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Januar 2012 1 Schwerpunktthema Partizipation ermöglichen Muslime fragen nach ihrer Identität. Interview mit Mufti Dr. Nedzad Grabus, Slowenien Teilhabe und deutsche Anstaltstradition Partizipation im Geislinger BürgerInnenRat Absage an die Wachstumsgläubigkeit Tagungsvorschau 100 Jahre Untergang der Titanic Missbrauch in der Regelschule 40 Jahre Frauenbewegung in Deutschland Rückblende, Onlinedokumente Publikationen Service Partizipation ermöglichen ISSN 1613-3714 64670 Einzelpreis 3.-

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Magazin der Evangelischen Akademie Bad Boll

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Januar 2012 1

Schwerpunktthema

Partizipation ermöglichen

Muslime fragen nach ihrerIdentität. Interview mit MuftiDr. Nedzad Grabus, Slowenien

Teilhabe und deutscheAnstaltstradition

Partizipation im GeislingerBürgerInnenRat

Absage an dieWachstumsgläubigkeit

Tagungsvorschau

100 Jahre Untergang derTitanic

Missbrauch in der Regelschule

40 Jahre Frauenbewegung in Deutschland

Rückblende,Onlinedokumente

Publikationen

ServicePartizipation ermöglichen

ISSN 1613-3714 64670 Einzelpreis € 3.-

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Onlinedokumente 12

Absage an dieWachstumsgläubigkeit 14

Was kommt . . . 16Vorschau auf Tagungen in der Zeitvom 9. März bis 31. August 2012

Aus der Akademie 21

Publikationen 23

Impressum 24

Meditation 25

i n h a l t

Johanna Helbling-FelixWerkgruppe »Heim_Flug II«, 2011, 50 x 70 cm, Collage, Zeichnung,Luftfotografie

TitelbildBürgerrat in GötzisFoto von Mario Wezel

aktuell . . . 2Bürger gestalten Entwicklungs-politik mitEvangelische Akademien unterstützenzivilgesellschaftliche Strukturen aufdem Land

Rückblende 3Rückblick auf vergangene Tagun-gen sowie Links zu interessantenBeiträgen

Ausstellung 6Johanna Helbling-FelixZeichnung – Collage – Fotografie

Schwerpunkt: Partizipation ermöglichen 7Muslime fragen nach ihrer Identität –Interview mit Dr. Nedzad Grabus,Mufti von SlowenienCosta Rica: Kleinbauern als Unter-nehmer und EntwicklungshelferKirchenparlamentarier aus 17 Staatentreffen sich Teilhabe und deutscheAnstaltstraditionPartizipation in Gemeinden – zumBeispiel in Geislingen

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Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,

an vielen Stellen werden Teilhabe und Partizipationdiskutiert. Die Hauptaufgabe in der Behindertenhil-fe besteht seit längerem darin, Menschen mit Be-hinderung Möglichkeiten zu eröffnen, sich aktiv amLeben in der Kommune und in der Wohngemein-schaft einzubringen. Es steht nicht die Betreuungim Vordergrund, sondern die Ermöglichung des Zu-sammenlebens. Dazu gehört maßgeblich, nicht dieDefizite und Begrenzungen in den Vordergrund zustellen, sondern von den Möglichkeiten und Fähig-keiten her zu denken. Ressourcenorientierung istdas entsprechende Stichwort. Beteiligung lebt vomWissen und den Fähigkeiten aller. Beteiligungskonzepte fordern und för-dern Menschen, sich einzubringen, ihre Fragen zu stellen, ihre Antwortenzur Diskussion zu stellen. Beteiligungskonzepte vertrauen darauf, dass imZusammenspiel der vielen die bessere Lösung von Problemen erkennbarwird und sich durchsetzt.

Dieser Grundgedanke der Teilhabe wird in vielen Politikfeldern erkennbar.Nicht nur die grün-rote Regierung in Baden-Württemberg hat Beteili-gungsprozesse auf ihre Agenda gesetzt. Auch das Bundesministerium desInneren (BMI) forciert Beteiligungsprozesse – insbesondere in den fünfneuen Bundesländern. Die Partizipation an Planungs- und Entscheidungs-prozessen soll verstärkt werden. Dabei setzt die Politik bewusst auf die sogenannte Schwarmintelligenz, die gesellschaftliche Lösungen nicht in derSumme von Einzelmeinungen, sondern im Diskurs erkennt. Es ist keinZufall, dass wir uns in der Evangelischen Akademien Bad Boll an dieserStelle engagieren. War doch von Anfang an die Grundidee der kirchlichenAkademiearbeit, zivilgesellschaftliches Engagement zu stärken und zuunterstützen.

Wir berichten in dieser Ausgabe über das EAD-Projekt »Zivilgesellschaftstärken – Partizipation ermöglichen«, Veränderungen in der »Anstaltstra-dition« durch Teilhabeprozesse und über Methoden der Beteiligung undErfahrungen mit Beteiligungsprozessen in Kommunen. Es wird dabei er-kennbar, dass sich durch die Beteiligungsverfahren und Prozesse bishereingeübte Abläufe verändern bzw. in Frage gestellt werden. Deutlich wirddabei allerdings auch, dass eine Verhältnisbestimmung noch aussteht: das Verhältnis von parlamentarisch-repräsentativer Demokratie undPartizipationsprozessen für konkrete gesellschaftspolitische Entscheidun-gen, in denen eine direkte Bürgerbeteiligung gefragt ist.

Beteiligung und Partizipation leben vom Engagement. Vom Zuhören undNachfragen, vom Weiterdenken und Mitreden. Herzliche Einladung zurBeteiligung am Diskurs – hier in Bad Boll und an vielen anderen Orten.Wir freuen uns auf Ihr Wissen, Ihre Expertise, die unsere Tagungsarbeitbereichern!

Ihr Joachim L. Beck, Geschäftsführender Direktor

e d i t o r i a l

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Bürger gestalten Entwicklungspolitik mit

Die Evangelische Akademie Bad Boll moderiert im Auftragdes baden-württembergischen Staatsministeriums denDialog- und Beteiligungsprozess »Welt:Bürger gefragt.Entwicklungspolitischer Dialog der LandesregierungBaden-Württemberg«. Ziel ist es, die entwicklungspoliti-schen Leitlinien des Landes zu überarbeiten und dabei dieAnregungen aus der Bevölkerung mit aufzunehmen. DieLandesregierung lädt Bürgerinnen und Bürger sowie Fach-leute aus Nicht-Regierungsorganisationen, regionalen undlokalen Initiativen, Verbänden und Kirchen ein, mitzuma-chen. Ein Fachbeirat begleitet den Prozess.

Die Auftaktkonferenz für die landesweite Aktion findetam Samstag, den 14. April 2012 auf der Messe »Fair Han-deln« in Stuttgart statt. Im ersten Halbjahr 2012 folgenregionale Bürgerkonferenzen und überregionale Themen-gespräche, auf denen Minister Peter Friedrich, zuständig für internationale Angelegenheiten und Entwicklungszu-sammenarbeit, die Pläne der Landesregierung erläutertund mit den Bürgerinnen und Bürgern diskutiert. Wo lie-gen die Stärken Baden-Württembergs, die das Land in dieEntwicklungszusammenarbeit einbringen sollte? Wie er-füllt man Nord-Süd-Partnerschaften mit Leben? WelcheUnterstützung brauchen zivilgesellschaftliche Initiativenfür ihre Arbeit? Wie soll sich das Zusammenspiel vonBund, Land und Kommunen entwickeln? Solche und wei-tere Fragen stehen auf dem Programm. Delegierte aus denBürgerkonferenzen vertreten die Interessen der Bürgerin-nen und Bürger bis zur Schlusskonferenz, die für Septem-ber 2012 geplant ist. Das Ergebnis des Prozesses istGrundlage für die weiteren politischen Entscheidungen.Termine und weitere Informationen stehen ab Mitte Märzauf den Internetseiten des Staatsministeriums und derEvangelischen Akademie Bad Boll.

Die Evangelische Akademien (EAD) unter-stützen zivilgesellschaftliche Strukturen aufdem Land

Zur Unterstützung zivilgesellschaftlicher Strukturen aufdem Land hat das Bundesministerium des Inneren (BMI)das Bundesprogramm »Zusammenhalt durch Teilhabe« ini-tiiert. Verschiedene Projekte innerhalb dieses Programmssollen demokratische Teilhabe unterstützen und wendensich gegen Extremismus in Ostdeutschland. Die Geschäfts-stelle der EAD und verschiedene evangelische AkademienOstdeutschlands haben sich mit zwei Projekten in dasProgramm eingeklinkt.

»Wir beteiligen uns« heisst die dreiteilige Weiterbildungs-reihe, die die EAD mit den evangelischen Akademien inBrandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sach-sen-Anhalt und Thüringen mit der Projektkoordinatorin der EAD, Christine Dotterweich und einschlägig qualifiziertenTrainerinnen und Trainern durchgeführt. Im Vordergrund

stehen die Vermittlung von praktisch-nützlichen Kompe-tenzen, die zur Förderung des Gemeinwesens beitragen.Sie lauten »Kommunikation, Kooperation und Konflikte«(Modul 1), »Intergenerationelles Arbeiten« (Modul 2) und»Unterstützungsstrukturen im ländlichen Raum« (Modul3). In den genannten Bundesländern kommen dreimal fürdrei Tage 20 Teilnehmende zusammen, um über Zivilge-sellschaft im ländlichen Raum zu diskutieren und die dreiModule zu bearbeiten.

Am zweiten Projekt beteiligen sich neben der Geschäfts stelleder EAD die Akademien Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen. Gemeinsam haben sieModellprojekte entwickelt, die das Ziel haben, durchintergeneratives Lernen dazu beizutragen, die Strukturenund den Zusammenhalt in ländlichen Gebieten inOstdeutschland zu stärken. Die Akademien forschen zuverschiedenen Themenbereichen. Zum Beispiel wird derFrage nach der integrativen Kraft von Dorffesten nachge-gangen oder der Frage, ob Web 2.0 geeignet ist, neueStrukturen zu schaffen. Ein weiteres Beispiel ist die histo-rische Bildungsarbeit mit Zeitzeugengesprächen.

Hintergrund für das BMI-Programm ist, dass Ostdeutsch-land weiterhin vor den Herausforderungen der demogra-fischen Entwicklung steht. Weniger Geburten und dieAbwanderung jüngerer, besser ausgebildeter Menschenführen insbesondere im ländlichen Raum zur weiterenAusdünnung der Infrastruktur. Damit stehen die wichtigenkommunal und regional verwurzelten Netzwerke wie Ver-eine, Verbände, Parteien und Kirchen vor großen Heraus-forderungen. Sie alle müssen sich die Frage stellen, inwie-weit die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger, sich fürdas Gemeinwesen einzusetzen, erhalten und ausgebautwerden kann. Die Modellvorhaben haben im Herbst 2011begonnen. Insgesamt werden im Rahmen von »Zusam-menhalt durch Teilhabe« ca. 100 Projekte gefördert. So-wohl die Modellprojekte als auch die Weiterbildung solleneinen wesentlichen Beitrag zum Thema »Teilhabe« leisten.Neben aktiver Unterstützung werden auch neue Wegeerprobt, wie Teilhabe im ländlichen Raum unter den Be-dingungen des demographischen Wandels gelingen kann.

Nähere Informationen finden Sie unter www.evangelische-akademien.de/zdt. Bei Fragen steht Ihnen Christine Dotterweich

unter Tel. 030-283 95-440 gerne zur Verfügung.

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an tatsächlichen oder vermeintlichenExzessen, die durch Medien vermitteltwerden. Nun ist zuzugeben, dass zwar dieMenschenrechte nicht von den Kir-chen erfunden oder propagiert wur-den, sondern eher als Frucht der Ame-rikanischen und Französischen Revo-lutionen zu begreifen sind, gleichwohlgewisse egalitäre Perspektiven desEvangeliums diesen den Weg bereitethaben. Insbesondere die Vorstellungder Gottebenbildlichkeit aller Men-schen hat dazu beigetragen. Diesemuss nicht durch moralisches Ver-halten verdient werden, sondern istvorgegeben. Je länger ich mich anweltweiten ökumenischen Debattenbeteilige, desto deutlicher wird mir,dass die wichtigsten Gegensätze kul-turell bedingt sind. Deswegen habentheologische Auseinandersetzungenzweifelhaften Wert. Dennoch gibt eszu internationalen Begegnungen kei-ne Alternative, zumal eine gewisseEinheit durch persönliche Kontakteund Freundschaft erreicht werdenkann.Die Konferenz Europäischer Kirchen hatdurch ihre Kommission »Kirche und Gesell-schaft« im Internet eine wachsende Biblio -thek von Stellungnahmen zu einzelnenMenschenrechtsthemen für die weitereDiskussion gesammelt: csc.ceceurope.org/issues/human-rights-library/. Vorträge undFotos der Tagung, siehe: csc.ceceurope.org/issues/human-rights/

Wolfgang Wagner

Die Grabeskirche in Jerusalemsteht doch am richtigen Platz

In Kürze wird die vom deutschen Kai-ser Wilhelm II. gegründete Erlöserkir-che im Untergrund begehbar sein.Neue Erkenntnisse über den Kreuzi-gungsort Jesu stellte Dieter Vieweger,Leiter des Deutschen EvangelischenInstituts für Altertumswissenschaftdes Heiligen Landes (DEI), auf der Ta-gung »Geheimnisse der Bibel – Aus-grabungen in Jerusalem« vom 4.-5.Januar 2012 vor. Für SYM schrieb ereine Kurzfassung:Manchmal öffnen sich überraschendFenster in die Vergangenheit. Dieevangelische Erlöserkirche in Jerusa-

lem wurde am Reformationstag desJahres 1898 im Beisein des deutschenKaisers Wilhelm II. eingeweiht. Bereits1869 hatte der osmanische Sultandem preußischen Königshaus einenTeil des »Muristans« als Baugrundgeschenkt. Der deutsche Kaiser ließdie Erlöserkirche auf den Ruinen deraus der Kreuzfahrerzeit stammendenKirche St. Maria Latina errichten, umderen Tradition aus der Kreuzfahrer-zeit aufzunehmen. Die unmittelbareNachbarschaft der Erlöser- zur Gra-beskirche spielte schon bei den erstenarchäologischen Forschungen wäh-rend des Baus der Erlöserkirche eineentscheidende Rolle. Unterhalb desMittelschiffs meinte man, die alteStadtmauer aus der Zeit Herodes desGroßen gefunden zu haben. DieserFund beendete den Streit zwischenkatholischen und evangelischen Gläu-bigen über die Korrektheit der Lagevon Golgatha. Nun schien bewiesen,dass die Grabeskirche zur Zeit Jesuaußerhalb der damaligen Stadtmau-ern gelegen habe und sich damit amkorrekten Ort befinde. Bei den wis-senschaftlichen Nachgrabungen desDeutschen Evangelischen Instituts fürAltertumswissenschaft des HeiligenLandes (DEI) während der Renovie-rung der Erlöserkirche (1970-1974)zeigte sich aber, dass die aufgefunde-ne Mauer lediglich die Südmauer desPodium vom Aphroditetempel aus derZeit Hadrians und der später am glei-chen Ort von Kaiser Konstantin erbau-

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Das christliche Verständnisder Menschenrechte

Am 10. Dezember, zum Tag der Men-schenrechte, hat die Evangelische Aka-demie Bad Boll eine internationaleTagung »Europäische Kirchen undMenschenrechte« mit Vertretern or-thodoxer Kirchen veranstaltet. Mit-veranstalter waren die »KonferenzEuropäischer Kirchen« (KEK), die »Ge-meinschaft Evangelischer Kirchen inEuropa« (GEKE), das Moskauer Patri-archat und die Konrad AdenauerStiftung. Vorausgegangen waren Dif-ferenzen auf europäischer Ebene, alsdie Russisch-Orthodoxe Kirche eineErklärung zu den Menschenrechten(»Die Grundlagen der Lehre der Rus-sisch-Orthodoxen Kirche über dieWürde, die Freiheit und die Menschen-rechte«, 2008) herausgab und andereeuropäische Kirchen deutlich wider-sprachen (»Menschenrechte undchristliche Moral«, eine Antwort derGEKE, Mai 2009).Während die eher westlich und pro-testantisch orientierten Kirchen sichdie Menschenrechtserklärung der Ver-einten Nationen von 1948 zu eigenmachen und in ihren Institutionenumzusetzen versuchen, melden öst-lich orthodoxe Kirchen Einwände an,die mit ihren jeweiligen Regierungenkonform zu gehen scheinen. Doch beieinem genauen Blick bemerkt manEntwicklungen und Pluralitäten in derorthodoxen Konfessionsfamilie. Weiß-russen, Serben oder Rumänen argu-mentierten verbindender als die Mos-kauer Vertreter, die mit teilweise mas-siven Vorwürfen an den Westen dieDiskussion bestritten. Doch auch dortmuss man differenzieren. Der Berlinerrussisch-orthodoxe Erzbischof Feofanstieß die Türen des Dialogs weit aufund zeigte großes Interesse am Mei-nungsaustausch. Vor allem öffnete ersich für die Minderheiten in Russlandund deren Konfessionen, was zumin-dest einem möglichen Monopol derOrthodoxen Kirchen widerspricht. Ersieht vor allem Lernbedarf bei denPriestern, die eine offene Gesellschaftnicht gewohnt sind und deswegenmanche Erscheinungen im Westen alsunmoralisch ablehnen. So entzündetesich mancher Beitrag immer wieder

Die Grabungen unter der Erlöserkirche zeigen, dass dieGrabeskirche mit dem dazugehörigen KreuzigungsortGolgatha außerhalb Jerusalems lag. Die Tradition ver-ehrt damit den korrekten Ort. Bilder: Erlöserkirche undder Ort, in dem das neue Museum entsteht.

