statmech & thermo skript heidelberg

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  • 8/19/2019 StatMech & Thermo Skript Heidelberg

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    STATISTISCHE PHYSIKHeinz Horner

    Institut f¨ur Theoretische Physik

    Ruprecht-Karls-Universit¨ at HeidelbergWS 2001/2002 SS 2004

    Inhalt

    I GRUNDLAGEN 1

    1 Vorbemerkungen 1

    2 Begriffe der Statistik 4

    2.1 Ereignisse und Wahrscheinlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42.2 Diskrete Gesamtheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52.3 Kontinuierliche Gesamtheiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62.4 Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

    3 Statistische Beschreibung physikalischer Systeme 12

    3.1 Klassische Mechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

    3.2 Quantenmechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143.3 Thermodynamischer Grenzfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

    4 Makrozust¨ ande 18

    4.1 Repr̈asentatives Ensemble . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184.2 Gleichgewichtsverteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214.3 Zustandsdichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234.4 Systeme im Kontakt mit Reservoiren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

    I

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    5 Irreversibilität 29

    5.1 Reversible Dynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295.2 Beispiele integrabler und nichtintegrabler mechanischer Systeme . . . 305.3 Pauli-Master-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

    II THERMODYNAMIK DES GLEICHGEWICHTS 38

    6 Der erste Hauptsatz 38

    6.1 Zustandsgr ößen, Zustandsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386.2 Zustands änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396.3 Thermodynamische Potentiale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416.4 Materialkonstanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446.5 Relationen zwischen Materialkonstanten . . . . . . . . . . . . . . . . 466.6 Ideales klassisches Gas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

    6.7 Phasengleichgewichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 496.8 Chemische Gleichgewichte, Massenwirkungsgesetz . . . . . . . . . . . 516.9 Ideale Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

    7 Der zweite Hauptsatz 55

    7.1 Reversible und irreversible Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557.2 Reversible und irreversible Zustandsänderungen . . . . . . . . . . . . 577.3 Kreisprozesse, Wirkungsgrad, Temperaturskala . . . . . . . . . . . . . 597.4 Wärmekraftmaschinen, W¨ armepumpen . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

    III SPEZIELLE SYSTEME 64

    8 Ideale Gase 64

    8.1 Besetzungszahldarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 648.2 Einatomiges verd ünntes Gas bei hohen Temperaturen . . . . . . . . . 668.3 Entartetes Fermigas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 708.4 Bose-Einstein-Kondensation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 738.5 Zweiatomige Gase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 748.6 Photonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 778.7 Phononen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

    9 Reale Gase 84

    9.1 Virialentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 849.2 Van der Waals-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

    10 Phasen¨ uberg¨ ange, kritische Ph¨ anomene 90

    10.1 Kritischer Punkt in der Van der Waals-Theorie . . . . . . . . . . . . . 90

    II

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    10.2 Korrelationsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9110.3 Das Ising-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9510.4 Kritische Exponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9610.5 Skalengesetze am kritischen Punkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97

    IV TRANSPORTTHEORIE 103

    11 Lineare Antworttheorie 103

    11.1 Response- und Korrelationsfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 10311.2 Transportgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10711.3 Inelastische Streuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

    12 Kinetische Gleichungen 113

    12.1 Stöße in der kinetischen Beschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11312.2 Boltzmann-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11512.3 Kontinuit ätgleichung, Diffusion, hydrodynamische Gleichungen . . . . 117

    III

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    I GRUNDLAGEN

    1 Vorbemerkungen

    Die statistische Physik hat die Behandlung komplexer physikalischer Situationenzur Aufgabe. Im allgemeinen handelt es sich dabei um Systeme, die aus sehr vie-len (∼10

    23) wechselwirkenden Teilchen bestehen. Beispiele sind praktisch alle unsumgebenden Dinge: Gase, Fl üssigkeiten, Festk¨orper. Im Prinzip sind die physikalis-chen Gesetze, die diese Systeme im Detail beschreiben, wohl bekannt. Es sind diesdie Gesetze der Mechanik, Elektrodynamik und der Quantenmechanik. Der hoheGrad an Komplexit¨at, d.h. die große Zahl der Freiheitsgrade, macht aber eine detail-lierte Berechnung unm¨oglich. Hinzu kommt, daß hierf ür auch eine detaillierte Ken-ntnis des Anfangszustandes n¨otig wäre. Dies ist nicht nur unpraktikabel, sondernstößt auch auf grunds ätzliche Schwierigkeiten. Zur Pr¨aparation eines Anfangszus-tandes eines betrachteten Systems ist die Wechselwirkung mit einem anderen, eben-falls komplexen System notwendig. Dies bedingt aber, daß eine detaillierte Kenntnisdes Anfangszustandes des Systems auch eine detaillierte Kenntnis des Zustandes despräparierenden Systems bedingt. Dieser Gedanke l¨ aßt sich beliebig fortsetzen.Ein weiterer Aspekt ist der, daß es sich in allen interessierenden F¨ allen um “nicht-integrable” Systeme handelt, soweit sie durch die Gesetze der klassischen Mechanikbeschrieben sind. Betrachtet man etwa die klassische Bewegung von N Teilchen, sohat man 6 N Differentialgleichungen zu l ösen. Das System hat 6 N Freiheitsgrade:3N Ortskoordinaten q 1(t) · · ·q 3N (t) und 3N Impulskoordinaten p1(t) · · · p3N (t). ImNormalfall sind Gesamtenergie, Gesamtimpuls und Gesamtdrehimpuls die einzigen(nichttrivialen) Konstanten der Bewegung. Man hat also 7 Integrale der Bewegung.

    Ein System ist “nichtintegrabel”, falls die Zahl der Freiheitsgrade gr¨ oßer ist als diedoppelte Zahl der Konstanten der Bewegung. Dies ist im obigen Beispiel f¨ur N ≥3der Fall. Eine Eigenschaft solcher nichtintegrabler Systeme ist die, daß der Abstandzweier urspr ünglich eng benachbarter Trajektorien q 1(t) · · ·q 3N (t) p1(t) · · · p3N (t) ex-ponentiell mit der Zeit anw¨achst, wenigstens f ür eine nichtverschwindende Mengevon Anfangszust änden, h äug aber für fast alle Anfangszust¨ande. Dies bedingtaber, daß die Kenntnis des Anfangszustandes extrem genau sein muß, wenn man dieTrajektorien ¨uber l ängere Zeit berechnen m¨ochte. Die Situation in quantenmecha-nischen Systemen ist vermutlich ¨ahnlich, jedoch weit weniger gut untersucht.Für viele interessierende Fragen ist jedoch eine detaillierte Kenntnis des momenta-

    nen Zustandes (Mikrozustand) nicht notwendig, da viele verschiedene Mikrozust¨ andepraktisch identische Werte f¨ur makroskopische Observable liefern. Die Mengevon Mikrozust änden, die f ür gegebene makroskopische Observable und gegebeneGenauigkeit, mit der diese bestimmt werden k¨ onnen, identische Werte liefern, nenntman Makrozust¨ande.Ziel der statistischen Physik ist es, Gesetze f¨ ur das Verhalten solcher Makrozust¨ andezu nden. Historisch gesehen wurden solche Gesetze in der Thermodynamik bere-its vor der Entwicklung der statistischen Physik in der Form ph¨ anomenologischerGesetze gefunden, und die Aufgabe ist deshalb, diese Gesetze aus den “mikroskopis-chen” Bewegungsgleichungen (Hamiltonsche Bewegungsgleichungen, Maxwell-

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    Gleichungen, Schr ödinger-Heisenberg-Gleichung) zu begr¨unden. Die resultierendenGleichungen für Makrozust¨ande können dabei grunds ätzlich anderer Natur sein alsdie der mikroskopischen Gleichung. Beispielsweise ist die zeitliche Entwicklung vonMakrozust änden irreversibel, wogegen die mikroskopischen Bewegungsgleichungeninvariant sind gegen Bewegungsumkehr. Außerdem sind diese Gleichungen oft un-abh ängig von Details der mikroskopischen Gleichungen wie etwa der genaueren Formder Wechselwirkung der Teilchen untereinander.Eine weitere Aufgabe der statistischen Physik ist die Berechnungphänomenologischer Gr ößen der Thermodynamik. Dies sind “Materialkonstanten”wie Kompressibilit ät, spezische W ärme, Dielektriziẗ atskonstante, magnetis-che Suszeptibilit ät oder Transportgr¨ oßen wie Wärmeleitf ähigkeit, Viskosit ät,elektrischer Widerstand, Diffusionskonstante.Da ein gegebener Makrozustand eine große Menge von verschiedenenMikrozust änden repr äsentiert, ist es naheliegend, Methoden der Statistik zubenutzen. Entsprechend sind die gewonnenen Aussagen solche ¨ uber Wahrschein-lichkeiten, Mittelwerte und Korrelationen. Aufgrund der großen Teilchenzahl(N ≈ 1023) und der damit verbundenen großen Zahl von Mikrozusẗ anden sinddie Wahrscheinlichkeitsaussagen jedoch extrem genau. Relative Schwankungenmakroskopischer Observablen sind von der Gr¨ oßenordnung 1 / √ N .Diese statistische Beschreibung bedingt aber auch, daß die resultierenden Gle-ichungen nicht nur physikalische Begriffe der zugrundeliegenden mikroskopischenBeschreibung enthalten wie etwa Energie, Teilchenzahl, Impuls, sondern auch Be-griffe der Statistik. Wichtigstes Beispiel hierf¨ur ist die Entropie, die eine zentraleRolle in der Thermodynamik spielt und mit dem Begriff der Information in derStatistik verkn¨upft wird.Die Aussagen der statistischen Physik betreffen makroskopische Eigenschaften, typ-ischerweise Observable, die über ein Volumen gemittelt sind, dessen Ausdehnunggroß ist gegenüber dem mittleren Abstand von Teilchen. Der mittlere Teilchenab-stand in Festk¨orpern und Fl üssigkeiten ist etwa 10 − 7 cm. Außerdem wird meist überZeiten gemittelt, die lang sind gegen¨uber den typischen Zeitskalen der mikroskopis-chen Bewegung. Diese sind etwa 10− 13 sec für die Bewegung der Atome und 10 − 15sec für die der Elektronen in einem Festk¨orper. In gewissen Situationen k¨onnenaber auch Aussagen über das Verhalten einzelner Teilchen gewonnen werden, wenndiese mit einem makroskopischen System wechselwirken. Ein Beispiel hierf¨ur sindFarbzentren oder andere Defekte in Festk¨ orpern.Die Statistische Physik von Gleichgewichtszust¨ anden kann, ausgehend vom oben-

    genannten Entropiebegriff, relativ systematisch entwickelt werden. Dies ist derwesentliche Inhalt der Vorlesung. Die Behandlung von Nichtgleichgewichtszust¨ andenist weit komplexer. Dies ist schon dadurch bedingt, daß ein thermischer Gle-ichgewichtszustand (Makrozustand) durch einige wenige Zustandsgr¨ oßen charakter-isiert ist. Dies gilt jedoch f ür einen Nichtgleichgewichtszustand im allgemeinen nichtmehr. Eine systematische Behandlung dieser Zst¨ ande ist nur dann m¨oglich, wennder Zustand in irgendeinem Sinne nahe an einem Gleichgewichtszustand ist, etwabei kleinen Abweichungen von einem Gleichgewicht oder falls lokale Gleichgewichtemit langsamen r äumlichen Variationen existieren.

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    Lehrbücher:Brenig: Statistische Theorie der W¨ armeReif: Physik der W ärmeKittel, Kr¨omer: Thermal PhysicsSchwabl: Statistische Physik

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    2 Begriffe der Statistik

    2.1 Ereignisse und Wahrscheinlichkeiten

    In der Statistik spricht man von Ereignissen und Wahrscheinlichkeiten f¨ ur das

    Auftreten dieser Ereignisse. Ereignisse sind Mengen, und unter einem Elementar-ereignis versteht man eine Teilmenge, die nicht leer ist und nicht weiter zerlegtwerden kann. F ür Elementarereignisse a i gilt

    A BA∩ Ba i ∩a j =∅ (2.1)

    wobei der Schnitt (Produkt) zweier Mengen A ∩Bentsprechend nebenstehender Figur gegeben ist.Es sei E die Menge aller Elementarereignisse.

