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Studentisches Wohnen und Leben im Wandel Exkursionsführer Bonn Ein Exkursionsführer entstanden 2018 im Rahmen des Projektseminar “Bonn als Universitätsstadt” am Geographischen Institut der Universität Bonn

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Page 1: Studentisches Wohnen und Leben im Wandel · Studentisches Wohnen und Leben im Wandel Exkursionsführer Bonn Ein Exkursionsführer entstanden 2018 im Rahmen des Projektseminar “Bonn

Studentisches Wohnen und

Leben im WandelExkursionsführer Bonn

Ein Exkursionsführer entstanden 2018 im Rahmen des Projektseminar

“Bonn als Universitätsstadt” am Geographischen Institut der Universität Bonn

Page 2: Studentisches Wohnen und Leben im Wandel · Studentisches Wohnen und Leben im Wandel Exkursionsführer Bonn Ein Exkursionsführer entstanden 2018 im Rahmen des Projektseminar “Bonn

Einführung

Vor 200 Jahren wurde in Bonn die Rheinische-Friedrich-Wilhelms-

Universität gegründet. Stadt und Universität sind seitdem eine

beinahe symbiotische Beziehung eingegangen, was in der

Entwicklung des Stadtgebietes abzulesen ist. Die nachfolgende

Darstellung nimmt einen Aspekt dieser prozesshaften Beziehung

auf, nämlich den des Wandels des studentischen Lebens und des

damit engverbundenen studentischen Wohnens. Da dies hier nicht

durchgehend dargestellt werden kann, werden studentisches Leben

und Wohnen zu drei Zeitabschnitten beleuchtet: dem 19.

Jahrhundert, der Zeit nach dem 2. Weltkrieg und in der Gegenwart.

Um das im Stadtraum sichtbar zu machen, haben wir einen

Exkursionsführer samt Karte entwickelt, der Sie durch die Stadt

begleiten und mit Informationen versorgen soll, um die Fragen zu

beantworten, die wir uns gestellt haben: Welche Formen des

studentischen Lebens und Wohnens gab es und wie

unterscheiden sie sich gegenüber den heutigen? Und wie wirkte

sich das auf die Stadtentwicklung Bonns aus?

▶ Das 19. Jahrhundert: Einblick ins Wohnen und Leben

der Studenten

1. Standort: Die Burschenschaft Rheno-Germania:

Die zahlreichen Burschenschaften Bonns nahmen im 19.

Jahrhunderts eine bedeutende, revolutionäre Rolle ein und sollen

für uns anschaulich machen, wie Bonner Studenten in den

frühen Jahren der Universitätsgeschichte lebten. 2

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▶ Die Nachkriegszeit: Wandel der Wohnsituation

2. Standort: Ein Bunker und ein Wohnheim

Der zur Zeit des Zweiten Weltkriegs gebaute Bunker wurde in der

Nachkriegszeit als Behausung von Studenten genutzt.

Die ersten Wohnheime entstanden ebenfalls in der Nachkriegszeit

und gelten noch heute als beliebte Wohnmöglichkeiten für

Studenten.

▶ Die Gegenwart: Das Studentenviertel

3. Standort: Die Altstadt

Sie ist das Studentenviertel Bonns. Unser Weg führt durch „WG-

reiche“ Straßen vorbei an von Studenten genutzten Plätzen,

Läden, Cafés und Kneipen bis hin zum studentisch gut genutzten

Platz vor dem Frankenbad.

In einer Karte Broschüre sind die einzelnen Standpunkte

verzeichnet und über eine Route verbunden. Zu jedem Punkt haben

wir interessante Informationen zusammengestellt, so dass sich beim

Verfolgen der Route chronologisch ein Gesamtbild der

gewandelten Fomen studentischen Lebens und Wohnens in Bonn

ergibt.

Wir wünschen viel Spaß bei einer Reise durch Zeit und Raum!