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jahte die universale Geltung der Men-schenrechte, forderte aber für dieisraelische Politik eine faire Beurtei-lung wie sie anderen Krieg führendenStaaten zugestanden wird. Angesichtsder deutschen Vergangenheit ist inder Tat selbstkritisch zu überlegen,warum sich das Interesse vieler Men-schenrechtler ausschließlich auf Israelrichtet. So sei es eigentümlich, dasssich in der Solidaritätsszene kaumKritik an Syrien meldet, obwohl dortein Diktator sein eigenes Volk nieder-schießen lässt. Mit Yael Dinur undGuy Band kamen zwei junge Leuteaus Israel zu Wort, die im Austauschin Berlin arbeiten und sich in einernichtjüdischen Umwelt mit demAntisemitismus auseinandersetzenmüssen.Schließlich endete die Tagung miteinem theologischen Vortrag vonClaudia Janssen zum Thema »Opfer,Schuld und Sühne«. Am Beispiel desApostels Paulus und seinen Briefenzeigte die Neutestamentlerin, wieman ihn befreiungstheologisch mitseiner jüdischen Martyriumstheologieeinerseits und andererseits in seinerAuseinandersetzung mit den Macht-strukturen des Imperium Romanumverstehen kann. Damit entlarvt dieProfessorin die Sühneopfertheologieals unbiblisch und überwindet eineproblematische theologische Tradi-tion, die seit Anselm von Canterburydas Wirken Jesu mehr mit seinem Todals mit Leben und Auferstehung inVerbindung bringt. »Es täte uns alschristliche Gemeinschaft gut, auf daszu schauen, was das Leben fördertund die Todes- und Opferfixiertheitder Theologie zu überwinden.«

Studienleiter Wolfgang Wagners. a. Onlinedokumente S. 13/14

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ten Grabeskir-che war. Ein zu-sätzlicher Tief-schnitt bis zumFelsboden be-stätigte aller-dings auf seineWeise die alteAnnahme, dassdas Gelände umdie Erlöser- undGrabeskirche zurZeit Jesu tat-sächlich außer-halb der Stadt-mauern lag. DieStadtmauer desHerodes befin-det sich im Os-ten der Erlöser-kirche! 2009begann das DEIunter Leitungvon Dieter Vie-weger die Alt-grabung zu rei-nigen und fürBesucher ineinen archäolo-gischen Parkumzugestalten.Der Kirchenbo-den wurde auf-

gegraben und ein Abgang in die Aus-grabung geschaffen. Ein Besucherleit-system führt die Touristen und Pilgerab 1. November 2012 durch 2000Jahre der Stadtgeschichte (des nördli-chen) Jerusalem: von der Zeit der Hasmonäer und Herodes d. Gr., durchdie der Kreuzigung Jesu, des Neubausder Stadt unter Hadrian, des Baus derKonstantinischen Grabeskirche undder Errichtung von St. Maria Latina –einer berühmten Kreuzfahrerkirche.Ein Museum im Kreuzgang hält wei-tere Informationen zur Geschichte derStadt bereit. Das finanziell aufwändi-ge und wissenschaftlich hochinteres-sante Projekt wurde vom AuswärtigenAmt der Bundesrepublik Deutschlandund vom Förderverein des DEI finan-ziert. Die Universität Potsdam und dasDeutsche Archäologische Institutwaren wertvolle Projektpartner. Derarchäologische Park bereichert Jeru-salem um eine große Attraktion!

Dieter Vieweger, s. a. S. 23

50 Jahre Aktion Sühnezeichen

An Israel scheiden sich die Geister.Seit vielen Jahren wird theologischund politisch kontrovers diskutiert,wie man sich zum Staat Israel verhal-ten soll. Es gibt wohl kaum eine Kir-chengemeinde, die dieses Thema aus-lässt. Oftmals hat man den Eindruck,dass insbesondere die Deutschen denNahostkonflikt mit ideologischen Mit-teln fortsetzen. Kein anderes interna-tionales Thema provoziert so vieleEmotionen, die sich dann auch inTagungen Luft machen. Die AktionSühnezeichen engagiert sich seit 50Jahren vorzugsweise für die jüdischeBevölkerung Israels. Das hängt mitder Gründungsabsicht zusammen,nach dem 2. Weltkrieg vor allem fürdie Menschen in den ehemaligenFeindstaaten friedensstiftend zu ar-beiten und so Versöhnung einzuleiten.»Sühne« wurde theologisch verstan-den als Vorleistung des Übeltäters,um Versöhnung des geschädigtenOpfers zu erlangen. In der Tagungwurde nun danach gefragt, ob dietraditionellen Begriffe noch taugen,um die gegenwärtigen Herausforde-rungen zu bewältigen, zumal die jet-zige Generation der Freiwilligen vonanderen Voraussetzungen ausgeht.Ihnen geht es vor allem um Men-schenrechte für Minderheiten, sozialeGerechtigkeit für die Armen und Frie-den im gesamten Nahen Osten.

Um nicht »zum Chor zu predigen«,wurden Vertreter anderer Vereine ein-geladen, die sich in der Region betä-tigen wie Weltfriedensdienst, Versöh-nungsbund, Ökumenisches Begleit-programm EAPPI oder Pax Christi. Siesorgten für die notwendigen kontro-versen Diskussionen, weil sie sich oftdie Perspektive der Palästinenser alsHauptleidtragende des Konflikts zueigen machen. Wie hoch die Wogengehen, zeigt sich auch an der Debatteum das »Kairos-Papiers« arabischerChristen in deutschen Kirchen. Dem-gegenüber erinnerte die pensionierteRichterin des Obersten Gerichts vonIsrael, Dalia Dorner, dass Israel sichnoch immer im Krieg befinde. Sie be-

Bild oben: Dieter Vieweger, Leiter des Deutschen Evangeli-schen Instituts in Jerusalem (DEI)und Autor des Beitrags.Bild unten: Bei den biblisch-archäologischen Tagungen kom-men oft hochkarätige Besucher,hier Gerd Jeremias, der erstedeutsche Qumran-Forscher.

Dalia Dorner, pensionierte Richterin desObersten Gerichts von Israel

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Flucht und Gesundheit

Dr. Elisabeth Fries, die seit vielen Jah-ren in der therapeutischen Betreuungvon Flüchtlingen bei der Organisation»refugio« tätig ist, referierte am13. Januar bei der Tagung »Flucht undGesundheit« über ihre Erfahrungenmit den Traumatisierungen, die vieleFlüchtlinge erlitten haben. Zu demauslösenden Ereignis, etwa Folteroder die Ermordung von Familienan-gehörigen, treten die Erfahrungenwährend der Flucht und die erfahreneIsolation und Heimatferne hinzu –und es folgt die ungewisse Existenzim Exil. An die Stelle der anfänglichenEuphorie im »sicheren« Zufluchtslandtritt sehr häufig nach und nach dieErschöpfungsdepression durch einfremdbestimmtes, verwaltetes Leben,dessen Sinn irgendwann nicht mehrersichtlich ist. Fries forderte, trauma-tisierten Flüchtlingen die Möglichkeitzu sozialem, politischem, menschen-rechtlichem oder künstlerischem En-gagement zu eröffnen, das Quelle derKraft und Heilung sein könnte.

Der Vortrag von Dr. Bettina Seitz er-öffnete tiefe Einblicke in die proble-matische Wohnsituation in der Flücht-lingsunterkunft in der GemeindeHardheim, in der etwa 140 Personenleben, die unter gesundheitlichen Be-lastungen (Enge, Schimmel, Ausfallder Heizung) und unter der schwieri-gen medizinischen Versorgung leiden.Die Menschenrechtsbeauftragte derLandesärztekammer, Dr. Ingrid Rothe-Kirchberger, konnte von einer Weiter-bildung für Ärzte berichten, die damitqualifiziert beurteilen können, ob et-wa eine Traumatisierung ein Abschie-behindernis darstellt. Sie forderte,dass diese Ärzte auch als Gutachterbestellt werden. Bisher sind für dasRegierungspräsidium Karlsruhe meistdie Gesundheitsämter die erste Adres-se für eine Begutachtung.Als Resümee der Tagung bleibt derEindruck, dass das Bemühen der Be-hörden, auf keinen Fall einen unbe-rechtigten Flüchtling als solchen an-zuerkennen oder zu dulden, zu einerschweren Belastung all derer führt,denen Respekt, Verständnis und Hilfezu Unrecht vorenthalten werden –

was Flüchtlingsinitiativen mit vielehrenamtlichem Engagement (undnicht immer ohne Verbitterung) zukompensieren suchen.

Studienleiter Günter RenzBeide Vorträge sind als Online-

Dokumente abzurufen, s.S. 12/13.

Ethik der Geheimdienste

Agentinnen und Agenten von Geheim-diensten geben nur wenig preis –auch wenn sie nicht mehr aktiv sind.Sie tun das in vermeintlich besterstaatstragender Absicht. Denen, diedie Arbeit der Geheimdienste kritischbetrachten, reicht das nicht aus. Beisoviel Geheimnis und Argwohn fälltein Gespräch über die »Ethik derNachrichtendienste in der Demokra-tie« schwer. Das war bei der gleichna-migen Tagung vom 28. bis 30. Okto-ber zu spüren, als aktive und ehema-lige Angehörige der Nachrichten-dienste wie zum Beispiel einer derfrüheren Präsidenten des Bundes-nachrichtendienstes, Dr. Hans-GeorgWieck oder Peter Frisch, Präsident desBundesamtes für Verfassungsschutz a. D., auf Kritiker wie den Grünen-Bundestagsabgeordneten Hans-Chris-tian Ströbele, Ulrike Poppe, Landesbe-auftragte zur Aufarbeitung der Folgender kommunistischen Diktatur inBrandenburg oder den Politologen Dr.Helmut Müller-Enbergs oder denJournalisten Ulrich Chaussy gestoßensind. Praxis gegen Theorie, Selbst-wahrnehmung gegen Fremdwahrneh-mung, Täter gegen Opfer, Weltan-schauung gegen Weltanschauungoder Gesetz gegen Freiheit? Eine selt-same Stimmungsmelange kam dazusammen.

Die Tagung fand kurz vor Entdeckungder Zwickauer Neo-Nazi-Gruppe statt.Wahrscheinlich hätten sich die Prob-leme danach schärfer gestellt. Somachte sich bei der Frage, ob einEthik-Kodex für Nachrichtendienstein der Demokratie entwickelt werdenkann, zuerst einmal Sprachlosigkeitbreit. Die VertreterInnen der Nach-richtendienste handeln ihrer Meinungnach ebenso ehrenwert wie die Kri-tikerInnen.

Einig war man sich darin, das gesam-te Handeln der Geheimdienste an denPrinzipien des freiheitlich-demokrati-schen Rechtsstaates messen zu wol-len. Doch was bedeuten die Grund-rechte in diesem Zusammenhangkonkret? Soll das ParlamentarischeKontrollgremium des Bundestagsmehr Befugnisse erhalten und öftertagen und mehr nach außen tragendürfen? Wie werden sogenannte»Quellen« angeworben? Wie geht manmit Informationen um, die von aus-ländischen Diensten unter Folter er-presst wurden? Welche Gefahren dro-hen der Verfassung heute? Wie weitdarf die geheime Beobachtung vonBürgerinnen und Bürgern gehen?Dürfen Bundestagsabgeordnete beob-achtet werden – und wenn ja, werentscheidet das? Sind die drei deut-schen Nachrichtendienste, Bundes-nachrichtendienst, Verfassungsschutzund militärischer AbschirmdienstRelikte des Kalten Krieges? Welches»Frühwarnsystem« benötigt die politi-sche Exekutive für ihre Entscheidun-gen?»Weitestgehend« einig war man sichdarin, dass die Möglichkeiten derAkteneinsicht, insbesondere für His-toriker, erleichtert werden müssen,auch wenn nicht klar wurde, wie dementgegen stehende Blockaden aufge-löst werden können. Insofern wies derVortrag von Dr. Annette Weinke, wis-senschaftliche As-sistentin der unab-hängigen Histori-kerkommission zurGeschichte des Aus-wärtigen Amtes inder Zeit des Natio-nalsozialismus undder Bundesrepublik,über Fragen undProbleme beim Auf-bau der Bundesbe-hörden nach 1949 unter Berücksich-tigung der deutschen Geheimdiensteden Weg zu weiterführenden Gesprä-chen und Diskussionen und vielleichtauch einer zukünftigen Tagung auf:die historisch-kritische Aufarbeitungder Vergangenheit.

Studienleiterin Kathinka Kaden, s. a. Onlinedokumente, S. 23

Dr. Annette Weinke

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k u n s t i n d e r a k a d e m i e

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Die vom Kaiserstuhl stammende Künstlerin JohannaHelbling-Felix zeigt in der Evangelischen AkademieBad BolI neben Zeichnungen aus verschiedenen Werk-gruppen auch Collagen aus den Jahren 2010 und 2011.In den Collagen sind Fragmente aus Zeichnungen,Luftfotos, Wetterkarten und Luftfahrtkarten teils stim-mig, teils radikal zur Collage verbunden. Was den nor-malen Erdbewohnern wie Codes aus fremden Weltenvorkommen mag, ist für die Künstlerin Material, mitdem sie zunächst den versierten technisch-sport-

lichen Umgang gelernt hat, bevor sie anfing, es fürihre künstlerischen Projekte einzusetzen. Die ausgebil-dete Segelfliegerin hat sich seit 1989 immer wiederals Co-Pilotin ihres Mannes in einem Oldtimer-Sport-flugzeug in die Luft begeben, um von oben her dieLandschaft zu fotografieren und zu skizzieren. IhreLuftaufnahmen stehen für sich allein, werden aberauch zur Grundlage und zum Material für Collagenund Zeichnungen. Wer mit großem Abstand auf Dingeschaut, sieht anders, weniger Details, dafür tretenStrukturen besser hervor, die bei Nahsicht von untenher verborgen bleiben. Die Perspektive aus großerHöhe ermöglicht sogar Einblicke in längst vergangeneWeg- und Siedlungsstrukturen unterhalb der Erdkru-me. Diese Mehrschichtigkeit lässt sich auch in Helb-ling-Felix’ Zeichnungen wiederfinden, in denen sieFormen und Farben sich so überlagern und aus

unteren Schichten durchscheinen lässt, dass Tiefen-dimensionen entstehen.

Sie schreibt selbst: »Beim Überfliegen der Landschaftinteressieren mich die Ursprünglichkeit, Unberührtheit,Strukturen, Formen, Zeichen, Farbe und Linien derErdoberfläche. Ebenso auch radikale und sanfte Ein-griffe des Menschen, wie z. B. Kohleabraumhalden,Truppenübungsplätze, Torfabbau oder durch Sturmgerodete Waldflächen. Der Blick von oben bietet underöffnet Einsichten in Bau- und Lebensprinzipien vonMensch und Natur wie die Nahsicht des Mikro- undMakrokosmos. Diese Eindrücke des Sehens und daskörperliche Gefühl des Fliegens werden bereits wäh-rend des Fluges in kleinen Skizzen festgehalten, eben-so entstehen Fotografien.«

Ihre Ausbildung erhielt Johanna Helbling-Felix u.a. an der Europäischen Akademie für Bildende Kunst inTrier. Ein Künstlerstipendium führte sie 2004 nachSydney. Sie lebt und arbeitet im badischen Bühl.Zahlreiche Arbeiten von Johanna Helbling-Felix befinden sich in öffentlichen und privaten Samm-lungen.

Johanna Helbling-FelixZeichnung – Collage – Luftfotografie

Laufende Ausstellung:Cristina Ohlmer - Zeichnung und InstallationDauer der Ausstellung: 29. Januar bis 17. April 2012

VernissageSonntag, 29. April 201211:00 Uhr im Café HeussDauer der Ausstellung:29. April bis 15. Juli 2012Infos und Anmeldung zum Mittagessen (12 Euro):Brigitte Engert, Tel. 07164 [email protected]: Susanne WolfTagungsnummer: 936112

Beide hier abgebildeten Werke sind aus der Werkgruppe:»Heim_Flug II«, 2011, 50 x 70 cmCollage, Zeichnung-Luftfotografie

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p a r t i z i p a t i o n e r m ö g l i c h e n

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Mufti Dr. Nedzad Grabus aus Slowe-nien sprach bei der Tagung »Islam undRechtsordnung« (20.-21. Januar 2012)zum Thema »Verändert die Integrationdas deutsche Recht?« Simone Helm-schrott und Martina Waiblinger habenihn interviewt. Simone Helmschrott,Islamwissenschaftlerin, macht bis Anfang April ein Praktikum in der Akademie.

