson-Man-dela-Platz, liegt hinter dem Nürnberger Hauptbahn-hof und befindet sich in seiner heutigen Gestaltung in einem städtebaulich unbefriedigendem Zustand, sei-nerFunktion als Hauptverknüpfungspunkt der Südstadt zur Altstadt und Eingangstor in das südliche Stadtge-

füge wird er nicht mehr gerecht.Ziel des Entwurfes war es, ein ordnendes, die Funkti-onen und Ansprüche berücksichtigendes Gesamtkon-zept für den Platz, sowie eine angemessene gestalte-rische Lösung in Bezug auf die gesamtstädtische Ein-bindung und die Freiraumqualität zu entwickeln.Lena Uhle und Daniel Stollfuß entwickeln in ihrer Arbeit mit dem Titel „Geschichte in Bewegung“ ein Konzept, welches der Historie des Ortes und seiner bestehen-den und zukünftigen Funktion gerecht wird. Die enge Verknüpfung mit der Geschichte der Südstadt schafft eine neue Identität für den Platz, als Transitraum muss der Platz eine gewisse Flexibilität beinhalten, um sei-

„Da ist Platz!“Urbane Platzgestaltung „Hinterm Bahnhof“ in NürnbergLehrstuhl für Landschaftsarchitektur - Dr. Ing. Florian Kluge Projekt M1 Lena Uhle und Daniel Stollfuß

Details Bänke

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ne Funktion weiterhin erfüllen zu können. Beide As-pekte wurden in Form einer ansprechenden, dem ge-nius loci des Ortes angemessenen einheitlichen Platz-gestaltung verwebt. Der Platz wird wieder als Einheit wahrgenommen, Nutzungskonflikte werden durch kla-re Zonierungen der Funktionsbereiche vermieden und eine Verbesserung der wichtigen Verbindung Altstadt-Südstadt durch Aufwertung der vorhandenen Unter-führungen erzielt.

Durch die Nutzung und Ergänzung des noch vorhanden historischen Kopfsteinpflasters, welches im Kontrast zu dem ansonsten mit großformatigen Betonplatten be-legten Platz steht, wird die Galgenhofstraße wieder er-kenn- und wahrnehmbar und ist ein erster Hinweis auf die Geschichte des Platzes. Der Fischbach, ein ehemals bedeutsamer, heute nicht mehr erlebbarer Bachlauf wird durch im Boden eingelassene LED-Lichtlinien in seinem historischen Verlauf wieder sichtbar gemacht. Die Hauptwege der kreuzenden Fußgänger werden durch Schienen im Platzbelag gekennzeichnet. Diese werden in Anlehnung an echte Zugschienen konstru-iert und dienen nachts als Lichtlinien. Des Weiteren

werden auf diesen Schienen die Bänke und Abfallei-mer des Platzes so montiert, dass sie beweglich und beliebig verschiebbar sind. Die Oberfläche der Bänke wird mit Zitaten und Hinweisen auf die Geschichte der Nürnberger Südstadt bedruckt. Die Sätze sind erst lesbar, wenn die zwei „richtigen“ Bänke einer Achse zusammen geschoben werden. Dieses spielerische Ele-ment regt an, die Bänke auch tatsächlich zu bewegen. Die Aufschriften vermitteln den Südstädtern den Wert ihres Stadtteils für Nürnberg.

Aufgrund der Nähe zum Bahnhof, der als Inbegriff des Reisens zu verstehen ist, sowie der unterschiedlichen Herkunftsländer der Südstädter, werden vier verschie-dene Baumarten verwendet. Durch Blüten und Herbst-färbung entsteht eine eigene, sich je nach Jahreszeit verändernde Atmosphäre auf dem Platz. Die Bäume werden entlang der Schienen in Linien gepflanzt. An je-dem Kreuzungspunkt der Schienen steht ein Baum, die weiteren Bäume stehen in unregelmäßigen Abständen zu einander. So ist die Linearität der Bäume zwar wahr-nehmbar, trotzdem behält die Anordnung der Bäume auf den ersten Blick die Zufälligkeit eines Hains.

Lageplan

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Bologna - Das Haus der Stadt Lehr- und Forschungsgebiet Raumgestaltung - Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Uwe Schröder Projekt B1 Julia Hämmerling

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Der Entwurf ist die Synthese vom Topos der Stadt und Typus des Reihenhauses. Dem Typus des Reihenhauses liegt eine determinierte Struktur zugrunde, aus der sich die Textur und schließlich die sich daraus ergebende Kubatur des Entwurfes ergibt.Das Haus fungiert als kleine, eigene Stadt, ist eine Stadt in der Stadt. Das räumliche und mentale Aufeinander-treffen von Bewohnern in der Stadt intensiviert sich durch die Nähe und Intimität in dem Wohnblock. Die Bedürfnisse, die die Stadt durch ihre Elemente erfüllt, tauchen auch hier auf und fordern ein architektonisches Äquivalent. Gemeint ist der Platz oder Hof als Ort des Aufeinandertreffens, die Straße, der Weg als Gliede-rung und Mittel des zielgerichteten Fortkommens und schließlich das Haus, der Wohnraum als Rückzugsort.Die Stadt Bologna präsentiert sich hermetisch geschlos-sen nach außen hin. Die Fassaden wirken introvertiert, das private Leben findet im Inneren statt. So öffnet

sich auch der Entwurf nach hinten hin, zergliedert sich fast in seine einzelnen Elemente. Die Orientierung der Öffnungen differenziert sich in eine Sicht- und Belich-tungsachse. Die Belichtung verläuft in der gleichen Achse wie der Typus, wodurch ein Form der Privatheit oder Öffentlichkeit entstehen kann, je nachdem, ob die Öffnung zum eigenen Innenhof oder zum Außen, der Straße oder dem Hinterhof geöffnet ist.Dem entgegen steht die Sichtachse, die sich durch den Topos, die Beschaffenheit des Ortes mit den schon bestehenden Gebäuden ergibt. Die Sichtach-se läuft folglich orthogonal zur Belichtungsachse, wo-durch eine Abgrenzung der Bewohner voneinander im Sinne der Privatheit gewährleistet wird. Diese Orien-tierung der Öffnungen zu denen der anliegenden Ge-bäuden schafft Verbindung. Nicht nur physisch zu den anliegenden Gebäuden, sondern auch und vor allem zwischen den Bewohnern dieser Parteien.

Die Wegführung ist durch Achsen vorgegeben. So ent-spricht die horizontale Wegführung der Längsachse des Hauses und lässt dieses dadurch zu dem Typ Rei-henhaus werden. Daneben steht die vertikale Erschlie-ßung konträr durch ihre Punktualität. Sie tritt, in Form eines zentralen Kernes, immer an selber Stelle auf und auch zwischen den einzelnen Häusern variiert ihre Stel-lung nur gering. Der Kern ergibt sich aus den zentralen Elementen Erschließung, Belichtung und Raum. Die-sem immer gleich bleibenden Raumgefüge schließen sich die privaten Räume an, scheinen sich diesem fast zu assimilieren und geben die Richtung der Raumer-schließung vor. Der sich dadurch ergebende Raum ist wie ein Trichter, der das Private geborgen einschließt und das Öffentliche zur Kommunikation und zum Mit-einander weitet.Die Abgrenzung des Öffentlichen zum Halböffent-lichen findet durch Abstufungen in der Ebene statt.

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So befindet sich der öffentliche Raum, die Straße, am Tiefsten. Folglich muss jedes Haus erst einmal über eine Schwelle, eine Stufe betreten werden, um den Über-gang vom Öffentlichen zum Halböffentlichen bewusst zu machen, und mit jedem Grad der Privatheit geht auch eine Erhöhung einher.Im Konkreten entstehen so drei Raumtypen, die sich den Besonderheiten ihrer direkten Umgebung anpas-sen. So gibt es den Typus des Hof definierenden und ich zurücknehmenden Hauses, das die bereits vorhan-dene Gebäudestruktur aufnimmt. Dem entgegen steht eine Typus, der die Privatheit seines Hofes gewährlei-stend, nur eine geringe Überschneidung zum Nachbar-hof erlaubt. Der dritte Typ orientiert sich ganz seiner mittigen, von den beiden anderen Typen umringten Lage entsprechend nur am zentralen Hof und an sich selbst. Privatheit findet dieser sich im Erdgeschoss voll-kommen öffnende Typ nur in sich selbst und dem an-grenzenden Haus, voraus sich die innen angeordneten Höfe ergeben.

