stiftungen kap1 end - wila bonn · 2013. 11. 16. · stiftung als grundständiges instrument...

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Vom Satzungsentwurf bis zur Anerkennung Wissenschaftsladen Bonn e.V. Wissenschaftsladen Bonn e.V. Zentrum für bürgernahen Wissenschaftstransfer Leitfaden Bürgerstiftungen

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  • Vom Satzungsentwurf bis zur Anerkennung

    Wissenschaftsladen Bonn e.V.

    Wissenschaftsladen Bonn e.V. Zentrum für bürgernahen Wissenschaftstransfer

    LeitfadenBürgerstiftungen

  • IMPRESSUM

    Leitfaden Bürgerstiftungen. Vom Satzungsentwurf bis zur Anerkennung.

    Herausgeber: Wissenschaftsladen Bonn e.V.

    Autoren: Anke Valentin (Text + Redaktion),Krischan Ostenrath (Stiftungsbeispiele außer Diepholz und Aachen)

    Grafik/Layout: Andreas Fieberg, BonnFotos: Wila/Archiv, shutterstock (S. 14, 18, 20, 21)Druck: Brandt Druck GmbH, Bonn

    Bonn 2006

    Der Leitfaden ist im Rahmen des Projektes „Bürger- und Gemeinschaftsstiftungen für Umwelt und Entwicklung“entstanden, das vom Bundesumweltministerium undUmweltbundesamt gefördert wurde.

    2 Impressum

  • Der „Leitfaden Bürgerstiftungen. Vom Satzungsentwurfbis zur Anerkennung“ ist im Rahmen des „NetzwerksStiftungsgründung“ entstanden, an dem zahlreichejunge Bürger- und Gemeinschaftsstiftungen (teilweise i.G.)teilgenommen haben. Sie alle hatten als verbindendes Ele-ment, dass sie ihre Arbeit im Zusammenhang mit der Bestre-bung nach einer nachhaltigen Entwicklung sehen. Einige derBürgerstiftungen sind sogar explizit aus dem Agenda-Prozessheraus entstanden. Der Austausch des Netzwerkes erfolgtehauptsächlich über intensive zweitägige Workshops zu aus-gewählten Themen, in denen zusammen mit Experten Lö-sungen zu Fragestellungen erarbeitet wurden, die die Stiftun-gen aktuell in ihrer Arbeit hatten.

    Um die Ergebnisse dieser Workshops und die Erfahrungendes Netzwerks allen zugänglich zu machen, die sich in einerähnlichen Situation befinden, werden einzelne Themen-schwerpunkte auf dem Weg zur lauffähigen Stiftung in Ein-zelbroschüren aufgegriffen.

    Die vorliegende Broschüre gibt praktische Tipps, wie eineGruppe von Bürger/innen, die als Gründungsinitiative zusam-mengefunden haben, die organisatorische Aufgaben bis zurGründung meistern. Die vorliegende Broschüre konzentriertsich auf die Darstellung, wie der Aufbau der Organisations-struktur einer Bürgerstiftung vonstatten gehen kann und wieder Gründungsakt selbst abläuft. Dabei gilt es, sich selbst Fra-gen zu stellen und zu beantworten, wie beispielsweise ob dieStiftung selbständig sein soll oder treuhänderisch verwaltet,was in der Satzung stehen soll, welche Gremien sinnvoll sindund wie der interne Aufbau sein sollte. Ein großes Kapitel istder Partizipation gewidmet, da viele Bürgerstiftungen inDeutschland bewusst partizipative Strukturen schaffen. Diedamit einhergehende Verteilung der Verantwortlichkeiten ruftdie Frage nach der besten Koordination Ehrenamtlicher her-vor. Auch auf diese Frage geht ein Kapitel ein, das durch Bei-spiele ergänzt wird.

    Grundsätzlich werden die Themen neben der theoreti-schen Erläuterung und den Empfehlungen, die aus denmehrjährigen Netzwerktreffen entstanden sind, von Beispie-len ergänzt. Diese Beispiele dienen vorrangig nicht der Vor-stellung der jeweiligen Stiftung, sondern greifen explizit einebestimmte Situation oder ein Problem heraus, das die Bei-spielstiftung auf ihre Weise gemeistert hat – nachahmen er-wünscht.

    Die Erfahrungen der Teilnehmer des Stiftungsnetzwerkeskönnen hoffentlich dazu beitragen, vielen Gründungsinitiati-ven den Weg zur Stiftungsgründung zu ebnen.

    Ein Wort vorweg

    Einleitung 3

  • 4 Inhalt

    Stiftung oder Verein? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5Stifter versus Vereinsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5Kapitalbildung versus zeitnahe Mittelverwendung . . . . 6Vorstand als Pflicht-Gremium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6Steuervergünstigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

    Stiftung und Verein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7Aspekte der (Un-)Selbständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 8Satzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

    Präambel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10Operativ oder fördernd . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10Vom Ziel zu anerkannten Zwecken . . . . . . . . . . . . . . . 11Stiftungsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

    Gremien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13Stiftungsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14Stifterversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

    Stolpersteine bei der Organisationsentwicklung . . . . 15Einfluss von Stiftern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16Infrastrukturelle Verankerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

    Partizipation und Ehrenamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17Tipps aus der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

    Stiftungsgründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20Gründungsveranstaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20Stiftungsgeschäft und Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . 21

    Beispiele aus der Praxiserfahrung der Bürgerstiftungen

    Agenda-Stiftung DiepholzPlanungssicherheit, Kontinuität, Unabhängigkeit . . . . . 5

    Die BewegungsstiftungProfil als Akquisestrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

    Bürgerstiftung zivitaVon der Unselbständigkeit in die Selbständigkeit . . . . . 8

    Bürgerstiftung Ein Herz für Bad NauheimBreites Spektrum an Aktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

    Bürgerstiftung KölnEinbindung von Groß und Klein . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

    Bürgerstiftung DresdenEine Lobby für das Ehrenamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

    Hertener BürgerstiftungBerufliche Qualifikation nachhaltig verbessern . . . . . . . 18

    Bürgerstiftung Lebensraum AachenInterview mit dem Vorsitzenden, Hubert Schramm . . . . 22

    Inhalt

  • Stiftung oder Verein 5

    Vom Satzungsentwurf bis zur Anerkennung

    Für jede Gründungsinitiative einer Bürger- oder Gemein-schaftsstiftung kommt irgendwann der Zeitpunkt, zu demdie spätere Organisationsstruktur und der Ablauf bis zurGründung geklärt werden müssen. Welche Gremien soll dieStiftung später einmal haben und wie stellt man eine Satzungauf, die auch in hundert Jahren noch zutreffend ist?

    Stiftung oder Verein?

    Beginnen wir mit der grundsätzlichen Frage der Rechtsform.Ein Verein ist den meisten als Rechtsform vertraut. Viele sindentweder Vereinsmitglied oder waren sogar selbst an einerGründung beteiligt. Daher steht häufig die Frage im Raum, obsich der Aufwand einer Stiftungsgründung lohnt oder ob einVerein – oder eine andere Organisationsform – nicht auch

    ans gewünschte Ziel bringt. Die Frage kann natürlich nur indi-viduell beantwortet werden. Zur Orientierung sollen aber imFolgenden ein paar Vergleichsaspekte aufgezeigt werden,wenn man Verein und Stiftung nebeneinander stellt: Was un-terscheidet die Stiftung vom Verein?

    Stifter versus VereinsmitgliederDie Stiftung hat keine Mitglieder. Stifter kann man nicht alsMitglieder bezeichnen, da sie weder jährliche Beiträge zahlennoch aus der Stiftung austreten können. Zudem haben siebei weitem nicht so viele (Eingriffs-)Rechte in die Arbeit desVorstands, wie das beim Verein der Fall ist. Um eine Mitglie-derversammlung nachzuempfinden, richten einige StiftungenStifterversammlungen ein, die verschiedene Aufgaben undRechte haben können, wie beispielsweise die Wahl des Stif-

    Die Agenda 21-Stiftung Diepolz schafft Planungssicherheit, Kontinuität und Unabhängigkeit

    Die Stiftung wurde 1999 in Kooperation der Stadt Diepholz,der Biologischen Schutzgemeinschaft Hunte Weser-Emsund dem Agenda 21 Förderverein gegründet. Diepholz be-kommt damit eine eigene Stiftung, die unabhängig vom politi-schen Tagesgeschäft eine nachhaltige Entwicklung in der StadtDiepholz im 21. Jahrhundert fördern soll. Zweck der Stiftung istdie finanzielle Förderung und Unterstützung ökologisch sinn-voller, sozial verträglicher und ökonomisch machbarer Maß-nahmen in der Stadt Diepholz im Sinne der Agenda 21 und desAgenda 21-Dialoges in Diepholz.

    Die Diepholzer Agenda 21 wird von den folgenden drei Insti-tutionen getragen: Stadtverwaltung, Förderverein, Bürgerstif-tung. Das Agendabüro wird von der Stadt unterstützt, ist aberbei dem Verein angesiedelt, ebenso wie die Arbeits- bezie-hungsweise Themengruppen. Beim Blick in die Vorstände vonVerein und Stiftung bestätigt sich die enge personelle Ver-knüpfung der beiden Institutionen. Regelmäßig lobt die Agenda 21-Stiftung unterstützt von denbeiden anderen Agenda-Trägern den Diepholzer Agenda-Preisaus. Für dessen Vergabe wurde die Stiftung 2005/2005 imRahmen der UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“als UN-Dekadeprojekt ausgezeichnet.Das Instrument eines Wettbewerbes wurde bewusst gewählt,um allen Interessierten eine zusätzliche Möglichkeit zur aktivenMitgestaltung des lokalen Agenda 21-Prozesses anbieten zukönnen. Die Resonanz auf den Wettbewerb isterfreulich groß.Neben Einzelpersonen können sich Familien, Kindergärten,Schulklassen, Vereine und Betriebe beteiligen.

    Zu den Aufgaben der Stiftung soll langfristig neben der Förde-rung von Projekten auch die finanzielle Absicherung der ge-

    schaffenen Strukturen (z.B. des Agendabüros) als Grundlagefür den Fortbestand und die kontinuierliche Weiterentwicklungdes Agenda-Dialogs in Diepholz zählen.

    Die Stiftung wurde mit einem Grundkapital von 87.000,- EURgegründet durch. Mittelfristig soll das Stiftungskapital auf500.000 EUR angehoben werden, um den vielfältigen Aufga-ben innerhalb des lokalen Agenda 21-Prozesses gerecht wer-den zu können. Vor diesem Hintergrund stellt die Stadt Die-pholz vier Jahre lang jährlich rund 65.000 EUR zur Verfügung,mit denen Spenden von privater Seite verdoppelt werden sol-len. Mit einer breit angelegten Kampagne konnte das Stif-tungskapital schließlich auf 220.000,- EUR aufgestockt wer-den: Auf Anregung der Abschlussklasse einer realschule, diedie Kampagne als Beitrag für den Agenda-Preis einreichte, wur-den im Jubiläumsjahr der Stadt zum Stiften aufgerufen.

    „Diepholz geht stiften, machen Sie mit ... dann gehören Sie zuden 625 Diepholzer Bürgerinnen und Bürgern, die anlässlichdes 625jährigen Stadtjubiläums mitgeholfen haben, das Stif-tungskapital der Agemda 21-Stiftung kräftig zu erhöhen.“Für Zustiftungen in Höhe von 6,25 EUR, 62,50 EUR oder 625,-EUR gab es als Dankeschön bronzefarbene, silberfarbene undgoldfarbene Gedenktaler.

    KontaktAgenda-21-FBüroSusanne Hoffmann (Geschäftsführerin der Stiftung)Rathausmarkt 2, 49356 DiepholzTel. (0 54 41) 92 75 05, Fax (0 54 41) 92 75 06E-Mail: [email protected]/agenda21/

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  • sind zeitnah wieder auszugleichen. Das muss auch bei derGeldanlage berücksichtigt werden.Insbesondere bei Bürgerstiftungen, in die zahlreiche Bürge-rinnen und Bürger als Stifter eingezahlt haben, ist eine Auflö-sung der Stiftung anders als beim Verein nur in Ausnahme-fällen möglich, wenn beispielsweise der Stiftungszweck nichtmehr erfüllt werden kann oder der Verbleib des Kapitals imFalle einer Auflösung vorab festgelegt wurde. Bei solchgrundlegenden Unterschieden erscheint es fast naheliegen-der zu fragen, was haben Stiftung und Verein gemein:

    Vorstand als Pflicht-GremiumBeide haben einen Vorstand mit weitreichender Entschei-dungsbefugnis, beide orientieren sich an einer selbst gege-benen Satzung, wobei die Satzung der Stiftung ganz klar denStifterwillen zum Ausdruck bringt, den die Stiftung auf unbe-grenzte Zeit umsetzen soll. Diese Vorgabe der Handlungs-richtung steht bei der Stiftung wesentlich deutlicher im Vor-dergrund als bei der Vereinssatzung, in der zumeist lediglichder gemeinnützige Zweck erläutert wird.

