sonderpublikation von ausgabe juli/august 2014 magazin · nichts in der geschichte des lebens ist...

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MAGAZIN ZUM 8. DEUTSCHEN MARKEN-SUMMIT Moment of Truth – Vom Wunsch zur Wahl MEDIEN UND MARKEN DER ZUKUNFT STORYTELLING DIGITAL TOUCHPOINTS WAS MARKEN STARK MACHT FOKUS: Sonderpublikation von Ausgabe Juli/August 2014 www.marken-summit.de DAS MAGAZIN 8.

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MAGAZIN ZUM 8. DEUTSCHEN MARKEN-SUMMIT

Moment of Truth – Vom Wunsch zur Wahl

MEDIEN UND MARKEN DER ZUKUNFT

STORYTELLING

DIGITAL TOUCHPOINTS

WAS MARKEN STARK MACHT

FOKUS:

Sonderpublikation von Ausgabe Juli/August 2014

www.marken-summit.deDAS MAGAZIN

8.

HERAUSGEBER/VERLAG F.A.Z.-Institut für Management-, Markt- und Medieninformationen GmbHFrankenallee 68–72 60327 Frankfurt am MainE-Mail: [email protected].: (069) 7591 3021

PROJEKTLEITUNG Cornelia Klaas

REDAKTION Sarah Bautz (sah), Christina Lynn Dier (cld), Julia Hoscislawski (hos), Eva Roßner (er), Cornelia Klaas (verantw.) (ckl)

GESTALTUNG Sandra Reich

DRUCK & VERARBEITUNG Boschen Offsetdruck GmbH, Frankfurt am Main

FOTOS / QUELLEN © Dirk Beichert BusinessPhoto mit Ausnahme von: Titelbild: © Deutsche Bank AGSeite: 3, 4 © Thinkstock Seite: 7, 11 © ANTARION.DE 2014Seite: 12 Vgl. www.thinkwithgoogle.com, 11.07.2014

2 8. Deutscher Marken-Summit 2014

Inhalt / Impressum

06 „Dort präsent sein, wo Menschen die meiste Zeit verbringen“

Von Martin Ott, Managing Director Northern Europe, Facebook

08 „Alles wird noch direkter und visueller“

Carsten Knop, F.A.Z.-Wirtschaftsredakteur, und Mathias Müller von

Blumencron, Chefredakteur Digitale Medien, F.A.Z., im Gespräch

10 Ins Gespräch kommen, im Gedächtnis bleiben

12 Kundenkontakt online oder Face-to-Face: Markenstory macht erfolgreich

13 „Die Geschichte muss authentisch sein“ Nachgefragt bei Dr. Christoph Holzbach, Partner, FPS

14 Geerdet im Produkt Dr. Steven F. Althaus, Leiter Markenführung, BMW, und Marketing Services,

BMW Group, im Interview

16 Zurück zum Zuhören

18 „Emotionale Kraft und ein relevantes Angebot“

Nachgefragt bei Christian Rummel, Deputy Global Head of

Brand Communications & Corporate Citizenship, Deutsche Bank AG

19 „Innovationen auf allen Kanälen“

Nachgefragt bei Susanne Meier, Vice President Brand Strategy,

Deutsche Post DHL

20 Rückgrat zeigen!

22 „Ohne Intuition kein Unternehmertum“

Nachgefragt bei J Justus Schneider, CEO Interbrand Central and

Eastern Europe

03 Editorial

04 Markenzeichen in der Natur

23 Impressionen

8 Medien und Marken der Zukunft

14

Storytelling

16

Digital Touchpoints

20

Was Marken stark macht

Rubriken

Nichts in der Geschichte des Lebens ist beständiger als der Wandel, sagte der englische Naturforscher Charles Darwin.

Von seinem Lebensthema, der Evolution, können auch wir als Nichtbiologen viel lernen. Denn in der Natur wie in

der Wirtschaft gilt: Es werden nur die überleben, die sich an eine veränderte Umwelt anpassen können. Im Senckenberg

Naturmuseum, wo wir dieses Jahr mit dem Vorabendprogramm des 8. Deutschen Marken-Summits zu Gast waren,

konnten die Teilnehmer dieses Prinzip eindrucksvoll erleben. Dass Dinosaurier zu den Verlierern der Evolution gehören,

ist hinlänglich bekannt. Wie aber Insekten wie Schmetterlinge durch „Markenzeichen“ das Überleben ihrer Art sichern,

war eine von vielen spannenden Erkenntnissen.

Auch für Marken und Unternehmen gilt: Langfristig überlebt, wer sich – gerade in Zeiten medialen und kommunikativen

Wandels – an neue Rahmenbedingungen anpasst und Begehrlichkeiten weckt. Was Wunsch-Marken heute und künftig

ausmacht, diskutierten 170 Gäste und Sprecher am 3. und 4. Juni 2014 unter dem Leitthema „Moment of Truth – vom

Wunsch zur Wahl“.

Wo und wie finden Markenentscheidungen heute statt? Wie können Wünsche aufgespürt und Storys erzählt werden?

Und wie können Marken mit Stresssituationen umgehen, um dennoch erste Wahl zu bleiben? Diese und weitere Fragen

haben beim Summit einen intensiven Austausch angestoßen – und finden sich nun auf den Seiten dieses Magazins

wieder. Wir laden Sie herzlich ein, nachzulesen und weiterzudenken, was zukunftsorientiertes Markenmanagement aus-

macht und wie wir die neue „Customer Journey“ gestalten können.

Gemeinsam mit unseren Mitveranstaltern Deutsche Bank, Deutsche Post DHL, FPS und Interbrand freuen wir uns sehr

über den großen Zuspruch, den der 8. Deutsche Marken-Summit in Frankfurt am Main verzeichnet hat. Wir danken allen

unseren Gästen, den vielen neuen Teilnehmern wie den uns gewogenen Stammgästen, die sich – auch interaktiv – rege

vor Ort eingebracht haben. Besondere Anerkennung gilt unseren Mitveranstaltern und Partnern für den hervorragenden

Austausch sowie allen Sprechern für ihre spannenden und wegweisenden Impulse.

Auf das Wiedersehen im Juni des nächsten Jahres in Frankfurt am Main freuen wir uns schon heute!

Volker Sach Cornelia Klaas

VOM WUNSCH ZUR WAHL

Volker Sach Geschäftsführer F.A.Z.-Institut

Cornelia Klaas Projektleiterin Marken-Summit F.A.Z.-Institut

8. Deutscher Marken-Summit:

Wer sind die Gewinner und Verlierer der Evolution? Anpassungsfähigkeit in Zeiten des Wandels ist eine wichtige Fähigkeit, die das Überleben sichert. Das gilt in der Wirtschaft wie in der Biologie. Wie sich Natur und Umwelt im Laufe der Jahrhunderte verändert haben, das zeigten die Sprecher beim Auftakt des 8. Deutschen Marken-Summits im Senckenberg Naturmuseum.

8. Deutscher Marken-Summit 2014 3

Editorial

WER BIST DU?

Schon immer, so scheint es, sind die Menschen fasziniert von Schmetterlingsflügeln. Wir bestaunen die schillernden Farben und die überraschenden Muster, die aus Tausenden mikroskopisch kleinen Schuppen zusammengesetzt sind, und glauben nicht selten, darin Motive zu erkennen: meist Augen, bei exotischeren Exemplaren aber auch Smileys oder Herzchen – sogar ganze Alphabete wurden inzwischen aus den Flügel-zeichnungen verschiedener Falterarten zusammengestellt.

Zugegeben, mit vermeintlichen Buchstaben auf den Flügeln ihrer Artgenossen können Schmetterlinge wenig anfangen. Doch das bedeutet nicht, dass sie aus den Farben und Mustern nichts herauslesen könnten. Im Gegenteil: Solche „Markenzeichen“ sichern in der Natur das Erkennen und Wiedererkennen von Interaktions-partnern, sei es auf Nahrungssuche oder bei der Partnerwahl – so beschreibt es Klaus Lunau, Professor am Institut für Sinnesökologie an der Universität Düsseldorf. Sie können Tieren zum Beispiel Auskunft darüber geben, zu welcher Art ihr Gegenüber gehört oder welche individuellen Qualitäten es hat. Das gilt nicht nur für die Flügel von Schmetterlingen, sondern zum Beispiel auch für die Farbspiegel an den Flügeln von Enten oder die gelbe Pollenfarbe, mit der eine Blume Bienen und andere Insekten an ihren „Touchpoint“ lockt.

So gesehen erfüllen die Flügelzeichnungen eine ähnliche Funktion, wie es Marken(zeichen) in unserem Alltag tun: Sie helfen uns, aus der Vielfalt des Angebots den richtigen Interaktionspartner herauszufiltern. Doch Ach-tung, nicht jedes Zeichen ist ehrlich. Auch in der Natur können Markenzeichen vorgeben, etwas anderes zu sein, als sie tatsächlich sind. In der Tierwelt wie im Markt gilt also gleichermaßen: Prüfe, wer sich bindet! (sah)

Wie bauen wir heute erfolgreiche Marken auf? Wie können wir die Markenwahl beeinflussen und wie Begehrlichkeiten

wecken? Und welche Rolle spielt das Smartphone für Werbetreibende?

Wir erleben im Moment einen fundamenta-

len Wandel des Konsumentenverhaltens.

Schon heute – und das wird sich in der

Zukunft noch verstärken – sind die Menschen

und Konsumenten auf verschiedenen Screens

unterwegs, und damit geht eine Veränderung

des Medienverhaltens einher. Um diesen Um-

bruch im Medienverhalten und die Bedeu-

tung für Marken zu verstehen, muss man sich

Folgendes vergegenwärtigen: Auf das erste

Massenmedium Radio folgte ab den 1950er

Jahren das Fernsehen als Leitmedium. Es hat-

te eine enorme, bis dahin unbekannte Reich-

weite. Mit Fernsehwerbung konnten Marken

ihre Botschaft einer breiten Masse kommuni-

zieren. Diese Vorgehensweise war jedoch ein-

dimensional: Werbung war darauf ausgelegt,

dass man sie im übertragenen Sinne „mit der

Schrotflinte verschoss“, mit dem Ziel und der

Hoffnung, die Zielgruppe annähernd gut zu

erreichen. In den 1990er Jahren entstand das

Internet, und die Leute verbrachten immer

mehr Zeit im Netz. Die digitalen Medien ent-

wickelten sich weiter und überholten 2013

erstmals das Fernsehen als Leitmedium. Das

Smartphone hat dabei die Rolle des mobilen

Haupttreibers und wird auch in Zukunft diese

Entwicklung wesentlich bestimmen.