Grundriss132

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Ansicht

Rückansicht

Schnitt längs der Straße

Schnitt längs der Straße Isometrie 133

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Städte sind komplexe Gebilde, die sich ständig ver-ändern. Auf sehr unterschiedliche Weise wirken Architekten, Stadtplaner und Landschaftsarchitekten an diesem dynamischen Veränderungsprozessen mit. Im Rahmen des Integrierten Projekts Stadt und Land-schaft befassen sich die Studenten des Bachelorstu-diengangs Architektur erstmals mit der Problematik, anhand eines konkreten Stadtgebietes übergeordnete Zusammenhänge zu erfassen, Ansätze für Verände-rungen zu finden und Vorschläge für eine mögliche Entwicklung zu erarbeiten.

Die Bearbeitung erfolgte in drei Phasen: 1. Wahr-nehmen, Analysieren und Folgern, 2. Konzipieren und Entwerfen, 3. Räumlich und inhaltlich Vertiefen. Diese werden durch phasenbezogene Vorlesungen, Trainingsbausteine und einer dreitägigen Intensiv-arbeitsphase zum Einstig in die jeweilige Vertiefung unterstützt.

Das Planungsgebiet liegt in Aachen Schönforst un-mittelbar an der Triererstraße und der Autobahnaus-fahrt Aachen-Brand. Die circa 42,5 Hektar große Flä-che wird heute noch als Bundeswehrkaserne genutzt und grenzt sich, als bisher „verbotener“ Ort, bewusst von der Umgebung ab. Flankiert wird sie durch sehr unterschiedliche Quartiere und Nutzungen, wie dem 70er-Jahre Wohnquartier „Driescher Hof“, dem nörd-

Lützow-Kaserne AachenEntwicklung eines urbanen WohnquartiersLehrstuhl für Landschaftsarchitektur - Dr. Ing. Florian Kluge Integriertes Projekt Stadt und Landschaft im BachelorEva-Maria Friedel, Ina Weber, Roxana Wetter

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lich angrenzende Gewerbegebiet, dem Wohnquar-tier „Schönforst“ und der östlichen Begrenzung zum Stadtteil Aachen-Brand durch den Autobahndamm der A44. Aufgabe ist es, ein urbanes Wohnquartier zu ent-wickeln, welches durch Verwendung unterschiedlicher Gebäude- und Wohntypologien sowie identitätsstif-tender Raum- und Freiraumstrukturen einen eigen-ständigen Charakter und eine neue Adresse für den Standort schafft.

Analyse, Entwicklung Aachens und Lage der Kaserne: Die Studentinnen Eva-Maria Friedel, Ina Weber und Roxana Wetter, entwickelten auf der Basis einer um-fangreichen Analyse zwei Leitideen für die Lützow-Ka-serne. Schwerpunkte sind, klar abgegrenzte Quartiere mit eigenem Charakter zu schaffen und gemeinsame Treffpunkte für die Bewohner des Quartiers und die umliegenden Gebiete zu ermöglichen. Die Ansätze fanden, in zum Teil modifizierter Form, im Rahmenplan zu einem einheitlichen Entwurfskonzept zusammen.

Fazit aus der AnalyseGrundlage beider Ansätze ist die größtmögliche Erhal-tung von Bestandsstrukturen. Dies gilt sowohl für die Bausubstanz, als auch für den Baum- und Straßenbe-stand. So bildet eine „Grüne Allee“ mit integrierten Parkbuchten und Grünstreifen, die Haupterschließung des Quartiers. Weitere Straßen dienen in erster Linie

der Erschließung der jeweiligen Parzellen. Anknüp-fungen an angrenzende Grün- und Freiflächen, wie an die Vennbahn und ergänzende Fuß- und Radwege sollen die Zugänglichkeit des neuen Quartiers unter-stützen.

Städtebauliches KonzeptEs entstehen fünf in Struktur und Nutzung klar zu un-terscheidende Teilbereiche. Das Kultur- und Bildungs-quartier im Nordosten und daran anschließend gen Sü-den urbane Treffpunkte mit Gastronomie-, Einzelhan-dels- und Dienstleistungsbesatz, welche sich in und um den denkmalgeschützten Gebäudebestand bilden und sich bis zur Triererstraße ziehen. Büro- und Freizeitnut-zungen sind, mit guter Anbindung an die nahe gele-gene Autobahn, in den östlichen Bestandsgebäuden und Ergänzungen untergebracht. Als zentraler Bestand-teil des Quartiers gliedert sich das Wohnen in kleintei-lige Strukturen im Norden und in Blockrandbebauung mittig des Areals, welche einen Park einschließen.

Selbst gewählte Vertiefung des Entwurfes sind die viel-fältig geschaffenen Treffpunkte im öffentlichen und gemeinschaftlichen Raum. Sowohl durch die Parks und das urbanen Zentrum, als auch durch die Flächen inner-halb der Blockrandbebauung für gemischte Wohnnut-zungen, wird ein in Dimension und Qualität differen-ziertes Angebot geschaffen und im Detail dargestellt. Lageplan

Analyse und Entwicklung Aachens mit Lage der Lützow-Kaserne

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Lützow-Kaserne AachenEntwicklung eines urbanen WohnquartiersLehrstuhl für Landschaftsarchitektur - Dr. Ing. Florian Kluge Integriertes Projekt Stadt und Landschaft im BachelorPascal Martis, René Lierschaft, Markus Wolf, Ahmad Sawaf

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Anlass und Ziel Städte sind komplexe Gebilde, die sich ständig verän-dern. Architektinnen und Stadtplanerinnen wirken auf unterschiedliche Weise an diesen dynamischen Verän-derungsprozessen mit. Im Rahmen des Stadtprojekts wird dies zum ersten Mal eingeübt. Anhand einer kon-kreten Planungsaufgabe sollen Sie Zusammenhänge verstehen lernen, Ansätze für Veränderungen heraus-finden und Vorschläge zur Entwicklung eines Stadtge-bietes erarbeiten. Sie sollen konkret an einem Ort die Stadt wahrnehmen, analysieren und Folgerungen ab-leiten, diese in Konzepte übersetzen und diskutieren sowie ihre Überlegungen visualisieren und nachvoll-ziehbar erläutern und begründen.

Das Stadtprojekt ist die gemeinsame Übungsaufgabe des Lehrstuhls für Städtebau und Landesplanung, des Lehrstuhls für Planungstheorie und Stadtentwicklung, sowie des Lehrstuhls für Landschaftsarchitektur und dem Lehrgebiet Freiraumplanung im Modul „Projekt B3 - Architektur und Planung“. Aufbauend auf den Vorlesungen, in denen erstes Wissen über die Stadt, ihre Entwicklung, ihre Planung und Gestaltung vermit-telt worden ist, sollen Sie in einer praxisnahen Übung das erworbene Wissen anwenden und stadtplanerische Arbeitsweisen und -methoden erproben.

Aufgabe und OrtIm Rahmen des Stadtprojekts sollen Sie Ideen und Maßnahmen zur Entwicklung der Lützow-Kaserne und ihres Umfeldes in Aachen-Ost erarbeiten und eine passende städtebauliche Struktur mit besonderen Frei-raumqualitäten entwerfen.

Analysepiktos 137

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Gebäudetypologien138

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Der heute noch als Bundeswehrkaserne genutzte Standort, liegt östlich des Stadtteils Aachen-Schönforst unmittelbar an der Triererstraße und der Autobahnaus-fahrt Aachen-Brand. Aufgrund seiner exponierten Lage und seiner Größe von ca. 42,5 ha bietet der Standort die Möglichkeit zur Entwicklung eines neuen Stadt-quartiers zwischen Aachen und Brand. Flankiert wird die Fläche von unterschiedlichen Quartieren und Nut-zungen, wie dem 70er-Jahre Wohnquartier ‚Driescher Hof‘ jenseits der Triererstraße, dem nördlich angren-zende Gewerbegebiet ‚Neuenhofstraße‘, dem westlich gelegene Wohnquartier ‚Schönforst‘ und der östlichen Begrenzung zum Stadtteil Aachen-Brand durch den Autobahndamm der A44.

Als bisher ‚verbotener‘ Ort verhält sich die Fläche im Stadtgefüge wie ein Fremdkörper, der sich von der Umgebung bewusst abgrenzt und nicht vernetzt ist.