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Eigene Karte, erstellt von Tim Paffrath4

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Einblick ins Leben und Wohnen der

Studenten im 19. JahrhundertStandort 1

Das Leben der Studierenden im 19. Jh. fand zum großen Teil in

Studentenverbindungen statt. Nach der Gründung der Universität

Bonn, 1818, brauchte es nicht lange, bis sich auch in Bonn die

ersten Studenten in Verbindungen zusammenschlossen. Bereits

zwei Jahre nach Gründung der Universität wurden die ersten

Verbindungen in Bonn gegründet. Die sogenannten Corps trafen

sich in Gasthäusern und kamen regelmäßig zu gemeinsamen

Veranstaltungen zusammen. Bei Ausflügen und Trinkgelagen

wurde die Gemeinschaft gefeiert. Mit gemeinsamen

Erkennungszeichen wie Bändern oder Mützen in einheitlichen

Farben, dem sogenannten Couleur, wurde die

Zusammengehörigkeit ausgedrückt. Diese Farben standen auch

die Prinzipien der jeweiligen Verbindung, nach denen die

Verbindung handelte.

Neben den gemeinsamen Aktionen kam es auch immer wieder zu

Debatten über die Prinzipien, mit denen sich die

Verbindungsstudenten beschäftigten, sei es intern oder mit

anderen. Gerade zur Mitte des 19. Jh. waren Neugründungen,

Spaltungen, Auflösungen sowohl in den Verbindungen als auch in

den Dachverbänden häufig.

Mit dem Ende der Befreiungskriege kam verstärkt Verlangen nach

einer nationaler Einheit im „Flickenteppich“ der deutscher Staaten

auf. Die Ausrichtung der Verbindungen wurde damit nationaler,

was die ersten Burschenschaften hervorbrachte. Im Gegensatz zu

den eher unpolitischen Corps strebten die Burschenschaften nach

einem einheitlichen Deutschland, was in den Prinzipien der

meisten meisten Burschenschaften auch umgesetzt wurde.

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Corps Borussia in der Baumschule 1838 (Quelle: Bildchronik der Bonner

Universität, 1968)

Die Farben Schwarz, Rot und Gold wurden im Zuge der

Burschenschaftsbewegung zu deren Symbol.

Ebenfalls zur Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden die ersten

christlichen Verbindungen. Deren Veranstaltungen umfassten nun

auch kirchliche Feste. Noch heute kann man bei

Fronleichnamsprozessionen in Bonn christliche Verbindungen

beobachten, die im Couleur mitgehen.

Fronleichnamsprozession, ca. 1915-18 (Quelle: Studentenverbindungen und

Verbindungsstudenten in Bonn, 1989) 6

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Eigene Häuser hatten die Studentenverbindungen im 19. Jahrhundert

fast nicht, weshalb meist jeder für sich in einer „Studentenbude“ bei

einer Bonner Familie, oder in einem der Gasthäusern unterkam. Die

Ausstattung reichte hier von beheizten Einzelzimmer bis zum

unbeheizten Mehrbettzimmer, je nach Kapital der Familie.

Werkstudenten waren eher selten in Verbindungen zu finden, da diese

einen Semesterbeitrag verlangten.

Ende des 19. Jahrhunderts entstanden dann die ersten Hausbauvereine

der Verbindungen, welche sich um die Anschaffung und Instandhaltung

von Häusern bemühten. Mit den eigenen Häuser verschwanden die

Verbindungsstudenten allmählich aus den Gasthäusern, die

Veranstaltungen wurden im eigenen Haus abgehalten.

Das Geld zum Kauf und der Instandhaltung der Gebäude kam damals,

so wie auch heute noch, von den „Alten Herren”. Bei ihnen handelt es

sich um schon berufstätige Mitglieder der Verbindung, die mit

Zahlungen die aktuell studierenden unterstützen und Veranstaltungen

finanzieren. Dies wird das Lebensbundprinzip genannt. Bei Eintritt in

die Verbindung verpflichtet man sich dazu ein Leben lang der

Verbindung anzugehören und diese zu unterstützen.

Studentenbude (Quelle: Studentenverbindungen und Verbindungsstudenten

in Bonn, 1989)

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Zur Zeit des NS-Regims wurden die Verbindungen gleichgeschaltet. Es gab unter

der Studentenschaft eine Einheitsverbindung, alle anderen vertagten sich. Die

Häuser wurden verkauft oder beschlagnahmt.