    6 Vom Satzungsentwurf bis zur Anerkennung

    tungsrates. Im rechtlichen Sinne ist eine Stiftung aber nichtmehr als ein Kapitalstock, der einem bestimmten Zweck ge-widmet ist. Die Gremien sind zweitrangig.

    Kapitalbildung versus zeitnahe MittelverwendungUnd damit sind wir auch schon beim zweiten grundlegendenUnterschied zum Verein, der seine Mittel bestehend ausSpenden und Mitgliedsbeiträgen zeitnah verwenden muss:den Finanzmitteln. Auch eine Stiftung kann Spenden einwer-ben und muss diese zusammen mit dem überwiegendenTeil ihrer Kapitelerträge für den Stiftungszweck ausgeben. DasStiftungskapital bleibt jedoch ungeschmälert vorhanden undkann höchstens aufgestockt werden.

    Es soll hier und jetzt nicht auf Spitzfindigkeiten eingegangenwerden, wie beispielsweise ein Verein Kapital in Form einerImmobilie oder einer Rücklage vergleichbar einer Stiftung bil-den kann oder wann eine Stiftung genötigt sein kann, ihr Ka-pital anzutasten; die Regel ist, dass das Kapital der Stiftunggrundsätzlich ungeschmälert erhalten bleiben muss. Verluste

    Die Macht der Millionen“ titelte der SPIEGEL in seinemBericht über die Bewegungsstiftung aus dem Jahr 2003und versuchte damit, in gewohnt süffisanter Weise den Fin-ger in die Wunde zu legen, die das effiziente Managementvon großen Vermögenswerten vermeintlich in das Selbstver-ständnis traditionell „linker“ Sozialbewegungen gerissen hat.An der sog. „Generation der Erben", also derjenigen, die un-verhofft zu größeren Vermögenswerten gekommen sind,dürfte diese Unterstellung abprallen. Zumindest im Fall derInitiatoren der 2002 gegründeten Bewegungsstiftung, diesich durchaus nicht scheuen, zur Durchsetzung ihrer gesell-schaftlichen Visionen auch Geld in die Hand zu nehmen.Die größtenteils aus den Reihen der sog. „Globalisierungskriti-ker“ stammenden Gründer orientieren sich ebenso wie die ak-tuell 47 Zustifter (Stand Mitte 2005) in ihrem Stiftungsentwurfan amerikanischen Vorbildern, vor allem des Haymarket Peo-ple Funds. Denn die Erfahrungen mit dem Erfolg oder demScheitern sozialer Bewegungen sind dies- und jenseits des At-lantiks die gleichen: Auf der einen Seite ist die Weiterentwick-lung auch demokratischer Gesellschaften z.B. in Richtung Bür-ger- und Menschenrechte, Umweltschutz oder globale Ge-rechtigkeit notwendig auf die Arbeit außerparlamentarischerBewegungen angewiesen. Und auf der anderen Seite scheiterndiese „bewegten Bewegenden“ samt ihrer Kampagnen und Ak-tionen nicht selten an der Knappheit finanzieller Ressourcen.Damit besetzt die Bewegungsstiftung in der deutschen Stif-tungslandschaft eine Lücke, indem sie die Ressourcen und Ar-beitsweisen einer Stiftung mit den Inhalten sozialer Bewegun-gen verbindet. Diese Sonderstellung zwischen einer Bürger-

    stiftung als grundständiges Instrument bürgerschaftlichen En-gagements und einer Gemeinschaftsstiftung als stärker auf dieInhalte zielendes und durchaus überregionales Instrumentzeigt die Bewegungsstiftung auch in einigen charakteristischenMomenten:Formal handelt es sich bei der Bewegungsstiftung weder umeine Bürger- noch um eine Gemeinschaftsstiftung, sondern umeine Treuhandstiftung unter dem Dach eines gemeinnützigenVereins Die Bewegungsstiftung e.V.. Das verlagert die juristischeVertretung auf die Ebene des Trägervereins und entbindet dieStiftungsverantwortlichen nicht nur von einigem bürokrati-schen Aufwand, sondern von einer zu starken Kontrolle durchdie öffentlichen Aufsichtsorgane.

    Wenn nicht wenige Stiftungen aus grundsätzlichen Erwägun-gen vor einer kontinuierlichen Unterstützung anderer Organi-sationen oder gar Personen zurückschrecken, so geht die Be-wegungsstiftung hier den entgegen gesetzten Weg. In der Über-zeugung, dass eine Beschränkung nur auf Projektförderungendie Erfahrungen langjährig Aktiver grundlos verschwenden wür-de, unterstützt die Bewegungsstiftung unter anderem auch sog.„Bewegungsarbeiter", d.h. „Aktivisten", die sich seit Jahren er-folgreich in thematischen Netzwerken z.B. der Frauenrechteoder der Anti-Atomkraft-Bewegung engagieren.Bürgerstiftungen legen bekanntlich großen Wert auf die Parti-zipationsmöglichkeiten der ihnen verbundenen Stifter. DiesesPrinzip kennt auch die Bewegungsstiftung, geht aber über die

    Profil als Akquisestrategie – Die Bewegungsstiftung

  • SteuervergünstigungenDie Gemeinnützigkeit ist sowohl bei der Bürgerstiftung alsauch bei dem Verein Basis für weitreichende Steuervergün-stigungen: So zahlen gemeinnützige Einrichtungen auf Mie-ten und Pachten, Zinsen, Dividenden, Ausschüttungen vonInvestmentfonds etc. keine Körperschaftsteuer. Der Zweckbe-trieb ist in den ersten drei Jahren umsatzsteuerfrei und da-nach jenseits einer kleinen Freigrenze mit sieben Prozentsteuerpflichtig. Er unterliegt aber nicht der Körperschaftsteu-er. Auch Einnahmen über Spenden und Zustiftungen müssennicht versteuert werden.

    Der Stifter ist gegenüber demjenigen, der an einen Vereinspendet, steuerlich nur insofern bevorteilt, dass er einen hö-heren Betrag absetzen kann: ergänzend zu den Abzugsmög-lichkeiten, die auch bei Vereinsspenden gelten, kann ein Stif-ter oder Zustifter bis zu 20.450 Euro voll absetzen, wenn ersie einer „steuerbefreiten Stiftung“ zuwendet. Da hier nichtauf die Rechtsfähigkeit abgestellt wird, wohl aber auf dieRechtsform „Stiftung“, eröffnet sich Stiftern damit die Mög-

    Stiftung oder Verein 7

    lichkeit, größere Beträge pro rata in eine (rechtsfähige odernicht-rechtsfähige) Stiftung einzubringen. Des Weiteren kön-nen anlässlich der Errichtung einer Stiftung (= Tag der Ge-nehmigung plus zwölf Monate) einmalig innerhalb von zehnJahren bis zu 307.000 Euro abzugsfähig in eine Stiftung ein-gebracht und auf Antrag des Stifters steuertechnisch auf biszu zehn Jahre verteilt werden. Im Falle einer Erbschaft, hatder Erbe zwei Jahre Zeit sich zu entscheiden, ob er das Erbenganz oder teilweise an die Stiftung weitergibt. In diesem Fallfällt keine Erbschaftssteuer an.

    Stiftung und Verein

    Manchmal kann es von Vorteil sein, die OrganisationsformenVerein und Stiftung zu verknüpfen. Einige Initiativen haben mitder Gründung eines Fördervereins begonnen, um bereits imGründungsstadium extern als langfristig angelegter Zusam-menschluss aktiver Bürgerinnen und Bürger angesehen zuwerden und nicht als kurzweilige Interessensgruppe.

    grundsätzliche Möglichkeit der Stifterbeteiligung an inhaltli-chen Fragen weit hinaus. Im Geiste einer „stakeholder de-mocracy“ sind an den Entscheidungen über konkrete Aktivitä-ten nicht allein die Stifter, sondern auch die Projektaktivistenselbst beteiligt. Wo sich also die weitaus meisten Stiftungen ge-gen einen übergroßen Einfluss aus den Projekten abschotten,bindet die Bewegungsstiftung gerade diese Impulse konzep-tionell in ihre Entscheidungen mit ein.Unterm Strich zählt es wohl zu den Erfolgsgeheimnissen derBewegungsstiftung, dass sich ihr Selbstverständnis als Motorsozialer Bewegungen nicht nur inhaltlich, sondern auchstrukturell wiederfindet. Durch beide Komponenten be-kommt hier das Stichwort Nachhaltigkeit eine sehr stark po-litische Konnotation – was in dieser Prägnanz sicherlich zumbeeindruckenden Wachstum der letzten drei Jahre maßgeb-lich beigetragen hat. Neben der inhaltlichen und strukturel-len Zuspitzung sind es aber natürlich auch die bestehendenMedienkontakte der Stiftungsgründer, die noch aus Zeitenihres Engagements bei Attac stammen und einhergehendmit der notwendigen Hartnäckigkeit zu einer breiten und öf-

    fentlichkeitswirksamen Presseresonanz bereits in den Grün-dungstagen der Stiftung geführt haben.Im Jahr 2007 soll die mit einem Stiftungskapital von rund250.000 Euro gegründete Bewegungsstiftung auf ein Grund-kapital von 5 Millionen Euro zugreifen können. Würde diesesehrgeizige Ziel erreicht, so wäre zum anvisierten Zeitpunkt derAufbau einer selbst tragenden und ausreichend schlagkräftigenStiftung erreicht, die im Konzert der „Großen“ mitspielen könn-te. Aktuell finanzieren sich die wenigen hauptamtlichen Mitar-beiter der Stiftung noch aus anteiligen Zinserträgen und vor al-lem aus zweckgebundenen Spenden – die immerhin mittelfri-stig die Arbeit der Verantwortlichen bis 2007 garantieren. Dann hingegen wird sich zeigen, ob der eingeschlagene Weg– einschließlich des Konzepts einer „erweiterten Geschäfts-führung", die sich vorrangig um das Wachstum der Stiftungbemüht – zielführend gewesen ist. Denn vermutlich ist das Po-tenzial „alternativer Stifter“ bei weitem nicht so groß wie dasvon „reinen“ Bürger- oder Gemeinschaftsstiftungen. Das heißtin der Konsequenz, dass die Ansprache dieses Stiftungsklien-tels sehr gut gelingen muss, um zum Ziel einer dauerhaften undpotenten Stiftung zu gelangen.

    KontaktBewegungsstiftungJörg Rohwedder (Geschäftsführer des Fördervereins)Artilleriestraße 627283 Verden

    Tel. (0 42 31) 957 540Fax (0 42 31) 957 541

    [email protected]

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  • einer anderen Stiftung angesiedelt sein, sie kann auch in jederanderen juristischen Person ihren Treuhänder finden. Aufgrunddes Treuhandvertrages geht das Stiftungsvermögen in das Ei-gentum des Treuhänders über, das dieser getrennt von seinemeigenem Vermögen und gemäß der Satzung der Treuhandstif-tung zu verwalten hat. Der Treuhänder vertritt die Stiftung in al-len Rechtsgeschäften. Dabei handelt er in eigenem Namen.Ob die geplante Stiftung selbständig oder unselbständig wer-den soll oder ob die Unselbständigkeit ein erster Schritt ist,auf den der Kapital- und Imageaufbau bis zur Selbständigkeitfolgt, ist jedem frei überlassen. Ein Kriterium ist sicherlich dasKapital: Während das Kapital der unselbständigen StiftungVerhandlungssache mit dem Treuhänder ist, braucht eineselbständige Stiftung in der Regel mindestens 50.000 EuroGründungskapital. In einigen Bundesländern sind auch gerin-gere Beträge möglich. Grundsätzlich muss aber das Kapitalimmer so hoch sein, dass die Aufsichtsbehörde es als reali-stisch ansieht, dass mit den Kapitalerträgen der Stiftungs-zweck erfüllt werden kann. Bei der unselbständigen Stiftunggibt es keine allgemein gütige Festsetzung des Mindestkapi-tals und auch keine Kontrolle durch die Stiftungsaufsicht; dieunselbständige Stiftung ist lediglich ihrem Treuhänder zum

    In letzter Zeit hat sich der Begriff der Bürgerstiftung i.G. (= inGründung) eingebürgert, die der Gründungsinitiative auchohne die Notwendigkeit der Vereinsgründung eine seriöseAußendarstellung verleiht. Die Gründung eines Fördervereinsim Vorfeld einer Stiftungsgründung erscheint damit nur nochfür zwei Zielsetzungen interessant: Entweder man braucht be-reits vor der Gründung eine juristische Person, die Spenden-bescheinigungen ausstellen oder Zuschüsse beantragen kann(beispielsweise bei paralleler Antragstellung von Projektmit-teln) oder man sieht auch nach der Stiftungsgründung nochAufgabenbereich, die durch einen Förderverein abgedeckt wer-den sollten.