Aufgabe ist es, ein gemischtes und urbanes Quartier mit eigenständigem Charakter zu entwerfen. Durch die Verwendung unterschiedlicher Gebäude- und Wohn-typologien sowie identitätsstiftender Raum- und Frei-raumstrukturen soll eine neue Adresse ausgebildet

werden. Neben der Hauptnutzung des Wohnens ist ein in Art und Umfang angemessenes Programm für ge-mischte Nutzungen mit Dienstleistungs-, Handwerks- und nicht störenden Gewerbeeinheiten für das Quar-tier zu formulieren und räumlich strukturell zu integrie-ren. Auch für die Freiflächen sind nachhaltige Grün-strukturen und Nutzungsangebote für Erschließungen, Aufenthalts- und Freizeitnutzungen mit besonderen Gestaltungsqualitäten für öffentliche und private Frei-räume zu entwickeln.Im Rahmen des Stadtprojektes sollen zunächst die Grundlagen zusammengetragen werden, die Ihnen helfen mögliche Entwicklungen des Gebietes zu beur-teilen und schließlich Vorschläge zur Neuordnung des Gebiets zu erarbeiten. Sie sollen also klären: • welche Akteure mit welchen Interessen die Konversi-on des Kasernengeländes mit bestimmen, • welche Chancen, Potentiale und Mängel das Areal prägen,• wie die Kasernenfläche neu genutzt und mit der Um-gebung stadträumlich verknüpft werden kann und • welche Maßnahmen notwendig sind, um den Be-dürfnissen der verschiedenen Nutzergruppen vor Ort zu entsprechen.

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STEGREIFE_SEMINAREIMPROMPTU DESIGNS_SEMINARS

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Living DesignDinner for One ...up to sixLehrstuhl für Wohnbau und Grundlagen des Entwerfens - Univ.-Prof. Wim van den Bergh Betreuer: Florence Pfaff + Anika KarthausStegreifentwurf und Wettbewerb WS 2009/2010 Mathieu Oly, Eugenio Catalano

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Eine bekannte Situation:Der Tisch reicht für ein bis zwei Personen bequem aus,... aber was passiert, wenn man ein nettes Dinner mit Freunden bei sich veranstalten möchte?

Im WS 09/10 werden Objekte prämiert, welche als Tisch für ein bis zwei Personen in einer räumlich be-grenzten Studentenwohnung alltagstauglich sind und darüber hinaus für das große Dinner noch mehr be-reithalten. Neben dem ästhetischen und funktionalen Ergebnis sind bei der Prämierung Fragen der Materialität und der Verarbeitungsqualität von Belang. Der Stegreif kann alleine oder von einem Team aus zwei Studenten bearbeitet werden.

Es befinden sich zahlreiche Tische auf dem Markt, wel-che genug Platz für 1-2 Personen bieten und im Be-darfsfall vergrößert werden können. Selten findet man darunter innovative und gestalterisch anspruchsvolle Lösungen. Dies bietet uns Anlass das Thema „Tisch“ in die Stegreifreihe „Living Design“ aufzunehmen.Das Produkt „Dinner for one ...up to six “ soll hier die übliche Art von Klapp- oder Ausziehtischen hinterfra-gen, weiter entwickeln und neu interpretieren – han-delt es sich doch um ein Problem, welches sich in vielen Wohnungen mit beengtem Raum stellt. So sollte „Dinner for one ...up to six“ die Möglichkeit bieten ein Dinner für mindestens 6 Personen zu veran-stalten. Gleichzeitig sollte er jedoch nicht mehr als 0,6 qm Grundfläche im Kleinstzustand besetzen und dabei noch ein „Dinner for one“ ermöglichen.

Die Art der Erweiterung ist möglicherweise für die Ge-stalt des Tisches bestimmend: Handelt es sich um eine Weiterentwicklung des Schiebens-Klappens-Faltens oder gibt es neue Ansätze einen Tisch zu vergrößern?Gesucht wird eine raffinierte Idee für die vielen Anfor-derungen an einen solchen Tisch.

Als angehende Architekten und Gestalter spielt natür-lich die Formgebung und Materialität des Tisches eine Rolle. Ebenso wird die handwerkliche Verarbeitung von der Jury in die Bewertung miteinbezogen.

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„Grüner wird´s nicht!“ Eine Aktion zur Innenstadterneuerung in Euskirchen Lehrstuhl für Planungstheorie und Stadtentwicklung Betreuer: Ulrich Berding Stegreif SS 2009

„Grüner wird‘s nicht!“ Eine Aktion zur Innenstadter-neuerung in EuskirchenIm Rahmen des laufenden Sanierungsverfahrens Vieh-plätzchenviertel in Euskirchen sollten die Studierenden eine öffentlichkeitswirksame Aktion konzipieren und durchführen, die das sanierungsbedürftige Stadtviertel und seine Qualitäten in ein neues bzw. überraschendes Licht rückt und die Bewohner zum Mitmachen und Nachdenken anregt.Das von den Studierenden entwickelte Konzept „Grü-ner wird‘s nicht!“ sah vor, einen in die Jahre gekom-menen zentralen Platz im Viertel für einen Tag im Sommer 2009 mit Kunstrasen auszulegen. Die mit einfachen Mitteln hergestellte neue Optik und Hap-tik machte den unscheinbaren Platz mit einem Mal zu einem regelrechten „Highlight“ im Quartier.

Masterplan144

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AufbauAufbau

Fertiges Viehplätzchen

Eröffnung Pressetermin

ImpressionenImpressionen 145

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Grundlehre Lehrstuhl für bildnerische Gestaltung Univ.-Prof. Thomas Schmitz

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Architektur reflektiert die vorhandene Welt, indem sie diese in ihre Konzepte und Kompositionen einbindet. Dabei kommt der Methode des Beschreibens, Beo-bachtens und Reflektierens eine besondere Bedeutung zu. Wir brauchen das eigene Tun und die unmittel-bare, physische Konfrontation, damit die Dinge wirk-lich in unserem Bewusstsein ankommen. Es geht um das „Interesse“ im wortwörtlichen Sinn. Die Studieren-den gewinnen in der Grundlehre der Bildnerischen Ge-staltung Einblick in die spezifischen Eigenschaften und

Möglichkeiten analoger oder digitaler Techniken der Gestaltung. Handwerklichkeit und Experiment spielen gleichermaßen eine Rolle. Intensive praktische Übung fordert die Entwicklung eines ‚Fingerspitzengefühls‘ und die Fähigkeit zur inhaltlich motivierten medienü-bergreifenden Anwendung von Gestaltungs- und Dar-stellungstechniken beim Abstrahieren und Erfinden von Raum. Die Entwicklung einer ‚Kultur des Reisens’ mit zahlreichen Exkursionen dient der gezielten Ausei-nandersetzung mit Bauwerkenin ihrem jeweiligen Kon-

text. Das ‚tätige Sehen’erzwingt dabei einpersönliches Statement. Wir nennen das: Eine Haltung entwickeln. Im Gegensatz zur scheinbaren Objektivität der Appa-rate ist das eigene ‚Machen‘ immer subjektiv. Der Be-zugspunkt bleibt der Mensch. Dabei erforschen wir nicht nur die uns umgebende Welt und unsere Phanta-sie, wir erleben auch unsere eigene Sinnlichkeit in der immer präsenten Frage nach dem WIE, also die Fra-ge nach der gefühlten und gemessenen Qualität der Dinge.

Diamolette-MaschineAuswahl aus SemesterarbeitenAuswahl aus Semesterarbeiten

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Bild_Raum_Zeit_digitalLehrstuhl für bildnerische GestaltungUniv.-Prof. Thomas Schmitz

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In diesem Themenkomplex werden die bildgebenden Medien Fotografie und Video thematisiert und unter wechselnden Gesichtspunkten hinterfragt. In dem re-gelmäßig stattfindenden Fotografie-Seminar werden in Projekten prekäre Orte thematisiert: So wurden z.B. im Musée Royal de l‘Armée in Brüssel Technikbegei-sterung und militärische Zielsetzungen in einer denk-würdigen Symbiose sichtbar; aufeinander folgende fo-tografische Feldstudien auf Campingplätzen und im Umfeld der JVA Stammheim mit dem angrenzenden Ortsteil Stammheim setzten den mittlerweile histo-rischen ‚Deutschen Herbst‘ in einen zeitgenössischen Kontext. In den Seminaren ‚Let’s change the World’, ‚Realraum-Bildraum’ und ‚Das Bild Hauen’ wurden unterschiedliche Methoden der Bildgestaltung mit Fotografie thematisiert, sei es als ‚manuelle Bildbear-beitung’ des fertigen Fotos, oder als „Modulationen“ des realen Raumes, um mit skulpturalen Mitteln in den Prozess der Bildgebung einzugreifen und das Foto zu verfremden. In den Videoseminaren ‚Rhythmen’ und ‚Split Screens’ wurden ästhetische wie inhaltliche Möglichkeiten der künstlerischen Auseinandersetzung mit Raum, Zeit und Kausalität oder Nicht-Kausalität seiner Ereignisse unter-sucht. Ziel solcher Seminare ist es, Bewegung als Hand-lung im Raum sichtbar zu machen, zeitliche Aspekte als Teil der Raumerfahrung ins Bewusstsein zu rücken und als Inhalt von Gestaltung begreifen zu lernen.

