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Konzentrationsgefälle in der Grenzphase
GrenzflächenchemieSS 2006
Dr. R. Tuckermann
Grenzflächenprofil im Fall der Adsorption einer Komponente aus einer fluiden Lösung an einer festen Oberfläche.
Grenzflächenprofil im Fall der Adsorption einer Komponente an der Grenzfläche zwischen zwei fluiden Phasen (z. B. Flüssigkeit im Gleichgewicht zum eigen Dampf).
Grenzfläche bzw. GrenzflächenphaseGrenzflächenchemie
SS 2006Dr. R. Tuckermann
Die Modellvorstellung einer zweidimensionalen Grenzfläche, an der der Übergang von Phase 1 zu Phase 2 stattfindet sowie eine Anreicherung (Adsorption) einzelner Komponenten möglich ist, muss wegen der räumlichen Ausdehnung im molekularen Maßstab zu dem Begriff einer dreidimensionalen Grenzflächenphaseerweitert werden.
GrenzflächenphaseGrenzflächenchemie
SS 2006Dr. R. Tuckermann
Definition der Grenzflächenphase geht auf W. Gibbs zurück, der diese Phase im Sinne der klassischen Thermodynamik beschrieb und ihr -neben der charakteristischen Grenzflächenkonzentration einer adsorbierten Komponente in dieser Phase - thermodynamische Eigenschaften zuwies.
Auf Basis dieser Theorie können Grenzflächenphänomene wie z. B. - Adsorption- Spreitung- Grenzflächenkrümmung- Dampfdruck kleiner Tropfen
quantitativ beschrieben werden.
Gibbssche TrennflächeGrenzflächenchemie
SS 2006Dr. R. Tuckermann
• Die Eigenschaften der beiden Phasen α und β sind bis zu den Flächen AA' und BB' homogen.
• Die Konzentration der Komponente i in der Phase α ist bis zur Fläche AA' einheitlich ci
α und in der Phase β bis zur Fläche BB' einheitlich ciβ.
• Innerhalb der Grenzschicht ändert sich die Eigenschaft des Systems kontinuierlich von der Phase α bis zur Phase β.
• Die Phasen α und β werden willkürlich durch die Grenzfläche S-S´ getrennt. Die Trennlinie innerhalb der Grenzschicht, parallel zu den Flächen AA' und BB‚ stellt die zweidimensionale Grenzflächenphase (Gibbsche Trennfläche) dar.
z
ciciα ci
β
Phase β
Phase αz
ciciα ci
β
Phase β
Phase α
z*
GibbsTrenn-fläche
GrenzflächenphaseGrenzflächenchemie
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Gesamtmenge der Komponente i in diesem System:
ni = niα + ni
β + niσ bzw. ni
σ = ni – (niα + ni
β)
mit niα = ci
α Vα , niβ = ci
β Vβ und V = Vα + Vβ folgt:
niσ = ni – (ci
α Vα + ciβ Vβ)
und mit V = Vα + Vβ weiter:
niσ = ni - ci
α V + (ciα + ci
β) Vβ
GrenzflächenüberschusskonzentrationGrenzflächenchemie
SS 2006Dr. R. Tuckermann
Definition (nach W. Gibbs): Die (Grenzflächen-)Überschusskonzentration Γiσ gibt die Menge an Molen der Komponente i, die in der Grenzschicht
gegenüber der mittleren Konzentration ci in einer der beiden Phasen überwiegen oder fehlen:
Γiσ = ni
σ / As
Die Stoffmenge niσ bzw. die Überschusskonzentration Γi
σ der Komponente i hängt jedoch von der Lage der Gibbsschen Trennfläche z*ab:
und ist demnach keine physikalisch relevante Größe des Systems.
