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Forum HolzBauFrau Meran 10 Spektakuläres Bauen mit Holz | H. Blumer 1 Spektakuläres Konstruieren mit Holz Hermann Blumer Dipl. Bauing. ETH/SIA Création Holz Waldstatt, Schweiz

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Spektakuläres Konstruieren mit Holz

Hermann Blumer

Dipl. Bauing. ETH/SIA Création Holz

Waldstatt, Schweiz

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Spektakuläres Bauen mit Holz

1. Einleitung zu diesem schriftlichem Beitrag

Der Eingang des nachfolgenden E-Mails mit der Ankündigung des Besuches von Shigeru Ban bei Amann Holzbau in Weilheim veränderte meine Arbeit mit Holz ab dem 6. Juni 2005 grundlegend. Nach dieser ersten Kontaktaufnahme mit dem mir damals unbekann-ten Architekten auf dem Flughafen Kloten, mit der anschliessenden Fahrt in den Schwarzwald sowie der dramatischen Rückfahrt nach der Sitzung begann das Abenteuer

Centre Pompidou in Metz.

Abbildung 1: E-Mail mit der Ankündigung des Besuches von Shigeru Ban

Schon 2004 hatte Amann Holzbau einen Entwurf auf dem Tisch. Wir steckten zu dieser Zeit auch einmal in Herisau die Köpfe zusammen. Beim genauen Hinsehen sah man bei allen ein unterdrücktes Kopfschütteln. Wir stellten uns die Fragen: Kann man mit Holz das überhaupt bauen, soll man sich in ein derartiges Wagnis einlassen? Kontaktaufnah-men mit dem beauftragten Ingenieurbüro Arup und Besuche in London brachten uns kei-nen Schritt weiter.

Abbildung 2: Der Entwurf für das Dach des Centre Pompidou in Metz

Nach dieser kurzen aber denkwürdigen Sitzung mit dem Versprechen, dass wir die Reali-sierung dieses Daches in Angriff nehmen werden, begann ein gedanklicher Hürdenlauf mit Hindernissen die immer wieder als unüberwindbar schienen.

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Immer in der Not, dass es mir nie gelang, in tage- und nächtelangen Abwägungen eine Klarheit über die Geometriefindung, den richtigen statischen Ansatz, die maschinelle Be-arbeitung und die Art der Montage zu erlangen hoffte ich auf die Erlösung über einen ul-timativen Gedankenklick. Der kam mir dann eines Tages mit einer Beobachtung der

Fahrleitungsmasten auf dem Bahnhof in Gossau. Nach der Absprache mit der Firma Amann schrieb ich am 16. August ein E-Mail.

Abbildung 3: Mein E-Mail an Shigeru Ban mit der eigentlichen Zusage

Am 11. Mai 2010 wurde das Centre Pompidou in Metz eröffnet werden. Es waren für mich emotionale Momente. Ein selbst im Rückblick unglaubliches Spektakel hat sich seit dem August 2005 abgespielt. Von unserem nüchternen Ingenieurblick aus lässt sich das so beschreiben:

Das Umsetzen eines derart komplexen und neuartigen architektonischen Entwurfs

bis zum fertigen Werk ist eine schöpferische Tätigkeit. Die Aufgabe besteht darin, einem System eine geforderte Funktion, Form und Sicherheit zu geben. Dabei setzt der Ingenieur sein Wissen, seine Erfahrung und seine Werkzeuge ein; er muss den geeigneten Baustoff evaluieren und dessen Stärken gekonnt ins Spiel bringen. Ein Engpass bei der Entwicklung eines Systems ist oft die Zeit: Meist be-finden sich die Planungsarbeiten aufgrund ihrer Komplexität bereits vorgängig im Rückstand. So muss sich der Ingenieur in der Praxis mit Lösungen zurechtfinden, deren Optimierungsprozesse partiell noch laufen, obwohl bereits Massgebendes freizugeben und qualitativ zu verantworten ist.

Alle Beteiligten waren in der Umsetzung dieses Bauwerkes auf ihre Art aufs höchste ge-fordert. Sei es bei den vorausgehenden Versuchen, während der Herstellung wie auch im Montageprozess, laufend waren neue Lösungsansätze gefordert. Am wertvollsten war die

auf Toleranz ausgerichtete Zusammenarbeit mit ergiebigen gegenseitigen Synergien.

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2. Mein Gang zur Eröffnung am 11. Mai

Früher als nötig machte ich mich auf den Weg an den Ort der heutigen Feierlichkeiten. Die Frontfassade des Bahnhofes in Metz - erbaut von 1905 bis 1908 und vom Berliner

Architekten Jürgen Kröger in neo-romanischem, wilhelminischem Stil entworfen - beach-tete ich kaum. Etwas verlassen fühlte ich mich in der Unterführung unter den Geleisen und dann die Überraschung, ein neuer Weg, ein roter Teppich und vorne die Konterfei von Shigeru Ban und Jean De Gastines gepixelt in weissen und schwarzen Punkten.

Abbildung 4: Auf der Passerelle nach der Bahnhofunterführung

Noch hatte ich 100 Meter zu gehen und dann stand ich in respektvoller Distanz vor dem

Werk, vor meinem Werk, das eben doch nicht meines war, sondern das Werk einer gros-sen Gruppe von Menschen mit denen wir einen unendlich langen und spektakulären Weg gegangen sind. Oft haben wir fast die Orientierung verloren, oft zitterten wir symbolisch gesprochen vor einem Einstieg in eine überhängende Felswand.