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Erforschen und Erfinden Lehrstuhl für bildnerische Gestaltung Univ.-Prof. Thomas Schmitz

Im Wahlbereich bietet der Lehrstuhl Seminare zu ex-perimentellen und explorativen Themen mit wechseln-den inhaltlichen Fragestellungen an. In dem Grafikkurs „Form und Prozess“ wurden Gesetzmäßigkeiten von Struktur- und Formbildungsprozessen vergleichend in den Maschinenhallen des WZL und in Naturformen aus der Formensammlung des Lehrstuhls untersucht. Die bildnerische Recherche von Orten und Methoden der Wissenschaft in der RWTH soll auch in Zukunft ein Be-tätigungsfeld des Lehrstuhls sein.In einem Kooperationsprojekt ‚KörperWissen - Ana-tomie. Statik. Dynamik’ mit den Lehrstühlen Kunstge-schichte und Tragkonstruktion wurde aus unterschied-lichen Perspektiven den Analogien zwischen der Archi-tektur des menschlichen Körpers und Architektur als menschlicher Körper nachgegangen und z.B. in archi-tektonisch transformierten Modellen des menschlichen Bewegungsapparates abstrahiert und räumlich umge-setzt.In dem Seminar ‚Designing Visions‘ wurde die Suche nach dem noch Unbekannten, dem Innovativen, dem Visionären thematisiert. Damit war ganz besonders auch der Prozess des Findens selbst gemeint, das durch gezielte methodische und technische Maßnahmen und Assoziationstechniken beflügelt werden kann, die un-ser formales und räumliches Vorstellungsvermögen spielerisch erweitern.

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Reisen und Zeichnen Lehrstuhl für bildnerische Gestaltung Univ.-Prof. Thomas Schmitz

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Reisen ist Nahrung für die Phantasie. Architekten ha-ben das Reisen stets kultiviert. Im Mittelpunkt unserer jährlichen, großen Exkursionen steht die Reflexion der vielschichtigen, erlebten Eindrücke mit unterschied-lichen bildnerischen Medien. Eine ganz von selbst ent-stehende Regelmäßigkeit der Arbeit verändert darü-ber hinaus die Wahrnehmung einer fremden Kultur in einem wesentlichen Punkt: Durch die Intensität der Teilnahme am täglichen Leben beim Skizzieren und Malen entsteht das Gefühl, wenigstens für einen Mo-ment dazuzugehören. In den vergangenen Jahren ha-ben wir Städte im islamischen Kulturbereich bereist: 2008 Istanbul, 2009 Marrakesch.

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FACULTY NEWS_RETROSPECTIVE

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2009-2010 Gastprofessur an Fakultät für Architektur RWTH Aachen2001 Gründung KUEHN MALVEZZI mit Wilfried Kuehn und Simona Malvezzi1998-2001 Mitarbeit und Projektleitung im Büro Dobbelaar, de Kovel, de Vroom, Rotterdam1998 Architekturdiplom an der Technischen Universität Berlin, Prof. Kees Christiaanse1994-1995 Studium an der Faculdade de Arquitectura da Universidade do Porto, Portugal1990-1998 Stipendiat der Studienstiftung des Deutschen Volkes1989-1998 Architekturstudium an der Technischen Universität Berlin1969 geboren in Hamburg

Zur Sache, bitte... Interview Johannes Kuehn

Wann fangen Sie morgens im Büro an?Ich beginne so in der Zeit von 9.00-9.30 Uhr, ähnlich wie an der Uni.

Wie viele Mitarbeiter haben Sie?Wir arbeiten im Moment mit etwa 10-15 Mitarbeiter zusam-men.

Machen Sie regelmäßige Teamsitzungen?Je nach Bedarf. Wir arbeiten im Büro arbeitsteilig, d.h. an al-len Projekten arbeitet außer uns Partnern immer auch minde-stens ein Mitarbeiter. Wenn wir während des Arbeitsprozesses bei unseren Mitarbeitern vorbeischauen, ergeben sich dadurch ständig Projektbesprechungen im Team.

Wie viele Projekte laufen gerade in Ihrem Büro?Es gibt gerade etwa 20 laufende Projekte; darunter sind jedoch auch ein paar kleinere Sachen.

Nach welchen Hauptkriterien wählen Sie Bewerber aus?Wir arbeiten sehr gerne mit jungen Mitarbeitern zusammen, die direkt von der Uni kommen und noch nicht durch die Ar-beit in anderen Büros festgelegt sind. Aber natürlich kann man nicht alle Projekte nur mit Berufsanfängern machen. Bei Pro-jekten einer gewissen Größenordnung stellen wir dann Teams aus jungen mit erfahrenen Leuten zusammen.

Schalten Sie bei einem Jobangebot Anzeigen? Nein. Denn wir haben sehr viele freie Bewerbungen. Deshalb haben wir eher die Qual, auch guten Bewerbern absagen zu müssen.

Wie heißt das letzte Architekturbuch, das Sie angeschafft ha-ben?„Frame and generic space“ von Bernard Leupen. Ein Buch über strukturelle Fragen im Wohnungsbau als Vorbereitung des Se-minars im nächsten Semester an der RWTH. Für mich etwas ganz anderes, als uns im Büro aktuell beschäftigt.

In welchen Räumlichkeiten befindet sich Ihr Büro?Wir haben das große Glück in Berlin zu sein, wo es sehr viel

Platz gibt. Deshalb können wir in einer Fabriketage im 3. Ge-schoss mit 360° Blick und einer großzügigen Fläche von 700 qm arbeiten. Die nächsten Häuser sind auf mehreren hundert Metern Entfernung gelegen. Sehr ruhig, aber direkt am Haupt-bahnhof.

Welche Fachzeitschriften lesen Sie regelmäßig?(lacht) Ja, wenn ich dazu komme, lese ich die „Bauwelt“ und als es sie noch gab die „L‘Architecture d‘aujourd‘hui“, an der Axel Sowa beteiligt war. Die hatte ich schon als Schüler abonniert. Leider gibt es sie nicht mehr, was ich immer noch sehr bedau-ere, genauso wie das Verschwinden von „Daidalos“. Aber Axel Sowa ist ja schon wieder aktiv: sein neues Journal „Candide“, das er am Lehrstuhl macht, ist da ein guter Kandidat.

Welcher war Ihr letzter Wettbewerb?Der Wettbewerb zum Neubau der Deutschen Botschaft in Ni-kosia/Zypern wurde vor kurzem entschieden. Für uns gab es eine Anerkennung.

Auf welchem Stuhl sitzen Sie?Ich sitze hier auf einem Eiermann-Drehstuhl.

Macht Ihnen Ihre Arbeit Spaß?Ja, Ja. Ohne Einschränkung? Ja.

Nennen Sie Ihr Lieblingswerk eines unbekannten Architekten. Die ‚Villa Pisani’ von Vincenzo Scamozzi. Sie liegt nicht un-weit von Vicenza in Lonigo und ist sicher nicht allen bekannt. Scamozzi war Bauleiter für Palladio. Die Villa ähnelt der ‚Villa Rotonda’ und stellt sie meines Erachtens sogar in den Schatten. Das könnte ein Ziel für die nächste Exkursion sein. Was macht für Sie einen ‚großen’ Architekten aus?Man kann sich einmal anschauen, welche ‚großen‘ Architekten es gegeben hat und herausfinden, was die so an sich haben. Ich glaube, ein guter Architekt ist jemand, der Großzügigkeit und große Konsequenz in seine Architektur hineinbringt. Für mich ist Mies van der Rohe so ein Architekt. Wenn ich an ei-ner Stelle nicht weiter komme, kann ich mich fragen, was er gemacht hätte. „Mach die Sachen größer“, hat er einmal ge-156

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sagt. Das heißt, die Dinge räumlich größer wirken zu lassen und nicht nur an das Minimum zu denken. Es muss nicht in messbaren Metern größer sein. Großzügigkeit kann auch an-ders erreicht werden. Ja, und sicher braucht man Gelassenheit um seine Ziele zu er-reichen, ohne dabei ständig gegen Widerstände anzurennen. Der ‚gute’ Bauherr ist der, der versteht, was wir tun. Aber es ist auch der Architekt, der seinen Teil dazu beitragen muss, dass er verstanden wird. Es ist Dialogfähigkeit, die ein Architekt ha-ben muss. Er muss seine Haltung darstellen können: Nicht nur sich selbst, das ist das wenigste, sondern auch den anderen gegenüber.

