simulation der schalltransmission durch wände

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Ackermann, L.; Antes, H. Simulation der Schalltransmission durch W¨ ande Die rechnerische Vorausbestimmung der Schalld¨ ammwirkung von W¨ anden bereits in der Entwurfs- und Planungs- phase durch numerische Simulation gewinnt in Zeiten steigender L¨ armbelastungen immer mehr an Bedeutung. Die Erfassung beliebiger geometrischer, bauphysikalischer und bauakustischer Randbedingungen sowie die Ber¨ ucksichti- gung der Interaktion von Fluid und Struktur spielt dabei eine entscheidende Rolle. Die numerische Simulation des Problems erfolgt mit der Finite-Element-Methode (FEM). Dabei wird das orperschallverhalten des Bauteils sowohl durch die Biegewellen, beschrieben nach der Mindlin’schen Plattentheo- rie, als auch durch die In-plane Wellen, dargestellt durch die dynamische, elastische Scheibengleichung, beeinflußt, wenn auch die Auswirkungen flankierender Bauteile untersucht werden sollen. Das akustische Verhalten der die ande umgebenden Luft wird durch die Helmholtz-Gleichung erfaßt. Die Kopplung von Struktur und Fluid, also von orper- und Luftschall, erfolgt an den Koppelfl¨ achen ¨ uber die dort verrichteten virtuellen Arbeiten des Schalldruckes bzw. der Verschiebungen. Das Berechnungsprogramm erm¨ oglicht neben der Ermittlung der Schalldruckverteilungen z. B. auch die Be- rechnung des Schalld¨ amm-Maßes sowohl einschaliger als auch mehrschaliger Trennbauteile. 1. Grundlagen der Berechnung Die Schalltransmission zwischen zwei R¨ aumen wird unter Ber¨ ucksichtigung der Schallfelder im Sende- und Emp- fangsraum, des Verhaltens der Trennwand und der flankierenden W¨ ande und des Einflusses der Struktur-Akustik Interaktion modelliert. Die Berechnungsgrundlage stellt das folgende in Matrizenschreibweise angegebene, ¨ uber die virtuellen Arbeiten gekoppelte Gleichungssystem dar, wobei mit K die Steifigkeits- bzw. Kompressibilit¨ atsmatrix, K F - ω 2 M F -ρω 2 C T -C K S - ω 2 M S p u = L F L S mit M die Massenmatrix, mit ω und ρ die Frequenz bzw. die Dichte, mit C die Kopplungsmatrix, mit L der Last- vektor sowie mit p und u der Schalldruck bzw. die Verformungen bezeichnet werden [3]. Die Indizes F und S stehen ur Fluid und Struktur. Besonderes Augenmerk wird auf die Modellierung komplexerer W¨ ande gelegt. So wird neben einer zweischa- ligen Wand, die sowohl mit Luft als auch mit por¨ osem Material gef¨ ullt sein kann, auch eine beidseitig verputzte Fachwerkwand untersucht. Weiterhin wird anhand eines Beispiels gezeigt, welchen Einfluß orthotropes Materialver- halten auf die Schalld¨ ammwirkung einer gemauerten Wand hat. 2. Die Schalld¨ ammung zweischaliger mit Luft oder D¨ ammstoff gef¨ ullter W¨ ande 100 200 300 400 500 600 700 800 900 1000 Frequenz [Hz] -20 0 20 40 60 80 100 100 200 300 400 500 600 700 800 900 1000 -20 0 20 40 60 80 100 Schalld mm-Ma R [dB] Berechnung R.W. GUY [Acustica 49(1981), S.323-333] FE-Berechnung, Luft im Zwischenraum FE-Berechnung, por ses Material im Zwischenraum Abbildung 1: Schalld¨ amm-Maß einer Doppelplatte aus Mes- sing Um die D¨ ammwirkung zu erh¨ ohen und um gleichzei- tig Fl¨ achengewicht und Materialkosten einzusparen, werden W¨ ande im Hochbau h¨ aufig zweischalig aus- gef¨ uhrt. Dabei verschlechtert jede mechanische Kopp- lung der beiden Schalen das Schalld¨ ammverhalten der Wand. Deswegen ist stets auf eine sorgf¨ altige Pla- nung und Bauausf¨ uhrung zu achten. Zur Verbesserung der W¨ arme- aber auch Schalld¨ ammung wird in der Regel por¨ oses Material in den Schalenzwischenraum eingebracht. Die Modellierung dieses D¨ ammstoffes er- folgt ¨ uber einen ¨ aquivalenten Fluid-Ansatz anhand der Theorie von Champoux und Allard [1]. In Abbildung 1 ist ein Vergleich der Schalld¨ amm- Maße einer Doppelplatte aus Messing f¨ ur unterschied- liche Berechnungsmethoden zu sehen und gezeigt, welchen Einfluß die por¨ ose Zwischenschicht hat. Deutlich ist die Section 13.1 379

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Page 1: Simulation der Schalltransmission durch Wände

Ackermann, L.; Antes, H.

