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1 Symbole geben zu lernen Kleine Einführung in die Symboldidaktik Fachstelle Religionspädagogik Mittelstrasse 6a 3012 Bern

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Symbole geben zu lernen

Kleine Einführung in die Symboldidaktik

Fachstelle Religionspädagogik Mittelstrasse 6a 3012 Bern

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1. Symbole – Ursprung und Bedeutung

Symbolsprache ist die Sprache des Glaubens. Hubertus Halbfas schreibt im Zusammenhang mit der Symboldidaktik, dass wir zum Verständnis der Welt und des Lebens darin ein drittes Auge1 brauchen. „Mit dem dritten Auge ist jener Blick gemeint, der hinter die Alltagsgestalten dieser Welt sieht, der den geistigen Sinn der Dinge erfasst, das Licht der Finsternis…Der Blick führt durch das Nadelöhr in eine Landschaft, die aller Menschen Heimat ist und dennoch den meisten fremd geworden ist.“ Diesen Blick gilt es in der Symboldidaktik zu schulen. In der Symboldidaktik geht es darum, die „Bedeutungsträger“ zusammenzustellen. Symbolon – symballein meint: Zusammenfügen und geht auf einen antiken Brauch zur Wiedererkennung und verlässlicher Vergegenwärtigung z. Bsp. einer Freundschaft über Generationen hinweg zurück. Träger eines Vertrages waren oftmals im alten Griechenland Tonscherben. Das Zusammenfügen dieser Tonscherben hatte für die Beteiligten eine besondere tiefe Bedeutung, deren Gehalt sie durch das Zusammenfügen aktualisieren. Ein Laut, eine Schrift, ein Bild, eine Geste und eine Person kann zu einer oder zu einem „Bedeutungsträger“ (zu einem Symbol) werden. Symbole unterliegen dem Gesetz des Bildhaften. All Symbole sind Zeichen aber nicht alle Zeichen sind Symbole. Symbole haben als Zeichen einen Bedeutungsüberschuss. Daher geben sie zu denken und zu verstehen. Sie eignen sich als stiller Impuls und ermöglichen in die Tiefe zu gehen. Eine eigentliche Symbol-Definition2 gibt es nicht. Definieren heisst umgrenzen, festlegen, mittels rational exakt greifender Begrifflichkeit. Doch Symbole widersetzen sich diesem Zugriff; sie lassen allenfalls nur eine Seite ihrer Wirklichkeit auf diesem Wege erfassen. So treffen sich im Symbol das Eine und das Andere: Gestalt und Idee, Vordergründiges und Hintergründiges, Erscheinung und Verborgenes, Bewusstes und Unbewusstes, Leib und Seele, Weltliches und Göttliches. Es wäre kein Symbol, was nur gegenständlich zuhanden käme, ohne tieferen Sinn oder Transzendenz. Symbolisch kann nur sein, was in der einen Gegebenheit noch eine andere einschliesst. Symbole verweisen über einen Begriff hinaus. Begriffliche Sprache lässt eine annähernde Zuordnung von Ding und Begriff einigermassen zu. Symbole sind dagegen keineswegs in ihrer Bedeutung eindeutig zu dechiffrieren. Kinder und Erwachsenen leben heute in einer bebilderten Welt. Fernsehen, Computerspiele und Musikvideos sind zeitlich fixe Bestandteile im Leben des heutigen Menschen. Eine bebilderte Welt ist auch eine zutiefst magische Welt. Das Verständnis über die Bilder scheint besser zu gelingen als das Verständnis über Worte, weil sie einen Interpretationsspielraum beinhalten. Sie umschliessen aber auch eine unverbindlichere Lebensgestaltung. Bilder kopieren die visuelle Oberfläche der Wirklichkeit, werden jedoch oft zu Symbolen. Bilder welche zu Symbolen werden, haben eine wichtige Bedeutung in unserem Leben. Es gilt wahrzunehmen, wo sie unseren Lebensalltag mitgestalten und es gilt über sie auszutauschen –im Dialog darüber lernt er sich und den anderen kennen und bildet sich.

2. Die Bedeutung von Bildern für unser Leben

In seiner Autobiographie „Die Fackel im Ohr“ erzählt der Schriftsteller Elias Canetti, welche Bedeutung Bilder für seine Persönlichkeitsentwicklung hatten. Dabei denkt er vorwiegend an Bilder

