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339 Aufsätze GesKR 3 2018 I. Einleitung 1. Ausgangslage Schiedsgerichte haben in der Schweiz traditionsbedingt einen wichtigen Stellenwert in der Beilegung handels- rechtlicher Streitigkeiten, und zwar nicht nur im grenz- überschreitenden Kontext. So werden etwa Auseinander- setzungen im Zusammenhang mit M&A-Transaktionen, Joint Ventures und Aktionärbindungsverträgen auch in Binnenverhältnissen häufig durch Schiedsgerichte ent- schieden. 1 Ganz anders sieht dies für aktienrechtliche Streitigkeiten aus, die hierzulande 2 fast ausschliesslich vor staatlichen (Handels-)Gerichten ausgetragen wer- den. Die Zahl schweizerischer Aktiengesellschaften, die in ihren Statuten eine Schiedsklausel vorsehen, ist heute entsprechend gering. 3 Mit ein Grund dafür, dass die Schiedsgerichtsbarkeit für die gesellschaftsrechtliche Streitbeilegung bisher nicht als valable Alternative zum staatlichen Gerichtsverfah- ren wahrgenommen wird, ist die ungeklärte Rechtslage. Im geltenden Recht fehlt es an einer Regelung für sta- tutarische Schiedsklauseln. Während verschiedene kan- tonale Zivilprozessordnungen und später auch das in- terkantonale Konkordat über die Schiedsgerichtsbarkeit 1 Vgl. Rudolf Tschäni/Harold Frey/Dominique Müller, Streitigkeiten aus M&A-Transaktionen, Zürich 2013, N 145; Pe- ter Forstmoser/Marcel Küchler, Aktionärbindungsverträge. Rechtliche Grundlagen und Umsetzung in der Praxis, Zürich/Ba- sel/Genf 2015, N 2159; Urs Schenker, Joint Ventures: Win/Win oder Lose/Lose – Swatch und Tiffany als Partner, GesKR 4/2015, 547–555, 555. 2 Zur Rechtslage im europäischen Ausland etwa Thomas Ritter, Einheitliche Entscheidung gesellschafsrechtlicher Beschlussan- fechtungsklagen vor Schiedsgerichten, unter Berücksichtigung der staatlichen Gerichtsbarkeit und statutarischer Schiedsklauseln, Diss. Zürich 2015 (=ZStV 181), N 582 ff.; Philippe Bärtsch, Con- sent in Sports Arbitration: Which Lessons for Arbitrations Based on Clauses in Bylaws of Corporations, Associations, etc., in: Gei- singer/Trabaldo de Mestral (Hrsg.), Sports Arbitration: A Coach for Other Players, ASA Special Series No. 41, Zürich 2015, 95–122, 115 ff. 3 Botschaft vom 23. November 2016 zur Änderung des Obligatio- nenrechts (Aktienrecht), BBl 2017 399 ff., 546; Valentina Meier, Schiedsklauseln in Statuten schweizerischer Aktiengesellschaften, Diss. Zürich 2017 (=SSHW 338), N 18 und FN 63 mit statistischen Nachweisen. Inhaltsübersicht I. Einleitung 1. Ausgangslage 2. Entwurf zur Aktienrechtsrevision und bisherige Entwicklungen 3. Überblick II. Kumulative Anwendbarkeit von Aktien- und Schiedsrecht 1. Stellung im Normgefüge und Geltungsbereich 2. Massgebliche lex arbitri 2.1 Verweisung auf den 3. Teil der ZPO 2.2 Kein Opting-out zugunsten des 12. Kapitels des IPRG III. Zulässigkeit 1. Aktienrechtliche Schranken 2. Schiedsfähigkeit 2.1 Objektive Schiedsfähigkeit 2.2 «Örtliche» Schiedsfähigkeit IV. Zustandekommen 1. Materielles Zustandekommen 1.1 Rechtsnatur des Bindungsmechanismus 1.2 Im Einzelnen 2. Form V. Tragweite der Schiedsklausel 1. Objektive Tragweite 1.1 Gesetzliche Regelung 1.2 Abweichende statutarische Regelung 1.3 Zeitliche Abgrenzung bei nachträglicher Einführung der Schiedsklausel 2. Subjektive Tragweite 2.1 Gesetzliche Regelung 2.2 Abweichende statutarische Regelung 2.3 Vereinbarkeit mit Art. 6 Ziff. 1 EMRK VI. Gestaltung des Schiedsverfahrens 1. Grundsatz der Parteiautonomie 2. Verfahrensregeln für Klagen mit Wirkung erga omnes 2.1 Anwendungsbereich 2.2 Informationspflicht 2.3 Teilnahme am Schiedsverfahren 2.4 Beteiligung an der Schiedsrichterbestellung VII. Fazit und Würdigung Richard G. Allemann* Statutarische Schiedsklauseln in der Aktienrechtsrevision * M.A. HSG (Law and Economics) Richard G. Allemann, Rechts- anwalt, Doktorand und wissenschaftlicher Assistent am Rechts- wissenschaftlichen Institut der Universität Zürich. Der Autor dankt Prof. Dr. Hans Caspar von der Crone, LL.M., Rechtsanwalt, Dr. Stefanie Pfisterer, LL.M., Rechtsanwältin, und MLaw Luca Angstmann, Rechtsanwalt, für die Durchsicht des Manuskripts sowie für wertvolle Hinweise. Für den Inhalt des Beitrags ist der Autor alleine verantwortlich.

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GesKR 3 2018

I. Einleitung

1. Ausgangslage

Schiedsgerichte haben in der Schweiz traditionsbedingt einen wichtigen Stellenwert in der Beilegung handels-rechtlicher Streitigkeiten, und zwar nicht nur im grenz-überschreitenden Kontext. So werden etwa Auseinander-setzungen im Zusammenhang mit M&A-Transaktionen, Joint Ventures und Aktionärbindungsverträgen auch in Binnenverhältnissen häufig durch Schiedsgerichte ent-schieden.1 Ganz anders sieht dies für aktienrechtliche Streitigkeiten aus, die hierzulande2 fast ausschliesslich vor staatlichen (Handels-)Gerichten ausgetragen wer-den. Die Zahl schweizerischer Aktiengesellschaften, die in ihren Statuten eine Schiedsklausel vorsehen, ist heute entsprechend gering.3

Mit ein Grund dafür, dass die Schiedsgerichtsbarkeit für die gesellschaftsrechtliche Streitbeilegung bisher nicht als valable Alternative zum staatlichen Gerichtsverfah-ren wahrgenommen wird, ist die ungeklärte Rechtslage. Im geltenden Recht fehlt es an einer Regelung für sta-tutarische Schiedsklauseln. Während verschiedene kan-tonale Zivilprozessordnungen und später auch das in-terkantonale Konkordat über die Schiedsgerichtsbarkeit

1 Vgl. Rudolf Tschäni/Harold Frey/Dominique Müller, Streitigkeiten aus M&A-Transaktionen, Zürich 2013, N  145; Pe-ter Forstmoser/Marcel Küchler, Aktionärbindungsverträge. Rechtliche Grundlagen und Umsetzung in der Praxis, Zürich/Ba-sel/Genf 2015, N 2159; Urs Schenker, Joint Ventures: Win/Win oder Lose/Lose – Swatch und Tiffany als Partner, GesKR 4/2015, 547–555, 555.

2 Zur Rechtslage im europäischen Ausland etwa Thomas Ritter, Einheitliche Entscheidung gesellschafsrechtlicher Beschlussan-fechtungsklagen vor Schiedsgerichten, unter Berücksichtigung der staatlichen Gerichtsbarkeit und statutarischer Schiedsklauseln, Diss. Zürich 2015 (=ZStV 181), N 582 ff.; Philippe Bärtsch, Con-sent in Sports Arbitration: Which Lessons for Arbitrations Based on Clauses in Bylaws of Corporations, Associations, etc., in: Gei-singer/Trabaldo de Mestral (Hrsg.), Sports Arbitration: A Coach for Other Players, ASA Special Series No. 41, Zürich 2015, 95–122, 115 ff.

3 Botschaft vom 23. November 2016 zur Änderung des Obligatio-nenrechts (Aktienrecht), BBl 2017 399 ff., 546; Valentina Meier, Schiedsklauseln in Statuten schweizerischer Aktiengesellschaften, Diss. Zürich 2017 (=SSHW 338), N 18 und FN 63 mit statistischen Nachweisen.

InhaltsübersichtI. Einleitung

1. Ausgangslage2. Entwurf zur Aktienrechtsrevision und bisherige

Entwicklungen3. Überblick

II. Kumulative Anwendbarkeit von Aktien- und Schiedsrecht 1. Stellung im Normgefüge und Geltungs bereich2. Massgebliche lex arbitri

2.1 Verweisung auf den 3. Teil der ZPO2.2 Kein Opting-out zugunsten des 12. Kapitels des IPRG

III. Zulässigkeit1. Aktienrechtliche Schranken2. Schiedsfähigkeit

2.1 Objektive Schiedsfähigkeit2.2 «Örtliche» Schiedsfähigkeit

IV. Zustandekommen1. Materielles Zustandekommen

1.1 Rechtsnatur des Bindungsmechanismus1.2 Im Einzelnen

2. FormV. Tragweite der Schiedsklausel

1. Objektive Tragweite1.1 Gesetzliche Regelung1.2 Abweichende statutarische Regelung1.3 Zeitliche Abgrenzung bei nachträglicher Einführung der

Schiedsklausel2. Subjektive Tragweite

2.1 Gesetzliche Regelung2.2 Abweichende statutarische Regelung2.3 Vereinbarkeit mit Art. 6 Ziff. 1 EMRK

VI. Gestaltung des Schiedsverfahrens1. Grundsatz der Parteiautonomie2. Verfahrensregeln für Klagen mit Wirkung erga omnes

2.1 Anwendungsbereich2.2 Informationspflicht2.3 Teilnahme am Schiedsverfahren2.4 Beteiligung an der Schiedsrichterbestellung

VII. Fazit und Würdigung

Richard G. Allemann*

Statutarische Schiedsklauseln in der Aktienrechtsrevision

* M.A. HSG (Law and Economics) Richard G. Allemann, Rechts-anwalt, Doktorand und wissenschaftlicher Assistent am Rechts-wissenschaftlichen Institut der Universität Zürich. Der Autor dankt Prof. Dr. Hans Caspar von der Crone, LL.M., Rechtsanwalt, Dr.  Stefanie Pfisterer, LL.M., Rechtsanwältin, und MLaw Luca Angstmann, Rechtsanwalt, für die Durchsicht des Manuskripts sowie für wertvolle Hinweise. Für den Inhalt des Beitrags ist der Autor alleine verantwortlich.

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Handelsregisterämter dazu geführt, dass die Eintragung statutarischer Schiedsklauseln regelmässig verweigert wird.9

2. Entwurf zur Aktienrechtsrevision und bis-herige Entwicklungen

Im Rahmen der anstehenden Revision des Aktienrechts soll nunmehr wieder eine klare gesetzliche Grundlage für statutarische Schiedsklauseln geschaffen werden. Der Bundesrat hat im Entwurf vom 23. November 201610 unter der Marginalie «Schiedsgericht» eine Bestimmung mit dem folgenden Wortlaut vorgeschlagen:

Art. 697n 1 Die Statuten können vorsehen, dass gesellschaftsrecht-liche Streitigkeiten durch ein Schiedsgericht mit Sitz in der Schweiz beurteilt werden. Wenn die Statuten es nicht anders bestimmen, bindet die Schiedsklausel die Gesellschaft, die Organe der Gesellschaft, die Mitglieder der Organe und die Aktionäre. 2 Für das Verfahren vor dem Schiedsgericht gelten die Bestimmungen des 3. Teils der Zivilprozessordnung; das zwölfte Kapitel des Bundesgesetzes vom 18. Dezember 1987 über das Internationale Privatrecht ist nicht an-wendbar.

In Art. 704 Abs. 1 Ziff. 12 E-OR wird für die Einfüh-rung einer statutarischen Schiedsklausel das qualifizierte Quorum für anwendbar erklärt. Über die entsprechen-den Verweisungen sollen diese Regelungen auch für die GmbH und die Kommanditaktiengesellschaft und so-mit für sämtliche Kapitalgesellschaften des OR gelten (Art. 797a E-OR, Art. 764 Abs. 2 OR).

Am 15. Juni 2018 hat der Nationalrat den Entwurf zur Aktienrechtsrevision als erstbehandelnde Kammer an-genommen.11 In der parlamentarischen Beratung hat er Art. 697n E-OR auf Vorschlag seiner Rechtskommission diskussionslos um einen weiteren Absatz ergänzt. Die-ser war im Wesentlichen bereits im Vorentwurf enthalten gewesen,12 im Zuge der Vernehmlassung aber wieder ge-strichen worden:

3 Die Statuten können die Einzelheiten regeln, insbe-sondere durch Verweisung auf eine Schiedsordnung. Sie stellen jedenfalls sicher, dass Personen, die von den Rechtswirkungen des Schiedsspruchs direkt betroffen

gegenhalten lassen müssen. Ende des 19. Jahrhunderts war das Bun-desgericht noch mit aller Selbstverständlichkeit davon ausgegangen, dass eine statutarische Schiedsklausel kraft Gesellschaftsrechts für sämtliche Anteilsinhaber verbindlich sei, BGE 24 II 552 E. 8.

9 Botschaft Aktienrecht (FN 3), 546. 10 Entwurf vom 23. November 2016 zur Änderung des Obligationen-

rechts (Aktienrecht), BBl 2017 683 ff. 11 Amtl. Bull. 2018 NR, 1055 ff., 1150. 12 Art. 697l Abs. 2 und 3 VE-OR. Der Vorentwurf vom 28. Novem-

ber 2014 zur Änderung des Obligationenrechts (Aktienrecht) ist abrufbar unter <https://www.bj.admin.ch/dam/data/bj/wirtschaft/gesetzgebung/aktienrechtsrevision14/vorentw-d.pdf> (zuletzt be-sucht am 10. Juli 2018).

