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Hendrik Büch · Manfred Döpfner Ulrike Petermann Soziale Ängste und Leistungsängste Leitfaden Kinder- und Jugendpsychotherapie

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Hendrik Büch · Manfred DöpfnerUlrike Petermann

Soziale Ängste und Leistungsängste

Leitfaden Kinder- und Jugendpsychotherapie

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Soziale Ängste und Leistungsängste

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(9783840925368) © 2015 Hogrefe Verlag, Göttingen.

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Leitfaden Kinder- und JugendpsychotherapieBand 20Soziale Ängste und Leistungsängstevon Dr. Hendrik Büch, Prof. Dr. Manfred Döpfner und Prof. Dr. Ulrike Petermann

Herausgeber der Reihe:

Prof. Dr. Manfred Döpfner, Prof. Dr. Dr. Martin Holtmann, Prof. Dr. Gerd Lehmkuhl, Prof. Dr. Franz Petermann

Begründer der Reihe:

Manfred Döpfner, Gerd Lehmkuhl, Franz Petermann

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Soziale Ängste und Leistungsängste

vonHendrik Büch, Manfred Döpfner

und Ulrike Petermann

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Dr. Hendrik Büch, geb. 1975. Seit 2008 Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Freiburg und Leitung der Psychotherapeutischen Ambulanz für Kinder, Jugendliche und Familien an der Hochschulambulanz am Institut für Psychologie. Seit 2010 Ausbildungs- und Ambulanzleiter des Freiburger Ausbildungsinsituts für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie (FAKiP GmbH).

Prof. Dr. Manfred Döpfner, geb. 1955. Seit 1989 Leitender Psychologe an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Universität zu Köln und dort seit 1999 Professor für Psychotherapie in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Seit 1999 Leiter des Ausbildungsinstituts für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie AKiP an der Universität Köln. Seit 2000 Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Klinische Kinderpsychologie der Christoph-Dornier-Stiftung für Klinische Psychologie an der Universität Köln.

Prof. Dr. Ulrike Petermann, geb. 1954. Seit 2007 Inhaberin des Lehrstuhls für Klinische Kinderpsychologie im Stu-diengang Psychologie der Universität Bremen und Direktorin der Psychologischen Kinderambulanz der Universität Bremen; zudem Leitung der Abteilung Kinder- und Jugendhilfeforschung im Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation (ZKPR).

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digi ta len Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag über-neh men infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Wa-rennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

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Satz: ARThür Grafik-Design & Kunst, Weimar Illustrationen: Klaus Gehrmann Umschlagabbildung: ©fotomek – Fotolia.com

Format: PDF ISBN 978-3-8409-2536-8

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Einleitung: Grundlagen und Aufbau des Buches

Soziale Ängste und Leistungsängste sind gekennzeichnet durch intensive Gefühle der Furcht, Aufregung und Unsicherheit in der Gegenwart anderer, nicht vertrauter Per-sonen oder in Leistungssituationen. Die Betroffenen sorgen sich um die Angemes-senheit ihres Verhaltens und haben Angst davor, lächerlich und inkompetent zu wir-ken oder bloßgestellt und gedemütigt oder schlecht bewertet zu werden. Als Folge davon tritt bei sozial ängstlichen Kindern und Jugendlichen ein ausgeprägtes Vermei-dungsverhalten auf, so dass Freundschaften und soziale Kompetenzen nur begrenzt aufgebaut werden. Bei Leistungsängsten werden die Leistungssituationen meist unter großer Angst ertragen, mitunter auch vermieden. Unbehandelt nehmen soziale Ängste und Leistungsängste oft einen chronischen Verlauf.

Der vorliegende Leitfaden ist das Ergebnis einer langjährigen wissenschaftlichen und praktischen Arbeit der Autoren. Neben dieser vielfältigen Expertise, basiert der Leit-faden auf den Leitlinien zur Diagnose und Behandlung von Angststörungen deutscher und internationaler Fachgesellschaften und Arbeitsgruppen, insbesondere die natio-nal und international anerkannten Leitlinien für Angststörungen der American Aca-demy of Child and Adolescent Psychiatry (AACAP, 2007), des National Institute for Health and Care Excellence (NICE, 2013), der Deutschen Gesellschaft für Kinder und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (2007) sowie den von Schneider und Döpfner (2004) vorgeschlagenen Leitlinien. Des Weiteren werden auch die evidenzbasierten Leitlinien im Erwachsenenalter der Deutschen Gesellschaft für Psychologie berücksichtigt (Heinrichs, Stangier, Gerlach, Willutzki & Fydrich, 2010).

Der Leitfaden unterteilt sich in insgesamt fünf Kapitel:

1 Im ersten Teil des Buches wird der Stand der Forschung hinsichtlich der Sym-ptomatik, der Komorbidität, der Pathogenese, dem Verlauf und der Therapie in den für die Formulierung der Leitlinien relevanten Aspekten zusammenfas-send dargestellt.

2 Im zweiten Teil werden die Leitlinien zu folgenden Bereichen formuliert und ihre Umsetzung in die Praxis dargestellt:

– Diagnostik und Verlaufskontrolle – Interventionsindikationen – Interventionen

3 Im dritten Kapitel sind Verfahren kurz und prägnant beschrieben, die für die Di-agnostik, die Verlaufskontrolle und die Behandlung eingesetzt werden können.

4 Das vierte Kapitel enthält Materialien zur Diagnostik und Therapie und er-leichtert damit die Umsetzung der Leitlinien in die konkrete klinische Praxis.

5 Im fünften Kapitel wird anhand von Fallbeispielen die Umsetzung der Leitli-nien in die klinische Praxis abschließend illustriert. Die Darstellung orientiert sich an den Gliederungspunkten des Antragsverfahrens für Psychotherapie im Rahmen der gesetzlichen Krankenversorgung.

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Einleitung: Grundlagen und Aufbau des BuchesVI

Kapitel 1 sowie das Fallbeispiel zur kombinierten Behandlung in Einzel- und Grup-pentherapie nach dem Training sozial unsicherer Kinder wurden federführend von Ulrike Petermann verfasst. Die Kapitel 2 bis 4, welche die Leitlinien beschreiben und die Verfahren und Materialien zusammenfassen wurden federführend von Hendrik Büch und Manfred Döpfner verfasst.