    In der statistischen Physik verstehen wir Mikrozust¨ ande als Elementarereignisse.Dies sind vollständig charakterisierte physikalische Zust¨ ande. In der klassischenPhysik von N Teilchen in 3 Dimensionen sind sie durch Angabe aller Orte q 1 · · ·q 3N und Impulse p1 · · ·q 3N gegeben. Den 6N-dimensionalen Raum bezeichnet man alsPhasenraum und damit entspricht einem Mikrozustand ein Punkt im Phasenraum.In der Quanten-Statistischen Mechanik ist ein Mikrozustand durch Angabe einesvollst ändigen Satzes von Quantenzahlen gegeben. Betrachtet man etwa Teilchen ineinem Volumen der L änge L, sind hierfür die Komponenten der Wellenvektoren allerTeilchen ki = 2πn i,α /L und deren Spins si geeignet. Dabei sind ni,α ganze Zahlenund i = 1 · · ·N, α = 1 · · ·3.Es seien A und B Teilmengen von E , nicht notwendigerweise elementar. Falls

    A BA∪ B

    A ∩B=

    (2.2)

    nennt man A und B unvereinbar. ¯A ist komple-ment är zu A falls

    A ∩ ¯A= ∅ und A∪ ¯A= E . (2.3)wobei die Vereingung (Summe) A∪B entsprechendnebenstehender Figur gegeben ist.

    In der statistischen Physik werden wir Makrozusẗ ande einführen, die unverein-bare Teilmengen aus Mikrozusẗ anden darstellen. Beispielsweise kann man alleMikrozust ände mit einer Energie in einem Intervall E − 12 dE · · ·E + 12 dE zu einemMakrozustand der Energie E zusammenfassen. In der Quantenmechanik sind die En-ergiewerte von Mikrozust änden, f ür N Teilchen in einem Volumen der Gr¨oße V = L3,diskret. Der typische Abstand benachbarter Energieniveaus ist ∼L− 1, wogegen dietypische Energie E ∼ N ist. Im thermodyamischen Grenzfall N → ∞, V → ∞kann also ∆ E sehr klein gewählt werden und die Energie kann als kontinuierlicheVariable aufgefaßt werden.In der Statistik wird einem Ereignis A eine Wahrscheinlichkeit P (A) für dasAuftreten von A zugeordnet. Dabei ist 0 ≤P (A) ≤1 reell und P (E ) = 1.

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    Für zwei Ereignisse A und B giltP (A∪B) = P (A) + P (B) falls A ∩B = ∅ oder P (A ∩ B) = 0P (A∪B) < P (A) + P (B) sonst (2.4)

    Dies läßt sich einfach auf mehr als zwei Ereignisse erweitern.Für P (B) > 0 deniert man eine bedingte Wahrscheinlichkeit f¨ ur das Auftreten vonA falls sich B ereignet hat (Bayes-Gesetz)

    P (A|B) = P (A∩ B)

    P (B) . (2.5)

    Falls diese nicht vom Eintreffen von B abhängt, also P (A|B) = P (A), bezeichnetman A und B als unabh ängig und dann gilt P (A ∩ B) = P (A)P (B).

    2.2 Diskrete Gesamtheiten

    Betrachten wir zun¨achst den Fall, daß ein System eine endliche Zahl von diskretenMikrozust änden (Elementarereignissen) z 1, z 2, . . . , z i , . . . , z n annehmen kann. DieWahrscheinlichkeit, daß sich das System im Zustand z i bendet, sei pi ≥ 0. DieWahrscheinlichkeiten sind so normiert, daß

    i pi = 1 . (2.6)

    Es sei  eine Observable, die im Zustand z i den Wert A i annimmt. Der Mittelwert(Erwartungswert) ist dann

    Â = i Ai pi . (2.7)

    Als Maß für die mittlere Abweichung einer Einzelbeobachtung vom Mittelwert be-nutzt man die als “Varianz” oder “Schwankung” bezeichnete Gr¨ oße

    ∆ A = Â2 − 2. (2.8)Falls keine Entartung auftritt, d.h. falls Ai für jeden Zustand verschieden ist, gilt∆ A = 0 nur f ür einen reinen Zustand, in dem ein pi = 1, alle anderen = 0 sind.Es sei B̂ eine weitere Observable, die im Zustand z i den Wert Bi annimmt. ImFall eines quantenmechanischen Systems seien  und B̂ simultan meßbar, diezugehörigen Operatoren m¨ogen kommutieren. Als Korrelation bezeichnet man dann

    Â B̂ c = C AB = Â B̂ −Â B̂ (2.9)mit

    Â B̂ =i

    AiB i pi . (2.10)

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    pq

    q2 p22pq

    q3 3pq 2 3p 2q p 3

    Als Beispiel betrachten wir die Binomialverteilung.Man erh ält sie, indem man, ausgehend von einembestimmten Punkt mit Wahrscheinlichkeit p einenSchritt nach rechts, mit Wahrscheinlichkeit q =

    1 − p einen Schritt nach links macht. Aufeinan-derfolgende Schritte seien nicht korreliert. Nachn Schritten kann man n + 1 Zustände erreichen,z 0 . . . z n .

    Die Wahrscheinlichkeit f¨ur das Erreichen des Zustandes z ist

    p = p q n −n

    = p q n − n!!(n − )!

    (2.11)

    und damit durch die Binomialentwicklung von ( p+ q )n gegeben. Da p+ q = 1, ergibtsich die Normierung (2.6).Für Schritte der L¨ange d ist der Abstand des Zustandes vom AusgangspunktD = d( − 12 n) und dessen Mittelwert

    D = d − 12 n p = d p ∂ ∂p

    ( p + q )n |q=1 − p −12 n= nd p− 12 . (2.12)

    Die Varianz von D erhält man aus

    D 2 = d2 − 12 n2 p

    = d2 p ∂ ∂p − 12 n p

    ∂ ∂p − 12 n ( p + q )

    n |q=1 − p= d2( p2n(n −1) + pn − pn2 + 14 n2 (2.13)

    und damit∆ D = D 2 −D 2 = d p(1 − p)n. (2.14)

    Gemessen an der gesamten nach n Schritten zug änglichen Strecke sind die relativenSchwankungen

    ∆ Dnd =

    p(1

    − p)

    n . (2.15)Die relativen Schwankungen werden also f ür große n klein.Der hier diskutierte Prozeß kann als vereinfachtes Modell zur Diffusion von Verun-reinigungen oder Fehlstellen in Festk¨ orpern angesehen werden.

    2.3 Kontinuierliche Gesamtheiten.

    In vielen Fällen hat man es mit Wahrscheinlichkeitsverteilungen zu tun, die Funktio-nen einer oder mehrerer kontinuierlicher Variablen sind. Wir untersuchen zun¨ achst

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    eine Verteilung, die nur von einer einzigen Variablen z abhängt. Diese Verteilung seials Grenzfall von Wahrscheinlichkeiten f¨ur diskrete Zust¨ande gewonnen. Wir gehenalso von diskreten Zust änden i aus, wobei z i der Wert der Variablen (Observablen) z im Zustand i sei. Die Wahrscheinlichkeit f ür den Zustand i sei pi = p(z i). Gemessenbeispielsweise an der Genauigkeit ∆, mit der z bestimmt werden kann, seien dieZust ände relativ dicht, aber nicht notwendigerweise gleichm¨ aßig angeordnet.In einem quantenmechanischen physikalischen System k¨ onnte z beispielsweise dieEnergie sein und z i die möglichen Eigenwerte des Hamiltonoperators.

    ∆ zn

    zi

    P(z)Es sei A(z ) eine Observable,beispielsweise z selbst, dann ist

    Â =i

    A(z i ) p(z i). (2.16)

    Führen wir nun eine gleichm äßigeEinteilung der z -Achse in Inter-valle der Gr öße ∆ durch, wobeidas n-te Intervall durch z n = n∆

    charakterisiert ist, so erh¨ alt man n äherungsweise, falls A(z i ) und p(z i) langsam auf der Skala ∆ ver¨anderlich sind

    Â =n

    A(z n ) p(z n )Ω∆ (z n ) (2.17)

    wobei Ω∆ (z n ) die Zahl der Zust ände im n-ten Intervall ist. Falls auch Ω ∆ (z n )langsam ver änderlich ist, erh¨alt man mit

    Ω∆ (z n ) = ∆Ω( z n ) (2.18)näherungsweise

    Â = dz Ω(z ) p(z )A(z ). (2.19)Dabei kann man Ω( z )dz als Integrationsmaß im Sinne eines Lebesque-Integrals in-terpretieren. Ω( z ) wird aber auch als “a priori”-Wahrscheinlichkeit bezeichnet.Eine Situation wie die geschilderte ergibt sich auf ganz nat¨ urliche Weise für einendliches quantenmechanisches System, in dem man immer diskrete Zust¨ ande hat,wobei aber der Abstand der Zust¨ ande mit der Gr¨oße des Systems abnimmt. De-mentsprechend wollen wir Ω( z ) als Zustandsdichte bezeichnen. In der statistis-

    chen Physik werden z und zusätzlichen Variablen dieser Art als Parameter benutzt,die Makrozust ände charakterisieren. Beispiele hierf¨ur sind Energie E , TeilchenzahlN oder Volumen V . Teilchenzahl und Energie (quantenmechanisch) sind diskreteVariable. Trotzdem k¨onnen sie im thermodynamischen Grenzfall V → ∞ alskontinuierliche Variable in obigen Sinn behandelt werden. Dies setzt voraus, daßalle Mikrozust ände, die einen Makrozustand bilden, mit gleicher Wahrscheinlichkeitauftreten. Ist dies nicht erf¨ullt, ist es notwendig den Makrozustand durch Hinzu-nahme weiterer Zustandsvariable soweit in neue Unterzust¨ ande (Untermengen vonMikrozust änden) aufzuteilen, bis das Postulat der Gleichverteilung erf¨ ullt ist.

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    Hätten wir statt z beispielsweise z 2 oder allgemein y = f (z ) gewählt, h ätten wir eineandere Zustandsdichte Ω̃(y) bekommen. Mit A(z ) = Ã(f (z )) und p(z ) = ̃p(f (z ))erhält man

    Â = dy Ω̃(y)˜ p(y) Ã(y) (2.20)was, für beliebige A(z ) und p(z ) nur gelten kann, falls

    dy =df (z )

    dz dz Ω(z ) = Ω̃(f (z ))

    df (z )dz

    . (2.21)

    Die Bestimmung der “a priori”-Wahrscheinlichkeit f¨ ur klassische Systeme stellt eingewisses Problem dar, das aber durch die Quantenmechanik etwas befriedigendergelöst wird.Die Verallgemeinerung auf Wahrscheinlichkeitsverteilungen mehrerer Variablenz 1 . . . z ν ist offensichtlich. A, p und Ω sind Funktionen mehrerer Variablen, undman erh ält entsprechend Mehrfachintegrale. Transformiert man auf neue Variable

    y1 . . . yν mit yi = f i(z 1 . . . z ν ), erh ält man

    Ω(z 1 . . . z ν ) = Ω̃(y1 . . . yν ) det∂y∂z

    (2.22)

    wobei

    det∂y∂z

    =

    ∂f 1∂z 1 · · · ∂f ν∂z 1... ...∂f 1∂z ν · · · ∂f ν∂z ν

    (2.23)

    als Jacobi-Determinante bezeichnet wird.

    Die vorher gewonnenen Denitionen f ür Korrelationen und Varianz k¨ onnen direktübernommen werden, wenn man i durch dz 1 . . . dz ν Ω(z ) ersetzt.Als Beispiel untersuchen wir den Grenzfall der vorher untersuchten Binomi-alverteilung f ür

    n → ∞ d →0 √ nd = 2b. (2.24)Für diesen Fall erwarten wir, entsprechend (2.14), eine endliche Varianz. Es seiz = d( − 12 n). Dann ist Ω( z ) = 1 /d . Zur Auswertung von (2.11) benutzen wir dieStirlingsche Formel

    ln n! n + 12

    ln n −n + 12

    ln 2π (2.25)

    und erhalten f ür p = q = 12

    p n2π (n − ) exp ln n2

    + ( n − ) ln n

    2(n − ). (2.26)

    Mit = 12 n(1 + z /b√ n) wird für große n

    p = db√ 2π e

    − 12 z2 /b 2 (2.27)

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    wobei ln(1 + x) ≈x − 12 x2 benutzt wurde. Absorbiert man die Zustandsdichte, die ja in diesem Beispiel konstant ist, in die Wahrscheinlichkeitsverteilung, erh¨ alt maneine Gauss-Verteilung

    p(z ) = 1b√ 2π e

    − 12 z2 /b 2 (2.28)

    mit Mittelwert z = 0 und Varianz ∆ z = b.2.4 Information

    Die Angabe einer Wahrscheinlichkeitsverteilung f¨ ur eine statistische Gesamtheitstellt eine gewisse Information über das tats¨achliche Auftreten eines Ereignis dar.Diese Information ist aber, falls die Verteilung nicht einen reinen Zustand beschreibt,unvollst ändig, und weitere Information wird ben¨otigt, um das tats¨achlich aufge-tretene Elementarereignis zu identizieren.Zur Quantisierung der fehlenden Information betrachten wir zun¨ achst eine diskrete

    endliche Gesamtheit z 1 . . . z n mit gegebenen Wahrscheinlichkeiten pi .Nehmen wir an, wir kennen die Verteilung, unser Freund kennt das aufgetreteneEreignis. Er kann unsere Fragen nur mit ja oder nein beantworten. Wieviele Fragenmüssen wir im Mittel bei optimaler Taktik stellen, um das aufgetretene Ereignis zuidentizieren?