(KSG) dafür noch spezifische Bestimmungen enthalten hatten,4 sah der Bundesgesetzgeber bei der Schaffung des 12. Kapitels des IPRG und des 3. Teils der ZPO kei-nen Bedarf für eine spezifische Regelung. Dies in der Annahme, für statutarische Schiedsklauseln gälten die allgemeinen Bestimmungen für Schiedsvereinbarungen «entsprechend».5

Vor diesem Hintergrund hat sich im Schrifttum eine leb-hafte Kontroverse um die Thematik entwickelt. Die Mei-nungen lassen sich im Wesentlichen zwei Lagern zuord-nen. Nach der einen Auffassung stellt eine statutarische Schiedsklausel eine «echte» Statutenbestimmung dar, die kraft körperschaftsrechtlicher Anordnungskompetenz der Aktiengesellschaft auch für Aktionäre und Organe verbindlich ist, die ihr nicht zugestimmt haben.6 Die Gegenmeinung qualifiziert sie als Schiedsvereinbarung vertraglicher Natur, die lediglich formell Statutenbe-standteil bildet und folglich der Zustimmung sämtlicher Beteiligten in einer den Erfordernissen des Schiedsrechts genügenden Form bedarf.7 Das Bundesgericht konn-te den Lehrstreit in seiner jüngeren Rechtsprechung weitgehend ungeklärt lassen.8 Dies hat in der Praxis der

4 Art. 6 Abs. 2 KSG; § 238 Abs. 2 aZPO/ZH; § 120 aZPO/ZG. Dazu Max Guldener, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl., Zü-rich 1979, 600; Walther Habscheid, Statutarische Schiedsgerichte und Schiedskonkordat, SAG (SZW) 1985, 157–166.

5 Botschaft vom 10. November 1982 zum Bundesgesetz über das in-ternationale Privatrecht (IPR-Gesetz), BBl 1983 263 ff., 462 f.; Bot-schaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO), BBl 2006 7221 ff., 7395.

6 BSK IPRG-Gränicher, Art.  178 N  69; Thomas Rüede/Reimer Hadenfeldt, Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht, 2. Aufl., Zü-rich 1993, 43  f.; Stephen Berti, Some Thoughts on the Validity of Arbitration Clauses in the Articles of Association, in: Blessing (Hrsg.), The arbitration agreement – its multifold critical aspects, ASA Special Series No. 8, Zürich 1994, 120–122, 122; Tarkan Göksu, Schiedsgerichtsbarkeit, Zürich/St. Gallen 2014, 171; Meier (FN 3), N 85.

7 Bernhard Berger/Franz Kellerhals, International and Dome-stic Arbitration in Switzerland, 3. Aufl., Bern 2015, N 467; Benja-min Büchler/Hans Caspar von der Crone, Die Zulässigkeit sta-tutarischer Schiedsklauseln, SZW 2010, 258–266, 261; Richard G. Allemann/Hans Caspar von der Crone, Ausdehnung der Trag-weite statutarischer Schiedsklauseln bei Kapitalgesellschaften, SZW 2018, 215–229, 223 f. Im Ergebnis gleich Peter Böckli, Schweizer Aktienrecht, 4. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2009, § 16 N 149 ff.; Pe-ter V. Kunz, Statuten – Grundbaustein der Aktiengesellschaften, in: Watter (Hrsg.), Die «grosse» Schweizer Aktienrechtsrevision, Zürich/St. Gallen 2010, 55–79, 70; Roland von Büren/Walter A. Stoffel/Rolf H. Weber, Grundriss des Aktienrechts, 3. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2011, N  1129; Peter Forstmoser/Arthur Meier-Hayoz/Peter Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, Bern 1996, § 25 N 69; wohl auch Marc André Mauerhofer, Gültigkeit statutarischer Schieds- und Gerichtsstandsklauseln, GesKR 1/2011, 20–29, 28.

8 In BGE 142 III 220 hat es immerhin festgehalten, dass die Grün-dungsgesellschafter auch gegenüber neuen Gesellschaftern und nicht nur gegenüber deren Rechtsvorgängern an eine statutarische Schiedsklausel gebunden sind, sofern sich die neuen Gesellschaf-ter denn auch darauf berufen. Vgl. dazu Harold Frey/Severin Christen, Statutarische Schiedsklauseln. Besprechung des Urteils 4A_492/2015 des schweizerischen Bundesgerichts vom 26. Februar 2016, GesKR 2/2016, 238–241, 240 f. In BGE 136 III 107 hat das Bundesgericht ferner klargestellt, dass sich Abtretungsgläubiger nach Art. 757 Abs. 2 OR eine statutarische Schiedsklausel nicht ent-

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sein, dass statutarische Schiedsklauseln unter Art. 697n E-OR NR auch als «echte» Statutenbestimmungen kon-zipiert sind.16 Die Folge der Doppelnatur als Schieds-klausel und Statutenbestimmung ist, dass kumulativ zu den Regelungen des anwendbaren Schiedsgerichtsgeset-zes (lex arbitri) stets auch das Aktienrecht massgeblich ist.17 Insofern würde statutarischen Schiedsklauseln also weder eine alleinige Regelung in den Schiedsgerichtsge-setzen noch im Aktienrecht vollständig gerecht.

Konsequenz der Regelung im OR ist allerdings, dass die vorgeschlagene Regelung ausschliesslich für Kapitalge-sellschaften des Schweizer Rechts gilt,18 womit ein unila-teraler Regelungsansatz verfolgt wird. Schiedsklauseln in den Satzungen von Kapitalgesellschaften ausländischer Rechtsordnungen beurteilen sich dementsprechend nach dem jeweiligen ausländischen Gesellschaftsstatut; die massgebliche lex arbitri ist diesfalls  – soweit in der Schiedsklausel ein Schiedsgericht mit Sitz in der Schweiz vorgesehen wird  – nach der geltenden Kollisionsregel von Art. 353 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. 176 Abs. 1 IPRG zu bestimmen.

2. Massgebliche lex arbitri

2.1 Verweisung auf den 3. Teil der ZPO

Art. 697n Abs. 2 E-OR NR bestimmt als massgebliche lex arbitri ausdrücklich den 3. Teil der ZPO, mithin die Bestimmungen über die Binnenschiedsgerichtsbarkeit. Damit wird die in Art. 353 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. 176 Abs.  1 IPRG enthaltene Kollisionsregel ausgeschaltet, wonach das 12. Kapitel des IPRG zur Anwendung ge-langt, wenn beim Abschluss der Schiedsvereinbarung wenigstens eine der Verfahrensparteien19 ihren (Wohn-)Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht in der Schweiz hatte.

Methodologisch kommt die Regelung von Art.  697n Abs. 2 E-OR NR einer Anknüpfung an den Sitz der Ak-tiengesellschaft gleich,20 was in der Botschaft mit dem «systematischen Binnenbezug solcher Verfahren mit ei-ner Gesellschaft mit Sitz in der Schweiz» erklärt wird.21 Diese Begründung ist nicht ohne weiteres nachvollzieh-bar, zumal sich auch bei Streitigkeiten aus dem Recht ei-ner Schweizer Aktiengesellschaft gewichtige Auslands-bezüge aus dem (Wohn-)Sitz der beteiligten Aktionäre und/oder Organe ergeben können. Allerdings wird noch zu zeigen sein, dass die kontraktuelle Legitimation der Schiedsbindung unter Art.  697n E-OR NR an Bedeu-

16 Vgl. hinten Ziff. III.1 und IV.1.17 Unter geltendem Recht Mauerhofer (FN 7), 28.18 Vgl. Meier (FN 3), 530. 19 So BGer 4P.54/2002 vom 24. Juni 2002 E. 3. Dazu BK-Pfisterer,

ZPO 353 N 19 m.w.H. 20 Allemann/von der Crone (FN 7), 224. 21 Botschaft Aktienrecht (FN 3), 548.

sein können, über die Einleitung und die Beendigung des Verfahrens informiert werden und sich bei der Be-stellung des Schiedsgerichts und als Intervenienten am Verfahren beteiligen können.

Die Beratung der Aktienrechtsrevision im Ständerat ist zum Zeitpunkt der Drucklegung frühestens für die Win-tersession 2018 vorgesehen.13

3. Überblick

Im Zusammenhang mit den vorgeschlagenen Neuerun-gen ergeben sich aus dem Zusammenspiel aktien- und schiedsrechtlicher Grundsätze eine Reihe neuartiger Fra-gestellungen, auf die im vorliegenden Beitrag einzugehen ist. Der Entwurf wird in der Fassung des Nationalrats (im Folgenden abgekürzt als: E-OR NR) besprochen, wobei die Untersuchung ausschliesslich anhand der Aktienge-sellschaft erfolgt. Eingegangen wird auf die Einordnung der vorgeschlagenen Bestimmungen im geltenden Akti-en- und Schiedsrecht (II.), die Zulässigkeit statutarischer Schiedsklauseln (III.) sowie deren Zustandekommen (IV.) und Tragweite, wobei ein besonderes Augenmerk auf die Vereinbarkeit mit Art.  6 Ziff.  1 EMRK gelegt wird (V.). Schliesslich werden die prozessualen Gestal-tungsmöglichkeiten aktienrechtlicher Schiedsverfahren, insbesondere bei aktienrechtlichen Klagen mit Wirkung erga omnes, erläutert (VI.). Die Ausführungen sollen zu-nächst ohne ein Urteil über die rechtspolitische Wünsch-barkeit der Schiedsgerichtsbarkeit für die aktienrechtli-che Streitbeilegung auskommen; ein solches erfolgt erst in der abschliessenden Würdigung (VII.).

II. Kumulative Anwendbarkeit von Aktien- und Schiedsrecht

1. Stellung im Normgefüge und Geltungs-bereich

An der gesetzessystematischen Verortung der vorge-schlagenen Regelung im OR wurde in der Vernehmlas-sung Kritik geübt, mit der Begründung, dass Schieds-klauseln eine verfahrensrechtliche Materie betreffen.14 Tatsächlich geht das Bundesgericht in seiner Rechtspre-chung davon aus, dass Schiedsvereinbarungen prozess-rechtlicher Natur sind.15 Allerdings wird noch zu zeigen

13 Vgl. Sekretariat der Kommissionen für Rechtsfragen, Medienmit-teilung vom 29. Juni 2018, Ja zu Geschlechterrichtwerten im Akti-enrecht, abrufbar unter <https://www.parlament.ch/press-releases/Pages/mm-rk-s-2018-06-29.aspx> (zuletzt besucht am 10. Juli 2018).

14 Z.B. Philipp Habegger/Sébastien Besson, Statutarische Schieds-klauseln für Aktiengesellschaften. Vernehmlassung der Swiss Chambers’ Arbitration Institution zur Aktienrechtsrevision, ASA Bulletin 3/2015, 674–687, 682.

15 BGE 116 Ia 56 E. 3a; BGE 101 II 168 E. 1.

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wird.27 Diese Begründung ist bei genauerer Betrachtung nicht stichhaltig, weil der Rechtsmittelverzicht voraus-setzt, dass keine der Verfahrensparteien (Wohn-)Sitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Niederlassung in der Schweiz hat (Art. 192 Abs. 1 IPRG), was zumindest für die Aktiengesellschaft selbst von vornherein nicht der Fall sein kann.28

III. Zulässigkeit

1. Aktienrechtliche Schranken

Unter geltendem Recht wird die Zulässigkeit statutari-scher Schiedsklauseln insbesondere im Lichte des Ver-bots statutarischer Nebenleistungspflichten kontrovers diskutiert (Art.  680 Abs.  1 OR). Namentlich im akti-enrechtlichen Schrifttum wird die Meinung vertreten, dass eine statutarische Schiedsklausel nicht nur prozes-suale Lasten, sondern eine (unzulässige) Verpflichtung des Aktionärs begründe.29 Diese Auffassung überzeugt bereits insoweit, als eine Schiedsklausel stets auch einen Grundrechtsverzicht auf den staatlichen Richter bein-haltet, worauf noch zurückzukommen sein wird.30 Im Übrigen erweist sich das von der Gegenmeinung ver-tretene Postulat der Gleichwertigkeit von Schieds- und staatlichem Verfahren zumindest unter dem Gesichts-punkt der Rechtsmittelmöglichkeiten als mangelhaft, zu-mal im Schiedsbeschwerdeverfahren nur sehr beschränk-te Rügegründe bestehen (vgl. Art.  393 ZPO).31 Dieser Verzicht auf die volle Kognition der Rechtsmittelinstanz kann im Einzelfall bedeutende Reflexwirkungen auf die Rechtsposition des Aktionärs entfalten.32

Soweit eine statutarische Schiedsklausel trotzdem im Handelsregister eingetragen wird (vgl. Art.  940 Abs.  2 OR), ist nach der hier vertretenen Ansicht de lege lata von ihrer Nichtigkeit auszugehen (Art. 706b OR).33 Es bleibt immerhin die Möglichkeit einer Konversion in eine Schiedsvereinbarung vertraglicher Natur,34 die al-

27 Botschaft Aktienrecht (FN 3), 548. 28 Hans Caspar von der Crone/Luca Angstmann, Kernfragen der

Aktienrechtsrevision, SZW 2017, 3–24, 19.29 Böckli (FN 7), § 16 N 150; von Büren/Stoffel/Weber (FN 7),

N 1129; Kunz (FN 7), 70; Mauerhofer (FN 7), 28; Büchler/von der Crone (FN 7), 261; Allemann/von der Crone (FN 7), 221 f. A.M. BSK IPRG-Gränicher, Art. 178 N 69; BSK OR II-Vogt, Art.  680 N  9c; Tetiana Bersheda, Les clauses d’arbitrage statu-aires en droit suisse, ASA Bulletin 4/2009, 691–716, 698 f.; Meier (FN 3), N 356; Killias (FN 26), 1059; wohl auch Ritter (FN 2), N 697.

30 Vgl. hinten Ziff. V.2.3.31 Allemann/von der Crone (FN 7), 222. Zur zwingenden Natur

von Art. 393 ZPO und Art. 190 Abs. 2 IPRG etwa KUKO-Dasser, ZPO 393 N 3.