Den Kunden erreichen 2014 kommt kein Unternehmen mehr an

den Begriffen Mobile und Multi-Screen

vorbei. Aber was bedeutet das für Unterneh-

men, die ihre Marke aufbauen, Begehrlich-

keiten wecken und den Einzelnen mit ihrer

Botschaft und der Marke erreichen möch-

ten? Sie müssen sich an die veränderte

Mediennutzung anpassen und dort präsent

sein, wo ihre Kunden die meiste Zeit ver-

bringen. Auf Facebook ist das der News-

Feed. Der persönliche Nachrichten-Stream,

auf dem, für jeden Menschen individuell, die

relevantesten Beiträge von Freunden, Nach-

richtenseiten, Marken oder auch Persönlich-

keiten des öffentlichen Lebens einlaufen.

Dort haben Unternehmen die Möglichkeit,

mit einzigartigen, großartigen und teilens-

werten Markengeschichten die Menschen

zu erreichen, die ihnen wichtig sind.

Global gesehen, nutzen monatlich mehr als

1,28 Milliarden Menschen Facebook. 609

Millionen Menschen greifen täglich über

mobile Endgeräte auf die Plattform zu. Das

zeigt, Mobile ist kein Trend, sondern Reali-

tät, auch in Deutschland. Denn von den

mehr als 20 Millionen Menschen, die täglich

„DORT PRÄSENT SEIN, WO MENSCHEN DIE MEISTE ZEIT VERBRINGEN“Von Martin Ott, Managing Director Northern Europe, Facebook

Martin Ott im Interview auf unserem YouTube-Channel

6 8. Deutscher Marken-Summit 2014

auf Facebook aktiv sind – das sind heute

schon mehr Menschen, als einige etablierte

TV-Sender an einem Tag zusammen errei-

chen –, kommen über 15 Millionen über

Smartphones und Tablets. Die Reichweite

hat sich also in den letzten Jahren extrem

vergrößert. Hinzu kommt, dass die Men-

schen nicht mehr nur zur Primetime der TV-

Zeiten, sondern von morgens bis abends

erreichbar sind. Ein durchschnittlicher

Facebook-Nutzer greift rund vierzehnmal

am Tag mobil auf Facebook zu, und in diesen

Momenten können Marken im Leben der

Menschen eine Rolle spielen.

Durch das veränderte Mediennutzungs-

verhalten entdecken die Menschen heute

Informationen in Feeds, die wie digitale Zei-

tungen genutzt werden. Das ehemals analo-

ge Blättern der Seiten wird durch Scrollen

ersetzt, und bei Interesse kann sich der Le-

ser in die angezeigten Themen vertiefen. Die

Themen des Feeds reichen von leichteren

News, wie dem Wetter oder dem Mittag-

essen, über emotionale und private Neuig-

keiten, wie Hochzeitsfeiern, Geburten und

Taufen, bis hin zu aktuellen Nachrichten

über F.A.Z. oder Spiegel sowie Videos. Die

Herausforderung für Marken besteht zum

einen darin, mit zielgruppenrelevanten Bot-

schaften auf den Screens der Tablets und

Smartphones für potentielle Kunden präsent

und attraktiv zu sein. Zum anderen ist es

wichtig, die Zielgruppe effektiv über alle

Endgeräte hinweg zu erreichen und dabei ein

einheitliches Markenerlebnis zu etablieren.

Zielgruppenspezifische Werbung durch Facebook Gutes Marketing funktioniert dabei nach wie

vor nach dem Prinzip: Bringe relevante Inhal-

te zum richtigen Zeitpunkt vor die richtigen

Personen. Mit Facebook verliert Werbung

ihre Eindimensionalität und wird zielgrup-

penspezifischer. Hier nur zwei Beispiele:

Mit Hilfe von Facebook gelang es Lufthansa,

seine Markenbeliebtheit unter den reise-

affinen Millennials in den USA und in

Deutschland um 14 Prozent zu steigern.

Über elf Wochen erzählten insgesamt

55 Posts – Videos in verschiedener Länge,

Fotos und Fotoalben – von zehn Reisenden

und ihren Erlebnissen. So erzielte Luft-

hansa maximale Reichweite und

Aufmerksamkeit innerhalb der

Zielgruppe der Millennials.

Coca-Cola verschaffte sich in

Amerika während des Super-

bowls breite Aufmerksamkeit

über eine stark zielgruppen-

spezifische Kampagne auf

Facebook. Die breite Ziel-

gruppe „US-Amerikaner“

wurde dabei in einzelne,

nach soziodemographischen Eigenheiten de-

finierten Gruppen unterteilt. So wurden bei-

spielsweise Amerikaner mit muslimischem

Hintergrund, Schwule und Lesben oder His-

panics sehr spezifisch mit einzelnen Posts

angesprochen.

Kurzum: Die seit den Anfängen des Marke-

tings bestehende Frage, wie Unternehmen

relevante Botschaften im geeigneten Mo-

ment vor die Augen der richtigen Zielgruppe

bringen, bleibt unverändert. Eines funktio-

niert jedoch heute und in Zukunft anders:

Die klassische Primetime existiert nicht

mehr, denn die Menschen nutzen heute mo-

bile Geräte, und die Anzahl der Kanäle hat

sich vervielfacht. Hier bietet Facebook eine

Lösung, um sich in dieser neuen Realität

durchzusetzen.

„DORT PRÄSENT SEIN, WO MENSCHEN DIE MEISTE ZEIT VERBRINGEN“Von Martin Ott, Managing Director Northern Europe, Facebook

Martin Ott, Managing Director Northern Europe, Facebook

Andreas Rotzler, Interbrand: Vom Markenpolizist zum Marken-DJ – von der reinen Kontrollinstanz zum Ermöglicher.

8. Deutscher Marken-Summit 2014 7

„ALLES WIRD NOCH DIREKTER UND VISUELLER“Im Gespräch über die Zukunft der Medien: Carsten Knop, F.A.Z.-Wirtschaftsredakteur, und Mathias Müller von Blumencron, Chefredakteur Digitale Medien, F.A.Z.

Carsten Knop: Ist Facebook für die

Tageszeitung als Medium Konkurrenz

– oder sogar schon mehr als das?

Matthias Müller von Blumencron: Facebook

ist eine Plattform, die die Nutzer schätzen.

Wir nutzen sie vermehrt, weil unsere Leser

dort sind. Facebook ist heute für uns eine

ganz wichtige Vertriebsplattform. Im Moment

ändert sich die Art und Weise, wie wir an die

Leser herankommen, radikal: Wir warten

nicht mehr nur, bis jemand auf unsere Web-

site kommt und sich informiert. Wir versu-

chen, unsere Leser dort zu finden, wo sie sich

aufhalten – nicht nur auf Facebook, sondern

vor allem über die technischen Geräte, die die

Leser und Kunden bei sich haben. So kommen

wir viel näher an sie heran als jemals zuvor.

Durch die technischen Entwicklungen

hat sich auch das Konkurrenzumfeld sehr

stark verändert. Die Nutzer schreiben

heute selbst. Blogger können ihre Texte

auf neuen Plattformen publizieren und

so von deren Reichweite profitieren. Ist

das erst der Anfang?

Das Konkurrenzumfeld, vor allem in den USA,

hat sich dramatisch entwickelt. Was wir dort

schon seit längerem sehen, wird uns in drei

bis fünf Jahren erreichen. Es gibt eine Zunah-

me nicht nur an Bloggern, sondern auch an

Fachleuten, die sich selbst zu Marken im Netz

aufbauen. Außerdem kommt es ständig zu

Gründungen von redaktionellen Seiten. Ein

Beispiel ist etwa politico.com, mittlerweile

mit richtiger Redaktion, die aus einem Blog

entstanden ist. Oder die Huffington Post, die

es innerhalb von wenigen Jahren geschafft

hat, die Reichweite der New York Times weit

zu übertreffen. Das sind ernstzunehmende

Konkurrenten, und ich rechne damit, dass wir

Beispiele dieser Art immer öfter auch in

Deutschland sehen werden.

Mobilität und damit der unglaubliche

Siegeszug der Smartphones spielen eine

immer wichtigere Rolle. Kann sich ein

Medium wie eine Zeitung auf diesen

Trend überhaupt einstellen?

Das ist sogar essentiell. In Zeiträumen, in de-

nen sie früher eine Zeitung oder ein Magazin

Mathias Müller von Blumencron, Chefredakteur Digitale Medien, Frankfurter Allgemeine Zeitung

Mathias Müller von Blumencron im Interview auf unserem YouTube-Channel

8 8. Deutscher Marken-Summit 2014

gelesen haben, etwa in Wartesituationen am

Flughafen oder am Bahnhof, greifen die Leser

mittlerweile zum Smartphone. Insofern ist es

für ein Qualitätsinformationshaus extrem

wichtig, seine Dienste und Produkte für mo-

bile Geräte zu optimieren und online zu posi-

tionieren. Auch in diesem Punkt ist die Ent-

wicklung in den USA schon weiter, dort gibt

es sehr innovative Ansätze. Wir versuchen

heute viel stärker als früher zu studieren, wie

sich die Leser informieren und was sie erwar-

ten. Inhaltlich wollen wir nach wie vor die

Qualität und Tiefe bieten, die die Leser von

uns gewohnt sind.

Gilt es also auch für Medienunterneh-

men, durch die neuen Formen der

Kommunikation den Kunden besser

kennenzulernen – und sich dann auch

besser auf ihn einzustellen?