( ) ( )∫∫><
−+−=** zz
iizz
iii dzccdzcc βασΓ
Relative AdsorptionGrenzflächenchemie
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Für ein Zwei- oder Mehrkomponentensystem lassen sich folgende Gleichungen formulieren:
Durch geschicktes Gleichsetzen lässt sich Vβ eliminieren:
Da auf der rechten Seite dieser Gleichung nur eindeutig definierte Größen stehen, ist auch die linke Seite invariant bzgl. der Wahl der GibbsschenTrennfläche. Bezogen auf die Flächeneinheit der Grenzfläche wird diese Größe relative Adsorption der Komponente i bzgl. der Komponente 1 genannt:
( ) ( ) βα
βααα
βα
βασσ
1111
111 cc
ccVcnVcnccccnn ii
iiii
i −−
−−−=−−
−
( ) ββαασ VccVcnn iiiii −+−=
( ) ββαασ VccVcnn 11111 −+−=
βα
βασσ ΓΓΓ
111
)1(
cccc ii
ii −−
−=
Relative AdsorptionGrenzflächenchemie
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Γiσ und Γ1
σ beziffern die Grenzflächenkonzentrationen für eine beliebige Wahl der Gibbsschen Trennfläche. Wählt man z. B. die Trennfläche gerade in Höhe z1, so dass Γ1
σ = 0 gilt, so lässt sich die (relative) Grenzflächenkonzentration für die Komponente i angeben:
( )1*
)1(zzii == σΓΓ
z
cciα ci
σ
Phase β
Phase α
z*
c1α
ciβ = c1
β = 0
Fundamentalgleichungen der Grenzflächenthermodynamik
GrenzflächenchemieSS 2006
Dr. R. Tuckermann
Gesamtsystem GrenzphaseInnere Energie U = TS – pV + σA + Σμini
dU = TdS – pdV + σdA+ Σμidni
Uσ = TSσ – pVσ + σA + Σμiniσ *
dUσ = TdSσ – pdVσ + σdA + Σμidni
σ
Enthalpie H = U + pV
Helmholtz-EnergieF = U – TS
Gibbs-EnergieG = U – TS + pV
H = TS + σA + Σμini
dH = TdS + Vdp + Adσ+ Σμidni
Hσ = TSσ + Σμiniσ *
dHσ = TdSσ + Vσdp + Adσ + Σμidni
σ
F = - pV + σA + Σμini
dF = - SdT - pdV + σdA+ Σμidni
Fσ = - pVσ + σA + Σμiniσ *
dFσ = - SσdT - pdVσ + σdA + Σμidni
σ
G = σA + Σμini
dG = - SdT + Vdp + Adσ+ Σμidni
Gσ = Σμiniσ *
dGσ = - SσdT + Vσdp + Adσ + Σμidni
σ
* Integration bei konstantem p, T, σ, μi. Fundamentalgleichungen der Grenzflächenthermodynamik
Gibbs-Duhem-GleichungGrenzflächenchemie
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Bei konstantem p, T, σ, µi gilt: Gσ = Σμiniσ
Durch Differenzieren folgt daraus: dGσ = Σμidniσ + Σni
σdμi
Fundamentalgleichung: dGσ = - SσdT + Vσdp + Adσ + Σμidniσ
SσdT - Vσdp + Adσ + Σniσdμi = 0
Gibbs-Duhem-Gleichung für die Grenzphase
GrenzflächenkonzentrationGrenzflächenchemie
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Bei konstanter Temperatur T und konstantem Druck pergibt sich aus der Gibbs-Duhem-Gleichung:
dσ + Σ(niσ/A)dμi = dσ + ΣΓi
σdμi = 0
Gibbssche Gleichung
Druckabhängigkeit von σGrenzflächenchemie
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Bei konstanter Temperatur T und konstantem chemischen Potential µ ergibt sich aus der Gibbsschen-Gleichung:
dσ = (Vσ/A)dp
D. h. bei einer Dicke der Grenzschicht (Vσ/A) von einigen Nanometern (10-7 cm) ist selbst bei relativ großen Druckunterschieden dp von z. B. 100 bar dσvernachlässigbar klein. Daraus folgt weiterhin, dass die Grenzflächenspannung weitestgehend unabhängig von der Krümmung der Oberfläche ist (s. Young-Laplace-Gleichung).
Temperaturabhängigkeit von σGrenzflächenchemie
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Mit der Grenzflächenentropie SAσ = Sσ/A und der Dicke δ = Vσ/A der
Grenzschicht lässt sich folgende Temperaturabhängigkeit der Grenzflächenspannung aus der Gibbs-Duhem-Gleichung herleiten:
- dσ = SAσdT - δdp + ΣΓi
σdμi
Beispiel: Grenzfläche zw. reiner Flüssigkeit und gesättigter Dampfphase
Einstoffsystem: - dσ = SAσdT - δdps + Γi
σdμi mit Dampfdruck ps
Bei Änderung von T ändern sich gleichzeitig ps und µi. Unter der Voraussetzung, dass das chemische Potential stets gleich bleiben muss, ergibt sich (α flüssige Phase, β Gasphase):
dµi = Vβdps - SβdT = Vαdps – SαdT
( ) ( ) αβ
αβαασ ΓδΓσ
VVSSVSS
dTd
A −−
−−−=−
Temperaturabhängigkeit von σGrenzflächenchemie
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In der Regel nimmt die Oberflächenspannung einer reinen Flüssigkeit monoton mit der Temperatur ab und erreicht bei bei einer kritischen Temperatur Tc den Wert Null. Hierfür findet man die empirische Formel:
σ = σ0(Tc – T)m
mit einem universellen Wert für m von ca. 1,25.