Abbildung 5: Meine Emotionen mit diesem Bild vor Augen

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Ich hatte noch 90 Minuten bis zur Eröffnung vor mir, die Gegenwart war aber das Erleb-nis. Im Sichtfeld das Monument den Ton der Aussenwelt infolge visueller Eindrücke leicht ausgeblendet. Meine Vorahnung war: der heutige Tag wird eine Spektakel werden. Die Menschen - neue Angestellte und noch nicht die Besucher - warteten geduldig vor der

Eingangskontrolle. Ihre Mimik konnte ich erst besser beurteilen, als ich dann doch etwas näher es interessierte mich, wie neu Dazugekommene fühlten. Es schien alles zu stim-men. Ich war tief beruhigt.

Dann Endlich um 11 Uhr öffneten sich das Rolltor. Die Menschen strömten hinein. Der Blick schnellte nach oben als suche man den Himmel, dazwischen unser geflochtenes Holz mit einer hellen Membran abdeckend.

Abbildung 6: Der Blick des Staatspräsidenten

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3. Das Spektakel war jeweils der Projektwerdegang

Ich möchte in meinem Vortrag 4 Projekte vorstellen. Es sind dies die Station Princess Elisabeth in der Antarktis, der Gecko auf dem Dach der Firma Wiesmann in Dülmen (D),

des Golf Klubhaus in Yeoju in Südkorea und des Centre Pompidou in Metz (F). Das waren in der Tat immer spektakuläre Projektierungs- und Bauerlebnisse mit vier unterschiedli-chen Holzbauunternehmungen. Für den Begriff spektakulär gibt es eine ganze Menge von Synonymen:

aufsehenerregend, auffällig, beispiellos, aussergewöhnlich, auffallend, abnorm, epochemachend, erstaunlich, ausserordentlich, beachtlich, bedeutend, bemer-kenswert, einzigartig, enorm, erstrangig.

Die Zusammenarbeit mit den Firmen Prefalux (L), Cordes (D), Blumer-Lehmann (CH) und Amann (D) war bei all diesen an der Grenze der Machbarkeit angesiedelten Projekten, tiefgehend. Sie gestaltete sich über den ganzen Projektablaufs-Zeitraum durchwegs im besten Einvernehmen. Alle Projekte konnten so beendet werden, dass auch der finanziel-

le Aspekt nie beklagt wurde. Heute sind das ausnahmslos die Vorzeigeobjekte auf den Frontseiten der Firmenpräsentationen.

Bei allen Projekten gab es für den Entwurf Vorbilder aus der Natur. Das Zusammenbrin-gen zweier Dinge, nämlich Beobachtungen in der Natur mit unserer Technik ist oft der Auslöser für etwas Neues. Für das innovative Bauen mit Holz haben wir eine grosse Büh-ne für spektakuläre Auftritte

4. Das 4-fache Spektakel meines Referates

Abbildung 7: Die 4 Projekte mit 4 Holzbauunternehmern

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5. Station Princess Elisabeth (Antarktis)

5.1. Vorbild Pinguine

Die Pinguine sind eine Gruppe flugunfähiger Seevögel der Südhalbkugel. Pinguine sind

leicht von allen anderen Vögeln zu unterscheiden und in herausragender Weise an das Leben im Meer und in den teilweise extremen Kältezonen der Erde angepasst.

Pinguine sind in ihrem Lebensraum zum Teil extremen klimatischen Bedingungen ausge-setzt und haben sich daran durch verschiedene anatomische Merkmale angepasst.

Zur Wärmeisolation dient zunächst eine ausgeprägte, oft zwei bis drei Zentimeter dicke Fettschicht, über der sich drei wasserdichte Schichten kurzer, dicht gepackter und

gleichmässig über den ganzen Körper verteilter Federn befinden. Apterien, Hautregionen, in denen keine Federn wachsen, gibt es bei Pinguinen im Gegensatz zu fast allen anderen Vögeln nicht; eine Ausnahme bildet bei manchen tropischen Arten die Gesichtshaut. Die in den Federschichten eingeschlossene Luft schützt im Wasser ebenfalls sehr effektiv vor Wärmeverlusten.

Daneben besitzen Pinguine hoch entwickelte "Wärmetauscher" in ihren Flossen und Bei-

nen: Das in diese Gliedmassen einströmende arterielle Blut gibt seine Wärme zu einem grossen Teil an das kühlere in den Körper zurückströmende venöse Blut ab, so dass Wärmeverluste minimiert werden. Dies wird als „Gegenstromprinzip“ bezeichnet. Auch die Atmung funktioniert nach dem Gegenstromprinzip. Im Rachen ist der Wärmetauscher unterstützt durch eine starke Durchblutung angeordnet. Dieses Prinzip erlaubt pro Minute lediglich 5-6 Atemzüge.

Auf der anderen Seite kämpfen einige in tropischen Gewässern beheimatete Pinguinarten eher mit Überhitzung. Um dies zu verhindern, sind ihre Flossen im Vergleich zur Körper-grösse verbreitert, so dass die Fläche, über die Wärme abgegeben werden kann, erwei-tert ist. Bei einigen Arten ist zudem die Gesichtshaut nicht von Federn bedeckt, so dass aufgestaute Wärme im aktiv aufgesuchten Schatten schneller abgegeben werden kann.

5.2. Auszug aus: Prefalux Journal édition spécial mai 2008

5.2.1. Du bois dans les glaces éternelles

Le gouvernement fédéral belge a demande à l'International Polar Foundation (IPF), fon-dée par Alain Hubert et les professeurs André Berger (UCL) et Hugo Decleir (VUB), de construire une nouvelle station de recherche, la station "Princess Elisabeth", qui a été

édifiée pendant l'été austral, de novembre 2007 à mars 2008.

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5.2.2. Un objectif de "Zéro Emission"

Ce projet est une grande première: la station est l'unique base polaire passive a fonc-tionner intégralement sur base d'énergies renouvelables! C'est une réussite technique qui réunit le meilleur de ce que les sciences et la technologie ont a offrir aujourd'hui.