Nach Ende des 2. Weltkriegs fanden sich viele Studentenverbindungen bald wieder

zusammen. Einigen fehlte als Folge des Krieges nun ein Haus und so brauchte es

einige Zeit, um sich zu sammeln und ein neues Haus zu finden. In Erinnerung an

die NW-Diktatur verstärkten sich die Reformbestrebungen innerhalb der Bünde. Im

Zuge der 68er-Bewegung erfuhren die Verbindunge bisweilen heftige Ablehnung.

Das Festhalten an Traditionen und die Exklusivität der Männerbünde ließ vielen

Verbindungen als rückständig erscheinen. Die wenigen existierenden

Frauenverbindungen (in Bonn zwei), tragen nur wenig dazu bei, das insgesamt

wohl schleche Image zu verbessern; gemischte Verbindungen sind zudem eher die

Ausnahme.

Und trotzdem sind auch heute noch Verbindungen in jeder Universitätsstadt zu

finden. Allein in der Bonner Südstadt sind Verbindungen ansässig. Deren Häuser

sind an den Fahnen an der Außenfront leicht zu erkennen. Wie früher finden hier

noch immer verschiedene Veranstaltungen statt. Manche Verbindungen bemühem

sich in der besonderer Weise, die alten Traditionen und Rituale zu bewahren. Und

sind es die günstigen Mietpreise für Zimmer, die Studenten dazu bewegen, sich für

ein Leben in Verbindungen zu entscheiden.

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Wandel der Wohnsituationen seit der

Nachkriegszeit Standort 2

Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war durch einen Mangel

an Nahrung, Wohnraum und Kleidung geprägt. Die materielle

Not hatte einen Einfluss auf das Leben und Wohnen in der Stadt

Bonn. Die schlechte Versorgungslage der Stadt, aufgrund der

Zonenrandlage in der britischen Besatzungszone hatte einen

starken Einfluss auf das studentische Leben. Die flächen-

deckende Essensversorgung war von zentraler Bedeutun, was

die Errichtung von Mensen beförderte. So gab es damals drei

private Gaststätten, welche sich dem Verein Studentenwohl e.V.

zur Verfügung stellten und somit eine wichtige Rolle für die

Versorgung der Studenten einnahmen. Im Zentrum von Bonn

gab es zwei Mensen. Die dritte Mensa lag in Godesberg und war

nur für die ehemalige juristische Fakultät zugänglich. Die

Versorgung mit Lebensmitteln und Gütern wurde besonders

durch die Schwarzmarktaktivitäten in der Kasernenstraße

geprägt. Der Tauschhandel wurde zu einem wichtigen Geschäft in

der Nachkriegszeit. Jedoch hatten die Studenten nicht nur das

Problem der Versorgung, sondern waren zusätzlich auf der Suche

nach Wohnraum. Problematisch war vor allem, dass eine

Zuzugserlaubnis die Voraussetzung für eine Unterkunft in Bonn

war. Diese wurde von den Gemeinden nur erteilt, wenn eine

Bescheinigung der Universität vorlag, die bestätigte, dass sie den

Betreffenden zu immatrikulieren gedachte. Der Wohnraum in der

Nachkriegszeit war stark begrenzt. Von 11.000 Wohnungen war

nur ein Zehntel unbeschadet geblieben. Der Rest war von

Bombenangriffen beschädigt bis vollkommen zerstört worden.

Die Studierenden, die trotz des knappen Wohnraums eine

Wohnung gefunden hatten, bezahlten ihre Miete oft durch

Kompensationsmittel. Dies waren meist Mangelwaren wie

beispielsweise Butter. 9

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Eine günstige Alternative zu den Wohnungen waren die

Studentenbunker. Sie wurden in den ersten Monaten umsonst

angeboten, danach kostete die Unterkunft 8-10 Mark im Monat.