In der kürzlich bekanntgewordenen Analyse

der New York Times über die Zukunft ihrer

Zeitung steht, dass es nicht nur darauf an-

komme, gute Inhalte zu erstellen, sondern

diese auch an einen Leser zu bringen. Man

sollte in einer Redaktion daher Distributions-

manager haben. Bisher haben wir gesagt:

Hier ist die Redaktion, und dort ist der Verlag.

So gab es relativ wenig Überschneidungsflä-

che. In der digitalen Welt geht das nicht mehr.

Nun sitzt man ständig mit den Technikern

zusammen, denn sie bauen das Fahrgestell,

die Distributionsmaschine.

Es klingt ungewohnt, in der Redaktion

einen Distributionsmanager zu haben.

In der Tat gibt es in der Redaktion mittler-

weile Leute, die sich sehr gut damit ausken-

nen, wie man Texte in den Suchmaschinen

unter die ersten Ergebnisse bringt, ohne sie

so zu verbiegen, dass die Leser sie nicht

mehr lesen wollen. Schon das ist Distribu-

tionsmanagement. Aber wir müssen in die-

ser Disziplin noch wesentlich stärker und

engagierter werden.

Kann man überhaupt sagen, wo wir

in fünf, zehn oder 20 Jahren stehen

werden, wenn es um das Machen und

Nutzen von Medien geht?

Was in zehn oder 20 Jahren sein wird, ist

nicht voraussehbar. Dazu brauchen wir nur

zehn oder 20 Jahre zurückzuschauen: Was

dachten wir damals, wie die Zukunft ausse-

hen würde? Und wie hat sie sich tatsächlich

entwickelt? Auch die Antwort auf die Frage,

was in fünf Jahren sein wird, liegt noch in

sehr dichtem Nebel. Die nächsten zwei oder

drei Jahre sind besser absehbar: Wir werden

in der medialen Welt weiterhin eine Intensi-

vierung der Information wahrnehmen. Alles

wird noch näher am Liveerlebnis sein, noch

direkter und vor allem noch visueller. Ich den-

ke, diese direkte, visuelle Kommunikation, die

wir im Moment über WhatsApp schon auf der

Bilderebene mit Textbeigabe führen, wird sich

auf die Videoebene übertragen. Wir werden

eine Zunahme von Pushnachrichten erleben.

Schon jetzt arbeiten wir ja ständig mit Feeds,

Newslettern und immer mehr mit Twitter. Von

überall her donnert Information auf uns ein,

mit der wir umgehen müssen. Wir dürfen den

Leser daher auch nicht überfrachten.

Apropos zu viele Informationen: Das

Google-Urteil wird in Amerika völlig

anders rezipiert als in Deutschland.

Ich glaube, dass das Google-Urteil in seinen

Wirkungen im Moment noch unterschätzt

wird. Es kann zu einer entscheidenden Ver-

änderung im Netz, nämlich von einer aktuel-

len Überpräsenz des Negativen zu einer

Überpräsenz des Positiven führen. Immer

mehr werden wir Google und die Entität der

Suchergebnisse ähnlich verstehen wie Face-

book. Da wir alle gerne ein besseres Bild von

uns zeichnen, werden wir die Möglichkeiten

der Einflussnahme auf dieses Bild, die im

digitalen Bereich leichter möglich ist, nut-

zen. Das Gericht hat der Aggregation von

Suchergebnissen bei Google eine mediale

Dimension beigemessen. Jeder Einzelne

kann eine völlig andere Identität annehmen,

und dasselbe werden über kurz oder lang

Konzerne und Konzernverantwortliche auf

Google versuchen.

Stefan Schnitzler stellt das interaktive Votingsystem vor.

Die interaktive Teilnehmerumfrage zeichnet ein Bild über die Meinungen im Publikum zu diversen Themen.

Gleichzeitig haben die Teilnehmer die Möglichkeit, während des Panels Fragen an Moderator und Referenten zu schicken.

8. Deutscher Marken-Summit 2014 9

INS GESPRÄCH KOMMEN, IM GEDÄCHTNIS BLEIBEN

Das Erzählen von Geschichten ist eine uralte Kommunikationsform – die sich moderne Unternehmen immer häufiger

für ihre Zwecke zu eigen machen. Aber wieso sind wir bereit, mehr zu zahlen, wenn es eine gute Story zu einem

Produkt gibt? Und ist Storytelling ein interdisziplinäres Erfolgsrezept?

Wenn es um die großen Stoffe und Geschich-

ten geht, kennt sich Nico Hofmann bestens

aus. Der 54-Jährige ist Vorsitzender der Ge-

schäftsführung von UFA FICTION und hat

Blockbuster wie „Unsere Mütter, unsere Vä-

ter“ oder „Der Medicus“ produziert. Für Hof-

mann sollte eine erfolgreiche Story gleich

mehrere Kriterien erfüllen: „Der Stoff muss

authentisch, wahrhaftig und vor allem rele-

vant sein. Man kann die Zuschauer nur dann

vor die Bildschirme oder ins Kino locken,

wenn das Thema für sie eine Relevanz hat.“

Auch sei für ihn als Filmemacher ein gewisses

Gespür für den Zeitgeist entscheidend. „Nur

so gelingt es mir, mit meinen Storys politische

und gesellschaftliche Debatten auszulösen –

und genau das ist mein Ziel.“

Gleiches Genre, andere Ziele: Für Werbefilm-

regisseur Daniel Warwick steht stets das Pro-

dukt im Mittelpunkt – um das er dann die

passende Story baut. Gerade einmal 30 Se-

kunden hat er im Schnitt Zeit, um die Bot-

schaft beim Publikum zu platzieren. Dabei

unterscheidet Warwick, der bereits Spots für

Kunden wie Smart, Mercedes-Benz oder IKEA

produziert hat, zwei Herangehensweisen:

„Beim Werbefilm ist es entscheidend, ob man

für ein bestehendes Produkt einen Film pro-

duziert – also Imagepflege betreibt –, oder ob

der Film auf einen Produktlaunch aufmerk-

sam machen soll.“

Authentisch kommunizierenUm das Erzeugen von Aufmerksamkeit geht

es auch bei Michael Otremba und seinen Sto-

rys. Als Vice President Marketing, Advertising,

Media hat er eine besondere Arbeitsstätte:

den Flughafen München. Dort verantwortet

er unter anderem den markengetriebenen

Changeprozess im Zuge der Neupositionie-

rung des Flughafens. Dabei steht Otremba vor

einer besonderen Herausforderung: „In den

letzten 20 Jahren hat sich das Geschäft

grundlegend verändert. Das ehemals einzige

Kerngeschäft Aviation spielt weiterhin eine

große Rolle, macht aber nur noch 50 Prozent

der Erlöse aus. Wir müssen also neu definie-

ren, wer wir eigentlich sind und was wir kön-

nen.“ Das gehe mit einer Verschiebung von

Gleichgewichten einher, mit neuen Arten der

Führung, Kommunikation und Interaktion.

Dabei müsse zunächst das Selbstverständnis

wachsen, dass auch ein Flughafen Story-

telling brauche und es jede Menge spannen-

der Geschichten zu erzählen gebe.

Die Story von mymuesli ist schnell erzählt –

und genau darin sieht Hubertus Bessau einen

wesentlichen Vorteil seines Unternehmens.

Direkt aus dem BWL-Studium heraus gründe-

te er gemeinsam mit zwei Studienfreunden

das Start-up aus persönlicher Überzeugung:

Sie wollten ein Produkt kreieren, das sie

selbst am Markt vergeblich suchten – gute

Müslis, die man sich individuell zusammen-

stellen kann. Sieben Jahre später und um eini-

ge Gründerpreise reicher, weiß Bessau: „Die

beste Story nützt nichts, wenn ich als Unter-

nehmer nicht weiß, was meine Kunden möch-

ten.“ Letztendlich sei jeder selbst Kunde,

überall, jeden Tag. Hier sei es hilfreich, sich

selbst bei Kaufentscheidungen zu beobach-

ten. „Und wenn ich dann noch authentische,

glaubwürdige Wege finde, um mit meinen

Kunden auf Augenhöhe zu kommunizieren,

habe ich schon vieles gewonnen“, so Bessau.

Neue Wege des DialogsBeim Thema Dialog sind sich alle Experten

einig: „Wir sind ständig im Gespräch mit un-

Michael Otremba, Vice President Marketing, Advertising, Media, Flughafen München

Nico Hofmann, Vorsitzender der Geschäftsführung, UFA FICTION

Hubertus Bessau, Geschäftsführer, mymuesli GmbH

10 8. Deutscher Marken-Summit 2014

seren Kunden und verbessern nach ihrem

Feedback auch schon mal die Zusammenset-

zung unserer Produkte“, sagt Bessau. Auf

diesem Weg könne das Unternehmen aus

Kunden Fans und Mitstreiter machen.

Auch für Hofmann von UFA FICTION ist der

Dialog von entscheidender Bedeutung: „Es

geht immer darum, mit einer Story Menschen

zu erreichen. In den Monaten vor einem Film-

start nutze ich ganz gezielt Pressekonferenzen

als Sprachrohr und Kontaktmöglichkeit zum

Publikum.“ Außerdem sei es wichtig, viele

verschiedene Kanäle zu bedienen, um vor der

Neuerscheinung eines Films mit möglichst

vielen verschiedenen Zielgruppen zu kommu-

nizieren. „Nur so kann man heutzutage die

nötige Flughöhe erreichen, die einen erfolg-

reichen Filmstart ermöglicht“, so Hofmann.

Otremba setzt beim aktuellen Changepro-

zess des Flughafens München vor allem auf

die Kommunikation mit den Mitarbeitern:

„Erst wenn wir im Unternehmen vermittelt

bekommen, wer wir sind und wo wir hinwol-

len, können wir diese Botschaft auch nach

außen tragen.“

Um den Bekanntheitsgrad von mymuesli wei-

ter zu steigern, ist auch Bessau ständig auf der

Suche nach neuen Dialogmöglichkeiten. „On-

line ist nach wie vor unser stärkster Kanal.