SYM: In Slowenien existiert seit 2008ein Abkommen zwischen dem slowe-nischen Staat und der islamischenGemeinschaft Sloweniens. Was be-deutet das für die Muslime?Dr. Grabus: Muslime sind in Slowe-nien eine Minderheit von 2,5 Prozentder Gesamtbevölkerung. Die Stellungder islamischen Gemeinschaft hatsich mit der Unterzeichnung des Ab-kommens vollkommen verändert. Sieist nun ein anerkannter Rechtsträgermit den Rechten aller anderen Religi-onsgemeinschaften und repräsentiertMuslime in der gesamten sloweni-schen Gesellschaft. Die Stellung derislamischen Gemeinschaft in Slowe-nien muss man vor dem Hintergrundder Stellung des Islam in diesem TeilEuropas verstehen. In Österreich hatman die einzigartige Situation, dassder Islam bereits 1912 als Religions-gemeinschaft anerkannt wurde.

SYM: Was vermissen die Muslimenoch, um das Gefühl der gleichwerti-gen Partizipation am Leben inSlowenien zu haben?Es gibt momentan noch keine Mo-schee in Slowenien. Das fehlt uns na-türlich. Allerdings wurde ein anony-mer internationaler Architektenwett-bewerb für eine Moschee ausge-schrieben, und ein Vorschlag wurdebereits ausgewählt. Wir entwickelnjetzt Ideen für ein islamisches Zen-trum in Ljubljana und hoffen mit demBau im Frühjahr 2013 beginnen zukönnen. Ansonsten glaube ich nicht, dassMuslime in Slowenien etwas vermis-

sen – es gibt weder Missverständnissenoch Vorurteile. Muslime fühlen sichdort zuhause. Als Einwohner und Bür-ger Sloweniens haben sie die gleichenRechte wie alle anderen, sie könnenjede Schule besuchen, sich weiterbil-den, an öffentlichen Aktivitäten teil-haben und Ämter in verschiedenenstaatlichen Einrichtungen ausüben. Es fehlt in Slowenien allerdings anIntellektuellen und besser Gebildeten,die die Ideen und ethischen Werteihrer Religion angemessen repräsen-tieren. Dieses Problem gibt es nichtnur in Slowenien, sondern auch inanderen europäischen Ländern.

SYM: Was sind die Charakteristika desbosnischen Islam, von dem Slowenienstark geprägt ist?Die bosnischen Muslime konvertiertenvor 600 Jahren als letzte Nation derWelt zum Islam. Muslime in Bosnienhaben zwei Erfahrungen: Sie habeneinen islamischen Hintergrund undhaben europäische Werte angenom-men. Organisation und Verständnisdes Islam in dieser Region stammenaus der österreich-ungarischen Zeit,als im Zuge von Reformen die islami-sche Gemeinschaft gegründet wurde.Wir müssen dem österreich-ungari-schen Kaiserreich dankbar sein, dasses uns zu einer starken lokalen Orga-nisation verholfen hat, die das islami-sche Verständnis und die kulturelleIdentität der Muslime in dieser Re-gion bewahrt.

SYM: Was funktioniert mit der Inte-gration der Muslime in Westeuropagut und was läuft nicht so gut?In vielerlei Hinsicht ist der Islam Teilder europäischer Gesellschaften undsehr gut integriert. Ich glaube, es gibtviele Jungen und Mädchen, die sich inden europäischen Ländern wohl füh-len. Wenn es um globale politischeFragen geht, gibt es manchmal Prob-leme, oder wenn Europäer den Islamoder die Muslime für regionale Dingeinstrumentalisieren. Ich glaube, dass

die meistenMuslime›normal‹behandeltwerden wol-len – nichtals Aus-nahme oderals spezielleGruppe. Siewollen ihreKinder auf-ziehen, einegute Ausbil-dung, guteJobs habenund selbstverständlich die gemeinsa-men Werte achten wie viele Tausendeandere Europäer auch.

SYM: Was sollte auf beiden Seiten ver-bessert werden?Ich denke, wir müssen vor allem dieKommunikation verbessern, und wirmüssen auch mehr Verständnis fürdie anderen entwickeln. Vielleichtmüssen wir den anderen besser zu-hören, als über sie zu sprechen. Wirmüssen versuchen, die unterschiedli-chen Situationen in den verschiede-nen Teilen der Welt zu verstehen undwir müssen toleranter werden.

SYM: Welche Auswirkung hat dieIntegration von Muslimen auf daseuropäische Recht?Wie ich in meinem Vortrag erläuterthabe, spricht Rik Torfs von der katho-lischen Fakultät Leuven, Belgien, hiervon verschiedenen Ebenen. Die EbeneA steht dabei für die Ideen von Frei-heit und Religion, ihrer Ausübung undähnliches. Ebene B meint strukturelle,historische und weitere Probleme. Ichglaube, dass wir keinerlei Problememit der Ausübung der Religion haben.Aber wir haben ein Problem damit,unsere neue Situation im europäi-schen Kontext zu verstehen. In denvergangenen Jahrzehnten haben Mus-lime vermehrt nach ihrer Identitätgefragt. Sie versuchen, sich selbst zu

Muslime fragen nach ihrer IdentitätInterview mit Mufti Dr. Nedzad Grabus, Slowenien Dr. Nedzad Grabus,

Mufti von Slowenien

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Kleinbauern als Unternehmerund Entwicklungshelfer

definieren: Sind wir richtige Euro-päer? Oder gehören wir zu einer ande-ren Kultur? Ich glaube, dass der Islamein grundlegender Aspekt des morali-schen Empfindens der verschiedenenmuslimischen Europäer ist und erwird für sie eine moralische Kraftbleiben. Ich glaube nicht, dass Ge-setze geändert werden können, abereinige Themen müssen neu definiertwerden. Wir müssen über die rechtli-che Stellung der islamischen Gemein-schaften und ihrer Vertreter in Europanachdenken. Wir müssen versuchen,muslimische anderen religiösen Orga-nisationen gleichzustellen.

SYM: Wie halten Sie von einemKopftuchverbot für Lehrerinnen andeutschen Schulen? Die Kopftuchfrage ist in letzter Zeitweltweit zum Hauptstreitpunkt unterverschiedenen gesellschaftlichenGruppen geworden. Ich glaube nicht,dass irgendwelche Lösungen aufge-zwungen werden können. Die Musli-me in Europa sind gerade dabei, ihreIdentität zu definieren und zu artiku-lieren. Dieser Prozess ist noch nichtabgeschlossen. Es gibt so viele ver-schiedene Verständnisse von Islam inEuropa. Auch in der Türkei gibt esverschiedene Meinungen zu diesemThema. Aus meiner Sicht sind Religi-onsfreiheit und die Freiheit, nicht re-ligiös zu sein, entscheidende Punkte.Wie lebt man Religion? Nirgendwoauf der Welt kann Religion zu 100Prozent ausgeübt werden. Jede Gesell-schaft hat Bedenken, wenn es um re-ligiöse Manifestationen geht. Manch-mal sind ethische Angelegenheitenwichtiger als die Manifestation oderdie Ausübung von Religion.

800 Millionen Menschen weltweitsind Mitglieder von Genossenschaf-ten, die wiederum mehr als 100 Milli-onen Arbeitsplätze bieten. Das bele-gen Zahlen der Vereinten Nationen. In vielen Entwicklungsländern trägtdiese Wirtschaftsform dazu bei, ar-men Menschen ein Stück des globalenWohlstands zu sichern. Bei der Tagung»Genossenschaften als Motoren vonEntwicklung« in der EvangelischenAkademie Bad Boll diskutierten vom 3. bis 5. Februar Experten über dieZukunft der Genossenschaften.

Es sind hehre Prinzipien: Die Koope-rative Coopetarrazú aus Costa Ricawill sozial verantwortlich und ökolo-gisch ausgewogen wirtschaften, dabeidie drei Grundregeln einer Genossen-schaften einhalten – Selbsthilfe,Selbstverantwortung und Selbstver-waltung. Kann man so wirtschaftlicherfolgreich sein? Man kann. 16 Milli-onen Umsatz macht Coopetarrazú proJahr, die Organisation bietet 250 fes-te Arbeitsplätze und ist damit einerder größten Arbeitgeber in San Mar-cos de Tarrazú, einem der bekanntes -ten Kaffee-Anbaugebiete weltweit.Carlos Vargas, Finanzvorstand derKooperative, stellte seine Erfahrungenbei der Tagung in der EvangelischenAkademie Bad Boll vor. »Wir sind stolzauf die Arbeit, dir wir leisten. Wir sindheute mit unseren Dienstleistungendie beste Alternative für Kaffeebauernin der Region und eine der erfolg-reichsten Genossenschaften in CostaRica«, so der 54-jährige Betriebs -wirtschaftler.

3000 Landwirte gehören der Koope-rative an. Sie wurde 1960 von 230Kleinbauern gegründet, um Produk-tions- und Vermarktungsbedingungensowie den Lebensstandard der Kaffee-erzeuger zu verbessern. Zu dieser Zeithatten die Bauern in der Region keineAlternative: Nur die großen Kaffee-mühlen kauften ihnen ihre Ernte abund diktierten die Preise, denn diekleinen Erzeuger hatten allein keine

Verhandlungsmacht. Die Kooperativehat das verändert. Konnten früher diegroßen Kaffeemühlen-Betreiber dieBedingungen stellen, ohne etwas fürsoziale Absicherung und die Entwick-lung der Region zu tun, steuern dieMitglieder der Genossenschaft nunden Kurs ihres Unternehmens selbst.Die Generalversammlung der Koope-rative, die alle Mitglieder besuchenkönnen, wählt den Vorstand und prüftdie Arbeit der Geschäftsleitung. DieKleinbauern können Vertreter in Aus-schüsse entsenden, die einzelne Ar-beitsbereiche kontrollieren. Außerdempräsentiert sich die Geschäftsleitungin den einzelnen Dörfern, nimmt An-regungen und Beschwerden entgegen.»Manchmal bremsen solche demokra-tischen Verfahren Entscheidungen,aber das gehört zu einer Genossen-schaft dazu. Aktuell genießen Vor-stand und Geschäftsführung großesVertrauen bei den Mitgliedern und eskommt selten zu Problemen«, erklärtCarlos Vargas. Die Mitglieder ent-

Auf der Tagung »Islam und Rechtsordnung«diskutierten neben Dr. Nedzad Grabus Lan-desbischof Dr. Frank July, Prof. MathiasRohe, Prof. Stefan Schreiner mit Vertreternder württembergischen muslimischen Ver-bände über die aktuellen rechtlichen undgesellschaftlichen Herausforderungen zumZusammenleben in Deutschland und Würt-temberg. Prof. Rohe, Direktor des ErlangerZentrums für Islam und Recht in Europa ander Universität Erlangen-Nürnberg, stelltein seinem Vortrag Rechte, Pflichten undProbleme aus rechtlicher Sicht dar. SeinVortrag ist als Audiodokument verfügbar,s. S. 12/13.

Carlos Vargas, Finanzvorstand der Genossen-schaft, ist stolz auf die Kaffeequalität. –Die Tagung »Genossenschaften als Motorenvon Entwicklung« wurde mit der DeutschenGesellschaft für die Vereinten Nationene.V., mit Oikocredit Deutschland und Trans-Fair e.V. durchgeführt.

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scheiden, in was Coopetarrazú inves-tiert, und so hat die Kooperative ausden gemeinsam erwirtschafteten Ge-winnen viele Angebote geschaffen.Sie gewährt den Mitgliedern Kleinkre-dite, etwa um Saatgut zu kaufen, einHaus zu bauen oder andere Anschaf-fungen zu finanzieren. Die Genossen-schaft hat Tankstellen, Bau- und Su-permärkte und tierärztliche Versor-gung für ihre Mitglieder eingerichtet.Außerdem nimmt die Genossenschaftihren Mitgliedern die Ernte zu einemfairen Preis ab. Seit 2005 trägt dieGenossenschaft das Fair-Trade-Siegel.Die Mitglieder verpflichten sich, Stan-dards wie gerechte Löhne und guteArbeitsbedingungen einzuhalten. ImGegenzug bekommt Coopetarrazú fürihre Ware Prämien aus dem FairenHandel. 2011 erhielt die Kooperative426.000 US-Dollar, die Hälfte davonfloss direkt an die Bauern. Musstendie Kleinbauern früher die geerntetenKaffeebohnen oft kilometerweit zurnächsten Annahmestelle transportie-ren, hat Coopetarrazú nun in der Re-gion 50 solcher Zentren aufgebaut.Auch Umweltschutz ist erklärtes Ziel:Die Kleinbauern erhalten Schulungen,in denen sie lernen, ihre Plantageneffizient und umweltverträglich zubewirtschaften, die Weiterverarbei-tung ist möglichst Ressourcen scho-nend organisiert.

Der Kurs der Genossenschaft wirktweit über das Unternehmen selbsthinaus. Bei Verdienst und Service-Angeboten für die Kleinbauern hatdie Genossenschaft neue Standardsgesetzt, an denen sich nun auch dieWettbewerber in der Gegend messenlassen müssen, wollen sie ihre Liefe-ranten nicht verlieren. »Wir sind dergrößte Ankäufer und Vermarkter vonKaffee in der Region – 40 Prozent derErnte wird von uns direkt vermarktet.Unsere Wettbewerber müssen sich an-strengen, um bei sozialen Standards,Serviceangeboten und Verdienst mituns mitzuhalten, wenn sie ihre Liefe-ranten nicht verlieren wollen. DieserEinfluss hat der Region und den Men-schen, die dort leben, großen Fort-schritt gebracht«, sagt Vargas.

Katja Korf, s.a. Onlinedokumente, S. 13

Dabei brauchen wir die Kirchen alsMitstreiter für Europa.« Die Präsiden-tin der württembergischen Landes-synode, Dr. Christel Hausding, hob dieBedeutung der Kirchenparlamente fürdie Zukunft der evangelischen Kirchenhervor. »Wer in unseren Kirchen et-was verändern will, muss mit erhebli-chen Widerständen und Verzögerun-gen rechnen. Da bilden die Laien, dienicht in einem kirchlichen Anstel-lungsverhältnis stehen, eine wichtigeinnovative Kraft.« GEKE-PräsidentPfarrer Dr. Thomas Wipf freute sichüber das große Interesse der Synoda-len an der Stärkung der europäischenZusammenarbeit. »In einer Zeit, in derin manchen Kirchen Europas derMehltau der Resignation Einzug hält,haben wir hier in Bad Boll gelebteKirchengemeinschaft, Teilhabe undzukunftsorientierte Mitwirkungerlebt.«

Katja Korf

Zum ersten Mal in der Kirchenge-schichte sind im Januar rund 70 Kir-chenparlamentarier aus 17 europäi-schen Staaten zu einer Begegnungs-tagung in der Evangelischen Akade-mie Bad Boll zusammen gekommen.Die Gemeinschaft Evangelischer Kir-chen in Europa (GEKE), die Evangeli-sche Landeskirche in Württembergund die württembergische Landes-synode hatten die Synodalen nachBad Boll eingeladen. Ziel war es, dieZusammenarbeit zwischen den evan-gelischen Kirchen in Europa weiter zustärken.

Die Synodalen betonten in einer Er-klärung die Bedeutung der Kirchen-parlamente für die Zukunft der Kir-chen – auch mit Blick auf die aktuelleKrise der Europäischen Union. »DieSynoden sind eine innovative Kraft inden evangelischen Kirchen. Wir erle-ben, dass die Einheit Europas ohnegemeinsame Werte nicht zu erreichenist. Die evangelischen Kirchen in Eu-ropa haben mit ihrer Orts- und Men-schennähe eine wichtige Verantwor-tung für die Mitgestaltung Europas.«Der württembergische LandesbischofDr. h. c. Frank Otfried July würdigtedas Engagement der Synodalen fürdie europäische Zusammenarbeit.»Europa ist in Gefahr, zu einem Ge-bräu aus Schönrednern oder Klein-rechnern zu werden, zu einer Wirk-lichkeit des großen sozialen Gefälles,zu einem Körper ohne Seele.« DieAufgabe der evangelischen Kirchensei es, aus dem Geist Gottes herausVerantwortung für die Zukunft Euro-pas zu übernehmen und die Gewissender Menschen zu schärfen.

Der Vizepräsident des Europaparla-ments Rainer Wieland (CDU) begrüßtedas Engagement der Kirchenparla-mente. »Wir müssen den europäi-schen Gedanken, der in erster Linieein Friedensgedanke ist, in die aktuel-len öffentlichen Debatten tragen.

Kirchenparlamentarier aus 17Staaten treffen sich

Der Gottesdienst mit der Predigt von LandesbischofFrank Otfried July wurde im Kirchensaal des Kurhau-ses gefeiert. Auf dem Podium diskutierten abends (v.li. n. re.) Guiseppe Platone/Italien, Theres Meierhofer-Lauffer/Schweiz, Tamás Bárdossy/Ungarn, GabrielleLabeur, Belgien und Dieter Heidtmann, Studienleiter.

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Teilhabe und deutsche AnstaltstraditionZukunft beschrieben, auf dem sich die traditionsreiche Anstalt bis heutevöllig verändert hat in einen Anbietervon Wohn- und Lebensmöglichkeitenvor Ort im Rheinland und in West-falen. Die anstaltsmäßige Konzentra-tion von Menschen mit Behinderunghat sie hinter sich gelassen.