5.2.3. La mission de Prefalux

Prefalux a joue un rôle important dans la construction de la station. Les premiers contacts ont eu lieu en février 2007, lorsque l'architecte Philippe Samyn nous a mis en contact avec Alain Hubert et Johan Berte, les principaux protagonistes de ce projet. Les études de la station, projetée initialement en acier, aboutissaient à une impasse. L'archi-tecte Philippe Samyn proposa d'emblée une réalisation en bois. Les grands principes de la réalisation furent ainsi définis: une structure en bois revêtue de panneaux préfabriqués permettant un pré-montage à Bruxelles suivi d'un transport sur le site de montage en Antarctique. Le tout avec un calendrier rigoureux: montage a blanc de la station a Bruxelles pour le 5 septembre 2007, départ pour l'Antarctique fin octobre, montage sur le site en février-mars 2008. La mission que Prefalux accepta avec un enthousiasme tein-

te d'appréhension: concevoir, développer et construire la structure et les panneaux pré-fabriqués. Assurer le montage a blanc à Bruxelles. Par la suite cette mission fut élargie au démontage et a la construction sur le site en Antarctique.

5.2.4. Les études

Différentes études ont été dirigées par Prefalux: principalement un calcul statique et une analyse hygrométrique. Prefalux s'est aussi adjoint Hermann Blumer comme consultant.

Le calcul statique a été conduit par le bureau SGI sur base des conclusions des essais en soufflerie sur une maquette de la station, réalises par Von Karman, Institute for Fluide Dynamics. Le vent pris en compte étant de 75 m/sec (270km/h). Ce Vent violent s'est traduit par des charges locales de 1000 kg/m2 sur la structure. Le calcul hygrothermique a été me ne par IB-Buchner en deux phases: la phase de transport durant laquelle les éléments étaient soumis à des changements importants d'hygrométrie et de température et une phase sur les conditions du site de construction. Les conclusions de l'analyse hy-grothermique: la présence d'un pare vapeur efficace s'est avérée indispensable et les éléments devaient être protégés contre les variations d'humidité durant le transport. L'étude du projet a fait I'objet de nombreuses réunions très constructives auxquelles ont participe les nombreux acteurs du projet pour se terminer fin mai 2007.

5.2.5. La structure en bois

La structure retenue est une ossature en ferme-treillis en lamelle colle de sapin épicéa. Les poutres se croisent à 90° selon les axes du bâtiment pour former une structure tri-dimensionnelle. Cette structure est complétée en périphérie par des arcs en lamelle colle qui parachève la forme de la station. L'ossature repose sur 34 appuis constitues par les béquilles en acier, ces dernières étant ancrées dans la roche. Les assemblages des pou-tres en treillis sont des assemblages broches (système BSB) avec de nombreux joints de montage, d'une part pour permettre un montage-démontage-remontage rapide et aussi

pour limiter la longueur des pièces destinées cl être transportées dans des containeurs 20 pieds.

5.2.6. Le montage à Bruxelles

Le montage a Bruxelles avait deux objectifs: tester le montage de la structure et les mo-dules et présenter "Princess Elisabeth" au grand public. Le montage a été riche d'ensei-

gnement, il nous a appris que l'absence de tolérance dans la structure et les modules exigeait une mise en place des appuis métalliques très précise. IPF, qui avait en charge la réalisation des ancrages a du adapter les techniques de scellement en fonction des ces nouvelles contraintes. Le montage a blanc a aussi permis de corriger certaines imperfec-tions des éléments préfabriqués, d'adapter les engins de levage et les échafaudages né-cessaires. La présentation au grand public fut couronnée d'un grand succès. Fin septem-bre, la station était démontée, toutes les pièces numérotées répertoriées et chargées dans plus de 100 containeurs à destination de l'Antarctique via Cape Town.

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Abbildung 8: Testmontage in Brüssel

5.2.7. Le montage en Antarctique

L'Yvan Papanin, gros brise-glace russe, est arrive à Crown Bay un peu avant No l 2007 avec à son bord I 25 containeurs, des engins de chantiers, des grues de montage, du

fioul et une quinzaine de personnes d'IPF. Il a été accueilli par Alain Hubert et son équi-pe, partis fin octobre pour installer le camp de base. II faudra 6 jours pour décharger le bateau sur la banquise et stocker les containeurs sur une place sûre. Les containeurs charges sur des traineaux ont été tractes vers le site de montage situe à quelques 180 km de la côte. Chaque voyage aller-retour a dure 40 heures et il y en aura 18 pour acheminer tout le matériel vers le camp de base. Le personnel de Prefalux, 7 personnes, est parti début janvier pour une durée de deux mois. Après une escale à Cape Town , un

impressionnant Illiouchine les a déposé sur le continent blanc ou un DC3 les attendait pour les déposer deux heures plus tard sur le chantier. C'est avec beaucoup de soulage-ment que nous avons découvert que le matériel arrivait en bon état sur le chantier et surtout qu'IPF avait fait un travail remarquable : les fondations étaient prêtes et confor-mes, les engins de montages étaient disponibles et le camp de base.

6. Projekt Gecko der Firma Wiesmann in Dülmen (D)

6.1. Vorbild Gecko

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Geckos sind eine Familie der Schuppenkriechtiere. Sie bevölkern seit etwa 50 Millionen Jahren die Erde und haben sich im Laufe ihrer Entwicklung weltweit ausgebreitet. Dank ihrer hervorragenden Anpassungsfähigkeit haben die Geckos die verschiedensten Lebens-räume erobert und sind sowohl in den gemässigten Zonen als auch in den Wüsten der

Erde, vor allem aber in den Tropen anzutreffen. Dort haben sie es zu einer schier un-überschaubaren Artenvielfalt gebracht.