Aber mit unseren inzwischen 13 eigenen

Shops treten wir mit unseren Kunden zusätz-

lich über andere Wege in Kontakt.“

Gestaltungsfreiheit nutzenDas Thema Claim sehen die Experten dagegen

deutlich differenzierter. Storytelling sei zwar

durchaus über einen Claim möglich, meint Ot-

remba. Allerdings müsse hier eine starke und

charismatische Persönlichkeit hinter dem

Claim stehen, die die Markenbotschaft glaub-

haft vermitteln kann. „Sonst ist ein Claim

nichts als Schall und Rauch“, so Otremba. Und

Hofmann ergänzt: „Ein Claim muss mit dem

Produkt übereinstimmen, sonst kann er nicht

funktionieren.“ Im Fernsehbereich sei außer-

dem zu beobachten, dass der Claim zusehends

an Wichtigkeit verliere. Viel wichtiger als den

perfekten Claim findet Werbefilmregisseur

Warwick die nötige Gestaltungsfreiheit beim

Storytelling: „Es hat viel mit Bauchgefühl zu

tun, mit Kreativität und dem Mut, etwas Neues

auszuprobieren. Diese Freiheit muss man sich

beim Storytelling nehmen.“ (cld)

Daniel Warwick, Werbefilmregisseur

Interessierte Teilnehmer auf dem 8. Deutschen Marken-Summit.

Marken müssen glaubwürdig sein

Prof. Manfred Güllner, Geschäftsführer, forsa Gesellschaft für Sozialforschung mbH

Immer wieder

werden neue

„Tools“ ange-

boten, um Marken

angeblich „besser

verstehen“ und

neue Erkenntnisse

gewinnen zu können. Dies ist meist kein

Hinweis auf methodische Souveränität,

sondern oft ein Zeichen von Hilflosigkeit

angesichts des raschen Wandels der

Gesellschaft und ihrer Kommunikationsfor-

men. Trotz dieses Wandels bleiben die

Methoden der Marktforschung auch für die

strategische Markenplanung unverändert:

Mit qualitativen und quantitativen

Verfahren muss in Erfahrung gebracht

werden, welche Bedürfnisse und Wünsche

die Verbraucher haben – und wie diese

bewussten oder im Unterbewusstsein

vorhandenen Bedürfnisse mit dem von den

Herstellern angestoßenen Markenerlebnis

in Einklang zu bringen sind. Und trotz aller

neuen Medien und Kommunikationsmög-

lichkeiten gilt: Für diesen Einklang von

Wünschen und tatsächlichem Erleben ist

unverändert wichtig, dass Marken Orientie-

rung geben und Glaubwürdigkeit aus-

strahlen.

KURZ- GEFASST

8. Deutscher Marken-Summit 2014 11

KUNDENKONTAKT ONLINE ODER FACE-TO-FACE: MARKENSTORY MACHT ERFOLGREICH

Die diesjährige Teilnehmerbefragung teilte sich in zwei Phasen – eine Befragung der Teilnehmer im Vorfeld und eine

Teilnehmerbefragung mit Hilfe eines interaktiven Votings am Veranstaltungstag – und fokussierte sich auf Fragen zur

Customer Journey. Wir wollten wissen, welche Elemente der Markenführung und welche Touchpoints in den jeweiligen

Phasen der Customer Journey für die Unternehmen eine Rolle spielen.

Zentrale Ergebnisse der Vorabumfrage zum

Thema „Elemente der Markenführung“ sind:

• In allen Phasen der Customer Journey hat

die Markenstory überragende Bedeutung.

• In den ersten drei Phasen (Awareness,

Consideration, Intent to purchase) spielen

auch Farben und Designs sowie Claims

eine wichtige Rolle.

• In der abschließenden vierten Phase

(Decision) treten diese zugunsten sonsti-

ger Elemente wie beispielsweise Experten-

wissen, Glaubwürdigkeit und Lieferfähig-

keit zurück.

Zentrale Ergebnisse des interaktiven Teilneh-

mervotings zum Thema „Touchpoints und

Marken“ sind:

• In allen Phasen der Customer Journey

sind die wichtigsten Touchpoints der per-

sönliche Kontakt am Point of Sale dicht

gefolgt vom Online-Kundenkontakt.

• Je nach Phase gewinnen neben den ge-

nannten weitere Touchpoints an Bedeu-

tung: In der ersten Phase (Awareness)

Printwerbung und in der zweiten Phase

(Consideration) Social Media. Kommt es

zur Kaufabsicht und dem Kauf selbst,

spielen Messen, Events und Produktpro-

motion eine Rolle.

Der Prozess der Customer Journey

Interaktives Voting: Wodurch verliert man Kunden im letzten Moment?

Nicht immer verläuft die Customer Journey so ideal, dass sie mit der vierten Phase (Decision) abschließt.

Wir wollten daher wissen: Wodurch verliert man Kunden im letzten Moment? Die wichtigsten Gründe finden Sie hier:

Die Grafik zeigt ein ausgewähltes Ergebnis der interaktiven Teilnehmerumfrage auf dem 8. Deutschen Marken-Summit. Die Gesamt-Stimmverteilung ergibt sich aus den Stimmen der einzelnen Teilnehmer. Jeder Teilnehmer konnte maximal 10 Punkte vergeben. Eine Mehrfachangabe von Stimmen war möglich.

Preis-Leistungs-Verhältnis überzeugt doch nicht

Falsche inhaltliche Ansprache

Fehlende Verfügbarkeit und Auffindbarkeit am Point of Sale

Falsches Verhalten der Mitarbeiter / Markenbotschafter

Komplizierte Benutzeroberflächen am digitalen Point of Sale

Schlechte Präsentation am Point of Sale

Negativempfehlungen

Sonstiges

146124

9089

7268

6242

INTENT TO PURCHASE

DECISION

CONSIDERATION

AWARENESS

12 8. Deutscher Marken-Summit 2014

Dr. Christoph Holzbach im Interview auf unserem YouTube-Channel

Nachgefragt

„DIE GESCHICHTE MUSS AUTHENTISCH SEIN“ Nachgefragt bei Dr. Christoph Holzbach, Partner, FPS

Das Interview führte Sarah Bautz.

Herr Dr. Holzbach, warum sind wir als

Kunden bereit, mehr für ein Markenpro-

dukt zu zahlen, wenn es uns eine gute

Geschichte erzählt?

Durch eine gute Geschichte werden wir an-

gesprochen und emotionalisiert. Wenn die

Brand Story authentisch ist, positive Gefühle

in uns weckt und wir uns mit ihr identifizie-

ren können, steigt auch unsere Kaufbereit-

schaft. Desto besser die Geschichte, desto

höher der Preis, den wir als Konsumenten zu

zahlen bereit sind.

Gelten für Storytelling unterschiedliche

Bedingungen, je nachdem, auf welchem

Kanal es passiert?

Definitiv. Aber nicht nur die unterschiedlichen

Kanäle, sondern auch die verschiedenen End-

geräte decken die Gründe und Motive für die

Nutzung ganz unterschiedlich ab. Es ist ein

Unterschied, ob man eine Story in einem TV-

Spot sieht oder beispielsweise auf dem eige-

nen Smartphone, wenn man in der Mittags-

pause mal kurz auf sein Handy schaut. Außer-

dem gelten natürlich auch rechtliche Rah-

menbedingungen, die allerdings unabhängig

von den Kanälen gelten.

Wie sehen diese rechtlichen Grenzen

aus?

Storytelling unterliegt, wie alle anderen

Werbeformen auch, rechtlichen Regelungen,

wie beispielsweise denen des UWG (Gesetz

gegen den unlauteren Wettbewerb). Wer-

bung im Allgemeinen darf zum Beispiel nicht

diskriminierend oder menschenverachtend

sein. Außerdem gibt es rechtliche Grenzen,

um Verbraucher vor inhaltlich irreführenden

Werbeaussagen zu schützen und die Ver-

schleierung des Werbecharakters zu verhin-

dern. Es gilt das Transparenzgebot: Werbung

muss als solche erkennbar sein. Das gilt

selbstverständlich auch fürs das Storytelling.

Wie können sich Markenanbieter

angesichts scharfer Kennzeichnungs-

rechte und -pflichten von der Konkur-

renz absetzen?

Jeder, der eine Marke – ein Produkt oder eine

Dienstleistung – auf den Markt bringt, unter-

liegt den gleichen Kennzeichnungsrechten

und -pflichten wie seine Wettbewerber. Das

heißt, die Ausgangslage ist für jeden Wettbe-

werber gleich. Aus dieser Situation das Beste

zu machen und in die „Winning Position“ zu

kommen, ist die Aufgabe des Werbeschaffen-

den. Je besser er darin ist, über die Story, die

mit dem Produkt erzählt wird, den Verbrau-

cher anzusprechen und zu emotionalisieren,

umso besser ist am Ende auch der Erfolg der

Marke.

Kann Storytelling auch zu einer

Überinszenierung von Marken führen?

Ja, auch wenn das meiner Auffassung nach

eine subjektive Grenze sein dürfte, denn Ge-

schichten entstehen immer in den Köpfen

der Betrachter. Jeder von uns kennt Werbe-

spots, die einem persönlich nicht gefallen,

die man für überfrachtet und unehrlich hält.

Auch hier ist der Kreative gefragt, der die

Story erfindet und umsetzt. Er muss die

schmale Grenze ausloten zwischen der

Inszenierung der Marke und einer Über-

inszenierung; zwischen „ins positive Licht

rücken” und „verfälschen”. Eine Überins-

zenierung würde dazu führen, dass das

Ansehen des Produkts und der Marke

geschmälert wird, weil man die Story, die

erzählt wird, nicht mehr als wahr, als

authentisch empfindet.

8. Deutscher Marken-Summit 2014 13

Dr. Steven F. Althaus, Leiter Markenführung, BMW, und Marketing Services, BMW Group

Dr. Steven F. Althaus im Interview auf unserem YouTube-Channel

14 8. Deutscher Marken-Summit 2014

GEERDET IM PRODUKT Verständnis und Möglichkeiten der Mobilität ändern sich rasant. Welche Auswirkungen hat das auf das Geschäftsmodell

– und damit auch auf Marke und Marketing – großer Automobilhersteller? BMW-Marketingchef Dr. Steven F. Althaus gibt

einen Einblick in Herausforderungen und Chancen.