1. »Öffne dich« – das heißt auf Ara-mäisch: Hephata – so hat Jesus, derMensch Gottes, damals irgendwo amSee Genezareth einen Menschen an-gesprochen, der taub und stumm war.Und es wird erzählt (Markus 7,31-38),dass dessen Ohren sich öffneten undseine Zunge sich löste. Dieser Bewe-gung zu entsprechen – öffnen undsich lösen – ist Auftrag und Ziel derTätigkeit aller Mitarbeiterinnen und

Mitarbeiter in der Evangelischen Stif-tung Hephata. Wir teilen in Dankbar-keit das Leben, das Gott einem jedenMenschen zu freier und verantwortli-cher Gestaltung geschenkt hat, unbe-sehen mit allen Menschen, ob siebehindert sind oder sich als unbehin-dert ansehen.

2. Wir sehen es als unsere erste Auf-gabe an, die uneingeschränkte Men-schenwürde aller zu achten und dort,wo sie gefährdet ist, für deren unge-schmälerte Wahrung einzutreten. Wirerkennen in jedem Menschen – unbe-schadet seiner Behinderung oder son-stigen Eigenart – ein einmaliges Ge-

Von Prof. Dr. Johannes Degen

»Teilhabeprozesse gestalten. Auf demWeg zu einem inklusiven Gemeinwe-sen« ist der Titel der Bad Boller Psy-chiatrietagung, die von 29. Februar bis1. März stattfindet. Prof. Dr. JohannesDegen vom Institut für Diakoniewis-senschaft und Diakoniemanagement,Kirchliche Hochschule, Wuppertal/Bethel, wird dort einen Vortrag haltenzum Thema »Teilhabe ermöglichen –eine diakonische Perspektive«. Im Vor-griff darauf erläutert und zitiert er imFolgenden die Leitlinien der Evangeli-schen Stiftung Hephata, deren Direk-tor er von 1996 bis 2007 war. Die Stif-tung Hephata engagiert sich für über2600 Menschen mit Behinderung in30 Orten in Nordrhein-Westfalen.

Teilhabe ermöglichen bedeutet, vorallem auch in Deutschland, sich – woimmer es möglich ist – von der Heim-und Anstaltstradition zu trennen undmit den Menschen, die in guter Ab-sicht, aber doch isoliert in Sonderwel-ten leben, den Weg zurück zu gehenin die Städte und Dörfer, in die Kom-munen, Gemeinden und in die Nach-barschaft. Die Evangelische StiftungHephata ist diesen Weg von Mönchen-gladbach aus gegangen. Bereits imJuni 1999 war eine Botschaft veröf-fentlicht worden, die seither zu einerArt Leitlinie für die Arbeit der Stif-tung geworden ist. Unter dem Titel»Selbstbestimmung, Assistenz undIntegration« wurde ein Weg in die

schöpf Gottes. Als dieses hat jederMensch vom ersten Anfang desLebens bis zu seinem Ende das Recht,am Zusammenleben in der Gesell-schaft teilzuhaben und dazu, wennnötig, die erforderliche Begleithilfe(Assistenz) der Gemeinschaft zu er-halten.

3. Wir sind verpflichtet, auf Menschenmit Behinderung zu hören und sie inihrem Streben und ihrem Wunschnach einem selbstbestimmten Lebenzu begleiten, zu unterstützen undentsprechend ihrem Wollen zu för-dern. Von dieser Verpflichtung sehenwir uns unter gar keinen Umständenentbunden, auch dann nicht, wennein Mensch auf eine sehr umfassendeWeise auf Begleitung und Stützungangewiesen ist, sich nicht unmittelbarsprechend äußern kann und für unse-re Ansprache unerreichbar zu seinscheint. Zu dieser Haltung sehen wiruns auch durch die Satzung unsererStiftung verpflichtet, die zum Aus-druck bringt, »dass alle Dienste (derStiftung) sich am Wohl und an denInteressen der Behinderten zu orien-tieren haben, die, soweit möglich, ihrLeben selbst gestalten« (§ 2 Absatz 3der Satzung der ESH i.d.F. vom1.4.1998).

4. Es ist unsere Überzeugung undErfahrung, dass Anstalten und großeHeime eine Sonderwelt am Randeund außerhalb unseres durchschnittli-chen Alltags darstellen, die den Men-schen mit Behinderung wesentlicheMöglichkeiten eines selbstbestimmtenLebens vorenthalten. Außerdem kön-nen wir uns am Ende dieses Jahrhun-derts der Einsicht nicht verschließen,dass die Konzentration von Menschenmit Behinderung in Anstalten einewichtige Voraussetzung für die mas-senhafte Ermordung dieser Menschenwar, die man als »lebensunwert« an-sah. Wir haben mit einer Auflösungunserer Anstaltsstrukturen am Stamm-sitz der Stiftung in Mönchengladbachsowie auf dem Benninghof bei Mett-mann begonnen und in diesem Zu-sammenhang den Prozess einer sorg-

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Partzipation in GemeindenZum Beispiel: Der erste Geislinger BürgerInnenRat

ßenden Diskussion gingen die per Zu-fallsgenerator eingeladenen Gästezusammen mit Verwaltungsmitar-beiterInnen, GemeinderätInnen und

fältigen Berücksichtigung der Bewoh-nerwünsche für ihr künftiges Wohnenund Leben eingeleitet.

5. In allen äußeren Veränderungender Stiftungsarbeit geht es uns umeinen tiefgreifenden Haltungswechselin unserem Verhältnis zu Menschenmit Behinderung, um eine neueMachtverteilung. Indem die Lebens-wünsche und Möglichkeiten der Men-schen mit Behinderung ernsthaft imMittelpunkt stehen, erleben Mitarbei-tende als professionelle Helfer einenMachtverlust. Es ist unser Ziel, Hilfeals eine Assistenz zu verstehen, diesich löst von dem Muster der Bevor-mundung und Bemächtigung (»Ichweiß doch, was gut für Dich ist.«) undMenschen mehr Selbstbestimmungzutraut und ermöglicht.

6. Dort, wo Menschen mit Behinde-rung ihre familiären, nachbarschaftli-chen und gemeindlichen Wurzelnhaben, wollen wir als Stiftung unmit-telbar anwesend sein – mit Assistenz-angeboten zum Wohnen und Arbei-ten, mit Bildungs- und Beratungs-angeboten. Damit leisten wir einenBeitrag zur selbstverständlichen Inte-gration von Menschen mit Behinde-rung. Wir verstehen unsere Dienst-leistungen als Angebote, über derenSinn und Nutzung die Menschen mitBehinderung in wachsendem Maßeund mit den ihnen eigenen Fähigkei-ten und Kräften selber entscheidensollen. Deshalb regionalisieren wirunsere Stiftungstätigkeit in der rhei-nisch-bergischen Region und verste-hen uns als ein Dienstleistungsunter-nehmen, das den Bedürfnissen undMöglichkeiten der Menschen mitBehinderung unmittelbar dient(Kundenorientierung).

»Öffnen und sich lösen« – wir sindmit der zukunftsbezogenen Weiter-entwicklung unserer Stiftungsarbeitbemüht, dem Geist zu entsprechen,der sich in der biblischen Hephata-Geschichte als wirksam erweist, undwollen uns von diesem Geist inspirie-ren lassen.Mönchengladbach, 1999

s. a. S. 23

Eine Fortbildung für Fachkräfte, diedie Mitwirkung der Bürger und Bür-gerinnen stärken sollen, fand am 12.und 13. Januar in Bad Boll statt (sieheKasten rechts). Sabine Wettstein, diein der Geschäftsstelle Bürgerengage-ment der Stadt Geislingen arbeitet,hat die Tagung mit StudienleiterinSigrid Schöttle vorbereitet. Im folgen-den Beitrag berichtet sie über denProzess in Geislingen.

Der Lenkungsausschuss ›Bürgerschaft-liches Engagement‹ in Geislingen hat-te sich zur Aufgabe gemacht, mehrBürgermitwirkung zu ermöglichen,das Bürgerschaftliche Engagement zu stärken sowie weitere Aktive undneue Lösungen zu suchen. Hintergrundwar, dass der neue Sozialbericht derStadt Geislingen große Zukunftsauf-gaben benannt hat, die wir nur inKooperation mit der Bürgerschaftdauerhaft lösen können. Zitat ausdem Sozialbericht: »Die zunehmendeÜberalterung der Bevölkerung wird inden Bereichen Jugend und Bildung,Wirtschaft, Gesundheitswirtschaftund Tourismus, Wohnen und Mobili-tät, Prävention, Gesundheit und Pfle-ge und nicht zuletzt beim ›Bürger-schaftlichen Engagement‹ tiefgreifen-de Veränderungen zeigen und entspre-chende Auswirkungen erzwingen.Verbunden mit der Überalterung ver-schärft der Bevölkerungsrückgang dieEntwicklung. So verlor die Stadt in denletzten Jahren jedes Jahr mehrereHundert Einwohner.«

Auf der Suche nach erfolgreichen Be-teiligungsmodellen, die Menschen ak-tivieren, sind wir in Vorarlberg fündiggeworden. Das Modell der BürgerIn-nen-Räte hat uns neugierig gemachtund so lud Oberbürgermeister Wolf-gang Amann im März 2011 Dr. Man-fred Hellrigl vom Büro für Zukunfts-fragen in Bregenz zu einem Vortragnach Geislingen ein. In der anschlie-

Beteiligungsprozesse mit DynamicFacilitation - Tagung in Bad Boll

Als erstes deutsches Bundeslandführt Baden-Württemberg ein neuesElement der direkten Demokratie ein,den »BürgerInnenRat«. Dieses Gremi-um setzt sich aus bis zu 15 Frauenund Männern einer Gemeinde zu-sammen, die in eineinhalb TagenEmpfehlungen zu einem wichtigenThema oder Vorhaben erarbeiten,erläuterte Sozialministerin KatrinAltpeter (SPD) das Programm am 4.Januar in Stuttgart. Die Ratsmitglie-der sollen nach dem Zufälligkeits-prinzip ausgewählt werden, um mehrMenschen für das bürgerschaftlicheEngagement zu gewinnen. Das Landfinanziert in den kommenden zweiJahren die Ausbildung von externenModeratoren mit insgesamt 30.000Euro. Dr. Matthias zur Bonsen (Foto)führte in Bad Boll indem ersten Kurs in dieMethode »DynamicFacilitation« ein, mitder Beteiligungspro-zesse vor Ort mode-riert werden können.Dr. Gisela Erler, Staats-rätin für Zivilgesell-schaft und Bürgerbe-teiligung, sagte zurEröffnung der Tagung: »Es ist fürkeine Demokratie gut, wenn wir diegroße Mehrheit nicht wahrnehmen.«Sie betonte, dass die Engagiertenvon gestern nicht mehr die Enga-gierten von heute seien: »Sie habenden Anspruch mitgestalten und mit-entscheiden zu können.« Dies bewei-se auch Stuttgart 21. Allerdingsmüsse man die Vorschläge derBürgerinnenRäte in das Engagementund Know-How der »üblichen Ver-dächtigen« integrieren.

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Engagierten der Frage nach, welcheAnsätze aus Bregenz auch in Geislin-gen umgesetzt werden könnten. Fazitdes Abends war: Wir starten Ende2011 mit BürgerInnenRäten, die dannzweimal pro Jahr zu bestimmten The-men und mit per Zufall ausgewähltenBürgerinnen und Bürgern Ideen ent-

wickeln und Empfehlungen erarbeiten.Im Oktober 2011 haben sich neunMenschen, die aus dem Melderegisterzufällig ausgewählt wurden, zum 1.Geislinger BürgerInnenRat zusammen-gefunden. Moderiert wurde die Grup-pe von Julia Stadelmann und MichaelLederer vom Zukunftsbüro in Bregenz.Die Ausgangsfrage für die Gruppelautete: Wie können Menschen unter-schiedlicher Herkunft in Geislingengut miteinander leben? Die Gruppe,die sich in dieser Zusammensetzungzuvor noch nie begegnet war, hatteeine wichtige Zielvorgabe zu meistern– sie mussten eine gemeinsam getra-gene Erklärung verfassen. Dies waroffensichtlich Motivation genug;

denn die Gruppe kniete sich in dasThema hinein und diskutierte esfacettenreich. Integration passiertnicht so einfach, es bedarf vielerleiAnstrengungen, war das Fazit.

Für den ersten Geislinger BürgerIn-nenRat ist Integration eine Haltungvon Offenheit und Vertrauen gegen -über Anderen (Kulturen, Schichten,Generationen), sie braucht gegensei-tigen Respekt, Toleranz, Interesse undVerständnis – ganz einfach das Ge-fühl, zu Hause zu sein. Diese Aspektesind aus Sicht des BürgerInnenRatsErfolgsfaktoren für ein gutes Mitein-ander. Dass dies ohne Anlass nichteinfach passiert, ist klar – es ist einGeben und Nehmen. Daher hat derBürgerInnenRat auch entsprechendweiter gedacht und konkrete Hand-lungsfelder für die notwendige Inte-grationsarbeit in Geislingen ausgear-beitet.

Dabei sind 100 Ideen entstanden, wiein Geislingen das Zusammenleben derMenschen unterschiedlicher Herkunftverbessert werden kann. Diese Ideenwurden am 27. Oktober 2011 ineinem Workshop der Öffentlichkeit,dem Gemeinderat und der Stadtver-waltung präsentiert und an Tisch-gruppen weiter diskutiert. Am Endedes Abends fanden sich sechs Inte-ressierte, die an den Vorschlägen weiterarbeiten wollten. Diese Gruppehat sich bei ihrem ersten Treffen imNovember zum Ziel gesetzt, die Ideeeines »Interkulturellen Cafés« in Ko-operation mit einer Elterngruppe inder Uhlandschule weiter zu verfolgen.Tülin Richmond von der Beratungs-stelle der Caritas und Rudi Ebert alsIntegrationsbegleiter unterstützen dasProjekt und beraten als Ansprech-partner die Gruppe.

Die weiteren Vorschläge aus demBürgerInnenRat werden seitens derStadtverwaltung gesichtet, um denBürgerInnenRäten rückzumelden, wasaus ihren Ideen geworden ist. 2012sollen zwei weitere BürgerInnenRätein neuer Zusammensetzung folgen.

TextdokumentOpfer, Schuld und Sühne. FünfzigJahre Israelarbeit der Aktion Sühne-zeichen Friedensdienste (ASF)18.-20. November 2011, Bad BollProf. Dr. Claudia Janssen ist Studien-leiterin des Frauenstudien- und -bil-dungszentrums im EKD/Comenius-Institut in Hofgeismar. Bei der Ta-gung (s. a. Tagungsbericht S. 4) hielt

sie den Vortrag Theologischer Bei-trag und Diskussion: Opfer, Schuldund Sühne aus christlicher Sicht imGespräch mit jüdischen und öku-menischen Perspektiven. Der Vortragist auf unserer Website verfügbar.

TextdokumenteFlucht und Gesundheit. UnserGesundheitssystem und die beson-deren Bedürfnisse von Flüchtlingen13.-14. Januar 2012, Bad BollEinen Bericht zu der Tagung finden Siein dieser Ausgabe von SYM auf S. 5.Zwei der darin erwähnten Vorträgesind im Internet abrufbar. Dr. ElisabethFries von refugio Stuttgart:Gesundheitliche Belastungen vonFlüchtlingen: vor und während derFlucht, in Deutschland und nachder AbschiebungDr. med. Bettina Seitz, Hartheim:Gesundheitsvorsorgung von Flücht-lingen in Deutschland – der Praxis-test. Aus der Sicht der Medizin

Ein Teilnehmer des Geislinger Bürgerinnen-Rats meinte in der Schlussrunde: »Was wirhier im Kleinen als Gruppe 1,5 Tage mitein-ander erlebt und ausprobiert haben, ist einlebendiges Beispiel, wie Integration funktio-nieren kann.«

Sabine Wettstein, GeschäftsstelleBürgerengagement in Geislingen

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ge nach, welche Rolle die Kriminalbe-richterstattung der Medien für dieWahrnehmung von und die politischeReaktion auf Straftaten spielt. DieVorwürfe vieler Kriminologen anJournalisten lauten: Die Berichter-stattung verzerre die Wirklichkeit,verstärke die Kriminalitätsfurcht derBürger und diese riefen als Ergebnisnach härteren Strafen. Kriminologenmachen die Medien seit Jahren füreine angeblich verfehlte Kriminalpoli-tik verantwortlich. Branahl lehnt die-se Argumentationskette als vereinfa-chend ab und erläutert detailliertrechtliche Rahmenbedingungen, pro-fessionelle Anforderungen und kom-munikationswissenschaftliche For-schungsergebnisse zur Justiz- undKriminalberichterstattung.

AudiodokumentInterview mit Carlos Vargas,Coopetarrzú3. Februar 2012, Bad BollCarlos Vargas ist Finanzvorstand einerder größten Genossenschaften CostaRicas, der Coopetarrzú. Im Interviewmit Ulrike Pfab von der Organisationoikocredit, die das Projekt mit Kre-diten unterstützt, erläutert Vargas,wie die Kaffee-Kooperative arbeitet.Er erläutert, wie die Kleinbauern denKurs der Genossenschaften mitbe-stimmen und was sich seit Gründungder Coopetarrazú verändert hat. Under erklärt darin, wie die eine Koopera-tive solidarisch und ökologisch ver-antwortlich arbeiten und dabei wirt-schaftlich erfolgreich sein kann.