Simulation der Schalltransmission durch Wande

Die rechnerische Vorausbestimmung der Schalldammwirkung von Wanden bereits in der Entwurfs- und Planungs-phase durch numerische Simulation gewinnt in Zeiten steigender Larmbelastungen immer mehr an Bedeutung. DieErfassung beliebiger geometrischer, bauphysikalischer und bauakustischer Randbedingungen sowie die Berucksichti-gung der Interaktion von Fluid und Struktur spielt dabei eine entscheidende Rolle.

Die numerische Simulation des Problems erfolgt mit der Finite-Element-Methode (FEM). Dabei wird dasKorperschallverhalten des Bauteils sowohl durch die Biegewellen, beschrieben nach der Mindlin’schen Plattentheo-rie, als auch durch die In-plane Wellen, dargestellt durch die dynamische, elastische Scheibengleichung, beeinflußt,wenn auch die Auswirkungen flankierender Bauteile untersucht werden sollen. Das akustische Verhalten der dieWande umgebenden Luft wird durch die Helmholtz-Gleichung erfaßt. Die Kopplung von Struktur und Fluid, also vonKorper- und Luftschall, erfolgt an den Koppelflachen uber die dort verrichteten virtuellen Arbeiten des Schalldruckesbzw. der Verschiebungen.

Das Berechnungsprogramm ermoglicht neben der Ermittlung der Schalldruckverteilungen z. B. auch die Be-rechnung des Schalldamm-Maßes sowohl einschaliger als auch mehrschaliger Trennbauteile.

1. Grundlagen der Berechnung

Die Schalltransmission zwischen zwei Raumen wird unter Berucksichtigung der Schallfelder im Sende- und Emp-fangsraum, des Verhaltens der Trennwand und der flankierenden Wande und des Einflusses der Struktur-AkustikInteraktion modelliert. Die Berechnungsgrundlage stellt das folgende in Matrizenschreibweise angegebene, uber dievirtuellen Arbeiten gekoppelte Gleichungssystem dar, wobei mit K die Steifigkeits- bzw. Kompressibilitatsmatrix,

[KF − ω2MF −ρω2CT

−C KS − ω2MS

][pu

]=

[LF

LS

]

mit M die Massenmatrix, mit ω und ρ die Frequenz bzw. die Dichte, mit C die Kopplungsmatrix, mit L der Last-vektor sowie mit p und u der Schalldruck bzw. die Verformungen bezeichnet werden [3]. Die Indizes F und S stehenfur Fluid und Struktur.

Besonderes Augenmerk wird auf die Modellierung komplexerer Wande gelegt. So wird neben einer zweischa-ligen Wand, die sowohl mit Luft als auch mit porosem Material gefullt sein kann, auch eine beidseitig verputzteFachwerkwand untersucht. Weiterhin wird anhand eines Beispiels gezeigt, welchen Einfluß orthotropes Materialver-halten auf die Schalldammwirkung einer gemauerten Wand hat.

2. Die Schalldammung zweischaliger mit Luft oder Dammstoff gefullter Wande

100 200 300 400 500 600 700 800 900 1000

Frequenz [Hz]

-20

0

20

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60

80

100

100 200 300 400 500 600 700 800 900 1000

-20

0

20

40

60

80

100

Sch

alld

mm

-Ma

R [d

B]

Berechnung R.W. GUY [Acustica 49(1981), S.323-333]

FE-Berechnung, Luft im Zwischenraum

FE-Berechnung, por ses Material im Zwischenraum

Abbildung 1: Schalldamm-Maß einer Doppelplatte aus Mes-sing

Um die Dammwirkung zu erhohen und um gleichzei-tig Flachengewicht und Materialkosten einzusparen,werden Wande im Hochbau haufig zweischalig aus-gefuhrt. Dabei verschlechtert jede mechanische Kopp-lung der beiden Schalen das Schalldammverhalten derWand. Deswegen ist stets auf eine sorgfaltige Pla-nung und Bauausfuhrung zu achten. Zur Verbesserungder Warme- aber auch Schalldammung wird in derRegel poroses Material in den Schalenzwischenraumeingebracht. Die Modellierung dieses Dammstoffes er-folgt uber einen aquivalenten Fluid-Ansatz anhand derTheorie von Champoux und Allard [1].

In Abbildung 1 ist ein Vergleich der Schalldamm-Maße einer Doppelplatte aus Messing fur unterschied-liche Berechnungsmethoden zu sehen und gezeigt, welchen Einfluß die porose Zwischenschicht hat. Deutlich ist die

Section 13.1 379

Page 2: Simulation der Schalltransmission durch Wände

gute Ubereinstimmung von analytischer und FE-Berechnung auch bei hoheren Frequenzen zu erkennen. Ebenfallswerden die resonanzbedingten Einbruche im Schalldamm-Maß in der Nahe der Platteneigenfrequenzen (bei etwa85, 390 und 700Hz) und im Bereich der Masse-Feder-Masse Resonanz (bei etwa 190Hz) sowie in der Nahe derersten Hohlraumresonanz (bei 850Hz) treffend wiedergegeben. Der porose Dammstoff erfullt, wie im Vergleich mitder Berechnung mit luftgefulltem Zwischenraum gut zu sehen, aus schalltechnischer Sicht mehrere Funktionen. Zumeinen verringert er die Steifigkeit der Luftschicht und damit auch die Kopplung der beiden Schalen und zum anderendampft er gleichzeitig die oben genannten resonanzbedingten Einflusse.

