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Veröffentlicht in: DAJEB Informationsrundschreiben 228/2014 Stefan Schumacher Emotionale Balance und Selbstwirksamkeit: Das EmoBalModell Die Arbeit mit Kernemotionen in Beratung und Coaching Zur Genese des Modells In meiner Tätigkeit als psychologischer Berater, Kommunikationstrainer, Coach und Supervisor beschäftigt mich seit vielen Jahren die Frage der emotionalen Balance. In der Begleitung von Menschen mit Schwierigkeiten, bei Problemen, während Krisensituatio‐ nen oder Lebensumbrüchen sind die emotionalen Zustände ein zentraler Ankerpunkt für Veränderung. Ohne Zustandsveränderung gibt es kaum gute Ideen, neue Perspekti‐ ven alternative Lösungswege, aber auch selten Akzeptanz oder Versöhnung. Wenn es in Begleitungsprozessen um Gefühle geht, sind häufig gar nicht die Emotionen angesprochen, sondern vielmehr Mischformen gefühlter Kognitionen oder Verhaltens‐ muster. Ein Beispiel: „Wie fühlen Sie sich in der Situation?“ „Ich fühle mich von meinem Partner ausgenutzt! Ich merke dann, dass ich mich unsicher fühle.“ Ist ausgenutzt werden ein Gefühl? Nein, es ist das Verhalten eines anderen. Ist Unsicher‐ heit ein Gefühl? Nein, es ist eine Kognition. Aber was fühlt dann die betroffene Person eigentlich? Welche Emotionen sind in Problemsituationen tatsächlich beteiligt? Wie kann ich das sortieren und einordnen? Lassen sich Gefühle überhaupt ersetzen, regulie‐ ren oder balancieren? Um diese Fragen zu beantworten ist es zunächst wichtig, ein paar Unterscheidungen zu treffen um eine gewisse sprachliche Klarheit zu ermöglichen. In einem ersten Schritt möchte ich grundsätzlich vier „Gefühls“‐Kategorien unterscheiden: 1. Es gibt Gefühle im Sinne des kinästhetischen Fühlens. Hierbei handelt es sich um unser Sinnesorgan. Ich „fühle“ im Sinne des Spürens und Tastens oder bemerke Muskelspannung oder Temperatur. Mit Emotionen hat das zunächst nichts zu tun. 2. Es gibt die Grund‐Gefühle im Sinne des primären reinen emotionalen Erlebens. Sie werden gleich als sogenannte Kernemotionen vorgestellt. Dazu gehören Angst, Wut, Schmerz und Lust. Diese Primär‐Gefühle sind grundlegend emotional ohne kognitive Zugabe – es spielt also noch kein Gedanke eine Rolle für den Er‐ regungszustand. Neurobiologisch ausgedrückt: Jenes emotionale Erleben wird nicht im Frontallappen hervorgerufen, sondern in entwicklungsgeschichtlich ur‐ sprünglicheren Gehirnregionen. 3. Es gibt emotionale Zustände im Sinne einer Mischung von Emotion und Kogniti‐ on. Der mentale Zustand ist dabei fest mit einer der vier Grundemotionen veran‐

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StefanSchumacher

EmotionaleBalanceundSelbstwirksamkeit:

DasEmoBal‐Modell

DieArbeitmitKernemotioneninBeratungundCoaching

ZurGenesedesModells

In meiner Tätigkeit als psychologischer Berater, Kommunikationstrainer, Coach undSupervisorbeschäftigtmichseitvielenJahrendieFragederemotionalenBalance.InderBegleitungvonMenschenmitSchwierigkeiten,beiProblemen,währendKrisensituatio‐nen oder Lebensumbrüchen sind die emotionalen Zustände ein zentraler AnkerpunktfürVeränderung.OhneZustandsveränderunggibteskaumguteIdeen,neuePerspekti‐venalternativeLösungswege,aberauchseltenAkzeptanzoderVersöhnung.

WennesinBegleitungsprozessenumGefühlegeht,sindhäufiggarnichtdieEmotionenangesprochen, sondernvielmehrMischformengefühlterKognitionenoderVerhaltens‐muster.EinBeispiel:„WiefühlenSiesichinderSituation?“„IchfühlemichvonmeinemPartnerausgenutzt!Ichmerkedann,dassichmichunsicherfühle.“

IstausgenutztwerdeneinGefühl?Nein,esistdasVerhalteneinesanderen.IstUnsicher‐heiteinGefühl?Nein,es isteineKognition.AberwasfühltdanndiebetroffenePersoneigentlich? Welche Emotionen sind in Problemsituationen tatsächlich beteiligt? Wiekannichdassortierenundeinordnen?LassensichGefühleüberhauptersetzen,regulie‐renoderbalancieren?

UmdieseFragenzubeantwortenisteszunächstwichtig,einpaarUnterscheidungenzutreffen um eine gewisse sprachliche Klarheit zu ermöglichen. In einem ersten Schrittmöchteichgrundsätzlichvier„Gefühls“‐Kategorienunterscheiden:

1. EsgibtGefühleimSinnedeskinästhetischenFühlens.HierbeihandeltessichumunserSinnesorgan.Ich„fühle“imSinnedesSpürensundTastensoderbemerkeMuskelspannung oder Temperatur. Mit Emotionen hat das zunächst nichts zutun.