Dieser Band wird durch einen kompakten Ratgeber Soziale Ängste und Leistungs-ängste (Büch, Döpfner & Petermann, 2015) ergänzt, der Informationen für Betrof-fene, Eltern, Lehrer und Erzieher enthält. Der Ratgeber informiert über die Sympto-matik, die Ursachen, den Verlauf und die Behandlungsmöglichkeiten bei sozialen Ängsten und Leistungsängsten. Die Eltern, Lehrer und Erzieher erhalten konkrete Ratschläge zum Umgang mit der Problematik in der Familie, in der Schule und im Kindergarten; Jugendlichen werden Tipps zur Selbsthilfe gegeben.

Freiburg, Köln und Bremen, März 2015 Hendrik Büch Manfred Döpfner Ulrike Petermann

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Inhaltsverzeichnis

1 Stand der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

1.1 Zur Begrifflichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

1.2 Klassifikation und Differenzialdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

1.2.1 Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

1.2.2 Differenzialdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

1.3 Epidemiologie und Verlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

1.4 Komorbide Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

1.5 Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

1.5.1 Biologische Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

1.5.2 Psychische Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

1.5.3 Soziale Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

1.5.4 Zusammenfassende Bewertung und integrative Modelle . . . . . . . . . 19

1.6 Präventionsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

1.7 Therapieansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

2 Leitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

2.1 Leitlinien zur Diagnostik und Verlaufskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . 34

2.1.1 Exploration des Patienten, seiner Eltern und Erzieher/Lehrer . . . . . . . 36

2.1.2 Fragebogen-, Rollenspiel- und Beobachtungsverfahren zur Erfassung der Angstsymptomatik sowie der komorbiden Symptomatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

2.1.3 Intelligenz- und Entwicklungsdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

2.1.4 Integration der Ergebnisse der multimodalen Diagnostik . . . . . . . . 76

2.1.5 Bedingungsanalyse und Vereinbarung der Therapieziele . . . . . . . . . 78

2.1.6 Verlaufskontrolle und Qualitätssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82

2.2 Leitlinien zu Behandlungsindikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

2.3 Leitlinien zur Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

2.3.1 Psychoedukation des Patienten, seiner Eltern und Lehrer/Erzieher . . 95

2.3.2 Kognitiv-behaviorale Therapie des Kindes/Jugendlichen . . . . . . . . 103

2.3.3 Eltern- und familienzentrierte Interventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

2.3.4 Interventionen im Kindergarten/in der Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

2.3.5 Interventionen in der Gleichaltrigengruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

2.3.6 Medikamentöse Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

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InhaltsverzeichnisVIII

3 Verfahren zur Diagnostik und Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . 132

3.1 Verfahren zur Diagnostik und Verlaufskontrolle sozialer Ängste oder Leistungsängste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

3.1.1 DCL-ANZ – Diagnose-Checkliste für Angststörungen . . . . . . . . . . 133

3.1.2 FBB-ANZ/SBB-ANZ – Fremdbeurteilungsbogen/Selbst-beurteilungsbogen für Angst- und Zwangsstörungen . . . . . . . . . . . . 134

3.1.3 PHOKI – Phobiefragebogen für Kinder und Jugendliche . . . . . . . . 135

3.1.4 SCAS-D – Spence Children’s Anxiety Scale . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

3.1.5 Wochenbeurteilung zur Verlaufskontrolle (Kinderversion und Elternversion) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

3.1.6 BSU – Beobachtungsbogen für sozial unsicheres Verhalten . . . . . . 137

3.1.7 EEAS-K – Explorationsschema zur Erfassung der angstauslösenden Situationen – Kind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

3.1.8 FEAS-K/FEAS-E – Fragebogen zur Exploration von angstauslösenden Situationen (Kinderversion und Elternversion) . . 139

3.1.9 ESAK – Elternfragebogen zu sozialen Ängsten im Kindes- und Jugendalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

3.1.10 Elternexplorationsbogen für soziale Ängste und soziale Unsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

3.1.11 FESKA – Fragebogen zur Erfassung aufrechterhaltender Komponenten sozialer Angststörungen bei Kindern und Jugendlichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142

3.1.12 SÄKK – Fragebogen zur Erfassung sozial ängstlicher Kognitionen bei Kindern und Jugendlichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

3.1.13 SASC-R-D – Social Anxiety Scale for Children-Revised . . . . . . . . 143

3.1.14 SPAIK – Sozialphobie und -angstinventar für Kinder . . . . . . . . . . . 144

3.1.15 DAI – Differentielles Leistungsangst Inventar . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

3.1.16 AFS – Angstfragebogen für Schüler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146

3.2 Verfahren zur Therapie sozialer Ängste und Leistungsängste . . . . . 147

3.2.1 Behandlung der sozialen Phobie bei Kindern und Jugendlichen: Ein kognitiv-verhaltenstherapeutisches Gruppenprogramm von Joormann und Unnewehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147

3.2.2 Behandlung von sozialen Ängsten bei Kindern: Das „Sei kein Frosch“-Programm von Melfsen und Walitza . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147

3.2.3 Mutig werden mit Til Tiger: Ein Trainingsprogramm für sozial unsichere Kinder von Ahrens-Eipper et al. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

3.2.4 Soziale Ängste und soziale Angststörung im Kindes- und Jugendalter: Ein Therapiemanual von Tuschen-Caffier et al. . . . . . 149

3.2.5 Soziale Phobie bei Jugendlichen: Behandlungsmanual für die kognitive Therapie von Steil et al. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150

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Inhaltsverzeichnis IX

3.2.6 Therapieprogramm für Kinder und Jugendliche mit Angst- und Zwangsstörungen (THAZ): Leistungs ängste von Suhr-Dachs und Döpfner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

3.2.7 Therapieprogramm für Kinder und Jugendliche mit Angst- und Zwangsstörungen (THAZ): Soziale Ängste von Büch und Döpfner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152

3.2.8 Training mit sozial unsicheren Kindern: Behandlung von sozialer Angst, Trennungsangst und generalisierter Angst von Petermann und Petermann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153

4 Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

M01 Checkliste zur Exploration der Angst in sozialen Situationen (ECL-Soziale Angst) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156

M02 Angstthermometer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

M03 Detektivbogen – Wann hatte ich diese Woche Angst? . . . . . . . . . . . 158

M04 Leistungsangst-Gedanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159

M05 Protokoll für Expositionsübungen in sozialen Situationen . . . . . . . 160

5 Fallbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161

5.1 Fallbeispiel soziale Angst (Behandlung im Einzeltherapiesetting) . . 161

5.2 Fallbeispiel soziale Angst (kombinierte Einzel- und Gruppentherapie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166

5.3 Fallbeispiel Leistungsangst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172

6 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177

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1 Stand der Forschung

Angststörungen gehören zu den häufigsten psychischen Störungen des Kindes- und Jugendalters; hauptsächlich handelt es sich dabei um die Störung mit Trennungsangst, soziale Angststörung (soziale Phobie) und generalisierte Angststörung. Angststörungen beeinträchtigen den famili-ären Alltag, das Verhältnis zu den Gleichaltrigen und die schulische Leis-tung.