Geckos können dank perfekter Adhäsion sogar kopfüber an Glasscheiben laufen. Beim Gecko stellen Milliarden von Nanohärchen unter den Füssen diese Kontakte her. Diese Härchen heissen beim Gecko spatulae, sie sind jeweils nur etwa 200 Nanometer (milli-ardste Meter) dick. Das immerhin 50 bis 100 Gramm schwere Tier klebt so mit der fan-

tastischen Gesamtadhäsionskraft von 10 Newton (das entspricht etwa einem Kilopond) an vertikalen Wänden. Der Sicherheitsfaktor 10, um den die Klebkraft mindestens grös-ser ist als sein Eigengewicht, erklärt, warum das Tier selbst an einem Zeh noch an der Terrariumscheibe hängen kann. Der Trick mit den Van-der-Waals-Kräften wurde von der Evolution offenbar mehrfach voneinander unabhängig entdeckt und für tauglich befun-den, denn auch Spinnen und Insekten nutzen diese Adhäsionshilfen, die einen aus-

schliesslich, die anderen unterstützend. Doch der Gecko hat das Prinzip zur Perfektion entwickelt

6.1. Auszug aus: Bericht Mikado Juni 2008

6.1.1. Ein "Holz-Gecko", der sich über die Automanufaktur schmiegt.

Einem Hersteller aussergewöhnlicher Sportwagen traut man auch ein aussergewöhnliches

Firmengebäude zu. Es in Form eines "Geckos" in Szene zu setzen, ist allerdings mehr als aussergewöhnlich. Der Sportwagenhersteller Wiesmann aus dem westfälischen Dülmen hat es getan. Denn das Markenzeichen der Manufaktur ist der Gecko. Es symbolisiert den Anspruch von Wiesmann: Seine Sportwagen sollen auf der Strasse kleben wie Geckos an der Wand. Das starke Wachstum der letzten Jahre, das in 2007 in der Produktion von über 150 Fahrzeugen gipfelte, veranlasste das Unternehmen, eine komplett neue, "glä-serne" Manufaktur zu bauen, wo der Kunde der Herstellung seines zukünftigen Traumau-tos zusehen kann. Kennzeichen des neuen Firmengebäudes sollte in Anlehnung an das Fahrzeuglogo ein überdimensionaler Gecko mit einer Gesamtlänge von 155 m sein, der -– teilweise über das Dach der Manufaktur gebaut - als Wahrzeichen von der nahe gele-genen Autobahn aus sichtbar ist. Der "Gecko" dient nicht nur als zierende Marke von aussen, sondern ist in das Gesamtgebäude integriert. Er ergänzt das lang gestreckte rechteckige Gebäude der Manufaktur und beherbergt das Kundenzentrum, das Wiesmann zukünftig zum Anziehungspunkt aller Auto-Enthusiasten machen möchte.

Abbildung 9: Die Geckos im Innern als Autos

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6.1.2. Aus der Not heraus an Holz gedacht

Ursprünglich war der "Gecko" als Stahlbau mit Membran-Abdeckung geplant und eine Firma bereits dafür beauftragt. Wegen anderer Grossprojekte und daraus resultierender zeitlicher Engpässe sagte das Unternehmen jedoch kurzfristig wieder ab. Der Bauherr suchte nun dringend eine andere Lösung und dachte dabei an Holz. Hier kam das Unter-nehmen Ing.-Holzbau Cordes aus Rotenburg zum Zug. Der Spezialist für Ingenieurholz-bau sollte innerhalb einer Woche eine Machbarkeitsstudie und ein Pauschalangebot abge-ben. In Zusammenarbeit mit dem Büro Création Holz aus dem schweizerischen Herisau mit Hermann Blumer wurde ein statisches Konzept für das Holztragwerk entwickelt. Der Bauherr wollte ausserdem – passend zum Tier – möglichst viel Struktur zeigen, was mit

einer Holzkonstruktion sehr gut umsetzbar ist. Im Auftrag eingeschlossen waren neben der Holzkonstruktion auch die Dachabdichtung sowie die Verglasungen. Zuletzt entschied der Holzbau diesen Auftrag für sich, weil nur er eine wirklich umsetzbare Lösung anbieten konnte.

Der "Holz-Gecko" besteht aus einem geschlossenen Hallenteil im Kopf- und Rumpfbereich und einer frei bewitterten Schwanzkonstruktion. Der Hallenteil ist etwa 70 m lang, wäh-

rend die Abwicklungslänge des Schwanzes etwa 85 m beträgt.

Im Gecko vereinen sich drei Konstruktionsprinzipien: Das Haupttragwerk von Kopf und Rumpf bilden 21 bogenförmige Fachwerkrahmen, die frei bewitterte Schwanzkonstruktion setzt sich aus Rundhölzern zusammen und das Mittel- bzw. Übergangsteil zwischen Halle und Schwanz besteht aus Kanthölzern. Für die Planer und die Arbeitsvorbereiter war der Gecko eine grosse Herausforderung.

6.1.3. Fachwerke bilden organische Räume

Eine der Schwierigkeiten bei der Errichtung von Kopf und Rumpf des Geckos bestand in den unterschiedlich geneigten Wänden, die sich aus einer möglichst realitätsgetreuen Nachbildung eines echten Geckos ergaben. Die Lösung lag in der Verbindung der Fach-werkrahmen in Obergurtebene durch diagonal und gerade verlegte Pfetten aus KVH. Die-se Verstrebungen bilden liegende Fachwerke und formen wie ein Netz aus Dreiecken die Gebäudehülle des „Geckos“. Das Gesamttragwerk ist als räumliches Fachwerk entworfen und auch so berechnet worden. Die Netzstruktur erhielt eine 60 mm dicke Sichtschalung als umhüllende Beplankung, gefolgt von einer Hartschaumdämmung und einer regenab-weisenden Dachbahn bzw. in die "Netzmaschen" eingebauten Fensterreihen aus Wärme-schutzglas.