TextdokumenteEthik der Nachrichtendienste in der Demokratie28.-30. Oktober, Bad BollEinen Rückblick zur Tagung finden Sieauf S. 5 der aktuellen Ausgabe vonSYM. Im Internet ist der Vortrag vonDr. Annette Weinke

abrufbar. Weinke ist wissen-schaftliche Assistentin der Unabhän-gigen Historikerkommission zurGeschichte der Zeit des National -sozialismus und der Bundesrepublik.

AudiodokumentIslam und Rechtsordnung 20.-21. Januar 2012, Bad BollDen Eröffnungsvortrag zu der Tagunghielt Prof. Dr. Mathias Rohe, Direktordes Erlanger Zentrums für Islam undRecht in Europa an der UniversitätErlangen-Nürnberg, und zwar zumThema

Rohe riet zu

einer Konzentration auf die Aner-kennung der muslimischen Gemein-schaft als Religionsgemeinschaft, bisder Körperschaftsstatus erreicht ist.Nur so könne den aktuellen Heraus-forderungen wie muslimischer Reli-gionsunterricht oder muslimischeSeelsorge begegnet werden. DerSkepsis, das bewährte Rechtssystemwerde dadurch aufgeweicht, hielt erdie These entgegen, dass das alteSystem nicht funktionieren werde,wenn man Muslime nicht ins Systemintegriere. Den ganzen Beitrag kön-nen Sie auf unserer Webseite hören.

AudiodokumentÖkologisierung DeutschlandsUtopie, Vision, Handlungsnot-wendigkeit25.-27. November 2011, Bad BollZur Tagung gibt es in diesem Heftauf Seite 14/15 eine Zusammenfas-sung mit Ausschnitten aus demOriginal. Den ganzen Eröffnungsvor-trag

von Dr. Erhard Eppler kann man alsAudiodokument auf unserer Webseiteauch hören oder downloaden. Fernererschien der Beitrag samt drei wei-teren Vorträgen (Sigmar Gabriel,Dr. Angelika Zahrnt und apl. Prof. Dr.Niko Paech) in der epd-Dokumenta-tion 5/2012. Infos dazu finden Sie auf Seite 23.

TextdokumentWer nicht hören will, muss fühlen?Sinn und Unsinn von Strafe in derReaktion auf Jugendkriminalität13.-15. Januar 2012Der Medienrechtler Prof. Dr. UdoBranahl vom Institut für Journalistikan der Technischen Universität Dort-mund geht in seinem Vortrag der Fra-

Onlinedokumente auf der Internetseite der AkademieText- und Tondokumente von Vorträgen und Diskussionen aus Tagungen derEvangelischen Akademie Bad Boll können Sie herunterladen und zu Hauselesen oder anhören. Alle Onlinedokumente – Texte und Audio-Dateien – finden Sie unter: www.ev-akademie-boll.de/onlinedokumente

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Seit den 70er Jahren hält in Deutsch-land die Diskussion um Ökologie, Um-weltschutz und Bewahrung der Schöp-fung an – auch wenn viele dieser Fra-gen angesichts der aktuellen Finanz-krise in den Hintergrund gedrängtwerden. Erhard Eppler gehörte vonAnfang an zu denen, die sich kritischzum ungebremsten Wachstum geäu-ßert und zu einer Produktionsweiseaufgerufen haben, die »die Regera-tionsfähigkeit der Natur nicht zer-trampelt« und zu einer »Kultur desKonsumierens, die sich löst von Be-dürfnissen des Prestiges.« Anlässlichdes 85. Geburtstags von Erhard Eppleram 9. Dezember 2011 wurde diese Dis-kussion in einer Tagung der Evangeli-schen Akademie Bad Boll mit demTitel »Ökologisierung Deutschlands«vom 25.-27. November neu aufgerollt.

Erhard Eppler eröffnete die Tagungmit einer klaren Absage an die Wachs-tumsgläubigkeit: »Wachstum war undist ein Dogma«. Er verwies auf denkonservativen Denker Meinhard Mie-gel, der im Jahr 2010 das Buch »Exit«herausgebracht hat und darin dieseThese untermauert. Eppler betonte,dass man sich zu lange nur am Wirt-schaftswachstum orientiert habe.»Seit den 70er Jahren haben die Staa-ten durch zunehmende Staatsver-

schuldung versucht, die zu gering er-scheinenden Wachstumsraten zu ver-größern. In dem Augenblick, wo jederStaat für jede zusätzliche Verschul-dung zusätzliche Zinsen auf seineSchulden bezahlen muss, funktioniertdieses Modell nicht mehr«, sagte ermit Blick auf die aktuelle Finanzkrise.

Die Wachstumskritik Epplers beziehtsich vor allem darauf, dass Wachstumnur quantitativ und nicht qualitativausgerichtet ist: »Das Wirtschafts-wachstum ist ursprünglich nichts an-deres als eine hilfreiche statistischeZahl. Da wird alles zusammengezählt,was an Dienstleistungen und an Wa-ren am Markt umgesetzt wird. Ob danun mehr Bibeln verkauft werdenoder mehr Pornohefte, das ist für dasBruttosozialprodukt völlig uninteres-

sant. Das Bruttosozial-produkt ist für das, waswir wollen oder nichtwollen, völlig neutral.Was eine Hausfrau tut,hat überhaupt nichtsmit dem Bruttosozial-produkt zu tun.« DiePolitik müsse definieren,welcher Fortschrittgesellschaftlich wün-schenswert sei und woman die Entwicklungtatsächlich nur demMarkt überlassen kön-ne. »Es kommt nicht

darauf an, wie viel wächst, sondernwas wächst. Nehmen Sie den Atom-ausstieg. Der wird das Wirtschafts-wachstum bremsen, obwohl dasWachstum offiziell das höchste Zielder Frau Merkel ist. Das ist selektivesWachstum in der einfachsten, aberauch in der wirksamsten Form.«

In diesem Zusammenhang verwiesEppler auch auf die Verteilungskon-flikte, die durch die einst »wohltäti-

gen Wirkungen des Wachstums ent-schärft wurden«. Wenn es kein Wachs-tum mehr gibt, ist diese Frage nichtmehr aufschiebbar. Eppler zitiert dazunoch einmal Miegel, aber auch Wil-kinson und Pickett, die herausgefun-den haben, dass sich die Lebenszu-friedenheit der Menschen in Deutsch-land bis 1970 parallel zum Wirt-schaftswachstum verbessert hat, da-nach aber nicht mehr angestiegen ist.Die Wissenschaftler haben durch dieAuswertung vieler Statistiken gelernt,dass in Ländern mit sehr krassen so-zialen Unterschieden die Lebensqua-lität sinkt, weil Gewalt und die Angstdavor steigen und »dass in einer Ge-sellschaft alle besser leben, wenn esweniger Ungleichheit gibt, auch die,die möglicherweise bei diesem Pro-zess etwas abgeben mussten.«

Deutschland agiert in einem globalenWirtschaftsgeflecht. Eppler steht füreine Leistungsgesellschaft, allerdingssetzt er diese in Gegensatz zur Er-folgsgesellschaft. »Ich will nicht ver-schweigen, dass wir in einem Leis-tungswettbewerb einer globalen Wirt-schaft stehen. Wir haben Konkurren-ten auf dem Weltmarkt, die nicht un-gefährlicher und schwächer werden,sondern stärker. Deshalb brauchen wireine Leistungsgesellschaft. Es mussetwas gelten, wenn ein Mensch etwasleistet und seine Arbeitskraft vollausgibt. Wenn wir jetzt einen Wegohne Wachstum finden müssen, müs-sen wir den Unterschied zwischenErfolg und Leistung lernen. Wir lebenim Augenblick nicht in einer Leis-tungsgesellschaft, sondern in einerreinen Erfolgsgesellschaft. Ein Leis-tungsträger ist bei uns nicht eineallein erziehende Frau, die drei Kinderaufzieht und nebenher berufstätig ist.Sie ist kein Leistungsträger, weil sie jawahrscheinlich gar keine Steuernzahlt. Ein Leistungsträger ist nureiner, der viel verdient. Wenn wir ineine humanere Gesellschaft kommenwollen, darf sie eine Leistungsgesell-

Absage an die WachstumsgläubigkeitErhard Eppler und andere diskutieren über Wirtschaft und Ökologie

SPD-Prominenz in Bad Boll:Erhard Eppler und SigmarGabriel im Gespräch.

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schaft sein, aber im deutlichen Unter-schied zur Erfolgsgesellschaft. Dassein Mensch das Dreihundertfache anErfolg hat als ein anderer, das ist derLauf der Welt, aber dass ein Menschdas Dreihundertfache leistet von ei-nem Maschinenschlosser, der vollarbeitet, das ist für mich ein obszönerGedanke. Das gibt es so nicht, unddas hat es auch vor vierzig Jahrennicht gegeben. Da war es noch selbst-verständlich, dass ein Vorstandsmit-glied etwa das Zwanzigfache einesArbeiters verdient hat. Heute ist esdas Dreihundert-, Vierhundertfache,und niemand redet darüber. Das läuftalles unter dem Stichwort Leistungs-gesellschaft. Wir brauchen eine soli-darische Leistungsgesellschaft, diesich deutlich von einer unsolidarischenErfolgsgesellschaft unterscheidet.Wenn es wahr ist, dass die Lebens-qualität durch das Wirtschaftswachs-tum seit 1970 nicht mehr gestiegenist, und wenn es wahr sein sollte,dass durch sozialen Ausgleich, völligunabhängig vom Wirtschaftswachs-tum, die Lebensqualität steigt, undzwar für alle, dann gibt es doch einenHoffnungsschimmer für die Zeit, inder das Wachstum ausläuft.«

Sigmar Gabriel zu den Klimaverhandlungen Zwei Tage vor Beginn des Klimagip-fels im südafrikanischen Durban for-derte der Vorsitzende der SPD, SigmarGabriel, in seinem Beitrag »Arbeit undUmwelt« den Klimaschutz und diedamit verbundenen wirtschaftlichenFragen zusammen zu denken und öf-fentlich zu diskutieren. »Bei Klimaver-handlungen gibt es zwei Tagesord-nungen, eine öffentliche und einegeheime. In der öffentlichen geht esum Klimaschutz, in der geheimen umFragen nach Wettbewerbsnachteilenund Wachstum. So lange das sobleibt, wird es keinen Erfolg geben«,sagte Gabriel. Die westlichen Industriestaaten könn-ten nur dann von Ländern wie Chinaoder Indien mehr Umwelt- und Kli-maschutz verlangen, wenn sie selbsteine erfolgreiche Alternative zumWohlstandsmodell der letzten 100Jahre aufzeigen könnten. »Wir könnendiesen Ländern nicht das Modell ver-

wehren, das uns in den vergangenenJahrzehnten Wohlstand gebracht hat.Unsere Rufe nach mehr Klimaschutzwerden dort verstanden als Fortset-zung des Kolonialismus und als Ver-such, den Aufschwung zu bremsen.«Deutschland und Europa müssten derWelt eine Alternative vorleben, dieGerechtigkeit, Chancengleichheit,Solidarität und Demokratie biete unddie natürlichen Ressourcen schone.»Nur wenn uns das gelingt, werdenuns andere folgen«, sagte Gabriel.

Der Marktradikalismus der vergange-nen Jahrzehnte stehe vor dem Aus.»Wir stehen vor einer Zeitwende.Viele Menschen sehen heute, dassunser aktuelles Wohlstandsmodell aufeiner Ideologie basiert – dem unbe-grenzten Glauben an den Markt.«Gabriel betonte, es sei falsch, undiffe-renziert nur auf das Wirtschafts-wachstum zu schauen, ganz ohneWachstum gehe es jedoch nicht. »Dieökologische und die aktuelle Wirt-schafts- und Finanzkrise haben einKernproblem gemeinsam: Unsere Ge-sellschaft hat keinen Preis für die Zu-kunft. Das Denken in ökonomischenKategorien führt zu immer kurzfristi-gerem Denken«, sagte Gabriel.

Ökologische Visionen –PodiumsdiskussionAm Ende der dreitägigen Veranstal-tung stand eine Podiumsdiskussionmit Erhard Eppler, dem stellvertreten-den Ministerpräsidenten Nils Schmid,Bernhard Schwager, Leiter der Ge-schäftsstelle Nachhaltigkeit bei derRobert Bosch GmbH, und JürgenStellpflug, Chefredakteur der Zeit-schrift »Öko-Test«, zum Thema »Öko-logischen Visionen«. Erhard Epplerverwies darauf, dass das ökologischeUmdenken in der BundesrepublikDeutschland eine Errungenschaft derZivilgesellschaft sei: »Die ökologischeWende ist gegen die Hierarchiendurchgesetzt worden. Darauf dürfenwir als überzeugte Demokraten stolzsein. In keinem Ministerium, keinerParteizentrale, keiner Kirchenleitungoder großen Zeitungsredaktion hatdas Umdenken begonnen, und auchdie meisten Wissenschaftler warenzunächst eher ein Hemmnis.«

Finanzminister Schmid betonte, eineökologische Nachhaltigkeit sei nurmit Hilfe technologischen Fortschrittszu erreichen. »Wir brauchen weiterWachstum in der Automobilindustrie,die Frage ist eben, welches. Wir brau-chen ein Wachstum hin zu schad-stoffarmen und Null-Emissions-An-trieben«, sagte Schmid. Die Landesre-gierung werde diese Entwicklung för-dern. »Es ist durchaus in Ordnung,wenn wir mehr Autos produzierenund exportieren, die Frage ist nur,was für Autos das sind«, so der stell-vertretende Ministerpräsident. ZumVerzicht auf das Auto und damit zumVerzicht auf Mobilität aufzurufen,halte er für wenig Erfolg verspre-chend. »Wir dürfen keine Verzichts-predigten halten, sondern müssen diepolitischen Rahmenbedingungen ver-nünftig setzen, um Ökologie und Öko-nomie zu vereinbaren.«

Demgegenüber warnte Jürgen Stell-pflug, Chefredakteur der Zeitschrift»Öko-Test«, die Erde verkrafte esnicht, wenn eines Tages die ganzeWelt eine Autodichte wie Deutsch-land habe. »So viele Rohstoffe habenwir gar nicht«, so Stellpflug. »Ichwarne davor, in der technologischenRevolution die einzige Lösung fürunsere ökologischen Probleme zusehen.«

Bernhard Schwager, Nachhaltigkeits-Experte bei der Robert Bosch GmbH,gab sich optimistisch, dass Deutsch-land die notwendigen Schritte zu ei-ner nachhaltigen Gesellschaft schaffe.»Aber die Bevölkerung muss mitma-chen und wir werden uns von liebgewonnenen Dingen verabschiedenmüssen. Wir werden zum Beispielakzeptieren müssen, dass der Ausbauder Stromnetze kommt und dass dasmehr oberirdische Leitungen bedeutet– alles andere ist unbezahlbar«, soSchwager. Er forderte mehr For-schungsmittel für den Bereich dererneuerbaren Energien: »Hätten wir inden vergangenen Jahren in Deutsch-land mehr für diesen Bereich ausge-geben, wären wir heute sicher einenSchritt weiter.«

s.a. Onlinedokumente, S. 6-7

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Kontaktpflege mit den ehemaligenStudierenden (Alumni).Tagungsnummer: 450212Tagungsleitung: Dr. Irmgard EhlersInfos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax [email protected]/tagungen/details/450212.pdf

Platz da – Raum für Konflikte11. Baden-WürttembergischerStreitschlichter-Kongress21.-23. März 2012, Bad BollStreitschlichter-Programme sind anvielen Schulen erfolgreich etabliert.Streitschlichter wollen begleitet wer-den, suchen neue Impulse und brau-chen Motivation. Der Kongress bietetdie Möglichkeit, sich in Vorträgen undWorkshops weiterzubilden, Erfahrun-gen auszutauschen und mit qualifi-zierten Mediatorinnen und Mediato-ren intensiv in Gruppen zu arbeiten.Tagungsnummer: 310312Tagungsleitung: Gerald BüchselInfos: Andrea Titzmann, Tel. (07164) 79-307, Fax 79-5307andrea.titzmann@ev-akademie-boll.dewww.ev-akademie-boll.de/tagungen/details/310312.pdf

3. Bad Boller Parkinson-Tag24. März 2012, Bad BollParkinson betrifft den ganzen Men-schen. Das verlangt eine auf die ein-zelnen Patienten abgestimmte Thera-pie. Außerdem müssen Mediziner dieBehandlung gemeinsam mit Betrof-fenen und Angehörigen planen. DerParkinson-Tag informiert über Thera-piemöglichkeiten und beleuchtet psychosoziale Aspekte.Tagungsnummer: 410712Tagungsleitung: Dr. Günter Renz, Pfr. i. R. Gottfried Lutz, Prof. Dr. Norbert SommerInfos: Susanne Heinzmann, Tel. (07164) 79-212, Fax [email protected]

Web 2.0 für Vereine, Initiativen,Non-Profit-Organisationen, Teil III24. März 2012, Bad BollIn Teil III geht es um die Möglichkei-ten und Risiken beim Gebrauch vonsozialen Netzwerken wie Facebook.Auch Erfahrungen aus der Arbeit mit

Videoplattformen und ihre Chancenwerden vorgestellt.Tagungsnummer: 530512Tagungsleitung: Susanne WolfInfos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342brigitte.engert@ev-akademie-boll.dewww.ev-akademie-boll.de/tagungen/details/530512.pdf

Familien-Medien-Welt.Multimedia- und Sportcamp für dieganze Familie9.-13. April 2012, Bad BollEntdecken Sie in den Osterferien dieMöglichkeiten von Smartphones oderNetbooks mit Ihren Kindern oder En-keln. In PC-Workshops für Anfängerund Fortgeschrittene probieren wirgenerationenübergreifend Arten dervirtuellen Vernetzung aus und reflek-tieren kritisch. Zum Ausgleich testenwir in der Natur GPS-Empfänger undeinige Sportarten. Das Angebot istTeil des Projekts KindermedienlandBaden-Württemberg.