Soziale Ängste und als Spezialfall die Leistungsangst beeinträchtigen in erheblicher Weise die soziale Interaktion von Kindern und Erwachsenen (Alden & Taylor, 2004). In der Regel strahlen die Probleme in den schu-lischen Kontext aus, das heißt, die Betroffenen zeigen Leistungen, die deutlich unter ihren Fähigkeiten liegen. In der Folge davon weisen betrof-fene Kinder und Jugendliche ein beeinträchtigtes Selbstbild oder zumin-dest selbstwertmindernde Kognitionen auf. Eine aktuelle schwedische Studie berichtet zudem darüber, dass Jugendliche mit sozialen Ängsten besonders häufig Viktimisierungserfahrungen machen (vgl. Gren-Landell, Aho, Andersson & Svedin, 2011), wodurch soziale Ängste verstärkt wer-den und vielfach depressives Verhalten begünstigt wird.

Im Kontext der Verwendung des Begriffes „soziale Angst“ wird eine Viel-zahl weiterer Bezeichnungen dafür herangezogen, um vergleichbare Er-scheinungsformen zu kennzeichnen (z. B. Schulangst, Schüchternheit, soziale Phobie, soziale Unsicherheit). Diese Begriffsvielfalt soll in knap-per Form geordnet werden.

1.1 ZurBegrifflichkeit

Soziale Ängste, soziale Angststörung und soziale Phobie. Sozial ängstli-che Kinder vermeiden Sozialkontakt, da sie fürchten, sich durch ihr Ver-halten zu blamieren und zu erniedrigen. Die Kontaktvermeidung bezieht sich vor allem auf unvertraute sowie fremde Personen und auf Anlässe, in denen eine soziale Hervorhebung und Bewertung erfolgen kann. Die Begriffe „soziale Angststörung“ und „soziale Phobie“ werden von uns synonym verwendet. Sie beschreiben ein Störungsbild bzw. eine Diag-nose. Der Begriff „soziale Ängste“ ist dagegen breiter gefasst und schließt auch subklinische Ängste mit ein.

Schüchternheit. Dieses auffällige Verhalten bezieht sich vor allem auf neue und unvertraute Situationen. Schüchterne Kinder und Jugendliche reagieren in diesem Kontext mit einem geringen Selbstbewusstsein, sie trauen sich wenig zu oder reagieren von Anfang an mit Vermeidung (Pe-termann, in Vorb.). Schüchternheit wird mit Zurückhaltung in sozialen Situationen gleichgesetzt, „die entweder auf Ungeselligkeit (besonders

Leistungs­angst = Spezialfall der sozialen Angst

Soziale Angststö­rung = sozi­ale Phobie

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Kapitel 12

bei erzwungenen Situationen) oder auf sozialer Ängstlichkeit beruht“ (Asendorpf & Neyer, 2012, S. 140).

Eine große norwegische Längsschnittstudie (Karevold, Ystrom, Coplan, Sanson & Mathiesen, 2012) beschäftigt sich damit, ob Schüchternheit im Kindesalter generell ein Risiko für sozial-emotionale Störungen bedeu-tet. Die Kinder wurden vom zweiten bis 13. Lebensjahr wiederholt unter-sucht. Es zeigte sich, dass Schüchternheit deutlich mit Ängsten, geringen sozialen Kompetenzen und etwas geringer mit Depressionen korreliert. Schüchternheit nimmt nach den Ergebnissen dieser Längsschnittstudie kontinuierlich über die untersuchte Entwicklungsspanne zu, wobei die-ser Anstieg bis zum Alter von viereinhalb Jahren stärker ausgeprägt war als in der anschließenden Altersperiode (bis 13 Jahre).

Soziale Unsicherheit. Es handelt sich um einen Sammenbegriff, der Ver-haltensweisen umfasst, die bei unterschiedlichen Angststörungen auftre-ten können, vor allem bei der Störung mit sozialer Ängstlichkeit des Kin-desalters und bei den sozialen Phobien aber auch bei der Trennungsangst und den generalisierten Ängsten (Petermann & Petermann, 2015).

Leistungsangst, Prüfungsangst und Schulangst. Die Begriffe „Leistungs-angst“, „Prüfungsangst“ und „Schulangst“ werden in der Regel nebenei-nander und in derselben Weise verwendet (vgl. Rost & Schermer, 2010, S. 451). Diese Tatsache verdeutlicht, dass die Auslöser und in manchen Fällen auch die Ursachen der Leistungsangst in den schulischen Lernbe-dingungen und den Leistungserwartungen der Beteiligten zu suchen sind. Leistungsängstliche Kinder und Jugendliche lassen sich in der Bewälti-gung schulischer Anforderungs- und Stresssituationen durch einige Auf-fälligkeiten kennzeichnen, die Rost und Schermer (2010, S. 413) wie folgt zusammenfassen: Die Betroffenen zeigen

– häufiger ein negatives Selbstkonzept, – sie sind weniger beliebt und häufig sozial isoliert, – sie leisten in fast allen Schulfächern weniger als unauffällige Schüler, – sie neigen dazu, Misserfolge im Lernen durch ihre unzureichende Be-

gabung zu erklären, – sie weisen eine schlechte Arbeitshaltung und unangemessene Lern-

strategien auf, – sie fehlen häufiger in der Schule und – sind häufiger krank als unauffällige Schüler.

Im Alltag kann es bei Kindern und Jugendlichen zu einer verminderten kognitiven Leistungsfähigkeit kommen und im Extremfall zu einer völ-ligen Schulverweigerung.

Leistungsängste weisen, wie bei Ängsten generell, auf vier Ebenen Auf-fälligkeiten auf:

– emotionale Symptome (z. B. Versagensängste, massive Selbstzweifel), – kognitive Verzerrungen (z. B. angstgetönte Gedanken, Gedächtnispro-

bleme),

Soziale Unsicherheit als Sammel­

begriff

Merkmale von

Leistungs­ängsten

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Stand der Forschung 3

– problematische Verhaltensweisen (z. B. Rückzug, gestörtes Lernver-halten) und

– physiologische Reaktionen (z. B. Bauch- und Kopfschmerzen, Zit-tern).