2. EsgibtdieGrund‐Gefühle imSinnedesprimären reinenemotionalenErlebens.Sie werden gleich als sogenannte Kernemotionen vorgestellt. Dazu gehörenAngst,Wut,SchmerzundLust.DiesePrimär‐GefühlesindgrundlegendemotionalohnekognitiveZugabe–esspieltalsonochkeinGedankeeineRollefürdenEr‐regungszustand. Neurobiologisch ausgedrückt: Jenes emotionale Erleben wirdnichtimFrontallappenhervorgerufen,sonderninentwicklungsgeschichtlichur‐sprünglicherenGehirnregionen.

3. EsgibtemotionaleZuständeimSinneeinerMischungvonEmotionundKogniti‐on.DermentaleZustandistdabeifestmiteinerdervierGrundemotionenveran‐

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kert. JeneGefühle lassensichambestenmitdemBegriffSekundäremotionum‐schreiben,weilsieAbleitungenvoneinerKernemotionsind.DazueinigeBeispie‐le:AggressionwirdgespeistausdemGrundgefühlWutundistmentalfastimmerauf eine Person oder Objekt ausgerichtet. Neugier beinhaltet die Kernemotionder Lust und ist kognitiv auf etwas ausgerichtet. Trauer beinhaltet die Grund‐emotiondesseelischenSchmerzesundisthäufigkognitivaneinePersonoderSi‐tuationgebunden.SchambeinhaltetdasGrundgefühlderAngstundistwiederumkognitivaneinegelerntesozialeDimensiongeknüpft.

4. EslassensichauchnochweitereemotionaleZuständeunterscheiden,diejedochkeine Sekundärgefühle sind,weil siemitmehrerenGrundemotionen gekoppeltseinkönnen.EingutesBeispielhierfüristdasWort„Liebe“.IstLiebeeinGefühl?OdergareineGrundemotion?Aberja!...würdensicherdiemeistensagenundna‐türlich ist Liebe ein stark emotionaler Begriff, aber eben keine Emotion. DennLiebegibtesaufverschiedeneArtenverknüpftmitemotionalenKernformen:EsgibtdieVerliebtheit,dieandieEmotionderLustgekoppelt ist.EsgibtdenLie‐beskummer,dermitSchmerzverbundenist.EsgibtdieHassliebe,dieinVerbin‐dungmitWutauftrittundschließlichdieEifersucht,dieanAngstgekoppelt ist.NocheinweiteresBeispielmagdiesverdeutlichen:„Gewalt“.DiemeistenvonunswürdenGewaltanWut,AggressionoderHasskoppeln.Undhäufigistesauchso.EsgibtaberauchGewalt,dievonVergnügengespeistwird–beispielsweisewennMenschen auf andere eintretenunddann sagen, siewollten „nur“ einbisschenSpaßhaben,oderGewalt,dieanSchmerzgebunden istund typisch istbeiVer‐nachlässigungoderVerwahrlosung,und letztlichGewalt,dieausAngstentstehtalseineArtFluchtnachvorn.ÄhnlichistesmitanderenBegriffenwie„Ekel“,deranSchmerz(ichmussmichschütteln)oderAngst(ichmussdieAugenschließen)gekoppelt sein kann oder „Nervosität“, die vonWut (ichwerde nochwahnsin‐nig!)oderAngst(ichbinschwerirritiert!)angetriggertseinkannoder„Entspan‐nung“,dievonmanchenalslustvoll,vonanderenalsAbwesenheitvonSchmerz,AngstoderWurtbeschriebenwird.

Fazit:BegrifflichlassensichunterdemWort„Gefühl“vierverschiedeneZusammenhän‐ge unterscheiden: Erstens das kinästhetische Gefühl, zweitens, das Primärgefühl alsKernemotion,drittensSekundärgefühlealsAbleitungeinesPrimärgefühlsundviertensemotionaleZustände,diemitunterschiedlichenKernemotionenverknüpftwerdenkön‐nen.

MitHilfe jener sprachlichenUnterscheidungendesBegriffs „Gefühl“konnte ich indenvergangenenJahrenaufderBasismehrererkommunikationspsychologischerKonzeptedasEmoBal‐Modell entwickeln,dasderArbeitmitEmotioneneineklareStrukturver‐leiht.DahinterstehtzumeinendasNeurolinguistischeProgrammieren,dasaufderBasisdes hypnotherapeutischen Ansatzes die Veränderung von emotionalen Zuständen insZentrumderArbeitrückt.1DazugehörtauchwesentlichderUnterschiedvonassoziier‐temunddissoziiertemErleben. Zu einerweiterenwichtigenVeröffentlichung imFelddesNLPgehörtderNeugier‐Erfolgs‐Loop,derunterderFrage„WasbeflügeltMotivati‐

1S.u.a.W.Walker:AbenteuerKommunikation.Perls,Satir,EricksonunddieAnfängedesNeurolinguistischenProgrammierens(NLP),(2010).

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on“ vier maßgebliche Grundzustände beschreibt, die das emotionale Erleben situativsteuern.2JenevierGrundzuständebildenindemEmoBal‐ModellderemotionalenBalan‐ceeineSchlüsselrolle.