    Aspekte der (Un-)Selbständigkeit

    Eine weitere Entscheidung ist die der Selbständigkeit. Einigegrößere Stiftungen bieten kleineren an, den Organisations- undVerwaltungsaufwand zu reduzieren, indem sie unter das größe-re Dach schlüpfen. Die Bürgerstiftung Dresden ist ein Beispielfür eine solche Dachstiftung; aber auch zahlreiche Stiftungenvon Geldinstituten, die treuhänderisch andere Stiftungen be-treuen. Eine unselbständige Stiftungen muss jedoch nicht bei

    8 Vom Satzungsentwurf bis zur Anerkennung

    In einer strukturschwachen und von hoher Arbeitslosigkeit be-troffenen Region wie der Oberlausitz eine Bürgerstiftung zuetablieren, ist aus vielerlei Gründen kein leichtes Unterfangen.Nicht, dass es kein bürgerschaftliches Engagement in der säch-sischen Grenzregion zwischen Hoyerswerda und Löbau gäbe,schließlich wurden im Zusammenhang mit dem „Zukunftspro-gramm“ des Landkreises im Jahr 2003 rund 300 Bürger aktiv.Aber mehr noch als in den alten Bundesländern mangelt esKommunen wie Bürgern gleichermaßen an einsetzbarem Ka-pital, zudem werden die Möglichkeiten einer aktiven Bürger-stiftung im Osten Deutschlands zu wenig wahrgenommen –schlimmstenfalls sogar beargwöhnt.Eine dünne Kapitaldecke und die Hoffnung auf eine verbes-serte Außendarstellung sind dann auch die Gründe, die die Ini-tiatoren der Bürgerstiftung zivita (eine Schöpfung aus den Wör-tern „Zittau“ und „Vitalität“) dazu bewegten, ihre Bemühungenunter das Dach der renommierten Dresdner Bürgerstiftung zustellen. Denn wenn der Öffentlichkeit Sinn und Zweck einerBürgerstiftung als Plattform für bürgerschaftliches Engagementschon schwer zu vermitteln ist, konnte man immerhin auf dieerfolgreiche „Mutter-Stiftung“ in Dresden verweisen.Im Juli 2004 konnte die Bürgerstiftung zivita mit ihren 54 Grün-dungsstiftern im Barocksaal des Zittauer Heffterbaus ihre Grün-dung als unselbständige Stiftung innerhalb der BürgerstiftungDresden feiern. Und was man zu diesem Zeitpunkt kaum fürmöglich gehalten hatte: Das Stiftungskapital hätte auch für dieGründung einer selbständigen Stiftung gereicht.

    Dennoch erscheint den Verantwortlichen auch im Rückblick derWeg über die Unselbständigkeit durchaus nicht als Fehler, denndie Vorteile liegen für beide Seiten klar auf der Hand: Währendsich die Bürgerstiftung Dresden mit ihren mehr als fünfzehnUnterstiftungen ohnehin als Promotor kleinerer Bürgerstiftun-gen versteht und sich den damit verbundenen Verwaltungs-aufwand natürlich auch mit einem Prozent des Stiftungskapi-tals jährlich vergüten lässt, fallen für unselbständige Stiftungeneinige Hürden weg, die schon so manche Gründungsinitiativehaben scheitern lassen.

    Zum einen übernimmt die „Mutter-Stiftung“ sowohl Anmel-dung als auch Repräsentanz der unselbständigen Stiftungengegenüber den Aufsichtsbehörden. Zum anderen verpflichtetsie sich zur Verwaltung des Stiftungskapitals der Unterstiftun-gen, ohne natürlich über die Verwendung der Zinserträge ent-scheiden zu können. Wenn dann wie im vorliegenden Fall die„Mutter-Stiftung“ gar ein Türöffner für Räume sein kann, die fürkleinere Stiftungsinitiativen zunächst verschlossen bleiben,dann macht das dieses Modell unterm Strich durchaus inter-essant.Die gilt um so mehr, als mit der „Bemutterung“ durchaus kei-ne inhaltliche Beeinflussung verbunden sein muss. Natürlichsollten sich die Satzungen der beiden Stiftungen nicht wider-

    Von der Unselbständigkeit in die Selbständigkeit – die Bürgerstiftung zivita

  • Aspekte der (Un-)Selbständigkeit 9

    Jahresbericht verpflichtet, der dann seine Finanzen inklusiveder unselbständigen Stiftung kontrollieren lässt. Das hat allerdings zur Folge, dass die unselbständige Stiftungnicht rechtsfähig ist. Sie kann zwar in ihrer Außendarstellungwie eine selbständige Stiftung auftreten, zeichnungsberech-tigt ist aber der Treuhänder. Trotzdem können selbständigeund unselbständige Stiftung vergleichbare Gremien haben,was sich insbesondere für den Fall anbietet, dass eine Stif-tung über den Zwischenschritt der Unselbständigkeit in dieSelbständigkeit gelangen möchte. Dann können alle Gremienvollständig erhalten bleiben und es ist für die Umwandlunglediglich die Absegnung der Satzung durch die Aufsichts-behörde notwendig. Die Satzung einer unselbständigen Stif-tung unterscheidet sich kaum von der einer selbständigenStiftung. Sie enthält ebenfalls Angaben zu Name, Zweck, Gre-mien etc. Zusätzlich sollte ein Absatz zum Vermögensanfallergänzt werden, in dem festgelegt ist, wer Empfänger derStiftungsgelder sein soll, falls die Stiftung aufgelöst wird. Dieskann der Treuhänder sein, sofern es sich dabei um eine ge-meinnützige und gleiche Zwecke fördernde Körperschafthandelt, oder jede andere gemeinnützige Körperschaft, dieebenfalls gleiche Zwecke fördert. Es kann auch die Stadt sein,

    der die Stiftungsmittel nach einer möglichen Auflösung zu-fließen.

    Die Satzung sollte dem Treuhänder und den Stiftern zwarauch schon bei der Gründung der unselbständigen Stiftungvorliegen, entscheidend für die Gründung ist jedoch der Ver-trag zwischen Treuhänder und Stiftung. In diesem Vertrag istes beispielsweise auch möglich, eine zeitliche Begrenzungfestzulegen, während die selbständige Stiftung in der Regelfür die Ewigkeit angelegt wird.

    Soll die Stiftung vorwiegend operativ (Initiierung und Durch-führung eigener Projekte) tätig sein, gerät die Treuhandstif-tung an ihre Grenzen. Durch die rechtliche Abhängigkeit vomTreuhänder ist sie selbst nicht in der Lage, z.B. Personal ein-zustellen, Projektanträge zu stellen, Träger einer Einrichtungoder Veranstalter einer Aktion zu sein. Auch bei komplizierte-ren Vermögensverhältnissen empfiehlt sich die Konstruktioneiner rechtsfähigen Stiftung. In der Regel lässt sich jedoch dieTreuhandstiftung jederzeit in eine rechtsfähige Stiftung über-führen. So wie es die Bürgerstiftung Zivita gemacht hat (sieheKasten).

    sprechen, dies ist aber gerade bei Bürgerstiftungen ihrer breitgefächerten Satzungsziele wegen faktisch kein Problem. Ent-scheidender ist da schon der Einsatz der Zinserlöse aus demStiftungskapital. Hier hat die Bürgerstiftung zivita volle Verfü-gungsgewalt, sie kann also auch als unselbständige Stiftung in-haltlich wie finanziell gleichermaßen unabhängig über ihr Han-deln entscheiden.Nun ist in der Oberlausitz mit der Gründung der Bürgerstiftungzivita ein Ball angestoßen worden, dessen Geschwindigkeitselbst die Verantwortlichen überrascht hat. Ein gutes Jahr nachder Einrichtung einer unselbständigen Stiftung stehen die Ver-antwortlichen vor dem endgültigen Schritt in die Selbständig-keit im Jahr 2006. In gewisser Weise ist das der Idealfall derEntwicklung einer unselbständigen Stiftung: Das Stiftungskapi-tal ist ausreichend, das Know-how reicht zur Führung einer Bür-gerstiftung ebenfalls aus, und vor allem zeigen die Anfragenvon drei Stiftungsinitiativen, die unter dem Dach einer (dann

    selbständigen) Bürgerstiftung zivita gegründet werden wollen,dass der grundsätzliche Ansatz einer Bürgerstiftung auch in Tei-len der Bürgerschaft angekommen ist.Insofern ist die Rechnung der Beteiligten aufgegangen, und dasnicht zuletzt deshalb, weil die angestrebten Ziele und Hand-lungsschritte sowohl der „Mutter-Stiftung“ gegenüber als auchsatzungsmäßig transparent gemacht wurden. An der Koopera-tion zwischen der Bürgerstiftung zivita und der BürgerstiftungDresden hat sich gezeigt, dass eine schriftliche Vereinbarungzum Ablauf des Verselbständigungsprozess sehr hilfreich seinkann, um Missverständnisse zu vermeiden. Gleichzeitig enthältdie Satzung der Bürgerstiftung zivita einen Passus, der dem Stif-tungsrat die Empfehlung zur Gründung einer selbständigenStiftung erlaubt. Nur deshalb handelt es sich bei der Über-führung in die Selbständigkeit formal nicht um die Neugrün-dung einer Stiftung, wenn also die alleinige Vertretung gegen-über den Kontrollbehörden auf die Verantwortlichen der Bür-gerstiftung zivita übergeht, und es wird kein erneutes Geneh-migungsverfahren notwendig.

    KontaktBürgerstiftung zivitaJeannette Gosteli (Stiftungsratvorsitzende)c/o Geschäftsstelle des Vereinshaus des TUZZ e.V.Milchstraße 16, 02763 Zittau

    Tel. (0 35 83) 58 65 733Fax (0 35 83) 79 17 16

    [email protected]

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  • 10 Vom Satzungsentwurf bis zur Anerkennung

    Satzung

    Das Geheimnis einer Satzung liegt darin, sie weder zu schlichtnoch zu umfangreich zu gestalten. Mustersatzungen könnenals Einstieg helfen, letztlich verleiht aber die Zielsetzung der Stif-tung und das Leitbild des Initiativkreises der Satzung den letz-ten Schliff. Selbständige Stiftungen müssen eine eigene Sat-zung haben, bei unselbständigen Stiftungen reicht zwar ein Ver-trag zwischen Stiftung und Treuhänder aus, in der Regel wirdder Vertrag aber durch eine Satzung ergänzt – wie auch in demvorab genannten Beispiel der Stiftung Zivita, die darüber denWeg in die Selbständigkeit vorbereitete.

    PräambelMan sollte davon ausgehen, dass die Satzung – ebenso wiedie Stiftung – für die Ewigkeit aufgestellt wird. Dem entspre-chend sollten alle Festlegungen darin so ausgelegt sein, dasssie auch in hundert Jahren noch Gültigkeit haben und dassauch dann, wenn alle jetzigen Stifter nicht mehr unter denLebenden weilen, der Stifterwille wahrgenommen werdenkann. Zu dessen Konkretisierung übernimmt die Präambeleine wichtige Funktion. Sie ist die ideelle Aussage zum Sinnder Stiftung. Während der Satzungstext selbst in einer juris-tisch einwandfreien und eindeutige Sprache gehalten ist,kann die Präambel freier formuliert werden und lässt damitRaum für eine Deutung des Leitbilds der Stifter. Sie kannauch Aussagen über den Gründungszusammenhang ma-chen, Weltanschauung und Intention der Stifter näher darle-gen. So können sich in der Präambel Sätze wiederfinden wiebeispielsweise „Die Stiftung soll unabhängig von Staat undVerwaltung agieren“ oder „die Stifter fühlen sich der nachhal-tigen Entwicklung als Bewahrung der Schöpfung über Zeitund Raum verpflichtet“. Trotz der Möglichkeit, die Präambelzur Auslegung der Satzung zu nutzen, bleibt es dabei, dassdie bindenden Bestimmungen erst im eigentlichen Satzungs-text folgen und dieser daher so klar und eindeutig wie mög-lich sein sollte.