32 Allemann/von der Crone (FN 7), 222.33 Vgl. auch hinten Ziff. IV.1.1.34 Dazu bereits vorn Ziff. I.1; ausführlich Allemann/von der Crone

(FN 7), 222 f.

tung verliert und die individuellen Unterwerfungserklä-rungen von Aktionären und Organen mitunter nur noch eine untergeordnete Rolle spielen.22 Demgegenüber tritt die Willensbildung der Aktiengesellschaft als juristische Person in den Vordergrund. Insofern erscheint die ein-heitliche Anknüpfung an den Gesellschaftssitz vertret-bar; sie entspricht denn auch der heute im internationa-len Gesellschaftsrecht vorherrschenden Anknüpfung.23

Im Vergleich zur geltenden Rechtslage besticht die ein-heitliche Verweisung auf den 3. Teil der ZPO durch ihre Praktikabilität: Weil unter Art.  353 Abs.  1 ZPO i.V.m. Art.  176 Abs.  1  IPRG für die massgeblichen Anknüp-fungsmerkmale auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Schiedsvereinbarung abzustellen ist,24 bei einer statuta-rischen Schiedsklausel also den Gründungs- oder Sta-tutenänderungszeitpunkt, kann die Bestimmung der lex arbitri bei zwischenzeitlichen Aktionärswechseln – man denke an eine Publikumsgesellschaft mit aktivem Handel der Aktien – mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein.25 Bei konnexen Schiedsverfahren wird mit der ein-heitlichen Anwendung des 3. Teils der ZPO nicht zuletzt verhindert, dass gleichartige Verfahren unterschiedlichen Schiedsgerichtsgesetzen unterstehen.26

Soweit Art.  697n E-OR NR Regelungen aufstellt, die vom 3. Teil der ZPO abweichen, stellt sich die Frage nach dem Verhältnis der Bestimmungen. Falls keine harmoni-sche Auslegung möglich ist, geht Art.  697n E-OR NR den Art.  353  ff. ZPO im Allgemeinen als lex posterior bzw. specialis vor.

2.2 Kein Opting-out zugunsten des 12. Kapitels des IPRG

Die Verweisung auf den 3. Teil der ZPO erfasst dem Wortlaut nach auch Art. 353 Abs. 2 ZPO, welcher einen Ausschluss der Bestimmungen über die Binnenschieds-gerichtsbarkeit zugunsten des 12. Kapitels des IPRG ermöglicht (sog. Opting-out). Insofern könnte der zwei-te Halbsatz von Art.  697n Abs.  2 E-OR NR zunächst lediglich als Präzisierung der Ausgangs-lex arbitri ver-standen werden. Die Botschaft stellt allerdings aus-drücklich klar, dass ein solches Opting-out gerade nicht zulässig sein soll, um zu verhindern, dass in der statutari-schen Schiedsklausel ein Rechtsmittelverzicht stipuliert

22 Vgl. hinten Ziff. IV.1. 23 Dazu ZK-Vischer, IPRG 154 N 1 ff.; BSK IPRG-Eberhard/von

Planta, Art. 154 N 9 ff.24 Berger/Kellerhals (FN  7), N  102; KUKO-Dasser, ZPO 353

N 4.25 Vgl. Isabelle Chabloz, Vers un renforcement des droits des acti-

onnaires, Jusletter vom 18. Mai 2015, 13; Allemann/von der Cro-ne (FN 7), 218.

26 So auch Habegger/Besson (FN 14), 680 f.; Laurent Killias, Ge-sellschaftsrechtliche Streitigkeiten vor Schiedsgerichten  – Königs-weg oder Sackgasse?, in: Grolimund et al. (Hrsg.), Festschrift für Anton K. Schnyder zum 65. Geburtstag, Zürich 2018, 1053–1069, 1063.

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kapitals (Art. 680 OR) – denn auch bereits nach gelten-dem Recht als frei verfügbar.44 Gleiches gilt für Anfech-tungs- und Nichtigkeitsklagen (Art. 706 ff. OR), welche immerhin theoretisch einem Vergleich zugänglich sind, wenn die Generalversammlung auf ihren Beschluss zu-rückkommt.45 Dass der Verwaltungsrat und der klagende Aktionär im Alleingang keinen Vergleich schliessen kön-nen, ergibt sich nach wohl herrschender Ansicht nicht daraus, dass der Gesellschaft die Verfügungsmacht über den Streitgegenstand entzogen wäre, sondern vielmehr aus der internen Kompetenzverteilung.46 Insofern be-wirkt Art. 697n E-OR NR also keine Verdrängung von Art. 354 ZPO, sondern stellt lediglich – stillschweigend – die geltende Rechtslage klar.47

Weiterhin nicht schiedsfähig sind entsprechend sämtli-che Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit,48 wie etwa die (nichtstreitige) Anordnung einer Sonder-untersuchung mit Genehmigung der Generalversamm-lung (Art.  697c Abs.  2 E-OR NR), die Bestellung und Abberufung von Liquidatoren (Art. 740 Abs. 4, Art. 741 Abs. 2 OR) oder die Kraftloserklärung von Wertpapie-ren (Art. 971 f., Art. 977, Art. 981 ff. OR).49 Diese wer-den aufgrund der Beschränkung der objektiven Trag-weite auf «Streitigkeiten» denn auch ohnehin nicht von Art.  697n E-OR NR erfasst.50 Nicht disponibel sind ferner Organisationsmängelverfahren (Art. 731b OR),51 welche der Offizialmaxime unterstehen.52 Auch dem ge-richtlichen Rechtsschutz in Handelsregisterangelegen-heiten (Art. 165 HRegV), der im Verwaltungsverfahren gewährt wird, geht die Schiedsfähigkeit ab.

2.2 «Örtliche» Schiedsfähigkeit

Gemäss Art. 697n Abs. 1 E-OR NR dürfen gesellschafts-rechtliche Streitigkeiten nur durch ein Schiedsgericht mit Sitz in der Schweiz beurteilt werden. Im Umkehrschluss ist daraus abzuleiten, dass die Stipulation eines Schieds-gerichts mit Sitz im Ausland unzulässig ist. Damit statu-

44 BSK ZPO-Weber-Stecher, Art.  354 N  23; BK-Pfisterer, ZPO 354 N  13; Mauerhofer (FN  7), 24; ausführlich Meier (FN  3), N 55 ff. Für die Verantwortlichkeitsklage auch BGer 4A_446/2009 vom 8. Dezember 2009 E. 2.2, nicht publiziert in BGE 136 III 107.

45 Allerdings wird die Klage diesfalls als gegenstandslos abgeschrie-ben, womit sich ein Vergleich erübrigt, vgl. Urs Schenker, Die Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen bei der Aktien-gesellschaft, in: Kunz/Arter/Jörg (Hrsg.), Entwicklungen im Ge-sellschaftsrecht X, Bern 2015, 17–48, 41.

46 BSK OR II-Dubs/Truffer, Art.  706 N  27; Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel (FN  7), §  25 N  73 FN  69; KUKO-Dasser, ZPO 354 N 13; Rüede/Hadenfeldt (FN 6), 50; Chabloz (FN 25), 15. A.M. wohl Böckli (FN 7), § 16 N 151; Büchler/von der Crone (FN 7), 264.

47 Gl.M. Meier (FN 3), N 494.48 Berger/Kellerhals (FN  7), N  259; BK-Pfisterer, ZPO 354

N 20; KUKO-Dasser, ZPO 354 N 18. 49 Differenzierend Meier (FN 3), N 74 ff.50 Vgl. hinten V.1.1.51 Chabloz (FN 25), 15; 52 BGE 138 III 294 E. 3.1.3.

lerdings die einheitliche Schiedsbindung von Aktionären und Organen in Frage stellt, wenn der Beschluss über die Einführung der Schiedsklausel nicht einstimmig ergan-gen ist.35

Nach der Botschaft sollen mit der ausdrücklichen Regelung statutarischer Schiedsklauseln gerade auch Zweifel an ihrer aktienrechtlichen Zulässigkeit ausge-räumt werden.36 Insoweit wird das Verbot statutarischer Nebenleistungspflichten durch Art. 697n Abs. 1 E-OR NR zurückgedrängt, womit auch «echte» statutarische Schiedsklauseln zulässig sind, die nicht bloss vertrag-licher Natur sind.37 Dadurch wird auch der eingangs dargestellte Lehrstreit geklärt.38 Für das Aktienrecht bedeutet dies eine weitere Relativierung des Verbots sta-tutarischer Nebenleistungspflichten, die bereits mit den börsen- und vergütungsrechtlichen Aktionärspflichten begonnen hat.39

2. Schiedsfähigkeit

2.1 Objektive Schiedsfähigkeit

Die objektive Schiedsfähigkeit (ratione materiae) ist in der Binnenschiedsgerichtsbarkeit in Art.  354 ZPO ge-regelt. Demnach kann eine Streitsache Gegenstand ei-nes Schiedsverfahrens bilden, wenn der zu beurteilende Anspruch frei verfügbar, d.h. verzichtbar ist oder von den Verfahrensparteien durch Vergleich erledigt werden kann.40 Die Frage, ob sich die freie Verfügbarkeit stets nach Schweizer Recht oder nach dem in der Sache an-wendbaren Recht (lex causae) beurteilt,41 erübrigt sich im vorliegenden Zusammenhang, zumal die lex causae in gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten betreffend schwei-zerische Aktiengesellschaften immer das Schweizer Ak-tienrecht ist, wie noch zu zeigen sein wird.42

Art. 697n E-OR NR äussert sich nicht explizit zur ob-jektiven Schiedsfähigkeit gesellschaftsrechtlicher Strei-tigkeiten, was nicht heisst, dass die Thematik bei der Redaktion übersehen wurde. Vielmehr geht die Be-stimmung implizite von der grundsätzlichen Schieds-fähigkeit gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten aus.43 Im Schrifttum gelten die in der Botschaft exempla-risch genannten Klagen  – die Verantwortlichkeitsklage (Art.  752  ff.  OR), die Rückerstattungsklage (Art.  678 OR) und die Klage auf Liberierung des Gesellschafts-

35 Vgl. hinten Ziff. IV.1.2. 36 Botschaft Aktienrecht (FN 3), 546.37 Chabloz (FN 25), 12.38 Vgl. vorn Ziff. I.1.39 Dazu BSK OR II-Vogt, Art. 680 N 1c.40 Berger/Kellerhals (FN  7), N  254; BK-Pfisterer, ZPO 354

N  13; Adrian Staehelin/Daniel Staehelin/Pascal Groli-mund, Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Zürich 2013, § 29 N 12.

41 Dazu KUKO-Dasser, ZPO 354 N 6 f.42 Vgl. hinten Ziff. V.1.1.43 So auch Botschaft Aktienrecht (FN 3), 547.

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würde dem daraufhin ergangenen Schiedsspruch zufolge mangelnder Schiedsfähigkeit die Anerkennung versagt (Art. V Ziff. 2 lit. a NYÜ i.V.m. Art. 697n Abs. 1 E-OR NR).58

IV. Zustandekommen

1. Materielles Zustandekommen

1.1 Rechtsnatur des Bindungsmechanismus

Wird de lege lata von einem Verstoss gegen Art.  680 Abs. 1 OR ausgegangen, sind für das materielle Zustan-dekommen einer statutarischer Schiedsklausel überein-stimmende gegenseitige Willenserklärungen erforderlich (Art. 1 Abs. 1 OR), deren Vorliegen im Rahmen der Kon-version in eine vertragliche Schiedsvereinbarung geprüft wird.59 Wie gesehen, bedarf es unter Art. 697n E-OR NR keiner Konversion mehr, sondern es ist von einer «ech-ten» Statutenbestimmung auszugehen. Diese wird nach aktienrechtlichen Grundsätzen erlassen und bildet in der Folge nicht nur formellen, sondern auch materiellen Be-standteil der Statuten.60

Somit wird die statutarische Schiedsklausel weiterhin durch ein zwei- oder mehrseitiges Rechtsgeschäft zu-stande kommen.61 Die Botschaft ist insofern vage, wenn sie davon spricht, dass die Aktionäre ipso iure der Schiedsklausel unterständen,62 denn die Schiedsbin-dung ergibt sich nicht direkt aus dem Gesetz, sondern aus übereinstimmenden Willenserklärungen oder einem Beschluss.63 Dass statutarische Schiedsklauseln auch nicht auf einem einseitigen Rechtsgeschäft basieren,64 wurde in der anstehenden Schiedsrechtsrevision richtig erkannt; im entsprechenden Vorentwurf haben einseitige Schiedsklauseln – dazu zählen insbesondere testamenta-rische Schiedsklauseln – denn auch eine separate Rege-lung erfahren (Art. 358 Abs. 2 VE-ZPO; Art. 178 Abs. 4 VE-IPRG).65

58 Vgl. BSK IPRG-Patocchi/Jermini, Art.  194 N  65 und 122  ff.; Berger/Kellerhals (FN 7), N 2091 ff.

59 Dazu Allemann/von der Crone (FN 7), 222 f.60 Allemann/von der Crone (FN 7), 224. 61 Zur rechtsgeschäftlichen Qualifikation des Beschlusses etwa von

Steiger, SPR VIII/1, 275. 62 Botschaft Aktienrecht (FN 3), 547.63 Dies gilt letztlich auch im Verhältnis zu den (Minderheits-)Akti-

onären, die gegen die Schiedsklausel gestimmt, sich der Stimme enthalten haben oder an der fraglichen Generalversammlung nicht zugegen waren, vgl. hinten Ziff. IV.1.2 und V.2.3.a.

64 BSK IPRG-Gränicher, Art.  178 N  70a; Rüede/Hadenfeldt (FN 6), 43 ff.; wohl auch Peter Georg Picht/Lennart Chrobak, Einseitige Schiedsklauseln in der Schweizer Schiedsrechtsrevision – Teil I, SJZ 2018, 205–215, 213 f.

65 Vorentwurf vom 11. Januar 2017 zur Änderung des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (Internationale Schiedsgerichts-barkeit), abrufbar unter <https://www.ejpd.admin.ch/dam/data/bj/aktuell/news/2017/2017-01-11/vn-ber-d.pdf> (zuletzt besucht am 10. Juli 2018).

iert Art. 697n Abs. 1 E-OR NR eine Einschränkung der Schiedsfähigkeit, denn die freie Bestimmung des Sitzes ist ein zentrales Element der Parteiautonomie, auf der die Schiedsgerichtsbarkeit basiert.53 Obwohl gesellschafts-rechtliche Streitigkeiten der Schiedsgerichtsbarkeit in objektiver Hinsicht unterstellt werden können, dürfen sie örtlich (ratione loci arbitri) nur durch ein Schiedsge-richt mit Sitz in der Schweiz beurteilt werden.