Eine zweite Spur für die Arbeit mit Grundemotionen haben die Untersuchungen vonKlausSchererundseinerEmotionResearchGroup gelegt,dieseitvielen Jahren imBe‐reichderEmotionsforschungamCenterforAffectiveSciencesinGenfwirkt–undhiereinerseits,wasdiegrundsätzlicheFragevonEmotionenbetrifft3,aberauchwelcheemo‐tionalenZuständeinterkulturellallgemeingültigauszumachensind.4

Diedritteund letztlichmaßgeblicheErgänzungbasiert aufdenAnsätzender strategi‐schenKurzpsychotherapienachGiorgioNardone,dermethodischinderNachfolgevonPaulWatzlawick steht. In seinerArbeit unterscheidetdieBrief StrategicTherapyvierGrundemotionen,die in ihrerWirkungundBedeutung füreineentsprechendeProble‐matikherausgearbeitetwerdenundunterschiedlicheInterventionstechnikenerfahren.5

ImZentrumderfolgendenModellbeschreibungliegennundieKernemotionenundihreAusprägungsformen.DazugehörtalswichtigstesKriteriumdieSteuerbarkeit:MasteringEmotions‐WielassensichEmotionenregulieren?-IchunterscheideinderpraktischenArbeitinzweierleiHinsicht:

1. Ist das emotionale Empfinden dissoziiert oderassoziiert?

2. Ist das emotionale Erleben übersteuert oder un‐tersteuert?

Dissoziierte Wahrnehmung gilt für alle Gefühle glei‐chermaßen. Wenn ich von meinen Gefühlen dissozi‐iertbin,weiß ichzwar,wie ichmich fühle, ichspüreesabernicht.Wenn ichassoziiertbin inmeinemGe‐fühl, erlebe ich es auch körperlich. Sie können dasselbstineinemExperimentausprobieren:Denkensiean eine Situation, in der Sie ein intensives positivesErlebnis hatten und stellen Sie sich die ErinnerungeinmalinderOriginalsituationvor‐alsosiesteckeninder Erinnerung in sich drin und sehen alles um sich 2K.Dyckhoff;K.Grochowiak:DerNeugier‐Erfolgs‐Loop.ErfolgreicheSelbstmotivation.EineNLPLern‐undMotivationsstrategie(1998).3 Scherer, K. R.: What are emotions? And how can they bemeasured?. Social ScienceInformation.44/4(2010),695‐729.

4Scherer, K. R., Clark-Polner E.., & Mortillaro M.: In the eye of the beholder? Universality and cultural specificity in the expression and perception of emotion. International Journal of Psychology. 46 (2011), 401-435.

5Veröffentlichungens.u.www.bssteuropeanreview.org;R.Milanese;P.Mordzzi:Coa‐chingstrategico.Transformareilimitiinrisorse(2007)‐EnglischeÜbersetzunginVor‐bereitung;S.Schumacher:DieLösungausdemProblemschöpfen–DasWesenderBriefStrategicTherapyundderstrategischeDialoginderBeratungspraxis,in:DAJEBInfor‐matiomnsundschreiben221(2010).

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herum;unddanachinderWeise,alshättenSiesichselbstinderSituationbeobachtet.SiesehensichalsoselbstaufdemBildinderSituation,wiesieeserleben.AlsBeispielfürdenUnterschiedinderErinnerungsehenSiediezweiBildereinesDirigenten–obenassoziiert unten dissoziiert. In welcher Erinnerungsart spüren Sie das erlebte Gefühlintensiver?EssollteinderassoziiertenVariantesein.

WährendassoziiertunddissoziiertdigitaleUnterschiedeallerEmotionenzwischenSpü‐ren undNichtspüren bezeichnen, beschreibenÜbersteuerung undUntersteuerungdieVerhältnismäßigkeiteinerEmotion inBezugaufdieSituation–alsoobsieübermäßigstarkwirktoderbesondersschwachausgeprägt ist in ihremassoziiertenErleben. DieBedeutungvonÜber‐undUntersteuerungwirdweiteruntennochgenauerbeschriebenwerden.ZuvorbrauchteserstnochdiePräsentationderKernemotionen.

Kernemotionen

IndiversenpsychologischenKonzeptenwerdenbiszuachtBasis‐oderKernemotionendefiniert.6EineausmeinerSichtsehrinteressanteDefinitionvonKernemotionenfindetsichbeiKlausScherer.Seine6Kernemotionen lassensichauchanthropologischnach‐weisen,sindalsounterallenmenschlichenKulturengleichermaßenanzutreffen.7

6Z.B.RobertPlutchik:TheEmotions,UniversityPressofAmerica(überarbeiteteAufl.1991).7SchererdefiniertSchmerz,Wut,Angst,Vergnügen,SchamundEkelalsEmotionen.Fo‐tomontagenausdemVortragvonK.Scherer2007:„Understandingemotionalcompe‐tence“(www.ifotescongress2007.org).

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DieausmeinerErfahrungfürdiekommunikationspsychologischeArbeitnützlichsteundaktuellsteKonzeption findetsich indemAnsatzderStrategischenKurzpsychotherapienach GiorgioNardone.Hierwerden in Beratungs‐ und Coachingprozessen vier unter‐schiedlicheBasisemotionenunterschiedenanhanddererauchunterschiedlich interve‐niertwird.DazugehörendiebereitsobenerwähntenreinenZuständeemotionalenEr‐lebens:Vergnügen,Schmerz,WutundAngst.

