sportwissenschaft studieren — eine einführung

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Besprechungen 211 tur sind gerade ins zweite Jahrzehnt ge- durch den inzwischen erfolgten Ruf ihres gangen. Wahrend dieser Zeit ist es ihnen Herausgebers HUBNER nach Wuppertal gelungen, im weiten Publikationsmeer demnachst SOS funken? deutlich sichtbar Flagge zu zeigen. Nur: MuB die Reihe — um im Bild zu bleiben — D. KUHLMANN RUDIGER HELM/DETLEF KUHLMANN (Hrsg.): Sportwissenschaft studieren Eine Einfiihrung Wiesbaden: Limpert 1995. 160 S.; DM 24, 80 Endlich ist er da — ein informativer and an- sprechender Band fdr die Studienanfanger and Studierenden unseres Fachs! Endlich ist eine Einfuhrung in die Sportwissen- schaft geschrieben worden, die den univer- sitaren Lebensweg von Sportstudierenden and die Anforderungen des Studienalltags stringent zum Bezugspunkt der Ausfuhrun- gen nimmt. Ein Studienbegleiter liegt nun vor, der sowohl zur Orientierung beitragen als auch Zugange fur ein engagiertes wis- senschaftliches and bildungspolitisches Arbeiten eroffnen kann. Was hat den Rezensenten, der als profes- sionelle Einstellung eher kritisch-kon- struktive Distanz befurwortet, zu diesem Lob veranlaBt? Das Vergnugen beim Stu- dium der 160seitigen Fachlekture, die ge- lungene Zusammensetzung der 15 Autoren and Autorinnen aus unterschiedlichen Be- rufs- and Altersgruppen sowie die Uber- zeugung, daB die Texte fiir die Durch- fuhrung integrierter Einfuhrungskurse uberaus geeignet sind, durften einige Gran- de sein. Doch vor allem basiert das zu Be- ginn geauBerte Lob auf der Uberzeugung, daB der vorgelegte Band dazu beitragen kann, ein wachsendes Problem unseres Fachs konstruktiv zu losen: Es wird fur Sportstudierende zunehmend schwieriger, sich in ,ihrem" immer weiter ausdifferen- zierenden, undurchsichtigen and von der beruflichen Praxis ablosenden akademi- schen Fach zurechtzufinden. Diese Aus- sage mochte ich vorab kurz erlautern. 25 Jahre universitarer Etablierung der Sportwissenschaft sind vergangen, and — von wenigen Versuchen abgesehen — fehlte die Bereitschaft unserer Wissenschaftsdis- ziplin, die Sichtweise der Auszubildenden, der illusionsbeladenen and unerfahrenen jungen Neuankommlinge, einzunehmen, sie von dort fur den neuen Lebensabschnitt ,,abzuholen" and die notwendige, aber reputationsarme Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Statt dessen produzierte die Ge-

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Besprechungen 211

tur sind gerade ins zweite Jahrzehnt ge- durch den inzwischen erfolgten Ruf ihresgangen. Wahrend dieser Zeit ist es ihnen Herausgebers HUBNER nach Wuppertalgelungen, im weiten Publikationsmeer demnachst SOS funken?deutlich sichtbar Flagge zu zeigen. Nur:MuB die Reihe — um im Bild zu bleiben — D. KUHLMANN

RUDIGER HELM/DETLEF KUHLMANN (Hrsg.):

Sportwissenschaft studieren —

Eine Einfiihrung

Wiesbaden: Limpert 1995. 160 S.; DM 24, 80

Endlich ist er da — ein informativer and an-sprechender Band fdr die Studienanfangerand Studierenden unseres Fachs! Endlichist eine Einfuhrung in die Sportwissen-schaft geschrieben worden, die den univer-sitaren Lebensweg von Sportstudierendenand die Anforderungen des Studienalltagsstringent zum Bezugspunkt der Ausfuhrun-gen nimmt. Ein Studienbegleiter liegt nunvor, der sowohl zur Orientierung beitragenals auch Zugange fur ein engagiertes wis-senschaftliches and bildungspolitischesArbeiten eroffnen kann.Was hat den Rezensenten, der als profes-sionelle Einstellung eher kritisch-kon-struktive Distanz befurwortet, zu diesemLob veranlaBt? Das Vergnugen beim Stu-dium der 160seitigen Fachlekture, die ge-lungene Zusammensetzung der 15 Autorenand Autorinnen aus unterschiedlichen Be-rufs- and Altersgruppen sowie die Uber-zeugung, daB die Texte fiir die Durch-fuhrung integrierter Einfuhrungskurse