Diese Beschränkung der Schiedsfähigkeit war im Vor-entwurf noch nicht enthalten und wird auch in der Bot-schaft nicht erklärt. In der Vernehmlassung wurde sie offenbar für erforderlich gehalten, um die Überprüfbar-keit der Schiedssprüche durch einen Schweizer Richter auch ausserhalb eines (allfälligen) späteren Exequatur-verfahrens in der Schweiz sicherzustellen.54 Das An-liegen, eine einheitliche Kontrolle der Rechtsprechung zu gewährleisten, scheint zwar legitim, zumal das Ak-tienrecht zu weiten Teilen zwingender Natur ist und in erhöhtem Masse auch öffentliche und Drittinteres-sen schützt.55 Konsequenterweise hätten diese Überle-gungen allerdings zu einem gänzlichen Verzicht auf die Schiedsgerichtsbarkeit in gesellschaftsrechtlichen Ange-legenheiten führen müssen, zumal die Rechtsanwendung im Schiedsbeschwerdeverfahren vom Bundesgericht le-diglich auf Willkür überprüft wird (Art. 393 lit. e ZPO). Dies hat nicht zuletzt zur Konsequenz, dass die Schieds-gerichtsbarkeit nur wenig zur Rechtsfortbildung des Ak-tienrechts beigetragen können wird.56

Eine Schiedsklausel, die ein Schiedsgericht mit Sitz im Ausland vorsieht, widerspricht unter Art.  697n Abs.  1 E-OR NR offensichtlich und unzweideutig zwingen-dem Recht, womit ihr i.d.R. bereits die Eintragung ins Handelsregister verweigert werden dürfte (Art.  940 Abs.  2  OR).57 Auch diesfalls lässt sich allerdings nicht verhindern, dass die Schiedsklausel in eine Schiedsver-einbarung vertraglicher Natur konvertiert wird und das ausländische Schiedsgericht seine Zuständigkeit nach der jeweiligen ausländischen lex arbitri bejaht. Erst in einem allfälligen Exequaturverfahren in der Schweiz

53 Ähnlich BGE 141 III 201 E. 3.2.3, wonach die in Art. 361 Abs. 4 ZPO statuierte Beschränkung der möglichen Spruchkörper auf die Schlichtungsstelle in Miet- und Pachtsachen eine Frage der Schieds-fähigkeit miet- bzw. pachtrechtlicher Streitigkeiten betrifft. Vgl. BSK ZPO-Weber-Stecher, Art.  354 N  38; BK-Pfisterer, ZPO 354 N 24; KUKO-Dasser, ZPO 354 N 14.

54 Association Suisse de l’Arbitrage (ASA), Vernehmlassungsant-wort vom 13. März 2015, abrufbar unter: <https://www.bj.admin.ch/dam/data/bj/wirtschaft/gesetzgebung/aktienrechtsrevision14/stgn-weitere-verbaende-1.pdf> (zuletzt besucht am 10.  Juli 2018), 3.

55 Vgl. von der Crone/Angstmann (FN 28), 19.56 Von der Crone/Angstmann (FN  28), 19. Zum Ganzen Chris-

tian Duve/Moritz Keller, Privatisierung der Justiz – bleibt die Rechtsfortbildung auf der Strecke?, SchiedsVZ 2005, 169–178, 171 ff.

57 Vgl. Arthur Meier-Hayoz/Peter Forstmoser, Schweizerisches Gesellschaftsrecht, 11. Aufl., Bern 2012, §  16 N  45; BSK OR II-Eckert, Art. 940 N 18.

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Spätere Aktienerwerber werden an eine bestehende Schiedsklausel durch den Erwerbsakt gebunden, entwe-der durch Zeichnung und Liberierung neuer Aktien im Rahmen einer Kapitalerhöhung (originärer Erwerb) oder durch Übertragung der bestehenden Aktien (derivativer Erwerb).77 Weil die Aktionärsstellung nur «im Bündel» erworben werden kann, unterwirft sich der neue Akti-onär durch den Erwerbsakt den geltenden Statuten und somit auch einer statutarischen Schiedsklausel.78 Ähnli-ches gilt für neu gewählte Organe, welche die bestehende Schiedsklausel mit der Wahlannahmeerklärung akzeptie-ren.79 Die Botschaft rechtfertigt die daraus resultieren-de Schiedsbindung damit, dass die neu hinzukommen-den Aktionäre die öffentlich zugänglichen Statuten zu kennen haben,80 was auch für die Organe gelten dürfte. Die Statuten sind im Handelsregister als Beleg einsehbar (Art. 930 OR). Allerdings ist im Interesse der Vorherseh-barkeit der Schiedsklausel für dereinstige Aktionäre und Organe mit der Botschaft zu fordern, dass sich ihr Vor-handensein inskünftig direkt aus dem Handelsregister-eintrag ergibt,81 was eine Anpassung von Art. 45 Abs. 1 HRegV erforderlich macht. Dies hätte nicht zuletzt den Vorteil, dass die Schiedsklausel von der positiven Pu-blizitätswirkung des Handelsregisters erfasst würde (Art. 933 Abs. 1 OR), welche für die Belege nicht gilt.82

2. Form

Art. 358 ZPO, der auf vertragliche Schiedsvereinbarun-gen zugeschnitten ist, verlangt, dass die Schiedsvereinba-rung schriftlich oder in einer anderen Form erfolgt, die den Nachweis durch Text ermöglicht. Art. 697n Abs. 1 E-OR NR ändert dieses Formerfordernis dahingehend, dass die Schiedsklausel zu ihrer Verbindlichkeit zwin-gend der Aufnahme in die Statuten bedarf, mithin zum bedingt notwendigen Statuteninhalt gehört.83 Folglich sind die Formerfordernisse der Statutenerrichtung bzw. -änderung zu beachten, also die öffentliche Beurkundung der Gründungsurkunde bzw. des Generalversammlungs-beschlusses sowie die Eintragung im Handelsregister (Art. 629, Art. 640, Art. 647 [E-]OR [NR]). Umgekehrt ergibt sich unter der vorgeschlagenen Regelung insoweit eine Milderung der geltenden Formerfordernisse, als die individuellen Willenserklärungen im beurkundungs-pflichtigen Gründungsakt bzw. Beschluss aufgehen und

77 Zum Ganzen Meier-Hayoz/Forstmoser (FN 57), § 16 N 300 ff. und 636 ff.; von Greyerz, SPR VIII/2, 114 ff.

78 Allemann/von der Crone (FN 7), 224 f. Unter geltendem Recht BSK ZPO-Girsberger, Art.  357 N  30a; Meier (FN  3), N  122. Ähnlich für den Verein BGE 131 III 97 E. 2.1. Differenzierend Rit-ter (FN 2), N 562 ff.

79 Meier (FN 3), 131 f.; Allemann/von der Crone (FN 7), 224 f.80 Botschaft Aktienrecht (FN 3), 547.81 So auch Botschaft Aktienrecht (FN 3), 547 FN 395.82 BGer 4A_206/2013 vom 5. September 2013 E.  3.3; CHK-Vogel,

OR 933 N 8a. 83 Allemann/von der Crone (FN 7), 226.

1.2 Im Einzelnen

Die Schiedsbindung der Aktiengesellschaft selbst ergibt sich aus dem Umstand, dass der Beschluss über die Ein-führung einer statutarischen Schiedsklausel im Wege des körperschaftlichen Willensbildungsprozesses ergeht und insofern stets auch Ausdruck des Willens der juristischen Person ist.66

Im Verhältnis zu den Aktionären und den Organen ist zu differenzieren: Sofern die statutarische Schiedsklausel bereits bei der Gründung eingeführt wird, widerspiegeln die Urstatuten den Gesellschaftsvertrag, für welchen das Einstimmigkeitserfordernis gilt (Art. 629 Abs. 1 OR).67 Insoweit sind übereinstimmende Willenserklärungen der Gründungsaktionäre erforderlich.68 Die Organe wieder-um werden mit der Wahlannahmeerklärung Teil der ak-tienrechtlichen «Sozialsphäre».69 Indem sie die Wahl im Rahmen des Gründungsakts annehmen, unterwerfen sie sich auch der statutarischen Schiedsklausel.70

Nach der Gründung bedarf es zum Erlass einer Schieds-klausel einer Statutenänderung (Art.  647 OR). Dies hat zur Konsequenz, dass eine statutarische Schieds-klausel auch durch Mehrheitsbeschluss der General-versammlung eingeführt werden kann (Art.  698 Abs. 2 Ziff. 1 OR).71 Art. 704 Abs. 1 Ziff. 12 E-OR NR verlangt dafür das qualifizierte Quorum, d.h. mindestens zwei Drittel der vertretenen Stimmen und die absolute Mehr-heit der vertretenen Aktiennennwerte. Die Botschaft begründet die «Doppelhürde» mit dem Verzicht auf den staatlichen Richter,72 worauf noch zurückgekommen wird.73 Als Folge des aktienrechtlichen Mehrheitsprin-zips74 werden demnach auch all jene Aktionäre an die Schiedsklausel gebunden, die gegen die Schiedsklausel gestimmt, sich der Stimme enthalten oder an der betref-fenden Generalversammlung nicht teilgenommen ha-ben.75 Die Organe wiederum sind von vornherein nicht stimmberechtigt, es sei denn, sie seien zugleich auch Ak-tionäre. Die Schiedsbindung lässt sich insofern nur mit der körperschaftsrechtlichen Anordnungskompetenz der Generalversammlung als der Exekutive übergeord-netes Organ erklären.76

66 Allemann/von der Crone (FN 7), 226. Vgl. BSK OR II-Bauden-bacher, Art. 620 N 7.

67 Allemann/von der Crone (FN  7), 224. Zur Rechtsnatur des Gründungsakts ZK-Cramer, OR 629 N 4; Meier-Hayoz/Forst-moser (FN 57), § 2 N 124.

68 Von Greyerz, SPR VIII/2, 87 f.; Böckli (FN 7), § 1 N 351.69 Begriff erstmals bei Peter Jäggi, Ungelöste Fragen des Aktien-

rechts, SAG (SZW) 1958, 57–59, 68.70 Allemann/von der Crone (FN 7), 224 f. 71 Meier (FN 3), N 496; Killias (FN 26), 1063; Allemann/von der

Crone (FN 7), 225.72 Botschaft Aktienrecht (FN 3), 548.73 Vgl. hinten Ziff. V.2.3.74 Dazu Hans Caspar von der Crone, Aktienrecht, Bern 2014, § 1

N 30 ff.; Meier-Hayoz/Forstmoser (FN 57), § 2 N 106 f.75 Killias (FN 26), 1063.76 Meier (FN 3), N 131 f.; Allemann/von der Crone (FN 7), 225.

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Abs. 2 E-OR NR auf den 3. Teil der ZPO umfasst zwar auch Art.  381 Abs.  1 lit.  a ZPO, wonach den Partei-en selbst im Binnenverhältnis Rechtswahlfreiheit zu-kommt.91 Aufgrund der Regelung im OR setzt Art. 697n E-OR NR die Anwendbarkeit des schweizerischen Ak-tienrechts allerdings denklogisch gerade voraus, und eine Teilrechtswahl fällt im Interesse der Einheit des Gesellschaftsstatuts ausser Betracht.92 Damit erscheint die Anwendung einer ausländischen Rechtsordnung von vornherein ausgeschlossen.93 Welche Streitigkeiten ge-sellschaftsrechtlicher Natur sind, ist folglich direkt dem materiellen Recht zu entnehmen.94

Nach der dispositiven Regelung unterstehen der Schieds-klausel somit einmal sämtliche Streitigkeiten aus dem Aktienrecht (Art. 620–763 OR), mithin generell solche, die im Gesellschaftsverhältnis begründet sind. Dazu zäh-len insbesondere die klassische «Trias» der aktienrecht-lichen Klagen, nämlich die Beschlussmängelklagen (An-fechtungs- und Nichtigkeitsklagen, Art. 706 ff. OR), die Verantwortlichkeitsklagen (Art. 752 ff. OR)95 sowie die Klagen zur Durchsetzung der Kapitalschutzbestimmun-gen (Rückerstattungsklage, Art.  678 E-OR NR; Kla-ge auf Liberierung des Aktienkapitals, Art.  680 OR).96 Sodann fallen auch die Rechtsbehelfe zur Durchsetzung der Mitwirkungsrechte darunter, namentlich die Klage auf Auskunft und Einsicht (Art.  697b E-OR NR), das Gesuch um Anordnung einer Sonderuntersuchung bei Ablehnung durch die Generalversammlung (Art.  697d E-OR NR) und die Klage auf Einberufung der Gene-ralversammlung (Art.  699 Abs.  5 E-OR NR).97 Auch die Auflösungsklage (Art. 736 Ziff. 4 [E-]OR [NR]) und weitere streitige Begehren um richterliche Intervention, wie die Klage auf Eintragung im Aktienbuch, sind vor dem Schiedsgericht zu erheben.98

Als gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten i.S.v. Art. 697n Abs.  1 E-OR NR dürften an sich auch die Klagen des

91 Dazu etwa BSK ZPO-Girsberger, Art. 381 N 8 ff.; einschränkend KUKO-Dasser, ZPO 381 N 7.

92 Zur sog. Einheitslehre ZK-Vischer, IPRG 150 N  33; Andreas Spahlinger/Gerhard Wegen, Internationales Gesellschaftsrecht in der Praxis, München 2005, N 21 f.

93 Eine Art Rechtswahlmöglichkeit besteht immerhin bei der Grün-dung, in Form der rechtsordnungsübergreifenden Rechtsform-wahlfreiheit, vgl. BGE 117 II 494 E. 7. Im Ergebnis lässt sich eine nachträgliche Rechtswahl durch eine Sitzverlagerung bewerkstelli-gen, vgl. Art. 161 und Art. 163 IPRG.

94 A.M. wohl Meier (FN 3), N 514.95 Fraglich ist, ob sich die Prospekthaftungsklage (Art. 752 OR) nach

der Überführung ins FIDLEG noch als «gesellschaftsrechtliche» Klage qualifizieren lässt. Obwohl Art.  69 FIDLEG nach wie vor privatrechtlicher Natur ist, sollen damit letztlich die aufsichtsrecht-lichen Prospektpflichten des FIDLEG durchgesetzt werden, wes-halb die Frage nach der hier vertretenen Auffassung zu verneinen ist.

96 Botschaft Aktienrecht (FN  3), 547. Vgl. Hans Caspar von der Crone/Olivier Baum, Aktienrechtliche Verfahren: Klagemöglich-keiten und Klagerisiken, GesKR 3/2016, 278–299, 285 ff.