Weitergehende sekundäreGefühle undZustände lassen sichwie oben erwähnt, jenenKernemotionenzuordnen.HiertabellarischeinpaarBeispiele:

Grundemotion LUST

SCHMERZ WUT ANGST

ZugehörigeSekundär‐Emotionen

SpaßVergnügenFreudeKitzel/Krib‐belSehnsuchtNeugierGenuss

TrauerVerstimmungResignationMelancholieDepressionErnüchterungEnttäuschungTrübsal

ÄrgerZornAggressivitätAufgebrachtheitProvokationAktivitätAusdauerDurchhaltevermögen

FurchtSorgeBlockadePanikMisstrauenSchamScheuLampenfieber

Motivationskomponenten

DerGrund,dassjeneKernemotionenkreisförmigangeordnetsind,hatdenHintergrund,dassichseiteinigenJahrenjeneKernemotionenmitvierPhasenderMotivationsstrate‐gievonGrochowiak&Diekhoffverknüpfthabe.Diesebeschreiben,dassalles,waswirtun ‐ jedes Engagement, Projekt, Vorhaben oder Ziel -unterschiedliche Phasen durch‐läuft,nämlichjeneMomentevonNeugier,Ernüchterung,AusdauerundErfolg.AmAn‐fang jeglichen Engagements steht die Neugier, die meine Aufmerksamkeit auf etwasrichtet. Der Phase folgt Ernüchterung aufgrund von Schwierigkeiten oder Problemen,dieauftauchenundnachderenBewältigungeseinigerAnstrengungundAusdauerbe‐darf,umseinEngagementzueinemerfolgreichenZiel–demErfolgzuführen.DenBeg‐riffErfolghabeichinmeinemEmoBal‐ModellinzwischendurchdenBegriffSelbstwertersetzt,weilermehrdeninnerenZustandalsdieäußereBewertungumschreibt.

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DiefolgendeGrafikkombiniertnundieGrundemotionenmitjenenmotivationalenPha‐sen:

Die ersten drei Ver‐knüpfungen leuchtenwahrscheinlich ein:Neugier, Interesse füretwas Neues, Engage‐ment für etwas wer‐den gespeist von Lustoder Vergnügen. Undwenn der „Träumer“auf Hochtouren istund alles so wunder‐bar sich ausgemalthat,danntrittErnüch‐terung ein, weil dieDinge nicht so laufen,wieichmirdasvorge‐stellt habe – und dastut weh, ist schmerz‐haftodermachttraurig.Positivgewendet:DiesePhaseerdet,machtbodenständigundhilftangemessenundrealistischzuplanen.DannfolgtdiePhasederAusdauerunddesDurchhaltevermögens.DiesewirdgespeistvondemGrundgefühlderWut,dennWutistein Energieträger fürAntrieb undKraft.Wutmacht stark und ausdauernd.UnddieseKraftführtmichzuSelbstbewusstseinundErfolg.

DochhiertauchtnundieFrageauf:WiesostehtdenndadieAngst?DieführtdochnichtzumehrSelbstvertrauen!DiesesGrundgefühl ist imUnterschiedzudenvorigenkom‐plementär zum Motivator „Selbstwert“ – also je geringer die Angst, desto höher dasSelbstvertrauenundjegrößerdieAngst,umsostärkerdieSchamoderderZweifel.DerwichtigeZusammenhangvonAngstundSelbstwertistinderpsychologischenBeratungbei Autorenwie V. Satir oder F. Riemann8 sehr anschaulich beschriebenworden undtauchtandieserStelleauchwiederauf.

Krisenfelder

DasModellderKernemotioneninVerbindungmitMotivationsphasenistinderLagebeiSchwierigkeitenundProblemen sehrpräzisedieKonstruktionderProblematikzuer‐fassenunddabeidiebeteiligtenGrundgefühlezuermittelnundfehlendeRessourcenzuentdecken.Denn indemModell lassen sichvierdoppelteKrisenfelderbeschreiben, indenenMenschensichblockierenkönnen.JeneBlockadenkönnenauseinerUntersteue‐rung oderÜbersteuerung einer emotionalenPhaseherrühren,wie es inder folgendenGrafikschematischdargestelltist:

8F.Riemann:GrundformenderAngst.EinetiefenpsychologischeStudie(40/2011);V.Satir:SelbstwertundKommunikation.FamilientherapiefürBeraterundzurSelbsthilfe(18/2013).

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BeginnenwirwiederbeiderNeugier:Menschen,die ihreNeugierunddamit ihreLustübersteuern,vermeidenErnüchterungsphasenundsindinGefahrinAbhängigkeitenzugeraten, die immer wieder neues und größeres Vergnügen hervorrufen sollen. EineGruppe,diesichhierüberbeschreibenlässt,sinddieMenschen,dieimmereinenbeson‐derenKickoderKitzel brauchen,damit sieVergnügenempfinden. Sieneigen stark zuExtremen im körperlichen Erleben bzw. zu starkem sinnlichen Erleben. Solche Men‐schensindhäufigsehrkreativundideenreich,undlebenihreNeigunginExtremenaus.DarauskönnensichineinigenFällenleichtAbhängigkeitenentwickeln:VieleSüchtewieErlebnissucht,Spielsucht,Kaufsucht,Esssucht,SexsuchtoderSubstanz‐MissbrauchsindhäufigBasiseinesÜbersteuertenLustverlangens.

Umgekehrt ist die Untersteuerung von Neugier häufig geprägt von Langeweile, man‐gelndem Interesse, Lustlosigkeit oder Antriebsmüdigkeit. Lust oder Vergnügen sindkaumspürbar,wurdendissoziiertoderwirkenwieweggeschlossen.GewohnheitenundRoutinenhabenweithöherePrioritätalsNeugieroderInteresseanetwas.

DieErnüchterung bringt in ihrerÜbersteuerungdie Chronifizierungdes Leids hervor,erkennbar durch ständiges Jammern und Klagen, Zweifeln und Zaudern, Mäkeln undMaulen. Der Schmerz und die Frustration wirken fast so, als hätte es schon Vergnü‐gungscharakter, denn eswird nicht losgelassen, nicht verarbeitet. DieGewohnheit imSchmerzzuverharrenistwiedasStehenimSumpfundesistimmerderSumpf,derdieSchuldanmeinerStandfestigkeithat!