In und um Bonn gab es drei Bunker, welche als Wohnraum für

die Studenten umfunktioniert wurden. Der größte war der

Bunker in Poppelsdorf auf der Trierer Straße, die anderen beiden

lagen in Beuel und in der Theaterstraße in der Nordstadt

(Standort 2). Generell wurde das Leben in den ca. 6 m² großen

Bunkerzellen auf Dauer als gesundheitsschädigend beschrieben.

Grund dafür war die Dunkelheit im fensterlosen Bunker, zudem

waren Stromausfälle und Wasserabstellungeb häufig und die

Belüftung war schlecht.

Andererseits waren die unker beheizt und boten eine günstige

Alternative zu den teureren Studentenzimmern. Besonders der

große Bunker in Poppelsdorf prägte das studentische Leben in

dieser Zeit. Auf dem Bunkerdach wurden häufig Musik gespielt

und es wurden Tanzveranstaltungen abgehalten, welche durch

die Studenten und dem Bunkerwart Andreas Schulmeister

organisiert wurden. Es stand sogar ein Klavier auf dem Dach!

Bunker Theaterstraße (Foto: Eigene Aufnahme)

Bunker, Theaterstraße (Foto: Barbara Frommann, in:

General-Anzeiger Bonn 10

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Studentenbunker in Bonn-Poppelsdorf (Quelle: Universitätsarchiv Bonn) 11

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Ein wichtiger Schritt im Wandel des studentischen Wohnens und

Lebens war die Errichtung von Wohnheimen für Studenten durch

das Studierendenwerk Bonn. Das Werk wurde 1919 gegründet. Es

hieß damals noch „Verein Studentenwohl e.V.“, welcherauch

schon in der frühen Nachkriegszeit für die Versorgung der

Studenten gesorgt hatte (siehe oben Mensen). Die Aufgaben des

Studentenwerks sind heute immer noch vor allem die Versorgung

und Betreuung der Studenten. Dazu gehören unter anderem die

Errichtung, Bereitstellung und Unterhaltung von wirtschaftlichen

und sozialen Einrichtungen, die Versicherung der Studierenden

gegen Krankheit und Unfall sowie die Studienförderung (BAföG).

Zur Versorgung gehört heute auch die Unterbringung der

Studenten in Wohnheimen.

Es gibt 35 Wohnanlagen mit rund 3700 Wohnmöglichkeiten, die

an die Studenten der Universität Bonn oder der FH Rhein-Sieg

vermietet werden. Im Gegensatz zu den früheren

Wohnmöglichkeiten, bieten die Wohnheime mittlerweile eine

komfortable Ausstattung an (Einzelzimmer, Internet- und

TV-Anschluss, Abfallentsorgung, Gemeinschaftsräume,

Waschmöglichkeiten, Strom- und Wasserversorgung). Teilweise

sind die Zimmer sogar möbliert.

Die Preise sind deutlich höher als früher, sie reichen je nach Lage

und Größe der Wohnungen von 200-700€ im Monat. Dennoch

gelten die Studentenwohnheime als günstiger Wohnraum.

Studentenbunker und Wohnheim im Vergleich verdeutllichen den

Wandel der Wohnsituation in letzten Jahrzehnten. Das

studentische Leben und Wohnen hat sich ohne Zweifel

verbessert: In der Nachkriegszeit lebten die Studenten in

materieller Not , in der heutigen Zeit herrscht im Gegensatz dazu

eher materieller Wohlstand. Das Studentenheim am Erzberger

Ufer (siehe Foto rechts), ist repräsentativ für die zahlreichen

Studentenwohnheime in Bonn. Mittlerweile wird dieses

Wohnheim jedoch als Flüchtlingsunterkunft genutzt, da das Haus

an die Stadt Bonn verkauft wurde.