    Operativ oder förderndNeben der Nennung von Namen, Rechtsform und Sitz derStiftung, legt die Satzung fest, welche Zwecke verfolgt wer-den und vor allem auf welche Weise diese Zwecke verfolgtwerden sollen. Sollen beispielsweise Stipendien vergebenwerden oder möchten die Stifterinnen und Stifter Projektefördern, Wettbewerbe ausschreiben etc. Um sich an dieserStelle nicht zu sehr einzuschränken, wählen Bürgerstiftungenmittlerweile zunehmend die Formulierung, dass sie sowohlfördernd als auch operativ tätig werden können. Eine Umfra-ge, die der Wissenschaftsladen Bonn im Herbst 2003 unterBürger- und Gemeinschaftsstiftungen (teilweise in Grün-dung) durchgeführt hat, ergab, dass der Anteil der reinen För-derstiftungen bei den befragten Bürger- und Gemeinschafts-stiftungen 25 Prozent nicht übersteigt. Dieser Anteil dürfte

    seitdem eher noch gesunken sein. Das ist umso erstaunli-cher, da der Ursprung der „Community Foundations“ als rei-ne Förderstiftung angelegt war. Mit Blick auf das häufig relativgeringe Kapital von Bürgerstiftungen und somit auch auf diegeringen Zinserträge der Stiftungen wird einer der Gründe fürdie Zurückhaltung bei der Fördertätigkeit jedoch sehr offen-sichtlich. Es ist sogar eher erstaunlich, dass ein Viertel allerBefragten die Stiftungszwecke über die Förderung »externer«Projekte verwirklicht. Dabei werden die Förderungen keines-falls nur aus dem eigenen Kapital umgesetzt, sondern durchSpenden und Fördermittel öffentlicher und privater Organisa-tionen ergänzt.

    Soll die Stiftung externe Projekte fördern, sind im Vorfeld einpaar Details zu klären, die einem später die Auswahl erleich-tern: Zum einen sollten inhaltliche Kriterien gelten, die jedeStiftung für sich selbst aufstellen muss. Zudem gibt es forma-le Kriterien, wie beispielsweise, wer Anträge stellen darf, wielang diese sein sollen und wie die Stiftung an die Anträge ge-kommen ist. Das kann über interne Empfehlungen sein, überregelmäßige Ausschreibungen etc. Die Bürgerstiftung Göttin-gen ist zum Beispiel den Weg gegangen, mehrere Jahrehintereinander ein Plenum zu veranstalten, in dem Förderin-teressenten ihre Ideen in großer Runde vorstellen konntenund auf diesem Weg auch für den Fall, dass keine Förderung

  • möglich war, ein Forum geboten bekamen. Der administrati-ve Aufwand für Förderstiftungen ist nicht zu unterschätzen. Esgibt durchaus Stiftungen, die von einer Fördertätigkeit wiederAbstand genommen haben, da sie vor lauter Anträgen undAnfragen nicht mehr zur inhaltlichen Arbeit kamen. Nach derAntragsbearbeitung folgen als weitere Schritte die Begleitungder Projekte und die detaillierten Abrechnungsmodalitäten.Heute konzentrieren sich vielen Bürger- und Gemeinschafts-stiftungen von vorne herein auf die operative Arbeit: Sie ent-wickeln eigene Projektideen und führen sie in Eigenregie durch.Wer sich von vorneherein nicht auf eine operative oder för-dernde Tätigkeit festlegen möchte, folgt dem Ratschlag der In-itiative Bürgerstiftungen und nennt beide Möglichkeiten in derSatzung. Offensichtlich hat sich diese Empfehlung bereitsdurchgesetzt oder ist aus dem Trend der letzten Jahre entstan-den – zumindest verfolgt eindeutig der größte Teil der Bürger-und Gemeinschaftsstiftungen diese Strategie, die das breitesteTätigkeitsspektrum eröffnet. Wenn hier von einem »Trend derletzten Jahre« die Rede ist, dann kann lediglich ein Zeitraum un-ter zehn Jahren beleuchtet werden. Die erste deutsche Bür-gerstiftung wurde 1996 gegründet – sie sind also noch sehrjung. Der Gründungsboom von Bürgerstiftungen setzte Endeder 90er Jahre ein und hält seitdem unvermindert mit einerjährlich zunehmenden Anzahl von Gründungen an.

    Vom Ziel zu anerkannten ZweckenWie oben bereits erwähnt, wird in der Satzung nicht nur fest-gehalten, wie die Stiftung arbeiten soll, sondern auch, welcheZiele sie verfolgt. In der Regel werden hierfür die als gem-einnützig anerkannten Zwecke aufgeführt, die dem Ziel der Stif-tung am nächsten kommen. Natürlich darf die Stiftung jederechtmäßigen Zweck verfolgen. Eine steuerliche Begünstigungkann aber nur in Anspruch genommen werden, wenn der

    Zweck zu der Liste der anerkannten gemeinnützigen Zweckezählt: Ist beispielsweise ein Ziel der Stiftung, etwas für die Kin-der der Stadt zu tun und ihnen mehr Spiel- und Grünfläche zuschaffen, werden als Zwecke vermutlich Jugend- und Alten-pflege, Bildung & Erziehung und ggf. noch Umwelt & Natur-schutz gewählt. Dabei gilt ähnlicher Grundsatz wie bei der Ent-scheidung, ob eine Stiftung operativ oder fördernd arbeitensoll: Man sollte für die Zukunft möglichst viele Freiräume zu-lassen und den Strauß der Stiftungszwecke entsprechend großwählen. Das tun auch die meisten Bürger- und Gemein-schaftsstiftungen. Die oben bereits erwähnte Umfrage des Wis-senschaftsladen Bonn ergab, dass lediglich sechs von 67 Stif-tungen und Gründungsinitiativen nur einen Stiftungszweck inder Satzung verankert haben. Die meisten nennen deutlichmehr als drei Stiftungszwecke in ihrer Satzung. Es gilt sogar alsCharakteristikum und wird von der Initiative Bürgerstiftungenempfohlen, den Zweck der Stiftung möglichst breit anzulegen.Damit ist nicht gemeint, alle anerkannten gemeinnützigen Zwe-cke einfach nur aufzulisten, sondern es ist lediglich angeraten,die Ziele der Stiftung in einem möglichst umfassenden Kontextzu betrachten. Als Orientierung und Anregung können hier ggf.die Angaben aus der oben genannten Befragung dienen: Mehrals zwei Drittel der befragten Bürger- und Gemeinschaftsstif-tungen zählen folgende Zwecke zu ihren Zielen: Bildung & Er-ziehung, Umwelt- und Naturschutz, Jugend- und Altenhilfe,Kunst & Kultur. Weniger als ein Drittel beziehen hingegen sospezielle Zwecke ein wie: Sport, Landschaftspflege, öffentlichesGesundheitswesen, demokratisches Staatswesen, Tierschutz. Als klassisches Beispiel soll hier die Stiftung „Ein Herz für BadNauheim“ betrachtet werden, die mit ihren Stiftungszweckenvon Förderung der Forschung über Gesundheitswesen, Sport,Umwelt- und Naturschutz bis hin zur Heimatkunde ein breitesSpektrum abdeckt.

    Satzung 11

  • StiftungsaufsichtSelbst mit Hilfe der zahlreichen Mustersatzungen, die es gibt,kommt sicherlich keine Gründungsinitiative um eine Beratungbeim Finanzamt und der Stiftungsaufsicht herum. Es ist sogarempfehlenswert einen solchen Termin schon frühzeitig zu su-chen, um die Satzung den entsprechenden Anforderungen derAufsichtsbehörde anzupassen. Die Stiftungsaufsicht ist durchdie jeweiligen Landesgesetze geregelt. Die Zuständigkeiten lie-gen beim Innenministerium des Landes sowie bei den Regie-rungspräsidien, daher ist es für die Abstimmung ratsam, sichmit der zuständigen Bezirksregierung in Verbindung zu setzen.Seitens der Aufsichtsbehörde kann es durchaus Einwände bzgl.des Mindestkapitals oder einzelner Formulierungen geben,wenn dadurch die Umsetzung des formulierten Stifterwillensin Frage gestellt wird. In seltenen Fällen können auch bezüglichder Kapitalanlage Vorgaben gemacht werden, die ebenfallsdazu dienen, dass der Stiftungszweck eingehalten werdenkann. All diesen Einwänden kann man zu einem frühen Zeit-punkt wesentlich entspannter begegnen, als wenn bereits an-

    dere Details der Satzung auf die ein oder andere Formulierungausgerichtet sind. Die meisten Bürger- und Gemeinschaftsstif-tungen haben ihre Satzung entweder online stehen oder ge-ben diese auf Anfrage freigiebig weiter.Rechtsberater raten eher davon ab, verschiedene Mustersat-zungen zu mischen, da dann die Gefahr besteht, dass die Zu-sammenhänge (Gremien, Wahlmodalitäten etc.) nicht mehrschlüssig sind. Es kann aber ratsam sein, eine Stiftung, die ähn-liche Ziele verfolgt, nach ihrer Satzung und den damit verbun-denen Erfahrungen zu fragen. So hat man eine Vorlage, an derman sich orientieren kann. Nachträgliche Änderungen nachUnterzeichnung des Stiftungsgeschäfts sind in der Regel sehraufwendig.

    • Quellen für Mustersatzungen beispielsweise unter www.buergerstiftungen.de, www.ratgeber-stiften.de,www.stiftungen.nrw.de, www.stiftungen.org

    • Beispiele für Treuhandverträge unter www.buergerstiftung-dresden.de, www.bewegungsstiftung.de

    12 Vom Satzungsentwurf bis zur Anerkennung

    Die kleine hessische Kurstadt Bad Nauheim am Ostranddes Taunus teilt mit vielen anderen deutschen Städten dasProblem, dass in Zeiten knapper kommunaler Kassen histori-sche Baudenkmäler nur schwer zu erhalten sind. Und auch dasssich hier im Jahre 2004 eine der ersten hessischen Bürgerstif-tungen konstituiert hat, liegt indirekt in dieser Problemlage be-gründet. Am Beispiel der noch jungen Bürgerstiftung „Ein Herzfür Bad Nauheim“ ließe sich die These vertreten, dass das In-strument einer Bürgerstiftung in doppelter Weise für eine nach-haltige Stadtentwicklung eingesetzt werden kann: Zum einendurch die Bereitstellung kreativer und innovativer Potenzialeund zum anderen durch die Aktivierung einer bürgerschaftli-chen Öffentlichkeit, die in Zeiten knapper öffentlicher Kassendie Geschicke ihrer Stadt selbst in die Hand nimmt.Im Gegensatz zu Bürgerstiftungen, deren Gründungsimpulsausschließlich aus den Reihen der Bürgerschaft kommt, gehtdie Einrichtung einer Bürgerstiftung in Bad Nauheim auf einenEntwurf der Stadtverordnetenversammlung aus dem Jahr2003 zurück. Dieser städtische Entwurf für ein „KommunalesHandlungsprogramm“ ist seitdem die Grundlage für das BadNauheimer Agendabüro, das sich auf dem Weg zu einer nach-haltigen Stadtentwicklung auch das bürgerschaftliche Engage-ment für eine zukunftsfähige Kommune zum Ziel gesetzt hat.Hierzu zählt auch die Unterstützung der Bürgerstiftung „EinHerz für Bad Nauheim“.Das heißt nun nicht, dass sich die Stadt Bad Nauheim durchdie Einrichtung einer Bürgerstiftung aus ihrer Verantwortung zurFinanzierung kommunaler Aufgaben verabschiedet hat. Daszeigt sich schon daran, dass sich die ursprüngliche Zielsetzungeiner Stiftung zur Erhaltung der Jugendstil-Baudenkmäler durch

    die Einbeziehung der Agendaansätze längst zu einer bürger-schaftlichen Stiftung verbreitert hat. Anders wäre es wohl auchkaum möglich gewesen, knapp 150 Stifter zur Beteiligung zubewegen.Und doch ist die starke Einbeziehung der politischen Gremienin der Gründungsphase Fluch wie Segen zugleich. Auf der einenSeite liegt es auf der Hand, dass erst durch die Einbindunglokalpolitischer Prominenz relativ viele „Großstifter“ ange-sprochen werden konnten. Auf der anderen Seite leidet dieBürgerstiftung „Ein Herz für Bad Nauheim“ bis heute unter dem Ruf einer SPD- und Agenda-nahen Stiftung – und dasobwohl hinsichtlich der Stiftungsgründung fraktionsübergrei-fender Konsens bestand und nach wie vor besteht.