6.1.4. Komplexes Tragwerk mit Einzelstückgarantie

Entsprechend aufwendig gestaltete sich der Abbund der Einzelquerschnitte für die Fach-werkrahmen, die Verstrebungen und die Schwanzkonstruktion. Die komplexe Planung für das Bauwerk, bei dem jedes Holzbauteil ein Unikat ist, war nur dreidimensional zu lösen und erfolgte ausschliesslich über 3D-CAD. Nur so konnten ein exakter Abbund und eine exakte Montage gewährleistet werden. Die Einzelteile der Fachwerkrahmen wurden erst-mals auf der Baustelle auf einer speziell errichteten Holzplattform (Vorfertigungsfläche)

nach Plan ausgelegt und montiert. Die Vorfertigung im Werk wäre nicht sinnvoll gewesen, da man wegen der Grösse der Fachwerkrahmen nur Teile davon hätte vorbereiten kön-nen. Für die nötige Präzision bei der Montage war es wichtig, alle Fachwerkstäbe eines Rahmens zusammen an einem Ort zu montieren.

6.1.5. Sperrhölzer statt Stahlbleche

Für die Fachwerkknoten haben die Tragwerksplaner eine spezielle Verbindung entwickelt:

Die Stabenden wurden "eingeschlitzt". Statt des üblichen Stahlblechs wurden speziell zugeschnittene 40 mm dicke Sperrholz-Platten in die zangenartig ausgefrästen Schlitze eingeschoben und die Verbindung vernagelt. Da natürlich auch jede Sperrholz-Verbindungsplatte einen anderen Zuschnitt aufweist, gab es für jeden Knotenpunkt un-terschiedliche Nagelbilder. Mit vorbereiteten 1:1-Schablonen konnten die Nagelungen vor Ort zügig ausgeführt werden. Eine besondere Herausforderung stellte der 85 m lange,

gewundene Schwanz des Geckos dar.

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Der rautenförmige Querschnitt des Schwanzes besteht aus vier Rundholzgurten mit ei-nem Durchmesser von 20 cm sowie aus Diagonalverstrebungen mit einem Durchmesser von 16 cm. Als Holzart hat Cordes Kiefernholz gewählt. Die Rundholzstäbe wurden nach dem Abbund rundum kesseldruckimprägniert, sodass auch die Stirnseiten der Rundhölzer

in den Anschlussbereichen vor Holzfäule geschützt sind. Für die zweiteilige Schwanzkon-struktion musste im Werk ein Lehrgerüst errichtet werden, um die komplexe räumliche Struktur zusammenbauen zu können. Denn nicht nur die Stäbe waren unterschiedlich lang, sondern auch jeder Stahlteilanschluss war mit unterschiedlichen Neigungswinkeln ausgeführt.

6.1.6. Erhöhter Schwierigkeitsgrad

Allein durch das Gewicht der Kiefernholzstäbe war diese Arbeit ein Kraftakt. Viele davon mussten liegend an die Stahlteile angeschlossen werden, was ausser Kraft auch grosse Geschicklichkeit erforderte. Die verantwortungsvollste Aufgabe oblag daher dem Arbeits-vorbereiter, der dafür zu sorgen hatte, dass die Einzelstücke zusammenpassen. Für die zahlreichen Hirnholzverbindungen der Knotenanschlüsse wurden selbstbohrende Holz-schrauben des Herstellers SFS verwendet. Da dieser Anwendungsfall jedoch in drei we-

sentlichen Punkten von der bauaufsichtlichen Zulassung abweicht, benötigten die Planer eine Zustimmung im Einzelfall. Prof. Dr. Hans Joachim Blass von der Universität Karlsru-he erstellte das Gutachten und stimmte der Anwendung der Schrauben zu.

Abbildung 10: Die spektakuläre Montage des Schwanzes

7. Golf-Klubhaus Haesley Nine Bridge in Yeoju (SK)

7.1. Der Baum als Vorbild für die stabile Technik

Für Mattheck sind Bäume wahre Naturwunder, deren Strukturen nicht biologischen Zufäl-ligkeiten folgen, sondern einem wohlüberlegten System. Nur so ist es möglich, dass die weit ausladenden, tonnenschweren Äste, an denen gewaltige Wind- und Schneelasten

zerren, nicht brechen. Bäume schaffen das, da sie für eine gleichmässige Verteilung me-chanischer Spannungen auf ihrer Oberfläche sorgen.

Wenn es zu lokalen Überbeanspruchungen kommt, steuern sie mit einem "lastangepass-ten" Wachstum dagegen. Dann legen sie an den gefährdeten Stellen zu, es bilden sich Rippen, Wülste oder Wurzelanläufe, die wie in den Boden vorgetriebene Schwerter aus-sehen. Mit seinen Naturstudien und den daraus abgeleiteten Erkenntnissen darüber, wa-

rum Bauteile versagen und wie man gegensteuern kann, ist Mattheck das Musterbeispiel eines Wissenschaftlers, der auf dem vergleichsweise jungen Gebiet der Bionik forscht.

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Mit dem aus Biologie und Technik hergeleiteten Begriff wird das Anzapfen des riesigen Versuchslabors Natur verstanden.

