ösung. - duco travel summit

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world 40 ILLUSTRATIONEN KLAUS KREMMERZ TEXT HEIKE BLÜMNER Kein Plastik, wenig Müll, kurze Transportwege: Wer Luxusreisen anbietet, kann die Verantwortung für Umwelt und Umgebung heute nicht mehr ignorieren. Weil beides geschützt werden muss – und die Kunden es verlangen Wunder wahren D as Luxushotel Capofaro Resort auf der italieni- schen Insel Salina liegt nachts in fast völliger Dunkelheit. Statt das Anwesen mit den 27 Zim- mern, umrahmt von knapp fünf Hektar Wein-Terrassen, zu illuminieren, wird die Aufmerksamkeit auf den wahren Star der äolischen Nacht geleitet: den Sternenhimmel. Damit der Blick auf ihn ungetrübt ist, wird die künstliche Beleuchtung auf das Nötigste heruntergefahren, und das Ergebnis ist überwältigend. Das ist nur ein Beispiel dafür, mit wie viel Liebe zum Detail sich das Capofaro bemüht, Hotellerie im Einklang mit der umliegenden Natur zu betreiben – auch vermeintliche Nebensächlich- keiten wie Lichtverschmutzung werden bedacht. Die Mission hat sich inzwischen zu einem Dauerprojekt aus- gewachsen. „Nachhaltigkeit ist wie die Demokratie“, sagt Hoteldirektorin Margherita Vitale, „es gibt immer etwas zu verbessern.“ Die 48-Jährige leitet das Fünf-Sterne-Resort. Mit zähen Prozessen kennt sich die studierte Politologin aus, lange Zeit vertrat sie Italien als Unterhändlerin, un- ter anderem während der Vereinbarungen zum Klima- schutz-Protokoll von Kioto. Bei der Uno arbeitete sie an diversen Entwicklungsprogrammen mit, bis sie sich 2015 entschloss, mit der Weltverbesserung im Kleinen auf Salina weiterzumachen. Unter ihrer Ägide wurden alle Plastikprodukte auf dem Areal abgeschafft – ein Unterfangen, das sich als knifflig und teilweise kost- spielig entpuppte, wie sich Vitale erinnert: „Wir mussten sehr kreativ sein.“ So wurde die Zahnpasta aus der Tube durch in Karton verpackte Tabletten ersetzt. Chefkoch Ludovico de Vivo regionalisierte das Speisenangebot und legte das Augenmerk dabei vor allem auf Meeresfische, die nicht von der Überfischung bedroht sind. Die stellt rund um die Inselgruppe nördlich von Sizilien ein großes Problem dar, „und unsere Bran- che gehört letztlich zu jenen, die den Markt dafür schaf- fen“, so Vitale. Eine Erkenntnis, die sich inzwischen von den Alpen bis zu den australischen Korallenriffen durchgesetzt hat: Wo die spektakuläre Natur von den Touristen über Jahr- zehnte fast zu Tode geliebt wurde, muss sich schleu- nigst etwas ändern. Das Capofaro zeigt, wie das gehen kann: Vitale und die Eigentümerfamilie Tasca gewannen gerade einen Preis für Nachhaltigkeit, die „2020 Sus- tainability Trophy“, vergeben von der Hotel- und Restau- rantgruppe Relais & Châteaux. Auch bei neuen touristischen Großprojekten ist der Nachhaltigkeitsgedanke heute fest implementiert. So in Andermatt, Kanton Uri, in der Zentralschweiz, bis in die 1990er-Jahre das Zentrum des Schweizer Militärs. Seit dessen weitgehendem Abzug investiert der ägyptische Unternehmer Samih Sawiris in Dorf und Umgebung – bisher waren es bereits eine Milliarde Schweizer Fran- ken – und ist dabei, mit seiner Andermatt Swiss Alps AG den Ort zu einer Urlaubsdestination mit hohem An- spruch auszubauen (mit Apartmenthäusern, schicker Konzerthalle im Radisson Blue Hotel, Golfplatz und dem The Chedi Andermatt als Leuchtturm). Der Nachhaltig- keitsgedanke findet sich in dem Projekt von der Art, wie gebaut wird und die Gebäude mit Wärme versorgt wer- den bis zum Verkehrskonzept, das von Extrazügen direkt aus Zürich über „Car free Days“ bis zum ersten E-Bus im Dorf auf öffentlichen Nahverkehr statt Autos setzt. Und natürlich auf Müll- und Plastikvermeidung auf den Ber- gen. So gibt es keine PET-Flaschen in den Restaurants, dafür kostenlos frisches „Bergwasser“. LUXUS AUF REISEN FOLGE 5: NACHHALTIGKEIT

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Kein Plastik, wenig Müll, kurze Transportwege: Wer Luxusreisen anbietet, kann die Verantwortung für Umwelt und Umgebung heute nicht mehr ignorieren.