1 Vgl. Hubertus Halbfas, Das dritte Auge, Religionsdidaktische Anstösse, Titelseite

2 Vgl. Hubertus Halbfas, Das dritte Auge, Religionsdidaktische Anstösse, S 85

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der Kunstgeschichte, aber seine Einsichten lassen sich durchaus auch auf sprachliche Bilder übertragen. Canetti schreibt: „Es war richtig, dass ich nicht lernen wollte, wie es in der Welt zuging ... Ich wollte es nicht lernen, wenn Lernen bedeutete, dass ich denselben Weg gehen müsse. Es war das nachahmende Lernen, gegen das ich mich wehrte ... Auf anderen Wegen kam mir aber die Wirklichkeit doch nahe ... Denn ein Weg zur Wirklichkeit geht über Bilder. Ich glaube nicht, dass es einen besseren Weg gibt ... Bilder sind Netze, was auf ihnen erscheint, ist der haltbare Fang ... Es ist aber wichtig, dass diese Bilder auch außerhalb vom Menschen bestehen, in ihm selbst sind sie der Veränderlichkeit unterworfen ... Wenn er das Abschüssige seiner Erfahrung fühlt, wendet er sich an ein Bild. Da hält die Erfahrung still, da sieht er ihr ins Gesicht. Da beruhigt er sich an der Kenntnis der Wirklichkeit, die seine eigene ist, obwohl sie ihm hier vorgebildet wurde. Scheinbar wäre sie auch ohne ihn da, doch dieser Anschein trügt, das Bild braucht seine Erfahrung, um zu erwachen. So erklärt es sich, dass Bilder während Generationen schlummern, weil keiner sie mit der Erfahrung ansehen kann, die sie weckt. Stark fühlt sich, wer die Bilder findet, die seine Erfahrung braucht. Es sind mehrere – allzu viele können es nicht sein, denn ihr Sinn ist es, dass sie die Wirklichkeit gesammelt halten ... Aber es soll auch nicht ein einziges sein, das dem Inhaber Gewalt antut, ihn nie entlässt und ihm Verwandlung verbietet. Es sind mehrere Bilder, die einer für sein eigenes Leben braucht, und wenn er sie früh findet, geht nicht zu viel von ihm verloren.“3 Canetti stellt hier sehr pointiert das Erfahrungslernen anhand von Bildern dem Imitationslernen nur durch Nachahmung gegenüber. „Bilder“, sagt er, „sind (wie) Netze“: Sie helfen, die Wirklichkeit „einzufangen“, zu „erkennen“. Darüber hinaus schützen Bilder den Menschen vor der Übermächtigkeit seiner Erlebnisse (Canetti spricht von der „Abschüssigkeit“ der Erfahrungen). Dazu ist es allerdings erforderlich, dass sie auch „außerhalb vom Menschen bestehen“, dass sie ihm vorgegeben sind. „Durch Bilder werden Erlebnisse teilbar und mit teilbar. Wirklichkeit wird aber nicht zerstückelt. Wahrnehmung der Wirklichkeit anhand von Bildern ist ganzheitliche Wahrnehmung, die Subjekt und Objekt miteinander verbindet“4. Dabei sind es – so Canetti – nur wenige Bilder, die die Wirklichkeit gesammelt und zugleich die Erfahrung offen halten. Zu viele Bilder würden zerstreuen, ein einziges Bild könnte zum Idol werden und so die Lebendigkeit blockieren. Peter Biehl, Professor für Religionspädagogik und Didaktik der Evangelischen Theologie in Göttingen, meint, dass pädagogisches Handeln „möglichst optimale Bedingungen“ für solch ein „Erfahrungslernen“ schaffen, es aber nicht ersetzen kann. Wir können zwar versuchen, die Bilder zu finden und anzubieten, die die Kinder in unseren Gruppen brauchen, doch „anprobieren“ (Max Frisch) müssen sie diese Bilder und Geschichten selbst. Und dabei werden sie entdecken, ob ihre Erfahrungen gerade diese Bilder braucht – oder nicht! Und noch etwas anderes können (und sollten!) wir tun: Hilfe bieten zur Befreiung von den Bildern, die die Erfahrung nicht mehr braucht, sondern blockiert. Denn: „Die Bilder liegen im Streit miteinander, und es hängt viel davon ab, welches Bild am Ende Recht behält. Bilder haben ein vieldeutiges Gesicht. Bilder sind Superman oder die anderen unverletzbaren‚ Helden’ der Comic- und Fernsehserien. Ein Bild ist das Plakat vom Eigenheim, das unserer Zukunft ein Zuhause gibt. Ein Bild ist aber auch die Vision vom Zelt Gottes unter den Menschen“5. Es liegt an uns zu entscheiden, welche Bilder wir den Kindern in unseren Gruppen anbieten und als „inneres Museum“ mitgeben wollen. Gut, wenn wir uns darüber Gedanken machen. Die Beschäftigung mit Bildern und Symbolen der Bibel kann dabei eine große Hilfe sein!

3 Elias Canetti, Die Fackel im Ohr, Frankfurt am Main 1986, 109f 4 Peter Biehl, Symbole geben zu lernen, S. 14 5 Peter Biehl, Symbole geben zu lernen, S. 15

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3. Was ist ein Symbol?