Abbildung 11: Die Astgabel ist eine Konstruktion, die wir Holzbauer noch nicht in dieser Perfektion nachbauen können

7.2. Auszug aus: Holzbau-Magazin 2010

7.2.1. Spektakuläres Freiform-Holzdach von der Blumer-Lehmann AG

Normalerweise ist im Bauwesen die Aufgabe vorgegeben und beinhaltet wenig unbekann-te Grössen, die einzelnen Annahmen sind definiert. In einer ganz anderen Liga bewegt sich die freie Gestaltung von konstruktiven Holzbaulösungen. Bei Freiformen sind die ge-ometrische Form, die Hauptabmessung und die Annahmen vom Zusammenspiel vieler Beteiligter abhängig. Es entsteht ein Zusammenspiel von Lieferanten und Partnern, wel-che von Beginn weg geführt und kontrolliert werden müssen. Eine offene Haltung dieser Partnerschaften gegenüber dem Kunden und Architekten schafft Vertrauen und ist nötig für eine effiziente Abwicklung. Das Aufzeigen vorhanden er und geplanter Ressourcen im Bereich Personal und Bearbeitungsmöglichkeiten in Anhängigkeit mit den Terminen ist Bedingung und lässt sich bei einer Fehleinschätzung nur schwer korrigieren. Erfolgreich tätig in diesem Sinne ist Richard Jussel, Geschäftsleiter Bereich Wohn-Industriebau der Blumer-Lehmann AG, Gossau, Schweiz.

Auf dem letztjährigen Holzbau-Forum in Garmisch-Partenkirchen hat er zwei seiner aktu-ellen Projekte vorgestellt, um die Komplexität der Realisierung von Freiform-Holzbau zu demonstrieren. Nachfolgend vorgestellt wird die Dachkonstruktion für den Haesley- Nine-Bridges-Golfklub in Yeoju, Süd-Korea, ein "Gesamtkunstwerk aus Holz" mit einem Auf-tragsvolumen von 5 Mio. SFR.

Der Haesley-Nine-Bridges-Golfclub ist ein Verein der Superlative. Für 100 Mitglieder des Golfclubbetreibers Haesley entwarfen Shigeru Ban (Shigeru Ban Architects, Tokio) und Kevin S. Yoon (Kaci-International, Seoul) ein Klubhaus. Dieses Herzstück der 18-Loch-

Anlage sollte durch seine Einzigartigkeit bestechen, frei nach dem Motto "the only one".

Für die Dachkonstruktion des Golfhauses wurde eine aussergewöhnliche Form gewählt. Eine baumartige Stützenstruktur mit einer aufgesetzten Krone in der Bauart einer Korb-struktur oder eines Geflechts bildet das Tragwerk. Mit einer Länge von 76 m, einer Breite von 36 m und einer Höhe von ca. 13 m lässt sich das Bauwerk in seiner Erscheinung durchaus als ein riesiges Holz-Kunstwerk beschreiben. Gewisse Analogien in der Form

existieren gegenüber dem Expo- Dach der Messehallen in Hannover aus dem Jahr 2000.

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Bei einem derartigen Projekt am anderen Ende der Welt waren die Anforderungen an das gesamte Blumer-Lehmann-Team enorm. Ob in der Entwicklung, Datenaufbereitung, Pro-grammierung, CNC-Bearbeitung, Logistik und der Montage vor Ort alle waren gefordert, wie Richard Jussel betont. Die Betreuung der Kunden war intensiv, spannend, jedoch

immer vertrauensvoll, so sein Fazit.

7.2.2. Eine grosse Herausforderung bestimmt für Spezialisten

Das zweiseitig Last abtragende "Astgeflecht" der Kronen verläuft bis in das 4,5 m breite Vordach. Wie in der Natur, so ist auch hier kein Stab gerade, und alle Oberflächen sind einfach und zum grossen Teil zweifach gekrümmt. Auf den Kronen ruht ein Trägerrost mit Haupt- und Nebenträgern, in denen 21 Lichtkuppein mit einem Durchmesser von 3 m integriert sind. Den oberen Abschluss der Holzkonstruktion bildet eine Dreischichtplatte.

Aus Bildern, Skizzen und statischen Entwürfen dieser Freiform ein verbindliches Angebot zu formen und dieses innerhalb Wochenfrist abzugeben war für Richard Jussel eine gros-se Herausforderung. Zur Sicherstellung der angestrebten Auftragserteilung/-ausführung wurden alle Beteiligten als Team vorab definiert. Für eine so komplexe Aufgabensteilung

ist es unabdingbar, so Jussel, dass die Beteiligten ähnliche Prozesse schon mehrfach durchgespielt haben und über das nötige Know-how verfügen. Im Zuge der Auftragsver-handlungen war es für die Schweizer Holzbauer und die südkoreanischen Interessenten wichtig, sich persönlich kennenzulernen, das Vertrauen zu erlangen und gemeinsam auf den Weg zu gehen. Auch während des Bauprozesses war der Kontakt stetig, freundlich und intensiv. Ein wöchentlich erstellter Bericht informierte zum Stand der Arbeiten und diente als Informationsaustausch.

Eine komplexe Geometrie, ein vernetztes, zweiseitiges lastabtragendes Tragwerk, Präzi-sionsanforderungen in der Maschinentechnik, ein Terminplan, der keinen Spielraum zum Nachdenken zulässt und eine Baustelle, die ca. 8000 km entfernt ist. Das ist ein Korsett, das nicht viel Luft zum Atmen lässt. Dem entgegen stand ein Team von Spezialisten, die wussten, dass sie ihren Teil im Projekt beitragen können.