uberaus geeignet sind, durften einige Gran-de sein. Doch vor allem basiert das zu Be-ginn geauBerte Lob auf der Uberzeugung,daB der vorgelegte Band dazu beitragenkann, ein wachsendes Problem unseresFachs konstruktiv zu losen: Es wird furSportstudierende zunehmend schwieriger,sich in ,ihrem" immer weiter ausdifferen-zierenden, undurchsichtigen and von derberuflichen Praxis ablosenden akademi-schen Fach zurechtzufinden. Diese Aus-sage mochte ich vorab kurz erlautern.25 Jahre universitarer Etablierung derSportwissenschaft sind vergangen, and —von wenigen Versuchen abgesehen — fehltedie Bereitschaft unserer Wissenschaftsdis-ziplin, die Sichtweise der Auszubildenden,der illusionsbeladenen and unerfahrenenjungen Neuankommlinge, einzunehmen,sie von dort fur den neuen Lebensabschnitt,,abzuholen" and die notwendige, aberreputationsarme Hilfe zur Selbsthilfe zuleisten. Statt dessen produzierte die Ge-

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meinschaft unserer Fachgelehrten taglichneue Steinbruche an Spezialwissen andbefriedigte ihren Drang nach attraktiverPlazierung der elaboriert formulierteneigenen Gedanken in den Publikations-organen. Und was wird in diesen Diskursen— fur dessen Decodierung selbst langjahrigeifrig beteiligte and aufgeschlossene Ge-neralisten immer mehr Zeit and Whenbrauchen — nicht alles vorausgesetzt?Die derzeit vorhandenen, primdr fur deneingearbeiteten Fachkollegen geschriebe-nen Einfuhrungen in unser Fach sowie dieim Vorlesungs- and Seminarbetrieb gangi-ge Art, den Studienanfanger mit parzel-lierten Teildisziplinen and ihren jeweiligenEigentumlichkeiten zu konfrontieren, stelltfur das Gros der Studierenden eine Uber-forderungssituation dar. Die traditionelleArt, separierte Wissensbestande anzu-eignen, erschwert — wie viele hochschul-didaktisch ausgerichtete Beitrage ange-merkt haben — eine intrinsische, Zusam-menhange erkennende and systematischeAuseinandersetzung mit anspruchsvollerenfachlichen Kontexten. Es ist von dahernicht verwunderlich, wenn sich Verun-sicherungen and Frustrationen, Ausweich-strategien and Tauschwert-Orientierungenstarker durchsetzen.Nun liegt ein Buch vor, das notwendigeAuskunfte and Empfehlungen bieten andein nutzlicher Begleiter auf dem Weg indie Sportwissenschaft sein will. Der vonR. HEIM and D. KUHLMANN, zwei derzeitam Sportinstitut der FU Berlin tatigenNachwuchswissenschaftlem, herausgegebe-ne Band enthalt elf Originalbeitrage andeinen informativen Anhang.Nach dem Vorwort der Herausgeber eroff-nen E. BALZ and D. KURZ den Band mit„Elf Regeln fur das Studium der Sportwis-senschaft" (7-23). Jede Regel ist in Formeines Appells formuliert worden; z. B. lau-tet die erste ,Reflektieren Sie Ihre bisheri-

