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Gibt man derzeit im Internet unter der Suchmaschine google die vier Buch- staben „rfid“ an so erzielt man sage und schreibe mehr als 7.600.000 Tref- fer. Präzisiert man diese vier Buchstaben in englischer Sprache unter radio frequency identifikation so bleiben noch mehr als 3 Millionen Treffer über und in der deutschen Übersetzung Radio Frequenz Identifikation finden sich schließlich knapp 10.000 Links zu entsprechenden Dokumenten. Was ist dran an diesem anscheinend so faszinierendem Wort? Wieso überschla- gen sich auf einmal die Informationen zu einer Technik, die gar nicht wirk- lich neu ist? > Die Radio Frequenz Identifikation, kurz RFID ist eine berührungslose Da- tenübertragung auf der physikalischen Basis elektromagnetischer Wechselfel- der. In jüngster Zeit wurde auch der Handel auf diese Technologie aufmerk- sam, die so viele Potentiale verspricht. Seitdem Großhändler wie Wal-Mart in den USA, Metro in Deutschland und Tes- co in Großbritannien, aber auch Behör- den wie das US-Verteidigungsministeri- um RFID zur Schlüsseltechnologie er- klärt haben und ihre Lieferanten zum Einsatz verpflichten, überbieten sich die Marktprognosen. Marktforschungs- unternehmen wie Forrester Research oder Soreon prognostizieren überpro- portionale Wachstumsraten in der Chip- produktion von derzeit ca. 2–3 Mrd. Stück auf 45 Mrd. Stück in 2009 (Forres- ter Research) bzw. Umsatzentwicklun- gen im europäischen Markt von heute ca. 600 Mio. Euro auf über 2,5 Mrd. Euro im Jahre 2008 (Sorreon). Die RFID-Technologie hat unbestrit- ten große Stärken im Vergleich zu den bestehenden Identifikationstechniken. Zu den Vorteilen zählen u. a. berüh- rungslose Identifizierung ohne Sichtver- bindung, Erfassung mehrerer Produkte gleichzeitig (Pulkerfassung), variable Da- tenspeicherung und hohes Speichervo- lumen, wiederholbare Beschreib- und Lesbarkeit, Wiederverwendbarkeit, Lang- technik> Logistik 152 neue verpackung> 04.2005 Technik mit Potential RFID als Zauberformel in der Verpackung? einbezogen. Mit Transpondern aus- gestattete Produktverpackungen wer- den – mit Ausnahme sehr hochwertiger Produkte – dagegen noch einige Zeit auf sich warten lassen. „Intelligent“ wird die Verpackung in dem Moment, wo aufgebrachte Trans- ponder nicht nur eine einfache Nummer mit sich tragen, sondern zusätzliche lo- gistische Informationen speichern, etwa zum Absender und Empfänger, Lagerort, Kundenauftrag oder der vorgesehenen Transportroute. Diese Transponder sind heute schon verfügbar, allerdings auch mit höheren Kosten verbunden. Ihr Ein- satz wird zukünftig die Philosophie der logistischen Steuerung in Richtung einer Vielzahl autonomer, selbstgesteuerter Systeme entwickeln, welche die »Intelli- genz« des RFID-Chips vor Ort nutzen. RFID und Nutzenpotenzial Um die Schere zwischen Theorie und Praxis zu schließen, zukunftsorientierte Forschungs- und Entwicklungsarbeit zu leisten sowie anwendungsbezogene Umsetzung zu gewährleisten, wurde vom Fraunhofer Institut das openID- center die offene Integrationsplattform für Identifikationssysteme gegründet. (siehe www.openID-center.de). Im open- ID-center wird die RFID-Technologie auf- gegriffen und deren Nutzenpotenziale im innerbetrieblichen Materialfluss und auf Seiten der überlagerten (Software-) Applikationen untersucht und demons- triert. Die Schwerpunkte im openID-center lassen sich in die Bereiche »logistics on RFID Etikett von Omron. * Dr. Volker Lange ist Leiter Verpackungs- und Han- delslogistik, AutoID- und RFID-Systeme; Dipl.-Ing. Philip Griesenbeck ist Mitarbeiter in der Ver- packungs- und Handelslogistik, Fraunhofer Institut Materialfluss und Logistik (IML), Dortmund. lebigkeit und hohe Resistenz, Möglich- keit zur Echtzeitfähigkeit und damit ver- bunden die Minimierung menschlicher Einflüsse. Allerdings sind auch Schwä- chen zu verzeichnen wie die derzeitig noch hohen Kosten der Transponder (Passive Transponder: 0,20 – 0,80 €), noch teilweise offene Standardisierun- gen für eine unternehmensübergreifen- de Nutzung, Reichweiten passiver Trans- ponder, physikalische Grenzen von RFID bei Metallen und Flüssigkeiten, eine Ausrichtung der Transponder und ggf. infrastrukturelle Änderungen von Struk- turen und Prozessen. (siehe Bild Stärken und Schwächen von RFID-Transpon- dern). Die Verpackung nimmt an dieser Stelle eine Schlüsselposition ein. Als Trä- ger des Transponders ist sie in ihrer Funktionalität in starkem Maße gefor- dert. Dabei muss die Verpackung immer in Wechselwirkung zum transportierten Gut betrachtet werden, da die Eigen- schaften des Gutes die Leistung des Sys- tems in erheblichem Umfang beeinflus- sen. Aufgrund der Komplexität der Ein- flussparameter und der teilweise feh- lenden Leistungsfähigkeit der RFID-Sys- teme starten die derzeitigen Anwen- dungen im Handel auf der Ebene der Pa- letten bzw. Ladeeinheiten. Die Ebene der Handelseinheiten (Transport- und Um- verpackungen) wird die nächsten Schritt