Tagungsnummer: 340212Tagungsleitung: Viktoria PumInfos: Marion HellerTel. (07164) 79-229, Fax [email protected]

Mit Volldampf in den Untergang100 Jahre Untergang der Titanicoder die Faszination der Apokalypse13.-15. April 2012, Bad BollIn der Nacht vom 14. zum 15. April1912 sank die MS Titanic auf ihrerJungfernfahrt. Noch 100 Jahre späterist dieses Ereignis von hoher Symbol-kraft. Was reizt die Zeitgenossen:Technologische Hybris? ElegantesScheitern? Menschliche Tragödie?Stilvoll nähert sich die Tagung dem»Untergang« in Literatur, Musik und

Was kommt?Tagungen vom 9. März bis 31. August

Die Zukunft des Tierschutzes20. Bad Boller Tierschutztagung9.-11. März 2012, Bad BollSeit 1988 bearbeitet die EvangelischeAkademie mit Expertinnen und Prak-tikern rechtliche, medizinische, ethi-sche und theologische Fragestellun-gen zum Tierschutz. Die 20. Bad Bol-ler Tierschutztagung blickt nachvorne: Was müssen wir verändern, um den Schutz der Tiere zukünftigmaßgeblich zu verbessern?Tagungsnummer: 520212Tagungsleitung: Kathinka KadenInfos: Gabriele Barnhill, Tel. (07164) 79-233, Fax 79-5233gabriele.barnhill@ev-akademie-boll.dewww.ev-akademie-boll.de/tagungen/details/520212.pdf

Web 2.0 für Vereine, Initiativen, Non-Profit-Organisationen, Teil II10. März 2012, Stuttgart SpOrtIm zweiten Teil geht es um die Krite-rien für die Anwendung und die Um-setzung einer eigenen Social-Media-Strategie. Außerdem werden Plattfor-men für die Vernetzung von Indivi-duen und Gruppen vorgestellt. Teil III: 24. März 2012, Bad BollTagungsnummer: 530412Tagungsleitung: Susanne WolfInfos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342brigitte.engert@ev-akademie-boll.dewww.ev-akademie-boll.de/tagungen/details/530412.pdf

Fundraising für HochschulenSpenden, Sponsoring undStiftungen in der Praxis19.-21. März 2012, Bad BollSeit der Einführung des Deutschland-Stipendiums nutzen immer mehrHochschulen die Chancen einer För-derung durch private Geldgeber. DasErfolgsrezept ist eine professionelleVorgehensweise bei der Geldmittel-beschaffung und der kontinuierlichen

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Film sowie der theologischen Fragenach der Faszination der Apokalypse.Tagungsnummer: 311312Tagungsleitung: Gerald BüchselInfos: Andrea Titzmann, Tel. (07164) 79-307, Fax [email protected]

Altenheimseelsorge16.-18. April 2012, Bad BollTagungsnummer: 410312Tagungsleitung: Dr. Günter RenzInfos: Susanne Heinzmann, Tel. (07164) 79-212, Fax [email protected]

FSJ, Bufdi und Co.: Neue Pers -pektiven für Freiwilligendienste 23.-24. April 2012, Bad BollVertreter von Trägern, Einsatzstellenund Politik bewerten Erfahrungen ausdem Bundesfreiwilligendienst. Fernerwird beraten, wie dieser und andereFormen des freiwilligen Engagementssinnvoll gestaltet werden können. Zielist es, eine zukünftige Konzeption derFreiwilligendienste in Baden-Würt-temberg abzustimmen.Tagungsnummer: 330612Tagungsleitung: Sigrid SchöttleInfos: Marion Heller, Tel. (07164) 79-229, Fax [email protected]

Abschied von der Erwerbsarbeit –Aufbruch ins Morgen25.-28. April 2012, Bad BollAltersteilzeit, Vorruhestand und Ru-hestand sind verbunden mit dem Ab-schied aus vielen Rollen und Bezie-hungen. Die Chancen der neuenLebensphase zu erkennen, ist das Ziel des Seminars.Tagungsnummer: 760112Tagungsleitung: Sigi Clarenbach,

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Werner KollmerInfos: Heidi Weinmann, Tel. (0711) 35149-30, Fax [email protected]

Vernissage Johanna Helbling-FelixZeichnung und Fotografie29. April 2012, Bad Bolls. S. 6Tagungsnummer: 936112Tagungsleitung: Susanne WolfInfos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax [email protected]

Behinderung – Migration – GenderVielfalt als Chance nutzen undgestalten3. Mai 2012, Bad BollFamilien mit Migrationshintergrundund behinderten Angehörigen müssenunterschiedliche Herausforderungenbewältigen. Gleichzeitig haben sieRessourcen, die Menschen in ähnli-chen Lebensumständen nutzen kön-nen. Wir wollen herausfinden, welcheChancen in diesen Ressourcen liegenund wie sie für die Arbeit im FeldBehinderung-Migration-Gender ge-nutzt werden können.Tagungsnummer: 401212Tagungsleitung: Christa EngelhardtInfos: Erika Beckert, Tel. (07164) 79-211, Fax [email protected]

Netzwelten – Leben, Arbeit,Engagement im Internet4.-6. Mai 2012, Bad BollWelche Kompetenzen setzt derselbstbestimmte Umgang mit demInternet jetzt und in der Zukunft voraus? Experten erläutern technischeund wirtschaftliche Hintergründe undfragen, welche Konsequenzen diesefür die Nutzung des Netzes haben.Wir diskutieren Auswirkungen aufKommunikations- und Arbeitsbedin-gungen und die politische Beteili-gung. Am Ende steht der Ausblick auf neue Technologietrends.Tagungsnummer: 530712Tagungsleitung: Susanne Wolf,Dagmar BürkardtInfos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax [email protected]

Jugendliche beim Berufseinstiegbegleiten. Neue Ansätze, Bedingun-gen, Erfahrungen im fachlichenBEB-Austausch4.-5. Mai 2012, Bad BollAn ausgewählten Werkreal- und Son-derschulen gibt es ein neues Aufga-benspektrum: Die Berufseinstiegsbe-gleitung für Schüler und Schülerin-nen. Die Tagung diskutiert inhaltlicheSpielräume, rechtliche Grundlagenund fördert Vernetzung und Koope-rationen. Die Teilnehmenden gewin-nen Know-how und qualifizieren sichfür das neue Arbeitsfeld.Tagungsnummer: 330212Tagungsleitung: Sigrid SchöttleInfos: Marion Heller Tel. (07164) 79-229, Fax [email protected]

Buch, Bücher, am besten!Leseförderung initiieren9.-11. Mai 2012, Bad BollDie Tagung bietet Anregungen fürMenschen, die Projekte zur Leseför-derung für Kinder und Jugendlicheanstoßen. Themen sind Events organi-sieren, elektronische Unterstützungbeim Lesen, Öffentlichkeitsarbeit oderZielgruppen gewinnen. Als Teil desKinder- und Literatursommers derBaden-Württemberg-Stiftung werden20 Modellprojekte zum Thema »50Jahre Zuwanderung und Integration«entwickelt.Tagungsnummer: 330412Tagungsleitung: Sigrid SchöttleInfos: Marion Heller, Tel. (07164) 79-229, Fax [email protected]

40 Jahre Frauenbewegung inDeutschland11.-13. Mai 2012, Bad BollGleichstellungsbeauftragte, da unddort eine Frauenquote und die ersteBundeskanzlerin sind nicht die einzi-gen Errungenschaften der deutschenFrauenbewegung seit 1972. Frau er-lebt trotzdem nach wie vor Diskrimi-nierung und Rollenfixierung, Stag-nation statt Bewegung. Wie kannund muss diesen Missständen poli-tisch und rechtlich begegnet werden?Wo sieht frau sich in 40 Jahren?Tagungsnummer: 520312Tagungsleitung: Kathinka Kaden

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Infos: Gabriele Barnhill, Tel. (07164) 79-233, Fax [email protected]

Verantwortungsbewusstes Führenund Entscheiden. Selbst- undZeitmanagement im Berufs- und Privatleben21.-23. Mai 2012, Bad BollPraktische Ethik für Menschen in Ent-scheidungssituationen. QualifizierteTrainerinnen zeigen, wie sich diesesModell schrittweise üben und anwen-den lässt. Theorie- und Praxiseinhei-ten setzen konkret an der persönli-chen Situation der Teilnehmenden an.Tagungsnummer: 450912Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers,Dorothee MoserInfos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax [email protected]/tagungen/details/450912.pdf

Arbeit ohne Grenzen? Kulturwandelin der Arbeitsorganisation24.-25. Mai 2012, Bad BollDie globalisierte, flexible Arbeitsweltverändert die Arbeitsorganisation. DerWechsel zwischen Büro und Home-office, mobilen Arbeitsmöglichkeitenund variablen Arbeitszeiten schafftGestaltungsfreiheit. Diese Freiheit hatihren Preis. Wir diskutieren, welcheFolgen der Wandel für Beschäftigteund Betriebe hat – auch im Zusam-menhang mit der Zunahme psychi-scher Erkrankungen.Tagungsnummer: 250112Tagungsleitung: Esther Kuhn-Luz,Martin SchwarzInfos: Simon Lademann, Tel. (0711) 2068-261, Fax [email protected]

Sinnvoll reisenReisebildungs- und Erlebnisangebot28.-31. Mai 2012, Bad Boll»Reisen bildet«, weiß der Volksmund.Doch jede Fernreise verursacht Me-gatonnen des klimaschädlichen CO2.Liegt das heutige Reisewohl im sanf-ten Tourismus? In Vorträgen beleuch-ten Experten aktuelle und alternativeModelle für sinnvolles Reisen. Wan-

derungen, kreative Workshops undgutes, mit regionalen Bio-Zutatengekochtes Essen runden dieses Programm in den Pfingstferien ab.Tagungsnummer: 521412Tagungsleitung: Kathinka KadenInfos: Gabriele Barnhill, Tel. (07164) 79-233, Fax [email protected]

Den Libanon entdeckenBegegnungen und Bergtouren ineinem Land voller Gegensätze28. Mai bis 9. Juni, AkademiereiseEntdecken Sie ein spannendes Landmit einer reichen Geschichte, 18 Re-ligionsgemeinschaften und – nochimmer – einer Vielzahl von Proble-

men. Vier Bergtouren bringen uns zuKlöstern und in Zedernreservate. Fer-ner führt die Reise zu phönizischenStädten, römischen Tempelanlagen,ans Meer und ins moderne Beirut. Mit Einheimischen diskutieren wirüber die Politik, Religion und Kultur.Tagungsnummer: 100212Tagungsleitung: Martina WaiblingerInfos: Monika Boffenmayer, Tel. (07164) 79-305, Fax 79-5305monika.boffenmayer@ev-akademie-boll.dewww.ev-akademie-boll.de/tagungen/details/100212.pdf

Wasser – die wichtigste Ressourceder Zukunft. Die Versorgung mitWasser zwischen Daseinsvorsorge,Regulierung und Privatisierung13.-14. Juni 2012, Bad BollKommunen und Versorgungsunter-nehmen stehen vor der Herausforde-rung, auch in Zukunft eine hohe Was-serqualität in Deutschland zu garan-tieren. Wie sichert man den Zugangzum Grundwasser? Welche Problemeentstehen, wenn der Wasserbedarf alsFolge des demographischen Wandels

sinkt? Welche Konsequenzen hat derKlimawandel? Tagungsnummer: 450512Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers, Dr.Gerald Sander, Dr. Tobias BringmannInfos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax [email protected]

Produktionsschulen stärkenChancen für schulische Bildung undberufliche Förderung14.-15. Juni 2012, Bad BollSchule oder nicht? Für viele Jugend-liche ist die Produktionsschule eineletzte Chance, die sie stärkt. Geradeim Süden der Republik ist das Interes-se groß, diese Möglichkeit auszubau-en. Was sind derzeit Herausforderun-gen und Perspektiven der beruflichenFörderung? Was sagt die Praxis zuden Chancen und Risiken des Modellsund was passiert, wenn politischeIdeen umgesetzt werden müssen?Tagungsnummer: 311112Tagungsleitung: Gerald Büchsel, Prof. Dr. Wolfgang MackInfos: Andrea Titzmann, Tel. (07164) 79-307, Fax [email protected]

Flexible Übergänge in die Rente?Herausforderungen für Politik,Unternehmen und Tarifpartner14.-15. Juni 2012, Bad BollRente mit 67 – das Renteneintritts-alter steigt an. Aber die Chancen aufdem Arbeitsmarkt für Ältere bleibenbegrenzt. Eine demografiegerechteUmgestaltung der Arbeit steht an.Wie lassen sich flexiblere Übergängein die Rente gestalten – betrieblich,tariflich, politisch? Wir diskutierenaktuelle Modelle und Lösungsansätze.Tagungsnummer: 240112Tagungsleitung: Dagmar Bürkardt,Esther Kuhn-LuzInfos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax [email protected]

Mehr direkte Demokratie?Chancen und Risiken15.-16. Juni 2012, Bad BollDie Diskussion um Stuttgart 21 zeigt:Die repräsentative Demokratie funk-

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Gewaltprävention und ReligionPrävention und Schulkultur28.-29. Juni 2012, Bad BollDie 5. Fachtagung »Gewaltpräventionund Religion« widmet sich dem Zu-sammenhang zwischen Präventionund Schulkultur. Wie kann Schulesoziale Werte fördern und so auchGewalt vorbeugen? Was brauchenLehrer und Lehrerinnen dafür?Referierende stellen gelungene Prä-ventionsbeispiele aus der Schule vorund diskutieren mit den Teilnehmen-den, welche Faktoren das Gelingendieser Ansätze ausmachen.Tagungsnummer: 310612Tagungsleitung: Gerald BüchselInfos: Andrea Titzmann, Tel. (07164) 79-307, Fax [email protected]

Palästina und IsraelFrieden in Grenzen?29. Juni bis 1. Juli 2012, Bad BollPalästinenser-Präsident Abbas hat imHerbst 2011 beantragt, Palästina alsStaat in die UNO aufzunehmen.Durch den Siedlungsbau Israels inOstjerusalem und der Westbank gibtes kein zusammenhängendes Territo-rium für einen souveränen Staat Pa-lästina. Die internationalen Vermittlerwollen zunächst über Grenzen ver-handeln. Die Tagung greift diese undweitere Fragen auf.Tagungsnummer: 430212Tagungsleitung: Wolfgang Wagner,Wiltrud Rösch-MetzlerInfos: Reinhard Becker, Tel. (07164) 79-217, Fax [email protected]

Bilder von dir – bis in alle Zeit?Fotos machen, bearbeiten und ihreWirkung/Aussage im Netz2.-4. Juli 2012, Bad Boll»Bilder von dir überdauern bis in alleZeit…«, singt Xavier Naidoo. Was wol-len wir wirklich von uns preisgeben?Wie wirken Bilder und worauf sollteman achten, wenn man sie ins Netzstellt? Wir setzen eigene Bilder digitalin Szene und probieren Bearbeitungs-möglichkeiten aus. Profis zeigen unsTipps und Methoden für die Arbeitzuhause und mit Jugendlichen.Tagungsnummer: 340112Tagungsleitung: Viktoria Pum,

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tioniert, bietet den Bürger/innen aberoffensichtlich zu wenig Möglichkeitensich zu beteiligen. Das führt zu Kon-frontationen zwischen Staatsgewaltund Bürger/innen. Bieten andere undmehr direkte Formen der BeteiligungChancen für mehr Vertrauen in dieDemokratie?Tagungsnummer: 521212Tagungsleitung: Kathinka KadenInfos: Gabriele Barnhill, Tel. (07164) 79-233, Fax [email protected]

Mittelstand: Hoffnungsträger derEntwicklungszusammenarbeit?Zwischen Armutsbekämpfung undAußenwirtschaftsförderung19.-20. Juni 2012, Bad BollMittelständische Betriebe in Ent-wicklungsländern zu fördern ist einSchwerpunkt der Entwicklungsarbeit.Verbirgt sich dahinter mehr als nurAußenwirtschaftsförderung, die dieExporte der Industrienationen absi-chert? Wie lässt sich die Förderungvon kleinen und mittleren Betriebenin Entwicklungsländern so organisie-ren, dass sie tatsächlich der gesamtenGesellschaft zugute kommt?Tagungsnummer: 620412Tagungsleitung: Dr. Dieter HeidtmannInfos: Sybille Kehrer, Tel. (07164) 79-225, Fax [email protected]