Noch zehn Minuten bis zum Ziel – so sagt es

das Navigationsgerät dem Fahrer des Wa-

gens. Damit meint es allerdings: zehn Minu-

ten laufen. Die Parkplatzsituation am Zielort

sei schlecht, am besten lasse der Fahrer den

Wagen auf dem nahegelegenen Park-&-

Ride-Parkplatz stehen und lege das letzte

Stück des Wegs zu Fuß zurück. Spätestens

hier wird man stutzig. Das Navi gehört zum

i3, dem neuen Elektrofahrzeug von BMW.

Und auch die Software, die die Route vor-

schlägt, liefert der Hersteller gleich mit. Der

Konzern, der seit Jahrzehnten die „Freude

am Fahren“ propagiert, empfiehlt dem Fah-

rer also ernsthaft, zu Fuß zu gehen?

Dr. Steven Althaus, der bei BMW für die Mar-

kenführung verantwortlich ist, benutzt dieses

Bild gern, nicht zuletzt, weil er die Lacher auf

seiner Seite weiß, wenn er auf den scheinba-

ren Widerspruch hinweist. Dabei ist der

Grund, warum es dieses Bild überhaupt gibt,

ein durchaus ernster: Es steht stellvertretend

für einen grundlegenden Wandel des Ver-

ständnisses von Mobilität, der sich massiv auf

das Geschäftsmodell von Automobilherstel-

lern auswirkt – und damit auch auf ihre Mar-

ken, ihre Produkte und ihre Dienstleistungen.

Elektromobilität als Muss

Wenn es darum geht, die Herausforderun-

gen seiner Branche und den notwendigen

Schritt hin zur Elektromobilität zu beschrei-

ben, ist Steven Althaus nicht zimperlich.

Zwar gebe es bei BMW verschiedene erfolg-

reiche Markensegmente und Autos verschie-

dener Größenklassen, doch der Trend hin

zum kleineren, umweltfreundlicheren Fahr-

zeug sei klar. „Ohne BMWi werden wir als

Marke dauerhaft kein Geschäftsmodell ha-

ben“, bringt Althaus es auf den Punkt. Die

Vorgaben dafür kommen dabei von ver-

schiedenen Seiten, vom Kunden bis zur

staatlichen Behörde: „Zum Beispiel hat der

Staat Kalifornien entschieden, ab dem Jahr

2022 keine Fahrzeuge mit Verbrennungsmo-

tor mehr zuzulassen. Für uns bedeutet das:

Wir müssen komplett neu denken!“

Dieses neue Denken gilt nicht nur für technolo-

gische Fragen, da ist sich Althaus sicher. Es

verlange auch einen anderen Ansatz für das

Verständnis von Markenführung und Marke-

ting insgesamt. „Ich glaube nicht daran, dass

Marketing eine eigene Welt ist, vielmehr ist es

zutiefst geerdet im Produkt. Die Forderung, wir

müssten mehr ‚marketing-minded‘ werden, ist

der vollkommen falsche Ansatz.“ Stattdessen

gehe es stärker darum, wie man mit den Mit-

teln des modernen Marketings noch bessere

Produkte und Konzepte entwickeln könne, ge-

meinsam mit den Ingenieuren, die für Althaus

„die Seele des Unternehmens“ sind. Es reiche

nicht mehr, die Produkte, die aus der F&E-Ab-

teilung kommen, in spannenden Bildern und

Filmen zu inszenieren, Touchpoints zu organi-

sieren und schöne Messen zu machen: „Das

bleibt zwar auch ein Pflichtteil, aber die Rolle

des Marketings wird zunehmend eine andere.

Es muss schon in die Produktentwicklung hin-

ein eine Rolle spielen.“ Bei i3 sei das der Fall

gewesen: „Da haben wir erst mal die Anforde-

rungen der Zielgruppe in das Unternehmen

hineintragen, um dann zu überlegen: Wie soll

das Auto denn aussehen?“

Treiber für Geschäft und Marketing

Die drei wesentlichen Veränderungen, denen

sich seine Branche gegenübersieht, lauten für

Althaus Konnektivität, Handel und Nutzung.

Die zunehmende Vernetzung, die mit Konnek-

tivität gemeint ist, bezieht sich dabei nicht nur

auf Fragen des Kunden, sondern auch auf

technologische Überlegungen, die mit einer

8. Deutscher Marken-Summit 2014 15

„Der persönliche Kontakt kann nicht ersetzt werden“

Detlef Braun,

Geschäftsführer der

Messe Frankfurt,

über Marken und

Handelsplätze der

Zukunft

Das Interview führte Christina Lynn Dier.

Herr Braun, die Welt wird immer digitaler.

Was bedeutet das für Handelsplätze?

Ganz klar: Die Digitalisierung wird auch die

Messebranche prägen. Digitale Produkte und

Services setzen sich immer mehr durch und

sind aus einem idealen Marketingmix nicht

mehr wegzudenken. Auch für die Messe

Frankfurt bietet diese Entwicklung viele

Vorteile: Wir als Messeunternehmen können

unsere Zielgruppen jetzt an 365 Tagen im

Jahr begleiten – und nicht nur an den jeweils

vier bis fünf Messetagen, an denen sich eine

gesamte Branche physisch vor Ort befindet.

Darum laden wir auch unsere Marke mit

digitaler Kompetenz auf, haben mit „dex-

perty“ eine eigene „Digital Brand“ etabliert.

Ist das Konzept der physischen Begegnung

also überholt?

Auf keinen Fall. Das reale Erleben von

Menschen, von Produkten, von Marken-

inszenierungen ist nach wie vor entschei-

dend – und wird auf der Marketingskala

auch weiter entscheidend bleiben. Hierbei

wird das klassisch bekannte B2B-Geschäft

zunehmend durch B2P – Business to People

– Marketing abgelöst.

Der persönliche Kontakt, das sinnliche

Erfahren von Marken kann nicht ersetzt

werden. Digitale Services und Kommunikati-

onsmittel sind integraler Bestandteil unseres

B2P-Marketings, weil sie uns und unsere

Zielgruppen über das ganze Jahr vernetzen.

Für welche Herausforderungen muss sich

die Marke „Messe Frankfurt“ wappnen?

Für Herausforderungen muss man sich nicht

wappnen, Herausforderungen nimmt man

an. Genau das haben die Frankfurter Messe-

veranstalter in den vergangenen 800 Jahren

getan. Die Messe Frankfurt ist als lokaler

Anbieter gestartet, mittlerweile ist unsere

Marke umfassend internationalisiert und in

mehr als 150 Ländern präsent. Eine große

Herausforderung hierbei war – und ist nach

wie vor – das stringente Markenmanage-

ment. Wir haben dafür stringente Brandma-

nagementstrukturen etabliert. Unsere Brand-

manager führen von Frankfurt aus konse-

quent mit allen zur Verfügung stehenden

Marketinginstrumenten die Marken, die wir

im In- und Ausland platziert haben. So

stellen wir sicher, dass die Marke „Messe

Frankfurt“ überall auf der Welt wiederer-

kennbare Werte und Inhalte vertritt.

Und wohin geht die Reise künftig?

Auch in Zukunft kommen wichtige Aufgaben

auf uns zu. Neben der Digitalisierung, über

die wir schon gesprochen haben, hierzu zwei

Stichpunkte: Konsolidierung auf Angebots-

und Nachfrageseite sowie die zunehmende

Volatilität in den Wirtschaftsregionen der

Welt. Aber wir bleiben unserer Linie treu:

Die Messe Frankfurt wird weiter in ihre

Marken investieren, um ihren Kunden die

besten internationalen Geschäftschancen

zu bieten.

zunehmenden Konvergenz der Industrien ein-

hergehen. „Was hält Google eigentlich davon

ab, in den Automobilmarkt einzusteigen?“,

fragt Althaus rhetorisch. Auch die Händlerorien-

tierung werde ganz neu definiert, da der i3 zum

ersten Mal direkt von der AG an den Kunden

verkauft werde. Beim Thema Nutzung schließt

sich der Kreis mit Blick auf neue Geschäftsmo-

delle: Wie müssen Produkte und Services ausse-

hen, wenn das – nicht unbedingt eigene – Fahr-

zeug nur noch eins von vielen Verkehrsmitteln

ist, um sich in der Stadt der Zukunft fortzubewe-

gen? Bei der Suche nach Lösungen sieht Alt-

haus Marke und Markenführung in allen drei

Bereichen in einer Schlüsselposition.

Zugleich appelliert er für die konsequente An-

bindung aller Maßnahmen an das Produkt.

„Die größte Wahrheit liegt in der tatsächlichen

Produktsubstanz. Sie können heute nichts kreie-

ren, was nicht in der Produktsubstanz erlebt

wird.“ Aufgrund der massiv gestiegenen Über-

prüfbarkeit sei es unmöglich, dem Kunden eine

Geschichte zu erzählen, die zu weit vom Pro-

dukt entfernt sei. Das gelte entlang der gesam-

ten Wertschöpfungskette. „Die Leute wollen

heute wirklich wissen, wo Moses Lake liegt –

der Ort, wo wir den Rohstoff Karbon für den i3

gewinnen. Sie wollen wissen, wie wir den Was-

serverbrauch in der Produktion senken und er-

neuerbare Energien einsetzen.“ Für BMWi und

den i3 scheint diese Strategie aufzugehen, das

Markenterritorium hat sich durch den neuen

Ansatz deutlich vergrößert. „80 Prozent der i3-

Kunden hatten wir vorher nicht in der Marke

BMW“, sagt Althaus nicht ohne Stolz. (sah)

INTERVIEW

ZURÜCK ZUM ZUHÖRENDigital ist Trumpf, doch analog hat deshalb noch lange nicht ausgedient. Markenverantwortliche müssen den Spagat

zwischen den Welten beherrschen, um ihre Kunden zu erreichen. Was bedeutet das für die Gestaltung von Touchpoints?

Und wie genau funktionieren Markenerlebnisse in einer digitalen Welt?

Was einst mit der Erfindung des Internets

begann, wurde mit Hilfe mobiler Endgeräte

zum Selbstläufer: die digitale Vernetzung

der Welt. Sie schreitet voran und mit ihr die

technische Entwicklung der Kommunikation.