Weil beides geschützt werden muss – und die Kunden es verlangen

Wunder wahren

Das Luxushotel Capofaro Resort auf der italieni-schen Insel Salina liegt nachts in fast völliger Dunkelheit. Statt das Anwesen mit den 27 Zim-

mern, umrahmt von knapp fünf Hektar Wein-Terrassen, zu illuminieren, wird die Aufmerksamkeit auf den wahren Star der äolischen Nacht geleitet: den Sternenhimmel. Damit der Blick auf ihn ungetrübt ist, wird die künstliche Beleuchtung auf das Nötigste heruntergefahren, und das Ergebnis ist überwältigend. Das ist nur ein Beispiel dafür, mit wie viel Liebe zum Detail sich das Capofaro bemüht, Hotellerie im Einklang mit der umliegenden Natur zu betreiben – auch vermeintliche Nebensächlich-keiten wie Lichtverschmutzung werden bedacht. Die Mission hat sich inzwischen zu einem Dauerprojekt aus-gewachsen. „Nachhaltigkeit ist wie die Demokratie“, sagt Hoteldirektorin Margherita Vitale, „es gibt immer etwas zu verbessern.“

Die 48-Jährige leitet das Fünf-Sterne-Resort. Mit zähen Prozessen kennt sich die studierte Politologin aus, lange Zeit vertrat sie Italien als Unterhändlerin, un-ter anderem während der Vereinbarungen zum Klima-schutz-Protokoll von Kioto. Bei der Uno arbeitete sie an diversen Entwicklungsprogrammen mit, bis sie sich 2015 entschloss, mit der Weltverbesserung im Kleinen auf Salina weiterzumachen. Unter ihrer Ägide wurden alle Plastikprodukte auf dem Areal abgeschafft – ein Unterfangen, das sich als knifflig und teilweise kost-spielig entpuppte, wie sich Vitale erinnert: „Wir mussten sehr kreativ sein.“ So wurde die Zahnpasta aus der Tube durch in Karton verpackte Tabletten ersetzt.

Chefkoch Ludovico de Vivo regionalisierte das Speisenangebot und legte das Augenmerk dabei vor allem auf Meeresfische, die nicht von der Überfischung

bedroht sind. Die stellt rund um die Inselgruppe nördlich von Sizilien ein großes Problem dar, „und unsere Bran-che gehört letztlich zu jenen, die den Markt dafür schaf-fen“, so Vitale.

Eine Erkenntnis, die sich inzwischen von den Alpen bis zu den australischen Korallenriffen durchgesetzt hat: Wo die spektakuläre Natur von den Touristen über Jahr-zehnte fast zu Tode geliebt wurde, muss sich schleu-nigst etwas ändern. Das Capofaro zeigt, wie das gehen kann: Vitale und die Eigentümerfamilie Tasca gewannen gerade einen Preis für Nachhaltigkeit, die „2020 Sus-tainability Trophy“, vergeben von der Hotel- und Restau-rantgruppe Relais & Châteaux.

Auch bei neuen touristischen Großprojekten ist der Nachhaltigkeitsgedanke heute fest implementiert. So in Andermatt, Kanton Uri, in der Zentralschweiz, bis in die 1990er-Jahre das Zentrum des Schweizer Militärs. Seit dessen weitgehendem Abzug investiert der ägyptische Unternehmer Samih Sawiris in Dorf und Umgebung –bisher waren es bereits eine Milliarde Schweizer Fran- ken – und ist dabei, mit seiner Andermatt Swiss Alps AG den Ort zu einer Urlaubsdestination mit hohem An-spruch auszubauen (mit Apartmenthäusern, schicker Konzerthalle im Radisson Blue Hotel, Golfplatz und dem The Chedi Andermatt als Leuchtturm). Der Nachhaltig-keitsgedanke findet sich in dem Projekt von der Art, wie gebaut wird und die Gebäude mit Wärme versorgt wer-den bis zum Verkehrskonzept, das von Extrazügen direkt aus Zürich über „Car free Days“ bis zum ersten E-Bus im Dorf auf öffentlichen Nahverkehr statt Autos setzt. Und natürlich auf Müll- und Plastikvermeidung auf den Ber-gen. So gibt es keine PET-Flaschen in den Restaurants, dafür kostenlos frisches „Bergwasser“.

L U X U S A U F R E I S E N F O L G E 5 :

N A C H H A LT I G K E I T

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längst vergangenen Zeiten“, fernab der Massen, aber den-noch mit allem, was es zu einem besonderen Urlaub braucht: blaues Meer, fantastisches Essen und nur wenige Unterkünfte wie das Sikelia Luxury Resort.

Zu den beliebtesten Abenteuerreisen gehören Safaris oder das Campen in der Savanne. Dafür hat sich auf dem afrikanischen Kontinent eine Auswahl von Anbietern wie Wilderness Safari etabliert, die vor Ort maßgeblich zum Tier- und Naturschutz beitragen und dem Gast hohen Komfort ohne zerstörerische Folgen anbietet. Der Reise-anbieter Great Plains etwa betreibt seine Camps in Bots-wana, Kenia und Simbabwe ausschließlich mit Solarstrom und verteilt kostenlose Solarlampen an die Bevölkerung. Die firmeneigene Stiftung setzt sich für den Schutz und die Expansion noch intakter Ökosysteme ein.