-20 0 20 40 60 80 100
58
60
62
64
66
68
70
72
74
76
78
Obe
rfläc
hens
pann
ung
/ mN
/m
Temperatur / °C
σ
TTc
Schematischer Verlauf der Oberflächen-spannung einer reinen Flüssigkeit als Funktion der Temperatur.
Experimentelle Messwerte für Wasser im Bereich zwischen 0 °C und 100 °C bei Atmosphärendruck.
Adsorption in flüssigen GrenzphasenGrenzflächenchemie
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Als Adsorption (lat. adsorbere = ansaugen) bezeichnet man die Anreicherung von Stoffen oder Stoffgemischen in der Grenzphase. (Nicht zu verwechseln mit der Absorption (lat. absorbere = verschlucken), unter der man in Bezug auf Materie das Eindringen eines Gases in Flüssigkeiten oder Festkörpern versteht und bei der Oberflächeneffekte eine untergeordnete Rolle spielen.)
z
ciciα ci
β
Phase β
Phase α
Adsorption der Komponente i in der Grenzschicht zw. Phase α und β.
Bei konstanter Temperatur und konstantem Druck ergibt sich für die Abhängigkeit der Oberflächen-spannung bei Variation des Mischungs-verhältnisses (Molenbruch x) aus der Gibbschen Gleichung mit dem konzentrationsabhängigen chem. Potential µ = µ0 + RT dln ai:
⎟⎠⎞
⎜⎝⎛
∂∂
+∂
∂=
∂∂
+∂∂
=⎟⎠⎞
⎜⎝⎛∂∂
−xa
xaRT
xµ
xµ
x Tp
22
11
22
11
,
lnln ΓΓΓΓσ
Adsorption in flüssigen GrenzphasenGrenzflächenchemie
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Bei Wahl der Gibbsschen Trennfläche derart, dass Γ1 = 0 ergibt sich die daraus die Gibbssche Adsorptionsisotherem:
dσ = -RTΓ2dln a2
bzw. für verdünnte Lösungen in denen a2 = c2 gilt:
dσ = -RTΓ2dln c2
Empirisch lässt sich die Konzentrationsabhängigkeit der Grenzflächenspannung erfolgreich mit Hilfe der Szyskowski-Gleichung beschreiben:
σ0 - σ = π = A RT ln(1 + c/B)Diese lässt sich für den Grenzfall sehr kleiner Konzentrationen (c << B) durch Reihenentwicklung vereinfachen:
π = A RT[(c/B)-1/2 (c/B)2 + 1/3 (c/B)3 ...] = A RT (c/B) Γ2 = Ac2/B
Für den Fall c >> B ergibt sich:
π = A RTln(c/B) Γ2 = A
Adsorption in flüssigen GrenzphasenGrenzflächenchemie
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Allgemein lässt sich durch Kombination der Gibbsschen Adsorptions-isotherme und der Szyskowski-Gleichung ableiten:
Der Parameter A stellt also eine Art Sättigungswert für die Grenzflächen-konzentration Γ2 dar.
Allgemein ist eine positive Adsorption (Anreicherung) bei Γ2 > 0 gegeben, wohingegen für eine negative Adsorption (Verarmung) Γ2 < 0 gilt.
2
22 cB
Ac+
=Γ
Thermodynamik der SpreitungGrenzflächenchemie
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Unlösliche amphiphile Verbindungen (Moleküle mit polarer Kopfgruppe und apolarer Kohlenwasserstoffkette, z. B. Tenside) bilden auf Wasser und anderen Flüssigkeitsoberflächen bereits bei sehr geringen Konzentrationen monomolekulare Filme. Diese Eigenschaft wir als Spreitung bezeichnet.
Thermodynamisch lassen sie sich also mit Hilfe von
π = A RT(c2/B) = Γ2 RT = (n2 /As) RT
beschreiben bzw. umgeformt
π As = n2 RT
Der monomolekulare Oberflächenfilm verhält sich also analog einen zweidimensionalen idealen Gas.