7.2.3. Planung und AV bedurften aller Register des Holzbaus

Nach dem Ja zum Auftrag im Juli 2008 galt es, die Rahmenbedingungen in ein machbares Konzept zu packen, denn das Dach sollte ein halbes Jahr später, Ende Februar 2009, ste-hen. Die Aufteilung der Dachkonstruktion in fünf Elementtypen war Grundlage für ein sechsstelliges Nummernsystem, das eine eindeutige Identifizierung aller Bauteile sicher-stellte. Die Geometrie ist der Schlüssel für alle weiteren Prozesse, und der Umgang mit NURBS-Flächen ist nicht gerade alltäglich im Holzbau. Auch hier konnte der Holzbauer mit Fabian Scheurer (Design-to-production) auf einen starken Partner setzen

Die Ergebnisse sind lange Listen für den Materialeinkauf, welche die Leimholzhersteller vor interessante Herausforderungen stellte. Brettschichthölzer als wesentlichste Kon-struktionswerkstoffe mit Krümmungsradien bis zu 1 m erforderten Lamellenstärken von bis zu 5 mm. Mit einer "Losgrösse" 12 war dieses Freiformprojekt mit einem vorteilhaften Wiederholungsfaktor ausgestattet, der sich günstig in allen Planungs- und Produktions-prozessen auswirkte. Das Montagekonzept und die Verbindungen in diesen geometri-schen Kategorien waren eine technische und baubetriebliche Herausforderung, die alle Register des Holzbauwissens erforderten. Die zulässigen Toleranzen sind aufgrund einer Vielzahl von Verbindungspunkten denkbar gering.

Um die Vielseitigkeit der offenen Fragen zu zeigen, sei hier nur ein repräsentatives Bei-spiel genannt, das die Gewährleistung des Feuchtegehaltes auf den Holzoberflächen der

ca. 4600 Baustellenstösse betrifft. Einzige Möglichkeit zur sicheren Abklärung waren (einmal mehr) eigene Versuchsreihen bei Blumer-Lehmann.

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7.2.4. Freiform-Präzision - Einfache Verbindungen

Produziert wurden die 4500 Bauteile auf einer 5-Achs-gesteuerten Krüsi-CNC-Anlage. Mit dieser war es möglich, die Freiformflächen in der notwendigen Präzision zu fertigen, wobei sich die maschinentaugliche Aufarbeitung der geometrischen Daten mittels CAM als sehr aufwändig darstellte. Sowohl die Programmierer als auch die Maschinenführer waren drei Monate in drei Schichten beschäftigt. Zu berücksichtigen waren auch die völlig verschiedenen Arbeitsweisen in Korea, das unter gewissen Aspekten vergleichbar mit der Schweiz in Europa ist. So ist der tägliche Morgensport das erste Ritual des Arbeitstages.

Südkorea weist im Januar häufig Temperaturen um die -15°C auf. Unerlässlich für die Verleimung vor Ort war deshalb ein konstantes, verleimgerechtes Klima mit den notwen-digen Temperaturen und Luftfeuchtigkeit. Die Vormontage wurde vorbereitet durch die Vorsortierung der verschiedenen Bauteile pro Element (138 Stück pro Innenelement Typ 4).

"Elementtische" waren vier CNC-gefertigte Schablonen. Diese wurden mit einer Grundflä-che von 81 m-' millimetergenau aufgebaut und eingerichtet. So konnten die einzelnen

Bauteile in fünf Lagen aufgebracht und statisch verbunden werden. Es wurden nur Positi-onspläne für die Montage verwendet. Durch vorgegebene Vormontagereihenfolgen richte-ten sich die Elemente quasi von selbst aus.

Zur Verbindung der einzelnen Bauteile in den Elementen kamen Schäftungen und Ausblattungen zum Einsatz. Durch dieses Verbindungskonzept konnte sichergestellt wer-den, dass die Bauteile an allen Stellen in der Konstruktion zusammengefügt werden konnten. Für die Tauglichkeit der Verbindungen wurden Versuchsreihen an der Prüfan-stalt der Berner Fachhochschule in Biel gefahren. Aus diesen ergaben sich dann die Massnahmen für die Handhabungen der Verleimungen. Wie die Oberflächen des Holz-tragwerkes waren auch die Oberflächen in den Verbindungen nicht planar. Die Kontakt-flächen in den Ausblattungen waren alles doppelt gekrümmte so genannte "HP-Flächen". Einzig die Verbindung der "Stämme" zu den "Kronen" und der Elemente untereinander waren Stahl-Holzverbindungen. Auch hier waren die Ansprüche an die Passgenauigkeit sehr gross, denn in der 3. Gebäudeebene waren die Verbindungen auf Augenhöhe, und die Dachkonstruktion sollte sich wie ein Designer-Möbelstück in den Restaurantbereich einfügen.

Abbildung 12: Der Zusammenbau der Kronen im Baustellenzelt

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7.2.5. Fertigungspräzision hilft bei der Montage

Die Montage war als letzter Schritt ebenso speziell wie alle anderen Aufgaben an diesem Projekt. Ein flächiges Gerüst auf den verschiedenen Ebenen war sehr hilfreich. Aber für das Einmessen der doppelt gekrümmten Bauteile auf drei Ebenen mit insgesamt 10m Höhenunterschied hatte es auch Nachteile. Die koreanischen Methoden des Einmessens waren sehr traditionell, man einigte sich auf eine doppelte Kontrolle mit dem Auftragge-ber. Das Setzen der Stahlschuhe, das Aufrichten der Bäume und das Versetzen der Kro-nenelemente funktionierte von Mal zu Mal besser. Für die Montage der Kronenelemente galt es, in 24 Schlitzbleche gleichzeitig einzufahren. Bei dem Versetzen der Kronen mach-te sich die Präzision aus Planung, Produktion und Vormontage bemerkbar. Mit einer

Grundfläche eines kleinen Einfamilienhauses in oberflächenfertiger Qualität in 24 Schlitz-bleche gleichzeitig einzufahren, definierte die Herausforderung für das Montageteam. Der Kranführer, ein koreanischer Spezial ist versetzte gemäss Funkanweisungen der Schwei-zer Holzbauspezialisten die Elemente mit einem Baustellenkran wie in einem Guss. Die Montage des Trägerrostes, der Pfetten, Lichtkuppeln, Dreischichtplatten und des Vorda-ches war dagegen eher trivial, aber auch nicht ohne Tücken.