Woran misst sich für Sie Erfolg im architektonischen Werk?Wenn man Räume so baut, wie man sie sich vorgestellt hat und dann von der eigenen Arbeit positiv überrascht wird. Wenn ein Raum z.B. noch großzügiger ist, als ich es erwar-tet hätte. Natürlich versuche ich, die Dinge präzise voraus zu sehen, das ist das, woran wir ständig arbeiten. Man kann Er-folg natürlich auch gesellschaftlich auffassen, aber das ist nicht mein persönlicher Fokus. Gleichwohl wenn wir jetzt über Erfolg reden, dann ist für mich der besondere Erfolg, sich selbst noch zu übertreffen.

Mögen Sie kreatives Chaos?Das ist ja etwas Relatives. Es suggeriert, dass aus dem Cha-os heraus Kreativität entsteht. Ich bin da gar nicht so sicher. Ich selbst bin nicht so chaotisch veranlagt, aber finde es be-wundernswert, wenn andere im Chaos gut arbeiten können. Es sind ja oft jene Dinge, die man selbst nicht hat, aber trotz-dem oder gerade deswegen schätzen kann. Für mich jedoch ist Chaos keine Grundvoraussetzung. Meiner Arbeitsweise wäre das nicht förderlich.

Steckt in jedem Menschen kreatives Potential?Ja, klar! Schauen Sie sich an, wie kreativ Kinder sind. Wenn meine Nichte zu Besuch ist und aus allen möglichen Materialien Objekte baut, dann sehe ich natürlich Kreativität. Das hat sie ja nicht studiert. Wenn ich ihre Werke über die Jahre hinweg ver-gleiche, sehe ich jedoch auch, wie ihre Entscheidungen immer rationaler werden. Das liegt in der kulturellen Konditionierung

des Menschen: Sobald ich die Schule besuche, wird das, was ich tue, dokumentiert und nach äußeren Kriterien bewertet. Mein Handeln wird fremdbestimmt. Im Laufe der Zeit werden dadurch mein Verhalten und meine Kreativität auf Abrufbar-keit normiert. Die Frage ist, wenn man das Wort Kreativität in Bezug auf Ar-chitektur benutzt, wie ich mir einerseits einen irrationalen Zu-gang bewahren kann, auf der anderen Seite als Architekt aber keine Fehler machen darf, da ich ja für alle möglichen Folgen meiner Planung hafte! Diese unglaubliche Kontrolle ist ja das, was erstmal erschreckt, wenn man nach oder während der Uni in einem Architekturbüro arbeitet. Ich finde diesen Spagat sehr interessant, die Leichtigkeit zu be-wahren, eigene Ideen umzusetzen und diese in Einklang mit der großen Verantwortung zu bringen, die daran hängt.

Wie würden Sie das Thema in der Lehre umsetzen?Im Sommersemester soll es um das Verhältnis von ‚Festlegen’ und ‚Freiheiten’ gehen. Wie viel muss ich festlegen, um mög-lichst viele Freiheiten zu bekommen? Wie viel kann ich offen lassen, um möglichst wenig festlegen zu müssen? Es ist wie ein Spiel: eine offene Architektur, die trotzdem feststeht und eine prägnante Architektur, die dennoch Offenheit besitzt. Eine Architektur, die als Setzung begriffen wird, jedoch Aneignung und Veränderbarkeit erlaubt.

Wo würden Sie gerne wissenschaftlich in die Tiefe gehen?Es sind Fragen der Arbeitsmethodik, die mich sehr interessie-ren. Zum Beispiel: Wie entsteht der Entwurf? Wie wir über-haupt zu unseren Entwürfen kommen, ist ja eine große Un-bekannte. Alle machen es, aber keiner weiß eigentlich, wie es dazu kommt. Es interessiert mich, dem nachzugehen, das methodisch zu untersuchen und zu reflektieren.

Im Unterricht mit Studenten ist mir Folgendes begegnet: Ein Student fragte mich: „Ich habe hier drei unterschiedliche Ent-würfe gemacht. Wie entscheide ich nun, welcher der Beste ist? Oder wie entscheiden Sie das?“ Das sind wesentliche Fragen. Meine Antwort war: „Überlegen Sie sich Kriterien, nach denen Sie beurteilen können.“ Das Entwickeln von eigenen Kriterien ist etwas, das man lernen kann. Ich habe kürzlich ein Zitat von Mies gelesen. Auf die Frage, warum er bei den ‚Lake Shore Drive Apartments’ in Chicago seine Profile von außen an die Fassade gesetzt hat, entgegnete er: „Es gibt einen praktischen Grund, sie steifen das Element während der Montage aus und einen wahren Grund, weil ich die Profile zur Gliederung der Fassade haben möchte.“

Welche Eigenschaften sollten Studenten mitbringen? Studierende müssen vor allem neugierig sein, das ist ganz wich-tig. Die Neugierde ist etwas, das uns ein Leben lang antreibt. Aus Neugierde heraus kann ich ein Anliegen entwickeln. Was man auch lernen muss, das können einige besser als andere, ist vom Ego zu abstrahieren. Das soll heißen: man darf kritische Anmerkungen am eigenen Entwurf nicht zu persönlich zu neh-men, sondern sollte sie als Einladung verstehen, Dinge noch mal neu zu denken.

Was wollen Sie Ihren Studenten mit auf den Weg geben?Letztendlich geht es um die Begeisterung für die Architektur. Im Seminar des letzten Semesters waren einige Studierende, die Zweifel hatten, ob das was sie machen das Richtige ist, auf-grund von zuviel Arbeit und Stress. Ich versuche, der Begeiste-rung für Architektur nachzugehen. Und zu vermitteln, dass es die Möglichkeiten gibt, auch nach dem Studium seine Ideen umzusetzen. In Bezug auf die Ausbildung ist mein Ziel, dass die Studenten unabhängig und konzeptuell denken können, um auch später ihre eigenen Methoden entwickeln zu können. Das Entscheidende ist für mich: selbständiges methodisches Arbeiten zu lehren.

Wie entsteht der Entwurf? Wie wir überhaupt zu unseren Entwürfen kom-men, ist ja eine große Unbekannte.

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Am Anfang stellt sich natürlich immer die Frage: Wa-rum Erasmus? Für uns war das ganz eindeutig, dass wir nach drei harten Jahren Bachelorstudium dem strickten Studienplan und seinen wenigen freien Entfaltungs-möglichkeiten entfliehen und einfach mal etwas neues ausprobieren wollten. Auslandserfahrung, eine andere Architekturausbildung erfahren, eine neue Kultur ken-nenlernen und eine neue Sprache erlernen, sind Dinge, die für die eigene Erfahrung und Persönlichkeitsent-wicklung von großem Wert sind.In welches Land man geht und an welcher Uni man 1-2 Semester verbringen möchte, erfolgt meist erst nach langem Recherchieren und Abwägen von eigenen Inte-ressen: Wo möchte ich leben? Welche Uni hat das be-ste Angebot? Was möchte ich erleben? Welche Spra-che?... Unsere persönliche Entscheidung fiel auf Valen-cia in Spanien. Die spanische Kultur und Sprache hat uns sehr gereizt und Valencia als aufstrebende, dritt-größte Stadt in Spanien sehr zugesprochen. Die gute Lage zu anderen Städten in Spanien, das Klima und die internationale Ausrichtung der technischen Universität waren weitere Gründe für unsere Entscheidung.Nach der Zusage hat man ein paar Monate Zeit sich vorzubereiten und erste grundlegende Spanischkennt-nisse anzueignen. Dann hieß es erst einmal Kofferpa-cken und auf nach Spanien um eine Wohnung zu fin-den. Da die Wohnungssuche bekanntlich schon einmal länger dauern kann, sind wir extra 2 Wochen früher angereist. Glücklicherweise und allen Erwartungen zum Trotz war die Wohnung schnell gefunden - eine