BeideruntersteuertenVariantedesSchmerzesistErnüchterungnichtvorgesehen.JeneMenschenkennenErnüchterungsphasennicht,siewollenkeineProbleme,sondernLö‐sungen.WennesschmerzhafteErfahrungengibt,wirdentwederaufdieZähnegebissen(Wut)odereinWitzgerissen(Vergnügen),dennvielzugroßistdieSorge,dassSchmerzeinKennzeichenvonVerwundbarkeitistundwährendsichdieÜbersteuertendieWun‐

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den lecken, glauben die Untersteuerten Wunden ignorieren zu können ‐ eine ArtSchmerz‐Vermeidungs‐Trance,diejedengesundenundnotwendigenUmgangmitdieserPhaseverhindertunddamitdieNatürlichkeitvonVerwundbarkeitausblendet.

Menschen,dieWutuntersteuern,haltenhäufigBelastungennichtstand.Siehabenwe‐nig Energie, die Batterien sind schnell leer und sie fürchten die Überbeanspruchung.Aktivitäten,Projekteoder InitiativenwerdendannkurzvorSchlussabgebrochenoderlaufen nur nochmissmutig vor sich hin. Irgendwiehat es danndochnicht geklappt –schade!KonfliktvermeidungundmangelndeKonfrontationsfähigkeitsindhäufigBeglei‐terscheinungendesProblems.

BeiderübersteuertenWuttauchtdasBildvomRennenimHamsterradauf.Menschen,diekämpfenunddurchhalten,ewigAusdauerundEnergiehaben,abersiekönnensichnichtentspannen.NachInnengerichtetistdorthäufigderHangzumPerfektionismuszufinden,VerbissenheitodereinnieendenwollendesEngagement,beidemdaseigentlicheZielzunehmendausdemAugegerät.NachAußengerichteteübersteuerteWutbefindetsichimmerimKampfgegenjemandenoderetwas.EsgibteinÜbermaßanEnergie,diean anderen abgeleitet wird und hohes Konfliktpotential beinhaltet. Es wirdmeistensgegeneinanderundnichtmiteinandergearbeitet.

Erfolg und Selbstvertrauen untersteuern gerne Menschen, indem sie in dieser Phaseselbst„leider“nichtmehrvorkommen.ErfolgreichwardanndasTeam,derSponsor,derChef,dieFreundin,derEhemannohnediedasGanzesicherlichgescheitertwäre.ImMit‐telpunktzustehenistpeinlichundwirdvermieden.ApplausversetztinSchamundwird„abgewunken“.DamitfälltauchdiehiersowichtigeEntspannung,GenugtuungundEr‐holungaus,dennumderSchamzuentgehen,flüchteichmichgleichaufdienächstein‐teressante Aufgabe und entrinne so dem so gefürchteten Selbstwert, der zumeistmitSelbstherrlichkeitoderEgoismusverwechseltwird.

Unddasindwirauchschonbeidenen,dieErfolgübersteuernunddamit ihrSelbstbe‐wusstsein.BarjederAngst,SchamoderPeinlichkeitstellensieihreigenesMittelmaßzurSchauoderpräsentierenihreInkompetenzalspreisverdächtig.KritikwirdmitLeichtig‐keitabgeschmettertundmitHilfedesEgosabgeschirmt.SelbstzweifeloderBeschämungsindindemVokabularjenerZeitgenosseneinFremdwort.

DiehierbeschriebenenKrisenfelderzeigen,dassmenschlicheKrisenundProblemsitua‐tionenbeiWeitemnichtimmerimBereichderErnüchterung,FrustrationoderEnttäu‐schungliegen,sondernihrenAnkerpunktanganzandererStellehabenkönnen,unddaswiederum hat damit zu tun, wie ich in der Lage bin, die zugehörige Kernemotion zusteuern bzw. zu verarbeiten. Umgekehrt kannmeine emotionale Kompetenz als Res‐source odermeine emotionaleUnsicherheit bzw. Unausgewogenheit Ursprung immerwiederkehrenderKrisenundBlockadensein.

IchmöchtehiernunaucheinemmöglichenEinwandbegegnen,derhäufigandieserStel‐lezurSprachekommt: „Abermankanndochnichtsagen,dassProblemenuraneinerEmotionhängenodermiteinemGefühlverknüpftsind.OftsinddochvieleGefühle imSpielgeradezueinGefühlschaos.UnddieserEinwandistvölligberechtigt.Dennochgibtes erfahrungsgemäß – und da beziehe ich mich auf die Arbeit in der systemisch‐strategischenTherapie–eineArt„HierarchiederGefühle“indemSinne,dassichmichfrage: Welches Gefühl ist maßgeblich beteiligt an der situativen Blockade? WelchesGrundgefühlbrauchtvornehmlichAufmerksamkeit?WieistdasGefühlsmolekülmitein‐

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anderverknüpftundwie lästessich inseinem„Aggregatzustand“verändern?EinBei‐spielausderPaarberatung:

WährendeinerPaarberatungthematisiertdieFrauihreEnttäuschungüberihrenMann,dersichnieumdieKinderkümmert.Immerseisiezuständig!Dabeiballtsieinstinktivdie Faust und ihre Stimme ist voller Groll und recht laut. Er sitztwährenddessen re‐gungslos da.Untersuchungsfrage: „Sind sie vor allemwütend über ihre Situationodermachtsiedasvorallemtraurig?“Sievehement:„Beidesnatürlich,ichbinstinksauerundenttäuscht“.Erschweigt.2.Untersuchungsfrage:UndwennSiemaleinenMomentallei‐ne sind zuhause ohneMann oderKinder, spüren Sie dann eher eineTraurigkeit überihre Ehe aufsteigen oder haben sieWutbilder imKopf? Sie abwehrend: „Ich versuchesolcheSituationenzuvermeiden.Wennichdalängerdrübernachdenkenwürde,wüssteichgarnicht,wodashinführenwürde.“Nachfrage:„Siemeinen,wietiefSiedasindieTrauerführenwürde?“SiebekommtTränenindieAugen...zuihm:„KennenSieeigent‐lichdieTraurigkeitihrerFrauüberdieSituation?“Erüberrascht:„Ichkennesieeigent‐lichnuralsdie,diealleskommandiert.Wennichetwasmache,istessowiesofalsch.“

Arbeitshypothese: DieWut hat die Funktion der Selbstverteidigung und bei SchmerzbefürchtetsieKontrollverlust.DerSchmerzbrauchtaberRaum,umaufDauerderVer‐bitterungvorzubeugen.EinPhänomenistwahrscheinlich,dassderMannihrenSchmerzgarnichtkennt.Könnteereinüben,EmpathiefürihrenSchmerzzuteilen,stattsichvorder Wut schützen zu müssen, würde dass die Beziehung stärken. Beiden fehlt dasGrundgefühlVergnügen,dasvermutlichautomatischwiederRaumbekommt,wennsieihrerTrauerRaumgibtunder seineAngstüberwindet.Die Interventionen lägenent‐sprechendbeiAngstundSchmerz.IhrevordergründigeWutistnurdasErsatzgefühl.

EinzweitesBeispielausderLebensberatung:EinKlient inBeratung thematisierteinestarkeHoffnungslosigkeit undUnfähigkeit, demeigenenLeben eineBedeutung zu ge‐ben.DieersteUntersuchungsfragelautete:„SpürenSiedieseHoffnungslosigkeit,weilsiesich so in ihremSchmerz und ihrer Lebensenttäuschung gefangen sehen oderweil esihnennichtmehrgelingtFröhlichkeit,VergnüglichesoderLustvolleszuentdecken?DerKlient antwortete: „Wo sollte ich denn etwas Lustvolles entdecken, so wie ich lebe?“NächsteUntersuchungsfrage: „FindensiekeineLebensfreudemehrausAngst vorEnt‐täuschungoderweilsiekeineLebenskraftundEnergiemehrverspüren(Wut)?“UndderKlientantwortete: „Ja,meistensbin ichenttäuscht,wennesdannwiedernichtswird.“Und die nächste Untersuchungsfrage: „Sie schützen sich also vor einer neuen Enttäu‐schung.IstdieserSchutznötig,weilsieAngsthaben,wiederzuscheiternoderweilessowehtut,wenndieEnttäuschungkommt?“Klient:„IchhabeschonseitJahrendasGefühl,aufderBremsezustehen,ja,ichglaubeausAngst,wiederenttäuschtzuwerden.“

Arbeitshypothese:EsscheinteineAngstvorSchmerzzugeben,dieVergnügenverhin‐dert.Wut ist praktisch kein Thema.Was der Klient aber ständig präsent hat, ist seinSchmerz.Dessenisterzwarüberdrüssig,abererhatihnpräsent.Esgehtalsonichtur‐sächlichumSchmerzvermeidung, sondernumAngstvermeidung.ErstderUmgangmitderAngstwürdeneueErfahrungenundBewertungenermöglichen.DazubrauchtesdieFähigkeitzurWutalsEnergieträger.EsmüssteanderAngstinterveniertunddieWut‐wahrnehmungbzw.Wutkompetenzgefördertwerden.

Interventionsfenster

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AusdiesenbeidengeschildertenFällendeutetsichan,dassjenachbeteiligterKernemo‐tion unterschiedlich interveniert werden kann bzw. muss. Die Interventionen zielendaraufab,dieemotionaleÜber‐oderUntersteuerungaufzubrechenundLernenjenseitsderemotionalenBlockadezuermöglichen.DieseInterventionsformenmöchteichnochein wenig genauer beschreiben und durch sogenannte Stratageme ergänzen, die dasGrundprinzipderInterventionmetaphorischdarstellen9:

InterventionbeiVergnügen

Vergnügen lässt sichnichtmitAngstbekämpfen ‐ auchwenndas inderAlltagspraxisundinderErziehunghäufigversuchtwird.DemKinddieFreudeanSüßigkeitenzuver‐miesenmitderAndrohungvonKariesundZahnarzt,hilft indenseltenstenFällen.DiewarnendenAufkleberaufZigarettenschachtelnoderdieAutobahnfotosvonverunglück‐tenVerkehrsteilnehmernhaltenRaucherundRasernichtwirklichvonihremVergnügenabundwenn,dannnurkurzfristig.Diemeistenkennendas:WirkommenaneinerUn‐fallstelleaufderAutobahnvorüber.UnsereMuskelnundNervenziehensichbeimAn‐blickzusammen.HinterderUnfallstellefahrenwirvorsichtigweiter.BiswiraufdieUhrsehenundmerken,dasswirpünktlichzuhauseseinwolltenunddannstellenwir fest,das es inzwischen viel leerer auf der Autobahn geworden ist und langsam gebenwirwiederGas...natürlichnurdieSpaßhabenamSchnellfahren!