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Page 1: Technik mit Potential RFID als Zauberformel in der · PDF fileGibt man derzeit im Internet unter der Suchmaschine google die vier Buch-staben „rfid“ an so erzielt man sage und

Gibt man derzeit im Internet unter der Suchmaschine google die vier Buch-staben „rfid“ an so erzielt man sage und schreibe mehr als 7.600.000 Tref-fer. Präzisiert man diese vier Buchstaben in englischer Sprache unter radio frequency identifikation so bleiben noch mehr als 3 Millionen Treffer über und in der deutschen Übersetzung Radio Frequenz Identifikation finden sich schließlich knapp 10.000 Links zu entsprechenden Dokumenten. Was ist dran an diesem anscheinend so faszinierendem Wort? Wieso überschla-gen sich auf einmal die Informationen zu einer Technik, die gar nicht wirk-lich neu ist?

> Die Radio Frequenz Identifikation, kurz RFID ist eine berührungslose Da-tenübertragung auf der physikalischen Basis elektromagnetischer Wechselfel-der. In jüngster Zeit wurde auch der Handel auf diese Technologie aufmerk-sam, die so viele Potentiale verspricht. Seitdem Großhändler wie Wal-Mart in den USA, Metro in Deutschland und Tes-co in Großbritannien, aber auch Behör-den wie das US-Verteidigungsministeri-um RFID zur Schlüsseltechnologie er-klärt haben und ihre Lieferanten zum Einsatz verpflichten, überbieten sich die Marktprognosen. Marktforschungs-unternehmen wie Forrester Research oder Soreon prognostizieren überpro-portionale Wachstumsraten in der Chip-produktion von derzeit ca. 2–3 Mrd. Stück auf 45 Mrd. Stück in 2009 (Forres-ter Research) bzw. Umsatzentwicklun-gen im europäischen Markt von heute ca. 600 Mio. Euro auf über 2,5 Mrd. Euro im Jahre 2008 (Sorreon).