Eine Zusammenstellung möglicher pathogenetischer Faktoren im Kon-text der Entstehung von Leistungsängsten liefern Suhr-Dachs und Döpf-ner (2015). Auf der Ebene des Kindes können z. B. vorliegen:

– negative Selbst- und Situationsbewertungen, – ineffektive Lernstrategien, – mangelnde Lernmotivation oder – schulische Überforderung.

Auf der Ebene der Eltern wären anzuführen: – ungünstige Überzeugungen (z. B. überzogene Erwartungen an Schul-

leistungen, Überbewertung von Leistungen), – Verstärkung des ängstlichen Verhaltens, – Sanktionen bei schlechten schulischen Leistungen oder eine – leistungsabhängige Zuwendung.

Im Weiteren werden Aspekte der Leistungsangst unter dem Begriff „so-ziale Phobie/soziale Angst“ behandelt. Wir schließen dabei an dem weit-gefassten Verständnis der sozialen Phobie an, wie es von Holt, Heimberg, Hope und Liebowitz (1992) formuliert wurde. Nach dieser Sichtweise äußern sich soziale Phobien/soziale Ängste in sehr heterogener Weise be-züglich ihrer Symptome und auslösenden Situationen, wobei Holt et al. (1992) vier Kategorien zur Einordnung empfehlen: – Leistungssituationen (Prüfungssituationen, in denen Personen beob-

achtet und bewertet werden), – Interaktionssituationen (z. B. im Rahmen einer Kontaktaufnahme bei

Alltagsgesprächen, Kommunikation mit fremden Kindern und Er-wachsenen, soziale Kontakte in Schule und Freizeit),

– Situationen, in denen man durch andere beobachtet wird (es findet eine Beobachtung statt, z. B. auf dem Schulhof, ohne dass eine be-stimmte Leistung erwartet wird) und

– Selbstsicheres Verhalten zeigen (z. B. Ablehnen von unangenehmen Anforderungen).

Die von Holt et al. (1992) präferierte Sichtweise der sozialen Phobie unterstreicht die Bedeutung von Situationen, in denen eine soziale Her-vorhebung und Bewertung möglich ist. Obwohl dieser Gliederungsvor-schlag mehrfach kritisiert wurde (zusammenfassend Helbig & Peter-mann, 2008) und auch fünf Kategorien vorgeschlagen werden (Perugi et al., 2001), bietet er eine Grundlage, um das Erscheinungsbild sozia-ler Phobien zu differenzieren. Beidel und Turner (1998) weisen zudem darauf hin, dass sich angstauslösende Situationen bei Kindern und Ju-gendlichen kaum von entsprechenden Situationen im Erwachsenen-alter unterscheiden.

Ursachen: Eltern

Situationen als Auslöser

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Kapitel 14

1.2 KlassifikationundDifferenzialdiagnose

Schüchternheit, soziale Ängste und soziale Unsicherheit können in be-stimmten Lebensabschnitten Teil einer normalen Entwicklung im Kin-des- und Jugendalter sein. Altersspezifische Ängste können eine protek-tive Funktion besitzen, solange sie einen bestimmten Ausprägungsgrad und eine gewisse Dauer nicht übersteigen. Zu diesen altersspezifischen Ängsten zählen die Trennungsangst, die soziale Ängstlichkeit und die phobischen Ängste im Kindesalter, die sich auf Naturereignisse (wie Blitz und Donner), Dunkelheit oder Tiere (vor allem große Tiere) beziehen. Erst wenn diese Ängste einen gewissen altersunüblichen Schweregrad erreicht haben und vom Kind beziehungsweise den Eltern ein Leidens-druck empfunden wird sowie Beeinträchtigungen in der sozial-emotio-nalen Entwicklung beobachtbar sind, kann von der Angst im Sinne einer Störung ausgegangen werden.

1.2.1 Klassifikation

Zwischen den Klassifikationssystemen, aber auch innerhalb, existiert eine Reihe von Unterschieden. So ist die soziale Angststörung als „Störung mit sozialer Ängstlichkeit des Kindesalters“ (F93.2) in der ICD-10 un-terschieden von den „sozialen Phobien“ (F40.1), die im Erwachsenenteil bei den neurotischen, Belastungs- und somatoformen Störungen zu fin-den sind. Der entscheidende Unterschied besteht dabei darin, dass sich die soziale Ängstlichkeit auf fremde Erwachsene und unvertraute Gleich-altrige bezieht und entsprechende Situationen gemieden werden, wohin-gegen die sozialen Phobien eine Bewertungsangst als Hauptmerkmal de-finieren. Ein geringes Selbstwertgefühl und Angst vor kleinster Kritik sind häufig bei Menschen mit sozialen Phobien anzutreffen. Gemeinsam-keit von sozialen Phobien und der sozialen Ängstlichkeit im Kindesalter ist das Vermeidungsverhalten, wenn entsprechende Situationen befürch-tet werden; dies kann zu großer sozialer Isolation führen. Bei der Stö-rung mit sozialer Ängstlichkeit im Kindesalter wird eine Zeitspanne von mindestens vier Wochen gefordert. Für die sozialen Phobien finden sich in der ICD-10 keine Zeitangaben.

Die beschriebenen Aspekte der sozialen Phobien der ICD-10 sind nahezu deckungsgleich mit den Merkmalen der sozialen Phobie im DSM-5. Auch im DSM-5 besteht das Kernmerkmal der sozialen Phobie in der Angst vor prüfender Beobachtung durch andere. Konkret besteht die Angst darin, im Aufmerksamkeitsfokus anderer zu stehen und dadurch sozial hervorgehoben und der Bewertung anderer ausgesetzt zu sein oder sich peinlich sowie demütigend zu verhalten. Unterschiedlichste Situationen können von dieser Bewertungsangst betroffen sein, wie zum Beispiel im Unterricht aufgerufen werden, auf Lehrerfragen antworten, etwas vortra-