„Es gibt Sachverhalte, die sich auf direkte und eindeutige Weise gar nicht ausdrücken lassen, wir brauchen dann eine Sprache, die mehr transportiert als nur einen klar fassbaren Sinn…Wenn es um tiefe seelische Vorgänge oder um emotionale zwischenmenschliche Geschehnisse geht, dann sind wir auf symbolische Zeichen und Worte angewiesen, weil wir uns sonst nicht mehr ausdrücken könnten.“6 Der Glaube verlangt nach der Sprache der Symbole, er ist oftmals nicht anders auszudrücken als über die symbolische Sprache. Deshalb ist es wichtig, mit Kindern über die Symboldidaktik zu ihrer Glaubenswelt zu gelangen. In Anlehnung an Peter Biehl7 wird anhand von drei beispielhaften Szenen einige Aspekte verdeutlicht, was Fachleute meinen, wenn sie von „Symboldidaktik“ sprechen: 1. Szene: Zwei Freunde im alten Griechenland nehmen Abschied voneinander. Sie ritzen ihre Namen auf eine Tonscherbe und brechen diese in zwei Stücke. Jeder nimmt eine Hälfte der Scherbe mit; jeder weiß, dass er den Freund lange nicht sehen wird. Das Brechen von Ton und Namen drückt den Schmerz des Abschieds aus, das sorgfältige Bewahren der Hälften ist ein Zeichen der Treue, und jede Hälfte verweist auf die Freundschaft, die die beiden erlebt haben, und ist zugleich ein Zeichen der Hoffnung, dass diese Freundschaft weiter bestehen wird. Der zerbrochene Teil der Tonscherbe ist zwar nicht selbst die Freundschaft, aber er ist ein sinnliches Erkennungszeichen, das abwesende Freundschaft vergegenwärtigen, in die Gegenwart hineinziehen kann. Nach langer Zeit treffen sich die Freunde wieder: Bei einer Schale Wein setzen sie die Tonstücke zusammen. Ton- und Namenhälften ergänzen sich wieder. Sie feiern das Glück der Wiedervereinigung der Getrennten. Das griechische Verb symballein heißt „zusammen werfen, zusammen fallen, zusammen passen oder zusammen fügen“; das entsprechende Substantiv symbolon meint dementsprechend das „Zusammengefügte“. Ein Symbol ist also etwas Zusammengefügtes. Symbolisieren heißt: zusammenfügen, was zusammengehört, aber bisher getrennt war. Das wird am Ritual des Scherbenbrechens und -zusammenfügens anschaulich. Im Sinne einer vorläufigen Definition könnte man also sagen: Das Symbol ist ein „Zusammengeworfenes“ aus einem sinnlichen Zeichen und dem Bezeichneten oder dem, was symbolisiert wird. Zugleich lassen sich an dieser Szene aus der griechischen Antike zwei wichtige Kennzeichen von Symbolen verdeutlichen.

1. Symbole haben Hinweis-Charakter

Die Tonscherbe weist über sich selbst hinaus auf eine Wirklichkeit (die Freundschaft), die nicht unmittelbar zugänglich ist. Symbole enthalten ein sinnliches Zeichen, einen „symbolischen Stoff“ (die beiden Hälften der Tonscherben) und – als zweites Element – das „eigentlich Gemeinte“ oder „Symbolisierte“ (die Freundschaft), das aber nur indirekt – durch den symbolischen Stoff – ausgedrückt werden kann. Symbole haben so die Möglichkeit, auf eine verborgene, tiefere Wirklichkeit zu verweisen. Wahrnehmungen, Erlebnisse und Widerfahrnisse der Freundschaft werden zu Erfahrungen, wenn sie mit Hilfe von Symbolen gedeutet werden. Erfahrungsbezug und Symbolverständnis bedingen sich daher in der Religionspädagogik wechselseitig. ... Symbole verbinden Subjekt und Objekt. Sie

6 Betz Otto, Elementare Symbole, S 9 7 Peter Biehl, Symbole geben zu lernen, S. 46-51

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ermöglichen eine ganzheitliche Wahrnehmung der Wirklichkeit, wenn sie ihrerseits ganzheitlich erschlossen werden, z. B. durch Erzählung, Spiel, Meditation oder symbolische Aktion. Symbole lassen sich nicht wie Zeichen auf einen eindeutigen Begriff festlegen; sie sind aber trotz ihrer Offenheit nicht beliebig, sondern haben eine Verbindlichkeit, die zu denken gibt. Insofern sind auch ganzheitliche Wahrnehmung durch Teilhabe mit Hilfe von Symbolen und analysierendes, begriffliches Denken nicht gegeneinander auszuspielen, sondern wechselseitig aufeinander zu beziehen. ... Die Symboldidaktik kann nicht nur helfen, den Erfahrungsansatz zu realisieren; vielleicht gelingt es ihr sogar, dass Vorstellungen die Schicht der unmittelbar sinnlichen Bedürfnisse erreicht; denn in den Symbolen verbinden sich Sinnlichkeit und Sinn. Besonders die elementaren Symbole sprechen alle Sinne an; sie haben eine Nähe zum Leiblichen, Kosmischen und Visuellen bewahrt. Durch das Symbol bleibt der Mensch mit seiner Geburt, seiner Natur und seinem Wunsch (Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft), also mit bestimmten, ihm vorgegebenen Verhältnissen verbunden.