Die RFID-Technologie hat unbestrit-ten große Stärken im Vergleich zu den bestehenden Identifikationstechniken. Zu den Vorteilen zählen u. a. berüh-rungslose Identifizierung ohne Sichtver-bindung, Erfassung mehrerer Produkte gleichzeitig (Pulkerfassung), variable Da-tenspeicherung und hohes Speichervo-lumen, wiederholbare Beschreib- und Lesbarkeit, Wiederverwendbarkeit, Lang-

technik> Logistik 152

neue verpackung> 04.2005

Technik mit Potential

RFID als Zauberformel in der Verpackung?

einbezogen. Mit Transpondern aus-gestattete Produktverpackungen wer-den – mit Ausnahme sehr hochwertiger Produkte – dagegen noch einige Zeit auf sich warten lassen.

„Intelligent“ wird die Verpackung in dem Moment, wo aufgebrachte Trans-ponder nicht nur eine einfache Nummer mit sich tragen, sondern zusätzliche lo-gistische Informationen speichern, etwa zum Absender und Empfänger, Lagerort, Kundenauftrag oder der vorgesehenen Transportroute. Diese Transponder sind heute schon verfügbar, allerdings auch mit höheren Kosten verbunden. Ihr Ein-satz wird zukünftig die Philosophie der logistischen Steuerung in Richtung einer Vielzahl autonomer, selbstgesteuerter Systeme entwickeln, welche die »Intelli-genz« des RFID-Chips vor Ort nutzen.

RFID und Nutzenpotenzial

Um die Schere zwischen Theorie und Praxis zu schließen, zukunftsorientierte Forschungs- und Entwicklungsarbeit zu leisten sowie anwendungsbezogene Umsetzung zu gewährleisten, wurde vom Fraunhofer Institut das openID-center die offene Integrationsplattform für Identifikationssysteme gegründet. (siehe www.openID-center.de). Im open -ID-center wird die RFID-Technologie auf-gegriffen und deren Nutzenpotenziale im innerbetrieblichen Materialfluss und auf Seiten der überlagerten (Software-) Applikationen untersucht und demons-triert.

Die Schwerpunkte im openID-center lassen sich in die Bereiche »logistics on

RFID Etikett von Omron.

* Dr. Volker Lange ist Leiter Verpackungs- und Han-delslogistik, AutoID- und RFID-Systeme; Dipl.-Ing. Philip Griesenbeck ist Mitarbeiter in der Ver-packungs- und Handelslogistik, Fraunhofer Institut Materialfluss und Logistik (IML), Dortmund.

lebigkeit und hohe Resistenz, Möglich-keit zur Echtzeitfähigkeit und damit ver-bunden die Minimierung menschlicher Einflüsse. Allerdings sind auch Schwä-chen zu verzeichnen wie die derzeitig noch hohen Kosten der Transponder (Passive Transponder: 0,20 – 0,80 €), noch teilweise offene Standardisierun-gen für eine unternehmensübergreifen-de Nutzung, Reichweiten passiver Trans-ponder, physikalische Grenzen von RFID bei Metallen und Flüssigkeiten, eine Ausrichtung der Transponder und ggf. infrastrukturelle Änderungen von Struk-turen und Prozessen. (siehe Bild Stärken und Schwächen von RFID-Transpon-dern).

Die Verpackung nimmt an dieser Stelle eine Schlüsselposition ein. Als Trä-ger des Transponders ist sie in ihrer Funktionalität in starkem Maße gefor-dert. Dabei muss die Verpackung immer in Wechselwirkung zum transportierten Gut betrachtet werden, da die Eigen-schaften des Gutes die Leistung des Sys-tems in erheblichem Umfang beeinflus-sen. Aufgrund der Komplexität der Ein-flussparameter und der teilweise feh-lenden Leistungsfähigkeit der RFID-Sys-teme starten die derzeitigen Anwen-dungen im Handel auf der Ebene der Pa-letten bzw. Ladeeinheiten. Die Ebene der Handelseinheiten (Transport- und Um-verpackungen) wird die nächsten Schritt

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demand« und »realtime logistics« unter-scheiden. Im Mittelpunkt von »logistics on demand« stehen die Themen (Mehr-weg-) Verpackungs-Management, Rück-verfolgbarkeit und Application Service Providing ASP. Gegenstand der Arbeiten, die unter dem Titel »realtime logistics« durchgeführt werden, ist die Erbringung des Nachweises, dass die Steuerung ei-nes innerbetrieblichen, automatisierten, materialflusstechnischen Systems ohne zentrale Steuerungsinstanz und auf -Ba-sis autonomer Systeme und echtzeit-naher, internetbasierter Kommunikation erfolgen kann.