97 Vgl. von der Crone/Baum (FN 96), 278 ff.98 Botschaft Aktienrecht (FN 3), 547.

als solche keinem Formerfordernis unterliegen.84 Ent-sprechendes gilt für den Erwerbsakt der Aktionäre und die Wahlannahmeerklärung der Organe.85

Die Frage nach dem Zeitpunkt, ab welchem die statutari-sche Schiedsklausel Wirkung entfaltet, ist unter Art. 697n Abs.  1 E-OR NR nach den allgemeinen Grundsätzen über die Wirksamkeit von Statutenänderungen zu be-antworten. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung beginnt eine Statutenänderung auch im Innenverhältnis erst mit der Eintragung in das Handelsregister zu wirken (Prinzip der konstitutiven Wirkung des Eintrags).86 Dies schliesst Handlungen nach den neuen Statuten im Innen-verhältnis allerdings nicht aus, sofern die Statutenände-rung denn auch tatsächlich (nachträglich) eingetragen wird.87 Folglich ist nach der Generalversammlung, an der eine statutarische Schiedsklausel eingeführt wurde, selbst dann ein Schiedsverfahren einzuleiten, wenn sie noch nicht im Handelsregister eingetragen wurde.88 Dies ist u.a. dann von Relevanz, wenn Beschlüsse angefoch-ten werden sollen, die an ebendieser Generalversamm-lung gefällt wurden. Verweigert der Verwaltungsrat in der Folge die Eintragung der Schiedsklausel ins Han-delsregister dauerhaft, dürfte den klagenden Aktionä-ren allerdings nichts anderes übrigbleiben, als zunächst die Eintragung der Statutenänderung vor dem staatli-chen Richter durchzusetzen, womit eine Sistierung des Schiedsverfahrens verbunden ist.

V. Tragweite der Schiedsklausel

1. Objektive Tragweite

1.1 Gesetzliche Regelung

Die objektive Tragweite der Schiedsklausel (ratione ma-teriae) erstreckt sich nach Art.  697n Abs.  1 E-OR NR auf alle «gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten». Nach der Botschaft lehnt sich der Begriff an die Terminolo-gie von Art. 151 Abs. 1 IPRG an.89 Dieser Rückgriff auf eine Kollisionsnorm für die internationale Zuständig-keit ist zumindest vom Ansatz her fragwürdig, da deren Anknüpfungsbegriff bewusst breit gehalten ist, um auch dem Schweizer Recht fremde Streitigkeiten ausländi-scher Gesellschaftsrechtsordnungen zu erfassen.90 Dafür besteht hier kein Bedarf. Die Verweisung von Art. 697n

84 Allemann/von der Crone (FN 7), 226.85 Gl.M. Meier (FN 3), N 525. 86 BGE 84 II 34 E.  3. Dazu BSK OR II-Schenker, Art.  647 N  10;

Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel (FN 7), § 10 N 12 ff.87 BSK OR II-Schenker, Art. 647 N 10.88 Anders Meier (FN 3), N 111.89 Botschaft Aktienrecht (FN 3), 547.90 Vgl. Jolanta Kren Kostkiewicz, Schweizerisches Internationales

Privatrecht, Bern 2012, N 773; BSK IPRG-Eberhard/von Planta, Art. 151 N 7 m.H. auf die Rechtsprechung.

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für Statutenbestimmungen zu beachten sind. So wird bei Statuten grosser Gesellschaften tendenziell auf die Methodik der Gesetzesauslegung abgestellt, womit der erhöhten «Aussenwirkung» solcher Statuten Rechnung getragen werden soll; bei kleineren Gesellschaften sind die Grundsätze der Vertragsauslegung massgeblich.107 Weiter wird auch die bundesgerichtliche Rechtspre-chung zur Auslegung von Schiedsvereinbarungen heran-zuziehen sein. Demnach ist die objektive Tragweite der Schiedsklausel im Zweifel, d.h. bei einem uneindeutigen Auslegungsergebnis, weit auszulegen.108

1.3 Zeitliche Abgrenzung bei nachträglicher Einführung der Schiedsklausel

Wird die statutarische Schiedsklausel nicht bereits bei der Gründung, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt eingeführt, stellt sich die Frage, welche Streitigkeiten ihrer objektiven Tragweite in zeitlicher Hinsicht unter-stehen.109 Insbesondere fragt sich, ob es der Generalver-sammlung unter Art. 357 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. 697n Abs.  2 E-OR NR frei stehen soll, zu bestimmen, dass sich die Schiedsklausel nicht nur auf künftige, sondern auch auf bereits bestehende Streitigkeiten beziehen soll. Eine Streitigkeit gilt als bestehend, sobald erstmals ab-weichende Positionen bezogen und mitgeteilt werden.110

Im Schrifttum werden gemeinhin zwei Formen der Schiedsvereinbarung unterschieden. Während mit dem Schiedsvertrag (compromis) bereits bestehende Strei-tigkeiten der Schiedsgerichtsbarkeit unterstellt werden, umfasst die Schiedsklausel (clause compromissoire) ledig-lich mögliche zukünftig entstehende Streitigkeiten.111 Im ausser Kraft getretenen KSG war noch explizit geregelt, dass sich eine Schiedsklausel nur auf künftige Streitigkei-ten beziehen kann.112 Auch wenn der Bundesgesetzgeber bei der Schaffung der geltenden Schiedsgerichtsgesetze keinen Bedarf mehr für diese Unterscheidung sah, wird die Terminologie vom Bundesgericht unter Art.  357 Abs. 1 ZPO nach wie vor verwendet.113 Mit der vorge-schlagenen Regelung erhält sie insofern wieder an Be-deutung, als Art. 697n und Art. 704 Abs. 1 Ziff. 12 E-OR NR ausdrücklich von einer «Schiedsklausel» sprechen.

107 BGE 140 III 349 E.  2.3; BGer 4A_600/2016 vom 29. Juni 2017 E.  3.3.4.1. Für statutarische Schiedsklauseln bereits BGer 4A_ 344/2017 vom 21. Dezember 2017 E.  3.1. Dazu Allemann/von der Crone (FN 7), 219.

108 BGE 140 III 134 E. 3.2; BGE 138 III 29 E. 2.3.1; BGE 116 Ia 56 E. 3b. Im Zusammenhang mit statutarischen Schiedsklauseln Meier (FN 3), N 513.

109 Dies betrifft namentlich keine Frage der zeitlichen Tragweite der Schiedsklausel (ratione temporis). Ähnlich Stefanie Pfisterer, Die Befristung der Schiedsvereinbarung und die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts ratione temporis – eine Illusion?, in: Grolimund et al. (Hrsg.), Festschrift für Anton K. Schnyder zum 65. Geburtstag, Zürich 2018, 275–293, 278. Anders Meier (FN 3), N 514 f.

110 Vgl. ZPO Handkommentar-Rohner, ZPO 35 N 8. 111 BK-Pfisterer, ZPO 357 N 4; KUKO-Dasser, ZPO 357 N 2.112 Art. 4 Abs. 3 KSG.113 BGer 4A_515/2012 vom 17. März 2013 E. 5.2.

Fusionsgesetzes (Klage auf Überprüfung der Anteils- und Mitgliedschaftsrechte, Art. 105 FusG; Anfechtungs-klage, Art. 106 FusG; Verantwortlichkeitsklage, Art. 108 FusG) zu qualifizieren sein. Weil bei diesen Klagen zu-meist mehrere Rechtsträger bzw. Anteilsinhaber ver-schiedener Gesellschaften involviert sind, ist allerdings zu verlangen, dass die Statuten der an der Umstrukturie-rung beteiligten Rechtsträger identische Schiedsklauseln enthalten,99 womit im Ergebnis wenig Anwendungspo-tential für die Schiedsgerichtsbarkeit besteht.

Nicht von der Schiedsklausel erfasst werden bereits man-gels Schiedsfähigkeit Organisationsmängelverfahren (Art. 731b OR) sowie Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (z.B. Art. 697c Abs. 2 E-OR NR).100 Bei letzteren fehlt es denn auch ohnehin an einer «Streitig-keit». Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der schuldrechtlichen Komponente der Rechtsbeziehung zwischen Organ und Gesellschaft, z.B. solche aus Auf-trag oder Arbeitsvertrag, sind nicht gesellschaftsrechtli-cher Natur und unterstehen daher nicht der Schiedsklau-sel.101 Gleiches gilt für schuldrechtliche Streitigkeiten unter den Aktionären102 und für solche aus Umstruktu-rierungsverträgen.

1.2 Abweichende statutarische Regelung

Die gesetzliche Regelung der objektiven Tragweite der Schiedsklausel steht unter dem Vorbehalt anderweiti-ger statutarischer Regelung, obwohl dies in Art.  697n Abs.  1 E-OR NR nicht ausdrücklich erwähnt wird.103 Der Generalversammlung steht es in maiore minus frei, die objektive Tragweite einzuschränken und gewisse der genannten Streitigkeiten der staatlichen Gerichtsbarkeit vorzubehalten (sog. Carve-outs104).105 Demgegenüber lässt sich die Schiedsklausel nicht auf Streitigkeiten aus-dehnen, die nicht gesellschaftsrechtlicher Natur sind, wie z.B. Streitigkeiten im Zusammenhang mit Aktionärbin-dungsverträgen. Diesbezüglich kommt der Gesellschaft keine Regelungskompetenz zu, und insoweit vermag Art.  697n Abs.  1 E-OR NR das Verbot statutarischer Nebenleistungspflichten nicht zurückzudrängen.106

Der Umfang eines Carve-out aus der gesetzlich vorgese-henen Tragweite ist durch Auslegung zu ermitteln, wo-bei die vom Bundesgericht entwickelten Sonderregeln

99 Zur fehlenden Bindungswirkung der Schiedsklausel gegenüber Dritten hinten Ziff. V.2.1.

100 Vgl. vorn Ziff. III.2.101 Gl.M. Meier (FN 3), N 512. 102 Botschaft Aktienrecht (FN 3), 547.103 So auch Botschaft Aktienrecht (FN 3), 547.104 Zu diesem Begriff etwa Christopher R. Drahozal/Erin

O’Hara O’Connor, Unbundling Procedure: Carve-Outs from Arbitration Clauses, Florida Law Review 2014, 1945–2006, 1950 ff.

105 Gl.M. Meier (FN 3), N 513; Killias (FN 26), 1062.106 Vgl. unter geltendem Recht Allemann/von der Crone (FN  7),

222; im Ergebnis gleich BGer 4A_344/2017 vom 21. Dezember 2017 E. 3.3 und 3.4.

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gar nicht mehr Organ ist.118 Eine Ausnahme ist immer-hin für den Fall zu machen, dass die Schiedsklausel erst nach Ausscheiden der betroffenen Aktionäre oder Orga-ne eingeführt wird. Deren Bindung liesse sich mangels Teilhabe an der körperschaftlichen Sozialsphäre nicht (mehr) rechtfertigen.119

Weil statutarische Schiedsklauseln inskünftig auch durch Mehrheitsbeschluss eingeführt werden können, werden wie gesehen sämtliche Aktionäre von der Schiedsbin-dung erfasst, und zwar unabhängig davon, ob sie der Schiedsklausel zugestimmt haben.120 Damit ist insbeson-dere sichergestellt, dass sich die Gestaltungswirkung und die Rechtskraft einer Beschlussmängelklage (Art. 706 ff. OR) auch im Schiedsverfahren auf sämtliche Aktio-näre erstreckt,121 worauf noch zurückzukommen sein wird.122 Beim Erwerb vinkulierter Namenaktien gilt vor der Zustimmung der Gesellschaft nur als Aktionär i.S.v. Art.  697n Abs.  1 E-OR, wer unter der Vinkulierungs-ordnung von Art. 685c Abs. 1 und 2 bzw. Art. 685f OR bereits sachlegitimiert ist.123 Beispielsweise kann der Er-werber börsenkotierter vinkulierter Namenaktien vor der Zustimmung der Gesellschaft zwar eine Anfech-tungsklage erheben (Art. 706 OR),124 nicht aber auf Ein-berufung einer Generalversammlung klagen (Art.  699 Abs. 4 OR).125

Aus der Bindung der Aktiengesellschaft selbst ergibt sich namentlich die Bindung jener Aktionäre, welche im Rahmen einer Prozessstandschaft auf Leistung an die Gesellschaft klagen (z.B. Art.  756 Abs.  1 OR).126 Fällt die Gesellschaft in Konkurs, so werden die Konkurs-masse und allfällige Abtretungsgläubiger nach Art.  260 SchKG grundsätzlich auch unter Art. 697n E-OR NR an die Schiedsklausel gebunden bleiben.127 Bei der Verant-wortlichkeitsklage im Konkursfall (Art.  757 OR) kön-nen statutarische Schiedsklauseln allerdings aufgrund der sog. Raschein-Doktrin des Bundesgerichts weder der Konkursmasse noch den Abtretungsgläubigern entge-gengehalten werden.128 Daran dürfte sich auch unter der Geltung von Art. 697n E-OR NR nichts ändern, womit statutarische Schiedsklauseln für den praktisch wichtigs-ten Anwendungsfall der Verantwortlichkeitsklage auch

118 Im Ergebnis gleich Meier (FN 3), N 141; Bersheda (FN 29), 707. 119 Gl.M. Meier (FN 3), N 127; Bersheda (FN 29), 707. 120 Vorn Ziff. IV.1.2.121 Allemann/von der Crone (FN 7), 226.122 Hinten Ziff. VI.2.1. 123 Ausführlich Böckli (FN 7), § 6 N 135 ff. und 304 ff.124 Böckli (FN 7), § 6 N 143. 125 Böckli (FN  7), §  6 N  143a; Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel

(FN 7), § 44 N 218.126 Allemann/von der Crone (FN 7), 226; Meier (FN 3), N 501. 127 BGE 136 III 107 E. 2.5.128 BGE 136 III 107 E. 2.5. Dazu Büchler/von der Crone (FN 7),

266; Mauerhofer (FN  7), 22. Zur Raschein-Doktrin statt aller CHK-Binder/Roberto, OR 757 N 6.

Damit wird klargestellt, dass statutarische Schiedsklau-seln nur für künftige und nicht für bereits bestehende Streitigkeiten erlassen werden können.114 Neben dem grammatikalisch-historischen Element spricht für die-se Auslegung auch ein teleologisches: Nach Entstehen der Streitigkeit wandelt sich die körperschaftsrechtliche Sozialsphäre zu einem Zweiparteienverhältnis bzw., mit Anhängigmachung der Klage, zu einem Prozessrechts-verhältnis zwischen Kläger und Beklagtem, das vom Grundsatz der Waffengleichheit geprägt ist und die Par-teien zu einem Prozessverhalten nach Treu und Glau-ben verpflichtet.115 Die Parteien der konkreten Streitig-keit sind deshalb in ihren legitimen Erwartungen in den Streitbeilegungsmechanismus zu schützen. Geradezu rechtsmissbräuchlich wäre es beispielsweise, den klagen-den Minderheitsaktionär in einem rechtshängigen Ge-richtsverfahren mittels Einführung einer Schiedsklausel durch Mehrheitsbeschluss ohne dessen Zustimmung zu zwingen, ein Schiedsverfahren einzuleiten und mit der Rechtsdurchsetzung nochmals von vorne zu beginnen.