    E M0 M1

    M00 M01 M10 M11

    M010 M011

    M0110 M0111

    Wir unterteilen die Menge M vonEreignissen in Untermengen M 0M 1,diese weiter in M 00M 01 beziehungsweiseM 10M 11 und entsprechend weiter, bis jede Teilmenge nur noch ein Ereig-nis enth ält. Damit ist jedes Ereignisdurch eine Bin ärzahl charakterisiert,wobei die Zahl der Stellen der jeweili-gen Binärzahl nicht notwendigerweisegleich sein muß. Entsprechend demgezeigten Verzweigungsschema k önnennun die Fragen gestellt werden.

    Die Taktik besteht nun darin, eine solche Einteilung vorzunehmen, daß man imMittel mit m¨oglichst wenig Fragen auskommt. Dies ist dann der Fall, wenn jedeFrage mit gleicher Wahrscheinlichkeit mit ja und nein beantwortet wird. F¨ ur die

    Aufteilung der Teilmenge M

    b in die Mengen M

    b0 und M

    b1 gilt dann

    i∈M b0

    pi =i∈M b1

    pi = 2− ( +1) (2.29)

    wobei die Gesamtzahl der Unterteilungen ist, die zu M b geführt hat. b ist also eine-stellige Binärzahl. Vereinbarungsgem¨ aß ist die Unterteilung soweit durchzuf¨uhren,

    daß jede Teilmenge am Ende nur noch jeweils ein Elementarereignis enth¨ alt. F ürdas Ereignis z i seien dies i Unterteilungen, und (2.29) zeigt

    pi = 2− i (2.30)

    9

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    wobei aber der so berechnete Wert im allgemeinen nicht ganzzahlig ist. Dann giltaber

    i −1 < −log2 pi ≤ i (2.31)Als “fehlende Information”, “Informationsdezit”, “Ignoranz” oder einfach “Infor-mation” I bezeichnet man die im Mittel notwendige Zahl von Fragen (Shannon)

    I ≥ − i pi log2 pi > I −1 (2.32)oder vereinfacht

    I = − i pi log2 pi = − 1ln 2 i

    pi ln pi . (2.33)

    Für einen reinen Zustand i mit pi = 1 und p j = 0 für j = i ist beispielsweise I = 0,und für n gleich verteilte Zust ände ist I = log2 n.Das so gewonnene Informationsmaß l äßt sich auf verschiedene Weise, je nachFragestellung, auf kontinuierliche Verteilungen ¨ uber einer oder mehreren Variablenverallgemeinern. Zun ächst kann man in (2.33) pi durch p(z ) und die Summe durchein Integral ersetzen. Dies ergibt

    I = − dν z Ω(z ) p(z )log2 p(z ). (2.34)Man kann sich aber auch daf¨ur interessieren, wieviel Fragen notwendig sind umherauszunden ob der gegebene Zustand einen Wert von z mit einer gewissenGenauigkeit ∆ besitzt. Dazu unterteilt man, entsprechend der vorher geschildertenProzedur, den durch die Variablen z 1 . . . z ν aufgespannten Zustandsraum, bis manzu Volumenelementen der Gr¨ oße ∆ kommt. Statt (2.29) erh¨ alt man

    ∆n

    dν z Ω(z ) p(z ) ∆Ω( z n ) p(z n ) = 2 − (2.35)

    wobei z n der Mittelpunkt des Volumenelements ∆ n ist. Entsprechend (2.33) erh¨ altman

    I ∆ = −log2 ∆ − dν z Ω(z ) p(z ) {log2 Ω(z ) + log 2 p(z )}. (2.36)Falls die Zustandsdichte Ω( z ) konstant ist, unterscheiden sich die beiden Denitionennur durch eine Konstante. Wenn nichtanders vereinbart, werden wir die Denition(2.34) verwenden.Untersuchen wollen wir den Spezialfall einer Verteilung zweier Variabler p(y, z ), diesich als Produkt schreiben l¨aßt

    p(y, z ) = p1(y) p2(z ). (2.37)Außerdem sei Ω(y, z ) = 1. F ür eine solche Verteilung sind die Variablen y und z nichtkorreliert. Dies bedeutet, daß die Korrelation zwischen A(y) und B (z ) verschwindet

    Â B̂ = dydz p1(y) p2(z )A(y)B (z ) = Â B̂ (2.38)wobei p1(y) und p2(z ) jeweils für sich normiert seien. Die fehlende Information istoffensichtlich die Summe der fehlenden Informationen f¨ur p1(y) und p2(z )

    I = I 1 + I 2 (2.39)

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    mit

    I 1 = − dy p1(y)log2 p1(y)I 2 = − dz p2(z )log2 p2(z ). (2.40)

    Für eine nicht faktorisierende Verteilung kann man Verteilungen

    p1(y) = dz p(y, z ) p2(z ) = dy p(y, z ) (2.41)

    denieren. Eine solche Verteilung enth¨ alt sowohl Information über die Verteilungder Variablen y und z als auch Information über deren Korrelationen. Letzterebezeichnet man als Transinformation. Sie ist

    I 1 + I 2 −I = − 1ln 2 dydz p(y, z ) ln

    p1(y) p2(z ) p(y, z ) . (2.42)

    Mit der Ungleichung ln x ≤x −1 ndet manI ≤I 1 + I 2 (2.43)

    wobei das Gleichheitszeichen nur f ür eine faktorisierende Verteilung gilt. Dieseund ähnliche Ungleichungen werden wir sp äter zur Konstruktion von Wahrschein-lichkeitsverteilungen f¨ur physikalische Systeme benutzen.

    11

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    3 Statistische Beschreibung physikalischer Sys-teme

    3.1 Klassische Mechanik

    Da man den Anfangszustand eines komplexen physikalischen Systems und dessenWechselwirkung mit der Umgebung nicht im Detail bestimmen kann, wird esdurch eine Wahrscheinlichkeitsverteilung repr¨ asentiert. Damit ist es nur nochmöglich Wahrscheinlichkeitsaussagen ¨uber die zeitliche Entwicklung eines Systemszu machen. F ür makroskopische Systeme sind diese Aussagen in der Regel extremzuverl̈ssig, wenngleich das Auftreten sehr unwahrscheinlicher Zust¨ ande prinzipiellnicht ausgeschlossen werden kann. Versucht man die H¨ augkeit des Auftretenssolcher Ereignisse abzusch ätzen, erh ält man typischerweise Zeiten, die das Alterdes Universums um viele Gr ößenordnungen übersteigen.Die Frage, wie eine geeignete Wahrscheinlichkeitsverteilung bestimmt werden kann,

    wollen wir im nächsten Kapitel untersuchen. Zun¨ achst betrachten wir die zeitlicheEntwicklung einer solchen Verteilung und wenden uns zuerst einem System von N klassischen Teilchen zu.Bei voller Kenntnis ist der Zustand des Systems beispielsweise durch Angabe von 3 N Ortskoordinaten q iα und 3N Impulskoordinaten piα speziziert, wobei die Indizesi = 1 . . . N und α = 1 . . . 3 durchlaufen. Die Indexpaare ( iα ) können wir zu (iα ) = kzusammenfassen. Den durch diese 6 N Koordinaten aufgespannten Raum bezeichnetman als Phasenraum Γ, und der Zustand ist durch einen Punkt in Γ charakterisiert.Es sei H ( p, q ; t) die Hamilton-Funktion, die explizit von der Zeit abh¨ angen kann,falls zeitabh ängige Kräfte auf das System wirken. Wir werden uns aber fast immer

    auf Systeme beschr änken, für die eine zeitunabh¨angige Hamilton-Funktion existiert,also auf konservative Systeme. F¨ur wechselwirkende Teilchen ist beispielsweise

    H ( p, q ) =i

    12m i α

    piα + eic Aiα (q i)

    2+ V i(q i ) + 12

    i,jW (q i , q j ), (3.1)

    wobei ei die Ladung des Teilchen i ist, V (q i) und Aα (q i ) Potential und Vektorpo-tential äußerer Kr äfte sind, und W (q i , q j ) die Wechselwirkung beschreibt.Die zeitliche Entwicklung dieses Zustandes ist durch die Hamiltonschen Bewegungs-gleichungen

    d

    dt pk =

    ∂H

    ∂q k=

    {H, pk

    }

    d

    dtq k =

    ∂H

    ∂pk=

    {H, q k

    } (3.2)

    gegeben. Dabei haben wir die Denition der Poisson-Klammern

    {A, B}= k∂A∂pk

    ∂B∂q k −

    ∂A∂q k

    ∂B∂pk

    (3.3)

    benutzt. Die Hamiltonschen Bewegungsgleichungen k¨ onnen als Bewegungsgleichun-gen eines Punktes im Phasenraum Γ angesehen werden. Dessen “Geschwindigkeit”vΓ ist ein 6N -dimensionaler Vektor mit Komponenten

    vΓ = ( ˙ pk ; q̇ k) = −∂H ∂q k

    ; ∂H ∂pk

    . (3.4)

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    Betrachtet man nicht nur einen Zustand, sondern alle m¨ oglichen Zust ände, erh ältman eine Str ömung in Γ. Diese Str ömung ist inkompressibel

    divΓvΓ =k

    ∂ ˙ pk∂pk

    + ∂ q̇ k∂q k

    =k −

    ∂ 2H ∂pk∂q k

    + ∂ 2H ∂q k∂pk

    = 0 . (3.5)

    pk

    qk V (t 0)

    V (t)

    Betrachtet man also die Bewegung der Punkte, diezur Zeit t0 ein Volumen ∆ V Γ(t0) im Phasenraumfüllen, füllen sie zur Zeit t ein Volumen ∆ V Γ(t),wobei

    ∆ V Γ(t) = ∆ V Γ (t0). (3.6)

    Um dies zu zeigen, betrachtet man die zeitlicheÄnderung des Volumens V Γ(t)

    dV Γ(t)

    dt =

    ∆ S Γ (t)

    ds n Γ(s)

    ·vΓ(s, t )

    = ∆ V Γ (t) d3N pd3N q divΓv( p, q, t) = 0 (3.7)Dabei ist ∆ S Γ(t) die Ober äche des Volumelements zur Zeit t und nΓ (s) eine Nor-male auf diese Obeäche. Der zweite Ausdruck ergibt sich aus dem GaußschenSatz.Bei unvollsẗandiger Kenntnis des Anfangszustandes sei das System durch eineWahrscheinlichkeitsverteilung P Γ( p, q ; t0) im Phasenraum Γ repr¨asentiert.Betrachten wir einen Punkt (˚ p(t0), q̊ (t0)) und ein ihn umgebendes Volumen ∆ V Γ(t0),so ist ∆ V Γ(t0)

    P Γ( ̊p(t0), q̊ (t0); t0) die Wahrscheinlichkeit daf¨ur, daß der Anfangszus-

    tand einer der Zust¨ande ist, die durch Punkte in ∆ V Γ(t0) repr äsentiert sind, wobei dieZustandsdichte den Wert Ω( p, q ) = 1 habe.. Die zeitliche Entwicklung des Zustandes( ̊p(t0), q̊ (t0)) ist durch (3.2) gegeben und zur Zeit t sei dieser Zustand ( ̊p(t), q̊ (t)).Das ihn umgebende Volumenelement sei ∆ V Γ(t). Aus (3.6) folgt aber dann

    P Γ( ̊p(t0), q̊ (t0), t0) = P Γ( ̊p(t), q̊ (t), t ) (3.8)oder in Form einer Differentialgleichung

    ∂ ∂t P Γ( p, q ; t) + k ˙ pk

    ∂ ∂pk

    + q̇ k∂

    ∂q k P Γ( p, q ; t) = 0 . (3.9)

    Mit den Hamiltonschen Bewegunggleichungen (3.2) erh¨alt man die sogenannteLiouville-Gleichung

    ∂ ∂t P Γ( p, q ; t) = −{H, P Γ}

    = − k∂H ( p, q ; t)

    ∂pk∂ P Γ( p, q ; t)

    ∂q k −∂H ( p, q ; t)

    ∂q k∂ P Γ ( p, q ; t)

    ∂pk. (3.10)

    Dabei ist {H, P Γ} die Poisson-Klammer.

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    Vorausgesetzt haben wir dabei, daß die a priori Wahrscheinlichkeit Ω( p, q ) für jedenPunkt im Phasenraum gleich ist und damit Ω( p, q ) = 1 gewählt werden kann. DieseAnnahme erscheint plausibel und folgt, wenigstens f¨ ur ein einzelnes Teilchen, ausTranslations- und Galilei-Invarianz, stellt aber im Grunde genommen ein Postulatdar.