gen Erfahrungen im Sport mit Blick auf dasgewahlte Studienfach!" and die letzte,,Schauen Sie fiber den Horizont IhresStudienfachs and Studienorts hinaus!" Dieim AnschluB an die Regeln folgenden Aus-fuhrungen sind jeweils auf eineinhalb Sei-ten komprimiert worden. Sie fordern denLeser in konkreter and verstandlicher Formnachhaltig dazu auf, Anforderungen andBedingungen seines Studiums entschei-dungsorientiert zu reflektieren. EinigeEmpfehlungen beziehen sich auf dieSchaffung solider Rahmenbedingungen,andere heben den Sinn eines gemeinsamenEngagements hervor. Das Gros der Regelnrichtet sich auf Beachtung and Erreichungfachlicher Standards fur ein niveauvollesStudium. Bisweilen sind die Ratschlagesehr detailliert ausgefallen (,,machen Siesich einen langfristigen Leseplan, z. B. je-des Semester ca. 300 Seiten"; ,beziehenSie Position zu Studienreform, Stellen-besetzung, Lehrveranstaltungen"), an an-deren Stellen finden sich offene Formulie-rungen („zum anderen ist es denkbar, sichder studentischen Fachschaft anzu-schlieBen"). Am Ende des Beitrags besitztder interessierte Leser den Eindruck, dieAutoren hatten ihm — aus dem Blickwinkelihrer eigenen Biographie — in systemati-scher and anschaulicher Form aufgezeigt,wie die Spielregeln fur ein erfolgverspre-chendes Sportstudium lauten and wie siekreativ auszulegen sind. Zugleich ist zuerfahren, welche Arbeitshaltungen andEngagementformen einen personlich andfachlich gewinnbringenden universitarenLebensweg eroffnen konnen.Im zweiten Beitrag zeigt J. BAUR ,,Statio-nen in der Normalkarriere von Sportstudie-renden” auf (25-37). Ausgangspunkt sei-nes Beitrags ist eine Grunderfahrung desStudienalltags: Auf der einen Seite ermog-liche dieser Lebensabschnitt bisher zu-meist ungekannte Freiraume and Chancen

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zu einer selbstbestimmteren Lebensgestal-tung; auf der anderen Seite sei der Studie-rende mit einer Vielzahl institutionellerVorgaben, Regelungen and Erwartungenzu einem ordnungsgemaBen Studium kon-frontiert. Entscheidend fur den weiterenLebensweg werde es sein, wie der einzelnein der aktiven Auseinandersetzung mit der,,sozialen Korsettierung des Studiums"(26) Profil gewinnen konne. Sechs typi-sche Stationen auf dem Lebensweg desSportstudierenden werden nun extrahiertand fur jede dieser Phasen aufgezeigt, wiedie aktive Auseinandersetzung mit den so-zialen Praformierungen and den bestehen-den Handlungsspielraumen das ,Grund-muster der Normalkarriere" variierenkann. Baur konstatiert, daB sich auch heutenoch — fur die 70er Jahre hater dies im Rah-men seiner damaligen Dissertation belegt —die Entscheidung fur ein Sportstudiumrecht fruh auf der Grundlage positiver lei-stungssportlicher Erfahrungen entwickle.Nach dieser Grundentscheidung and denunabdingbaren Orientierungsproblemen zuStudienbeginn vollziehe sich das „Einle-ben in das ,Milieu` des Sportstudiums"(30). Trefflich zeichnet BAUR ein Bild vomCentre Court and den Nebenschauplatzen,von den besonders ausgepragten Kommu-nikationsformen and von den Schwierig-keiten der Sportstudierenden, einen Rol-lenwechsel vom Sportier zum Sportarran-geur zu vollziehen. Auch wenn in seinemAusblick — ,routinierte Souveranitat" and,,(selbst)kritisches Expertenturn in derBerufspraxis" (37) — eine groBe PortionOptimismus mitschwingt, so zeigt BAURinsgesamt in beeindruckender Scharfe auf,welche Abschnitte des universitaren Le-benswegs bewaltigt werden mussen andwie vielfaltig dabei die Optionen fur eineindividuelle Auspragung sind.Wahrend die beiden vorangegangenenBeitrage eher umfassende Leitlinien fur