2. Subjektive Tragweite

2.1 Gesetzliche Regelung

Art. 697n Abs. 1 E-OR NR sieht im Sinne einer dispositi-ven Regelung vor, dass sich die Schiedsklausel in persön-licher Hinsicht (ratione personae) auf die Gesellschaft, die Aktionäre sowie die Organe und Organmitglieder erstreckt. Die subjektive Tragweite ist im Einzelfall mit Blick auf die objektive Tragweite der Schiedsklausel zu konkretisieren, wobei Art.  697n Abs.  1 E-OR NR de-ckungsgleich zur Sachlegitimation auszulegen ist, wie sie sich aus dem Aktienrecht ergibt. Denn die Schiedsklau-sel soll dem materiellen Recht zum Durchbruch verhel-fen und hat insofern eine «dienende» Funktion.116 Da-mit lassen sich namentlich Abgrenzungsprobleme lösen, die aus zeitlichen Diskrepanzen in der Aktionärs- bzw. Organstellung entstehen. So ist es etwa bei der Verant-wortlichkeitsklage eine Selbstverständlichkeit, dass als passivlegitimiertes Organ auch gilt, wer sein Amt zwi-schenzeitlich niedergelegt hat, abberufen oder nicht wie-dergewählt wurde, sofern eine während der Amtsdauer begangene Pflichtverletzung geltend gemacht wird.117 Folglich ist gegen das bereits ausgeschiedene Verwal-tungsratsmitglied selbst dann ein Schiedsverfahren ein-zuleiten, wenn es im Zeitpunkt der Einleitungsanzeige

114 Im Ergebnis gleich Meier (FN 3), N 515. Im Kontext einseitiger Schiedsklauseln bereits Ulrich Haas/Jeffrey Brosi, Einseitige, insbesondere testamentarische Schiedsklauseln nach der (geplanten) Reform zur Internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, ZZPInt 2016, 323–349, 324.

115 Vgl. etwa BGE 138 III 225 E. 3.1; BGE 130 III 396 E. 1.2.3.116 Vgl. BGE 139 III 457 E. 4.4.3.3; BGE 116 II 21 E. 3; Guldener

(FN 4), 52 f.117 Vgl. BSK OR II-Gericke/Waller, Art. 754 N 11.

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Wie gesehen, geht mit einer Einschränkung der subjek-tiven Tragweite zwangsläufig eine Spaltung des Rechts-wegs einher, die im Einzelfall unerwünscht sein kann.138 Eine Differenzierung der Bindungswirkung nach ver-schiedenen Aktionären bzw. Aktionärsgruppen dürfte sich mit dem aktienrechtlichen Gleichbehandlungs-grundsatz i.d.R. ohnehin nicht vereinbaren lassen (vgl. Art.  706 Abs.  2 Ziff.  3 OR).139 Zur Sicherstellung der einheitlichen Erstreckung der Rechtskraft eines guthei-ssenden Schiedsspruchs auf alle Aktionäre muss sie im Zusammenhang mit Beschlussmängelklagen von vornhe-rein ausgeschlossen sein (Art. 706 Abs. 5 OR).140

2.3 Vereinbarkeit mit Art. 6 Ziff. 1 EMRK

a. Rechtsprechung des EGMR

Die weitreichende subjektive Tragweite statutarischer Schiedsklauseln nach der dispositiven Regelung von Art.  697n Abs.  1 E-OR NR wirft die Frage nach der Vereinbarkeit mit Art.  6 Ziff.  1 EMRK auf, welcher das Recht auf Zugang zu einem staatlichen Gericht ga-rantiert. Der EGMR geht im Zusammenhang mit der Schiedsgerichtsbarkeit in konstanter Rechtsprechung davon aus, dass das Zugangsrecht disponibel ist.141 Vo-rausgesetzt wird allerdings, dass der Verzicht auf den staatlichen Richter freiwillig und unzweideutig («sans équivoque») erfolgt und dass im Schiedsverfahren gewis-se Mindestgarantien gewährleistet sind.142

Wird die Schiedsklausel bereits bei der Gründung in die Statuten aufgenommen, erfüllen die Gründungsaktionä-re diese Anforderungen aufgrund des Einstimmigkeits-erfordernisses von Art. 629 Abs. 1 OR ohne weiteres.143 Unproblematisch verhält es sich auch im Verhältnis zu später hinzukommenden Aktionären, welche sich durch den Aktienerwerb, wie gesehen, auch einer bestehenden Schiedsklausel unterwerfen.144 Für diese Konstellation hat der EGMR die Vereinbarkeit der Schiedsbindung mit Art. 6 Ziff. 1 EMRK denn auch ausdrücklich bestätigt: Im Urteil Lundgren erwog er hinsichtlich der Schieds-klausel in den Statuten eines Gewerkschaftsverbands, dass es für den Beschwerdeführer voraussehbar gewesen sei, dass Streitigkeiten durch ein Schiedsgericht erledigt würden, zumal die Schiedsklausel vor seinem Beitritt

138 So auch Killias (FN 26), 1062; Meier (FN 3), N 503. 139 Allemann/von der Crone (FN  7), 227; Meier (FN  3), N  518.

Vgl. auch Chabloz (FN 25), 12.140 Allemann/von der Crone (FN 7), 227. Dazu hinten Ziff. VI.2.1.141 Etwa EGMR no. 28101/95 (Nordstrom-Janzon) vom 27. Novem-

ber 1996, 115 f. Zum Ganzen Frank Meyer, in: Karpenstein/May-er (Hrsg.), EMRK Kommentar, 2. Aufl., München 2015, EMRK 6 N 59.

142 EGMR no. 41069/12 (Tabbane) vom 1. März 2016, § 25; no. 1742/05 (Eiffage SA et autres) vom 15. September 2009, 13; no. 10881/84 (R.), 101. Vgl. auch Ulrich Haas, Internationale Sportschiedsge-richtsbarkeit und EMRK, SchiedsVZ 2009, 73–84, 79.

143 Allemann/von der Crone (FN 7), 227.144 Allemann/von der Crone (FN 7), 227.

unter der vorgeschlagenen Regelung keine Bedeutung haben werden.129

Zu den Organen und den Mitgliedern der Organe gehö-ren der Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung, deren einzelnen Mitglieder sowie die Revisionsstelle, und zwar wiederum unabhängig davon, ob sie der Schiedsklausel zugestimmt haben.130 Entgegen der Botschaft131 wird die Generalversammlung nicht von der Schiedsbindung erfasst, da ihr in gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten die Sachlegitimation fehlt.132 Eine systematische Aus-legung von Art.  697n Abs.  1 E-OR NR mit Blick auf Art.  754 OR legt nahe, dass der Schiedsgerichtsbarkeit auch faktische Organe unterstehen.133

Demgegenüber sind Dritte nicht an die statutarische Schiedsklausel gebunden.134 Dies gilt insbesonde-re für die Gläubiger der Gesellschaft,135 aber z.B. auch für bereicherte Dritte bei der Rückerstattungsklage (Art.  678  E-OR NR) oder passivlegitimierte Personen bei der Gründungshaftung, denen keine Aktionärs- oder Organqualität zukommt (Art.  753 OR). In Konzern-verhältnissen lässt sich eine statutarische Schiedsklau-sel immerhin dann auf eine andere Konzerngesellschaft ausdehnen, wenn sie Aktionärin der betreffenden Ge-sellschaft ist oder als faktisches Organ zu qualifizieren ist.136 Aus der fehlenden Bindung Dritter kann sich im Einzelfall eine impraktikable Spaltung des Rechtswegs ergeben, die mit dem Entscheid zur Einführung einer Schiedsklausel allerdings in Kauf zu nehmen ist.

2.2 Abweichende statutarische Regelung

Gemäss Art. 697n Abs. 1 E-OR NR sollen die genannten Personengruppen der Schiedsklausel nur unterstehen, «[w]enn die Statuten es nicht anders bestimmen». Somit bleibt es der Generalversammlung unbenommen, in den Statuten eine differenzierte Bindungswirkung zu stipu-lieren.137 Weil sich die statutarische Regelungskompe-tenz der Gesellschaft allerdings nur auf die Sozialsphäre der Gesellschaft, mithin die Aktionäre und die Organe bzw. Organmitglieder erstreckt, fällt eine Erweiterung des gesetzlich vorgesehenen Personenkreises ausser Be-tracht. Dritte werden an die Schiedsklausel immerhin dann gebunden, wenn sie sich ihr freiwillig unterwerfen.

129 Gl.M. Killias (FN 26), 1067 f.; Meier (FN 3), N 508. 130 Botschaft Aktienrecht (FN  3), 547; Allemann/von der Crone

(FN 7), 226.131 Botschaft Aktienrecht (FN 3), 547.132 Allemann/von der Crone (FN 7), 226. 133 Allemann/von der Crone (FN 7), 226 f. Gl.M. unter geltendem

Recht Meier (FN 3), N 139. Zum funktionalen Organbegriff BSK OR II-Gericke/Waller, Art. 754 N 5.

134 Gl.M. Meier (FN 3), N 142 f.; Chabloz (FN 25), 12.135 Allemann/von der Crone (FN 7), 227.136 Allemann/von der Crone (FN  7), 227. Ausführlich Meier

(FN 3), N 147 f. 137 Killias (FN 26), 1062; Allemann/von der Crone (FN 7), 227.

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der Mehrheitsaktionärin auf die Minderheitsaktionäre ging.152

b. Aktienrechtliches Mehrheitsprinzip vs. konventionsrechtliche Individualgarantie

Eine Schiedsbindung kraft Mehrheitsprinzips lässt sich auf den ersten Blick nur schwerlich mit der Konzeption von Art. 6 Ziff. 1 EMRK als Individualgarantie verein-baren.153 Die Problematik wurde auch in der Botschaft erkannt, wo die Anwendung des qualifizierten Quo-rums gerade mit dem Verzicht auf den staatlichen Rich-ter begründet wird.154 Allerdings wird sie damit noch keiner hinreichenden Lösung zugeführt. Dazu ist unter Art. 697n E-OR NR, ähnlich wie bei der Konversion in eine vertragliche Schiedsvereinbarung nach geltendem Recht, eine Umdeutung der Schiedsklausel in eine indi-viduelle Verzichtserklärung erforderlich. Dafür finden sich in der Rechtsprechung zwei Ansätze, die nachste-hend geprüft werden.

Der EuGH geht für statutarische Gerichtsstandsklau-seln unter Art. 25 EuGVVO bzw. Art. 23 LugÜ davon aus, dass der Verbleib eines nicht zustimmenden Aktio-närs in der Gesellschaft als stillschweigendes Akzept der Gerichtsstandsklausel zu deuten sei: Dadurch, dass er Aktionär der Gesellschaft bleibe, erkläre er sich mit der Gesellschaftssatzung und den Beschlüssen der Gesell-schaftsorgane einverstanden, selbst wenn sie nicht seine Zustimmung gefunden hätten.155 Diese Argumentation dürfte den Anforderungen des EGMR allerdings nur sel-ten genügen: Zunächst lässt sich dem blossen Verbleib in der Gesellschaft als passivem Verhalten i.d.R. keine un-zweideutige Verzichtserklärung entnehmen.156 Dieser Einwand gilt auch für die Begründung der Schiedsbin-dung der Organe. Sodann stehen dem Austritt der Akti-onäre aber auch regelmässig rechtliche und/oder tatsäch-liche Hürden im Weg, z.B. wenn die Aktien vinkuliert sind oder dafür kein eigentlicher Markt besteht.157 Inso-weit würde die Verzichtserklärung also auch nicht frei-willig erfolgen.

In der Rechtsprechung des Bundesgerichts findet sich teils die Fiktion einer antizipierten Zustimmung zu zu-künftigen Gesellschaftsbeschlüssen qua Beitritt zu einer Aktiengesellschaft überhaupt: «En entrant dans la socié-té, l’actionnaire se soumet sciemment à la volonté de la majorité et admet que celle-ci prenne des décisions qui le lient même si elle ne choisit pas la meilleure solution possible et fait éventuellement passer ses propres intérêts

152 Ritter (FN  2), 633; vgl. auch EGMR no. 1643/06 (Suda) vom 28. Oktober 2010, § 50.

153 Vgl. Ritter (FN 2), N 622.154 Botschaft Aktienrecht (FN 3), 548.155 EuGH Rs. C-214/1989 (Powell Duffryn plc) vom 10. März 1992,

§ 19. 156 A.M. Ritter (FN 2), 643 f.; wohl auch Meier (FN 3), N 201.157 Allemann/von der Crone (FN  7), 228; ähnlich Meier (FN  3),

N 201.

erlassen worden sei.145 Daraus lässt sich ableiten, dass der Verzicht auf den staatlichen Richter auch konklu-dent erfolgen kann,146 die Schiedsbindung aber voraus-sehbar sein muss.147 Diesem Erfordernis wird durch die Öffentlichkeit des Handelsregisters bereits hinreichend Rechnung getragen (Art. 930 OR); wie gesehen, kann die Voraussehbarkeit noch effektiver gewährleistet werden, wenn sich die statutarische Schiedsklausel nicht bloss aus den Belegen sondern direkt aus dem Handelsregisterein-trag ergibt.148 Ähnliche Überlegungen dürften wiederum auch für die Organe gelten, die sich im Gründungszeit-punkt oder später durch Wahlannahmeerklärung der Schiedsgerichtsbarkeit unterwerfen.