3. Das Schalldammverhalten komplexerer Wande

100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600

Frequenz [Hz]

20

25

30

35

40

45

50

55

60

100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600

20

25

30

35

40

45

50

55

60

Sch

alld

mm

-Ma

R [d

B]

Messungen von H.-P. Leimer, A. Harting [Bauen mit Holz (3)1996, 208--216]

FEM-Berechnung(SCSS, =0.017, =0.04)

Abbildung 2: Schalldamm-Maß einer Fachwerkwand

Viele im Hochbau verwendete Wande bestehen aus sehrunterschiedlichen Materialien und weisen haufig einensehr komplexen Aufbau auf (z. B. gemauerte, verputz-te Wande, Fachwerkwande, leichte Trennwande). Eingeeignetes Verfahren zur Erfassung dieser anisotropenGegebenheiten stellt die Homogenisierung dar. Hierwird nach Lee et al. [4] aus den komplexen Bauteilenein homogenisiertes Material mit aquivalenten, aller-dings orthotropen Eigenschaften ermittelt.

In Abbildung 2 sind die berechneten und ge-messenen Schalldammkurven einer Fachwerkwand ge-genubergestellt. Dabei werden die Berechnungsergeb-nisse, wie bei Messungen ublich, terzfrequenzgemitteltdargestellt. Auch hier wird eine im Ganzen gute Ubereinstimmung im Vergleich Messung-Rechnung erzielt, wennman die Unsicherheiten auf der Meßseite (streuende Materialparameter und Meßergebnisse, fehlende Angaben zu denRandbedingungen, usw.) bedenkt. Durch die Mittelung ist allerdings eine detailliertere Interpretation der Ergebnisseoftmals nicht mehr moglich, da zuviele Informationen verloren gehen.

50 60 70 80 90 100 200 300

Frequenz [Hz]

30

40

50

60

70

50 60 70 80 90 100 200 300

30

40

50

60

70

Sch

alld

mm

-Ma

R [d

B]

Isotrop, EKS / EM = 1

orthotrop, EKS / EM = 2.5

orthotrop, EKS / EM = 5

orthotrop, EKS / EM = 10

Abh ngigkeit vom Verh ltnis der E-Moduli von KS und M rtel

Abbildung 3: Schalldamm-Maß einer ”Kalksandsteinwand“

In Abbildung 3 sind die unterschiedlichen Ergebnisseisotroper bzw. verschiedener orthotroper Berechnun-gen am Beispiel einer Wand aus Kalksandstein (KS)in Abhangigkeit vom Verhaltnis der E-Moduli der ein-zelnen Bestandteile KS und Mortel (M) zueinanderdargestellt. Die isotrope Berechnung wurde mit einemflachenhaft gemittelten E-Modul von 13, 5GPa (KS= 15GPa, M = 6GPa) durchgefuhrt. Bei den or-thotropen Berechnungen wurde das Verhaltnis der E-Moduli zueinander wie angegeben verandert, wobei ei-ne flachenhafte Mittelung wiederum die 13, 5GPa derisotropen Berechnung ergeben wurde. Es stellt sich her-aus, daß bei einem geringen Unterschied der E-Moduli

die Abweichungen von der isotropen Berechnung nur im Bereich weniger dB liegen. Werden die Materialien aberzunehmend unterschiedlicher, so kommt es zu starken Anderungen im Verlauf des Schalldamm-Maßes. Eine isotropeBerechnung mit flachenhaft gemitteltem E-Modul erweist sich dann als nicht mehr ausreichend.

4. References

1 Champoux, Y.; Allard, J.-F.: Dynamic tortuosity and bulk modulus in air-saturated porous media; J. Appl. Phys. 70,No. 4 (1991), 1975–1979.

2 Guy, R.W.: The transmission of airborne sound through a finite panel, air gap, panel and cavity configuration - a steadystate analysis; Acustica 49, (1981), 323–333.

3 Langer, S.; Antes, H.: Coupled Finite Element - Boundary Element Calculation of Sound Transmission through Windows;In: Proceedings of the Seventh International Congress on Sound and Vibration, IIAV (2000), IV-2053–2061.

4 Lee, J.S.; Pande, G.N., Middleton, J.; Kralj, B.: Numerical modelling of brick masonry panels subject to lateralloadings; Comp. & Struct. 61, No. 4 (1996), 735–745.

5 Leimer, H.-P.; Harting, A.: Schallschutz von Fachwerkwanden; Bauen mit Holz 3, (1996), 208–216.

Dipl.-Ing. Lutz Ackermann, Prof. Dr.rer.nat. Heinz Antes,Technische Universitat Braunschweig, Institutfur Angewandte Mechanik, Spielmannstr. 11, D-38106 Braunschweig, Germany

380 PAMM, Proc. Appl. Math. Mech. 1 (2002)