Ob „zwitschern“, „liken“ oder „sharen“ –

Begegnung findet heute überall statt. Zeit

und Ort spielen dabei längst keine Rolle

mehr. Für Markenverantwortliche eine Her-

ausforderung der besonderen Art, denn An-

zeige, Plakat und Fernsehspot reichen nicht

mehr aus, um die gewünschte Zielgruppe zu

erreichen.

„Früher gab es zwei oder drei, heute gibt es

über 60 verschiedene Punkte für die Platzie-

rung von Werbung“, sagt Marc Opelt, Be-

reichsvorstand Vertrieb beim Versandhänd-

ler Otto. Bei all den Möglichkeiten entschei-

de allein der Kunde, welcher „Touchpoint“

Tür und Tor zur jeweiligen Markenwelt öffne.

Das Plakat an der Hauswand könne ein Be-

rührungspunkt sein, die Anzeige in der Sei-

tenleiste der jeweiligen Internetsuchmaschi-

ne ebenfalls. Doch damit nicht genug. „Wir

sollten nicht nur die Kontaktpunkte, sondern

auch alle technischen Möglichkeiten ken-

nen, um den Kunden zu erreichen“, so der

Vertriebsexperte. Nur wer die entsprechen-

den Technologien richtig beherrsche, sei

auch in der Lage, ein echtes Markenerlebnis

zu schaffen.

Orte der Begegnung Allerdings lassen sich diese Momente gar

nicht so leicht steuern. „Viele Touchpoints

einer Marke finden im Netz statt. Und zwar

meist dann, wenn wir nicht dabei sind“,

sagt Christine Bender von SAP. Bender ver-

antwortet beim Softwarehersteller die Be-

reiche Digital, Social and Community Marke-

ting für Mittel- und Osteuropa. Sie weiß, wie

wichtig es ist, die „Digital Experience“ eines

Unternehmens auszubauen. Das Marketing

müsse für die notwendige Transformation

sorgen, um die Kunden dort zu erreichen, wo

sie auf die Marke treffen – und das sei eben

oft in sozialen Netzwerken der Fall.

Blind auf digitale Vertriebs- und Kommuni-

kationskanäle zu setzen, das kommt für die

Marketingexpertin jedoch nicht in Frage.

„Digital ist Trend, dennoch sollten Unter-

nehmen bei der Wahl ihrer Kommunikations-

kanäle präzise differenzieren“, so Bender.

Denn letztendlich entscheide der Kunde, wo

genau er sich über Produkte informiere. Um

diese Begegnungsorte zu kennen und die

Bedürfnisse der Kunden auszuloten, sollten

sich die Firmen zurückbesinnen. „Unterneh-

men müssen ihren Kunden wieder zuhören“,

erklärt sie. Kundenpräferenzen stünden im

Vordergrund, danach hätten sich die Investi-

tionen in digitale oder eben analoge Kom-

munikationskanäle im besten Fall zu richten.

Deshalb sollten Unternehmen auf die ent-

sprechenden IT-Lösungen setzen, um Kun-

dendaten analysieren und dann auch richtig

interpretieren zu können.

Zuhören verändert Zurück zum Zuhören – was zunächst simpel

klingt, kann in der Praxis weitreichende

Konsequenzen haben. „Das Thema Techno-

logie verändert die gesamte Unternehmens-

struktur“, erklärt Opelt. Wenn analog und

digital synchronisiert werden, träten näm-

lich nicht nur Vertriebsmitarbeiter in Kun-

denkontakt. Beim engagierten Twittern,

Liken und Posten erhielten auch andere Mit-

arbeiter Mandate zur Kommunikation. Die

Marc Opelt, OTTO-Bereichsvorstand Vertrieb

Jessica Peppel-Schulz, CEO, UDG United Digital Group GmbH

Christine Bender, Head of Integrated Digital for Middle & Eastern Europe, SAP AG

16 8. Deutscher Marken-Summit 2014

Aufteilung in Abteilungen mit und ohne

Kundenkontakt werde so zunehmend auf-

geweicht.

„Wer seinen Kunden zuhören möchte, muss

bereit für einen Wandel und Überdenken der

bisherigen Kundenbeziehungen sein “, sagt

auch Jessica Peppel-Schulz, CEO der Full

Service-Agentur UDG United Digital Group.

In der Vergangenheit sei der Kundenkontakt

meist Aufgabe der Vertriebs- und Serviceab-

teilungen gewesen. Dieses Silodenken habe

lange gut funktioniert, sei aber der Komple-

xität aktueller Herausforderungen in der

digitalisierten Welt nicht gewachsen.

Es gehe vielmehr darum, mit der digitalen

Transformation Prozesse in der Beziehung

zum Kunden neu zu gestalten so die CEO.

Denn der Kunde bestimme nach wie vor die

Form der Interaktion, On- und Offline ver-

schmelzen dabei jedoch gänzlich. Dies

bringe natürlich auch eine neue Form der

Markenführung mit sich, die in Echtzeit auf

die verschiedenen Kanäle und Endgeräte

sowie die individuellen Wünsche des

Kunden angepasst sein müsse – um authen-

tische Markenerlebnisse zu schaffen. „An-

passungsfähigkeit ist King“, so die Marken-

spezialistin – auch wenn Kommunikation

dann nicht mehr absolut kontrolliert ablaufe.

Kontrollverlust zulassen„Der Kontrollverlust kann und sollte nicht

verhindert werden“, ergänzt Otto-Bereichs-

vorstand Opelt. Sicherlich könne an der ein

oder anderen Stellschraube gedreht wer-

den. Der enge Kontakt zu den Mitarbeitern

spiele da beispielsweise eine große Rolle.

Unternehmen müssten ihre Leute für die

negativen Folgen einer unautorisierten

Kommunikation von Unternehmensinhalten

sensibilisieren. Doch Opelt weiß: Wer in ei-

nem sozialen Netzwerk einen Sturm der

Entrüstung über sich hat ergehen lassen

müssen, dem hätten die traditionellen Kom-

munikationsprozesse in der Regel nicht ge-

holfen. Viel wichtiger sei hingegen, dass

Unternehmen an ihrer Authentizität arbei-

teten und offen kommunizieren: „Wenn sie

im Kern nicht das sind, was sie vorgeben zu

sein, bekommen Marken in unserer heuti-

gen Welt große Probleme.“ (er)

Kluge Köpfe für eine komplexe Welt

Jessica Peppel-Schulz, CEO, UDG

Die digitale

Revolution hat

neue Entwicklun-

gen entfacht.

Unternehmen sind

gefordert, die

Beziehungen zu

Kunden neu zu gestalten. Denn die neuen

Technologien bieten hervorragende

Einblicke in das Kundenverhalten, um die

Interaktion mit der Marke noch effektiver zu

gestalten. Der Marketer steht dabei vor

neuen Challenges: Er wird vor allem Analyst.

Aber eines ist auch klar: Der Kunde

entscheidet über die Form der Interaktion!

Seine Reise wird nahtloser, On- und Offline

verschmelzen. Marken müssen so smarter

agieren. Wir begleiten diese, um sie

erfolgreich in der Wahrnehmung durch die

Kanäle der digitalen Welt zu chauffieren.

Die Herausforderungen werden aber weiter

wachsen: Geprägt von Realtime, Relevanz,

anywhere. Informationen müssen schnell

verfügbar, analytisch intelligent zusammen-

zuführen sein. Den Kunden befreien von

„Information Overload“, ihm helfen,

Relevantes von Unwichtigem zu unterschei-

den – so wird seine „Customer Journey“

ein einzigartiges Erlebnis.

KURZ- GEFASST

Christine Bender (r.) betont die zunehmende Bedeutung sozialer Netzwerke als Touchpoint bewusst. Analoge Kommunikationskanäle sollte man dennoch nicht unterschätzen.

8. Deutscher Marken-Summit 2014 17

Christian Rummel im Interview auf unserem YouTube-Channel

„EMOTIONALE KRAFT UND EIN RELEVANTES ANGEBOT“ Nachgefragt bei Christian Rummel, Deputy Global Head of Brand Communications & Corporate Citizenship, Deutsche Bank AG

Das Interview führte Christina Lynn Dier.

Herr Rummel, was sind Erfolgsrezepte

für die Markenwahl in der digitalen

Welt?

Hier sind für mich vor allem zwei Faktoren

entscheidend. Der eine ist die emotionale

Kraft und, damit verbunden, die emotionale

Bindung einer Marke an ihre Kunden. Der

zweite ist natürlich das relevante Angebot,

das Produkt, das die Marke dem Kunden offe-

riert. Zum Beispiel haben viele Kunden von

Finanzdienstleistern ein immer größer wer-

dendes Sicherheitsbedürfnis. Da kann eine

starke Marke wie die Deutsche Bank ganz

sicher ein solides Asset mit ins Spiel bringen.

Wie schafft man auch in einem digitalen

Umfeld nachhaltige Kundenbeziehun-

gen?

Das Unternehmen muss in der Lage sein, an

allen möglichen Kontaktpunkten und den da-

mit verbundenen unterschiedlichen Kommu-

nikationswegen eine möglichst einheitliche

Botschaft zu vermitteln und dabei auf Bedürf-

nisse zu reagieren, die für die Kunden in ihrer

jeweiligen Lebenssituation relevant sind.

Wie können Kundenwünsche über

verschiedene Touchpoints hinweg erfüllt

werden?

Das sehe ich weniger als Problem als viel-

mehr als Chance: Durch die verschiedenen

Touchpoints entstehen ganz neue Möglich-

keiten. Entscheidend ist ihr passgenaues Zu-

sammenspiel, die Ansprache der Kunden zur

richtigen Zeit über den richtigen Kanal mit

einem relevanten Thema oder Angebot. Bei

einer Hausfinanzierung zum Beispiel sollte

die persönliche Beratung im Mittelpunkt ste-

hen, während bei einem Tagesgeldkonto ein

Informations- und Entscheidungsprozess

sicherlich über Onlinekanäle stattfinden

kann. Nur wenn Touchpoints in diesem Sinne

bedarfsgerecht genutzt werden, kommt es

wirklich zu einem schlüssigen Markener-

lebnis für den Kunden.