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Page 13: Studentisches Wohnen und Leben im Wandel · Studentisches Wohnen und Leben im Wandel Exkursionsführer Bonn Ein Exkursionsführer entstanden 2018 im Rahmen des Projektseminar “Bonn

Verteilung der Studentenheime in Bonn. (Quelle: http://www.studentenwerk-bonn.de/wohnen/wohnanlagen/uebersicht-der-wohnanlagen/) 13

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Wohnheim Theodor-Litt-Haus

(Quelle: General-Anzeiger Bonn, http://www.general-anzeiger-bonn.de/bonn/stadt-bonn/Doch-kein-Hotel-am-Bonner-Erzbergerufer-article3678339.html)14

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Die Bonner Altstadt, wie man sie heute kennt, ist ein belebter,

friedlicher und vor allem studentischer Ort des Wohnens und der

Gastronomie. Enge Straßen, Kirschbäume und alte, gedrängt

stehende Häuser mit Gründerzeitfassaden prägen das Bild. Es ist

nicht direkt erkennbar, auf welche Geschichte dieser Stadtteil

zurückblickt.

Zunächst einmal: Eigentlich ist die Altstadt keine „Altstadt“ in einem

historischen Sinne; sie ist eigentlich die Nordstadt. Die eigentliche

alte Altstadt Bonns befand sich rund um den Markt und das Rathaus.

Dieses Gebiet wurde „De Kuhl“ genannt und im Zweiten Weltkrieg

so stark zerstört, dass es in in großen Teilen neu aufgebaut werden

musste und so nicht mehr als Altstadt bezeichnet werden konnte. Wir

kennen sie heute als „Innenstadt“ oder „Zentrum“. Was hingegen

heute von vielen als Altstadt bezeichnet wird, ist offiziell die „Innere

Die Gegenwart: Das Studentenviertel Standort 3

Nordstadt“. Sie entstand im 19. Jahrhundert, etwa zeitgleich mit

der Südstadt. Aber während sich im Süden reiche Kaufleute und

Professoren nieder ließen, bildete sich im Norden ein Viertel der

unteren Mittelschicht, ein Ort einfacher Arbeiter und Handwerker.

In den 1970er Jahren ging es dem Stadtteil, trotz heil

überstandenem Weltkrieg, nicht gut. Obwohl es wirtschaflich

aufwärts ging verfielen in der inneren Nordstadt immer mehr

Häuser. Viele hatten weder Bad noch Zentralheizung und die

meisten waren in sehr schlechtem Zustand, genutzt durch

Studenten oder Ausländer, die hier billig unterkommen konnten.

Auch die Verkehrssituation war schlecht. Die Straßen waren nicht

verkehrsberuhigt, aber auch nicht für Durchgangsverkehr

ausgelegt, sie wurden als „Parkplatz der Innenstadt“ genutzt.

Obgleich dafür erhebliche Altbausubstanz beseitigt wurde, 15

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verbesserte auch der Bau des Stadthauses in den 1970ern die

Situation nicht. Es wirkt auch heute noch wie ein

Fremdkörper.

Das gravierendste Problem war jedoch, dass das Gebäude die

innere Nordstadt von der Innenstadt abschnitt. Den

Geschäften blieben die Laufkunden weg.

1975 kam es zu ersten städtbaulichen Untersuchungen im

Viertel. Drei Jahre später wurde ein Sanierungskonzept durch

den Rat beschlossen. Nur fehlte es an finanziellen Mitteln zur

Durchführung des Projektes. Es war ein Glücksfall, dass 1984

im Rahmen des Förderprogramms zur Wohnumfeld-

verbesserung des Landes NRW finanzielle Hilfe geleistet und

Kosten in Höhe von 8,27 Mio. Mark (von insgesamt 12,7

Mio. Mark) übernommen werden konnten. 1993 schließlich

waren die Sanierungen abgeschlossen und die innere

Nordstadt belebte sich wieder etwas.

Es dauerte jedoch nicht lange, da stand der Stadtteil erneut

vor altbekannten Problemen. In den 2000ern führten sinkende

Einnahmen, überzogene Mieten, Wegzug und Leerstand von

Häusern dazu, dass sich die verbleibenden Anwohner und

Gastronomen zusammensetzten und überlegten, wie man das

diesem strukturellen Problem beikommen könne.

Die Petersstraße in der Altstadt, 1979

(Foto: Presseamt der Stadt Bonn. In: Wohnumfeldverbesserung in der Bonner

Nordstadt. Eine Broschüre der Stadt Bonn, 1993.)