Ängste sind Teil einer normalen

Entwicklung

Bewer­tungsangst als Haupt­

merkmal

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Stand der Forschung 5

gen oder vorlesen, Gespräche mit anderen in kleinen Gruppen oder Kon-takte schließen und aufrechterhalten. Seltener sind Essen, Trinken oder Schreiben in der Öffentlichkeit von diesen Ängsten betroffen. Der kind-spe zifische Hinweis, dass sich die Angst vor der Beurteilung durch andere nicht nur auf Interaktionen mit Erwachsenen, sondern auch auf Gleichalt-rigenkontakt erstrecken muss, findet sich im DSM-IV-TR und im DSM-5. Die Zuordnung der Merkmale zu den Kriterien A bis H (im DSM-IV-TR) beziehungsweise A bis J (DSM-5) ist inhaltlich vergleichbar, verschiebt sich jedoch (z. B. wird Kriterium B zu C) und Kriterium C (Erkennen der Übertriebenheit/Unbegründetheit der Angst) fällt im DSM-5 weg. Eine minimale Dauer der Symptome über einen Zeitraum von sechs Monaten wird als Zeitkriterium festgelegt. Im Klassifikationssystem für psychi-sche Störungen (ICD-10) weist die Leistungsangst keine eigene Störungs-kategorie auf. Sie wird unter der Kategorie „soziale Phobien“ subsum-miert, da sie im Kern die Merkmale einer Bewertungsangst erfüllt. Im Gegensatz dazu besteht im DSM-5 die Möglichkeit, die Leistungsangst im Rahmen der sozialen Angststörung zusätzlich zu kodieren. Dies ist dann angezeigt, wenn sich die Bewertungsangst ausschließlich auf Situ-ationen bezieht, in denen eine Person vor anderen beispielsweise eine Rede oder einen Vortrag halten oder ein bestimmtes Verhalten zeigen muss (z. B. Essen, Schreiben, etwas demonstrieren oder vormachen). Diese Personen haben also dann keine Angst vor sozialen Interaktionen, wenn solche Situationen keinen Leistungscharakter besitzen (siehe Kapitel 2 Leitlinie 1.3).

1.2.2 Differenzialdiagnose

Die Merkmale einer sozialen Angststörung weisen teilweise mit den Symp-tomen anderer Angststörungen Überlappungen auf, zumal Angststörun-gen untereinander hoch komorbide sind. Aber auch die differenzialdiag-nostische Abgrenzung zu anderen Störungen, wie sie im ICD-10 schon immer und jetzt auch im DSM-5 gefordert ist, ist von großer Bedeutung (vgl. auch Büch & Döpfner, 2012; Petermann & Petermann, 2015). Aus-geschlossen werden müssen hirnorganisch bedingte psychische Störun-gen aus der Gruppe F0, Schizophrenie und verwandte Störungen (F2), affektive Störungen (F3), eine Zwangsstörung (F42), eine Panikstörung (F41.0), spezifische Phobien (F40.2), eine tiefgreifende Entwicklungs-störung (F84) beziehungsweise eine Autismusspektrumsstörung sowie elektiver Mutismus (F94.0). Prinzipiell ist auch zu beachten, dass sozi-ale Ängste sekundär im Kontext anderer psychischer Störungen auftre-ten können. Eine ausführliche Beschreibung der Exploration der komor-biden Symptomatik und differenzialdiagnostischen Abklärung findet sich in Kapitel 2 (Leitlinie 1.3). Für das Kindes- und Jugendalter soll nach-folgend in Tabelle 1 kurz auf die wichtigsten differenzialdiagnostischen Abgrenzungen eingegangen werden.

Leistungs­angst keine eigene Kategorie

Angst­störungen untereinan­der = hoch komorbide

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Kapitel 16

Tabelle 1: Differenzialdiagnostische Abgrenzung der sozialen Angststörung und Leis-tungsängste gegenüber anderen psychischen Störungen

Differenzialdiagnostische Abgrenzung Unterschiede zu sozialer und Leistungsangstgegenüber Merkmale

Prüfungs­angst

– Begrenzung auf Prüfungssituati-onen in Schule, Ausbildung, Stu-dium und Ähnliches

– Angst vor Versagen, schlechten Ergebnissen und negativen Fol-gen im Kontext von Prüfungen

– Angst bezieht sich auf konkrete Prüfungsergebnisse und nicht auf die Person selbst

– Leistungsangst bezieht sich auf die Bewertung der eigenen Person durch andere in vielen Alltagssi-tuationen

– Eine negative Bewertung eigenen Verhaltens bezie-hungsweise der eigenen Person wird generell un-terstellt und befürchtet

Emotionale Störung mit Trennungs­angst des Kindesalters

– Angst vor der Trennung von wichtigen Bezugspersonen durch ein Unglück oder Tod, so-dass das Kind seine Bezugsper-son nie wieder sehen wird

– Folge kann die Verweigerung von Kindergarten- und Schulbe-such sein

– Kind hält sich am häufigs-ten zu Hause auf, aber nicht aus dem Grund des Sich-Nicht-Trennen-Kön-nens, sondern weil es So-zialkontakt zu (unvertrau-ten) Personen scheut

– Kind verweigert nicht un-bedingt den Schulbesuch

Phobische Störung des Kindesalters undspezifi­sche Phobie

– Angst vor spezifischen Ereignis-sen, die entwicklungsphasenty-pisch zum Zeitpunkt des Be-ginns waren

– Angst bezieht sich auf begrenzte Objekte (z. B. Tiere) oder Zu-stände (z. B. Sturm, Unwetter)

– Die spezifischen Ängste können, müssen aber nicht in sozialen Situationen auftreten

– Ängste sind nicht auf spe-zifische Ereignisse oder Objekte beziehungsweise Personen begrenzt

– Sie treten immer in sozia-len Situationen auf

Generali­sierte Angst­störung des Kindes alters

– Generelle, exzessive Sorgen und Ängste vor verschiedenen Alltagsereignissen sowie übli-chen Aktivitäten

– Zweifel daran, diese alltäglichen Anforderungen nicht bewältigen zu können

– Keine Begrenzung auf soziale oder (schulische) Leistungssitu-ationen

– Sorgen sind nicht an soziale Hervorhebung oder Bewertung gebunden

– Angst und Sorgen sind auf soziale Situationen beschränkt

– Ängste auf die mögliche Bewertung durch andere (Gleichaltrige und Er-wachsene) begrenzt, vor allem in sozial hervorge-hobenen Situationen

– Angstfrei, wenn keine Be-wertungssituation oder kein Kontakt mit anderen Personen erwartet wird

Autismus­spektrums­störung beziehungs­weise Asperger­Autismus

– Beeinträchtigung der wechsel-seitigen sozialen Interaktion und Kommunikation

– Eingeschränkte Interessen – Sich wiederholende Aktivitäten – Kein Empathievermögen, keine

Perspektivenübernahmefähig-keit

– Normales Interesse an Kontakt, Kommunikation und Interaktion, sofern keine damit verbundene Bewertung erwartet wird

– Soziale Isolation ist nicht auf Desinteresse an Sozial-kontakten zurückzuführen