Die Deutsche Bank ist mittlerweile

mehr als 140 Jahre alt. Wie viel

Veränderung braucht eine Marke mit

so langer Tradition?

Jede Marke hat einen Ursprung, eine Seele

und einen dazugehörigen Mythos. Sie hat

Kernüberzeugungen und einen Sinn und

Zweck, der zeigt, warum es genau diese

Marke und dieses Unternehmen gibt. Das ist

letztlich das Entscheidende. Auf dieser Basis

muss sie sich weiterentwickeln. Die Welt um

uns herum verändert sich. Dem muss sich

eine Marke anpassen.

Wo liegen hier die Grenzen?

Veränderungen bei Traditionsmarken funktio-

nieren nur evolutionär. Bei revolutionären

Änderungen würde die Basis verlorengehen.

Die Grenzen liegen da, wo die Marke ihren

Ursprung verlassen würde. Eine Marke muss

sich treu bleiben. Ein praktisches Beispiel für

diesen Spagat ist die Alleinstellung unseres

Logos im Jahr 2009: Das war für uns ein wich-

tiger Schritt, um eine hohe Stringenz der Mar-

ke zu erreichen und sie zeitgemäß zu positio-

nieren. Heute hilft er uns sehr dabei, einheit-

lich aufzutreten. Zugleich schaffen wir im

Hinblick auf Identität und Konnektivität die

Möglichkeit, relevante Produkte und Ziel-

gruppen anzugehen.

18 8. Deutscher Marken-Summit 2014

Nachgefragt

Susanne Meier im Interview auf unserem YouTube-Channel

generated at BeQRious.com

„INNOVATIONEN AUF ALLEN KANÄLEN“ Nachgefragt bei Susanne Meier, Vice President Brand Strategy, Deutsche Post DHL

Das Interview führte Sarah Bautz.

Frau Meier, wie verändern sich die

Markenwahl und die Markenentschei-

dung im digitalen Umfeld?

Die grundsätzlichen Mechanismen der Mar-

kenentscheidung und der Markenpräferen-

zen bleiben natürlich gleich. Das digitale

Umfeld bringt aber Veränderungen mit sich,

die sowohl Herausforderungen als auch

Chancen bieten. Dazu gehört z.B. das soge-

nannte „Empowerment“ der Kunden durch

die hohe Transparenz und den Zugang zu

Informationen. Die Kunden gewinnen da-

durch an Macht, sie tauschen sich in virtuel-

len Kundenforen aus, diskutieren, kritisieren

und hypen Marken öffentlich. Auch die In-

teraktion der Marke mit dem Kunden hat

sich stark verändert, weg vom Massenmar-

keting hin zu einem individuellen Dialog auf

Augenhöhe. Da ist die digitale Kompetenz

einer Marke sehr stark gefragt: Wie gut ist

man erreichbar? Welche Qualität und

Schnelligkeit haben die Prozesse? Das ist

aus Markensicht ein wichtiger Erfolgsfaktor.

Und gerade in der digitalen Welt des „In-

formation Overflow“ bieten starke Marken

einen Orientierungsanker.

Wie ergänzen sich analoge und digitale

Touchpoints?

Wenn wir uns heutige Kundenprozesse, also

die „Customer Journey“, anschauen, finden

wir ganz häufig eine Mischung aus beiden

Arten von Touchpoints. Nehmen Sie das Bei-

spiel E-Commerce. Hier gibt es riesige Wachs-

tumschancen, gerade für unsere Industrie,

z.B. im Paketgeschäft. Eine entscheidende

Vorausset zung ist, dass wir nicht nur die Wert-

schöp fungsprozesse hervorragend managen,

son dern auch alle digitalen und analogen

Kundenkontaktpunkte entlang dieses Prozes-

ses einlösen und innovative Lö sungen anbie-

ten. Das können Onlineplattfor men sein wie

„Mein Paket“ oder aber auch analoge Innova-

tionen wie jetzt jüngst der „Paketkasten“.

Die Marken Deutsche Post und DHL sind

sehr verschieden. Kann es dafür über-

haupt eine gemeinsame Story geben?

Tatsächlich haben wir mit Deutsche Post und

DHL zwei sehr starke Marken unter einem

Dach. Wir glauben fest daran, dass unser

Ge schäft mehr ist als nur Transport von A

nach B. Wir verbinden Menschen und ver-

bessern dadurch ihr Leben. Durch Logistik

können Volkswirtschaften wachsen, Handel

und Wohlstand gedeihen. Das ist der über-

geordnete Zweck, der beide starke Marken

eng miteinander verbindet.

Wie können Sie als international und

in Partnerschaften agierendes Unter-

nehmen ein stringentes Markenbild

sicherstellen – vom deutschen Head-

quarter bis hin zum Paketzusteller in

Lateinamerika?

Die erste Aufgabe war zunächst, durch die

Integration von verschiedenen starken Mar-

ken eine gemeinsame Markenoberfläche zu

schaffen. Das ist uns durch eine sehr strin-

gente und monolithische Markenführung

gelungen. Hinzu kommt die Aufgabe, ein

ganzheitliches Markenerlebnis für den Kun-

den zu schaffen. Wie kann ich die Marken-

werte für jeden einzelnen Kontaktpunkt

übersetzen? Was heißt zum Beispiel „Com-

mitment“ beim Zusteller? Was heißt es bei

der Hotline? Was heißt es für die Website?

Die Markenwerte in diesem Sinne ganzheit-

lich an allen Kontaktpunkten zu leben ist die

eigentliche Herausforderung – eine Dauer-

aufgabe. Nur so kann man es schaffen, sich

wirklich als Marke zu differenzieren und die

emotionale Bindung der Kunden an die

Marke nachhaltig zu stärken.

8. Deutscher Marken-Summit 2014 19

Nachgefragt

RÜCKGRAT ZEIGEN!Jede noch so erfolgreiche Marke kann plötzlich in eine Krisensituation geraten. Ob Produktrückrufe, negative Informa-

tionen über das Unternehmen oder interne Umstände – die Gründe für Markenkrisen sind vielfältig. Doch wie können

Marken die Wertschätzung ihrer Kunden zurückgewinnen und dauerhaft halten? Vier Experten diskutieren über mög-

liche Lösungsansätze.

Marken sind sein Leben. Jürgen Häusler, Chair-

man bei Interbrand Central and Eastern Eu-

rope und Honorarprofessor für Strategische

Unternehmenskommunikation, publiziert lau-

fend zum Thema Marke. Dabei stellt er fest:

„Wenn Marken in Krisen geraten, sind nicht

immer die anderen schuld. Es ist leicht, die Ver-

antwortung der neuen digitalen Welt oder in-

novativen Start-ups zuzuschieben – aber oft

sind es hausgemachte Probleme, die zu Stress-

situationen für eine Marke führen.“

Über Wissensaufbau Vertrauen schaffenDoch wie kann man Markenkrisen vorbeugen?

Bruder Paulus rät zum Wandel. Der katholische

Priester ist Leiter des Kapuzinerklosters Lieb-

frauen in Frankfurt am Main und bekannt für

seine inspirierende Sichtweise gesellschaftli-

cher Debatten von heute. Er glaubt: „Wenn

sich das Bewusstsein der Gesellschaft verän-

dert und die Marke sich nicht entsprechend

anpasst, ist sie dem Tode geweiht.“ Welche

weitreichenden Auswirkungen eine Marken-

krise haben kann, musste der Chemie- und

Pharmakonzern Bayer bereits schmerzhaft er-

fahren. Der Skandal um den Cholesterinsen-

ker Lipobay im Jahr 2001 sei für das Unter-

nehmen existenzbedrohend gewesen, sagt

Uwe Schmidt von Bayer. Als Head of Corpo-

rate Branding verantwortet Schmidt die glo-

bale Markenstrategie der Gruppe und weiß:

„Wir sehen Krisen nicht als Ausnahmesituati-

on, sie sind nicht einfach plötzlich da – wir

sind im Grunde genommen immer von ihnen

umgeben.“ Wichtig sei daher vor allem eine

fortlaufende und transparente Kommunikati-

on mit den Mitarbeitern. Über Wissensaufbau

sei es möglich, den Mitarbeitern die Angst zu

nehmen und Vertrauen zu schaffen. „In einer

Krise können und müssen Mitarbeiter dann zu

Markenanwälten werden“, betont Schmidt.

Marken als ReligionsersatzMarkenexperte Häusler sieht Unternehmen

dagegen nicht allgegenwärtig von Krisen um-

geben: „Wir stehen ständig vor Herausforde-

rungen, wir haben immer neue Umfelder und

Dinge, die wir verändern müssen – aber das ist

doch keine Krise. Das nennt man Evolution.“

Es sei vielmehr irritierend, wie viel Spaß vor

allem die Deutschen an vermeintlichen Krisen

hätten. Dieser Ansicht ist auch Bruder Paulus.

Die Welt sei scharf auf Krisen, ergänzt der

Priester. Außerdem seien Marken für viele

Menschen zum Religionsersatz geworden: „Je

weniger Menschen religiös verortet sind, umso

mehr verorten sie sich in der Marke. Wenn

dann die Marke in eine Krise gerät, überträgt

sich das natürlich auch auf die Menschen.“

Jan Ribbeck betrachtet die Begriffe Krisen

und Shitstorms ebenfalls als überstrapaziert.

Allerdings rät der Director Corporate Com-

munications und Leiter des Krisenkommunika-

tionsteams bei Weber Shandwick Unterneh-

men dennoch zu einer gewissenhaften Vorbe-

reitung: „Verantwortungsvolle Unternehmen

müssen sich genau überlegen, wie ihre Stake-

Bruder Paulus ist sich sicher: Marken können als Religionsersatz dienen.

20 8. Deutscher Marken-Summit 2014

holder auf gewisse Nachrichten reagieren

könnten. Wenn sie hier Fehler machen, kann

das zu einer handfesten Krise führen. Daher

müssen Unternehmen einen möglichen Kri-

senfall immer antizipieren, sie müssen sich

darauf vorbereiten.“ In einer Krise zeige sich

dann auch, ob das Unternehmen hinter der

Marke wirklich stark sei.