VergnügenkannentwederdurcheinanderesVergnügenersetztwerdenoderdurchE‐kel‐alsodieVerkehrunginsGegenteil.AuchhiermüssenwiederdieRauchermiteinemBeispiel herhalten, wenn der Anlass der Rauchens das Vergnügen war: Raucher, dienachderEntwöhnungmerken,dasssiewiederdifferenzierterriechenundschmeckenkönnenundbeimTreppensteigenwenigernachLuftschnappen,gelingtesleichter,ihrverlorenesVergnügenauf’sKochen,dasNaturerlebenoderdenSportzurichtenundsowiederdauerhaftalternativesVergnügenzugenerieren.DaszugehörigeStratagemlau‐tet:Sichstetsändern,immergleichbleibend.

Raucher,dieihreNeigunginEkelverwandelthaben,sindjene,dieplötzlichamintole‐rantesten auf Raucher reagieren und bereits bei dem geringsten Geruch von kaltemRauch in Kleidung oder Räumen eine Übelkeit entwickeln. Hier wirkt das Stratagem„Kreisförmiggegenlinear“.

EinedritteIntervention,demVergnügenseinenReizzuentziehen,entspringtdemStra‐tagem:„DenFeindaufdenDachbodenkletternlassenunddanndieLeiterwegziehen“undfolgtdemPrinzipderKontrolle.BeidieserInterventionkönnteesbeispielsweisedarumgehen,dassman sicheinenvorabgeplanten (z.B. durch festeUhrzeiten)unddadurchkontrolliertenGenussgönnt,umdannzumerken,dassmaneigentlichauchdaraufver‐zichtenkönnte.Z.B.:„Heuteum17.30nachgetanerArbeitholeichmirdenSchokoriegelausder Schublade.“DasPrinziphierbei heißt:DasNicht‐Gegönntewirdunverzichtbar,währenddasverzichtbarist,wasmansichgönnt.

InterventionbeiSchmerz

9„Stratageme“findeninderStrategischenTherapieAnwendung,umhartnäckigeVer‐haltensweisenoderWiderständeparadoxzuintervenieren.SiesindhergeleitetausStra‐tegienchinesischerKampfkunstinGestaltvonSprachformelnundwerdeninkommuni‐kationspsychologischeInterventionenumgewandelt.(s.H.v.Senger:DieKlaviaturder36Strategeme.InGegensätzendenkenkönnen(2013).

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SeelischesSchmerzempfindenhatvieleFacetten,dieimZusammenhangmitLeid,Trau‐er oderVerlust stehen. SchmerzbrauchtEmpathieundAnnahme,WertschätzungundAufmerksamkeit, damit er sich verflüchtigt. Schmerzdarf nicht dissoziiert oder durchVergnügenersetztwerden.Beidesmündet langfristig inVerbitterung. ImBildgespro‐chenistSchmerzwieeinFlussbett,dassdurchwatetwerdenmuss,umamanderenEndedenWegwiederaufnehmenzukönnen.HilfreichfürdieSchmerzverarbeitungist,wennMenschen einenOrt für ihren Schmerz bekommenund feste ZeitenderTrauer.Dannbekommt der Schmerz einen Rahmen, in dem er eine Aufmerksamkeit bekommt, umsichdannnachundnachzuwandeln.DasistderSinnvonTrauergruppen,vonTraueror‐ten,vonTrauerzeiten.AuchderstilleOrt,dasNiederschreibenoderspirituelleRitualekönnenEmpathiemomentefürSchmerzsein.Stratageme:“Siegenohnezukämpfen.”:Diebewusste Entscheidung, sich in den Schmerz „fallen“ zu lassen. Umso intensiver derSchmerz,destoschnellerwerdenwirihnkontrollierenundüberwindenkönnen.„Willstduetwasentzerren,lernezuerst,wiemanesverdreht.“SichalleSchmerzenvorstellen,diemanerleidenwürde,wennmandieKraftnichtaufbringt,weiterzumachen.DerGedan‐keaneinenschlimmerenSchmerzermöglichtes,denaktuellenleichterzuertragen.

InterventionbeiWut

Wutlässtsichwederdeckelnnochunterdrücken.WirddiesaufDauerversucht,brichtsiehervorodertrittunterschwelliginErscheinung.„VergoreneWut“tritthäufigalsMo‐ralzumVorschein.DerWutfreienLaufzulassen,istaberauchkeineLösung.DiesführtzuEskalationundsetztInteraktionsprozesseaußerKontrolle.DieInterventionskatego‐riefürWutistdasKanalisieren.WutbrauchteinenkontrolliertenAbfluss,einBettodereinen Kanal, indem sie zielgerichtet aber verletzungsfrei entweichen kann und darf.PraktischeInterventionsstrategienfürWutsinddasNiederschreibenderWut,dasAus‐tobenderWutinFormvonSportundBewegung,dasVisualisierenvonWutin(inneren)Filmen, Drehbüchern und künstlerischer Arbeit, sowie die Kanalisierung vonWut zuVergnügen,wieesinHumor,IronieoderSatiregeschieht.Stratagem:“DieSchlangemitdemeigenenGifttöten.”:DieWutwirdzunächstverwendet,umeineaggressiveReaktionzublocken,diedurchdieWutselbstentsteht.(WennDuDichaggressivverhältst,dannzeigstDunurDeineSchwäche.)“Leereerzeugen,umFüllezuschaffen.”EineZuführungderWutlässtsiedannschadenfreiabfließendurchKanalisieren.