Wird die Einführung einer statutarischen Schiedsklausel erst nach der Gründung beschlossen, so ist fraglich, ob auch für all jene Aktionäre von einem rechtsgenüglichen Verzicht auf den staatlichen Richter auszugehen ist, die gegen die Einführung der Schiedsklausel gestimmt, sich der Stimme enthalten oder an der fraglichen Generalver-sammlung nicht teilgenommen haben. Die gleiche Pro-blematik stellt sich auch im Verhältnis zu den Organen. Der EGMR musste sich dazu noch nicht äussern, hat je-doch im Urteil Suda in einer vergleichbaren Konstella-tion eine Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK bejaht.149 Dort hatte die Generalversammlung die Vermögens-übertragung sämtlicher Aktiven auf die Mehrheitsaktio-närin unter anschliessender Auflösung der Gesellschaft beschlossen. Im Vermögensübertragungsvertrag wurde der Wert der Aktien festgesetzt, der u.a. Grundlage für die Abfindung der Minderheitsaktionäre bilden soll-te. Der Vermögensübertragungsvertrag enthielt eine Schiedsklausel, wonach die Minderheitsaktionäre die Klage auf Überprüfung des Werts der Aktien vor einem Schiedsgericht erheben mussten.150 Der EGMR befand, der Minderheitsaktionär habe nicht rechtsgültig auf den staatlichen Richter verzichtet; zum Schutz gegen eine «willkürliche Enteignung» durch die Mehrheit müss-ten ihm angemessene Verteidigungsmittel zugestanden werden.151 In der Lehre wird zu Recht hervorgehoben, dass sich diese Entscheidung nicht tel quel auf die Kon-stellation statutarischer Schiedsklauseln übertragen lässt, zumal es formell um die Ausdehnung einer vertraglichen Schiedsvereinbarung zwischen der Gesellschaft und

145 EGMR no. 22506/93 (Lundgren) vom 17. Mai 1995, E. 2.146 Vgl. im Zusammenhang mit anderen Teilgehalten von Art. 6 EMRK

Meyer (FN 141), EMRK 6 N 69, 114 und 190 m.w.H.147 Ähnlich Ritter (FN 2), N 630.148 Allemann/von der Crone (FN 7), 227. Vgl. auch vorn Ziff. IV.1.2.149 EGMR no. 1643/06 (Suda) vom 28. Oktober 2010, § 53 ff. Bestätigt

in EGMR no. 7398/07, no. 31244/07, no. 11993/08 und no. 3957/09 (Chadzitaskos and Franta) vom 27. September 2012, § 36 f.

150 EGMR no. 1643/06 (Suda) vom 28. Oktober 2010, § 6. Vgl. auch die Zusammenfassung des Sachverhalts bei Ritter (FN 2), 632.

151 EGMR no. 1643/06 (Suda) vom 28. Oktober 2010, § 55.

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Art.  697n Abs.  3 Satz 1 E-OR NR wiederholt den Grundsatz der Parteiautonomie ausdrücklich für sta-tutarische Schiedsklauseln, verlangt jedoch, dass solche Verfahrensregeln in den Statuten stipuliert werden. Da-mit wird neben der Vorhersehbarkeit164 nicht zuletzt die Beteiligung der Aktionäre an der Verfahrensgestaltung gewährleistet, die möglicherweise dereinst an einem Schiedsverfahren beteiligt sein werden. Für den diesbe-züglichen Beschluss der Generalversammlung ist wie-derum das qualifizierte Quorum massgeblich, denn mit der «Einführung einer statutarischen Schiedsklausel» i.S.v. Art. 704 Abs. 1 Ziff. 12 E-OR NR dürfte nicht nur die blosse Bekundung des Schiedswillens, sondern auch die Bestimmung des verfahrensrechtlichen Rahmens ge-meint sein, in dem sich das Schiedsverfahren abspielen soll. Allerdings kann das Erfordernis der statutarischen Regelung konsequenterweise nur für das Stadium vor Entstehen einer Streitigkeit gelten. Danach muss es den konkreten Verfahrensparteien unbenommen sein, bilate-ral spezifische Regeln für das jeweilige Schiedsverfahren zu vereinbaren, ohne dass es dazu jedes Mal einer Sta-tutenänderung durch die Generalversammlung bedürf-te. Letzteres hätte nicht zuletzt zur Folge, dass zwei wichtige Vorteile der Schiedsgerichtsbarkeit, die rasche Streiterledigung und die Flexibilität des Verfahrens,165 verloren gingen. Schliesslich erschiene es im Lichte der Verfahrensgarantien aber auch problematisch, wenn die Gesellschaft die Verfahrensregeln nach Entstehen der Streitigkeit durch Mehrheitsbeschluss nach Belieben, u.U. zum Nachteil der Gegenpartei, abändern könnte.166

Sollte Art. 697n E-OR NR Gesetz werden, wäre zu er-warten, dass sich aufgrund des starken Binnenbezugs167 als Schiedsordnung die Swiss Rules of International Arbi-tration der Schweizer Handelskammern168 durchsetzen werden, die sich namentlich für M&A-Schiedsverfahren bereits grosser Beliebtheit erfreuen.169 Im Hinblick auf die sogleich behandelten Klagen mit Wirkung erga om-nes wäre es wünschenswert, wenn die Schweizer Han-delskammern ergänzende Regeln für aktienrechtliche Schiedsverfahren erliessen.170

164 Vgl. Chabloz (FN 25), 14.165 Vgl. statt aller Girsberger/Voser (FN 162), N 71 ff.166 Ähnlich bereits vorn Ziff. V.I.3.167 Vgl. vorn Ziff. II.2.1. 168 Im Folgenden abgekürzt als: Swiss Rules, abrufbar unter: <https://

www.swissarbitration.org/files/33/Swiss-Rules/SRIA_EN_2017.pdf> (zuletzt besucht am 10. Juli 2018).

169 Tschäni/Frey/Müller (FN  1), N  153; Swiss Chambers’ Arbi-tration Institution, Commented Statistics 2015, August 2016, abrufbar unter: <https://www.swissarbitration.org/files/515/Stati stics/Commented%20Statistics%202015%20final%2020160810.pdf> (zuletzt besucht am 10. Juli 2018), 3.

170 Gl.M. Meier (FN  3), 445. «Ergänzende Regeln für gesellschafts-rechtliche Streitigkeiten» kennt etwa bereits die Deutsche Ins-titution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS), abrufbar unter: <http://www.disarb.org/de/16/regeln/dis-erg%C3%A4nzende-regeln-f%C3%BCr-gesellschaftsrechtliche-streitigkeiten-09-erges-id5> (zuletzt besucht am 10. Juli 2018).

avant ceux de la société et d’une minorité».158 Im Schrift-tum wurde dieser Ansatz für die Konstruktion eines Verzichts auf den staatlichen Richter verworfen, mit der Begründung, der im Aktienerwerb liegenden Verzichts-erklärung fehle es an der erforderlichen Bestimmtheit.159 Richtigerweise kommt es aber nur auf die Voraussehbar-keit der dereinstigen Schiedsbindung an.160 Die statuta-rischen Gestaltungsoptionen, darunter auch der Erlass einer Schiedsklausel, werden im Gesetz aufgeführt. Der Aktienerwerb bringt es unter Art.  697n E-OR NR er-kennbar mit sich, dass die Generalversammlung für die gesellschaftsrechtliche Streitbeilegung möglicherweise dereinst die Schiedsgerichtsbarkeit wählt.161 Ähnlich wie beim Abschluss einer bedingten Schiedsvereinbarung liegt im Aktienerwerb insoweit immer schon eine ein-seitige Verzichtserklärung. Vergleichbare Überlegungen gelten schliesslich für die Organe, die sich im Zeitpunkt der Wahlannahme der Anordnungskompetenz der Ge-sellschaft bezüglich des Streitbeilegungsmodus unter-werfen. Ob sich dieser Argumentation auch der EGMR anschliessen wird, wenn die statutarische Schiedsklausel einmal konkret zur Beurteilung steht, lässt sich im Lich-te der bisherigen Rechtsprechung allerdings nur schwer voraussagen.

VI. Gestaltung des Schiedsverfahrens

1. Grundsatz der Parteiautonomie

Für die Verfahrensgestaltung gilt in der Schiedsgerichts-barkeit der Grundsatz der Parteiautonomie (Art.  373 Abs.  1 lit.  a ZPO).162 Dem Schiedsgericht kommt nur eine subsidiäre Verfahrenshoheit zu, sofern und so-weit die Parteien das Verfahren im Rahmen der lex ar-bitri nicht selbst geregelt haben (Art. 373 Abs. 2 ZPO), insbesondere durch Verweisung auf die Verfahrens-ordnung einer Schiedsinstitution (Art. 373 Abs. 1 lit. b ZPO). Schranken der Verfahrensautonomie bilden die in Art. 373 Abs. 4 ZPO genannten Minimalgarantien, na-mentlich die Gleichbehandlung der Parteien, das rechtli-che Gehör und der Anspruch auf ein kontradiktorisches Verfahren.163

158 BGer 4C.419/2006 vom 19. April 2007 E. 3. Ähnlich BGE 136 III 278 E. 2.2.2 m.w.H. Zum Ganzen Peter Böckli, Stimmenmehrheit unter Verdacht: Wege und Irrwege im aktienrechtlichen Minderhei-tenschutz, SZW 2016, 444–463, 444 f.

159 Ritter (FN 2), N 640 f.160 Vgl. vorn Ziff. V.2.3.1.161 Ähnlich BSK IPRG-Gränicher, Art. 178 N 70a; Allemann/von

der Crone (FN 7), 228. 162 Zum Ganzen Daniel Girsberger/Nathalie Voser, International

Arbitration. Comparative and Swiss Perspectives, 3. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2016, N 907 ff.; BSK ZPO-Habegger, Art. 373 N 7 ff.

163 Vgl. KUKO-Dasser, ZPO 373 N 10 ff.

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in der Schiedsgerichtsbarkeit aufgrund der fehlenden Öffentlichkeit des Verfahrens noch akuter, weshalb eine solche Informationspflicht im Hinblick auf die Rechts-krafterstreckung unabdingbar erscheint.176 Anders als noch im Vorentwurf muss die Informationspflicht nach Art. 697n Abs. 3 E-OR NR nicht zwingend durch den Verwaltungsrat wahrgenommen werden. Sie kann statu-tarisch auch an eine gesellschaftsinterne Stelle, z.B. eine Rechts- oder Investor-Relations-Abteilung, oder an eine Schiedsinstitution delegiert werden.177 Weil Art.  697n Abs. 3 E-OR NR den Aktionären ein Recht auf Teilnah-me an der Bestellung des Schiedsgerichts einräumt, kann die Information nicht erst durch das Schiedsgericht er-folgen.

Über die Einleitung des Schiedsverfahrens ist zur Wah-rung der Teilnahmerechte bereits unmittelbar nach Ein-gang der Einleitungsanzeige zu informieren, wobei den Aktionären von den wesentlichen Punkten der Klage Kenntnis zu geben ist. Zumindest auf Verlangen muss ihnen Einsicht in die Einleitungsanzeige gewährt wer-den. Auch bei der Information über die Beendigung des Schiedsverfahrens reicht es, wenn der wesentliche Inhalt des Schiedsspruchs mitgeteilt wird. Jenen Aktionären, die sich am Schiedsverfahren als Haupt- oder Nebenpar-teien beteiligt haben, ist der Schiedsspruch direkt durch das Schiedsgericht zuzustellen. Allen anderen Aktionä-ren ist der Schiedsspruch auf Anfrage immerhin dann of-fenzulegen, wenn die Klage gutgeheissen wurde, da sie diesfalls auch von dessen Rechtskraft erfasst werden.178 Weil sich die Tragweite des Dispositivs regelmässig erst nach Lektüre der Erwägungen erschliessen lässt, muss ihnen Zugang zum Volltext des Schiedsspruchs gewährt werden, vorbehältlich allfälliger Geschäftsgeheimnisse (vgl. Art. 697 Abs. 4, Art. 697a Abs. 3 E-OR NR).

2.3 Teilnahme am Schiedsverfahren

Soweit sich die Aktionäre nicht bereits bei der Einleitung des Schiedsverfahrens in (uneigentlicher) notwendiger Streitgenossenschaft als Hauptparteien konstituieren (Art.  376 Abs.  1 ZPO),179 soll ihnen gemäss Art.  697n Abs.  3 E-OR NR die Teilnahme am Schiedsverfahren als Intervenienten ermöglicht werden. Die Vorausset-zungen der Intervention sind für das Schiedsverfahren in Art. 376 Abs. 3 ZPO (dispositiv) geregelt. Eine Haupt-intervention ist allerdings mangels eines besseren, die übrigen Hauptparteien ausschliessenden Rechts180 von

176 Ähnlich Meier (FN 3), 533. 177 Gl.M. Meier (FN 3), N 533. 178 Vgl. vorn Ziff. VI.2.1.179 Vgl. BSK ZPO-Habegger, Art. 376 N 5; BK-Pfisterer, ZPO 376

N 9. Zur uneigentlichen notwendigen Streitgenossenschaft generell KUKO-Domej, ZPO 70 N 8 f.

180 Vgl. Guldener (FN 4), 315 f. Im Kontext der Schiedsgerichtsbar-keit Andrea Meier, Einbezug Dritter vor internationalen Schieds-gerichten, Diss. Zürich 2007 (=ZStP 201), 17.

2. Verfahrensregeln für Klagen mit Wirkung erga omnes

2.1 Anwendungsbereich

Art.  697n Abs.  3 E-OR NR stipuliert Mindestanfor-derungen an Schiedsverfahren, bei welchen neben den Hauptparteien weitere «Personen […] von den Rechts-wirkungen des Schiedsspruchs direkt betroffen sein können». Damit sind die aktienrechtlichen Gestal-tungsklagen mit Wirkung erga omnes gemeint, wozu insbesondere die Beschlussmängelklagen (Art.  706  ff. OR) und die Auflösungsklage (Art. 736 Ziff. 4 [E-]OR [NR]) zu zählen sind.171 Bei diesen Klagen erstrecken sich Gestaltungswirkung und Rechtskraft eines guthei-ssenden Urteils auf alle Aktionäre (Art. 706 Abs. 5 OR für die Anfechtungsklage),172 was bedingt, dass ihnen die Möglichkeit zur Einflussnahme auf das Urteil, mit-hin die Teilnahme am (Schieds-)Verfahren offen gestan-den hat.173 Gemäss Art.  697n Abs.  3 E-OR NR haben die Statuten für solche Klagen sicherzustellen, dass die Aktionäre über die Einleitung und die Beendigung des Schiedsverfahrens informiert werden und sich bei der Bestellung des Schiedsgerichts sowie am Verfahren als Intervenienten beteiligen können. Es ist zu erwarten, dass einer Schiedsklausel, die diese Minimalregelungen nicht enthält, die Eintragung in das Handelsregister ver-weigert würde, zumal dies offensichtlich und unzwei-deutig zwingendem Recht widerspricht.174 So oder so wären sie für das Schiedsgericht aber auch ohne statu-tarische Regelung verbindlich, denn es handelt sich um zwingende Verfahrensgrundsätze.

2.2 Informationspflicht

Die bereits im Vorentwurf enthaltene Pflicht zur In-formation über das Schiedsverfahren war im Zuge der Vernehmlassung gestrichen worden, offenbar mit der Begründung, dass eine solche auch im staatlichen Ver-fahren nicht bestehe.175 Allerdings ist die Problematik

171 Vgl. Miguel Sogo, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile des materiellen Rechts und ihre Auswirkungen auf das Verfahren, Diss. Zürich 2007 (=ZStV 152), 69 ff.