    Bekanntlich sind die Poisson-Klammern invariant gegen¨ uber kanonischen Trans-formationen, also Transformationen der urspr¨ unglichen Koordinaten pkq k in neue¯ pk( p, q ; t)q̄ k( p, q ; t), so daß

    {̄ pk , ¯ p }= 0 {̄q k, q̄ }= 0 {̄ pk , q̄ }= δ kl . (3.11)Für solche Transformationen ist die Jacobi-Determinante (2.23) gleich 1, und damitist auch Ω( ̄p, q̄ ) = 1. Außerdem ist die Form der Liouville-Gleichung invariant.Für andere als kanonische Transformationen erh¨ alt man entsprechend (2.22) im all-gemeinen eine nichttriviale Zustandsdichte und eine ge¨ anderte Form der Liouville-Gleichung.

    3.2 Quantenmechanik

    In der Quantenmechanik wird der Zustand eines Systems (Mikrozustand) durcheinen Vektor |ψ mit Norm ψ|ψ = 1 in einem Hilbertraum repr¨ asentiert. ImSchrödinger-Bild ändert sich dieser Vektor als Funktion der Zeit entsprechend derSchrödinger-Gleichung

    ih̄ ddt |ψ(t) = H (t)|ψ(t) (3.12)

    wobei H der Hamilton-Operator des Systems ist, den man beispielsweise mit Hilfedes Korrespondenzprinzips aus der klassischen Hamiltonfunktion erh¨ alt indem manOrte q

    k und Impulse p

    k durch die entsprechenden Operatoren ˆ q

    k und ˆ p

    k ersetzt.

    Letztere erf üllen die Vertauschungsrelationen [ ̂pk , q̂ l] = −ih̄δ kl .In der Quantenmechanik wird eine physikalische Observable durch einen her-miteschen Operator  beschrieben. Aus der Eigenwertgleichung

    Â|ϕn = an |ϕn (3.13)erhält man die reellen Eigenwerte an und die Eigenvektoren |ϕn , die einevollst ändige ortonormierte Basis mit ϕm |ϕn = δ n,m bilden. Eine Messung aneinem beliebigen Zustand |ψ liefert einen der Eigenwerte an mit Wahrscheinlichkeit pn = | ϕn |ψ |2.In einer statistische Beschreibung k¨ onnen wir nicht davon ausgehen, daß der Zustand

    |ψ exakt bekannt ist. Stattdessen betrachten wir mehrere Zust¨ ande |ψi , und gebenWahrscheinlichkeiten pi für deren Auftreten an. Diese Zust¨ande sollen normiertsein, müssen aber nicht eine orthogonale Basis bilden. Der Erwartungswert einerObservablen  ist dann

    Â =i

    pi ψi|Â|ψi . (3.14)Eine vollst ändige orthonormierte Basis im Hilbertraum sei durch die Vektoren |ν gegeben. Dann kann man (3.14) umformen und erh¨ alt

    Â =νµ i

    pi ψi|ν ν |Â|µ µ|ψi

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    =νµ

    ρµν Aνµ . (3.15)

    Der Operator ρ, dessen Matrixelemente

    ρµν =i

    µ|ψi pi ψi |ν (3.16)sind, ist der “statistische Operator”. Damit kann ein Erwartungswert als Spurgeschrieben werden

    Â =νµ

    µ|ρ|ν ν |Â|µ = µ µ|ρ Â|µ

    = Tr ρ Â. (3.17)

    Diese Schreibweise hat den Vorteil, daß sie unabh¨ angig von der Wahl der Basis |ν ist, da die Spur in jeder beliebigen vollst¨andigen orthonormierten Basis ausgewertetwerden kann. Da die pi reell sind, ist ρµν = ρ∗νµ , und ρ ist damit ein hermitescherOperator. Aus (3.16) mit µ = ν erhält man ρνν ≥0. Da dies in jeder beliebigen Basisgilt, ist ρ ein positiv semideniter Operator, also ein Operator dessen Eigenwertenicht negativ sind. Den statistischen Operator k¨ onnen wir formal in der Form

    ρ =µ,ν |µ ρµν ν | (3.18)

    schreiben. Der statistische Operator ist normiert:

    Tr ρ =i

    pi = 1 (3.19)

    Die zeitliche Entwicklung des statistischen Operators erh¨ alt man aus derSchrödinger-Gleichung (3.12) und aus (3.16)

    ih̄ ddt

    ρµν (t) =i

    µ|H |ψi (t) pi ψi(t)|ν −µ|ψi(t) pi ψi (t)|H |ν (3.20)und damit die von Neumann-Gleichung

    ddt

    ρ(t) = −ih̄

    [H (t), ρ(t)] . (3.21)

    Die formale Ähnlichkeit mit der Liouville-Gleichung (3.10) ist offensichtlich. AuchErwartungswerte in der klassischen statistischen Mechanik k¨ onnen wir entsprechend(3.17) schreiben, indem wir als Spur ein Integral ¨uber den Phasenraum Γ benutzen

    Tr ρ Â = d3N p d3N q P Γ( p, q ; t)A( p, q ). (3.22)Dieses Integral kann mittels eines beliebigen Satzes kanonischer Variabler berech-net werden. Dies entspricht der Unabh¨ angigkeit der Spur von der gew ähltenvollst ändigen orthonormalen Basis im Fall der Quantenmechanik. Diese verein-heitlichte Notation gestattet es auch, die statistische Physik f¨ ur klassische und quan-tenmechanische Systeme weitgehend simultan zu entwickeln.

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    3.3 Thermodynamischer Grenzfall

    Die Methoden der statistischen Physik werden vorwiegend f¨ ur Systeme benutzt,deren Teilchenzahl enorm groß ist N ∼ 1023 und deren Volumen V , gemessen anmikroskopischen Längenskalen, ebenfalls enorm groß ist. Es ist daher notwendig,den sogenannten thermodynamischen Grenzfall V

    → ∞, N

    → ∞ zu untersuchen,

    wobei etwa die Dichte n = N/V konstant gehalten wird.Als extensive Observable bezeichnet man eine Gr¨oße, deren Erwartungswert imGrenzfall V → ∞ so divergiert, daß Â /V endlich bleibt. Beispiele sind dieTeilchenzahl, die Energie, das magnetische Moment und andere. F¨ ur diese Gr ößenkann man zugeh örige Dichten konstruieren, so daß

    Â = d3r n̂A(r ). (3.23)Beispielsweise ist die Teilchendichte n (r ) am Ort r

    n(r ) = i δ (r −q i) (3.24)oder die Stromdichte

    j (r ) = 12i

    1m i

    pi δ (r −q i) + δ (r −q i) pi (3.25)

    oder die Energiedichte nE (r ), ohne äußere Kr äfte,

    nE (r ) =i

    1m i α

    piα δ (r −q i) piα + 12 i,j δ (r − 12(q i + q j ))W (q i −q j ), (3.26)

    wobei die beiden Beitr äge die Dichte der kinetischen Energie und die Dichte der po-tentiellen Energie darstellen. Die entsprechenden Dichten ˆ nA(r ) im quantenmecha-nischen Fall erh ält man wieder aus dem Korrespondenzprinzip, wobei im Beispiel derkinetischen Energie oder der Stromdichte auf die Reihenfolge der einzelnen Termezu achten ist (hermitesche Operatoren) .Für ein, wenigstens im Mittel, r äumlich homogenes System h ängt der Er-wartungswert einer Dichte nicht vom Ort ab und damit wird

    Â = V n̂A(r ) . (3.27)

    Beobachtet man etwa zwei Dichten ˆnA(r ) und n̂B (r ), so ndet man im Regelfall,daß deren Korrelation

    C AB (r, r ) = C AB (|r −r |) = n̂A (r )n̂B (r ) −̂nA(r ) n̂B (r ) (3.28)als Funktion des Abstandes der Punkte r und r rasch abfallen. F ür große Abst ändendet man typischerweise

    C AB (r )∼e− r/ξ (3.29)

    wobei die “Korrelationsl änge” ξ auch im thermodynamischen Grenzfall endlichbleibt und von der Gr¨oßenordnung der Reichweite der Wechselwirkung oder der

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    mittleren freien Wegl¨ange der Teilchen ist. Nur in unmittelbarer N¨ ahe von kon-tinuierlichen Phasen¨uberg ängen kann ξ stark anwachsen.Für die Korrelation der extensiven Observablen ndet man

     B̂ − B̂ = d3rd 3 r̄ n̂A(r + r̄ )n̂B (r ) c∼V ξ 3 (3.30)wobei zu beachten ist, daß die beiden Terme auf der linken Seite jeweils von derGrößenordnung V 2 sind. Speziell für die Varianz der Observablen  erhält man

    ∆ A = Â2 −Â 2∼ V ξ 3 (3.31)und damit verschwinden die relativen Schwankungen ∆ A/ Â einer extensiven Vari-ablen im thermodynamischen Grenzfall

    ∆ A/  ∼ ξ 3/V −→V →∞ 0. (3.32)Als intensive Variablen bezeichnet man Gr¨oßen, die auch im thermodynamis-chen Grenzwert endlich bleiben. Dazu geh¨oren die Erwartungswerte von Dichten,Stromdichten, aber auch Gr¨ oßen wie Temperatur, Druck oder chemisches Potential,die wir im weiteren Verlauf diskutieren werden.Im Fall der Quantenmechanik, falls die Operatoren  und B̂ nicht kommutieren,hängt eine simultane Bestimmung der Erwartungswerte von der Reihenfolge ab,also  B̂ = B̂  . Konstruiert man die zugeh¨origen Dichten, ndet man jedochim Regelfall

    [n̂A(r ), n̂B (r )] −→|r − r | ζ 0. (3.33)wobei auch ζ im thermodynamischen Grenzfall endlich bleibt. Beispielsweise ndetman mit (3.25) und (3.26)

    [̂ j (r ), n̂E pot (r )] = 2 ih̄ n̂(r )∇W (2r −2r )n̂(2r −r ) (3.34)und man erh ält für die Kohärenzlänge ζ die Reichweite der Wechselwirkung.Damit ist f ür endliche ζ

    [ Â, B̂ ] = d3rd 3r [n̂A(r ), n̂B (r )] ∼V ξ 3 (3.35)und folglich können Operatoren, die extensiven Variablen entsprechen, im thermody-

    namischen Grenzfall als vertauschbar und damit simultan meßbar angesehen werden.

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    4 Makrozust¨ ande

    4.1 Repräsentatives Ensemble

    Wir wenden uns jetzt der Frage zu, welchen Anfangswert man f¨ ur den statis-

    tischen Operator oder die Wahrscheinlichkeitsdichte im Γ-Raum zu w¨ ahlen hat,wenn man unvollst ändige Kenntnis über den tats¨achlichen Anfangswert hat. Wirbeschreiben also den Anfangszustand durch ein statistisches Ensemble und nennendies einen Makrozustand. Bei der Konstruktion dieses Ensembles werden folgendezwei Prinzipien (Boltzmann, Brillouin, Jaynes) benutzt: 1) Kompatibilit¨ at mit dervorhandenen Kenntnis, 2) Keine Vorurteile, also maximale fehlende Information.Der erste Punkt ist offensichtlich. Die Kenntnis, die wir ¨ uber den Anfangszustandhaben, kann dabei in verschiedener Form vorliegen. Es seien Â, B̂ . . . makroskopis-che Observable, beispielsweise Teilchenzahl, Energie, Impuls, Magnetisierung. Inder Quantenmechanik sind dies Operatoren, die, wenigstens im thermodynamischenGrenzfall, als vertauschbar angesehen werden. Die Kenntnis kann dergestalt sein,daß wir den Wert einer Observablen genau kennen, beispielsweise die Teilchenzahloder die Energie in einem abgeschlossenen System. Es kann aber auch sein, daß wirnur Mittelwerte kennen, etwa wenn das betrachtete System Energie oder Teilchenmit einem anderen System austauschen konnte. Unsere Kenntnis kann sich auch auf zugehörige Dichten beziehen, oder deren Mittelwerte. Diese k¨ onnen r äumlich inho-mogen sein, aber im Normalfall so, daß Variationen nur auf einer makroskopischenSkala auftreten.Wir m üssen versuchen, das den Anfangszustand repr¨ asentierende Ensemble ohneVorurteile zu konstruieren. Außer dem, was wir wissen, soll keine weitere Infor-mation enthalten sein. Das bedeutet, daß die fehlende Information maximal sein

    soll.Bei gegebenen P Γ( p, q ) ist diese für die klassische Mechanik

    I = − d3N pd3N q P Γ( p, q ; t)log2 P Γ( p, q ; t) (4.1)wobei die additiven Beitr¨age, die die Meßgenauigkeit enthalten (2.36), weggelassenwurden. Zur Berechnung der fehlenden Information im quantenmechanischen Fallbenutzen wir als Basis die Eigenvektoren zum statistischen Operator