2. Symbole verweisen nicht nur auf eine andere Wirklichkeit, sie repräsentieren und vergegenwärtigen sie

Das, worauf verwiesen wird, wird zugleich verkörpert und verbürgt. Im Tonscherbenritual zum Beispiel wird die Erinnerung zurückliegender Freundschaft vergegenwärtigt und dadurch die Hoffnung auf das zukünftige Fortbestehen der Beziehung wach gehalten. Symbole können also nicht mehr und noch nicht Anwesendes repräsentieren. „Diese Verinnerlichungen werden im Erinnern, in Erzählungen der Bibel, in religiösen Symbolen, im Gespräch oder im Gebet, im Gottesdienst, bei Musik, beim Singen wieder wachgerufen und weiterentwickelt. Sie sind Erinnerungszeichen, um das Alleinsein auszuhalten, ohne in Einsamkeit zur versinken.“8 Es geht in der Symboldidaktik um das Thema „Vermittlung von Lebenserfahrung und Glauben“. „Sie geht von der Prämisse aus, dass eine Entsprechung zwischen Leben und Glauben besteht; sie intendiert eine Vermittlung von Leben und Glauben und sucht dies durch ein ständiges Hin- und Her-Schwingen zwischen beiden Polen zu erreichen. Die Bedeutung des Symbols in diesem Vermittlungsprozess lässt sich am besten mit einem Symbol zur Sprache bringen: Die Symbole stellen eine Brücke des Verstehens zwischen der Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen und der Welt der Religion dar.“9 Die Symbole helfen, die Spannung zum Ausdruck zu bringen, die zwischen den legitimen Bedürfnissen der Menschen und dem, was ihnen vorenthalten wird und was noch aussteht, besteht; vielleicht gewinnen sie dadurch den Wahrnehmungshorizont für das „Mehr noch“ der biblischen Verheißung. Mit Hilfe der Symbole soll im Unterricht ein Streit um die Auslegung der Wirklichkeit ausgelöst werden. Welchen Symbolen können wir wirklich vertrauen? Welche nehmen die Ganzheit des Lebens wirklich wahr, verdichten Erfahrung und weisen auf die andere Wirklichkeit und den darin enthaltenen Möglichkeiten hin? 2. Szene In dem historischen Roman „Die letzten Tage von Pompeji“ von Edward George Bulwer-Lytton (1834) kommt ein junger Christ in eine ihm unbekannte römische Stadt. Er weiß, dass dort andere Christen leben. Er geht an einen Brunnen und trifft dort ein Wasser schöpfendes Mädchen. Er beginnt ein Gespräch und zeichnet scheinbar spielend mit dem nassen Finger einen Fisch auf den Brunnenrand. Daran erkennt das Mädchen – selber Christin –, dass auch der Fremde ein Christ sein könnte, und nimmt ihn mit nach Hause, wo er sich als solcher zu erkennen gibt. An diesem Beispiel lassen sich zwei weitere Kennzeichen von Symbolen verdeutlichen:

8 Kohler-Spiegel Helga, Erfahrungen des Heiligen, S 81 9 P. Biel, Festsymbole, 1999

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3. Zeichen werden erst dann zu Symbolen, wenn sie von einer Gemeinschaft

anerkannt werden und damit sozial eingebettet sind.

Dann können sie der Kommunikation dienen, Gemeinschaft stiften und Orientierung geben. Der Fisch zum Beispiel wurde nur dadurch zu einem Grund legenden Symbol der frühen Christenheit, weil man sich mit seiner Hilfe – besonders in Situationen der Gefahr und Verfolgung – schnell über gemeinsame Erfahrungen verständigen konnte. Das griechische Wort ichthys („Fisch“) wurde zum Symbol des Christen, weil es ein Anagramm des frühen christlichen Glaubensbekenntnisses ist: I Iesous Jesus CH Christos Christus TH Theou Gottes Y Hyios Sohn S Soter Retter Der Fisch war zu einer Art „password“ für die (verfolgte) Christenheit der ersten Jahrhunderte geworden. Dabei ist das Symbol „Fisch“ durchaus mehrdeutig, wenn auch nicht beliebig.10 Es verweist auf Jesus (ICHTHYS), auf Berufung (Lk 5), auf Speisung (Mk 6), auf Wasser und auf Taufe. Doch diese Assoziationen stellen sich heute nicht mehr von selbst ein. Das Symbol muss durch die Arbeit mit den biblischen Texten erst eingeführt und erklärt werden. Andere Symbole hingegen werden von vielen noch unmittelbar verstanden (z.B. die Taube als Friedenssymbol). Besonders in Gemeinschaften (Gruppen, Staaten, Kirchen bzw. Religionen) bekommen Zeichen, an denen sich über das präsentierte Bild hinaus (z. Bsp. Flagge, Kreuz, Halbmond) eine darüber hinaus gehende Identität festmacht, eine umfassendere, sozial geteilte und emotional besetzte Bedeutung. In überschaubaren Gruppen geht diese Identifikation mit der Gruppe häufig einher mit Abgrenzung gegenüber anderen. Dabei werden die Zeichen, die für die Gruppe zum Identifikationssymbol werden, häufig nur für die Gruppenmitglieder voll entzifferbar; für die Aussenstehenden sind diese Zeichen oft verschlossen. Die didaktische und theologische Notwendigkeit der Symbolkunde ergibt sich aus dem Sachverhalt, dass Kinder und Jugendliche bereits Symbole ausgebildet haben, bevor sie in Lernprozessen alternative Symbole kennenlernen. Diese in der Sozialisation ausgebildeten Symbole enthalten Material aus dem Reservoir des Unbewussten sowie aus der gegenwärtigen Kultur und Gesellschaft. Im Rahmen der Wirkungsgeschichte des Christentums sind diese Symbole zumindest indirekt durch das christliche Symbolsystem mit beeinflusst. Diese in der Sozialisation ausgebildeten Symbole haben in der Lebensgeschichte der Schüler eine höchst ambivalente Wirkung: Sie können lebendig machen oder die Lebensdynamik blockieren, sie können trösten und schützen oder ängstigen, integrieren oder zur Rollenkonfusion (siehe Punkt 6).