    Für eine Bürgerstiftung mit einem überschaubaren Stiftungs-kapital bestehen naturgemäß wenig finanzielle Spielräume,wenn es denn nicht gelingt, projektbezogen weitere Mittel zuakquirieren. Ein Beispiel für die erfolgreiche Drittmittelakquisefindet sich im Schwerpunkt „Bildung für Kinder mit Migrations-hintergrund“. Erst die Kooperation mit der Hertie-Stiftung er-möglicht es der Bürgerstiftung „Ein Herz für Bad Nauheim“, Kin-der und Jugendliche mit Migrationshintergrund im Rahmen derschulischen Bildung besonders zu fördern.Auch der Preis der Bürgerstiftung, der am 1. Oktober 2005 (Tagder Bürgerstiftungen) zum ersten Mal verliehen wird und be-

    Aktivitäten einer Bürgerstiftung – die Bürgerstiftung „Ein Herz für Bad Nauheim“

  • 13

    Gremien 13

    sonderes bürgerschaftliches Engagement in und für Bad Nau-heim auszeichnet, ist auf die Einwerbung finanzieller Mittel an-gewiesen. Den Verantwortlichen ist es in diesem Arbeitsbereichgelungen, die Volksbank und die Stiftung Mittelhessen von einerAnerkennung ehrenamtlichen Engagements zu überzeugen.Dass es hingegen auch einer Bürgerstiftung mit bescheidenenfinanziellen Kapazitäten gelingen kann, öffentlichkeitswirksa-me Projekte anzustoßen, zeigt die Etablierung eines Nachbar-schaftshilfevereins und einer Freiwilligenagentur in Bad Nau-heim. Hierzu hat die Bürgerstiftung einerseits personell und an-dererseits auch in geringem Umfang finanziell beigetragen,langfristig entscheidend wird aber sein, ob die Entstehung ei-nes Freiwilligen-Netzwerks gelingen kann. Denn in diesem Fallversteht sich die Bürgerstiftung „Ein Herz für Bad Nauheim“ alsImpulsgeber – mittelfristig können und sollen die gegründetenInitiativen eigenständig agieren. Wenn dies gelingen sollte,dann ist die Bürgerstiftung mit ihren Kräften sehr effektiv um-gegangen und hat als Anstoßgeber eine Menge bewegt.Während die Bürgerstiftung „Ein Herz für Bad Nauheim“ im Zu-sammenhang mit der Förderung ehrenamtlichen Engage-ments als Impulsgeber fungiert, versucht sie sich mit Blick aufdie Erhaltung und museale Nutzung der zahlreichen Jugend-

    stilbauten sowohl als Impulsgeber wie auch als Knoten einesdezentralen Netzwerks zu etablieren. Auch wenn bisher in BadNauheim mit dem Rosenmuseum nur ein spezialisiertes Mu-seum existiert, sind zahlreiche staatliche, private und kulturel-le Organisationen mit der Bewahrung des kulturgeschichtli-chen Erbes der Stadt beschäftigt. Es geht dementsprechendhier sowohl um den Anstoß eines bürgerschaftlichen Engage-ments als auch um die Zusammenführung bereits bestehen-der Ansätze. Da auf der politischen Ebene bisher keine Lösunggefunden werden konnte, wird in Kürze der Verein „Bad Nau-heimer Museen“ die grundlegenden Vorarbeiten einer Pro-jektgruppe der Bürgerstiftung weiterführen.Die angeführten Aktivitäten der Bürgerstiftung „Ein Herz für BadNauheim“ zeigen deutlich, dass sich die Handlungsmöglich-keiten einer noch jungen Stiftung nicht allein an der Grenze dereinsetzbaren Finanzmittel ausrichten muss. Wenn bürger-schaftliche Projekte nur mit Hilfe von Drittmittel gefördert bzw.im besten Sinne „angestoßen“ werden können, dann kann eineStiftung dennoch über diese Projekte wahrgenommen werden.Und eine Wahrnehmung, die auf der Außenwirkung erfolgrei-cher Projekte beruht, führt im Idealfall auch zu einer Vergröße-rung des Stifterkreises.

    KontaktBürgerstiftung „Ein Herz für Bad Nauheim“Klaus Ruppert (Geschäftsführender Vorstandsvorsitzender)Frankfurter Straße 2861231 Bad Nauheim

    Tel. (0 60 32) 93 45 22Fax (0 60 32) 93 45 32

    [email protected]

    Aktiv für die Bürgerstiftung

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    Gremien

    Zuerst einmal kann festgehalten werden: Abgesehen vondem (geschäftsführenden) Vorstand ist kein Gremium zwin-gend. Bei der unselbständigen Stiftung kann sogar diesesGremium durch den Treuhänder ersetzt werden. Darüber hi-naus ist von der Stifterversammlung bis zum Kuratorium(fast) alles installierbar. Auch wenn es einerseits verlockendist, sowohl Stifter/innen als auch ehrenamtlich Aktive überGremien in die Stiftungsarbeit einzubinden, soll auf der an-deren Seite nicht verschwiegen werden, dass jedes Gremiumfür die Geschäftsführung mit zusätzlichem Aufwand verbun-den ist.Da die Gremiengestaltung weitgehend ohne externe Vorga-ben erfolgt, kann jede Stiftung ihre Gremien – mit Ausnahmedes Vorstands – anders nennen und ihnen unterschiedlicheKompetenzen verleihen. Für alle Gremien – inklusive demVorstand – gilt, dass darin sowohl Stifter als auch Nicht-Stiftervertreten sein können. Das liegt alleine im Ermessen der

    Gründungsinitiative. Im Folgende werden die häufigsten Be-grifflichkeiten und Zuständigkeiten vorgestellt.

    VorstandWie bereits eingangs erwähnt, ist die Einrichtung eines Vor-stands für selbständige Stiftungen ein Muss. Wenn keine Ge-schäftsführung eingerichtet wird, muss der Vorstand die Ge-schäftsführung übernehmen. Der Vorstand besteht ausmindestens drei Personen und vertritt die Stiftung bei derjährlichen Kontrolle durch die Stiftungsaufsicht. Er kann be-langt werden, wenn es zu vorsätzlich oder fahrlässig verur-sachten Kapitalverlusten kommt oder wenn die Stiftung vomStifterwillen abweicht. Insbesondere in Bezug auf die Haftungbei Kapitalverlusten sollte in Erwägung gezogen werden, obdiese in der Satzung auf vorsätzliches oder grob fahrlässigesFehlverhalten reduziert wird.Bei der Aufzählung all dieser Auf-gaben und Lasten, stellt sich die Frage, wer denn freiwillig einsolches Amt übernehmen soll? Aber es ist wie bei anderenVorständen auch, mit der größten Verantwortung ist auch die

  • größte Gestaltungsfreiheit verbunden. Und da die meistenBürger- und Gemeinschaftsstiftungen mit ehrenamtlichenVorständen arbeiten, sind in den Vorständen in der Regelmehr als drei Personen vorgesehen. Für wie lange der Vor-stand gewählt wird oder ob es geborene Mitglieder gibt, liegtim freien Ermessen der Gründerinnen und Gründer.

    StiftungsratAls Unterstützung der Stiftungsarbeit wird in vielen Bürgerstif-tungen zusätzlich zum Vorstand ein Stiftungsrat eingerichtet.Er kann verschiedene Funktionen haben wie beispielsweisedie Wahl des Vorstands, die Beratung bei der Auswahl vonFörderprojekten oder die Kontrolle des Vorstands. Wenn eskein Kuratorium als Gremium namhafter Stifterinnen und Stif-ter gibt, übernimmt der Stiftungsrat teilweise auch repräsen-tative Funktion. Auch der Stiftungsrat wird bei der Grün-dungsveranstaltung gewählt, wobei nicht alle möglichen Sitzevon vorne herein belegt werden müssen. Das gilt übrigensfür jedes Gremium – vorausgesetzt, die Satzung lässt diesenSpielraum zu. Da der Stiftungsrat so viele unterschiedlicheFunktionen haben kann, die in der Satzung festgelegt werden

    müssen, ist im Vorhinein die Besetzung sehr sorgfältig zuüberlegen.Wenn der Stiftungsrat eine Arbeitsentlastung für den Vorstanddarstellen soll, ist es sinnvoll, zwar engagierte aber wenig an-dersweitig eingebundene Personen als Kandidaten zu wer-ben. Soll der Stiftungsrat eher repräsentativ besetzt sein, soll-

    14 Vom Satzungsentwurf bis zur Anerkennung

    Knapp 500 Stiftungen für knapp eine Million Kölner Bür-ger – das wäre für die größte Stadt Nordrhein-Westfalenskein schlechter Schnitt. Wenn denn alle bestehenden KölnerStiftungen ihre Kapazitäten für die Belange Kölner Bürger ein-setzten. Doch erst im Juni 2005 konnte in der rheinischenMetropole eine eigentliche Bürgerstiftung gegründet werden.Hintergrund für die Gründung einer Stiftung mit dem Leitge-danken einer nachhaltigen Entwicklung der Stadt ist auch imFalle Kölns, wie so oft, die Sorge, dass Agendaprozesse im Zugekommunaler Sparzwänge auf mehr bürgerschaftliche Unter-stützung angewiesen sind. Deswegen ist es auch kein Zufall,dass die Initialzündung für den Gründungsprozess einer Bür-gerstiftung aus den Reihen des KölnAgenda e.V. kam und zu-dem die Nordrhein-Westfälische Stiftung für Umwelt und Ent-wicklung (SUE) zur Finanzierung der Aufbauarbeit gewonnenwerden konnte. Nun hängt allerdings die Anerkennung einer Bürgerstiftungdurch den Arbeitskreis Bürgerstiftungen des BundesverbandesDeutscher Stiftungen unter anderem von einer gewissen Brei-te der Stiftungsziele ab. Aus diesem Grunde ist auch die in-haltliche Ausrichtung der Kölner Bürgerstiftung sehr weit ge-halten, Nachhaltigkeit ist gleichwohl ein gewichtiges – abereben nicht ausschließliches – Thema. Personell wie logistischist die Verknüpfung der Bürgerstiftung mit dem Kölner Agen-dakontext ohnehin augenfällig, denn viele der Gründungsstif-ter sind aus den Nachhaltigkeitsnetzwerken angesprochenworden, und zudem stellt der KölnAgenda e.V. in den An-fangstagen der noch jungen Bürgerstiftung sein Büro als An-laufstelle zur Verfügung.

    Nun sind die Themen „Geld“ und „Ansprache von Stiftern“ ineiner von „Korruption und Klüngel“ geschüttelten Stadt wieKöln nicht unproblematisch. Auch die Bürgerstiftung, die gera-de vor diesem Hintergrund auf bedingungslose Transparenzund bürgerschaftliche Einbindung gesetzt hat, bekam dies zuspüren. Dass bis zum heutigen Tag „nur“ ca. vierzig Stifter ge-wonnen werden konnten, und das Stiftungskapital es mit Müheüber die rechtlich erforderliche Hürde geschafft hat, liegt nichtzuletzt daran begründet, dass gerade in den originären Agen-dakreisen der Einsatz finanzieller Mittel zur Durchsetzung dereigenen Ziele vom Verdacht des berühmten Kölner Klüngelsüberschattet wird.

    Das zeigt sich auch sehr deutlich in der Einbindung von stif-tungswilligen Institutionen. Denn nachdem schnell klar gewor-den war, dass das erforderliche Stiftungskapital nicht allein mitZustiftungen aus den Reihen der Bürgerschaft aufgebaut wer-den kann, sprachen die Initiatoren gezielt einzelne Kölner Ban-ken an, die auch bisher schon im Kölner Stiftungswesen Enga-gement gezeigt hatten. Dabei zeigte sich allerdings, dass ebendiese Institutionen nur dann zu einer Unterstützung hätten ge-wonnen werden können, wenn die Bürgerstiftung ihnen im Ge-genzug inhaltlichen Einfluss über den Stifterrat oder gar denVorstand eingeräumt hätte.Das ist nun aus naheliegenden Gründen mit der Struktur einerBürgerstiftung, die sich als unabhängige und transparente Or-ganisation zur Beförderung bürgerschaftlichen Engagements

    Einbindung von Groß und Klein – die Bürgerstiftung Köln

  • ten unstrittige Persönlichkeiten der Stadt dafür angeworbenwerden. Das können Kulturschaffende sein, die Rektorin derörtlichen Schule, der Theaterdirektor etc. Bei Politikerinnenund Politikern sollte man eher zurückhaltend sein und sichvorher gut überlegen, ob die Stiftung beispielsweise durchdie Präsenz des Bürgermeisters in eine bestimmte politischeRichtung „gedrängt“ werden könnte, die potenzielle Stifterin-nen und Stifter auch von Ihrer Entscheidung einer Zustiftungabbringen könnte.