    ρ|ϕν = P ν |ϕν (4.2)die, da ρ hermetisch ist, vollst¨andig sind und orthonormiert werden k¨ onnen. Dannist

    I = − ν P ν log2 P ν = − Tr ρ log2 ρ. (4.3)Unsere Kenntnis bestehe in der Kenntnis der Mittelwerte von Observablen

    Âi = Tr ρ Âi = A i (4.4)

    und in der Kenntnis, daß die Observablen B̂ j exakt die Werte B j annehmen.Im quantenmechanischen Fall seien alle Observablen vertauschbar, wenigstens

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    näherungsweise im vorher besprochenen Sinn. Der statistische Operator ρ oderdie Wahrscheinlichkeitsdichte P Γ ist dann von der Gestalt

    ρ = j

    δ ( B̂ j −B j )f ({Âi}{Ĉ k}) (4.5)

    wobei Ĉ k noch andere Observable seien, über deren Erwartungswerte aber keinerleiKenntnis vorliege. Bei der Berechnung der Information ist zu ber¨ ucksichtigen, daßbezüglich der Observablen B̂ j vollständige Information vorlieg, und damit ist (4.3)durch

    I = −Tr ρ log2 f (4.6)zu ersetzen.Das Problem ist also, die fehlende Information (4.2,4.5a) unter Ber¨ ucksichtigung derNebenbedingungen (4.4) und der Normierung

    Tr ρ = 1 . (4.7)

    zu maximieren. Diese Aufgabe eines Variationsverfahrens mit Nebenbedingung l¨ ostman mittels Lagrange-Multiplikatoren. Diese seien f¨ ur die Normierung (4.7) α 0 undfür die anderen Nebenbedingungen α i . Man untersucht damit das uneingeschr¨ ankteVariationsproblem

    δ I ln 2 −α 0 Tr ρ − i α i Tr Âiρ = 0 (4.8)

    und hat die Lagrange-Multiplikatoren gerade so zu bestimmen, daß die Nebenbedin-gungen (4.4,4.6) erfüllt sind. Zur Berechnung von δ · · ·ersetzt man f in (4.5) durchf + δf und linearisiert bez üglich δf . Mit (4.6) hat man also

    δ Tr j

    δ ( B̂ j −B j ) f −ln f −α 0 − i α i Âi

    = Tr {B j } δf −ln f −1 −α 0 − i α i Âi = 0 (4.9)

    wobei Tr {B j } eine Summe über alle (simultanen) Eigenzust¨ ande zu den OperatorenB̂ j mit Eigenwerten B j ist. Obiger Ausdruck muß f ür beliebige δf gelten, und manerhält damit

    f ({Âi}{Ĉ k}) = e− 1− α 0 − i α i Âi (4.10)

    und

    ρ = Z − 1

    j δ ( B̂ j −B j )e−

    i α i Âi

    . (4.11)

    Dabei dient der Faktor

    Z = e1+ α 0 = Tr j

    δ ( B̂ j −B j )e− i α i Âi (4.12)

    der richtigen Normierung und der Multiplikator α0 braucht nicht mehr weiter unter-sucht werden. Die Gr öße Z nennt man Zustandssumme, und sie ist eine Funktionder fest vorgegebenen Werte B i und der Lagrange-Multiplikatoren α j

    Z = Z ({B i}{α j}). (4.13)

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    Durch Differentiation nach den α i erhält man mit (4.12) die Erwartungswerte

    Âi = A i = − ∂ ∂α i

    ln Z ({B j }{α i}) (4.14)und kann daraus bei vorgegebenen Ai die zugehörigen Werte der α i bestimmen.In der Thermodynamik werden wir aber dann so vorgehen, daß wir den Lagrange-Multiplikatoren einen physikalischen Sinn geben, beispielsweise Temperatur, chemis-ches Potential, Druck, Magnetfeld, und die Erwartungswerte als Funktionen dieserParameter betrachten.Damit charakterisieren die α i und die B j unsere (unvollst ändige) Kenntnis über denAnfangszustand, und wir bezeichnen den so spezizierten Zustand als Makrozus-tand. Zu beachten ist weiterhin, daß der statistische Operator nicht von Observablenabh ängt, über die wir keinerlei Kenntnis haben.Bisher haben wir lediglich eine station¨are Lösung der Variationssrechnung gefunden,und es bleibt zu zeigen, daß wir damit auch ein globales Maximum der fehlendenInformation erhalten haben. Zur Vereinfachung betrachten wir nur den Fall, daßkeinerlei exakte Kenntnis vorliegt, also ρ = f ({Âi}{̂C k}) ist.Zunächst berechnen wir die zur gefundenen L¨osung (4.11) gehörige Information (4.6)

    I ln2 = −Tr ρ ln Z − 1e− i α i Âi

    = ln Z +i

    α iTr ρ Âi = ln Z +i

    α iAi . (4.15)

    Es sei ρ̃ ein anderer statistischer Operator, der mit den Nebenbedingungenvertr äglich und normiert sei. Dies bedeutet

    Ai = Tr ρ̃ Âi (4.16)

    und die Information (4.15) kann auch in der Form

    I ln 2 = −Tr ρ̃ ln ρ (4.17)geschrieben werden. Die Differenz der zu ρ beziehungsweise ρ̃ gehörigen Informatio-nen ist dann

    ∆ I ln 2 = (I − Ĩ ) ln2 = −Tr ρ̃ (ln ρ −ln ρ̃). (4.18)Die Auswertung erfordert im quantenmechanischen Fall etwas Sorgfalt, da im allge-meinen [ρ, ρ̃] = 0 ist. Unter Verwendung der Basis zu ρ beziehungsweise ρ̃

    ρ

    |n = P

    n |n ρ̃

    |ν = P̃

    ν |ν (4.19)

    und der Ungleichung ln( x) ≤x −1 erhält man∆ I ln2 = −n,ν P̃ ν ν |n n|{ln ρ −ln ρ̃}|ν = −n,ν | ν |n |

    2 P̃ ν ln P nP̃ ν

    ≥ −n,ν | ν |n |2 P̃ ν 1 −

    P nP̃ ν

    = −n,ν | ν |n |2 ( P̃ ν −P n ) = 0 . (4.20)

    Damit ist also tats¨achlich ein globales Maximum gefunden, und ρ, entsprechend(4.11), ist der statistische Operator, der die anfangs angef¨ uhrten Kriterien erf¨ullt.

    20

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    4.2 Gleichgewichtsverteilungen

    Die Beobachtung zeigt, daß komplexe makroskopische Systeme f¨ur lange Zeiteneinem Gleichgewichtszustand zustreben, falls sie abgeschlossen sind oder mit an-deren Systemen (B ädern) in Kontakt stehen, die ebenfalls im Gleichgewicht sind.In einem solchen Gleichgewichtszustand sind die Meßwerte extensiver Observablenoder deren Dichten, gemittelt ¨ uber makroskopische Teilvolumina, zeitlich konstant

    Â(t) −→t→∞ Â Equddt

    Â(t) −→t→∞ 0. (4.21)Dies gilt nicht für mikroskopische Beobachtungen, wof¨ur die Brownsche Bewegungein Beispiel ist.Dies legt die Hypothese nahe, daß das thermische Gleichgewicht durch einen statis-tischen Operator oder eine klassische Verteilung beschrieben wird, die selbst nicht

    von der Zeit abh ängt, also mit (3.21)ddt

    ρEqu = −ih̄ [H, ρ Equ ] = 0 (4.22)wobei nat ürlich H auch nicht von der Zeit abh¨angen darf und damit auch diephysikalische Bedeutung der Energie hat.Neben der Energie seien weitere Erhaltungsgr¨ oßen Âi gegeben, beispielweiseTeilchenzahl, Impuls und Drehimpuls. Typischerweise ist jedoch die Teilchenzahl dieeinzige zusätzliche Erhaltungsgr¨ oße, da Impuls- und Drehimpuls-Erhaltung durchRandbedingungen, etwa durch W¨ ande, die das System begrenzen, verletzt wird.

    Für eine Erhaltungsgr¨oße gilt[ Â, H ] = 0 (4.23)

    und damit ist die Stationarit¨ atsbedingung (4.22) f ür jeden statistischen Operatorerfüllt, der nur eine Funktion von H und von weiteren Erhaltungsgr¨ oßen Âi ist.Falls Energie und Teilchenzahl die einzigen Erhaltungsgr¨ oßen sind, ist damit

    ρEqu = P Equ (H, N̂ ). (4.24)

    Es ist dann im Fall der Quantenmechanik oft zweckm¨ aßig, eine Darstellung zuwählen, in der H und N̂ diagonal sind, also

    H |E,N,V,ν = E |E,N,V,ν N̂ |E,N,V,ν = N |E,N,V,ν (4.25)

    wobei ν zusätzliche Quantenzahlen sind, falls Entartungen vorliegen. Falls jedochH und N̂ die einzigen Erhaltungsgr¨oßen sind, kann keine Entartung auftreten. Dertypische Abstand benachbarter Energiewerte ∆ E ist jedoch für große Teilchenzahlenextrem klein. Wie wir sp äter absch ätzen werden ist

    ∆ E ∼e− y(E/N,V/N ) N (4.26)

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    wobei y(E/N, V/N ) im thermodynamischen Grenzfall endlich bleibt. Das VolumenV ist nat ürlich keine Quantenzahl, sei aber zur Charakterisierung eines Zustandesin einem quantenmechanischen System mit angegeben, wenn dieses System auf einVolumen V begrenzt ist. Falls V endlich ist, liegen diskrete Zust¨ande vor, wobeiaber der Abstand der m¨oglichen Energie-Eigenwerte f ür mikroskopische VoluminaV extrem klein ist und damit der in Abschnitt 2.2 besprochene Grenzfall einerkontinuierlichen Verteilung realisiert ist. Mit

    x

    1/

    (x)δ ∆ (x) =

    1∆ |x| <

    12

    δ ∆ (x) = 0 |x| > 12

    ∆ (4.27)

    erhält man f ür die Zustandsdichte

    Ω(E,N,V ) = lim∆ →0

    Tr N,V δ ∆ (H −E ) (4.28)wobei Tr N,V die Spur über alle Zust ände mit Teilchenzahl N und Volumen V ist.Damit Ω(E,N,V ) eine glatte Funktion der Energie wird, ist ∆ etwas gr¨ oßer als dermittlere Abstand (4.26) benachbarter Energiewerte ∆ E zu wählen.Die Behandlung klassischer Systeme ist analog, die Relationen (4.22) und (4.23) sinddurch die entsprechenden Ausdr¨ ucke mit Poisson-Klammern zu ersetzen, und statt(4.24) erh ält man

    P Γ,Equ ( p, q ) = P Equ (E,N,V ) mit E = H ( p, q ) (4.29)wobei in (4.28) die Spur entsprechend (3.22) als Integral ¨ uber den Phasenraum Γ zuverstehen ist.

    Die tats ächliche Form, die wir für P Equ (E,N,V ) zwechmäßigerweise zu wählenhaben, richtet sich entsprechend der Diskussion in Abschnitt 4.1 nach dem Ken-ntnisstand, den wir besitzen. Folgende Situationen sind typisch:1.) Mikrokanonische Gesamtheit. Hierbei sei der Wert der Energie E = E 0 und derTeilchenzahl N = N 0 fest vorgegeben. Damit wird

    P mik (E,N,V ) = Z − 1mik δ (E −E 0)δ (N −N 0) (4.30)Z mik = dE dN Ω(E,N,V )δ (E −E 0)δ (N −N 0)

    = Ω( E 0, N 0, V ) = Tr δ (H −E 0)δ ( N̂ −N 0). (4.31)Damit ist die Zustandssumme Z mik (E 0, N 0, V ) im quantenmechanischen Fall durchdie Zahl der Zust ände in einem Intervall ∆ um die Energie E 0 gegeben, wobei nochder oben diskutierte Grenzfall ∆ → 0 V → ∞ zu beachten ist. Aus (4.15) erh¨altman

    I mik ln2 = ln Ω(E 0, N 0, V ) (4.32)

    2.) Kanonische Gesamtheit. Es seien der Mittelwert der Energie H Equ = E 0 unddie Teilchenzahl exakt vorgegeben. F¨ur die Energie führt man einen Lagrange-Multiplikator β ein und erhält

    P kan (E,N,V ) = Z − 1kan δ (N −N 0)e− βE . (4.33)

    22

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    Diesen Lagrange-Multiplikator β werden wir später mit der absoluten Temperaturin Zusammenhang bringen. Die Zustandssumme f¨ ur diese Gesamtheit ist

    Z kan (β, N 0, V ) = dE Ω(E, N 0, V )e− βE = Tr N o ,V e− β H (4.34)und mit (4.14) erh¨alt man

    H Equ = E 0 = − ∂ ∂β

    ln Z kan (β, N 0, V ) (4.35)

    für den Erwartungswert der Energie, und mit (4.15)

    I kan ln2 = 1 −β ∂ ∂β

    ln Z kan (β, N 0, V ) (4.36)

    für die fehlende Information.