4. Symbole haben also ihre Zeit, sie sind geschichtlich und gesellschaftlich bedingt.

Schwindet ihre soziale Anerkennung, sterben sie ab. Vielen – gerade auch christlichen – Symbolen ist es so ergangen (z.B. dem Kreuz). Gerade beim Symbol Kreuz ist zu fragen, was damit transportiert wird; eine niederdrückende Opfertheologie oder ein Zeichen der Befreiung des Lebens. Das Symbol

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vgl. Manfred Lurker (Hrsg.), Wörterbuch der Symbolik, S. 209-210

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des Bogens in der Noah-Geschichte hat sich von jenem des Pfeilbogens am Himmel zu jenem des Regensbogens als Symbol des Friedens zwischen Gott und den Menschen und zwischen den Menschen (siehe Peace-Fahne) verwandelt. Die befreiende Bedeutung der Symbole wiederzugewinnen oder sie zum Leben hin zu verändern ist darum vor allem auch ein gutes Stück Arbeit. Aber eine Arbeit, die sich lohnt! Denn jede Gesellschaft ist darauf angewiesen, Grund legende Symbole auszubilden. Und welche Bilder das Leben unserer Kinder prägt und trägt, liegt auch ein wenig mit an uns! Von besonderer Bedeutung sind die Symbole, in denen sich heute grundlegende Erfahrungen verdichten. So können wir fragen, worauf Menschen ihr Herz hängen und sich verlassen. Mit der Frage nach der Wahrheit religiöser Symbole und ist zugleich die Frage nach dem Ziel des Umgangs mit ihnen gestellt. ... Die Symbolkunde lässt sich in thematischen Einheiten (z. B. zum Symbol „Baum“) und in fachspezifischen Lehrgängen (z.B. biblische „Weggeschichten“) realisieren. 3. Szene Die Studentin Anne erzählt in einem Brief: „Mein Lieber ...., ich schreibe dir in einer seltsamen Lage, aber du bist der erste, dem ich schreibe. Ich sitze auf meinem Bett im Spital ... Es ist in meinem Leben seither ein großes Durcheinander gewesen, und das Ende war, dass ich als Notfall in das Spital eingeliefert wurde. Eine akute Nephritis ..., ich hatte Fieber wie verrückt, bin richtig weggetreten gewesen, aber ich habe mehr erlebt und von mir erfahren, als sonst in vielen Jahren, es war also sehr gut. Ich habe den Punkt gefunden, wo ich im Gleichgewicht ruhen kann, ganz gleich, wie ich mich bewege und wohin der Weg führt. Ich werde nicht mehr verlieren, was ich in dieser Krankheit gefunden habe, und es gehört dazu, dass ich einmal wirklich allein war. Das Komische war, da war ich’s eben nicht mehr, allein. Es ist gleichgültig, ob man das eine religiöse Erfahrung nennt, aber ich weiß jetzt besser, was die Leute meinen, die eine gemacht haben. Die Sicherheit, die FREUDE. Dabei habe ich überhaupt nichts Sicheres, es ist mir alles zwischen den Händen zerronnen, aber diese Hände sind deswegen nicht leer. Ich kann sie fühlen, sie gehören zu mir. Als ich ein Kind war, fühlte ich mich gar nicht; ich habe damals Selbstmord versucht, aber nicht, weil ich sterben wollte, sondern weil ich schon glaubte, tot zu sein. Wenn es dann sehr weh tat, musste doch ein Gefühl kommen, dachte ich, und wär’s nur für einen Augenblick. Nun ist dieser Augenblick immer um mich herum. Ich bin in ihm drin und solange ich dieses Leben spüre, habe ich keine Angst mehr vor dem Tod. Ich werde morgen hier rauskönnen und mich noch eine Weile im Ferienhaus meiner Eltern erholen ... Wenn es dich freut, komm, oder komm nicht, ganz wie du möchtest. Anne.“11 Die grundlegende Bedeutung, die Symbole für unsere Leben haben, zeigt sich besonders in Lebenskrisen: Die Erfahrung, die die Studentin Anne in einer solchen Krise macht, beschreibt sie als „Ruhen im Gleichgewicht“ und „Freude“. Ihre neuen Erfahrungen bestehen vor allem aus Gefühlen, wobei offen bleibt, ob es sich dabei um eine „religiöse Erfahrung“ handelt oder nicht. Das „Sprachbild“, das ihrer Erfahrung am besten entspricht, ist das der „vollen Hände, auch wenn man mit leeren Händen dasteht“. „Die Erfahrung, mit leeren Händen dazustehen, hat ihr bisheriges Leben gekennzeichnet. Sie wurde nicht gebraucht, fühlte sich nicht anerkannt, wertlos; alles zerrann, es gab nichts Sicheres. Jetzt – in einem Augenblick – macht sie die Erfahrung, dass die leeren Hände nicht mehr leer, sondern gefüllt sind, auch wenn alles weggeflossen ist. Die geschenkweise gefüllten Hände symbolisieren erfülltes Leben.“12 An Annes Brief lassen sich zwei weitere Kennzeichen von Symbolen verdeutlichen:

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Adolf Muschg, Noch ein Wunsch. Frankfurt am Main 1981, S. 71f

12 Peter Biehl, Symbole geben zu lernen, S. 49

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5. Symbole erschließen tiefere Dimensionen der inneren Wirklichkeit und eröffnen damit zugleich neue Möglichkeiten des Umgangs mit der äußeren Wirklichkeit