RFID und Mehrweg

Für das (Mehrweg-) Verpackungs-Ma-nagement bietet die RFID-Technologie erhebliche Potentiale. Durch die Anbrin-gung der RFID-Transponder an der Ver-packung kann die Begleitung der Pro-duktes über die gesamte Logistikkette gewährleistet werden. Aufgrund der derzeitigen Kostensituation auf dem Transpondermarkt bieten sich für die Untersuchungen insbesondere Mehr-weg-Transportverpackungen aus folgen-den Gründen an:

Sie stellen für den Besitzer einen Wertgegenstand dar, dessen Verlust zu hohen Ersatzbeschaffungen führt. Eine Behälterverfolgung mit Hilfe eines

Transponders sichert Eigentum und Rückverfolgbarkeit. Mehrwegsysteme implizieren das Durchlaufen mehrer Zy-klen (häufiges Befüllen, Versenden, Zu-rückbringen), innerhalb derer ein einge-bettetes System immer wieder beschrie-ben und gelesen werden kann. Damit re-duzieren sich die anteiligen Kosten für den Tag und zusätzliche Informationen, die den gesamten Lebenszyklus betref-fen, können gespeichert werden.

Für das Mehrweg-Management bie-tet die RFID-Technologie also erhebliche Vorteile: > Verursachungsgerechte und exakte

Ermittlung von Nutzungszeiten ( Um-laufentgeld) und Umlaufzahlen (Repa-ratur- und Erneuerungsintervalle)

> Beschleunigte und automatisierte Er-fassung und Sortierung

> Transparente Bestände über alle Sta-tionen der Logistikette

> Informationen über die vorherige Nut-zung von Mehrwegverpackungen zur verbesserten Rekonditionierung / Rei-nigung

> Bestimmung von Eigentumsverhält-nissen in offenen Poolsystemen

> Überblick über mögliche Fremdnut-zung der Mehrwegverpackungen

Problemfeld bei vielen derzeitigen Syste-men sind fehlende oder mangelhafte Verwaltungs- und Verfolgungssysteme. Diese Intransparenz führt einerseits zu

deutlichen Leistungseinbußen und an-dererseits zu vielfach hohen Schwund- und Diebstahlquoten. Durch die RFID-Technologie wird ein durchgängiges Track ing & Tracing von Transportver-packungen ermöglicht und damit allen Beteiligten die erforderlichen Zeit-, Ort- und Mengeninformationen echtzeitnah bereitgestellt. Der Transponder erfüllt damit eine doppelte Funktion. Er ist In-formationsträger für die verpackten Pro-dukte und für die Verpackung selbst. Im openID-center werden Softwaresysteme für das intelligente Management von RFID (Mehrweg-) Verpackungssystemen realisiert. Dies betrifft sowohl die einzel-ne Transaktion als auch den vollständi-gen (sich mehrfach wiederholenden) Le-benszyklus der Objekte.

Die RFID-Technologie ist sicherlich keine Zauberformel, aber sie bietet eine Menge an Argumenten, um in strategi-sche Unternehmensentscheidungen einbezogen zu werden. Sicher wird die RFID-Technologie in die Logistik und den Warenverkehr zukünftig stärker Einzug finden.

Auf der diesjährigen Interpack in Düsseldorf ist die RFID-Technologie ein Schwerpunktthema. Am Stand des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik IML, Dortmund kann man sich über die aktuellen Entwicklungen informieren. >|

Stärken und Schwächen von RFID-Transpondern

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