    3.) Großkanonische Gesamtheit. Es seien der Mittelwert der Energie H Equ = E 0und der Mittelwert der Teilchenzahl N̂ Equ = N 0 gegeben. Für die Energie be-nutzt man wieder β als Lagrange-Multiplikator und f¨ur die Teilchenzahl −βµ , wobeispäter µ die Bedeutung des chemischen Potentials erhalten wird. Die großkanonischeGesamtheit ist damit

    P grk (E,N,V ) = Z − 1grk e− β (E − µN ) , (4.37)

    die zugehörige Zustandssumme ist

    Z grk (β,µ,V ) = dE dN Ω(E,N,V )eβ (E − µN ) = Tr e− β (H − µ N̂ ) (4.38)und daraus

    N̂ Equ = N 0 = 1β

    ∂ ∂µ

    ln Z grk (β,µ,V )

    Ĥ −µ N̂ Equ = E 0 −µN 0 = − ∂ ∂β

    ln Z grk (β,µ,V ) (4.39)

    und schließlichI grk ln 2 = 1 −β

    ∂ ∂β

    ln Z grk (β,µ,V ). (4.40)

    Wie wir sehen werden, beschreibt die mikrokanonische Gesamtheit isolierte Sys-

    teme, die kanonische Gesamtheit Systeme im Kontakt mit W¨ armereservoiren unddie großkanonische Gesamtheit solche Systeme, die W¨ arme und Teilchen mit Reser-voiren austauschen k¨onnen.

    4.3 Zustandsdichte

    Die Verteilungen P (E,N,V ) geben an, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein bes-timmter Mikrozustand vorgefunden wird. Die spezischen Eigenschaften des betra-chteten Systems, beispielsweise die m¨oglichen Zust ände zu gegebener Energie und

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    Teilchenzahl, sind, soweit sie f ür das Gleichgewicht relevant sind, in der Zustands-dichte Ω(E,N,V ) enthalten. Deren Verhalten im thermodynamischen Grenzfallwollen wir jetzt untersuchen.Betrachten wir zun¨achst den einfachen Fall von N nicht wechselwirkenden quanten-mechanischen Teilchen in einem Kasten mit Kantenl¨ ange L. Die Eigenzust ände zurEnergie eines einzelnen Teilchens k¨onnen in der Form

    ϕk (r ) =3

    α =1sin kα r α (4.41)

    geschrieben werden, wobei die Randbedingung

    ϕk (r ) = 0 für rα = 0 oder rα = L (4.42)

    gelte. Dies bedingtkα = nα π/L (4.43)

    mit ganzzahligem positivem n. Die zugehörige Energie istE 1(k) = h̄2k2/ 2m (4.44)

    und man erh ält für die Zustandsdichte von N identischen Teilchen mit (4.28)

    Ω(E,N,V ) = 1N !

    n 1 ...n 3N =1δ E −

    h̄2π2

    2mL 2 n2 . (4.45)

    Der Faktor 1 /N ! berücksichtigt die Tatsache, daß die Teilchen ununterscheidbar sind,also daß N -Teilchen Mikrozust¨ande, die sich nur durch Permutation der Einteilchen-

    Quantenzahlen k1 . . .

    kN unterscheiden, nur einfach gez¨ahlt werden d ürfen. Substi-tutiert man

    x = h̄π

    L√ 2mE n (4.46)und ersetzt die Summe durch ein Integral, erh¨ alt man

    Ω(E,N,V ) = 1N !

    2mh̄2π2

    32 N

    V N E 32 N − 1

    0dx1 . . . dx3N δ 1 − x2 . (4.47)

    Das verbleibende Integral l¨aßt sich auf das Volumen einer 3 N −1 dimensionalenEinheitskugel reduzieren, und damit wird

    Ω(E,N,V ) = 1

    N ! 32 N −1 ! mh̄22π

    32 N

    V N E 32 N − 1. (4.48)

    Setzt man noch den f ührenden Term der Stirlingschen Formel ein, erh¨ alt man f ürgroße N

    Ω(E,N,V ) = m3πh̄2

    32 N V N

    N

    E N 32 N − 1

    e52 N . (4.49)

    Damit ist lnΩ( E,N,V ) eine extensive Gr öße. Man sieht aber auch, daß Ω( E,N,V )als Funktion der Energie oder des Volumens extrem rasch w¨ achst.

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    Dies gilt auch für wechselwirkende makroskopische Systeme, vorausgesetzt, die Ko-rrelationsl änge ist mikroskopisch. Um dies zu zeigen, betrachten wir ein System mitN Teilchen in einem Volumen V . Dies unterteilen wir in zwei Hälften mit je N/ 2Teilchen und Volumen V/2. Die Zustandsdichte des gesamten Systems ist durch(4.28) gegeben. Vernachl¨assigt man die Wechselwirkung der beiden Teilsysteme, soist der Hamiltonoperator des Gesamtsystems

    H = H (1) + H (2) (4.50)

    wobei H (1) und H (2) die beiden Teilsysteme beschreiben. Die Eigenzust¨ande zu H sind Produktzust¨ ande aus Eigenzust¨anden zu H (1) und H (2) und entsprechend erh¨altman

    Tr δ (E −H ) = Tr (1) Tr (2) δ (E −H (1) −H (2) )= dE 1Tr (1) Tr (2) δ (E 1 −H (1) )δ (E −E 1 −H (2) ) (4.51)

    wobei Tr (1) und Tr (2) die Spuren über die beiden Teilsysteme sind. Dies liefert

    Ω(E,N,V ) = E

    0dE 1 Ω(E 1, 12 N,

    12 V )Ω(E −E 1, 12 N, 12 V ). (4.52)

    Der Integrand ist symmetrisch um E 1 = 12 E , und wir nehmen an, daß hier einMaximum mit Breite ∆ E E existiert. Dann ist

    Ω(E,N,V ) = ∆ E Ω2( 12 E, 12 N,

    12 V ) (4.53)

    oderlnΩ(E,N,V ) = 2 lnΩ( 12 E,

    12 N,

    12 V ) + ln ∆ E . (4.54)

    Mit = E/N und v = V /N ist die allgemeine Lösung dieser Gleichung

    lnΩ(E,N,V ) = N y( , v) + ln cN (4.55)

    wobei ∆ E = cN /c 2N/ 2 gilt. Dies setzen wir in (4.52) ein und substituieren E 1 =12 N (1 + x). Damit wird

    cN eNy ( ,v) = 12 E c2N/ 2

    1

    0dx e

    12 Ny ((1+ x) ,v)+

    12 Ny ((1 − x) ,v) (4.56)

    Zur Auswertung dieses Integrals entwickeln wir im Exponenten bis zur zweiten Ord-nung in x und erhalten f ür ∂ 2y( , v)/∂ 2 < 0 ein Gauss-Integral

    cN eNy ( ,v) = 12 E c2N/ 2e

    Ny ( ,v) 1

    0dx e−

    12 N

    2 |∂ 2 y( ,v)/∂ 2 |x2

    = π N 2|∂ 2y( , v)/∂ 2|c2N/ 2e

    Ny ( ,v) (4.57)

    Damit wird cN = |∂ 2y( , v)/∂ 2|/ 2πN und ∆ E /E ∼1/ √ N .Die entscheidende Annahme dabei war ∂ 2y( , v)/∂ 2 < 0. Ist dies nicht erfüllt, istdas betrachtete System nicht homogen, was aber stillschweigend vorausgesetzt war.Im Zusammenhang mit Phasen¨ uberg ängen werden wir darauf zur¨uckkommen. F ür

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    das klassische Gas (4.49) erh ält man y( , v) = 32 ln + ln v + const und damit istobige Konvexit ätsbedingung erf üllt.Falls ∂y( , v)/∂ > 0 führt das rasche Anwachsen der Zustandsdichte als Funktionder Energie dazu, daß die in Abschnitt 4.2 diskutierten Verteilungen f¨ ur die Zweckeder Thermodynamik gleichwertig sind. Als Beispiel betrachten wir die Verteilung

    der Energie in der kanonischen GesamtheitW kan (E ; N, V ) = Z − 1kan (β,N,V )Ω(E,N,V )e

    − βE . (4.58)

    Da der Boltzmann-Faktor e− βE mit wachsender Energie schneller als jede Potenzabfällt, erwartet man ein scharfes Maximum von W kan (E ; N, V ). Den zugehörigenEnergiewert E max erhält man durch Differentiation von W oder auch von ln W

    ∂ ∂E

    ln W kan (E ; N, V ) E max = −β + ∂ ∂E

    lnΩ(E,N,V )E max

    = 0 . (4.59)

    Zur Bestimmung der Breite entwickeln wir ln W um E max und benutzen (4.54)

    ln W kan (E ; N, V ) = ln W kan (E max ; N, V ) + 12 (E −E max )2 ∂ 2

    ∂E 2 lnΩ(E,N,V )

    E max

    = ln W kan (E max ; N, V ) − y2N 2E 2max

    (E −E max )2. (4.60)In dieser Näherung ist W kan (E ; N, V ) also eine Gaussfunktion um E max mit relativerBreite ∆ E/E ∼ 1/ √ N und Mittelwert E 0 = E m . Für die Zustandssumme erh¨altman daraus

    Z kan (β,N,V ) = 2πy2N E 20 Ω(E 0,N ,V )e− βE 0 (4.61)und

    ln Z kan (β,N,V ) = lnΩ(E 0,N ,V ) −βE 0 + O(ln N ) (4.62)und mit (4.36)

    I kan ln 2 = lnΩ(E 0,N , V ) + O(ln N ). (4.63)Ein Vergleich mit (4.32) zeigt, daß die fehlende Information mit der der mikrokanon-ischen Gesamtheit bis auf Korrekturen ¨ ubereinstimmt. Entsprechendes gilt f¨ ur diegroßkanonische Gesamtheit.Die Zahl der quantenmechanischen Zust¨ ande in einem Energieinterval d E istΩ(E,N,V )dE . Damit ist der Abstand ∆ E benachbarter Energieeigenwerte (4.26)

    ∆ E = 1

    Ω(E,N,V ) ∼e−y(E/N,V/N ) N (4.64)

    und damit f ür große Systeme extrem klein.

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    4.4 Systeme im Kontakt mit Reservoiren.

    Teilchen

    Energie

    SS RR

    Häug ndet man eine Situation, in der das betra-chtete System mit einem sehr viel größeren Sys-tem, genannt Reservoir oder Bad, Energie undmöglicherweise auch Teilchen austauschen kann.Das Gesamtsystem, bestehend aus System undReservoir, sei abgeschlossen, und die Kopplungzwischen System und Reservoir sei schwach.