Symbole verbinden die innere und die äußere Wirklichkeit, Bewusstes und Unbewusstes. Sie leben davon, dass das Unbewusste immer wieder Inhalte freigibt, die vom (bewussten) Ich aufgenommen und verarbeitet werden können. Symbole haben eine didaktische Brückenfunktion. Durch das Symbol gelingt eine Korrelation zwischen den Selbsterfahrungen der am Lernprozeß unmittelbar Beteiligten und zentralen Inhalten der christlichen Überlieferung. Eine besondere Bedeutung kommt bei dieser Vermittlung den elementaren Symbolen zu. Sie können nämlich das Kind wie den Erwachsenen auf seine Erfahrung hin ansprechen und zugleich eine Brücke zu den Erfahrungen schlagen, die biblischen Texten zugrundeliegen. Zu den elementaren Symbolen gehören wichtige menschliche Organe (wie Herz, Auge, Hand), – wichtige Bezugspersonen (wie Mutter, Vater, Schwester, Freund) und Grundgegebenheiten des Lebens (wie Licht und Finsternis, Weg, Baum, Wasser, Haus usw.). So spricht die Lichtsymbolik das Bedürfnis nach Orientierung und erhellt sein des Daseins, nach Wahrheit an; die Wegsymbolik bringt die Spannung des Lebens zwischen Heimat und Unterwegssein, zwischen Dauer und Wandlung zum Ausdruck. Solche Erfahrungen verbinden uns trotz des geschichtlichen Wandels in je unterschiedlicher kultureller und lebensgeschichtlicher Brechung mit den Menschen der Bibel.

6. Symbole haben schliesslich eine ambivalente Wirkung

Sie können lebendig machen, und sie können die Lebendigkeit blockieren; sie können ermutigen und Angst erzeugen. Gerade der Brief Annes zeigt, dass Klischees krank machen, während Symbole heilen können. Darum ist es – unter religionspädagogischem Aspekt – besonders aufschlussreich, genauere Einsichten in den Prozess des „Absinkens“ mehrdeutiger Symbole zu eindeutigen „Zeichen“ und in den Prozess der Verwandlung der Symbole in Idole zu gewinnen. Nur wenn es gelingt, die Symbolkraft der Symbole zu erhalten, lassen sich ihre positiven Aspekte aktivieren. Gerade deshalb ist es auch wichtig, „Bilder loszulassen, weil sich Beziehungen verändert haben und das innere Bild nicht mehr mit der gegenwärtigen Realität übereinstimmt“13. Den besonderen Möglichkeiten der Symbole entsprechen bestimmte Gefährdungen. So können gerade die Fülle an Möglichkeit und Bedeutung, die das Symbol repräsentiert und präsentiert sowie die damit verbundene Unbestimmtheit zum Problem werden. Einerseits liegt gerade in der dynamischen Kraft der Symbole, aus der Fülle der Möglichkeiten immer Neues hervorgehen zu lassen, auch ihre didaktische Potenz; andererseits wird da, wo nicht sparsam mit Symbolen umgegangen wird, nicht Erfahrung strukturiert, sondern es zerfließt alles in einer unendlichen Bedeutungsfülle. Der Symbolansatz ist für Irrationalismus und Idolisierung besonders anfällig. Symbole vermögen das zu repräsentieren, was Einzelne oder Gruppen wirklich bewegt; Symbole erfüllen dann ihre Funktion. Wenn diese Repräsentation nicht mehr gelingt, sondern die ursprünglich dynamischen psychischen Prozesse nur noch automatisch, nicht gefühlsverankert ablaufen, werden Symbole zum Klischee: erstarrt, blockierend, maskenhaft, routinisiert statt: lebendig, motivierend, authentisch, kreativ. Wenn die Chancen der Symboldidaktik nicht verspielt werden sollen, ist eine kritische Symbolkunde zu entwickeln, in der die vorgegebenen Möglichkeiten der Symbole mit einer theologischen und ideologiekritischen Urteilsbildung komplementär verbunden sind. Ricoeurs dialektische Formel „Symbole geben zu denken“ trifft die Situation des Religionsunterichts genau.

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Vgl. Kohler-Spiegel Helga, Erfahrungen des Heiligen, S 84

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Fassen wir zusammen:

1. Symbole haben Hinweis-Charakter. Sie fassen anschaulich zusammen, „was Sache ist“. Dabei wird oft ein Teil für das Ganze gesetzte (pars pro toto). Komplexe Erfahrungen und Zusammenhänge lassen sich so einfach und leicht verständlich kommunizieren.

2. Symbole verweisen nicht nur auf eine andere Wirklichkeit, sie repräsentieren und vergegenwärtigen sie.

Denn das, worauf verwiesen wird, wird zugleich verkörpert und verbürgt. Symbole sind sinnlich erfahrbar. Mit Symbolen zu arbeiten, ist darum ein ganzheitlicher Vorgang.

3. Zeichen werden erst dann zu Symbolen, wenn sie von einer Gemeinschaft anerkannt werden und damit sozial eingebettet sind.

Dann können sie der Kommunikation dienen, Gemeinschaft stiften und Orientierung geben. Symbole sind Gemeinschaft stiftende Mitteilungen.

4. Symbole haben ihre Zeit, sie sind geschichtlich und gesellschaftlich bedingt. Schwindet ihre soziale Anerkennung, sterben sie ab, werden zu Klischees oder Idolen. Eine wichtige pädagogisch-theologische Aufgabe ist darum, den Sinngehalt wichtiger Grundsymbole des Lebens und Glaubens immer wieder neu zu vergegenwärtigen.

5. Symbole erschließen tiefere Dimensionen der inneren Wirklichkeit und eröffnen damit zugleich neue Möglichkeiten des Umgangs mit der äußeren Welt.