    StifterversammlungAls letztes Gremium soll hier die Stifterversammlung erwähntwerden. Der Stifterversammlung können alle Stifterinnen undStifter (ab einem bestimmten Betrag der (Zu-)Stiftung) an-gehören. Sie verankert ansatzweise partizipative Elemente inder Stiftung, die von ihren Ursprüngen her einen rein hierar-chischen Entscheidungsapparat hat. Die Stifterversammlungkann beispielsweise die Aufgabe haben, den Stiftungsrat zuwählen. In diesem Fall hat häufig jede/r eine Stimme, unab-hängig davon, ob die Zustiftung drei- oder fünfstellig war. Wenndie Stiftung keine Untergrenze für Zustiftungen hat (beispiels-

    weise 1.000 Euro), sollte überlegt werden, die Teilnehmer derStifterversammlung erst ab einem bestimmten Betrag der Zu-stiftung zuzulassen, damit nicht der gesamte Betrag der Zustif-tung nach einigen Jahren für Porto, Verwaltung, Catering etc.verwendet wurde. Wie bereits erwähnt, werden der Bürgerstif-tung mit der Einführung einer Stifterversammlung, die regel-mäßig zusammenkommt, partizipative Elemente hinzugefügt,die sie von ihren Wurzeln der Community Foundation her nichthat. Trotzdem nutzen viele deutsche Bürgerstiftungen diesesGremium zur Erweiterung ihrer Basis.

    Stolpersteine bei derOrganisationsentwicklung

    All diese Zuständigkeiten und Details der Gremienzusam-mensetzung lassen sich vollkommen frei in der Satzung fest-legen. Das macht die Gründung einer Stiftung einerseits zueiner attraktiven – weil individuellen – Angelegenheit. Ande-rerseits wird damit aber die Gestaltungsfreiheit auch zur Ge-staltungspflicht und es ist nicht selten der Fall, dass die Dis-kussion über Satzung und Gremienstruktur mehr Zeit und

    Stolpersteine bei der Organisationsentwicklung 15

    versteht, nicht vereinbar. Im Falle der Kölner Bürgerstiftung wur-de die Entscheidung über die Einbindung von institutionellenSpendern dadurch erschwert, dass sie letztlich auf eine Ent-scheidung zwischen einem bürgerschaftlichen „Reinheitsge-bot“ und den finanziell notwendigen Kompromissen verweist:Nicht jeder der stiftungswilligen Kölner Bürger hat sich mit derNotwendigkeit leicht getan, „Großstifter“ überhaupt zuzulassen.

    In doppelter Hinsicht muss es deshalb, im Nachhinein be-trachtet, als sehr glücklich betrachtet werden, dass letztlich dieKölner Sparkasse einerseits zu einer Zustiftung und anderer-seits zur gewünschten Zurückhaltung bewegt werden konnte.Zum einen darf man zu Recht die aktuelle Fusion von Kölnerund Bonner Sparkassen als Beweggrund vermuten – denn dieBonner Kollegen unterhalten bereits seit mehren Jahren einesog. Bürgerstiftung. Auch wenn man sich bei letzterer ausgie-big darüber streiten kann, inwieweit es sich wirklich um eineBürger- und nicht um eine schlichte Sparkassenstiftung han-delt, wird es wohl den Entscheidungsträgern in den Reihen derKölner Sparkasse die bewusste Entscheidung für eine Unter-stützung der Kölner Stiftungsinitiative sehr erleichtert haben.Zum anderen ist die Gratwanderung zwischen der Ausrichtungauf unabhängiges bürgerschaftliches Engagement und den be-rechtigten Interessen eines „Großstifters“ zumindest im Falleder Bürgerstiftung Köln zunächst gelungen. Ein Blick in die Sat-zung macht deutlich, dass sie allein auf bürgerschaftliches En-gagement und Transparenz abhebt, und selbst in der Zusam-mensetzung der Gremien findet sich kein unverantwortlicherEinfluss. Lediglich im Stiftungsrat ist ein Mitglied der Sparkassevertreten – da es sich jedoch um ein Wahlamt und nicht umeine „geborene“ Vertretung handelt, wird man kaum von ei-nem unzumutbaren Kompromiss sprechen können.

    Es bleibt natürlich die Frage nach der Dominanz der KölnerSparkasse in der faktischen Zusammenarbeit. Natürlich wirdman nach dem gegebenen Eigeninteresse einer Institution fra-gen dürfen, die ihre Räumlichkeiten für die Gründungsveran-staltung zur Verfügung stellt oder ein kostenloses Stiftungs-konto zu führen bereit ist. Bisher jedoch hat die Kölner Spar-kasse in keiner Weise zu erkennen gegeben, dass sie von derBürgerstiftung Köln eine „Gegenleistung“ erwartet. Das giltnicht nur für die inhaltliche Ausrichtung der Stiftungsprojekte –die in Bälde im Rahmen eines Ideenwettbewerbs auf den Weggebracht werden sollen –, sondern sogar hinsichtlich der Zu-sage, die Unterstützung der Bürgerstiftung nicht für die Öffent-lichkeitsarbeit der Sparkasse zu verwenden.Wenn sich dieses Gleichgewicht zwischen transparenter Bür-gerbeteiligung und institutionellem Interesse, zwischen „klei-nen“ und „großen“ Spendern eingespielt haben sollte, dannwird die Bürgerstiftung Köln damit nicht nur ihrem Selbstan-spruch gerecht. Gleichzeitig verbindet sich damit die Hoffnung,die internen Kritiker und Bedenkenträger von der Tragfähigkeitdieser Kooperation zu überzeugen.

    KontaktBürgerstiftung KölnDr. Ludwig Arentz (Vorstandsvorsitzender)Postfach 10 35 4450457 Köln

    Tel. (02 21) 22 12 46 77Fax (02 21) 22 12 46 12

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  • Energie in Anspruch nimmt als den ehrenamtlichen Mitglie-dern der Gründungsinitiative lieb ist. Trotzdem ist der Auf-wand keine Zeitverschwendung, da es für die zukünftige Ar-beit der Stiftung durchaus richtungsweisend sein kann.

    Einfluss von StifternEine der Fragen, die man sich frühzeitig stellen sollte, ist bei-spielsweise, wie groß der Einfluss von Großstiftern sein soll.Auch wenn so manches Mitglied einer Gründungsinitiativedavon träumen mag, einen oder mehrere vermögende Stifterzu gewinnen, geht damit leider auch ein Problem einher:Eine Stiftung, die mit 100.000 Euro oder mehr Stiftungskapi-tal aus einer Hand gegründet wird, wird es in Zukunft schwerhaben, Zustifter zu werben, die ihre 500 oder 1.000 Euro Zu-stiftung als wichtigen Beitrag ansehen. Zudem besteht dieGefahr, dass die Stiftung das Image des Hauptstifters über-nimmt.

    Infrastrukturelle VerankerungEine weitere wichtige Entscheidung, die manches Mal eher zu-fällig getroffen wird, ist die nach den Büroräumen. So ist eine

    kurze Bedenkpause empfehlenswert, wenn beispielsweise dieStadtverwaltung anbietet, über das Agendabüro die Porto- undTelefonkosten zu übernehmen oder das örtliche Geldinstitutkostenlos einen Raum mit eingerichtetem PC-Arbeitsplatz zurVerfügung stellen kann. Das kann alles überaus gut gemeintsein; trotzdem sollte man die Außenwirkung bedenken: die Ver-bindung zur Stadtverwaltung, wie oben genannt, kann der Stif-tung einerseits ein seriöses Auftreten verleihen, andererseitskann es aber auch Stifter abschrecken, die hier eine verdeckteVerlagerung freiwilliger Leistungen auf private Schultern ver-muten. Auch beim zweiten Beispiel, den Büroräumen im örtli-chen Geldinstitut, kann es zum Einen zu mehr Seriosität ver-helfen und den Zugang zu liquiden Stiftern ebnen, andererseitsverbaut man sich vielleicht aber auch die Kooperation mit an-deren Geldinstituten bei der Mittelakquise.In den letzten Jahren haben sich insbesondere die Sparkas-sen und die Volks- und Raiffeisenbanken den kleineren Stif-tungen zugewandt, sogar selbst „Bürgerstiftungen“ gegrün-det.Wer sich für die intensive Zusammenarbeit mit einem Geld-institut entscheidet, wird es schwerer haben, nach außen Un-

    16 Vom Satzungsentwurf bis zur Anerkennung

    Anfang 1999 wurde in der sächsischen LandeshauptstadtDresden die erste Bürgerstiftung der neuen Bundeslän-der gegründet. Möglich wurde dies durch die Unterstützungder Körber-Stiftung, die die Gründungsinitiative unter ande-rem mit einem Gründungskapital von 50.000 Euro ausstatte-te. Gleichwohl ist es nicht selbstverständlich, dass sich dieBürgerstiftung Dresden seitdem zu einer der profiliertestenund größten Bürgerstiftung des gesamten Bundesgebietsentwickelt hat. Denn trotz der Unterstützung in ihren An-fangstagen war es nicht abzusehen, dass im Jahr 2005 dreihauptamtliche Mitarbeiter mehrere hundert Stifter betreuen,fünfzehn Unterstiftungen vertreten und ein Stiftungskapitalvon rund 750.000 Euro zzgl. eines Treuhandkapitals von rund600.000 Euro verwalten.

    Zu den Ursachen für diese Entwicklung zählt es sicherlich auch,dass die Bürgerstiftung Dresden sehr erfolgreich von der Mög-lichkeit Gebrauch macht, bürgerschaftliche Ansätze in aller Brei-te als nicht rechtsfähige Stiftungen bzw. Stiftungsfonds unterihrem Dach zu vereinen. Mehr als ein Dutzend Initiativen las-sen sich von der Bürgerstiftung Dresden sowohl rechtlich undsteuerlich vertreten als auch beraten. In Anlehnung an das Vor-bild der amerikanischen community foundations profitierenhier beide Seiten von dieser Form der Zusammenarbeit: Klei-nere Initiativen umgehen so die organisatorischen und juristi-

    schen Schwierigkeiten auf dem Weg zu einer selbstständigenStiftung und müssen „nur" ein Kapital von 25.000 Euro auf-bringen. Die Bürgerstiftung Dresden selbst lässt sich diese Auf-gaben im Gegenzug mit einer Aufwandsentschädigung vondurchschnittlich einem Prozent des jeweiligen Stiftungskapitalspro Jahr vergüten, profitiert aber ungleich mehr insofern vondieser „Dachfunktion", als sie sich über ihre Unterstiftungen inder ganzen Breite eines nachhaltigen bürgerschaftlichen En-gagements darstellen kann.Mit dem Satzungsziel der „Schaffung zukunftsfähiger Struktu-ren" verbindet sich neben den für eine Bürgerstiftung charak-teristischen Bereichen Kultur, Jugend, Bildung oder Soziales einSchwerpunkt im Bereich der Nachhaltigkeit, z.B. durch die Un-terstützung von Umweltschutzinitiativen. Weit wichtiger aberals die Tatsache, dass Nachhaltigkeit ohnehin ein Strukturm-erkmal von Bürgerstiftungen ist und sich in den Satzungszielenbeinahe die gesamte Breite der „klassischen" Agendathemenwiederfindet, ist das Selbstverständnis der Dresdner Bürger-

    stiftung als einer Lobby für das Ehrenamt. Nicht zuletzt Agen-dainitiativen beklagen seit Jahren die mangelhafte gesell-schaftliche Anerkennung ehrenamtlichen Engagements, diesich natürlich auch in einer chronisch fragilen Basis von „Akti-visten“ niederschlägt. Nun ist der Freistaat Sachsen, der trotzknapper öffentlicher Kassen das ehrenamtliche Engagementseiner Bürger mit einer monatlichen Zuwendung von 25,– Eurohonoriert, schon seit längerem Vorzeigebeispiel für die Einsicht,dass die Anerkennung des bürgerschaftlichen Einsatzes nur ei-nen Bruchteil von dem kostet, was es wirklich leistet. Auch in

    Eine Lobby für das Ehrenamt – die Bürgerstiftung Dresden

  • abhängigkeit zu kommunizieren. Noch schwieriger wird es,wenn der Vorstand beispielsweise durch das besagte Geldin-stitut gestellt wird. Einen alternativen Weg hat diesbezüglich offensichtlich die Bür-gerstiftung Köln gefunden: Zwar hat sich die Sparkasse mit13.500 Euro am Gründungskapital beteiligt und auch die Grün-dungsveranstaltung ausgerichtet; allerdings ist der Sparkas-senvertreter lediglich gewähltes Mitglied des Stiftungsrats. Dergeschäftsführende Vorstand ist beim unabhängigen Verein Köl-nAgenda angesiedelt. Die Zukunft wird zeigen, ob die Stiftungauf diese Weise ihre Unabhängigkeit glaubhaft in der Öffent-lichkeit kommunizieren kann (siehe Kasten auf den vorherigenSeiten).