das Studium and die Stationen der uni-versitaren Lebensphase aufzeigen, greifenK. SCHERLER and M. SCHIERZ einenspezifischen, aber weitreichenden Wider-spruch der Hochschulausbildung auf (39-50). Einerseits betonten die mit Sport-erziehung and Sportunterricht befaBtenDisziplinen den hohen Wert, den Ent-decken and Erfahren, Anschaulichkeit andSelbstbestimmung fiirdas Gelingen schuli-scher Lernprozesse besitzen. Jedoch ver-weigerten sie andererseits in ihrer eigenenhochschuldidaktischen Praxis den erwach-senen Studierenden „das Recht auf selb-standiges and eigenverantwortliches Ent-decken, Forschen and Lernen" (39). Mitihrem Beitrag mochten die Autoren zeigen,daB die klassische Trennung zwischen derErzeugung neuen Wissens (Forschung)and der professionellen Vermittlung des-selben (Lehre) zumindest fiir die Sport-didaktik ebenso wenig gelten musse, wiesich die Studierenden auf die Rolle derrezeptiven Zuhohrer zu beschranken bat-ten.Urn dies zu verdeutlichen, skizzierenSCHERLER and SCHIERZ zuerst ihre anvier Leitfragen gebundene Methode des,,didaktischen Theoretisierens". Anschlie-Bend konkretisieren sie ihr Verstandnis desforschenden Lernens am Beispiel einesPraktikumberichts uber einen Unterrichts-versuch. Es gelingt ihnen, auf wenigen Sei-ten zu zeigen, wie ein formalisiertesargumentatives Verfahren bei den Studie-renden einen ForschungsprozeB auslosenkann, der im Verlauf der Auseinanderset-zung mit Unterrichtsproblemen zu vielfal-tigen, subjektiv relevanten neuen Erkennt-nissen fiihrt. Ihr Ansatz, der einen for-schend-lemenden Umgang mit Problemendes Unterrichtens als Kern des Sportlehrer-studiums ausweist, birgt viel Zundstoff insich. Denn in deutlichem Kontrast zur vor-herrschenden Lehrpraxis versuchen sie in

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ihren Lehrveranstaltungen, die Studentenals Subjekte im QualifikationsprozeB an-zusehen, die „ihren LernprozeB selbst her-vorbringen, ihn eigenstandig vorantreibenand fur sich verantworten" (49).Mittels einer Metapher („terra incognita")begibt sich der Leser des nun folgendenBeitrags von R. HEIM auf eine Reise durchdie Forschungslandschaft Sportwissen-schaft. Ziel des Autors ist es, dem Studien-anfanger bei einer kurzen Rundreise durchdie zentralen Teildisziplinen unseres Fachsausgesuchte Sehenswurdigkeiten and mar-kante Einblicke zu vermitteln, ohne ihndurch allzu viele Eindrucke and disziplina-re Spezifika abzuschrecken. Die Teilneh-mer an dieser Reise erhalten zuerst einenEindruck davon, was Wissenschaftsdiszi-plinen auszeichnet and unterscheidet; eini-ge Auskunfte zum Begriff Sportwissen-schaft folgen. Fur sieben Teildisziplinen —Sportpadagogik und -psychologie, Sport-soziologie und -geschichte, Bewegungs-und Trainingswissenschaft sowie Sportme-dizin — werden abschlieBend die Gegen-standsbereiche, die spezifischen Perspekti-ven and Arbeitsfelder expliziert, wobei derAutor eine gelungene Reduktion der kom-plexen disziplinaren Kontexte vornimmt.Das Erstsemester besitzt nach dieser Rund-reise eine Landkarte mit groben Umrissen,die ihm dabei helfen kann, sich — mit einemKompaB ausgerastet — auf die bevorstehen-den Entdeckungsreisen in seine Wissen-schaftsdisziplin zu begeben.Mit dem Motto ,Aufgeschlagen, quer-geblattert ..." beginnt ein Beitrag D. KUHL-MANNs, der viele Tips and niitzliche Orien-tierungshilfen zum Umgang mit „Infor-mationsquellen in der Sportwissenschaft”enthalt. Den Studierenden wird hier sig-nalisiert, daB nur die Kenntnis der relevan-ten Quellen einen soliden Uberblick ver-mitteln and der unabdingbare Arbeits-aufwand reduziert werden konne. So cha-