172 Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel (FN  7), §  25 N  62  ff. und § 55 N 104 f.; ZK-Tanner, OR 706 N 198 und 202; BSK OR II-Stäubli, Art. 736 N 28. Bei Abweisung der Klage erstreckt sich die Rechtskraft jedoch nur auf die Prozessparteien, vgl. BGE 122 III 279 E. 3c/bb; von der Crone (FN 74), § 8 N 205; ZK-Bürgi, OR 706 N 12.

173 Für die Teilnahme am staatlichen Verfahren BGE 142 III 629 E. 2.3.4 und 2.3.6. Im Kontext statutarischer Schiedsklauseln Rit-ter (FN 2), N 383; Mauerhofer (FN 7), 29; Büchler/von der Crone (FN 7), 264; Allemann/von der Crone (FN 7), 226.

174 Vgl. die Nachweise in FN 57.175 Botschaft Aktienrecht (FN 3), 548; Bericht vom 17. September 2015

zur Vernehmlassung zum Vorentwurf vom 28. November 2014 zur Änderung des Obligationenrechts (Aktienrecht), abrufbar unter: <https://www.bj.admin.ch/dam/data/bj/wirtschaft/gesetzgebung/aktienrechtsrevision14/ve-ber-d.pdf> (zuletzt besucht am 10.  Juli 2018).

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sehen soll. Dabei ist zu differenzieren: Den Nebeninter-venienten, die dem Schiedsverfahren bereits beigetreten sind und insoweit den Willen bekundet haben, von ihrem Teilnahmerecht Gebrauch zu machen, muss zwingend die Möglichkeit eingeräumt werden, auf die Schieds-richterbestellung Einfluss zu nehmen.190 Bei einem Dreierschiedsgericht betrifft dies namentlich die Wahl des Parteischiedsrichters. Ein Anspruch auf Bezeich-nung eines «eigenen» Schiedsrichters besteht allerdings nicht.191 Können sich die Hauptpartei und die auf ihrer Seite beigetretenen Nebenintervenienten nicht auf einen Schiedsrichter einigen, so kann das zuständige Gericht im Sitzkanton des Schiedsgerichts auf entsprechendes Begehren den Parteischiedsrichter oder sogar sämtliche Mitglieder des Schiedsgerichts ernennen (Art. 362 Abs. 2 ZPO i.V.m. Art. 697n Abs. 3 E-OR NR).192 Viele Schied-sordnungen sprechen den Schiedsinstitutionen für einen solchen Fall entsprechende Kompetenzen zu.193

Soweit der Verfahrensbeitritt erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt und das Schiedsgericht bereits gebildet ist, hat der Nebenintervenient die Schiedsrichter kon-sequenterweise zu akzeptieren.194 Damit die Einfluss-nahme auf die Schiedsrichterbestellung nicht illusorisch wird – auf Klägerseite erfolgt die Ernennung des Partei-schiedsrichters regelmässig bereits in der Einleitungsan-zeige  – muss den Aktionären allerdings mit der Infor-mation über das Schiedsverfahren195 eine Minimalfrist gesetzt werden, innert der ein Verfahrensbeitritt unter Mitspracherecht bei der Schiedsrichterbestellung noch möglich ist.196 Nach Ablauf dieser Frist ist von der Ver-wirkung des Rechts auf Beteiligung an der Schiedsrich-terbestellung auszugehen, andernfalls es der nachträglich beitretende Nebenintervenient in der Hand hätte, eine Neubestellung des Schiedsgerichts auszulösen.197

Soweit die Aktionäre dem Schiedsverfahren nicht als Ne-benintervenienten beitreten, kann sich die Beteiligung an der Schiedsrichterbestellung nach hier vertretener Mei-nung auf ein Minimum beschränken, z.B. auf die Mitwir-kung beim Erlass einer statutarischen Schiedsklausel, die auf die Schiedsrichterliste einer Schiedsinstitution ver-weist.

190 Gl.M. Meier (FN 3), N 537. Unter geltendem Recht Berger/Kel-lerhals (FN 7), N 834; BSK ZPO-Habegger, Art. 362 N 27. A.M. Killias (FN 26), 1066.

191 Etwa BK-Boog/Stark-Traber, ZPO 362 N  35; BK-Pfisterer, ZPO 376 N 53.

192 Vgl. Berger/Kellerhals (FN 7), N 838.193 Z.B. Art. 3.5 Swiss Rules. Dazu BK-Pfisterer, ZPO 376 N 53.194 Gl.M. BK-Pfisterer, ZPO 376 N  55; BSK ZPO-Habegger,

Art. 376 N 43; Berger/Kellerhals (FN 7), 841. 195 Vorn Ziff. VI.2.2.196 Gl.M. Meier (FN 3), N 438; Ritter (FN 2), 342.197 Ähnlich BK-Pfisterer, ZPO 376 N 55.

vornherein nicht denkbar,181 womit nur die Nebenin-tervention in Betracht fällt.182 Das Erfordernis der ein-heitlichen Zuständigkeit des Schiedsgerichts für die Hauptparteien und die Nebenintervenienten ist mit der statutarischen Schiedsklausel erfüllt.183 Eine zusätzli-che Genehmigung der Nebenintervention durch das Schiedsgericht ist – entgegen dem Wortlaut von Art. 376 Abs.  3 ZPO  – bereits de lege lata nicht notwendig,184 wird jedoch bisweilen in institutionellen Schiedsordnun-gen verlangt.185 Weil die Aktionäre aufgrund der Rechts-krafterstreckung eines gutheissenden Schiedsspruchs durch den Verfahrensausgang unmittelbar berührt sind, darf ihre Teilnahme unter Art.  697n Abs.  3 E-OR NR allerdings zwingend nicht von der Zustimmung des Schiedsgerichts abhängig gemacht werden.

Aus dem gleichen Grund müssen die Nebeninterveni-enten das Schiedsverfahren unabhängig von der unter-stützten Hauptpartei führen können, sodass ihre Ver-fahrenshandlungen auch gegen den Widerspruch der Hauptpartei wirksam und beachtlich sind (sog. streit-genössische Nebenintervention).186 Bei einem nachträg-lichen Verfahrensbeitritt nimmt der Nebenintervenient das Verfahren allerdings in der Lage auf, in der er es vor-findet; insofern erfolgt keine Wiederholung des Schieds-verfahrens.187 Auch eine Schiedsbeschwerde kann der Nebenintervenient gegen den Willen der unterstützen Hauptpartei erheben, sofern er am Schiedsverfahren teil-genommen hat oder aber keine Möglichkeit zur Teilnah-me erhalten hat (Art. 76 Abs. 1 lit. a BGG).188

Der Generalversammlung steht es aufgrund der Verfah-rensautonomie frei, anderweitige, allenfalls dem staat-lichen Verfahren unbekannte Beteiligungsformen mit gleichwertigen Teilnahmerechten vorzusehen,189 wie z.B. die Möglichkeit eines nachträglichen Beitritts als Haupt-partei.

2.4 Beteiligung an der Schiedsrichterbestellung

Art.  697n Abs.  3 E-OR NR sieht vor, dass sich neben den Hauptparteien sämtliche Aktionäre an der Bestel-lung des Schiedsgerichts «beteiligen» können müssen, ohne jedoch zu spezifizieren, wie diese Beteiligung aus-

181 Meier (FN 3), N 421. 182 Dazu Guldener (FN 4), 306 ff.; Meier (FN 180), 36 f. Nach um-

strittener Meinung ist die Nebenintervention nicht von Art.  376 Abs. 3 ZPO erfasst, vgl. BSK ZPO-Habegger, Art. 376 N 31; BK-Pfisterer, ZPO 376 N 31. A.M. KUKO-Dasser, ZPO 376 N 12.

183 Meier (FN  3), N  422; Allemann/von der Crone (FN  7), 226. Ähnlich Killias (FN 26), 1066.

184 BK-Pfisterer, ZPO 376 N  9; BSK ZPO-Habegger, Art.  376 N 58. A.M. KUKO-Dasser, ZPO 376 N 15.

185 Z.B. Art. 4.2 Swiss Rules.186 Für das staatliche Verfahren BGE 142 III 629 E 2.3.4. Für das

Schiedsverfahren z.B. BSK ZPO-Habegger, Art. 376 N 57. 187 BK-Pfisterer, ZPO 376 N 34.188 Für die Einlegung von Rechtsmitteln im staatlichen Verfahren BGE

142 III 629 E 2.3.7.189 Vgl. KUKO-Dasser, ZPO 376 N 2.

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eingeschätzt worden.201 Nach der hier vertretenen Auf-fassung ist die explizite Regelung statutarischer Schieds-klauseln allein schon im Interesse der Rechtsklarheit aus-drücklich zu begrüssen. Von der Regelungsbedürftigkeit zu unterscheiden ist alsdann die Frage, ob es für eine Aktiengesellschaft auch sachgerecht ist, eine statutari-sche Schiedsklausel zu erlassen. Ob sich die gemeinhin als Vorzüge genannten Eigenheiten der Schiedsgerichts-barkeit – darunter die Vertraulichkeit des Verfahrens und die Möglichkeit der Wahl u.a. spezialisierter Wirtschafts-anwälte als Schiedsrichter202  – auch positiv auf die ge-sellschaftsrechtliche Streiterledigung auswirkt, wird im Einzelfall unterschiedlich zu beurteilen sein. Zu Recht in Zweifel gezogen wurde die These der Botschaft, dass die Schiedsgerichtsbarkeit zur Verbesserung des Min-derheitenschutzes beitrage,203 zumal die Kosten oft ein Vielfaches der staatlichen Gerichtskosten betragen und es an der Möglichkeit der unentgeltlichen Rechtspflege fehlt.204 Die Abwägung dieser Vor- und Nachteile ist letztlich der Generalversammlung zu überlassen. Dabei wird sich die Interessenlage für personenbezogene Ak-tiengesellschaften mit kleinem und stabilem Aktionärs-kreis naturgemäss anders gestalten als für Publikums-gesellschaften mit Publizitätspflichten, breit gestreutem Aktionariat und aktivem Handel der Aktien.205

201 Befürwortend etwa Habegger/Besson (FN  14), 674; Meier (FN 3), N 539, m.H. auf die Vernehmlassungsantworten; wohl auch Chabloz (FN  25), 12; Killias (FN  26), 1061  f. Kritisch Peter Böckli, Kritischer Blick auf die Botschaft und den Entwurf zur Aktienrechtsrevision 2016, GesKR 2/2017, 133–151, 149  ff.; von der Crone/Angstmann (FN 28), 19.

202 Vgl. statt aller Girsberger/Voser (FN 162), N 71 ff.203 Botschaft Aktienrecht (FN 3), 545.204 Böckli (FN 201), 151; von der Crone/Angstmann (FN 28), 19.205 So auch Frey/Christen (FN  8), 241. Ähnlich Killias (FN  26),

1068.

VII. Fazit und Würdigung

Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass die Imple-mentierung der statutarischen Schiedsklausel Auswir-kungen auf eine Reihe schieds- und aktienrechtlicher Bestimmungen zeitigt. Insgesamt haben Bundes- und Nationalrat mit Art.  697n E-OR NR eine klare und praktikable Regelung für «echte» statutarische Schieds-klauseln vorgeschlagen, die sich gut in die bestehende Schieds- und Aktienrechtslandschaft einfügt. Positiv zu beurteilen ist namentlich die einheitliche Anknüpfung der lex arbitri, die dispositive gesetzliche Regelung der Tragweite der Schiedsklausel sowie die Festlegung von Minimalanforderungen an Verfahren betreffend akti-enrechtliche Gestaltungsklagen. Soweit unter Art. 697n E-OR NR das aktienrechtliche Mehrheitsprinzip zum rechtsgeschäftlichen Bindungsmechanismus der Schieds-klausel erhoben wird, erfolgt eine Abkehr von der kon-traktuellen Legitimation der Schiedsgerichtsbarkeit. Dies ist zwar ein Paradigmenwechsel, darf aber nicht überbewertet werden. Auch die Minderheitsaktionäre nehmen mit dem Beitritt zu einer Kapitalgesellschaft in Kauf, dass für die Streitbeilegung möglicherweise der-einst die Schiedsgerichtsbarkeit gewählt wird. Die Ein-führung einer Schiedsklausel durch Mehrheitsbeschluss ist insoweit keine unstatthafte «Schiedsunterwerfung Dritter»,198 sondern ebenfalls Ausdruck der Parteiauto-nomie, einfach in ihrer gesellschaftsrechtlichen Ausprä-gung.199 Ein Wermutstropfen bleibt insofern, dass die Vereinbarkeit mit Art. 6 Ziff. 1 EMRK in der Strassbur-ger Rechtsprechung nicht abschliessend geklärt ist, wo-ran der Schweizer Gesetzgeber allerdings nichts zu än-dern vermag.

Anders als im europäischen Ausland, wo die Schiedsge-richtsbarkeit im gegenwärtigen politischen Diskurs in der Kritik steht,200 ist die vorgeschlagene Regelung in den bisherigen parlamentarischen Beratungen und auch in der medialen Berichterstattung kaum diskutiert worden. Dies hat nicht zuletzt damit zu tun, dass die Schiedsge-richtsbarkeit in der Schweiz gut etabliert ist. Im Schrift-tum ist ihre rechtspolitische Wünschbarkeit für die ak-tienrechtliche Streitbeilegung dennoch unterschiedlich

198 Begriff bei Haas/Brosi (FN 114), 238. 199 Gl.M. unter geltendem Recht BSK IPRG-Gränicher, Art.  178

N 70a; Ritter (FN 2), 663; Meier (FN 3), N 213. Im Kontext von Art.  23 LugÜ etwa Ulrich Haas, Schiedsgerichte in Erbsachen und das New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche, SchiedsVZ 2011, 289–301, 292.

200 Vgl. etwa Petra Pinzler, Geheim klagt sich’s immer noch am bes-ten, Die Zeit, 14. Juni 2018, abrufbar unter: <https://www.zeit.de/wirtschaft/2018-06/schiedsgerichte-europaeische-energiecharta-klage-staaten-umweltschutz-ttip> (zuletzt besucht am 10. Juli 2018); Reinhard Gaier, Schiedsgerichte  – Nützliche Konkur-renz?, FAZ, 24. Juni 2016, abrufbar unter: <http://www.faz.net/aktuell/politik/staat-und-recht/gastbeitrag-schiedsgerichte-nuetz liche-konkurrenz-14075395.html> (zuletzt besucht am 10. Juli 2018).