    Partizipation und Ehrenamt

    Gerade der partizipative Anspruch gewinnt bei den derzeiti-gen Gründungen von Bürgerstiftungen in Deutschland zu-nehmend an Bedeutung. Teilweise ist der Wunsch nach mehrMitbestimmungsrecht der Bürgerinnen und Bürger sogar Mo-tivation zur Stiftungsgründung. Damit einher geht in der Re-

    gel auch das Ziel, ehrenamtliches Engagement zu fördernund den Freiwilligen mehr Anerkennung zu verschaffen. DieDresdner Bürgerstiftung hat als eine der ersten deutschenBürgerstiftungen beispielsweise in Dresden den Ehrenamts-pass eingeführt. Auch wenn Bürgerstiftungen Partizipationund ehrenamtliches Engagement in ihrer Stadt fördern, sinddie internen Entscheinungsstrukturen einer Stiftung ursprüng-lich hierarchisch aufgebaut. Und so stellt sich die Frage, obdie Stiftung vor der Motivation, eine partizipative Institutionzu schaffen, die geeignete Organisationsform ist. Partizipierenkann in der Regel nur derjenige, der bereit ist, einen be-stimmten Betrag zu stiften. Damit wird zumindest seitens derGremienbesetzung von vorne herein eine Einschränkung vor-genommen (Um keinen auszugrenzen, akzeptieren einigeStiftungen auch Zeitstifter, s. Kapitel „Gremien“). Definiertman Partizipation ausschließlich als Beteiligung an Entschei-dungsprozessen, sollte man einen Blick auf die Stifter werfen:Wollen sie beteiligt werden? Welche Beweggründe haben siefür Ihre (Zu-)Stiftung? Diese Fragen kann man sicherlich nichtpauschal beantworten. Erwähnt werden sollen jedoch dieStiftererhebung der Bertelsmann Stiftung und die Stifterana-

    Partizipation und Ehrenamt 17

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    den großen Wohlfahrtsorganisationen wie z.B. dem RotenKreuz hat sich diese Einsicht durchgesetzt. Dennoch fühlen sichEhrenamtliche nicht nur kleinerer Initiativen zu Recht in der Öf-fentlichkeit oft nicht hinreichend beachtet.

    Vor diesem Hintergrund entschied die Bürgerstiftung Dresdenzunächst im Jahr 2001 – dem internationalen Jahr der Freiwil-ligen – eine Auswahl an Ehrenamtlichen im Rahmen einer„Danke-Schön-Veranstaltung“ öffentlichkeitswirksam auszu-zeichnen. Dies war der Auftakt zu einem systematischen Wür-digungskonzept, dessen zentrales Element der sogenannte„Ehrenamtspass" ist. Gemeinsam von Bürgerstiftung und Lan-deshauptstadt – die das Vorhaben auch finanziell unterstützt –werden jährlich bis zu 1.500 Ehrenamtspässe an diejenigenehrenamtlich engagierten Dresdner Bürger ausgestellt, dienicht ohnehin schon von anderen Honorierungen profitieren.Dem Inhaber eines solchen Ehrenamtspasses kommen unteranderem materielle Vergünstigungen von aktuell vierzig Unter-nehmen zugute - damit bekommt das ehrenamtliche Engage-ment neben einer gebührenden Anerkennung auch einen mo-netären Gegenwert.Teil des Würdigungskonzeptes ist neben dem Ehrenamtspassauch ein Zertifikat über die ehrenamtlich geleisteten Arbeitenund der hierbei gewonnenen Qualifikationen. Besonders von

    jungen Menschen, die sich für das Wohl ihrer Stadt eingesetzthaben, wird dies als wertvolle Ergänzung z.B. ihrer Bewer-bungsunterlagen angenommen.Zu den geldwerten Vorteilen, von denen gerade kleinere Ver-bände und Initiativen profitieren können, gehört es im Übri-gen auch, dass die Bürgerstiftung Dresden mit der kirchlichenVersicherung Bruderhilfe – Pax – Familienversorgung einenPartner gewinnen konnte, der für die Inhaber des Ehrenamt-spass eine kostenlose Unfallversicherung zur Verfügung stellt.In der Regel mangelt es auch in Agendainitiativen an einersolchen Absicherung, und das ungelöste Versicherungspro-blem hält nicht wenige potentielle Ehrenamtliche von einemEngagement ab.Nicht zu Unrecht ist die Außenwahrnehmung der Bürgerstif-tung Dresden sehr eng mit dem Modell des Ehrenamtspas-ses verbunden. Denn hierbei handelt es sich durchaus nichtum ein Projekt unter anderen, sondern um ein Multiplika-tionsprojekt von immenser Breitenwirkung. Ohne dass jederehrenamtlich engagierte Bürger Dresdens nun direkt mit derBürgerstiftung verbunden sein muss, wirkt ihre Unterstützungdes Ehrenamtes weit über den Kreis ihrer Stifter und ihrerkonkreten Projekte hinaus.

    KontaktBürgerstiftung DresdenWinfried Ripp (Geschäftsführer)Barteldesplatz 2, 01309 Dresden

    Tel. (03 51) 3 15 81-0Fax (03 51) 3 15 81-81

    [email protected]

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  • lyse von Fritz Ulrich Pieper, der die Bürgerstiftung Köln inihrem Gründungsprozess begleitet hat.Von der Bertelsmann Stiftung liegen Erhebungen zur Charak-terisierung von Stiftern und ihren Beweggründen vor, aller-dings handelt es sich hierbei überwiegend um Einzelstifterüber 50.000 Euro und keine Stifter in Bürgerstiftungen. Trotz-dem kann eine Betrachtung der Bevölkerungsgruppe, diedem Gedanken der Stiftungsgründung zu Lebzeiten offen ge-genübersteht, hilfreich sein: Die meisten der in der Stifterstu-die der Bertelsmann Stiftung befragten Stifter/innen habenein einzelnes Thema, das ihnen am Herzen liegt und für dassie tätig werden möchten.

    Sie setzen daher nicht nur Geld, sondern auch persönlichesEngagement ein. Mit der Stiftungsgründung verbinden sieden Beginn oder die Fortsetzung einer sinnvollen Tätigkeit.Von ihrer Lebenssituation her, sind Stifterinnen und Stifter inder Regel fest in Beruf und Privatleben verankert. Sie weisenein hohes Maß an sozialer Kompetenz, Verantwortungsbe-wusstsein und Realitätssinn auf. Hinsichtlich ihrer Sozialstruk-tur lassen sich eindeutige Parallelen zwischen Stifter/innenund ehrenamtlich engagierten Menschen feststellen.Insbesondere in Bezug auf Stifter von Bürgerstiftungen – dasbestätigen auch die oben genannten Untersuchungen vonPieper – sind die Motive für das Engagement vergleichbar mitdem ehrenamtlichen Engagement in einem Verein. Da derStiftungsalltag bei kleineren Stiftungen ehrenamtlich ge-stemmt werden muss, stellt die Bereitschaft zu ehrenamtli-chem Engagement eine wichtige Säule dar. Ein großer Teilder Stifter zahlt sein Geld also nicht einfach ein und hat da-mit sein Soll erfüllt, sondern die Verantwortung für den Erfolgder Stiftung erstreckt sich bis zur konkreten Mitarbeit. Motiveehrenamtlicher Aktivität können sein, dass man gemeinsammit anderen etwas schaffen möchte, was alleine nicht mög-lich wäre. Man möchte nicht nur über Dinge sprechen, son-dern handeln. Ebenso kann es für einige von Interesse sein,sich im Wettbewerb mit anderen zu beweisen. Damit ist kei-nesfalls der Wettbewerb innerhalb der Stiftung gemeint, son-dern der Wettbewerb zu anderen einflussreichen Organisa-tionen wie beispielsweise dem Staat. Es geht jedoch nicht

    nur um die Erreichung des Ziels, sondern wie heißt es soschön „Der Weg ist das Ziel“ und so wird auch der „Lustge-winn“ als entscheidender Motivator für ehrenamtliches Enga-gement genannt: Freude an der Gemeinschaft mit Gleichge-sinnten ähnlicher Zielsetzung, geringerer Leistungsdruck alsim Beruf, Anerkennung der eigenen Leistung. Hinzu kommtdie Erweiterung des eigenen Horizonts und der eigenenFähigkeiten.Einige Stiftungsakteure engagieren sich ausschließlich ehren-amtlich und nicht finanziell, so dass einige Stiftungen dazuübergegangen sind, sie als Zeitstifter anzuerkennen. Hier be-steht sicherlich ein grundlegender Unterschied zu anderen Stif-tungsformen: Bürger- und Gemeinschaftsstiftungen motivie-ren eher zu ehrenamtlichem Engagement und auch vom fi-nanziellen Gesichtspunkt her, sind es durchaus nicht nur rei-che Menschen, die sich mit dem Gedanken der Stiftungsgrün-dung beschäftigen.

    Tipps aus der PraxisParadebeispiel für eine Bürgerstiftung, die in großem MaßstabEhrenamtliche motiviert und in die Stiftungsarbeit einbezieht

    18 Vom Satzungsentwurf bis zur Anerkennung

    Im Gegensatz zu vielen anderen Bürgerstiftungen, die dieBreite bürgerschaftlichen Engagements als Gründungsim-puls aufgreifen, stand bei der seit 1999 bestehenden Her-tener Bürgerstiftung der Wunsch im Vordergrund, vor allemden dramatischen Strukturwandel der Hertener Region aktivzu begleiten. Nachdem die Region über einhundert Jahrehinweg in Beschäftigung und Ausbildung vor allem auf denBergbau ausgerichtet war, brach mit der Schließung der dreigroßen Schachtanlagen beinahe über Nacht die ökonomi-sche Basis einer ganzen Stadt zusammen, und es blieb eineRegion mit hoher Beschäftigungs- und Perspektivlosigkeitzurück.Während den Initiatoren der heutigen Bürgerstiftung sehrschnell klar war, dass nicht Resignation und Abwarten die Ant-worten auf die Herausforderungen sein konnte, war damitnoch nicht der rechtliche Rahmen für ihr bürgerschaftlichesEngagement für eine nachhaltige Entwicklung abgesteckt.Erst in Gesprächen mit der Schweisfurth-Stiftung und ihremGründer Karl Ludwig Schweisfurth entstand die Idee, dassdie Gründung einer Bürgerstiftung die richtige Antwort aufdie langfristigen Herausforderung sein könnte. Unterstützt durch die Schweisfurth-Stiftung, aber auch mitHilfe der WestLB-Stiftung Zukunft NRW, der RWE Jugendstif-tung und der Freudenberg-Stiftung, die den Betrieb der Ge-schäftsstelle gemeinsam mit der Schweisfurth Stiftung überzwei Jahre mitfinanzierte, gelang die Gründung einer Bür-gerstiftung mit dem zentralen Ziel, die Lebens-, Ausbildungs-und Berufsperspektiven von Kindern und Jugendlichen

    Berufliche Qualifizierung nachhaltig verbessern — die Hertener Bürgerstiftung

  • ist die Hertener Bürgerstiftung, insbesondere bekannt durchden Hof Wessels (siehe Kasten).Bei soviel praktischer Erfahrung liegt es nahe, die Akteureselbst nach ihrem Konzept zu fragen. Bei einem Workshopdes Wissenschaftsladen Bonn im April 2005 gab Kurt Holt-haus, Vorstandsmitglied der Hertener Bürgerstiftung, einenEinblick in seine Arbeit mit Ehrenamtlichen. Am Anfang standfür ihn die Frage, warum ehrenamtliches Engagement über-haupt Sinn macht. Bevor man beginnt, sich über Anreize fürEhrenamtliche zu unterhalten, so Holthaus, sollte jeder fürsich diese Basisfrage beantworten können. Für Holthaus stelltFreiwilligenarbeit ein einzigartiges Gut dar. EhrenamtlichesEngagement und professionelle Dienstleistung sind gegen-seitig nicht austauschbar. Jobs, die den Lebensunterhalt si-chern, dürfen und können nicht durch Ehrenamtliche ersetztwerden. Aufgrund seiner besonderen Lebens- und Alltags-nähe und der Wertgebundenheit sind bestimmte Qualitätenvon Dienstleistungen (Vertrauen, spontane Hilfe, Alltagsbera-tung usw.) primär diesem Bereich vorbehalten und könnennur hier entstehen, so Holthaus. Die Freiwilligen geben durchihre Leistung ein Beispiel für Mitgestaltungsbereitschaft und

    Übernahme von sozialer Verantwortung. Anderen Menschenwird unentgeltliche Unterstützung gewährt, Bedarfslagenwerden offengelegt und dadurch ein wichtiger Beitrag bei derProblembewältigung der Bürgergesellschaft geleistet. Solida-rität im Gemeinwesen wird gefördert, demokratische Kompe-tenz gestärkt, soziale Netze gestaltet. Bürgerschaftliches En-gagement kann zur Stärkung des schwindenden Sozialkapi-tals, Empowerment des Individuums und zu einer neuen po-litisch gefärbten Kultur des „Einmischens“ und Mitgestaltensin Gesellschaft, Kultur und Umwelt führen, die einer mit demVersprechen der staatlichen Rundumversorgung entstande-nen Konsum- und Anspruchsgesellschaft und ihrer Folgenentgegenwirkt.Basierend auf seinem Plädoyer für ehrenamtliches Engage-ment, sieht Holthaus die Politik in der Pflicht, den Organisa-tionen transparente Rahmenbedingungen zu stellen, die einEngagement ermöglichen. Derzeit springen viele Entschei-dungsträger auf den Zug auf und machen sich für Freiwilli-genarbeit stark. Dabei ist jedoch ein deutlicher Schnitt zu ma-chen, wenn versucht wird, ehrenamtliches Engagement alsAlibi-Funktion für Kürzungen im sozialen oder kulturellem Be-

    Tipps aus der Praxis 19

    nachhaltig zu verbessern.Diese Ausrichtung ist in ihrer Fo-kussierung auf den arbeits-markt- und sozialpolitischenAspekt des Nachhaltigkeitsge-dankens für eine Bürgerstiftungaußergewöhnlich. Dies gilt umso mehr, als sich die Bürgerstif-tung damit auf ein Terrain be-gibt, auf dem die Öffentlichkeit

    eher Institutionen wie die Arbeitsagentur oder Handwerksbe-triebe und -kammern vermutet. Hier jedoch kann die HertenerBürgerstiftung die Stärken eines bürgerschaftlichen Engage-ments „von unten“ ausspielen, denn viele ihrer knapp einhun-dert Stifter kommen aus pädagogischen oder handwerklichenBerufen. Zudem verbinden die Aktivitäten der Hertener Bür-gerstiftungen die Nachhaltigkeitsmomente von Ökologie undsozialer Arbeit zu einem integrierten Ansatz der beruflichenQualifizierung.