Beim Anbieter andBeyond hat man sich auf ähnliche Weise der „Sorge für Land, Pflanzen, Tiere und Men-schen“ verschrieben. Man verfolgt dieses Konzept in Tei-len von Afrika, Asien und Südamerika. Dazu gehören die Wiederansiedlung von Tieren an Orten, in denen sie be-reits als ausgestorben galten, oder die Enthornung von Nashörnern, damit sie für Wilderer wertlos werden. In den Jahresberichten lässt sich verfolgen, wohin genau das Geld geflossen ist und wofür es genutzt wurde.

Zero Waste, Verzicht auf Plastik, Tier- und Natur-schutz, lokale Küche und die Zusammenarbeit mit der Bevölkerung sind Fortschritte, alle Aspekte auf einmal abzudecken aber ist nicht einfach. Es braucht Menschen, die sich dafür starkmachen, und Kunden, die bereit sind, dafür zu bezahlen. Denn bewusster zu reisen kostet Geld, und es ist auch nicht frei von Widersprüchen. Es lohnt sich dennoch. Denn eines ist gewiss: Zu Hause zu bleiben ist auch keine Lösung.

Umweltschutz, das zeigt dieses Beispiel, rückt ins Zen-trum der Aufmerksamkeit von Veranstaltern, Hoteliers und Gästen – gerade im Fünf-Sterne-Segment. Wer viel Geld für seinen Urlaub ausgibt, möchte das immer we-niger zu einem hohen Preis für Mensch, Tier und Umwelt vor Ort tun. Gerade im touristischen Top-Segment sind daher Top-Konzepte gefragt.

Dazu zählt auch das Fogo Island Inn, ein Refugium mit 29 Zimmern auf einer kleinen Atlantik-Insel, die zum kanadischen Neufundland gehört. Das Hotel ist in ei-nem modernen Stelzengebäude aus viel Glas und Holz untergebracht. In der ungezähmten Umgebung der Westprovinz wird der Gast vor allem ermutigt, sich auf die Natur einzulassen. Die Einrichtung, das Essen, die Dekoration – fast alles stammt aus der Umgebung. Das Besinnen auf Traditionen wie Tischlern, Nähen und Steppen hat das Handwerk auf der Insel revitalisiert.

Gegründet wurde das Hotel 2013 von der Unter-nehmerin Zita Cobb, die lange auf dem Festland arbei-tete und dem wirtschaftlichen Niedergang ihrer Heimat, die mit der Überfischung der Kabeljau-Bestände einher-ging, nicht länger zuschauen wollte. Heute ist das Erste, was man sieht, wenn man auf die Website des Hauses geht, eine Tabelle zum „ökonomischen Nährwert“ des Preises einer Übernachtung. Demnach fließt knapp die Hälfte der Einnahmen in die Gehälter der Mitarbeiter, zwölf Prozent sind als Gewinn vermerkt, von dem wie-derum 65 Prozent über eine Stiftung in die Gemeinde fließen. Echte Nachhaltigkeit steht eben nicht nur für einen schonenden Umgang mit Ressourcen, sondern auch für deren gerechte Verteilung. Das Fogo Island Inn gilt als Vorzeigeprojekt: Die vielen Plaketten von Auszeichnungen auf der Website werden nur noch von euphorischen Besucherkommentaren übertroffen.

Es ist noch nicht lange her, da waren Destinationen wie Neufundland eher etwas für Individualisten ohne Komfortanspruch. Wer mit üppigem Budget ausgestat-tet war, traf sich an den immer gleichen Hotspots von Saint-Tropez bis Saint-Barthélemy. Das passt aber nicht mehr recht zum Zeitgeist. „Die exzessive Zurschaustel-lung von Gütern und das Beeindrucken von Freunden ist nicht mehr angesagt“, sagt Serge Dive. Spannender, als unter sich zu bleiben, sei es, das andere zu entdecken – und zwar so, dass beide Seiten davon profitieren.

Dive ist Gründer und CEO der Eventmanagement-firma This is beyond. Sie richtet unter anderem die jähr-lich stattfindende Messe „Pure Life Experiences“ aus, auf der sich High-End-Hotels und Reiseanbieter aus aller Welt präsentieren. „Luxus“ ist für den 53-jährigen Franzosen inzwischen „fast ein toxisches Wort“, stehe es doch schon von den lateinischen Wortwurzeln her für sinnlose Verschwendung und Überfluss. Ähnlich sieht es Carolina Perez, die die Messe „Duco“ mit ausschließlich hochkarätigen italienischen Anbietern ins Leben gerufen hat. Sie schwärmt von der Insel Pantelleria im Mittel-meer, wo der einzig angebotene Mietwagen ein Fiat Panda sei. Dafür gebe es dort „eine Erfahrung wie in

Im Einklang mit der Insel: das Fogo Island Inn in Kanada (oben); auch immer mehr Safari-Anbieter achten bei ihren Kon-zepten auf Nachhal-tigkeit (vorige Seite)

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