– Empathie- und Perspekti-venübernahmefähigkeit sind vorhanden

Differenzial­diagnostik

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Stand der Forschung 7

Differenzialdiagnostische Abgrenzung Unterschiede zu sozialer und Leistungsangstgegenüber Merkmale

Elektiver Mutismus

– Emotional bedingte Selektivität des Sprechens und Nicht-Spre-chens

– Besonders in Situationen auftre-tend, in denen Sprechen erwar-tet wird

– Elektiver Mutismus ist in defi-nierten Situationen von konse-quentem Nicht-Sprechen cha-rakterisiert

– Selektives Sprechen kann Aus-druck von ängstlicher Vermei-dung oder oppositioneller Ver-weigerung sein

– Soziale Ängste können, müssen aber nicht mit elektivem Mutis-mus verbunden sein

– Merkmale in der Sprache, wie nicht oder leise oder undeutlich artikulieren, treten nur vorübergehend am Anfang einer unver-trauten Sozialkontakt-situation auf

– Sprachmerkmale sind auf Bewertungssituationen begrenzt

– Nach einer Gewöhnungs-phase in sozialen Situatio-nen tritt normales Spre-chen auf

– „Sprachlosigkeit“ bei sozial ängstlichen Kindern hat in der Regel keinen oppositi-onellen Hintergrund

Depressive Episode und Dysthymia

– Niedergedrückte Stimmung – Verminderter Antrieb und wenig

Aktivität – Interessenlosigkeit, inklusive

keinem Wunsch nach Sozialkon-takt

– Deswegen häufig sozialer Rück-zug

– Sozialer Rückzug nicht aus Antriebslosigkeit oder Interessenlosigkeit, son-dern wegen erwarteter negativer Bewertung

– Wunsch nach Sozialkon-takt vorhanden

– Aber soziale Angststörung kann mit depressiven Merkmalen einhergehen

Agora­phobie

– Angst davor, das Haus/die Woh-nung zu verlassen

– Angst vor Menschenmengen, öffentlichen Plätzen, Einrichtun-gen (wie Bus, Bahn, Flugzeug) wegen einem befürchteten Kont-rollverlust oder wegen körperli-cher Symptome (z. B. Herzklop-fen)

– In diesem Kontext Angst davor, im Notfall keine Hilfe zu erhalten oder aus der Situation nicht flie-hen zu können oder vor aller Augen notfallärztlich versorgt werden zu müssen; dies hat aber mehr mit Kontrollver-lustangst zu tun und nur teil-weise mit eigenem peinlichen Verhalten

– Bei der Möglichkeit, diese Situa-tion vermeiden zu können, besteht keine Angst

– Angst vor kleinen, über-schaubaren Gruppen wegen möglicher sozialer Hervorhebung und negati-ver Bewertung

– In der Regel keine Angst vor Menschenmengen

– Angst vor peinlichem Ver-halten; hier kann eine Merkmalsüberlappung zur Agoraphobie gegeben sein

Asperger-Störung versus soziale Phobie. Vordergründig unterstellt man Kindern mit einer Asperger-Störung ähnliche soziale und kommunikative

Tabelle 1: Fortsetzung

Differenzial­diagnostik

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Kapitel 18

Defizite wie Kindern mit einer sozialen Phobie. Dieser Frage gingen Scharf-stein, Beidel, Sims und Rendon Finnell (2011) in einer Studie nach, in der sie unauffällige Kinder, sozial phobische und Asperger-Kinder unter ande-rem hinsichtlich beobachtbarer sozialer Fertigkeiten und der Angemessen-heit ihrer sprachlichen Äußerungen sowie Stimmmodulation miteinander verglichen. Die Asperger-Kinder glichen weitgehend den unauffälligen Kin-dern, und Kinder mit einer sozialen Phobie zeigten folgende Auffälligkei-ten: – sie sprachen in einem vorgegebenen Zeitintervall weniger Worte, – ihr Affekt war reduziert, – ihr Stimmvolumen und die Intensität der Stimme waren geringer, – ihre Motorik war weniger ausgeprägt, – die sozialen Fertigkeiten waren deutlich verringert, – die Prosodie erheblich beeinträchtigt und – die Stimmmodulation (im Sinne der Variabilität) erheblich einge-

schränkt.

1.3 Epidemiologie und Verlauf

Die soziale Angststörung (soziale Phobie) ist im Kindes- und Jugendal-ter eher selten, wobei das Erstmanifestationsalter meist ins Jugendalter fällt. So weisen Kessler et al. (2005) darauf hin, dass 75 % der betroffe-nen Erwachsenen bis zum 15. Lebensjahr erstmals die Kriterien für eine Störung erfüllten. Sehr selten liegt das Erstmanifestationsalter vor dem zehnten Lebensjahr (u. a. Beidel & Turner, 1998). Nach der Übersicht von Rapee, Schniering und Hudson (2009) weisen Mädchen im Ver-gleich zu Jungen ein fast doppelt so hohes Risiko für die Entwicklung von Angststörungen auf. Die Ergebnisse sind jedoch sehr heterogen; so geht man bei der sozialen Phobie von einem Verhältnis 3 : 2 zuunguns-ten der Mädchen aus. Insgesamt hängt eine Angststörung – im Gegen-satz zu anderen Störungen im Kindes- und Jugendalter – eher weniger von sozialen Faktoren (z. B. Familiengröße, dem Ehestatus und Ausbil-dungsniveau der Eltern) und von der ethnischen Zugehörigkeit ab (vgl. Rapee et al., 2009).

Die wenigen epidemiologischen Studien der letzten mehr als 20 Jahre er-gaben meistens Prävalenzraten um die 1 % bis maximal 2 %, wobei diese Raten im Entwicklungsverlauf, also mit dem Altersverlauf, kontinuierlich ansteigen (Petermann & Suhr-Dachs, 2013). Tabelle 2 gibt eine Übersicht über zwei deutsche Studien (Essau, Conradt & Petermann, 1999; Wittchen, Stein & Kessler, 1999), eine türkische Studie (Demir, Karacetin, Eralp Demir & Uysal, 2013), eine englische Studie (Ford, Goodman & Melzer, 2003), eine US-amerikanische Studie (Kashani & Orvaschel, 1990) und eine norwegische Studie (Van Roy, Kristensen, Groholt & Clench-Aas, 2009).