Sie sind Ausdruck von Erfahrungen, die begrifflich nur schwer ausgedrückt werden können und darum einen bildhaften Ausdruck brauchen. Sie machen solche Erfahrungen erkennbar und steigern ihre Bewusstheit. Es mag sein, dass alle wirklich wichtigen Erfahrungen (Freundschaft, Liebe, Glaube ...) geradezu darauf angewiesen sind, durch Symbole ausgedrückt zu werden!

6. Symbole vereinen Gegensätze. Darum sind sie durchaus ambivalent: Sie können lebendig machen und die Lebendigkeit blockieren; sie können ermutigen und Angst erzeugen. Durch ihre Form meistern und bannen Symbole, was den Menschen sonst überwältigen und zerstören könnte. Unsagbar Schönes und unsagbar Schreckliches kann so ausgedrückt und in das eigene Leben integriert werden.

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7. Korrelation als didaktisches Prinzip für die Umsetzung im RU

Der Begriff „Korrelation“ stammt nicht aus der Religionsdidaktik. Er ist ein sozialwissenschaftlicher

Begriff und meint „etwas in ein Verhältnis bringen“, „etwas in Beziehung setzen“. Das Prinzip der

Korrelation wurde ursprünglich von Paul Tillich so benannt und von Edward Schillebeeck theologisch

weitergeführt, d.h. von der systematischen Theologie übernommen.

Im Grunde ist korrelative Religionsdidaktik eine spezifische theologische Denk- und Handlungsweise.

Wer Erfahrung ernst nimmt, muss dies in zwei Richtungen tun: er muss die eigene Lebens- und

Glaubenserfahrung ernst nehmen und er muss die „Vorerfahrungen“ des christlichen Glaubens ernst

nehmen. Er muss darüber hinaus beide miteinander in Beziehung setzen.

Gottes Wahrheit ist niemals nur mit menschlichen Erfahrungen gleichzusetzen: sie irritiert und bricht

menschliche Sicherheiten auf. Gleichzeitig ist sie als Wahrheit für uns Menschen und um unseres

Heils willen niemals ohne den menschlich gesellschaftlichen Erfahrungskontext zu denken und zu

formulieren. Er unterscheidet zwischen alltäglichen Routineerfahrungen einerseits, die kaum eine

offenbarende Kraft in sich tragen, und andererseits den tiefen existentiellen Erfahrungen von Sinn,

Liebe, Freiheit, aber auch von Ohnmacht, Krankheit, Leid und Tod; sie alle haben eine offenbarende

Stärke. Der elementare Gehalt des Christentums ist kein abstraktes Denk- und Lehrsystem, sondern

befreiende Wahrheit für uns Menschen: eine Wahrheit, der die Glaubenden ihre Identität, ihre

Orientierung und ihre Hoffnung verdanken.

Eine Didaktik der Korrelation zielt also auf das Mit-, Zu- und Ineinander von Welterfahrung und

Glaubenserfahrung, von Glaubensüberlieferung und menschlicher Erfahrung. Es geht darum, dabei

zu sein, teilzuhaben, Erfahrungen müssen mitgeteilt und vorgestellt werden, soll es zu einem

Erfahrungsaustausch kommen. Treibende Kraft dieser kritisch-produktiven Wechselbeziehung ist die

Sinnfrage, die in allen Einzelerfahrungen nach dem Ganzen, der sinnstiftend integrierenden Mitte

fragt. Und Ziel der Korrelation ist das Herausarbeiten des in Welt- und Glaubenserfahrung

gemeinsam Enthaltenen, das Bemühen, die Botschaft des Glaubens, die uns stets vorausliegt, in

zeitbedingter Gestalt zu ergreifen und weiterzugeben. Die – herkömmliche – Trennung zwischen

Lebens- und Glaubensthemen ist mit einer konsequent korrelativen Religionsdidaktik eigentlich

überwunden. Symbole dienen der Verbindung (dem „Zusammenwerfen“) dieser unterschiedlicher

Ebenen. Wer Symbole erschliessen und verstehen will, muss sich:

mit einer differenzierenden Wahrnehmung ihrer Gestalt, ihres Gehalts wie ihres Gebrauchs

auseinandersetzen.

von Ihnen beeindrucken lassen, um ihres Inhalts, ihrer „Botschaft“ gewahr zu werden.

Dazu beitragen können:

Wahrnehmungsübungen (Eindruck), das unbesonnen erlebte (z. Bsp. Essen) zu besonderer

Erfahrung werden lassen.

Methoden: produktive Verlangsamung, ausgestaltetes Erzählen, Re-Symbolisierung durch

handlungsorientierte originale Begegnung (verdichtete Glaubenserfahrung wieder

verflüssigen). Bsp. Brot der Welt – Brot backen.

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Deutung: selbst interpretieren lassen, erstes Wahrnehmen und spontane Deutung hängen

eng zusammen.