InterventionbeiAngst

BeiAngstgibtesdreigrundsätzlichunterschiedlicheInterventionsformen.Dieeine istdieDissoziation,d.h.dieAblenkungoderTrennungvonderAngst.AblenkunggeschiehtinderForm,dassdieAufmerksamkeitaufetwasanderesgerichtetwird.DieHypnothe‐rapiehathiereinigeMethodenentwickelt.DieVK‐Dissoziation(d.h.dieTrennungvonvisueller Vorstellung und körperlichem Erleben) wird vielfach auch im NLP genutzt.Beide Vorgehensweisen erreichen, dass Angst als solche nicht mehr wahrgenommenwirdundandereEmotionen indieSituationhineingenommenwerdenkönnen.Strata‐gem:DasMeerdurchsegeln,ohneaufdieSternezuachten.DieAufmerksamkeitwirdaufetwasanderesverlagert. IndementscheidendenMomentwirdsodieAngstüberwun‐den.

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Alternativkannmanauch intervenieren, indemmaneinegrößereAngstüberdievor‐handeneAngst stülpt.Diese Intervention relativiertdieWahrnehmungvonAngstundmacht sie sobeherrschbareroderblockiert sie.Beispiel:DiePrüfungsangst eines Stu‐dentenwirdmitderAngstvorArbeitslosigkeitundsozialemAbstiegsoüberhöht,dassdemgegenüberdiePrüfungsangstzunehmendalsgeringeresÜbelgesehenwird.Strata‐gem:AusdemNichtsschöpfen.

AlsdritteVariantekannman“Holzauflegen,umdasFeuerzulöschen”:DieAngstwirdineinerArtalltäglichem,zeitlicheingeschränktemRitualbewusstundfreiwilligübertrie‐ben.DieTechnik“Theworstcase”ermöglichtes,dieAngstzuberührenundlässtsieparadoxerweiseverschwinden–denn:Geisterfliehen,wennmansieberührt!

Fazit:DasABCderGefühle

AufderBasisdervierGrundemotionenlässtsichfürdiepraktischeArbeiteineArt„ABCderGefühle“ableiten,wasinderfolgendenÜbersichtzusammengefasstist:

Neugier HatalsGrundgefühldieLust.

SieistalsRessourceeinbrillanterLernzustand.

AlsStörungfindetmanhierunterschiedlichsteFormenvonAbhängigkeiten

Wennsienichtdaist,fühltmansichfreudlos

WennmanNeugierstarkübertreibt,wirktesmanisch

KorrigiertwerdenkannVergnügendurchKontrolle,UmdeutungoderAversion

Ernüchterung 

HatalsGrundgefühldenSchmerz.

SieistalsRessourceeinnützlicherZustand,umAbstandzunehmenodersichzuerden.

AlsStörungfindetmanunterschiedlicheFormenderDepression.

Wennsiefehlt,leidetmanunterBezugs‐undBeziehungslosigkeit.

Undwenneszuvieldavongibt,istmanfrustriert.

KorrekturerfolgtüberEmpathieundAkzeptanzvonVerwundbarkeitoderüberdieVerschlimmerungsphantasie.

Ausdauer

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HatalsGrundgefühldieWut.

SiehatalsRessourcedieFähigkeit,aktivundenergievollzusein

AlsStörungfindetmanhäufigGewalttätigkeit.

WennsienichtzurVerfügungsteht,istmankraft‐undantriebslos.

Undwennmanzuvieldavonbesitzt,fühltmansichrastlosoderbesessen.

KorrekturerfolgtüberKanalisierungundEinbettung.

Selbstvertrauen

HatalskomplementäresGrundgefühldieAngst.

EszeigtsichalsRessourcealsfairekooperativeSelbstbehauptung.

AlsStörungfindensichoftPanik‐oderAngststörungen.

WenndieBalancefehlt,empfindetmanoftSchamoderScheue.

UndbeiÜberzeichnungfindetmanhäufigEmpfindungslosigkeit.

Korrektur erfolgt entweder über Dissoziation, Ablenkung oder durch Übertrei‐bung.

AlsabschließendeGrafikmöchteichdasEmoBal‐Modellinseinerquasiidealen,d.h.ba‐lanciertenFormvorstellen.Diesbezieht sichnatürlichnieaufdasLeben imAllgemei‐nen, sondern immer auf spezifische Themen, Ziele, Projekte, Situationen oder sozialeBeziehungsgefüge. Sind diese emotional gut ausbalanciert, werden sie mit Interesse,Realitätssinn, Engagement undReflektionsvermögen verfolgt, unddies ermöglicht einstarkesEmpfindenvonSelbstwirksamkeit.EinMensch,derdaranglaubtetwasbewir‐ken zu können und auch unter Schwierigkeiten selbstständig und handlungsfähig zubleiben,hateinehoheSelbstwirksamkeitserwartung.Dazubrauchterodersiedreiemo‐tionale Schlüsselkompetenzen innerhalb der Kernemotionen: Dazu gehört erstens eineangemessene emotionale Reaktivität, zweitens Regulations‐ und SteuerungsfähigkeitunddrittensemotionaleKommunikationsfähigkeit.

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Stefan Schumacher, Jahrgang 1964, istDiplomTheologe undpromovierterSozialwissenschaftler.EristqualifiziertalsEFL‐Berater (Zertifikat DAJEB), NLP Lehrtrainer und Coach(DVNLP)undMasterofBriefStrategicTherapy(BST‐InstituteArrezo/I).Seit1998isterLeiterderTelefonSeelsorgeHagen‐Markundseit2010PräsidentdesinternationalenVerbandesfür Krisentelefone (IFOTES). Kontaktmöglichkeit unterwww.drschumacher.de