Soziale Phobie vs. Asperger­Autismus

Erstmani­festation

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Stand der Forschung 9

Tabelle 2: Soziale Phobie im Jugendalter: Punkt- bzw. Lebenszeitprävalenzen

Autoren Prävalenzangaben

Demir, Karacetin, Eralp Demir & Uysal (2013) Lebenszeitprävalenz: 3,9 %

Essau, Conradt & Petermann (1999) Punktprävalenzen: 12- bis 13-Jährige: 0,5 %14- bis 15-Jährige: 2,0 %16- bis 17-Jährige: 2,6 %

Ford, Goodman & Melzer (2003) Punktprävalenz: 0,33 %

Kashani & Orvaschel (1990) Punktprävalenz: 1,0 %

Van Roy, Kristensen, Groholt & Clench-Aas (2009) Lebenszeitprävalenz: 2,3 %

Wittchen, Stein & Kessler (1999) Lebenszeitprävalenz: 3,5 %

Wie schon erwähnt, steigen die Prävalenzraten mit dem Alter an; diesen Anstieg demonstrierte besonders deutlich die Bremer Jugendstudie (vgl. Essau et al., 1999; vgl. Tab. 2).

Beginnt die soziale Angststörung (soziale Phobie) sehr früh, das heißt vor dem elften Lebensjahr, und kommen im weiteren Verlauf depressive und/oder Abhängigkeitsprobleme hinzu, so ist eine lebenslange Chroni-fizierung wahrscheinlich. Fließende Übergänge von einer sozialen Pho-bie (sozialen Angststörung) zu einer generalisierten sozialen Phobie bis zur vermeidend selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung sind möglich (Mitte, Heidenreich & Stangier, 2007).

Frühe Angststörungen generalisieren nicht nur früher, sondern zeichnen sich vor allem durch eine deutlich stärker ausgeprägte Verhaltenshem-mung aus (vgl. Kapitel 1.5.1). Generell korreliert der Schweregrad einer sozialen Phobie im Jugendalter hoch mit der Ausprägung der Verhaltens-hemmung in der frühen Kindheit (vgl. Dalrymple, Herbert & Gaudiano, 2007). In einem systematischen Vergleich der Verläufe mit einem frühen und späten Beginn einer sozialen Angststörung konnte unter Heranzie-hung einer Vielzahl von Merkmalen lediglich die Ausprägung der Ver-haltenshemmung als Prädiktor bestätigt werden (Lim et al., 2013), das heißt nur sehr stark ausgeprägte Verhaltenshemmung war ein Indiz für einen frühen Störungsbeginn. In der Studie von Lim et al. (2013) unter-schieden sich ein früher oder später Störungsbeginn auch nicht in der An-zahl der komorbiden Störungen.

Das Ausmaß der mit einer sozialen Phobie einhergehenden Beeinträchti-gung verändert sich in Abhängigkeit von sozialen Anforderungen und der Komplexität sozialer Situationen. Die Beeinträchtigungen für Kinder ma-chen sich vor allem vor dem Hintergrund der Anforderungen in der Schule und im Sozialkontakt bemerkbar. In der Schule sind es Prüfungssituatio-

Prävalenzen steigen mit dem Alter

Verhaltens­hemmung als Prädi­kator

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Kapitel 110

nen sowie Situationen der sozialen Hervorhebung, wie Vorlesen vor der Klasse, Referate halten, an der Tafel etwas demonstrieren oder Fragen der Lehrkraft beantworten. Im Sozialkontakt fürchten die Kinder neben dem Sprechen mit unvertrauten Personen am meisten unstrukturierte Interak-tionen mit Gleichaltrigen (vgl. Büch & Döpfner, 2012; Petermann & Pe-termann, 2015).

Subklinische Formen der sozialen Phobie kommen wesentlich häufiger vor. In der Bremer Jugendstudie (Essau, Conradt & Petermann, 1998) gaben von 1 035 Befragten 47,2 % soziale Ängste an. Mädchen gaben mit 50,8 % öfter soziale Ängste an als Jungen (42 %). Auch berichteten sie über eine höhere Anzahl einzelner sozialer Ängste und hatten größere Probleme, wenn sie diesen Ängsten ausgesetzt waren. Allerdings wurden diese Geschlechtsunterschiede nicht signifikant.

Da Leistungsängste keine eigenständige diagnostische Kategorie darstel-len, liegen hierzu auch kaum epidemiologische Daten vor. In einer Stu-die mit dem Phobiefragebogen für Kinder und Jugendliche (PHOKI) sind einige Angaben aus einer repräsentativen Stichprobe enthalten (Döpfner, Schnabel, Goletz & Ollendick, 2006). Anhand von Faktoren- und Kon-sistenzanalysen konnte eine Dimension isoliert werden, die Schul- und Leistungsängste erfasst. Danach haben rund 20 % aller 8- bis 18-jähri-gen Kinder und Jugendlichen häufig Angst, durch eine Prüfung zu fal-len, und rund 13 % aller Jungen sowie 15 % aller Mädchen beschreiben Ängste vor schlechten Noten. Die Skala Schul- und Leistungsängste ist die einzige Angstskala, auf der keine erhöhten Werte bei den Mädchen festzustellen waren.

1.4 Komorbide Störungen

Vorausgeschickt werden muss, dass Angststörungen untereinander eng miteinander assoziiert sind (Petermann & Suhr-Dachs, 2013); ab dem Ju-gendalter kann man bei sozialen Ängsten davon ausgehen, dass eine wei-tere psychische Störung zur sozialen Phobie komorbid auftritt (vgl. Fehm, Pelissolo, Furmark & Wittchen, 2005); bei 15- bis 17-Jährigen liegt bei über 40 % der Betroffenen eine Depression vor (vgl. Väänänen, Fröjd, Ranta, Marttunen & Kaltiala-Heino, 2011).

In der Gruppe der 12- bis 17-Jährigen treten mit der sozialen Phobie ge-meinsam besonders häufig die folgenden Störungen auf:

– die spezifische Phobie (5,8 %), – nicht näher bezeichnete Angststörungen (23,5 %), – die Agoraphobie (23,5 %) und – Zwangsstörungen (11,7 %; vgl. dazu Essau, Conradt & Petermann,

2000).

Sub­klinische

Formen der sozialen

Phobie

Komorbide Depression

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Stand der Forschung 11

Im Rahmen der Bremer Jugendstudie (Essau et al., 1999) sind folgende weitere komorbide Störungen im Kontext einer sozialen Phobie berich-tet worden: depressive Störungen (29,4 %), Substanzmissbrauch und Ab-hängigkeitsprobleme (23,5 %) sowie somatoforme Störungen (41,2 %).