    So gelingt es, insbesondere sozial benachteiligte Jugendlicheund sog. „Schulmüde“ sehr gezielt zu einer Tätigkeit zu bewe-gen. Wesentliche Drehscheibe dafür ist der Hof Wessels, einbrach liegender und verfallener Bauernhof, der mit Hilfe vonJugendlichen und ehrenamtlichen Mitarbeitern seit dem Jahr2000 zu neuem Leben erweckt wurde. Dabei ging es von An-fang weniger darum, den Hof als kulturgeschichtliches Erbewieder herzustellen, als vielmehr um den Aufbau einer Be-schäftigungs- und Qualifizierungsstätte. Und während andern-orts massiv Arbeits- und Ausbildungsplätze abgebaut werden,verbucht es die Hertener Bürgerstiftung mit ihrem Vorzeige-projekt als ihren Erfolg, mit dem Modell eines produktions- und

    dienstleistungsorientierten ökologischen Bauernhofs sowohlArbeits- als auch Ausbildungsplätze geschaffen zu haben.Hier wirkt sich nun der Ansatz einer Bürgerstiftung mit präg-nanter Zielformulierung in doppelter Weise aus. Zum einen istes den Verantwortlichen mindestens teilweise gelungen, mög-liche Geldgeber wie Stiftungen, Ministerien oder Handwerks-betriebe von ihrem Konzept zu überzeugen – denn die Aus-bildungsbetreuung ist sehr personal- und damit kosteninten-siv. Zum anderen kann die Bürgerstiftung als eine „Ideenwerk-statt für Nachhaltigkeit“ auch verkrustete Ausbildungsstruktu-ren aufzubrechen versuchen, die einer qualifizierten Ausbil-dung und Vermittlung von Jugendlichen im Wege stehen.Während es also für programmatisch offenere Bürgerstiftun-gen nicht selten schwierig ist, für ihre Zwecke die notwendigenMittel einzuwerben, kann die Hertener Bürgerstiftung auf we-sentlich konkretere Zielvorstellungen verweisen. Das erlaubt ihrtrotz zahlreicher Rückschläge und Schwierigkeiten, im Bereichnachhaltiger Beschäftigung, Qualifizierung und Ausbildung ineinem Maße aktiv zu sein, das die Erträge des engeren Stif-tungskapitals um ein Vielfaches übersteigt.

    KontaktHertener BürgerstiftungDr. Elisabeth Nilkens (Vorsitzende)Langenbochumer Straße 34145701 Herten

    Tel. (0 23 66) 93 73 46Fax (0 23 66) 93 73 48

    [email protected]

    »Herten

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  • 20 Vom Satzungsentwurf bis zur Anerkennung

    man häufig geneigt, dass beispielsweise die Hauptamtlichendie Moderation der Treffen sowie die Vorbereitung, das Proto-koll und andere organisatorische Arbeiten übernehmen. Diesekönnen jedoch durchaus aufgeteilt werden, womit auch dieVerantwortung auf mehrere Schultern verteilt wird.Zu berücksichtigen ist allerdings, dass täglich die Möglich-keit/Gefahr besteht, dass jemand der ehrenamtlich arbeitet,diese Tätigkeit aufgibt. Daher sollte bei den Hauptamtlichen –falls vorhanden – der Knotenpunkt sein, beispielsweise, wennes um den Informationsfluss eingeht. Auch wenn Herten hier als Beispiel genannt wird, sind auf demGebiet der Motivation und Anerkennung Ehrenamtlicher auchzahlreiche andere Bürgerstiftungen aktiv, haben Ehren-amtspässe eingeführt oder haben Stiftungspaten, die ehren-amtlich einzelne Projekte betreuen.

    Stiftungsgründung

    Der Aufwand einer Stiftungsgründung – beginnend bei derIdee bis hin zur Installation einer funktionsfähigen Institution –sollte nicht unterschätzt werden. Er liegt nicht nur in der Mit-telbeschaffung begründet, sondern reicht von der Einigung aufkonkrete Ziele über die möglicherweise langwierige behördli-che Abstimmung bis hin zur Gremienbesetzung und Organi-sation der Stiftungsarbeit. Viele dieser Schritte und Entschei-dungen wurden oben bereits erläutert. Daher soll es im Fol-genden um den konkreten Gründungsablauf gehen: Von derOrganisation der Gründungsveranstaltung bis zur offiziellen An-erkennung.

    GründungsveranstaltungDer offizielle Akt der Gründung und die damit verbundene Un-terzeichnung des Stiftungsgeschäft von allen Gründungsstif-tern wird häufig als deutlicher Meilenstein auf dem Weg zumAufbau einer handlungsfähigen Stiftung angesehen. Einige Stif-tungen kombinieren im Gründungsprozess zwei aufeinanderfolgende Veranstaltungen im Abstand von etwa einem Jahr: Dieerste Veranstaltung dient als öffentlichkeitswirksamen Auftakt,in der die Ernsthaftigkeit der Gründungsinitiative im Mittelpunktsteht und die beispielsweise in den Aufruf zum Zeichnen vonVerpflichtungserklärungen endet. Damit verpflichten sich zu-künftige Stifter, im Falle der Gründung in den nächsten zwölfMonaten (die Zeitspanne ist von der Gründungsinitiative freiwählbar) einen bestimmten Betrag zu stiften. Die zweite Ver-anstaltung sollte dann im Laufe dieser zwölf Monate stattfin-den – die feierliche Stiftungsgründung. Was erwartet die Stifterinnen und Stifter hier und wie hoch sol-len Aufwand und Öffentlichkeitswirkung der Gründungsveran-staltung sein? Die Dimension der Veranstaltung ist sicherlichGeschmacksache. Bei einer geschlossenen Veranstaltung fälltes schwerer den Gedanken der Bürgernähe in die Öffentlich-keit zu transportieren. Andererseits sind bei der Absegnung derSatzung und der Bestimmung der ersten Gremienbesetzungen

    reich zu missbrauchen. Auch darf bürgerschaftliches Engage-ment nicht als Lückenbüßer für Leistungskürzungen undnicht mehr finanzierbare professionelle Arbeit benutzt wer-den, wie schon oben erwähnt.

    Vor der Perspektive des weiteren zukünftigen Strukturwan-dels und des Wandels des Verhältnisses zwischen Erwerbsar-beitszeit und frei verfügbarer Zeit ändern sich die Grundlagendes dritten Sektors. In dieser Lücke kommt den Non-ProfitOrganisationen eine große Bedeutung zu. Es bilden sich mitdem Zuwachs an frei verfügbarer Zeit neue Perspektiven fürdie Bewältigung der Gemeinschaftsaufgaben. Das „alte“Ehrenamt wurde in Parteien, Vereinen und Verbänden aus-geübt, war langfristig angelegt, wurde von altruistischen Moti-ven gesteuert. Das „neue“ Ehrenamt dient der Verwirklichungpersönlicher Interessen, ist in der Regel projektbezogen, zeit-lich begrenzt, beinhaltet konkrete persönliche Zielsetzungen:Beteiligung bei Planungsprozessen, gemeinsame Patenschaf-ten, kleine Projekte. Der Übergang ist laut Holthaus fließend.Bei der Hertener Bürgerstiftung ist eine Person aus dem Vor-stand für die Ehrenamtlichenbetreuung zuständig. Er ist An-sprechpartner für Probleme und Erfolge und koordiniert dieEntlohnung. Hierbei ist nicht von einer monetären Entlohnungdie Rede, sondern von kleinen Aufmerksamkeiten (Weih-nachtskarten, Sekt/Kuchen zum Geburtstag etc.), einem offe-nen Ohr, von kulturelle Erlebnissen, sozialen Kontakten, Mit-bestimmung bei Entscheidungen, öffentlichem Ansehen, demErwerb von Qualifikationen, der Wissenserweiterung, Wert-schätzung und vielem mehr. Es ist auch identitätsstiftend, sichaußerhalb des Arbeitskreises zu begegnen (z.B. bei Feiern).Um eine möglichst reibungslose Zusammenarbeit zu gewähr-leisten, ist bei der Aufgabenverteilung ist eine klare Beschrei-bung wichtig. Zudem sollten die Arbeiten zeitlich begrenzt sind.Natürliche Neigungen und Fähigkeiten jedes Einzelnen solltenberücksichtigt werden und möglichst nicht nur die Arbeit, son-dern auch die Verantwortung aufgeteilt werden. Insbesonderebei der Zusammenarbeit von Haupt- und Ehrenamtlichen ist

  • Stiftungsgründung 21

    lediglich die zeichnenden Gründungsstifter stimmberechtigt.Einige Stifterinnen und Stifter wollen vielleicht auch gar nichtöffentlich in Erscheinung treten. Die Bürgerstiftung „Lebens-raum Aachen“ hat einen Zwischenweg gewählt, um sowohl dergeschlossenen Gesellschaft einer Stiftungsgründung als auchder öffentlichkeitswirksamen Gründung gerecht zu werden(siehe Interview auf den folgenden Seiten).

    Stiftungsgeschäft und AnerkennungBei Bürger- und Gemeinschaftsstiftungen ist das Stiftungsge-schäft mit einer Gründungsversammlung vergleichbar, bei derdie Stifter per Unterschrift ihren Willen zur Gründung der Stif-tung erklären. Mit dieser Unterschrift, die eigenhändig erfolgenmuss und den zu stiftenden Betrag belegt, werden sie Grün-dungsstifter/innen. Dafür braucht es keine notarielle Form, essei denn in des Stiftungsvermögen sollen Gebäude, Grund-stücke oder GmbH-Anteile übertragen werden.

    Weiterer Bestandteil des Stiftungsgeschäft ist die Erstbesetzungder Gremien. So ist es beispielsweise möglich, den Vorstandbei der Gründungsversammlung durch alle anwesenden (bzw.über Vollmachten vertretenen) Stifter wählen zu lassen, auchwenn in Zukunft der Vorstand durch den Stiftungsrat bestimmtwerden soll – einfach aus der Not heraus, dass es zu dem Zeit-punkt noch keinen Stiftungsrat gibt. Die erste Gremienbeset-zung kann auch einfach vorgegeben und von den Gründungs-stiftern durch Ihre Zeichnung akzeptiert werden. Zum Stif-tungsgeschäft gehört ebenfalls die Satzung, die im Nachhineinzumindest bezogen auf den Stiftungszweck nur sehr schwieriggeändert werden kann. Diese Schwierigkeiten entstehen da-durch, dass mit der Gründung die Stiftungsaufsicht zur Hüterindes Stifterwillens wird. Soll also der Zweck geändert werden,kann dies nur im Rahmen des angenommenen Stifterwillensgeschehen (siehe Kapitel Satzung).Da die Anforderungen an das Stiftungsgeschäft von Bundes-land zu Bundesland variieren, sollte man sich im Vorfeld bei sei-ner entsprechenden Behörde informieren. Weitere Auskünftesind auch online abrufbar, beispielsweise unter www.ratgeber-stiften.de

    Im Anschluss an die Gründungsveranstaltung wird die Aner-kennung durch die Stiftungsaufsicht beantragt. Das kannzwar einige Monate dauern, geht aber in der Regel ohneKomplikationen, wenn bereits vorab eine Abstimmung mitder Stiftungsaufsicht stattgefunden hat. Etwa