rakterisiert KUHLMANN zuerst die uber-greifenden einschlagigen Lexika andHandbiicher, stellt dann die relevanten all-gemeinen and die wichtigsten schulpraxis-nahen Zeitschriften vor and weist schlieB-lich auf Schriftenreihen, Datenbanken andEinfiihrungen hin. Der Autor spart nichtmit personlichen Wertschatzungen andTips [„eignen sich wohl in erster Linie zumgelegentlichen Nachschlagen and Nach-lesen in der Bibliothek” (75); sei „jedochweniger zu empfehlen" (76); „Erstmal Pro-behefte ... direkt beirn Verlag anfordern!"(73)}. Doch gerade diese — immer sachlichbegrundeten — Hinweise vergroBern denWert des Uberblicksbeitrags fur den Orien-tierung suchenden Studienanfanger.Einen fetzigen Titel — ,Disken and Dis-kussionen" — haben M. BRAUTIGAM andW.-D. BRETTSCHNEIDER ihrem Beitragvorangestellt and ihn als „Gang durch dietypischen Veranstaltungen des Sportstudi-ums" naher gekennzeichnet. In sprachlichsehr aufgelockerter Form wird der Studi-enalltag skizziert, wobei die Autoren ihreneigenen Erfahrungen die Sichtweisen vonStudierenden konstrastierend gegeniiber-stellen. Zuerst wird dem Leser der sport-wissenschaftliche Theoriebereich mit sei-nen grundlegenden Veranstaltungsformen,dann werden Theorie and Praxis derSportarten sowie die Bedeutung des eige-nen sportmotorischen Konnens in vielenidealtypischen and alltaglichen Szenenvorgefuhrt. Auch wenn es sich die Autorenzur Begrundung ihrer Ansicht nicht neh-men lassen, einige typische Spruche vonStudierenden zu hinterfragen and zu kom-mentieren, so werden die kritischen Mei-nungen and die Erfahrungen von Studie-renden mit dem Studienalltag doch ernstgenommen and explizit ausgewiesen. DieBotschaft des Beitrags wird die Adressatensicherlich nicht verfehlen: In vielen Ver-anstaltungen des Studiums lassen sich Ver-

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mittlungs-, Verstandigungs- und Aneig-nungsprobleme nicht vermeiden; von da-her sind beide Seiten — Studierende andLehrende — immer wieder gefordert, eineVerstandigungsebene zu suchen, um dieQualitat der Ausbildung gemeinsam zuverbessern.Was ware eine Einfuhrung in das Studiumder Sportwissenschaft, ohne einen Blickauf die Berufsperspektiven zu werfen?Der Beitrag von I. HARTMANN-TEWS ver-spricht, dieses anhand empirischer Unter-suchungen vorzunehmen. Wahrend dieAutorin diesen Anspruch fdr die Studieren-den von Diplomstudiengangen unter Be-zugnahme auf eigene and aktuelle Studieneinlost, kann fur die Lehramtsstudierendenlediglich auf Untersuchungen verwiesenwerden, die eine Datenbasis aus den 80erJahren besitzen. Fur diejenigen, die ihrLehramtsstudium Mitte der 90er Jahre mitdem Fach Sport beginnen, hatte z. B. eineAnfrage beim Schulministerium des groB-ten Bundeslands ergeben, daB fiir das FachSport in alien Schulstufen gegenwartignoch zu wenige Studienfanger zu verzeich-nen sind. Von dieser Einschrankung abge-sehen, zeigt der Beitrag eindrucksvoll andin differenzierter Form auf, welcheSchwierigkeiten die Studentengenerationder 80er Jahre besessen hat and wieviel Ei-geninitiative notig ist, damit das angestreb-te oder ein adaquates Berufsziel auch er-griffen werden kann.Wo findet sich bisher eine Einfiihrung inein Hochschulstudium, die auch Studie-rende mitgestaltet haben? Die HerausgeberHEIM and KUHLMANN haben es geschafft,vier Studierende zu lebendigen und mi-lieuspezifischen Erfahrungsberichten zubewegen. P. NEUMANN (Bielefeld) er-offnet diesen Teil des Bandes mit ,,Rat-schlagen zum Radschlagen" and weist aufdie aus seiner Sicht relevanten Beur-teilungskriterien fur ein qualitatsvolles