Das Leben ist eine ReiseWorkshop für adoptierte Jugend-liche und junge Erwachsene22.-24. Juni 2012, Bad BollDer Workshop bietet adoptierten Ju-gendlichen und jungen Erwachseneneinen geschützten Rahmen, in demsie mit Gleichgesinnten über Aspekteder Adoption, Identität und Wurzel-suche reden, Erfahrungen austau-schen und sich vernetzen können.Tagungsnummer: 400612Tagungsleitung: Christa EngelhardtInfos: Erika Beckert, Tel. (07164) 79-211, Fax [email protected]

Roland KohmInfos: Marion Heller, Tel. (07164) 79-229, Fax [email protected]

Was ist Empathie? Ein Schlüsselzum Verständnis des Menschen7.-8. Juli 2012, Bad BollDer Begriff der Empathie spielt einebedeutende Rolle in verschiedenenWissenschaften. Neurowissenschaftlerdebattieren seit der Entdeckung derSpiegelneuronen im Gehirn, welcheRolle diese für die Fähigkeit des Mit-fühlens spielen. In der Pädagogik giltEmpathie als bedeutend, um Strate-gien zur Konfliktbewältigung zu ent-wickeln, in der Ethik und Verhaltens-forschung als Brücke für prosozialesVerhalten.Tagungsnummer: 410512Tagungsleitung: Dr. Günter RenzInfos: Susanne Heinzmann, Tel. (07164) 79-212, Fax [email protected]

Zusammenarbeit in der Werkstatt –wie kann das gut gelingen?9.-11. Juli 2012, Bad BollDer Werkstattrat wurde von den Be-schäftigten gewählt und soll derenInteressen gut vertreten. Er muss mitvielen Stellen zusammenarbeiten: mitder Leitung, dem Sozialdienst, denGruppenleitungen und den Beschäf-tigten. Was kann der Werkstattrattun, um gehört zu werden? Wie kanner Streitfall reagieren? Welche Regelnkönnen dabei helfen? Wie kann dieZusammenarbeit gelingen?Tagungsnummer: 400712Tagungsleitung: Christa Engelhardt,Bernd SchatzInfos: Erika Beckert, Tel. (07164) 79-211, Fax [email protected]

Meditatives Tanzen für Frauen13.-15. Juli 2012, Bad BollDie Wärme des Sommers lädt ein zumBewegen, zum Schwingen und Tanzenin den Räumen der Akademie und aufden Wiesen ringsum.Tagungsnummer: 531412Tagungsleitung: Susanne WolfInfos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax [email protected]

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Ethik, Verantwortung undVertrauen in der GeldwirtschaftFinanzkrise – Schuldenkrise –Eurokrise – Vertrauenskrise20.-21. Juli 2012, Bad BollDie Politik hat auf die Finanz-, Schul-den- und Eurokrise vor allem mitMaßnahmen zur Schadensbegrenzungreagiert. Geht das Vertrauen in dasGeldwesen verloren, drohen Szenarienwie in den Wirtschaftskrisen der 30erJahre. Wie lassen sich Verantwortungund Vertrauen in der Finanzwirtschaftwieder gewinnen und was kann derEinzelne dazu beitragen?Tagungsnummer: 620212Tagungsleitung: Dr. Dieter HeidtmannInfos: Sybille Kehrer, Tel. (07164) 79-225, Fax [email protected]

Griechenland verstehenAkademiereise26. Juli - 10. August, Griechenland

Sie müssen nicht sportlich und nichtjugendlich sein – aber neugierig. AufReligion, antiken Städtebau, Sparta-ner und Athener, auf Byron und Phil-hellenismus, auf Thessaloniki mit derzweitgrößten jüdischen Gemeinde derWelt bis zum Dritten Reich, auf Wirt-schaftsprobleme und ihre Zusam-menhänge. Das Faltrad schafft Nähezu Menschen und zur Landschaft.Tagungsnummer: 501112Tagungsleitung: Dr. Thilo FitznerInfos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax 79-5342brigitte.engert@ev-akademie-boll.dewww.ev-akademie-boll.de/tagungen/details/501112.pdf

Selbstmanagement mit dem Zür-cher Ressourcen Modell. Grundkurs26.-28. Juli 2012, Bad BollDas Zürcher Ressourcen-Modell ist

ein Ansatz des Selbstmanagements,der die Stärken des Einzelnen in denBlick nimmt. Es erschließt persönlicheEntwicklungskräfte und erweitert deneigenen Handlungsspielraum auch inschwierigen Situationen.Tagungsnummer: 451012Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers,Nicole BruggmannInfos: Wilma Hilsch, Tel. (07164) 79-232, Fax [email protected]

Prädiktive GendiagnostikWollen wir wissen, was uns dieGene sagen?28.-29. Juli 2012, Bad BollDer modernen Medizin eröffnen sichneue Wege: Unser genetischer Codeverrät, ob wir mit hoher Wahrschein-lichkeit an Krebs erkranken, welcheAugenfarbe ein Baby haben wird. Waswollen wir künftig über unsere Krank-heitsdispositionen wissen? Wo istgenetisches Wissen im Interesse vonTherapie und Prävention hilfreich? Wo überfordert es uns und stört einunbelastetes Leben?Tagungsnummer: 410812Tagungsleitung: Dr. Günter RenzInfos: Susanne Heinzmann, Tel. (07164) 79-212, Fax [email protected]

Ferienwoche kreativ 2012: Auf zur Sommerfrische! IndividuelleKreativität in anregender Gemein-schaft29. Juli bis 4. August 2012, Bad BollEin reiches Programm und inspirie-rende Begegnungen sind Garant füreine erfüllte und zugleich entspannteFerienzeit für Jung und Alt. Kreativi-tät und Bewegung, Spiel und Spiritu-

alität, Kultur und Natur – sieben kreative Urlaubstage in Bad Boll, dieFamilien, Paare und Singles verbinden.Tagungsnummer: 330112Tagungsleitung: Sigrid SchöttleInfos: Marion Heller, Tel. (07164) 79-0, Fax [email protected]

Vernissage Werner StepanekSkulpturen drinnen und draußen19. August 2012, Bad BollTagungsnummer: 936312Tagungsleitung: Susanne WolfInfos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax [email protected]

KonfuziusIn den Wandel vertrauen lernen21.-24. August, 2012, Bad BollKonfuzius passt weder in westlicheSchubladen von »Philosophie« nochvon »Religion«. Er hat jedoch die Kulturen Ostasiens über 2500 Jahregeprägt wie kein anderer. Heute – in der Ära des Wiedererstarkens Chinas– können wir entdecken, dass Konfu-zius auch für unsere Gegenwart undZukunft Wesentliches zu sagen hat.Tagungsnummer: 640412Tagungsleitung: Wolfgang WagnerInfos: Romona Böld, Tel. (07164) 79-270, Fax [email protected]

13. Philosophisch-literarischeSommerakademie Teil IZeit in der Literatur25.-29.8.12, Bad BollTagungsnummer: 530812Tagungsleitung: Susanne Wolf,Annegret WolframInfos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax [email protected]

13. Philosophisch-literarischeSommerakademie Teil IIPhilosophie: Zeit und Verantwortung29. August - 2. September, Bad BollTagungsnummer: 530912Tagungsleitung: Susanne Wolf,Annegret WolframInfos: Brigitte Engert, Tel. (07164) 79-342, Fax [email protected]

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Aus der AkademieNeu in der AkademieDr. Regina Fein

Zu Beginn des Jahres hat Dr. ReginaFein als neue Studienleiterin mit demArbeitsschwerpunkt Umwelt, Nach-haltigkeit, Technologie in der Evange-lischen Akademie Bad Boll ihre Arbeitaufgenommen. Die 35-Jährige stammtaus Bietigheim-Bissingen. Sie studier-te Geographie, Geschichte und Poli-tikwissenschaften an der UniversitätStuttgart. Nach Stationen am Insti-tut für Geschichte der Medizin derRobert-Bosch-Stiftung und den Uni-versitäten Stuttgart und Bayreuthverbrachte sie zwei Jahre in Äthiopienfür ein Forschungsprojekt. Zuletztlehrte und forschte sie am LehrstuhlGeographische Entwicklungsfor-schung der Universität Bayreuth. Dr.Regina Fein tritt die Nachfolge von Jobst Kraus an, der im Sommer 2011in den Ruhestand gegangen ist.

Telefon: (07164) 79 222 Telefax: (07164) 79 5222 [email protected]: Romona Böld Telefon: (07164) 79 347 Telefax: (07164) 79 5347 [email protected]

Zwei Pfarrstellen werdenbeim Kirchlichen Dienst inder Arbeitswelt neu besetzt

Karin Uhlmann und Karl-UlrichGscheidle übernehmen die Ämter alsWirtschafts- und Sozialpfarrerin bzw.-pfarrer beim Kirchlichen Dienst inder Arbeitswelt (KDA), einem Fach-dienst der Evangelischen AkademieBad Boll. Uhlmann, bislang geschäfts-führende Pfarrerin in Neckarsulm,übernimmt die KDA-Stelle in der Prä-latur Heilbronn, Gscheidle wechseltaus dem Gemeindepfarramt Stutt-gart-Giebel zum KDA in der PrälaturReutlingen.»Die Neubesetzung der beiden Stellenim KDA sendet ein wichtiges Signal.Gerade in Zeiten von Wirtschafts-und Finanzkrise, von zunehmendemDruck in der Arbeitswelt sind wir alsKirche gefragt, wenn es um ethischeFragen in der Arbeits- und Wirt-schaftswelt geht, und müssen uns mitallen Beteiligten für Gerechtigkeitund Solidarität einsetzen«, so EstherKuhn-Luz, Vorsitzende des KDA.

Karin Uhlmann, PrälaturHeilbronnKarin Uhlmann wurde 1960 in Stutt-gart geboren. Sie studierte zunächstReligionspädagogik und arbeitete alsReligionslehrerin in Böblingen undBad Cannstatt, bevor sie sich in Tü-bingen und Heidelberg für Theologieeinschrieb. Anschließend absolvierteKarin Uhlmann ihr Vikariat in Heil-bronn. Seit 1997 ist sie Gemeinde-pfarrerin in Neckarsulm; zuletzt warsie geschäftsführende Pfarrerin. Die

Nudelauflauf mitMozzarella und Spinat

4 PersonenZutaten geputzt gewogen

Zutaten400 g frischer Blattspinat2 EL Olivenöl1 Knoblauchzehe200 g Pasta z. B. Penne400 g Strauchtomaten4 Eier150 ml Milch200 ml Sahne100 ml Crème fraîche,

Salz, Pfeffer, Muskat200 g Mozzarella40 g Butter3 EL Semmelbrösel

ZubereitungSpinat blanchieren; Olivenöl und zerdrückte Knoblauchzeheanschwitzen;Spinat zugeben und zwei Minutendünsten; Nudeln sehr bissfest garen und ineine gefettete Auflaufform geben;In die Nudeln kleine Muldendrücken und den Spinat darin ver-teilen;Eier, Sahne, Milch, Crème fraîcheund Gewürze mischen und pikantabschmecken;Mischung gleichmäßig übergießen,Tomatenscheiben auflegen; bei150°C Heißluft 25 Minuten backen;Auflauf aus dem Ofen nehmen;Mozzarella in Scheiben darauf verteilen; Butter zerlassen und mit den Sem-melbröseln mischen, überstreuenund weitere 10 Minuten backen.

Guten Appetit!

IhreIngrid Hess

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Telefon: (07121) 161771 Mobil: 0176 [email protected]

Der Kirchliche Dienst in derArbeitswelt (KDA)gehört als Fachdienst der Evangeli-schen Landeskirche Württemberg zurEvangelischen Akademie Bad Boll. In den vier Prälaturstandorten Heil-bronn, Reutlingen, Stuttgart und Ulmsind die Wirtschafts- und Sozialpfar-rer des KDA mit jeweils eigenenSchwerpunkten tätig. Sie setzen sichvor allem mit Fragen und Problemenaus der Arbeitswelt auseinander,organisieren Veranstaltungen undTagungen, besuchen und begleitenUnternehmen und Betriebe, haltenKontakt mit Arbeitnehmern, Arbeit-gebern, Gewerkschaften und Verbän-den. www.kda-wue.de

Wir verabschieden aus der Akademie Joachim Schmid,Direktionsassistenz

Joachim Schmid hat 5 Jahre alsDirektionsassistent in der Akademiegearbeitet. Im April endet seine Zeitauf dieser Sonderpfarrstelle. Er wech-selt ins Gemeindepfarramt nach Raid-wangen (Dekanat Nürtingen). MartinaWaiblinger hat mit Joachim Schmidgesprochen.

Für welche Bereiche waren Sie alsDirektionsassistent zuständig?Meine Stabsstelle war direkt dem Ge-schäftsführenden Direktor Joachim L.Beck zugeordnet. Zuarbeit und Vorar-beit in allen Bereichen der Direktion,viel Protokollschreiben in Gremienwie Kuratorium und Konvent gehör-ten zu meinen Aufgaben, aber auchdas Mitplanen und Beraten von stra-tegischen Fragestellungen. Ich warfür die Direktionsgenehmigung derTagungsprogramme zuständig undkam mit den Studienleitenden insGespräch über Konzeption und Auf-bau ihrer Tagungen – ein interessan-tes und neues Gebiet für mich.

52-Jährige ist verheiratet und hateine Tochter. Sie tritt am 15. Märzihre Stelle in Heilbronn an. DieseKDA-Stelle war seit Ende 2010 va-kant, als der letzte Sozialsekretär derWürttembergischen LandeskircheVolker Stücklen in den Ruhestandgegangen ist.

Karin UhlmannGutenbergstr. 7674074 HeilbronnTelefon: (07131) 98233-11 Telefax: (07131) 98233-23 [email protected]

Karl-Ulrich Gscheidle,Prälatur Reutlingen

Karl-Ulrich Gscheidle stammt ausHeilbronn. Der 54-Jährige studierteTheologie in Tübingen und Münchensowie Betriebswirtschaftslehre in Ro-senheim. Nach dem Vikariat in Alten-steig arbeitete Gscheidle als Pfarrerzur Anstellung in Weinsberg und alsGemeindepfarrer in Münster amKocher, bis er 2005 die Pfarrstelle inStuttgart-Giebel übernahm. Gscheidleist verheiratet. Er folgt ab 1. MärzJens Junginger, der seit September2011 geschäftsführender Pfarrer ander Stadtkirche Tuttlingen ist. SeineAmtseinsetzung wird am 15. März ab16 Uhr in einem Gottesdienst in derReutlinger Marienkirche gefeiert.

Karl-Ulrich GcheidleFedernseestr. 472764 Reutlingen

Haben Sie auch eigene Tagungendurchgeführt?Die Sommerklausur und die Michae-lisakademie waren »meine« Tagungen.Für die Michaelisakademie entwickel-ten wir eine Reihe zu den sieben Tod-sünden. Wir fragten, welche Relevanzder alte Lasterkatalog in unserer heu-tigen Gesellschaft hat und arbeitetendie Ambivalenzen heraus. Welche po-sitiven Impulse stecken zum Beispielin der Todsünde Trägheit? Sind nichtKontemplation und Muße Korrektivedes gesellschaftlichen Wachstums-paradigmas? Wir konnten eine Möbel-designerin gewinnen, die die Todsün-den in den Wohnraum stellt und kamen über das Lustvolle an ihrerArbeit und das Mahnende ihrer Pro-dukte ins Gespräch – das war fürmich ein inhaltliches Highlight. Es ist schon richtig, dass ich meist imHintergrund, in der Unterstützung,Ermöglichung und den operativenDingen gearbeitet habe. Dadurch be-kam ich einen großen Einblick in ganzunterschiedliche gesellschaftspoliti-sche Bereiche der Akademiearbeit.

Die Akademie hat sich in den letztenJahren stark verändert. Wie haben Siedas erlebt?Allein 15 Studienleitende sind in denletzten fünf Jahren aus der Akademieverabschiedet worden. Zum Glückkamen auch sieben neue dazu. Aberman sieht daran, dass die Akademieeinen enormen Wandel durchläuftund sich die Anzahl der Mitarbeiten-den verringert. Aus vier Themenberei-chen wurden drei, Fachdienste wiedas Studienbegleitprogramm für aus-ländische Studierende (STUBE) wur-den in eine andere Zuständigkeit ab-gegeben. Ich denke, dass es in Zu-kunft darauf ankommt, auch mit derverkleinerten Evangelischen AkademieBad Boll nach außen gesellschaftlicherkennbar und wirksam zu sein.