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Besonders kritisch war der Konflikt zwischen Gewerbe und Wohnen.

Durch einen hohen Ausländeranteil gab es Befürchtungen, dass eine

Ghettoisierung im Gang war. Gleichzeitig wurde das Image nicht nur

von Leerstand und schwindender Gastronomie, sondern auch von

Drogenhandel und Kriminalität stark beeinflusst.

Und so versuchte man das Image aufzupolieren. In eine

Gesprächsrunde zu dem Thema wurde beispielsweise vorgeschlagen,

Kunst in leeren Schaufenstern auszustellen, um eine Künstlerszene

zu etablieren.

2002 kam es zu einem Zusammenschluss von Gastronomen: Die

Altstadtinitiative Bonn (AIB) war geboren. Sie setzte sich aus

Anwohnern und Einzelhändler zusammen und bemühte sich um eine

Verbesserung der Situation. Sie entwickelte zu diesem Zweck

Konzepte und hatte verschiedene Ideen zur Verbesserung des

Images. In Bezug auf die Bezeichnung „Altstadt“, in bewusster

Anlehnung an vergleichbare Altstädte wie beispielsweise die

„längste Theke der Welt“ in Düsseldorf, brachte man in Leuchtschrift

diesen Titel über der Breitestraße an.

Kurze Zeit später erschien ein Altstadtführer, eine Imagebroschüre,

die fortan in in vielen Geschäften und gastronomischen Betrieben

der Altstadt zu erhalten war. Auch ein Stadtteilfest wurde

organisiert.

Seitdem scheint die Altstadt zu florieren. Auch heute ist, wenn

man von der Stadtseite kommt, der Schriftzug „Altstadt“ das erste,

was man sieht. Dann tritt man ein in verkehrsberuhigte enge

Straßen, begrenzt von Hausfassaden die heute in gutem Zustand

sind und immer noch den Ursprung in der Gründerzeit

widerspiegeln. Man läuft vorbei an Cafés, kleinen Geschäften,

Restaurants, auch alternativen Bücherläden, Frisören und vor allem

Kneipen - immer wieder Kneipen, vor allem genutzt durch

Studenten. Und zwischendrin stehen wieder Wohnhäuser. Wenn

man sich die Klingelschilder genauer ansieht, wird anhand der

Vielzahl von Namen an einem Schild klar, dass es sich hier

wahrscheinlich um Wohngemeinschaften handelt. Studenten. Im

Sommer spielt sich vieles auf den Straßen ab. Überall stehen

Tische und Stühle einzelner Restaurants, Bars und Cafés, meistens

gut besetzt. 17

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Und wenn man nachts durch die Straßen zieht, sind es nicht

selten angeheiterte Studenten, die einem begegnen, auf dem

Weg zur nächsten Kneipe.

Auch die Künstlerszene hat sich, wie erhofft, in der Altstadt

eingefunden. Am Hochstadenring sind der Bonner Kunstverein

und das Künstlerforum Bonn sowie das August-Macke-Haus zu

finden, ein wenig weiter an der Viktoriabrücke das Kult 41, ein

Kulturzentrum, und die Fabrik 45, ein öffentlicher Raum für

Kunst und Kultur.

Ein besonderer Ort ist der Platz vor dem Frankenbad, dem

Hallenbad der Altstadt. Es ist ein Platz, an dem eine

durchmischte Gruppe von Menschen gerne ihre Freizeit

verbringt - darunter Eltern mit spielenden Kleinkindern,

Erwachsenen, die ihren Feierabend genießen oder eben auch

Studenten.