Ein Erasmusjahr in Valenciavon Julia Krebs und Jarek Siwiecki

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WG mit 2 Studenten aus Schweden und Polen - und die Uni fing erst eine Woche später an, als uns mitge-teilt wurden war. Was tun wenn man noch 3 Wochen Zeit hat bis zum Start des neuen Semesters? Die Stadt erkunden und vor allem erste Kontakte knüpfen mit Studenten aus der ganzen Welt die man auf diversen Erasmuspartys und Veranstaltungen in der Uni ken-nenlernt. Die gemeinsame Zeit als Erasmusstudent in einem fremden Land verbindet und es entstehen einige Freundschaften, die einem auch nach dem Auslands-studium erhalten bleiben werden. In den ersten Tagen des neuen Semesters war es nicht so leicht sich an der neuen Uni zurechtzufinden. Das Gebäude der ETSA (Escuela técnica superior de ar-quitectura) gleicht einem Labyrinth und bei der Or-ganisation zeigte sich bald die bekannte „mañana, mañana“ Mentalität der Spanier, die es mit der Zeit und ihren Stundenplänen nicht ganz so ernst nehmen. Nach der Einschreibung war man zunächst oft auf sich allein gestellt. Vieles musste man sich selber erfragen und öfters nachhaken, um an Informationen zu kom-men. Um ein besseres Bild von dem vielfältigen Kurs-angebot zu erlangen, haben wir uns die in Frage kom-menden Fächer erst alle angeschaut und ausprobiert, welche interessant erschienen. Für die Festlegung hat man als Erasmusstudent 3 Wochen Zeit und die waren auch auf jeden Fall nötig. Von den aus Deutschland gewählten konstruktiven Kursen auf Spanisch wähl-ten wir einige ab, da sich zeigte, dass unsere Sprach-kenntnisse dafür noch nicht ausreichend fortgeschrit-

ten waren. Die Architekturausbildung in Spanien un-terscheidet sich zu der in Deutschland grundsätzlich, da Architekten hier für die statische Berechnung ihres Bauvorhabens immer noch selber verantwortlich sind. Dementsprechend ist das Studium an der UPV noch technischer ausgelegt.

Neben der Uni bietet Valencia auch eine Menge an (Erasmus)-veranstaltungen und lokalen Events. Von der Uni werden jeden Monat organisierte Architek-turreisen in ganz Spanien unternommen. In 2-4 Tagen reist man in bekannte Regionen und besichtigt histo-rische und zeitgenössische Architektur. Neben diesen Reisen haben wir in dem letzten halben Jahr viel ge-sehen und Trips unternommen nach Madrid, Barcelo-na, Marrakesch, die Küste Spaniens und die Region um Castellón.Nun bleibt uns noch fast ein Semester bis es zurück nach Deutschland geht und wir uns für den weiteren Studienverlauf entscheiden müssen. Die Zeit hier in Spanien hat auf jeden Fall neue Interessen geweckt und Hemmschwellen abgebaut, sodass wir einen Ma-ster im Ausland durchaus in Erwägung ziehen. Es ist schön Architektur einmal aus einem anderen Blickwin-kel zu betrachten und verschiedene Bauweisen ken-nenzulernen und miteinander zu vergleichen. Eins ist mit Sicherheit klar, dass wir unsere Zeit hier ge-nießen und die Entscheidung für ein Jahr nach Spanien zu gehen, die richtige war und wir ein Auslandsstudium jedem nur empfehlen können.

Mit Freunden

Veles e Vents_David Chipperfield

Cuidad de las Artes y de las Ciencias

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Gottfried BöhmFestveranstaltungJubiläum 90. Geburtstag

Das Oeuvre Gottfried Böhms umfasst mehr als 200 Planungen und Bauwerke von international herausra-gender Bedeutung u. a. in Brasilien, Italien und Asien. Die deutsche Architektur der Nachkriegszeit ist we-sentlich beeinflusst von seinen Bauwerken wie der Wallfahrtskirche in Neviges (1963-1968) und dem Rathaus Bensberg (1963-1969). Sein architektonisches Schaffen würdigte die große, vielbeachtete Ausstellung

Zu Ehren ihres Emeritus, des bekannten Architekten Gottfried Böhm, hat die Fakultät für Architektur aus Anlass seines 90. Geburtstages am 02. Februar 2010 eine Festveranstaltung in der Aula ausgerichtet. Un-ter den geladenen Gästen befanden sich neben dem Jubilar selbst zahlreiche seiner ehemaligen Studenten und Diplomanden sowie viele seiner ehemaligen Pro-fessoren-Kollegen.

„Gottfried Böhm – Felsen aus Beton und Glas“, die im Jahr 2006 im Deutschen Architekturmuseum in Frank-furt sowie zu Beginn diesen Jahres im Museum für An-gewandte Kunst in Köln gezeigt wurde.Für sein Gesamt-Werk wurde er – als bisher einziger deutscher Architekt - 1986 mit dem Pritzker-Preis aus-gezeichnet, dem Äquivalent zum Nobel-Preis in der Ar-chitektur.

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In den Jahren 1963 bis 1985 war Gottfried Böhm Pro-fessor für Stadtbereichsplanung und Werklehre an der Fakultät für Architektur der RWTH Aachen und prägte mit seiner Lehre, die einen menschenwürdigen, maß-stabsgerechten Stadtraum in den Mittelpunkt stellte, mehrere Generationen von Architekten.Die Festveranstaltung am 02.02.2010 umfasste ne-ben einem Rahmen-Programm mit Begrüßung, Gra-

tulation und Empfang eine Folge von Kurz-Vorträgen, in denen ehemalige wissenschaftliche Mitarbeiter des Lehrstuhls – viele sind oder waren selbst Professoren an deutschen Hochschulen – die zentralen Thesen der Architektur-Lehre Gottfried Böhms aufzeigten, die eine zeitlose Gültigkeit bis heute besitzen.

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Form follows technology Lehr- und Forschungsgebiets Konstruktives Entwerfen Univ.-Prof. Dipl.-Ing. (TH Prag) Mirko Baum WS 08/09 – SS 09

„Form Follows Technology“ war ein erfolgreicher Ver-such in zwei aufeinander folgenden Entwurfsseminaren ehemalige Studierende - heute Mitarbeiter in hochran-gigen Londoner Architektenbüros - als Betreuer in die Lehre einzubinden. Die Entwurfsaufgaben waren eine mobile prototypische Funktionseinheit mit selbstbe-stimmter Nutzung. Das übergreifende Thema der er-sten Aufgabe war das Wasser, das der zweiten Aufga-be die extreme Kälte. Beiden Themen gemeinsam war die Forderung nach industrieller Fertigung in Leicht-bauweise und einem problemlosen Transport.Neben den üblichen Grundsatzüberlegungen konzen-trierte sich die Betreuung auf die Anwendung von 3D CAD-Modellierungstechniken, von Rapid-Prototyping und von computerbasierten Entwurfsmethoden (para-metrische Modellierungssoftware), mit dem Ziel einer

Problemlösung auf dem höchst erreichbaren Niveau der verfügbaren Mittel. Begleitend unterstützt und in-spiriert wurde der Entwurfsprozess mit Vorträgen von Gastdozenten aus der Industrie und der Wissenschaft außerhalb und innerhalb der RWTH. Die Themenbrei-te der Vorträge reichte von Luft- und Raumfahrt über Hochhaus- und Hallenbau bis hin zur Nutzung von in-novativen Werkstoffen. Nach den Zwischenkritiken in Aachen und London folgte im Aachener SuperC eine öffentliche Tagung, in der Referenten (z. T. ehem. RWTH-Absolventen) unterschiedliche Bauprojekte aus dem hochtechnologischen Bereich der Architektur und des Ingenieurbaus erklärt und zur Diskussion gestellt haben. Das Lehrgebiet bedankt sich bei Dirk Krolikowski und Falko Schmitt für ihren selbstlosen Einsatz bei der Or-

ganisation und der Betreuung des Projektes sowie bei Dennis Austin (RSH+P London), Jeroen Coenders (ARUP Amsterdam), Dierk Frenzen (AIRBUS Bremen), Daniel Hecker (Grimshaw Architects London), Marc Hoppermann (UN Studio Amsterdam), Prof. H.-G. Reimerdes (Institut für Leichtbau RWTH Aachen), Steffen Riegas (UN Studio Amsterdam), Felix Weber (ARUP Materials London), Dan Wright (RSH+P Lon-don) und Ozan Yalniz (ARUP Building Engineering London) für ihre inspirierenden Beiträge. Ganz beson-derer Dank wird an den studentischen Beirat zur Ver-wendung von Studiengebühren gerichtet, ohne dessen moralische und finanzielle Unterstützung das Projekt und seine Dokumentation nicht hätte verwirklicht wer-den können.