Young-Laplace-GleichungGrenzflächenchemie
SS 2006Dr. R. Tuckermann
Zur Beschreibung des mechanischen Gleichgewichts an einer gekrümmten Oberfläche, z. B. einer Blase oder eines Tropfens, muss sowohl die Volumenarbeit (dwV = p dV) als auch die Oberflächenarbeit (dwA = σ dA) berücksichtig werden:
( ) AV dwdArdrdrrpdVppdw ==⋅=⋅=−= σπσπΔβα 84 2
( )r
ppp σΔβα2
==−
für sphärische Oberflächen
( ) ⎟⎟⎠
⎞⎜⎜⎝
⎛+==−
21
11rr
ppp σΔβα
für allgemein gekrümmte Oberflächen
rpα
pβ
Young-Laplace-GleichungGrenzflächenchemie
SS 2006Dr. R. Tuckermann
1. Beispiel:
Innendruck eines Wassertropfens in Abhängigkeit seiner Größe
2. Beispiel:
Steighöhe von Wasser in einer Kapillare
1E-6 1E-5 1E-4 1E-3 0,01 0,1 10,1
1
10
100
1000
10000
100000
1000000
1E-6 1E-5 1E-4 1E-3 0,01 0,1 11E-5
1E-4
1E-3
0,01
0,1
1
10
100
Trop
feni
nnen
druc
k Δp
in P
a
Stei
ghöh
e h
in K
apill
are
in m
Radius r in m
Kelvin-GleichungGrenzflächenchemie
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Aufgrund des erhöhten Innendrucks kleiner Tropfen steigt auch der Dampfdruck an deren Oberfläche:
Im Gleichgewicht sind die chemischen Potentiale µ(g) und µ(l) gleich. Erhöht man den Druck, so ändert sich das chem. Potential der Flüssigkeit um Vm(l)dp(l), das des Dampfes um Vm(g)dp(g)
)()(
)()()()( gdpgp
RTgdpgVldplV mm ==RT
ldplVgpgdp m )()()()(=
⎟⎠⎞
⎜⎝⎛ Δ
=RT
plVpp m )(exp0
⎟⎠⎞
⎜⎝⎛=
rRTlVpp m )(2exp0
σ
Adsorption an festen OberflächenGrenzflächenchemie
SS 2006Dr. R. Tuckermann
Da der Festkörper oft in pulverisierter bzw. poröser Form mit unbekannter Oberfläche vorliegt, wird anstatt der Grenzflächenkonzentration Γ = nσ/Adie spezifische Belegdichte na eingeführt
na = nσ/m m: Masse des Absorbers/Festkörpers
Die spezifische Belegdichte ist i. a. eine Funktion der Temperatur T, des Drucks p und der Konzentration c:
na = na (T,p,c)
Prinzipieller Verlauf der Adsorptionsisotherme für CO an Glas bei verschiedenen Temperaturen und monomolekularer Bedeckung
Adsorption an festen OberflächenGrenzflächenchemie
SS 2006Dr. R. Tuckermann
Der Absorptionsvorgang ist weitestgehend reversibel, d. h. es liegt ein thermodynamisches Phasengleichgewicht zwischen der Gasphase (g) und der Grenzphase (σ) vor, das sich im Sinne er klassischen Thermodynamik wie folgt ausdrücken lässt:
µσ = µg bzw. dµσ = dµg
Bei konstanter Bedeckung bzw. Grenzflächenspannung ergibt sich aus der Gibbs-Duhem-Gleichung:
mit den molaren Größen für Volumen vσ , Vg und Entropie sσ, Sg.
TdµdT
TSdp
TVdT
Tsdp
Tv
Tdµ ggg
=−=−=σσσ
dpT
vVdTT
Ss gg σσ −=
−
Adsorption an festen OberflächenGrenzflächenchemie
SS 2006Dr. R. Tuckermann
Unter Vernachlässigung von vσ gegenüber Vg und Vg = RT/p folgt:
TSs
Tp g−
=⎟⎠⎞
⎜⎝⎛
∂∂ σ
σ
ln
bzw. da im Gleichgewicht auch gilt hσ - Tsσ = Hg - TSg
2
lnT
HhT
p g−=⎟
⎠⎞
⎜⎝⎛
∂∂ σ
σ
Diese Gleichung ist analog zur Clausius-Clapeyeron-Gleichung, die das thermische Gleichgewicht eines Zweiphasensystems beschreibt. DerAusdruck hσ - Hg wird als partielle molare Adsorptionsenthalpie bezeichnet und ist vom Bedeckungsgrad bzw. Grenzflächenkonzentration abhängig.