Durch die architektonische Vorgabe eines kompletten Gebäudes ganze ohne Diagonalen in den Fassaden ergaben sich sensible Bauzustände im Hinblick auf die Stabilisierung der aufgerichteten Tragwerksteile. Die Gesamtstabilität des Tragwerks war eindeutig nach-gewiesen. Sehr grosse Aufmerksamkeit lag aber ebenso bei den Bauzuständen; das Aus-richten und Stabilisieren nach jedem Montageschritt waren notwendig, damit die umlau-fende Glasfassade an den geplanten Stellen anschliessen konnte. Letztendlich verlief die Montage erfolgreich. So resümiert Richard Jussel abschliessend, dass sein Unternehmen

mit moderner Maschinentechnik und starken Partnern diese grosse Herausforderung meistern konnte. Der Baustoff Holz hat mit seinen Eigenschaften und der Formbarkeit überzeugt.

Abbildung 13: Aufnahmen des Architekten Kevin Yoon

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8. Das Centre Pompidou in Metz (Frankreich)

8.1. Ein japanischer Strohhut als Vorbild

Abbildung 14: Der japanische Strohhut als Ideengeber für das Dach

Abbildung 15: Ein Modell - entdeckt im Pariser Architekturbüro

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8.1.1. Auszug aus: TEC21 7/2010 - Centre Pompidou in Metz (F)

Der Neubau liegt im Quartier Amphitheater beim Bahnhof TGV am Rand des Stadtzent-rums von Metz. Es bildet das Kernstück eines ambitionierten Plans des Architekten und Urbanisten Nicolas Michelin, den Stadtraum aufzuwerten. Der Neubau enthält nebst zahl-reichen Ausstellungsräumen auch ein Studio für Aufführungen und künstlerische Aktio-nen, ein Auditorium, eine Buchhandlung , ein Restaurant und ein Cafe. Der Standort Metz wurde gewählt, weil er nahe bei Luxemburg, Belgien, Rheinland-Pfalz und dem Saarland liegt; Über TGV und Autobahnen erschlossen, kann die Hauptstadt von Lothringen eine internationale Ausstrahlung entwickeln.

Der internationale Architekturwettbewerb für das Projekt wurde im März 2003 ausge-schrieben. Aus 157 eingegangenen Dossiers wurden sechs für die engere Wahl bestimmt. Das Projekt von Shigeru Ban, Jean de Gastines (Paris) und Philip Gumuchdijan (London) in Zusammenarbeit mit Cecil Balmond (Arup, London) erhielt einstimmig den Zuschlag . Bereits im Juni 2004 wurde das Vorprojekt erstellt, im September 2005 die Baubewilli-gung erteilt und im November 2006 der Grundstein gelegt. Die Eindeckung mit dem Holzdach und den Membranen begann 2009. Gemäss Shigeru Ban soll der Neubau leicht

und gleichzeitig stark erscheinen und das Publikum dazu einladen, unter sein Schutzdach zu kommen. In der Tat beruht die Wirkung der Architektur vorwiegend auf dem wie ein riesiger Strohhut gebauten Holzdach mit seiner transluziden Membran - doch ist dieser Strohhut 8000m2 gross. Es besteht aus Holzstäben mit einem Querschnitt von 14 x 44 cm; 18000 Laufmeter davon wurden auf CNC-gesteuerten Maschinen zugeschnitten.

Diese Holzstruktur wurde in der Schweiz berechnet. Ingenieur Hermann Blumer arbeitete eineinhalb Jahre daran, bestimmte die Flächengeometrie und berechnete die Vorstatik mit den notwendigen , neuartigen Verbindungen. Fabian Scheurer von Design-to-production (Erlenbach/ZH) verfeinerte diese Vorgaben zur Dachgeometrie und verschaff-te so der Produktionsfirma die notwendigen CAD-Tools, um die Details zu den rund 18000 doppelt gekrümmten Brettschichtholzteilen zu erarbeiten. Für die Holzbaustatik war SJB.Kempter.Fitze mit Hermann Blumer, Création Holz (Herisau) verantwortlich.

Die Membran wurde in Japan produziert und besteht aus Glasfasern mit einer Teflonbe-schichtung (PTFE Poly-Tetra-Fluoro-Ethylen). Sie lässt 15% des Tageslichts durch und schützt Dach und Fassade vor Wind und Wetter. Nachts scheint das Bauwerk wie eine Laterne zu glühen.

Die Form von Grundriss und Dach basieren auf einem Sechseck. In der Mitte steht ein 77 m hoher Turm, über den die drei Ausstellungsebenen erschlossen sind und der die Dach-

struktur trägt. Die Ausstellungsebenen wirken wie rechteckige, übereinander geschobene Riesenschachteln. Ihre Enden durchbrechen die Dachstruktur, sind verglast und geben den Blick über die Stadt frei. Die Innenräume sind hell: Die Wände sind weiss gestrichen, die Böden aus perlgrauen Bodenelementen , das Dach aus hellem, natürlich belassenem Holz und mit der lichtdurchlässigen Membran versehen. Die Räume sind vielseitig nutz-bar. Insgesamt weicht die Architektur des Centre Pompidou-Metz weit vom Herkömmli-chen ab und erinnert kaum an bereits Gebautes.

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Abbildung 16: Innenhof mit dem Holznetzwerk und der transparenten Membran

Abbildung 17: Centre Pompidou in Metz mit Nachtbeleuchtung