Dokumentation:Dirk Krolikowski, Falko Schmitt, Mirko Baum (Hsg.), KONSTRUKTION, 109 Seiten, Aachen – London 2009, ISBN 978-3-00-028729-9

Bildanlagen:Nikolas Ulrich Torscheit: Dep Ice Sheet Coring Drill/ Mobile Eiskern-Bohrstation (Übersichtszeichnung des Konstruktionsaufbaus)

StringerSpanten Konstruktion

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Die PT_Tagung 2009 wurde im Rahmen der Veran-staltungsreihe „Stadtentwicklungen“ am 29. Oktober 2009 durchgeführt. Jährlich werden in dieser Reihe wechselnde, stadtplanerisch relevante Themen auf-gegriffen und diskutiert. Die Veranstaltung im Ser-vicezentrum SuperC der RWTH Aachen richtete sich an Praktiker und Wissenschaftler aus allen beteiligten Handlungs- und Forschungsfeldern. Diesem interdiszi-plinären Ansatz entsprach auch die fachliche Zusam-mensetzung des Referentenkreises. Teilgenommen ha-ben rund 150 Personen aus Praxis und Wissenschaft des In- und Auslands sowie 33 ReferentInnen.

Im Rahmen der Tagung wurden:_die Aufgaben der Stadtplanung vor dem Hintergrund der sich wandelnden Rahmenbedingungen der Stadt-entwicklung in nationaler und internationaler Perspek-tive diskutiert,_der Wandel und Veränderung der Profession in einem Disziplinen und Generationen übergreifenden Aus-tausch erörtert,_Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Aufgaben- und Rollenverständnis identifiziert sowie_Folgerungen für Lehre, Berufseinstieg und Praxis ab-geleitet. Besonderes Anliegen war es, auch jungen Pla-nern und Planerinnen das Wort zu erteilen und einen Austausch der Generationen anzuregen.

Ergebnisse im ÜberblickNach der Begrüßung durch den Dekan der Fakultät Ar-chitektur Prof. Peter Russell, in der er „das Vertrau-en in eine bessere Stadtzukunft“ ansprach, begann die Tagung mit drei Einführungsreferaten zu den aktuell wesentlichen Aufgaben und Herausforderungen der Stadtplanung. Festgehalten wurde, dass die in Zukunft Planenden den durch Wandel und Krisen gestellten Aufgabenstellungen und „Spielvarianten der Stadt“ nur begegnen können, wenn sich die Zunft mit viel-schichtigen Kenntnissen wappnet. Dazu gehörten so-wohl „hard skills“ (Recht, Statistik, GIS, Projektsteue-rung, ...) als auch „soft skills“ (Kommunikation, Parti-zipation, Moderation/Mediation, ...). In Bezug auf die Ausbildung der Planenden wurde Kritik laut an den heute teils verschulten Lehrformen und geringer Re-flexionsbereitschaft. Gleichzeitig wurde festgehalten, dass der zu betrachtende Lehr-Gegenstand – die Stadt – äußerst komplex ist und es wurden Fragen laut, wie sich die vielen Anforderungen und Skills im Studium vermitteln lassen oder ob diese nur in postgraduellen Bildungsformen zu vermitteln sind.In den am Nachmittag folgenden vier Arbeitsgruppen wurden die Anforderungen an die Fachleute und Fol-gerungen für die Ausbildung unter den Stichworten Impulse, Entwürfe, Disparitäten und Konstellationen, die unterschiedliche Aufgaben- und Tätigkeitsbereiche

der Stadtplanenden im Sinne von »Stadtperspektiven« bezeichnen, vertieft erörtert. Ziel war es, klar zu stellen, welche Veränderungen jeweils zu beobachten oder zu erwarten sind und was daraus für die zukünftige Aus-bildung im Bereich Stadt resultiert. Das Abschlusspodium nahm das Selbstverständnis der Fachleute aus Architektur und Stadtplanung unter die Lupe und betrachtete Rollenbilder, Fremd- und Selbst-zuschreibungen sowie die »shared mental models« – und die gelegentlich weit davon entfernten Realitäten. Die PlanerInnen wurden aufgerufen, Position zu bezie-hen und sich für die Sicherung und Weiterentwicklung der stadtplanerischen Kernkompetenzen einzusetzen.

Die Dokumentation der Tagungsergebnisse, Audiomit-schnitte der Keynotes und der Podiumsdiskussion so-wie uns zur Verfügung gestellte Präsentationen finden sich unter www.pt.rwth-aachen.de/tagung09. Eine Fortführung der PT_Tagungsreihe „Stadtentwick-lungen“, die jeweils in Kooperation mit Prof. Dr. Uwe Altrock (Universität Kassel), Prof. Dr. Rainer Danielzyk (ILS GmbH, Dortmund) und Prof. Kunibert Wachten (ISL, RWTH Aachen) stattfindet, ist für 2011 vorgese-hen.

Neustart Die Zukunft der Stadtplanung Aufgabe - Profession - Lehre

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Montagabendgespräche Grand Tour Revisited Die architektonische Pilgerfahrt heute

Von Mitte des 18. bis Mitte des 19. Jahrhunderts suchten junge Menschen nach abgeschlossenem Stu-dium mit einer Reise durch Europa, der „Grand Tour“, nach Vorbildern und Inspirationen. Zu diesen Reisen-den gehörten auch Architekten, die von ihren exo-tischen und bildungsreichen Erfahrungen berichte-ten. Noch heute entsteht Architektur, so unsere Ver-mutung, nicht einzig aus der Einmaligkeit besonderer Orte, Kontexte und Bauaufgaben, sondern auch aus

Vortragsreihe der Aachener MontagabendgesprächeLehr-und Forschungsgebiet ArchitekturtheorieUniv.-Prof. Axel SowaKoordination : WM Ariane Wilson, Nicola Schulze

Das Thema dieses Semesters handelt von Reisen und Architektur.

Termine : Montags 19:00Ort : FO4 des Kármán-Auditoriums

30.11.2009_Hans Hollein07.12.2009_Werner Blaser14.12.2009_Sylvain Tesson11.01.2010_Hiroshi Hara18.01.2010_Patrick Blanc25.01.2010_Jilly Traganou01.02.2010_Sam Jacob02.02.2010_Gottfried Böhm - Sonderveranstaltung zum 90. Geburtstag, Aula 1 (Hauptgebäude, RWTH)

der Verarbeitung von Reiseerlebnissen. Während sich die Reisenden der „Grand Tour“ zu den Stätten der Antike begaben, änderten und verzweigten sich die Reiserouten an der Schwelle zur Moderne und standen mehr und mehr im Zeichen eines globalisierten, kultu-rellen Austausches.Geleitet von der Frage, wie die Grand Tour heute ver-laufen könnte, wohin sie führt und was sie im Schaf-fen der Reisenden auslöst, laden wir in diesem Win-

tersemester 6 Persönlichkeiten ein, die als Mittler zwi-schen Heimischen und Entlegenem, Gewohntem und Exotischen gewirkt haben und das Medium Architektur immer wieder als Anregung zu grenzüberschreitendem Denken verstanden haben.(Unterstützt von: Reiff +, Hans-Lamers Stiftung, proR-WTH, Reisebüro Hagemann, Prohelvetia, Moleskine, Lindt, Institut Culturel Franco-Allemand, Französisch-Deutsche Hochschulzusammenarbeit Bonn.)

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Constructing knowledge Lehr- und Forschungsgebiet Architekturtheorie Univ.-Prof. Axel Sowa Tagung

Candide Journal for Architectural Knowledge

Immer wieder wird auf Universitätsebene gefordert, auch die Architekten sollten sich durch Forschungser-gebnisse hervortun. Dies ist etwas, was der zwischen Praxis und Lehre eingespielten Disziplin, nicht ganz leicht fällt.

Die Anfang November stattgefundene Tagung „Constructing Knowledge / Das Wissen der Architek-tur“ war ein wichtiger Schritt in der Etablierung einer Forschungskultur an der Fakultät für Architektur. An-lass der Tagung war die Lancierung der neuen, auf einem blinden Gutachter-Verfahren basierenden Ar-chitektur-Zeitschrift „Candide. Journal for Architectu-ral Knowledge“, die vom Lehr- und Forschungsgebiet gegründet und herausgegeben wird. Ziel der Tagung war es, unterschiedliche, architekturspezifische Wis-sensformen zu diskutieren. Dies geschah auch vor dem Hintergrund drängender Fragen, die den Architektur-fakultäten an wissenschaftlichen Hochschulen in der heutigen Forschungslandschaft aufgegeben wurden. Die Disziplin Architektur musste sich der Frage nach ih-rem akademischen Selbstverständnis stellen, um eigene Methoden und Forschungsoptionen zu formulieren.

Der Call for Papers zur Tagung stieß auf ungewöhnlich große Resonanz. 111 Abstracts aus ganz Europa, Nor-damerika, sowie Ländern aus Asien und Lateinamerika wurden eingereicht, von denen in einem „double blind review“ zwanzig ReferentInnen zu einem Vortrag ein-geladen wurden.