Voraussetzung zur Korrelation als didaktisches Prinzip

Die Korrelation bedarf einiger Grundvoraussetzungen. Der Lehrende versteht sich auch als

Lernenden, als Begleitender der Kinder. Er ist interessiert an den Fragen und den Antworten der

Kinder. Er geht vom Leben der Kinder aus und ist überzeugt, darin einen grossen Schatz an religiöser

Erfahrung zu entdecken. Korrelation bedarf Kreativität und verlangt ein sich verabschieden von fixen

Glaubenssätzen und Theologien. Wenn Glaube lebensrelevant werden soll, dann muss er sich als

Raum erweisen, in dem Menschen die helfende und heilende Präsenz des Christlichen erfahrbar

werden kann. Gott wird vernehmbar, wenn Menschen es lernen, ihren Blick zu weiten und ihre

Wahrnehmung für lebenswichtige Zusammenhänge zu schärfen. Hier gewinnt Korrelationsdidaktik

ihren Sinn: Korrelieren-Lernen als Fragen-Lernen.

Sie muss im Schulalltag scheitern, wenn und solange Schülerinnen nichts mehr mit Gott

zusammenbringen können, wenn sie nicht mehr wissen, worauf sie das Wort Gottes beziehen

können. Wenn das Wort Gott verbraucht ist, besetzt von Menschen, welche suspekt erscheinen und

wenn ich es in meiner Biografie nur als in beängstigenden Situationen gehört und als erzieherische

Massnahme erlebt habe werde ich Mühe haben, Gott in diesem vollen und wunderbaren Leben zu

entdecken. Gott ist nichts jenseitiges sondern auch ein sehr da seiendes. Korrelation ist überzeugt,

dass die Gott in der Welt wirksam ist, in der Kommunikation, in Bildern, in Medien und in den

Biografien der Menschen.

Glauben-Lernen ist von diesen elementar menschlichen Kommunikationsvorgängen natürlich nicht

ausgenommen. Dem Glauben Ausdruck zu verleihen, ist Kommunikation. Persönliche und

verbindende Symbole zu entwickeln und darüber auszutauschen ist die Sprache des Glaubens.

Das eigentliche Ziel gläubiger Kommunikation muss sein, die Erfahrung gelebten Glaubens

miteinander zu teilen, in Worten, Symbolen, Bildern, Musik, Ritualen usw…

Korrelation in der Symboldidaktik

Korrelation soll die Ebenen des Lebens und die Ebenen des Glaubens zusammenführen. Nach der

Zielsetzung der Korrelation geht es wesentlich darum, das Leben in Verbindung mit Gott zu deuten,

auf Gott hin durchsichtig zu machen. Es geht quasi um eine Zusammenschau zwischen dem Leb en

und Gottes Gegenwart darin. Ein Leben, das mit Gott korreliert wird mit Gott verbunden. Laut Günter

Lange spielt sich unser Leben auf drei Ebenen ab:

1. Die Wirklichkeitsebene (x)

z. Bsp. ein Unfall, eine Begegnung mit einer Freundin, einem Freund. Es ist nicht „alles“, nicht das

Ganze des Geschehens.

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2. Die Sinnebene (y)

z. Bsp. der Schock, die Angst beim Unfall oder auch das Glück, die Hoffnung in der Begegnung zweier

Menschen in der Freundschaft. Dabei kommt verdichtet Vergangenheit, Gegenwart und möglich

Zukünftiges zusammen. Die Sinnebene steht für alles, was verdankt wird, was nicht messbar,

greifbar, herstellbar, bezahlbar und doch für das Leben wichtig ist: Sie ist die Dimension des „Mehr

als“ und gipfelt im Motto: „Es muss im Leben mehr als alles geben“. (A. de Saint-Exupéry)

3. Die Glaubensebene (z)

z. Bsp. den Autounfall in Verbindung setzen mit dem Gehaltensein in Gott (siehe Psalm 139). Die

Begegnung in der Freundschaft als Zeichen des Heils verstehen, als Zeichen auch der Geborgenheit in

Gott.

Hier folgen einige Beispiele für praktisch angewandte Korrelation in der Symboldidaktik. Beachtet

muss auch hier werden, dass alle Gegenstände individuell gedeutet werden uns so auch

unterschiedliche Bedeutungen haben können. Siehe dazu das Symbol „Kreuz“.

Wirklichkeitsebene

Sinnebene

Glaubensebene

Buch / Kirchenlieder Lieder Lernen und Entdecken

/ etwas Wissen wollen

Singen ist doppelt

gebetet

Teddy Spielzeug kleiner Kinder Vertrauen / Trost Trost erfahren in

Krisen

Hammer Werkzeug Etwas bewirken

können /

Zusammenfügen

Die Wirksamkeit und

Hilfe von aussen

erfahren /

Veränderungen

Luftbalg Holzfeuer zum Brennen

bringen

Zusammensein Feste feiern / Wärme

erhalten

Regenschirm Schirm gegen Regen Schutz Geborgenheit /

Schutzmantel

Kreuz (1) Folterinstrument Leiden Das Kreuz auf sich

nehmen und tragen

Kreuz (2) Zwei zusammengefügte

Balken

Verbindung zwischen

Himmel und Erde

Auferstehung,

Verbundenheit mit

anderen Christen

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Grundlagen dieses Skripts:

Skript von Volkmar Hamp

aus: www-theol.uni-graz.at/cms/dokumente

Otto Betz, Elementare Symbole, Zur tieferen Wahrnehmung des Lebens, Herder

Peter Biehl: Elementare Symbole, zur tieferen Wahrnehmung des Lebens, Herder

Peter Biehl: Die Chancen der Symboldidaktik nicht verspielen. Kritische Symbolkunde im Religionsunterricht, in:

Religion heute 3/1986, 168–173

Hubertus Halbfas, Das dritte Auge, Religionsdidaktische Anstösse, Patmos