Starke Persönlichkeiten sind gefragtIst trotz aller vorbeugenden Maßnahmen eine

Krisensituation eingetreten, steht und fällt für

Bruder Paulus vieles mit der Person hinter der

Marke. „Wir brauchen in Stresssituationen

Persönlichkeiten, die für die Marke stehen und

deren Aussagen als authentisch und glaub-

würdig erachtet werden.“ Kommunikations-

experte Ribbeck sieht hingegen nicht nur die

Führungsetage in der Pflicht: „Der CEO ist

nicht der einzige Treiber für eine starke Marke.

Eine Unternehmensreputation setzt sich aus

ganz vielen verschiedenen Faktoren zusam-

men.“ Hierzu zähle zum Beispiel auch, wie das

Unternehmen generell mit Krisenfällen umge-

he und welche Konsequenzen es aus Stress-

situationen ziehe. Eine starke Unternehmens-

markenbasis sei in diesem Fall eine große Hilfe.

Genau diese entwickle sich aber erst über ei-

nen längeren Zeitraum, betont Interbrand-

Chairman Häusler: „Starke Marken zeichnen

sich dadurch aus, dass sie wissen, wofür sie

stehen, und dass sie Angebote machen, die

Menschen attraktiv finden. Das braucht in der

Regel Zeit.“

Mitarbeiter als Teil der MarkeDarauf, dass Marken sogar zu stark werden

können, macht Bruder Paulus aufmerksam:

„Wenn Marken zu stark werden, können sie

Mitarbeiter entmündigen. Diese haben dann

gar nicht mehr das Gefühl, Teil dieser Marke zu

sein.“ Eine derartige Entwicklung sei gefähr-

lich, schließlich müsse auch der letzte Mitar-

beiter die Marke vertreten und dürfe sich auf

deren Stärke nicht ausruhen.

Eine Gefahr für die Marke sieht Unterneh-

mensvertreter Schmidt auch in einem weiteren

Punkt: „Der Kern, also die ‚DNA’ einer Marke,

muss authentisch bleiben. Aber null Risiko

kann auch zu wenig Innovation bedeuten.“

Nichtsdestotrotz ist Markenexperte Häusler

von einer starken Zukunft der Marken über-

zeugt: „Marken sind für mich Institutionen.

Anders als viele andere Institutionen hier im

Land gewinnen Marken immer weiter an Be-

deutung – und werden dies auch künftig

tun.“ (cld)

Markenkrisen werden immer globaler

Jan Ribbeck, Director Corporate Communi-cations und Leiter des Krisenkommunika-tionsteams, Weber Shandwick

Klassischerweise

denken viele beim

Begriff Krise

zunächst an ein

Unglück – zum

Beispiel an eine

Explosion

in einem Produk-

tionswerk, daran, dass Menschen zu

Schaden gekommen sind. Doch Unterneh-

men müssen heutzutage auch ganz

anderen Fragen begegnen: Wie stelle ich

mich auf Debatten ein? Wie verändere ich

mich als Marke, als Unternehmen? Und

wie gehe ich mit Krisen um, die ich nicht

habe kommen sehen? Die Vorbereitung auf

potentielle Krisenfälle wird also immer

entscheidender. Natürlich ist es sinnvoll, für

solche Situationen bereits einen Plan in der

Schublade zu haben. Klar ist aber auch:

Dicke Krisenhandbücher alleine reichen

nicht aus. Viel entscheidender ist es,

mögliche Situationen wirklich zu trai-

nieren, zu üben. Wenn Marken heute in

Krisen geraten, sind diese oft nicht auf

Deutschland begrenzt – ganz schnell sind

auch andere Länder involviert. Ich muss

also darauf vorbereitet sein, dass sich

plötzlich viele Menschen mit dieser Krise

beschäftigen. Das Thema digitale Touch-

points spielt hier eine wichtige Rolle:

Wie kann ich es schaffen, meine digitalen

Botschafter so einzubinden, dass sie in

Krisensituationen einheitlich nach außen

kommunizieren? Das gelingt eben nur,

wenn ich in großen Teams, idealerweise

länderübergreifend, den Ernstfall probe.

KURZ- GEFASST

Prof. Dr. Jürgen Häusler, Chairman, Interbrand Central and Eastern Europe

Bruder Paulus, kath. Priester, Leiter Kapuzinerkloster Liebfrauen, Vorstand Franziskustreff Stiftung

Jan Ribbeck, Director Corporate Communications und Leiter des Krisenkommuni-kationsteams, Weber Shandwick

Uwe Schmidt, Head of Corporate Branding, Bayer AG

8. Deutscher Marken-Summit 2014 21

J Justus Schneider im Interview auf unserem YouTube-Channel

22 8. Deutscher Marken-Summit 2014

Nachgefragt

„OHNE INTUITION KEIN UNTERNEHMERTUM“ Nachgefragt bei J Justus Schneider, CEO Interbrand Central and Eastern Europe

Das Interview führte Sarah Bautz.

Herr Schneider, jede Marke wünscht sich

loyale Kunden. Wie kann sie das

schaffen?

Hohe Kundenloyalität setzt eine echte emotio-

nale Bindung voraus. Und die entsteht da-

durch, dass eine Marke authentisch und rele-

vant ist – und zwar langfristig. Loyalität ist ja

ein Zeitfaktor: Es gibt keine „Punkt-Loyalität“,

sondern ich als Kunde bin über eine lange Zeit

loyal – oder eben nicht.

Was bedeutet Authentizität in diesem

Zusammenhang?

Authentisch sein heißt: Ich muss als Marke in

dem, was ich tue, meinen Ursprüngen entspre-

chen und zugleich auch den Erwartungen, die

an mich gerichtet werden. Ich darf nichts tun,

was gegen die „DNA“ einer Marke verstößt.

Trotzdem muss ich mich als Marke natürlich

weiterentwickeln, denn der gesamte Markt

um mich herum verändert sich. Es gibt prak-

tisch keine Stabilität. Relevanz und Authentizi-

tät im Wandel der Zeit aufrechtzuerhalten –

das ist die eigentliche Kunst und die Heraus-

forderung für Marken. Veränderung ist genau

so wichtig wie das Bewahren.

Können Sie dafür ein Beispiel nennen?

Ein schönes Beispiel ist das von Dom Périg-

non, einer bekannten Champagnermarke,

einem der ältesten Häuser überhaupt. Da

würde man natürlich denken: Möglichst we-

nig verändern! Für die Herstellung ist das

auch sicher überlebenswichtig. Aber aktuell

wird zum Beispiel die Verpackungsgestal-

tung stark verjüngt. Hier kann man sehr

schön sehen, wie eine alte Marke für junge

Zielgruppen relevanter gemacht wird. Die

Kunst ist es, die Balance zu finden und zu

wissen, was man bewahren, was man kon-

servativ behandeln kann und wo man Ver-

änderung vorantreiben muss.

Stichwort Antizipation: Wie kann man

Kundenwünsche identifizieren, die wo-

möglich noch nicht ausgesprochen sind?

Wenn Sie die großen Marken nehmen, dann

gibt es dort bei Einzelnen sehr oft ein Verständ-

nis dafür, was im Markt funktionieren könnte.

Das kommt weniger aus der Befragung von

Kunden als vielmehr durch das Beobachten von

Menschen. Dadurch entstehen neue Konzepte.

Wenn Sie in der deutschen Geschichte etwas

zurückgehen, dann treffen sie auf Werner von

Siemens: Er hat den Telegraphen erfunden,

ohne dass es dafür einen Markt gab. Es war ein-

fach Erfindergeist. Der Markt entwickelte sich

später.

Häufiger als Siemens wird heute zumeist

das Beispiel Apple zitiert.

Das ist nur verständlich. Als weltweit stärkste

Marke überhaupt hat Apple auf der einen Seite

ein hohes Verständnis für das, was Kunden wol-

len, auf der anderen Seite aber auch eine be-

stimmte visionäre Eingebung und auch eine

Kompromisslosigkeit, wenn es darum geht,

was eigentlich cool wäre. Dabei ist die Firma in

den seltensten Fällen selber Erfinder ihrer Tech-

nologien gewesen, aber sie hatte einfach ein

Gespür dafür, was sein könnte. Ohne die Intui-

tion, dieses Sendungsbewusstsein, was eigent-

lich cool wäre und funktionieren könnte, ist

Unternehmertum nicht möglich. Neue Marken

wären nicht denkbar – und alte auch nicht.

Impressionen des 8. Deutschen Marken-Summits 2014

8. Deutscher Marken-Summit 2014 23

J Justus Schneider, CEO, Interbrand Central and Eastern Europe (l.), und Thomas Lindner, Vorsitzender der Geschäftsführung, Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH (r.), im Gespräch

Vorabendprogramm im Senckenberg Natur-museum: Get-together und Networking zwischen den Exponaten

V.l.n.r: Volker Sach, Geschäftsführer, F.A.Z.-Institut im Gespräch mit Hans Joachim Hebgen, DEG – Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH, und Dr. Gero Kalt, Vorstand, PRIME Holding AG

Interessierte Teilnehmer während des Tagesprogramms bei der Deutsche Bank AG

Prof. Dr. Dr. h.c. Volker Mosbrugger gibt einen Einblick in die Arbeit des Senckenberg Natur-museums sowie der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung.

Prof. Klaus Lunau spricht über die Markenzeichen in der Natur.

Christian Rummel von der Deutsche Bank AG begrüßt die Teilnehmer.

Kristina Schindler, Leiterin forsa Marktforschung, und Gabriele Eick, Ehrenpräsidentin und Kuratoriumsvorsitzende, Marketing-Club Frankfurt, beim Networking.

Teilnehmer während des Vorabendprogramms im Senckenberg Naturmuseum

Veranstalter

Mitveranstalter

Partner

Partner für das interaktive Voting Kooperationspartner

Medienpartner

Wir danken unseren Fachbeiräten

Professor Dr. Christian Belz

Universität St. Gallen,Geschäftsführender Direktor, Institut für Marketing

Gabriele Eick

Vorsitzende des Kuratoriums und Ehrenpräsidentin,Marketing Club FrankfurtInhaberin, Executive Communications