1.5 Pathogenese

Bei der Entstehung der sozialen Angst geht man von einem biopsychoso-zialen Ursachenmodell aus, wobei der Einfluss von genetischen Faktoren auf 30 % bis 50 % geschätzt wird (vgl. z. B. Skre, Onstead, Torgersen, Ly-gren & Kringlen, 2000), diese Einflüsse jedoch von anderen familiären Einflüssen schwer zu trennen sind (Rapee & Spence, 2004; Tillfurs, Fur-mark, Ekselius & Fredriksen, 2001).

1.5.1 Biologische Faktoren

Der Temperamentsfaktor Verhaltenshemmung (Behavioral Inhibition) wird als zentraler biologischer Faktor in der Pathogenese einer sozialen Angst angeführt.

Verhaltenshemmung (Behavioral Inhibition). Das Konzept der Verhaltens-hemmung wurde von der Gruppe um Kagan (zusammenfassend: Kagan, Snidman, Kahn & Towsley, 2007) intensiv untersucht. Verhaltenshemmung wird als zurückgezogenes, schüchternes Verhalten gegenüber neuen unver-trauten Situationen charakterisiert. Es meint die Tendenz eines Kindes, auf neuartige oder vermeintlich furchtauslösende Reize mit Angst und Rückzug zu reagieren. Typischerweise unterbrechen betroffene Kinder in solchen Situationen ihr Spielverhalten und ziehen sich in die Nähe ihrer Bezugsperson zurück. In Spielsituationen mit unbekannten Objekten oder Personen vermeiden verhaltensgehemmte Kinder eine Annäherung oder Kontaktaufnahme und/oder halten eine größere räumliche Distanz zu ihnen. Bei Schulkindern zeigt sich die Verhaltenshemmung beispiels-weise durch Zurückhaltung im Unterricht, starke Erregung beim Ange-sprochen-werden oder bis zur Schulvermeidung. Verhaltensgehemmte Jugendliche grenzen sich eher von Gleichaltrigen ab, zum Beispiel indem sie nicht an gemeinsamen Aktivitäten in der Freizeit teilnehmen.

Fox, Calkins und Bell (1994) erweiterten das Konzept der Verhaltenshem-mung, indem sie zwischen zwei Faktoren differenzierten. Demnach kommt die beobachtbare Verhaltenshemmung bei der Konfrontation mit neuar-tigen Reizen oder fremden Personen durch zweierlei zustande: (1) der Tendenz, auf neuartige Reize furchtsam zu reagieren und (2) Schwierig-keiten, diese Furcht effektiv zu modulieren. Aus der biologischen Veran-lagung ergibt sich also nicht zwangsläufig eine vorgegebene Reaktions-

Verhaltens­hemmung

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Kapitel 112

tendenz, da durch erworbene Emotionsregulationsstrategien Möglichkeiten bestehen, den Affekt zu beeinflussen (Fox, Henderson, Marshall, Nichols & Ghera, 2005). Selbstregulatorische Prozesse, wie z. B. die Aufmerksam-keitslenkung, entwickeln sich unter dem Einfluss der negativen Affektivi-tät gegenüber neuartigen Reizen. So kann die Verhaltenstendenz entste-hen, negative Affekte zu fokussieren oder Reize zu vermeiden, die für das Kind nur schwer zu verarbeiten sind. Für verhaltensgehemmte Kinder ist das Erlernen von Regulationsstrategien eine besonders anspruchsvolle Auf-gabe, da diese mit starken negativen Emotionen, wie etwa Angst oder Un-wohlsein konfrontiert sind, also einen hohen Regulationsbedarf besitzen.

Die Verhaltenshemmung ist mittlerweile ein gut untersuchtes und be-schriebenes Merkmal. Etwa 15 bis 20 % der Kinder werden mit dem Temperamentsmerkmal „Verhaltenshemmung“ geboren. Obwohl die Ver-haltenshemmung bei sehr jungen Kindern identifiziert wurde, ist diese Eigenschaft auch bei älteren Kindern (Kagan & Snidman, 1999), Jugend-lichen (Muris, Merckelbach, Schmidt, Gadet & Bogie, 2001) und Er-wachsenen (Reznick, Hegeman, Kaufman, Woods & Jacobs, 1992) nach-gewiesen worden. Verhaltenshemmung ist vor dem achten bis neunten Lebensmonat nicht zu beobachten, ab ca. 20 Monaten aber bereits valide zu erfassen, idealerweise zwischen 20 und 30 Monaten.

Neuropsychologische Ätiologiemodelle gehen bei der Verhaltenshem-mung von einer vermehrten Reaktionsbereitschaft der Amygdala und ihren Verbindungen zum Striatum, Hypothalamus sowie dem sympathi-schen und kardiovaskulären System aus (Schwartz, Wright, Shin, Kagan & Rauch, 2003; Pérez-Edgar et al., 2007). Als Kandidatengen, das mög-licherweise mit der Entstehung der Verhaltenshemmung in Verbindung steht, wurde das Corticotrophin-Releasinghormon-Gen identifiziert (Smol-ler et al., 2005). Weiterhin wurden bei Kleinkindern, die eine Verhaltens-hemmung aufwiesen, EEG-Asymmetrien (Fox et al., 1994) und erhöhte Speichelcortisolspiegel (Fox et al., 2005) gefunden.

Obwohl die Verhaltenshemmung als genetisch bedingt gilt, können auch Umwelteinflüsse eine gewisse Wirkung auf die Ausprägung und Stabili-tät dieser Eigenschaft in der Kindheit ausüben (Degnan, Almas & Fox, 2010; Dougherty et al., 2013; Kennedy, Rapee & Edwards, 2009; Mara-kovitz, Wagmiller, Mian, Briggs-Gowan & Carte, 2011; Rotge et al., 2011). So verdeutlichten Pahl, Barrett und Gullo (2012), dass zwar das Temperamentsmerkmal „Verhaltenshemmung“ einen sehr guten Prädik-tor für Ängste im Kindesalter darstellt, wobei die mütterliche Belastung die Ausprägung der Verhaltenshemmung jedoch verstärkt – dies trifft je-doch nicht für die väterliche Belastung zu.

Generell verstärkt die negative Affektivität (= Depression) der Mutter sowohl die sozialen Ängste eines Kindes direkt als auch die Verhaltens-hemmung an sich. Lewis-Morrarty et al. (2012) wiesen nach, dass ein überkontrollierendes mütterliches Erziehungsverhalten bei verhaltens-

Emotions­regulation

Mütterliche Belastung

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