    Der Hamiltonoperator kann zerlegt werden in

    H = H S + H R + W (4.65)

    wobei H S und H R das System und das Reservoir f ür sich beschreiben, W die Kop-plung aneinander. Es sei |ϕν eine vollständige Basis für das System, |φn einesolche für das Reservoir. Als Basis f ür das Gesamtsystem kann man, wenigstens beischwacher Kopplung, Produktzust¨ ande |ϕν φn als Basis verwenden.Das Gesamtsystem sei durch eine mikrokanonische Gesamtheit mit fester Energie E und fester Teilchenzahl N beschrieben. Unter Vernachl¨ assigung der WechselwirkungW und mit N̂ = N̂ S + N̂ R ist der statistische Operator des Gesamtsystems

    ρS + R = Ω− 1S + R (E,N,V )δ (E −H S −H R )δ (N − N̂ S − N̂ R ). (4.66)Es sei ÂS eine Observable in S . Dann ist

    ϕν φn |ÂS |ϕµφm = δ nm ϕν |ÂS |ϕµ . (4.67)Damit k önnen wir den Erwartungswert vereinfachen

    ÂS = Tr S + R ρS + R ÂS

    =νµ nm

    ϕν φn |ρS + R |ϕµφm ϕµφm |ÂS |ϕν φn=

    νµ nϕν φn |ρS + R |ϕµφn ϕµ|ÂS |ϕν = Tr ρS ÂS . (4.68)

    Damit haben wir den statistischen Operator ρS des Systems durch seine Matrixele-mente

    ϕν |ρS |ϕµ = n ϕν φn |ρS + R |ϕµφn (4.69)

    deniert. Dies k önnen wir in der FormρS = Tr R ρS + R (4.70)

    schreiben, wobei Tr R die Spur über die Zust ände |φn des Reservoirs ist. F ürdie spezielle Form (4.66) können wir Tr R durch Eigenfunktionen zu H R und N̂ Rauswerten und als Integral ¨uber Energie E R und Teilchenzahl N R des Reservoirsschreiben

    ρS = Ω− 1S + R (E,N,V ) dE R dN R ΩR (E R , N R , V R )×δ (E −E R −H S )δ (N −N R − N̂ S ) (4.71)

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    wobei ΩR die Zustandsdichte des Reservoirs sei.Wir wollen annehmen, daß das Reservoir groß ist gegen das System, also E ≈ E Rund N ≈N R , oder E −E R E R und N −N R N R . Da ΩR schnell von E R undN R abhängt, k önnen wir nicht ΩR nach E R −E und N R −N entwickeln, da aberln ΩR viel langsamer von diesen Gr ößen abhängt, entwickeln wir ln Ω R

    ln ΩR (E R , N R , V R ) = ln Ω R (E,N,V R ) + ( E R −E ) ∂ ∂E ln ΩR (E,N,V R )+( N R −N )

    ∂ ∂N

    ln ΩR (E,N,V R ). (4.72)

    Wir denieren

    β = ∂ ∂E

    ln ΩR (E,N,V R )

    −βµ = ∂ ∂N

    ln ΩR (E,N,V R )

    βp = ∂ ∂V ln ΩR (E,N,V R ), (4.73)

    wobei p später als Druck identiziert wird. Die beiden ersten Relationen setzen wirin (4.71) ein. Wegen der verbleibenden δ -Funktionen k¨onnen die Integrationen ¨uberE R und N R durchgeführt werden, und man erh¨ alt für ρS den statistischen Operatorder großkanonischen Gesamtheit

    ρS = Z − 1grk (β,µ,V S )e− β (H S − µ N̂ S ) (4.74)

    mitZ grk (β,µ,V S ) = ΩR + S (E,N,V )/ ΩR (E,N,V R ). (4.75)

    Diese Größe läßt sich aber auch wie in (4.38) aus der Normierungsbedingung berech-

    nen.Beachtenswert an diesem Resultat ist die Tatsache, daß β , p und µ, gegeben durch(4.73), nur von Eigenschaften des Reservoirs abh¨angen, nicht von denen des Systems.Andererseits beobachtet man, daß Systeme, die untereinander in thermischem Kon-takt stehen, also Energie austauschen k¨ onnen, im Gleichgewicht die gleiche Temper-atur annehmen. Es liegt daher nahe, β mit der Temperatur T in Zusammenhang zubringen, und zwar, wie wir sp äter noch begr ünden werden, in der Form

    β = 1 /k B T (4.76)

    wobei kB = 1 .38054 ·10− 23 J/K die Boltzmann-Konstante ist. Die Gr¨ oße µ beze-ichnet man als chemisches Potential, und auch sie ist f¨ ur Systeme, die Teilchenaustauschen k¨onnen, im Gleichgewicht gleich. Die fehlende Information werden wirschließlich mit der Entropie verkn¨upfen, und zwar mit

    S = kB I ln 2 (4.77)

    Erlaubt man nur Energieaustausch zwischen System und Reservoir, liefert eineentsprechende Rechnung die kanonische Gesamtheit f¨ ur das System, wobei β eben-falls durch (4.73) gegeben ist. Diese Gleichungen k önnen aber auch benutzt wer-den, um Temperatur, Druck und chemisches Potential in der mikrokanonischenGesamtheit zu denieren. Damit haben wir die Grundlagen f¨ ur die Thermodynamikdes Gleichgewichts geschaffen.

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    5 Irreversibilität

    5.1 Reversible Dynamik

    Die Bewegungsgleichungen der Mechanik (f ür konservative Systeme) und die

    der Quantenmechanik sind invariant gegen¨ uber “Bewegungsumkehr” oder “Zeit-spiegelung”. Betrachten wir ein klassisches abgeschlossenes System (ohne Magnet-felder). Sein Mikrozustand zur Zeit t = 0 sei { pk(0) , q k(0)}. Seine zeitliche Entwick-lung genügt den Hamiltonschen Gleichungen

    ddt

    pk = −∂H ( p, q )

    ∂q kddt

    q k = ∂H ( p, q )

    ∂pk. (5.1)

    Der Zustand

    { pT k (0) , q T k (0)}= {− pk(0), q k(0)} (5.2)ist ein Anfangszustand, in dem die Positionen aller Teilchen identisch sind mit denendes vorherigen Zustandes, ihre Impulse und damit auch ihre Geschwindigkeiten aber

    gerade entgegengesetzt.Die Hamiltonfunktion ist eine gerade Funktion der Impulse, falls keine Magnetfeldervorhanden sind

    H ( p, q ) = H (− p, q ). (5.3)Benutzt man dies in den Bewegungsgleichungen f¨ur den zeitgespiegelten Zustand,erhält man als L ösung

    { pT k (t)q T k (t)}= { − pk(−t)q k(−t)}. (5.4)Für den Fall, daß Magnetfelder vorhanden sind, gilt dies ebenfalls dann, wenn bei derZeitspiegelung (Bewegungsumkehr) auch die Magnetfelder umgekehrt werden. Diesist plausibel, da Magnetfelder ja immer durch bewegte Ladungen erzeugt werden.Es sei P Γ( p, q ; 0) eine Verteilungsfunktion im Phasenraum Γ, die einen Makrozustandzur Zeit t = 0 beschreibt. Dann beschreibt

    P T Γ ( p, q ; 0) = P Γ (− p, q ; 0) (5.5)den “zeitgespiegelten Makrozustand”. Entsprechend (5.4) gilt dann f¨ ur t = 0

    P T Γ ( p, q ; t) = P Γ(− p, q ;−t). (5.6)Damit ergibt sich folgender Widerspruch: Der durch

    P Γ( p, q ;

    −t) beschriebene Zus-

    tand sei kein Gleichgewichtszustand, entwickle sich aber bis zur Zeit t = 0 in einensolchen. Damit sollte aber P Γ ( p, q ; 0) nur von H und N abhängen, falls keine weit-eren Erhaltungss¨atze existieren. Damit w¨are P Γ( p, q ; 0) = P Γ(− p, q ; 0) = P T Γ ( p, q ;0),und mit (5.6) w äre P Γ( p, q ; t) = P Γ(− p, q ;−t) ein Nichtgleichgewichtszustand. Dieswiderspricht aber jeder Beobachtung an makroskopischen Systemen. Offensichtilichkann also P Γ( p, q ; 0) nicht eine Gleichgewichtsverteilung im Sinne von Abschnitt4.2 sein, sondern muß eine Verteilung sein, die, bedingt durch praktisch oderprinzipiell vorhandene Ungenauigkeiten und Unvollst¨ andigkeiten experimentellerMöglichkeiten, nicht von einer solchen unterschieden werden kann.

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    Die Situation im quantenmechanischen Fall ist entsprechend. Es sei φ(r 1 . . . r N ; t)eine Wellenfunktion (in der Ortsdarstellung), die einen Mikrozustand beschreibt.Die Wellenfunktion des zeitgespiegelten Zustandes ist dann

    φT (r 1 . . . r N ; t) = φ∗(r 1 . . . r N ;−t). (5.7)Wählt man eine Basis |ν , die selbst zeitspiegelungsinvariant ist, in der Ortsdarstel-lung also reel ist, so ndet man f ür den statistischen Operator

    ν |ρT (t)|µ = ν |ρ(−t)|µ ∗. (5.8)Damit bleibt obiges Problem auch in der Quantenmechanik bestehen.Die Problematik zeigt sich auch, wenn wir das zeitliche Verhalten der fehlendenInformation betrachten. Falls der Anfangszustand kein Gleichgewichtszustand ist,gilt

    I (t = 0) < I Equ (5.9)wobei

    I (t) ln2 = −Tr ρ(t) ln ρ(t). (5.10)Die Zeitabh ängigkeit dieser Gr öße erhält man aus

    ddt

    I (t) ln 2 = −Tr ddt

    ρ(t) ln ρ(t)

    = −Tr ln ρ(t) + 1 ddt

    ρ(t) (5.11)

    und mit der von Neumann- oder Liouville-Gleichung (3.21)

    ddt I (t) ln 2 =

    ih̄ Tr ln ρ(t) + 1 ρ(t), H = 0 . (5.12)

    Das Verschwinden dieses Ausdrucks ergibt sich aus der Invarianz der Spur gegen¨ uberzyklischen Vertauschungen

    Tr  B̂ Ĉ = Tr B̂ Ĉ  = Tr Ĉ  B̂. (5.13)

    Das bedeutet aber wieder, daß sich ein statistischer Operator, der einen Nichtgle-ichgewichtszustand beschreibt, nicht in einen Operator der Form entwickeln kann,wie er in Abschnitt 4.2 f ür das Gleichgewicht diskutiert wurde. Dazu m¨ ußte ja diefehlende Information zunehmen, was wiederum obigem Resultat (5.12) widerspricht.

    5.2 Beispiele integrabler und nichtintegrabler mechanischerSysteme

    Trotz dieser Widerspr̈che liefert die Annahme eines Strebens ins Gleichgewicht undeiner damit verbundenen Vergr¨ oßerung der fehlenden Information Aussagen, diebeliebig gut mit Beobachtungen und Erfahrungen ¨ ubereinstimmen.Wesentliche Aspekte der Erkl¨ arung daf ür kann man bereits an einfachen mecha-nischen Beispielen mit nur einer geringen Zahl von Freiheitsgraden studieren. Ein

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    Beispiel dafür ist “Billard”, idealisiert als die Bewegung eines freien Teilchens auf einer Ebene, begrenzt durch ideal reektierende W¨ ande.Betrachten wir aber zun¨achst die Bewegung eines freien Teilchens entlang einerStrecke a, so daß das Teilchen an den Enden ohne Energieverlust reektiert wird.Der zugehörige Phasenraum ist zweidimensional, seine Koordinaten sind Ort q =0 . . . a und Impuls p =

    −∞. . .

    ∞. Die Energie E = p2/ 2m is Erhaltungsgr¨oße, und

    damit sind die Trajektorien im Phasenraum Paare von Parallelen zur q -Achse. AlsAnfangsverteilung w ählen wir ein kleines Rechteck im Phasenraum. Die zeitlicheEntwicklung ist in der folgenden Figur gezeigt:

    p

    q

    t=0

    p

    q

    t=t 1

    p

    q

    t=2t 1

    p

    q

    t>>t 1

    Für hinreichend große Zeiten zerfasert das urspr¨ unglich kompakte Volumenelementim Γ-Raum immer mehr und f¨ullt schließlich den ganzen auf Grund der Energieer-haltung zug änglichen Bereich. Die Gesamtl̈ ange der Fasern w ächst bei einer ur-sprünglichen Unsch ärfe ∆ p entsprechend

    = ∆ vt + q = ∆ p

    m ·t + q. (5.14)Die Anfangsverteilung war alleine durch die Verteilung der Orte und Impulsegegeben,

    P Γ( p, q ; 0) = p1( p,0) p2(q, 0) (5.15)enthielt also keine Korrelationen zwischen Ort und Impuls des Teilchens. Der Zus-tand, der sich f ür große Zeiten entwickelt, enth¨alt starke Korrelationen zwischen Ortund Impuls des Teilchens, gegeben durch die Faserstruktur im Γ-Raum. Diese Struk-tur ist allerdings f ür hinreichend große Zeiten experimentell nicht mehr verizierbar.

    Die Verteilungen der Impulse und Orte

    P 1( p; t) = dq P Γ( p, q ; t)P 2(q ; t) = d pP Γ( p, q ; t) (5.16)

    ist jedoch für große Zeiten eine Gleichverteilung, so wie dies f ür einen Gleichgewicht-szustand postuliert wurde.Die fehlende Information ist damit nicht gewachsen, aber sie steckt jetzt in Korre-lationen, die experimentell nicht zug¨ anglich sind.

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    Gelänge es zu einer Zeit t eine Bewegungsumkehr zu erreichen, h ätte man zur Zeit2t wieder den Ausgangszustand. Bedenkt man aber, daß dies durch einen Eingriff von außen geschehen muß und daß dies für große Zeiten mit extremer Genauigkeitgeschehen muß, so sieht man, daß dies praktisch nicht m¨ oglich ist.

    l1l 2

    Als nächstes Beispiel untersuchen wir “Billard” in einem

    Kreis (mit Radius R). Der Phasenraum ist vierdi-mensional, und es existieren zwei Erhaltungsgr¨ oßen, dieEnergie und der Drehimpuls. Die Zahl der Freiheits-grade ist gerade doppelt so groß wie die Zahl der Erhal-tungsgr ößen, und das System ist integrabel.Die Bahn des Teilchens zwischen den St ößen mit derWand ist geradlinig, und zur Charakerisierung der Bahnist es ausreichend, aufeinanderfolgende St¨oße zu betra-chten.