Studium hin. B. LIEGMANN (Konstanz)zeichnet u. a. ihren Balanceakt „ohne Netzand doppelten Boden" nach, den sie alsStudentin and Mutter von zwei Kindernwahrend ihres Studiums durchlebt andgemeistert hat. C. NIESSEN beleuchtetin Form eines Spielberichts wichtige An-stoBe and Erfahrungen im sportwissen-schaftlichen Studium an der DSHS Köln,and schlieBlich berichtet F. BORKENHA-GEN (Hamburg) in seinem viele Tips be-inhaltenden Beitrag uber das Sportstudiumin der Hansestadt.Der Anhang bietet eine aktuelle UbersichtOber die bundesdeutschen sportwissen-schaftlichen Einrichtungen and die vor-handenen Studiengange. A. WIEDENHOFThat diesen Uberblick fur 63 sportwissen-schaftliche Einrichtungen zusammenge-stellt sowie mit weiteren Hinweisen andeiner Auflistung der vorhandenen Zusatz-/Aufbaustudiengange an neun Hochschulenkomplettiert. AbschlieBend stellt D. KUHL-MANN eine kommentierte Bibliographie17 ausgewahlter, nicht von Sportwissen-schaftlern verfaBter, aktuell greifbarerBucher zu Techniken wissenschaftlichenArbeitens kurz and biindig vor, so daB eineweitergehende Auswahl leichtfallt.Ein Vergleich des vorliegenden Bands mitPublikationen, die als Einfiihrungen in an-dere universitare Facher konzipiert sind,fallt sehr positiv aus. Dieses resultiert ausder Qualitat der Beitrage sowie aus deradressatengemaBen and durchgangig erfri-schenden Schreibweise. Es hat sich offen-sichtlich auch gelohnt, daB die Heraus-geber drei Generationen in diesem Bandvereint haben: Hochschullehrer, die mehr-heitlich schon in der zweiten Halfte der60er Jahre studierten, wissenschaftlicheMitarbeiter, die zehn Jahre spater ihreHochschullaufbahn begannen, and Studie-rende, die ihr Sportstudium in der zweitenHalfte der 80er Jahre starteten.

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Dem Band ist zu wunschen, daB er unterden Sportstudierenden ein „Renner" wirdand daB die sportwissenschaftlichen Ein-

richtungen ihn zur Pflichtlektiire in ihrenEinfiihrungsseminaren and Tutorien er-klaren. H. HUBNER

KARL-HEINRICH BETTE/UWE SCHIMANK:

Doping im Hochleistungssport:Anpassung durch Abweichung

Frankfurt/M.: Suhrkamp 1957.409 S.; DM 27,80

Karl-Heinrich BETTE and Uwe SCHIMANKhaben zu der Diskussion uber Doping imHochleistungssport eine strenge, determi-nistische Deutung beigetragen, die dazutendiert, Doping fur eines der unlosbarenProbleme der modemen Gesellschaft zuhalten, wie dies ahnlich fur Arbeits-losigkeit oder Kriminalitat gilt. Doping istdann keine historische Kontingenz, keineaus nichtnotwendigen Grunden erfolgteepidemische Infektion des Systems, die,wenn man nur die von ihr befallenen Teiledes Systems unter Quarantine stellte, auchwieder abklingen konnte. Statt dessen ist inder von BETTE and SCHIMANK favorisier-ten Deutung Doping eher uberdeterminiert,ist erzeugt sowohl durch fur das Funktions-system Sport konstitutive Binnenstruk-turen wie auch durch die entscheidendenAuBenbeziehungen des Systems zu Funk-tionssystemen in seiner Umwelt.Zu den problemerzeugenden Binnenstruk-turen gehort fur die Autoren zunachst das,was sie den ,schrankenlosen Siegescode"

des Sports nennen (25 ff.). Zwei Leitideensind dafur wichtig. Erstens polarisiert derSiegescode. Er uberfuhrt eine oft minimaleLeistungsdifferenz in den dramatischenUnterschied zwischen Sieg and Niederlage(29), and das wiederum differenziert dieAnschluBmoglichkeiten, die fur Sieg andNiederlage denkbar verschiedene sein kon-nen. Zweitens weist dieser Siegescode eineinnere Unendlichkeit weiterer Steigerungauf, die mit der begrenzten Korperlichkeitder Sportler kollidiert. Diese zweite Leit-idee uberzeugt nicht. Siege sind im moder-nen Sport alles andere als unbegrenzt. Esgenugt eben eine minimale Leistungsdiffe-renz, and man muB nur ein biBchen listigerals der Gegner sein and das Langstrecken-Rennen unmerklich verzogern, damit manim Endspurt die Nase vorn hat, obwohlman nie in der Lage ware, die Zeiten zulaufen, zu denen die besiegten Gegnerfahig sind. Im ubrigen gilt gerade fur uber-legene Siege, daB sie sich ein gewisses MaBauferlegen mussen and im modernen Sportnicht mehr als Vernichtung oder Hinrich-tung des Gegners inszeniert werden. Viel-