„Candide. Journal for Architectural Knowledge“ ist ein neues internationales, wissenschaftliches Forum für Architekten, Planer, Ingenieure, Sozialwissenschaftler, Ethnologen und Geographen. »Candide« veröffentli-cht zweimal jährlich in englischer und deutscher Spra-

che Forschungsergebnisse aus dem umfangreichen Feld der Architektur und des Bauens. Damit entspricht »Candide« der großen internationalen Nachfrage nach einem Medium, das in der Lage ist, die spezifische Wis-senskultur der Architektur zu pflegen und zu beför-dern. Jede Ausgabe von »Candide« gliedert sich in die fünf Rubriken Essay, Analyse, Projekt, Begegnung und Fiktion. Diese sollen dazu anregen, sich der Architektur auf beobachtende, analytische, kritische oder narrative Weise zu nähern. Die Auswahl der Beiträge erfolgt im Rahmen eines anonymisierten Gutachterverfahrens.

In Candide Nr. 1 finden Sie folgende Beiträge:Essay /Bernhard Cache, De Architectura – Zum Inhaltsver-zeichnis der Zehn Bücher über ArchitekturIn seiner eingehenden Lektüre von De Architectura er-hellt Cache die enzyklopädischen und ingenieurwissen-schaftlichen Hintergründe von Vitruvs Traktat.Begegnung /Axel Kilian und Arnold Walz, Wissen als ProgrammWalz und Kilian erörtern Grenzen und Möglichkeiten des Skriptens in der Architektur.Fiktion /Ulrich Pantle, Bei uns in der StadtPantle sieht in der fiktiven Darstellung von Architektur in deutschen Fibeln eine Ursache für unsere Haltung zur Stadt.Projekt /Wilfried Kuehn, Modell und EreignisKuehn dokumentiert die Leitgedanken zum prämierten und viel diskutierten Neubauentwurf des Berliner Schlosses.Analyse /Robert Gassner, Familienbild mit HausGassner verbindet ethnologische und architektonische Theorien in der Betrachtung eines dänischen Einfamili-enhauses der 1930er Jahre.

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MustergültigGemäldekopien in neuem Licht. Die Reiff-Sammlung zu Gast im Suermondt-Ludwig-Museum20. Dezember 2008 – 22. März 2009

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Eröffnung: 19. Dezember 2008, 19 UhrPressetermin: 18. Dezember 2008, 11.30 Uhr

Lange Zeit galten Kopien nach Gemälden und Skulp-turen als Werke niederen Ranges. Originär und neu musste ein Kunstwerk sein. Das Negativimage der Ko-pien hatte auch praktische Konsequenzen, die Werke verschwanden aus Sammlungen, gerieten in Verges-senheit, oder werden seit Jahren nicht mehr ausge-stellt. Bezeichnende Ausnahmen sind der Raffael-Saal in der „Neuen Orangerie“ in Potsdam, das eindrucks-volle „Musée des monuments français“ in Paris oder die Gipsabgusssammlung des „Busch-Reisinger-Muse-ums“ in Cambridge.„Mustergültig – Gemäldekopien in neuem Licht“ un-tersucht anlässlich des hundertjährigen Jubiläums die Kopiensammlung des Reiff-Museums der RWTH Aa-chen (1908-2008). Sie war mit über 200 Werken unter anderem nach Rembrandt, Rubens, Raffael, Tizian, van Eyck, Dürer, Ribera und auch Lenbach eine der größten Sammlungen ihrer Zeit und diente zunächst der Ausbil-dung von Architekten. Als übergeordnetes Ziel verfolgte man die Entwicklung eines ‚neuen Museumstypus‘ – in dem das Zusammen-spiel von Lehre, Sammlung und Ausstellungen, in de-nen neben kunsthistorischen und wahrnehmungsäs-thetischen Aspekten gleichermaßen die Herstellungs-prozesse zur Anschauung gelangen sollten – um den besonderen Bedürfnissen der Studierenden technischer Hochschulen gerecht zu werden. Zudem wurde das Museum frühzeitig auch für das allgemeine Publikum geöffnet. Sich dieser Traditionen bewusst, ist das vom Institut für Kunstgeschichte initiierte Ausstellungspro-jekt nicht nur in der Theorie Bestandteil der Ausbil-

dung, sondern bindet Studierende der Kunstgeschichte in alle Phasen mit ein – vernetzt Wissenschaft und Öf-fentlichkeit. Anhand von Werken des 17. bis 20. Jahrhunderts, spannenden Gegenüberstellungen von ‚Kopie & Ori-ginal‘ und verschiedenen Nachahmungen einer Bild-vorlage, lassen sich eindrücklich die malerischen Qua-litäten der Originalkopien, die Modalitäten des Kopie-rens und die Geschichte des Sammelns veranschauli-chen. Den Gemälden stehen ausgesuchte Skulpturen und Abgüsse zur Seite. So versteht sich die Ausstellung als ein Beitrag zum umfassenden Thema der Kopie und spürt der Entstehung und Geschichte des Universitäts-museums nach.Martina Dlugaiczyk

Zur Ausstellung erscheint ein umfassender Katalog im Deutschen Kunstverlag, 180 Seiten, 100 zumeist farbi-ge Abb. , 29,90 Euro.

Ausstellungskuratorin: Martina DlugaiczykReiff-Team: Sarvenaz Ayooghi, Ivonne Bochert, Annet-te Burkert, Miriam Elebe, Katharina Frank, Nina Giesen, Christiane Hoerle, Karin Janecek, Jenny Jansen, Nora Karbach, Christina Kral, Kathrin Lange, Pia Reinsch, Caroline Rordorf, Anna Steffens, Martina Witt.

Alexander MarkschiesInstitut für Kunstgeschichte der RWTH Aachenwww.reiff-museum.rwth-aachen.de

Kopist ber der Arbeit_ Wolfgang von Gliszcynski 167

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Werkberichte

Liebe Studierende, liebe Kolleginnen und Kollegen,

hiermit möchten wir Sie recht herzlich einladen zu der diesjährigen Ausgabe unserer Vortragsreihew e r k b e r i c h t e .

Montags 19.30 Uhr im Hörsaal Fo4Kármán - AuditoriumEilfschornsteinstraße 15 / Templergraben52062 Aachen

Wie in den Jahren zuvor, sollen auch in diesem Jahr wieder junge, innovative Architekten aus ganz Europa zu Wort kommen.Folgende Referenten sind unseren Einladungen ge-folgt und wir freuen uns, Ihnen eine interessante und abwechslungsreiche Serie an Vorträgen präsentieren zu können:

Wir hoffen, damit auf ein grosses Interesse zu stossen und freuen uns auf Ihren Besuch.Im Anschluss an die Vorträge besteht die Möglichkeit zur Diskussion und zum fachlichen Austausch imTextilbetonkubus des Cafe Reiff.

Weitere Informationen gibt es im Internet unter: http://www.werkberichte-aachen.de

Lehrstuhl Baukonstruktion 2, Prof. Hartwig SchneiderLehrstuhl Wohnbau, Prof. Wim van den BerghLehrstuhl Gebäudelehre, Prof. Anne-JulchenBernhardt, Prof. Meinrad Morger

0 MO 04.05. Tezuka Architects, Tokio1 MO 11.05. UArchitects, Eindhoven 2 MO 18.05. V+, Brüssel3 MO 25.05. a2o-architecten, Hasselt4 MO 08.06. Buol & Zünd Architekten, Basel 5 MO 15.06 Kersten Geers David van Severen6 MO 22.06. Morscher Architekten, Bern7 MO 29.06. Kühn Malvezzi, Berlin8 MO 06.07. MGF Architekten, Stuttgart9 MO 13.07. Peter Fattinger, TU Wien

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Vorschau - Serie A 20101.2 Architecture & Engineering

Im Jahresbericht 20101.2 für Architektur der RWTH Aachen präsentieren wir neben dem aktuellen Einblick in die Arbeiten der Fakultät ein neues Schwerpunkt-thema. Dieses wird sich in der folgenden Ausgabe mit dem Thema „Architecture and Engineering“ auseinan-dersetzen. So werden interessante Forschungsergeb-nisse und neueste Entwicklungen im Bereich der Bau-forschung von einzelnen Lehreinheiten vorgestellt. Wir hoffen auf ein reges Interesse und würden uns freu-en, wenn Sie auch weiterhin die aktuelle Diskussion an unserer Architekturschule begleiten und mitgestalten.

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Druck Druck&Verlag Mainz, AachenSchrift Syntax (fb2tax)

Auflage 1500 Stück, Aachen 2010

http://architektur.rwth-aachen.de172

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