Auch in der Direktion sind Verände-rungen geplant. Wie sehen die aus?Aufgrund meiner Erfahrungen alsDirektionsassistent haben wir, d. h.Joachim L. Beck und ich, vorgeschla-gen, diese Stelle zugunsten eines/rständigen Stellvertretenden Direk-tors/in umzuwandeln. Also eine Funk-

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BuchtippsÖkologisierung Deutschlands –Utopie, Vision, Handlungsfähigkeit«epd-DokumentationNr. 5/2012In der epd-Dokumentation Nr. 5/2012sind drei Beiträge der oben genanntenTagung in Bad Boll (25.-27. November2011) veröffentlicht: - Dr. Erhard Eppler: Was wird aus demWachstum? Kriterien für ein selektivesWachstum- Sigmar Gabriel: Arbeit und Umwelt- Prof. Dr. Angelika Zahrnt: Vom Krö-tenschutz zur politischen Ökologie -Auf dem Weg zu einem Zukunftsfähi-gen Deutschland- apl. Prof. Dr. Niko Paech: Post-wachstumsökonomik: Eine Auseinan-derstezung mit Wachstums- undNachhaltigkeitsvorstellungen Ein anderes Thema des Heftes ist:»Führt nur das ipad in den Himmel?«mit zwei Beiträgen. Die Dokumentation können Sie bestellenbei: [email protected], Tel. 069 58098-191,s. a. S. 13-15

Exit: Wohlstand ohne Wachstum von Meinhardt MiegelPropyläen Verlag, 2010; s. a. S. 14-15

Gleichheit ist Glückvon Kate Pickett und RichardWilkinsonZweitausendundeins Verlag, Berlin2009; s. a. S. 14-15

Reformpädagogik in der Schulpraxis Thilo Fitzner, Peter E. Kalb, Erika Risse (Hrsg.), 352 Seiten, VerlagJulius Klinkhardt, 2012Das Buch greift einerseits die kriti-sche Diskussion der letzten Zeit aufund zeigt andererseits, wie heute inreformpädagogisch orientierten Schu-len gearbeitet und gelebt wird. DasBuch beinhaltet die wichtigsten Bei-träge einer Tagung in der Evangeli-schen Akademie Bad Boll Ende 2010.

Abenteuer Jerusalem: Die aufregende Geschichte einerStadt dreier Weltreligionen von Dieter Viewegerfür Kinder und Jugendliche von 12-15Gütersloher Verlagshaus 2011; s.a. S. 3

KommentarMartin Luther akzeptiert christlich-muslimische Ehen

In der Tagung »Islam und Rechtsord-nung« wurde am 21. Januar 2012ausführlich über die Chancen christ-lich-islamischer Ehen gesprochen.Ausgehend von der Tatsache, dasseine Vikarin ihren Dienst in Württem-berg nicht fortsetzen konnte, nach-dem sie einen Muslim geheiratethatte, diskutierten die Teilnehmerausführlich darüber. Während sich dieanwesenden Muslime, größtenteilsVertreter anerkannter Islam-Verbän-de, eine solche Verbindung für ihreImame nicht vorstellen konnten, vo-tierten viele Islambeauftragte aus denevangelischen Kirchenbezirken fürgrößere Toleranz auch im Pfarrhaus.Sie kritisierten vor allem scharf, dassdie Möglichkeit einer Ausnahmerege-lung nicht genutzt wurde. Emotionalwurde die Debatte nicht zuletzt durchden Rücktritt von Pfarrerin Dr. Bür-kert-Engel von allen christlich-islami-schen Ehrenämtern, weil sie den Um-gang der Kirchenleitung mit Kritik indiesem Fall für unerträglich hielt.In einer privaten Stellungnahme zumFall der Vikarin Carmen Häcker, diemir viel Zustimmung bei Gemeinde-gliedern, aber Tadel von Dekanen ein-brachte, habe ich u.a. geschrieben:»Der Apostel Paulus wusste noch,dass die Christen nicht allein auf derWelt sind, sondern diese mit anderenMenschen teilen. Und etliche verlie-ben und verheiraten sich über man-che Grenze hinweg. Deswegen schrieber den Korinthern: ›Der ungläubigeMann ist geheiligt durch die Frau,

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Literaturtipps zu Beitrag S. 10/11»Teilhabe und deutscheAnstaltstradition«Weitere Informationen finden Sieunter: www.hephata-mg.de sowie:Johannes Degen, Mehr als Anstalts-auflösung. Vorläufiges Protokoll derKonversion einer Anstalt. In: Hanns-Stephan Haas, Udo Krolzig (Hrsg.),Diakonie unternehmen, Stuttgart2007, 39-57

tion, die zum einen intern konkreteLeitungs- und Führungsaufgabenübertragen bekommt, z. B. die Ver-antwortung für einen Fachdienst derAkademie mit Personalführungskom-petenz und zum anderen stärker re-präsentative Funktionen wahrnehmensoll. Eventuell kann der Dienstauftrageines/r Stellvertretenden Direktors/inmit Zuständigkeiten in der inhaltli-chen Tagungsarbeit kombiniert wer-den. In Schulen oder auch großen De-kanaten gibt es vergleichbare Struk-turen mit Konrektoren bzw. Co-Deka-ne. Vom Kuratorium der Akademiewurde unser Vorschlag bereits positivaufgenommen. Ich freue mich, dassich hier eine Entwicklung anstoßenkonnte.

Was nehmen Sie mit für das Pfarramtin der Kirchengemeinde Raidwangen?Unsere Kirche muss sich meiner Mei-nung nach weiterhin in gesamtgesell-schaftlichen Veränderungsprozesseneinbringen und Fragen des Gemein-wohls aufgreifen – das gilt auch vorOrt in den jeweiligen Bezügen. Ichmöchte auch als Gemeindepfarrerüber die Parochiegrenzen hinaus diegesellschaftlichen Fragestellungen im Blick behalten, Kirche in der Weltleben und somit – mit Bonhoeffergesprochen – für andere da sein.

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Leider ist damals die Anregung nichtaufgenommen worden, ein Netzwerksolcher Ehepaare und Familien miteiner regelmäßigen Tagung zu schaf-fen. Die Evangelische Akademie wäreein geschützter Raum dafür. Hierkönnten sich Modelle entwickeln,damit man den kirchlichen Fehlernicht wiederholt, der jahrhunderte-lang evangelisch-katholische Ehengrausam beeinträchtigt hat. Vielleichteine Aufgabe für die künftige BerlinerPfarrerin Carmen Häcker!

Wolfgang Wagner

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ImpressumSYM – Magazin der Evangelischen Akademie Bad Boll9. Jahrgang 2012, Heft 1/2012ISSN: 1613-3714

Herausgeber: Evangelische Akademie Bad Boll(Joachim L. Beck)

Verantwortlich im Sinne des Presserechts:Martina Waiblinger

Redaktion und Gestaltung: Martina Waiblinger

Fotonachweis: Ebert, Rudi: S. 12; Fitzner, Thilo: S. 4, 20; Fotolia: S. 16; Fritz, Alexander, Lebenshilfe Vorarlberg: S. 10; Greyer, Hartmut: S. 4, 12; Korf, Katja: S. 5, 14, 21, 22; oikocredit: S. 10; privat: S. 4, 23; Vieweger, Dieter: S. 3; Waiblinger, Martina: S. 7, 9, 11, 12, 13, 18, 20, 25, U 4;

SYM erscheint vierteljährlich.

Anschrift des Herausgebers:Evangelische Akademie Bad BollAkademieweg 11, 73087 Bad BollTel. (07164) 79-0E-Mail: [email protected]: [email protected] Tel. (07164) 79-302www.ev-akademie-boll.de

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Druckerei: Mediendesign Späth GmbH,73102 Birenbach

und die ungläubige Frau ist geheiligtdurch den gläubigen Mann. 1. Kor.7,14.‹«Nun war das lange für die Pfarrer-schaft eine eher theoretische Ange-legenheit. Seit Jahrhunderten heirate-te man möglichst im gleichen Milieu.Deswegen störte es auch keinen, dassdie Juristen Paragrafen ins Pfarrer-dienstrecht schrieben, wo es in §19heisst: »Der Ehegatte eines Pfarrersmuss der evangelischen Kirche ange-hören. Es wird von ihm erwartet, dasser den Dienst des Pfarrers bejaht. InAusnahmefällen kann der Oberkir-chenrat auf Antrag von dem Erforder-nis nach Satz 1 befreien«. Doch in derGegenwart ist manches anders, viel-leicht eher wie es am Anfang in Ko-rinth war: Menschen verschiedenerKonfession und Religion leben mitein-ander, haben Kontakte und heiraten.Das sollte grundsätzlich kein Problemsein. Es wird aber eines, wenn man erstens andere Religionen grundsätz-lich für unwahr oder feindlich hältund zweitens das Priestertum allerGläubigen aufspaltet in Pfarrer undLaien und dann verschiedene Maß-stäbe anlegt.

Ähnlich argumentierte der bekannteTheologieprofessor Wilhelm Gräb. Ermeint, die Ehe könne besonders imPfarrdienst vorbildlich zeigen, dassMenschen, die verschiedenen Religi-onen oder Konfessionen angehören,die Überzeugung von der Wahrheitihres eigenen Glaubens sehr ernstnehmen und dennoch »einvernehm-lich miteinander leben, einander bei-stehen, ja, sich lieben« könnten. Ausder Entscheidung der württembergi-schen Landeskirche spreche »sehr vielAngst«, schreibt Gräb in epd. MitÄngsten könnten »immer wiederFremdenhass und letztlich Menschen-feindlichkeit« gefördert werden.Vergessen wurde in den folgendenDebatten, dass schon Martin Luthereine theologisch weitherzige Positionvertrat. In Luthers Schrift »Vom eheli-chen Leben« (1522) wendet er sichgegen die Eheverbote des katholi-schen Kirchenrechts: »Mich wundert,

dass sich die frevlerischen Tyrannennicht bis ins Herz schämen, so öffent-lich wider den klaren Text des Paulus1. Kor.7 sich zu setzen, wo er spricht:›Will ein heidnisches Weib oder Mannbei dem Christengemahl bleiben, soller sich nicht von ihr scheiden.‹ (…)Darum wisse, dass die Ehe ein äußer-liches, leibliches Ding ist wie andereweltliche Hantierung. Wie ich nundarf mit einem Heiden, Juden, Türken,Ketzer essen, trinken, schlafen, gehen,rechnen, kaufen, reden und handeln,so darf ich mit ihm auch ehelich werden und bleiben. (…) Ein Heide ist ebensogut Mann und Weib, vonGott wohl und gut geschaffen, wie St. Peter und St. Paul und St. Lucia,geschweige denn wie ein loser,falscher Christ.«Dass interreligiöse Ehen besondereUnterstützung brauchen, dürfte ein-leuchten. Sie haben es schwer auf-grund der Tradition, mitunter versu-chen die Familien eine solche Verbin-dung zu zerstören. Darum habe ichschon 2004 eine Tagung mit christ-lich-islamischen Paaren durchgeführtunter dem Titel »Wie hältst Du’s mitder Religion?« Damals war man sicheinig darüber, dass Liebesbeziehungenzwischen Menschen mit verschiede-nen Religionen oft pauschal als Prob-lem betrachtet werden. Die religiöseDifferenz bekommt dabei einen Stel-lenwert, als gäbe es nicht jeweilsbesondere Umstände, Biographienund soziale Herkünfte. Verbindet sicheine andere Religion mit einer ande-ren Kultur, verstärkt sich dieser Effektnoch. »Alltag in interkulturellen Le-benszusammenhängen bedeutet denZugewinn anderer Perspektiven, dieErweiterung von Denkmöglichkeitenund Handlungsspielräumen. Alltag ininterkulturellen Lebenszusammenhän-gen bedeutet aber auch die Erschüt-terung des Gewohnten, Vertrauten,Selbstverständlichen. Nicht die Unter-schiede der kulturellen Herkunft, son-dern die Kommunikations- undMachtverhältnisse in der Beziehunggewinnen an Bedeutung. Ein kon-struktiver Umgang mit Differenz istdabei die Basis für Konfliktlösungen«.(Cornelia Spohn, Geschäftsführerindes Landesverbands binationalerFamilien und Partnerschaften)

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m e d i t a t i o n

Ein Bund mit Menschen und TierenVon Kathinka Kaden

Doch Angst vor euch und Erschreckenvor euch komme über alle Tiere desLandes und über alle Vögel des Him-mels, über alles, was auf der Erdekriecht, und über alle Fische desMeeres: In eure Gewalt sind sie gege-ben. Alles, was sich regt ..., das solleuch als Speise dienen; wie das grüneGewächs übergebe ich das alles aneuch. (1. Mose 9,2.3, in der Überset-zung der Bibel in gerechter Sprache)

Wie kann eine respektvolle Behand-lung der Tiere heute aussehen? DieTeilhabe der Tiere an der Schöpfungkann nicht so gedacht sein, dass wirMenschen sie von ihren Stammplät-zen vertreiben, nicht so, dass sie vor-wiegend zu unserem Konsum produ-ziert und getötet werden und nichtso, dass viele Arten aussterben.

Dann sagte Adonaj, also Gott: »Es istnicht gut, dass der Mensch allein ist.Ich will für ihn eine Hilfe machen, soetwas wie ein Gegenüber.« Da bildeteAdonaj, also Gott, aus Ackererde alleTiere des Feldes und alle Vögel desHimmels und brachte sie zum Men-schen, um zu beobachten, wie er sienennen würde. Ganz so wie derMensch – das atmende Leben – sienennen würde, so sollte ihr Name sein.Da gab der Mensch allem Vieh, denVögeln des Himmels und allen Tierendes Feldes Namen. 1. Mose 2, 18 – 20a

Gott hat Tiere erschaffen wie Men-schen. Sie sind Gottes Schöpfungs-werk. Krebse, Barsche, Wale, Käfer,Bären, Wölfe, Kanarienvogel, Wachtel.Die Namensgebung von Tieren istimmer noch ein Schöpfungsakt. Meist,ohne das Tier zu sehen. Nur wenigeMenschen haben viele Arten lebendigvor Augen. Vielleicht den Hamster,das Meerschweinchen, den Wellensit-tich, den Golden Retriever oder dieSiamkatze? In jedem dritten Haushalt,meistens in Familien mit Kindern, lebtein Haustier. Das bekommt noch ein-mal einen Namen: Buddy, Balou, Fitsi,Sandy, Grey.

Der Schimpanse besitzt zu 95 Prozentdieselben Gene wie der Mensch. Auchdie anatomischen Unterschiede zwi-schen Mensch und Schwein oder Rindoder Huhn sind unbedeutend im Ver-gleich zu den Übereinstimmungen.Viele Tiere verfügen über dieselbenfünf Sinne wie der Mensch. Tiere ha-ben psychologische und emotionaleBedürfnisse. Sie empfinden Freudeund Schmerz, Glück und Unglück. Ihrekomplexen Gefühle und Verhaltens-weisen als »Instinkt« zu beschreiben,ist eine Abwertung.

Nach der biblischen größten Natur-katastrophe, der Sintflut, ist Gottnicht nur mit Menschen einen Bundeingegangen, sondern mit »allen Lebe-wesen«. Dieser Bund gilt »gegenüberVögeln und Vieh und allen Tieren, diemit euch auf der Erde sind« (1. Mose1,10). Zurzeit verbrauchen rund sie-ben Milliarden Menschen jährlich dasZweieinhalbfache dessen, was dieserPlanet für alle Lebewesen bereitstellt.»Es ist innerhalb dieser Rahmenbedin-gungen absurd, immer weiter wach-sen zu wollen«, sagt der Biologe undPhilosoph Andreas Weber. Er plädiertfür eine »Anti-Utopie«, für ein »Bildvon Mensch und Welt, in dem nichtlänger diese Welt überwunden wer-den muss, um in ihr endlich anzukom-men.«

Diese Welt gilt es also nicht zu über-winden, sondern zu retten – in ihrerEinzigartigkeit, Vielfalt und Wechsel-seitigkeit. Als Christin kann ich beru-higt sein: Das, was in dieser Welt demLeben entgegensteht, muss nicht ichüberwinden, das hat ein andererüberwunden. »Das habe ich mit euchgeredet, damit ihr in mir Frieden habt.In der Welt habt ihr Angst; aber seidgetrost, ich habe die Welt überwun-den.« (Johannes 16,33)

Ich kann mich befreit im Rahmenmeiner Möglichkeiten ihrer Rettungwidmen. Das heißt für mich zumBeispiel, um die Abhängigkeit unsererErnährung von der Biene zu wissen,den Tierschutz in Gesetzgebung undVollzug verbessern, die Übernutzungund den Handel mit Tierarten kon-trollieren, Lebensräume von Tieren(selbst Käfern) beim Wege- undHausbau beachten, möglichst wenigFleisch essen, Zeichen gegen dieunbarmherzige Massentierhaltungsetzen, wesentlich mehr öffentlicheVerkehrsmittel nutzen, ein angemes-senes Verhältnis von Arten-, Natur-und Klimaschutz anstreben. DieseWelt ist möglich.

Kathinka Kaden ist Studienleiterin in derEvangelischen Akademie Bad Boll.

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Evangelische Akademie Bad BollAkademieweg 1173087 Bad BollPostvertriebsstück 64670Entgelt bezahlt

Abitur – und dann?Eine Frage, die jährlich unzählige Abi-turientinnen und Abiturienten umtreibt.Deshalb war die gleichnamige Tagungauch voll ausgebucht. 101 junge Leutekamen Ende Januar für ein Wochenen-de nach Bad Boll, um sich von 41 Ex-perten und Expertinnen ganz verschiede-ne Berufe vorstellen zu lassen und Fra-gen zu stellen. Eine ernste Sache für dieAbiturienten. Es geht um viel – es gehtum ihre Zukunft. Ob es jetzt leichter ist,sich zu entscheiden? Zumindest ist dieWissensbasis deutlich breiter.