    Den einzelnen Stoß charakterisieren wir durch den Ort n , gemessen am Umfangdes Kreises, und den Winkel β n zwischen Bahn und Tangente im Punkt des Stoßes.

    Offensichtlich gilt

    β n+1 = β n n +1 = [ n + 2β n πR ]mod 2πR . (5.17)

    Betrachten wir ein Ensemble von Anfangspunkten 0 und Winkeln β 0, erhält manVerh ältnisse, die im wesentlichen der vorhergehenden Situation entsprechen. DieAchsen q und p sind aber jetzt durch n und β n zu ersetzen. Diese spannen einezweidimensionale Untermannigfaltigkeit im Γ-Raum auf, die sich als Schnitt derEnergieäche E = H ( p1 p2q 1q 2) und der Fl äche q 21 + q 22 = R2 ergibt (Poincaré-Schnitt).

    a 0

    a 1a 2

    b 2

    b1

    b0

    c0

    c1

    c 2

    Diese Situation ist insofern untypisch, als einekleine Störung in der Wand die Drehimpulser-haltung stört. Ein Beispiel daf¨ ur ist Billard ineinem Oval, bestehend aus zwei Halbkreisen undkurzen Geraden, die diese verbinden. In nebenste-hender Figur sind einige Bahnen ( a,b,c), die allemit Winkel β 0 = 30 ◦ , aber mit verschiedenen 0starten. Man sieht, daß die Winkel β 2 und diezurückgelegten Abschnitte 2 − 0 sich für die ver-schiedenen Bahnen stark unterscheiden.

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    Dies wird in nebenstehender Figurnoch deutlicher. Ausgangszustandsind Bahnen mit Anfangswertenβ 0 = 30◦ und 0 = 0 . . . 13πR .Nach dem zweiten Stoß sieht maneine “Faltung”, die entsprechendauch für andere Anfangswerteauftritt. Damit wird beispiel-sweise ein Rechteck, welches dieAnfangsverteilung darstellt, nichtnur rautenf¨ormig geschert, sondernzusätzlich gedreht und gefaltet.

    0.0

    0.1

    0.2

    0.3

    0.4

    0.5

    0.6

    0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5

    2 /

    l/L

    0

    1

    2

    -1.0

    -0.5

    0.0

    0.5

    1.0

    0.0 0.5 1.0 1.5 2.0 2.5 3.0

    2 /

    l/L

    0

    1 2 7

    Bereits nach wenigen Schrittenist das urspr üngliche Phasen-raumvolumen stark verzerrt,

    wie im Beispiel für den 7.Schritt gezeigt ist.Dieses Verhalten ist typischfür nichtintegrable Systeme, indenen die Zahl der Erhaltungs-größen kleiner ist als die halbeZahl der Freiheitsgrade.

    Diese Faltung wird in idealisierter Form durch die “B¨ acker”-Transformationbeschrieben. Diese Transformation entspricht der Methode, mit der B¨ acker oderHausfrauen Teig oder T¨opfer Ton kneten. Die einzelnen Schritte sind in der folgen-den Figur dargestellt:

    In jedem Zyklus wird die Gesamtl änge verdreifacht und w¨achst damit exponentiellmit der Zeit

    (t)∼3t/τ (5.18)

    wobei τ die Zeit für einen Zyklus ist.Diese Konstruktion zeigt aber auch, daß zwei Trajektorien, die anfangs einen kleinenAbstand hatten, zu sp¨ ateren Zeiten einen Abstand haben, der zun¨ achst exponentiellmit der Zeit w ächst. Zu noch sp äteren Zeiten k önnen sich die Trajektorien auf Grund des Faltungsprozesses wieder beliebig nahe kommen. Diese Wiederkehrzeitensind in den hier betrachteten Systemen mit wenigen Freiheitsgraden nicht besondersgroß. Mit wachsender Zahl von Freiheitsgraden wachsen aber die Wiederkehrzeitenexponentiell mit der Zahl der Freiheitsgrade, und man erh¨ alt bei makroskopischenSystemen Zeiten, die das Alter des Weltalls um Gr¨ oßenordnungen übersteigen.Dieser Exkurs hat folgende Grundannahmen der statistischen Physik, insbesondere

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    des Strebens ins Gleichgewicht verdeutlicht:

    1. Ein Anfangszustand, der kein Gleichgewichtszustand sei, werde durch eineVerteilung repr äsentiert, die keine oder nur geringe Korrelationen enth¨ alt.

    2. Im Laufe der Zeit bilden sich starke Korrelationen, die allerdings experimentell

    nicht zug änglich sind. Im Fall der klassischen Mechanik bildet sich aus eineranfangs kompakten Verteilung eine faserige Struktur im Γ-Raum. DieserProzeß verl äuft rasch, typischerweise exponentiell in der Zeit. Entsprechendverringert sich der typische Abstand ∆( t) zwischen den Fasern exponentiell,∆( t)∼e

    − t/τ .3. Vernachlässigung der Korrelationen oder “Grobmittelung” ergibt f¨ ur lange

    Zeiten eine Gleichgewichtsverteilung. Bei Verdoppelung der Au¨ osungsgrenzewächst die Zeit bis zum Erreichen dieser Grenze nur um t −t = τ ln 2 falls∆( t) = 12 ∆( t ).

    4. Ein Mikrozustand aus dem Ensemble von Anfangszust¨ anden kommt im Laufe

    der Zeit seinem Anfangswert beliebig nahe. F¨ur makroskopische Systeme sinddiese Wiederkehrzeiten extrem lang ( t ∼ eN ). Dies ist eine Konsequenz derhohen Dimension des Phasenraums Γ.

    5.3 Pauli-Master-Gleichung

    Im folgenden wollen wir eine Gleichung für die Zeitabh ängigkeit des statistischenOperators herleiten, die zwar nicht exakt ist, aber tats¨ achlich das Streben ins Gle-ichgewicht beschreibt.Wir betrachten ein quantenmechanisches System, dessen Hamiltonoperator in der

    Form H = H̊ + W (5.19)

    geschrieben werden kann. Die “St¨orung” W sei in irgendeinem Sinne klein, so daßbezüglich W Störungsrechnung betrieben werden kann. Als St¨ orung können wirverschiedene Dinge betrachten. W kann beispielsweise die Wechselwirkung zwischeneinem Subsystem und einem Reservoir beschreiben, oder wir teilen das System inkleine Zellen, die aber noch makroskopische Ausdehnung haben, und W beschreibedie Wechselwirkung der Zellen untereinander. In verd¨ unnten Gasen kann H̊ freieTeilchen, in Festk¨orpern Elementaranregungen (Phononen, Elektronen, Magnonen)beschreiben und W deren Wechselwirkung. Wir k¨onnen aber auch schwache äußere

    Störungen betrachten, beispielsweise die Bewegung einer Fliege im Labor.Es sei |ν eine vollständige orthonormierte Basis von Eigenzust¨ anden zu H̊ H̊ |ν = E̊ ν |ν = h̄ων |ν . (5.20)

    Wir wollen uns im folgenden nur f ür die Diagonalelemente des statistischen Oper-ators in dieser Basis interessieren und nehmen an, daß diese zur Berechnung alleruns interessierenden Gr¨oßen ausreichen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn W die Wechselwirkung zwischen Reservoir und System beschreibt, und wenn wir nurMessungen am System durchf¨uhren. Ähnliches gilt, wenn W die Wechselwirkung

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    zwischen kleinen, aber makroskopischen Zellen beschreibt, und wenn wir nur anMittelwerten innerhalb dieser Zellen interessiert sind.Die zeitliche Entwicklung des statistischen Operators l¨ aßt sich mit Hilfe des Zeiten-twicklungsoperators

    U (t) = e− iHt/ h̄ (5.21)angeben:

    ρ(t) = U (t)ρ(0)U †(t). (5.22)Dies erfüllt die von Neumann-Gleichung (3.21).Der Zeitentwicklungsoperator l¨ aßt sich st örungstheoretisch behandeln, wobei H̊ sogewählt sei, daß µ|W |µ = 0. Man erh ält mit ih̄dU (t)/ dt = ( H̊ + W ) U (t)

    U (t) = e− iH̊t/ h̄ − ih̄

    t

    0dt e− iH̊ ( t− t )/ h̄ W e− iH̊t / h̄ +

    − 1h̄2

    t

    0dt

    t

    0dt e− iH̊ (t− t )/ h̄ W e− iH̊ ( t − t )/ h̄ W e− iH̊ t / h̄ + · · · (5.23)

    Nehmen wir zun ächst an, daß der Statistische Operator zur Zeit t = t0 in obigerBasis (5.20) diagonal ist. Dies ist z.B. gerechtfertigt, wenn System und Bad f¨ urt < t 0 nicht in Kontakt waren. Dann erh¨ alt man f ür die Diagonalelemente von ρ(t)für spätere Zeit

    ρµ(t) =ν

    µ|U (t −t0)|ν ρν (t0) ν |U †(t −t0)|µ (5.24)Zur Berechnung der Zeitabh¨angigkeit benutzen wir die St¨orungsreihe (5.23) in ersterOrdnung und erhalten mit (5.20) f¨ ur µ = ν

    wµν (t −t0) = µ|U (t −t0)|ν ν |U †(t −t0)|µ = |W µν |2

    h̄2

    t

    t0dt dt ei ωµν (t − t )

    = 4 |W µν |2h̄2ω2µν

    sin2 12 ωµν (t −t0) (5.25)

    Dabei ist W µν = µ|W |ν und ωµν = ( E̊ µ−E̊ ν )/ h̄ . Aus der Forderung µ ρµ(t) = 1erhält man mit (5.24)µ|U (t −t0)|µ µ|U †(t −t0)|µ = wµµ (t −t0) = 1 −ν (= µ) wµν (t −t0). (5.26)

    0.00

    0.05

    0.10

    0.15

    0.20

    0.25

    0.30

    0.35

    -10 -8 -6 -4 -2 0 2 4 6 8 10

    (x)

    x/

    Es ist zweckmäßig, die Funktion

    δ ∆ (x) = ∆πsin2 x/ ∆

    x2 (5.27)

    einzuführen. Diese Funktion kann alsDarstellung einer δ -Funktion mit Breite ∆aufgefaßt werden.Damit kann man (5.25) f¨ur µ = ν in derForm

    wµν (t −t0) = ( t −t0) Rµν (∆) (5.28)

    35

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    mit ∆ = 2 h̄/ (t −t0) undRµν (∆) =

    2πh̄ |W µν |

    2 δ ∆ (E̊ µ − E̊ ν ). (5.29)Zur Herleitung dieses Resultats wurde U (t) in St örungsrechnung erster Ordnung

    berechnet. Dies ist nur f ür nicht allzu lange Zeiten berechtigt, etwa bis zu Zeiten vonder Gr ößenordnung τ w = 2 h̄/ W̄ , wobei W̄ ein typischer Wert f¨ur |W µν |2/ (E̊ µ − E̊ ν )sei. Setzt man (5.25) in (5.24) ein, erh¨alt manρµ(τ + t0) = ρµ(t0) + τ

    ν Rµν (2h̄/τ ) ρν (t0) −ρµ(t0) , (5.30)

    wobei τ < τ w sei.Für gr ößere Zeiten kann man (5.30) iterieren

    ρµ(τ + t ) −ρµ (t ) =ν

    Rµν ρν (t ) −ρµ(t ) , (5.31)

    wobei Rµν = Rµν (2h̄/τ ) sei. Der entscheidende Schritt dabei ist die Ver-nachl ässigung der Nichtdiagonalelemente von ρ zu den Zeiten t = τ + t0. DieseReduktion sollte nicht zu h¨aug geschehen, was einen möglichst großen Wert von τ erfordert. Andererseits sollte τ nicht gr ößer als τ w gewählt werden, was schließlichτ = τ w und damit R µν = Rµν ( W̄ ) nahelegt.Für Vorg änge, die gegenüber τ w langsam ablaufen, kann man obige Gleichung inForm einer Differentialgleichung schreiben

    d

    dtρµ(t) =

    ν

    Rµν ρν (t)

    −ρµ(t) . (5.32)

    Diese Gleichung beschreibt einen stochastischen Prozeß und ist als Pauli- oderMaster-Gleichung bekannt. Sie wird h¨ aug als Ausgangspunkt f ür die statistischePhysik von Nichtgleichgewichtsph¨anomenen und Tranportvorg¨ angen benutzt.Die grundlegende N äherung besteht in der Vernachl¨ assigung der Außerdiago-nalanteile des statistischen Operators. Diese beschreiben jedoch Korrelationen, dieoft experimentell nic