Jedes Jahr im April/Mai erstrahlt die Altstadt in wunderschönen

Rosatönen: Reihen von Kirschbäumen sorgen zur Zeit der

Kirschblüte für besondere Aufmerksamkeit. Das

Kirschblütenfest und Tourismus lassen die Straßen von

Menschen überquellen.Die Bonner Altstadt

(Foto: Eigene Aufnahme) 18

Page 19: Studentisches Wohnen und Leben im Wandel · Studentisches Wohnen und Leben im Wandel Exkursionsführer Bonn Ein Exkursionsführer entstanden 2018 im Rahmen des Projektseminar “Bonn

Die Kirschblüte in der Bonner Altstadt

(Foto: www.printandpaint.de)19

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Schlusswort

Wir hoffen, Ihnen hat die kleine Stadtführung durch Bonn unter

dem Motto „Studentisches Leben und Wohnen in Bonn im

Wandel“ gefallen und wenn Sie möchten, können Sie nun zum

Abschluss das Studentenviertel noch ein wenig auf sich wirken

lassen, indem Sie sich einen Kaffee oder ein Bier in einem der

Lokale genehmigen. Mittendrin lässt sich das studentische

Geschehen in der Stadt doch am Besten beobachten!

Unseren Dank sprechen wir dem Stadtarchiv sowie dem

Universitätsarchiv aus, die uns mit Material versorgt haben.

Besonderer Dank gilt an dieser Stelle Herrn Becker, der uns Fotos

zum Poppelsdorfer Bunker zu Verfügung gestellt hat. Nicht zu

vergessen sind die Informationen der Website des

Studierendenwerk, welche zwar für jeden bereit stehen, aber

dennoch hilfreich für das Produkt waren.

Vielen Dank auch an Printandpaint, dessen Foto wir verwenden

durften und an die Burschenschaft Rheno-Germania, die uns Rede

und Antwort gestanden und damit die Recherche zu

Burschenschaften vereinfacht hat.

Zu guter Letzt danken wir Herrn Prof. Dr. Schenk, der uns als

Seminarleiter überhaupt erst die Möglichkeit gab, ein solches

Produkt zu erstellen und zu veröffentlichen!

Vielen Dank!

Niklas Kaulmann, Tim Paffrath, Zoe Wachs

und Rebecca Walgenbach 20

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Zentrale Literatur und Quellen

AUTOR UNBEKANNT (2001): Zukunft Ungewiss. In: Schnüss, Nr. 12

AUTOR UNBEKANNT (2001): Altstadtinitiative Bonn (AiB) gegründet. In: Gastro-Scene Jg.10

BECKER, T. (Hrsg.) (2008): Zwischen Diktatur und Neubeginn. Die Universität Bonn im "Dritten Reich" und in der Nachkriegszeit.

V&R Unipress. Göttingen.

GALDEN, P. (1986): Gaudeamus Igitur: Die studentischen Verbindungen einst und jetzt. Callwey Verlag. München.

INHALLEN, L. (2002): Initiative will Altstadt ins rechte Licht rücken. In: General-Anzeiger Bonn.

KRAUSE, F. (1979): Oh alte Burschenherrlichkeit: die Studenten und ihr Brauchtum. Styria-Verlag. Graz.

KOMPHARDT, K., NEUPERT, H., ROTTHOFF, M. UND S. STEHLI (1989): Studentenverbindungen und Verbindungsstudenten in

Bonn. Verlag Tornquist. Haltern.

RIEMER, I. (1968): Bildchronik der Bonner Universität. Wilhelm Stollfuss Verlag. Bonn.

SCHEIBE, I. (2017): „Die Mischung macht’s“ in Bonn: Leben und arbeiten in der Bonner Nordstadt. Bund Deutscher Architekten

Bonn-Rhein-Sieg (Hrsg.) Abrufbar unter: http://bda-bonn.de/2017/10/die-mischung-machts-in-bonn-leben-und-arbeiten-in-der-

bonner-nordstadt/ (letzter Aufruf: 25.07.2018)

SCHMID, I. (2001): Selbstständige klagen über sinkende Einnahmen. In: General-Anzeiger (Hrsg.). Bonn.

VALLENDER, F. (2001): Bunkeranlagen in Bonn. Im Ernstfall Platz für 40.264 Bürger. Website des General Anzeiger Bonn.

Abrufbar unter: http://www.general-anzeiger-bonn.de/bonn/Im-Ernstfall-Platz-f%C3%BCr-40.264-B%C3%BCrger-article94399.html 21