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T H E M E N H E F T F O R S C H U N G

Leichtbau

Univers i tä t S tut tgar t • 2007

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TH E M E N H E FT FORSCH U NG LE ICHTBAU2

Editorial

Impressum

Liebe Leserinnen und Leser,

die dritte Ausgabe des THEMENHEFT FOR-SCHUNG stellt das facettenreiche For-schungsfeld des Leichtbaus vor. Leichtbauist ein Sammelbegriff für eine Vielzahl vonMethoden, Materialien, Produkten undAnwendungsgebieten, die von der Grund-lagenforschung bis in die industriellePraxis reichen. „Es hat“, wie Werner Sobekin seinem Beitrag schreibt, „zu tun mit derÄsthetik des Minimalen, mit der Suchenach dem Unbekannten, und mit demÜberschreiten von durch Wissenschafts-disziplinen gezogenen Grenzen.“ Nachden Forschungsgebieten der Systembio-logie und der Photonik stellt das THE-MENHEFT FORSCHUNG damit erneuteine breite und ausgewiesene Profillinie derUniversität Stuttgart vor, die sich überbestehende Fach- und Organisations-grenzen hinweg ausgebildet hat.

Mit dem dritten Heft der Reihe hat sich einStandard etabliert, der in den weiterenHeften fortgeführt werden soll. Der Dankgeht an alle Autorinnen und Autoren, diesich auf das schwierige Terrain des PublicUnderstanding of Science begeben haben.Das Themenheft Forschung soll aber nichtnur ein Mittel der Öffentlichkeitsarbeitsein, sondern auch als eine Komponenteder Forschungsförderung wirken. Denn

die publizistische Sichtbarmachung derdisziplinen- und organisationsübergreifen-den Forschungsthemen dient auch derinternen Selbstverständigung. Nicht im-mer gibt es auf der Arbeitsebene ausrei-chend Zeit und Gelegenheit zum Aus-tausch, trotz sachlicher Nähe. In diesemSinne ruft die Redaktion des Themen-heftes besonders auch junge Wissenschaft-lerinnen und Wissenschaftler dazu auf,neue Gebiete und Felder anzusteuern undvorzustellen, die zwar schon entdeckt,aber noch nicht erkundet sind. •

Dr. Ulrich Engler

Das Themenheft Forschung wird herausgegeben im Auf-trag des Rektorats der Universität Stuttgart.

Konzeption und Koordination Themenheft For-schung: Ulrich Engler, Tel. 0711/6858-2205, E-Mail: [email protected]

Wissenschaftlicher Koordinator Leichtbau:Klaus Drechsler

Autoren Leichtbau: Horst Bansemir, Klaus Drechsler,Horst Friedrich, Rainer Gadow, Ingo Karb, RainerKehrle, Frank Kern, Jan Knippers, Gundolf Kopp, BerndKröplin, Konstantin von Niessen, Roland Schöll, WernerSobek, Martin Wenzelburger, Volker Witzel

Titelseite und Grundlayout Themenheft Forschung:Zimmermann Visuelle Kommunikation, Gutenberg-straße 94 A, 70197 Stuttgart

Druck und Anzeigenverwaltung: Alpha Informations-gesellschaft mbH, Finkenstraße 10, 68623 Lampertheim,Tel. 06206/939-0, Fax 06206/939-232, Internet: http://www.alphawerbung.deVerkaufsleitung: Peter Asel

© Universität Stuttgart 2007 ISSN 1861-0269

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G R USSWORT 3

Grußwort des Rektors

Die aktuelle Ausgabe des THEMENHEFTFORSCHUNG zeigt, dass der Leichtbau ander Universität Stuttgart ein besonderesdisziplinenübergreifendes Schwerpunkt-thema darstellt. Im gegenwärtigen ökono-mischen Kontext knapper Ressourcen undunter dem Gesichtspunkt langfristigerNachhaltigkeit erweist sich das flexibleForschungskonzept „Leichtbau“ als einausgewachsenes wissenschaftlichesSchwergewicht. Mit der Arbeit am For-schungsprofil des Leichtbaus stellen dieWissenschaftler der Universität Stuttgartwieder einmal unter Beweis, dass sie ihrOhr am Puls der Zeit haben. Und dies mitTradition: Auch der Leichtbau hat ersteund vielleicht entscheidende Impulse ausStuttgart erfahren. In den Bauten undWerken von Frei Otto überzeugt derLeichtbau als ästhetisches und ökonomi-sches Konzept. In den 90er Jahren habendie Wissenschaftler der UniversitätStuttgart mit dem damaligen Sonder-forschungsbereich „Natürliche Kon-struktionen“ bundesweit Maßstäbe gesetzt.

Auch die heutigen Arbeiten zeigen, dass dieNatur ein anregender Ausgangspunkt fürKonstruktionen und Konzepte sein kann.Aber sie zeigen auch, wie die ingenieurwis-senschaftlichen Aufgabenstellungen diesenAusgangspunkt aufnehmen und nach wis-senschaftlichen Optimierungen hin über-schreiten müssen. Standen früher die kon-struktiven Formen der Natur dem Wissen-schaftler Modell, so werden heute ihredynamischen Prinzipien in adaptivenStrukturen weiterentwickelt.

Die vorliegende Ausgabe des THEMENHEFTFORSCHUNG kann nur eine Auswahlwiedergeben, und doch beeindruckt dieVielfalt der Anwendungsbereiche desLeichtbaus. Es sind besonders die Faser-verbundstoffe, deren Einsatz in Natur undTechnik dargestellt wird und die alleBereiche des Verkehrs von der Luftfahrt biszu modernen Fahrzeugkonzepten beein-flusst. Aber der stoffliche Leichtbau kennt

noch weitere Materialien, die dem jeweili-gen Anwendungszweck entsprechendmaßgeschneidert werden können. Undschließlich bestimmen die Möglichkeitenmodernen Leichtbaus auch dieArchitektur und das Bauwesen und refor-mieren dabei auch den Prozess desEntwerfens in diesen Bereichen.

Allen Autoren dieses Heftes möchte ich fürihre zusätzliche Mühe danken, ihre wis-senschaftliche Forschungsarbeit verständ-lich in der universitätseigenen Publika-tionsreihe vorzustellen und damit einenwichtigen Beitrag zur Profilbildung derUniversität zu leisten. Mein besondererDank geht an den Kollegen Klaus Drechs-ler, der als wissenschaftlicher Koordinatordes Bandes nicht nur die Autoren aus derWissenschaft, sondern auch die Beiträgeraus der Wirtschaft zur Teilnahme motivie-ren konnte. Ich bin davon überzeugt, dassder Leichtbau an unserer Universität nichtnur eine große Tradition, sondern aucheine viel versprechende Zukunft hat. •

Prof. Dr.-Ing. Wolfram Ressel

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TH E M E N H E FT FORSCH U NG LE ICHTBAU4

InhaltEditorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

Grußwort des Rektors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3Prof. Dr.-Ing. Wolfram Ressel

Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6Leichtbau - Entwicklung, Bedeutung und DisziplinenKlaus Drechsler

Faserverbundstrukturen – Leichtbau in Naturund Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14Klaus Drechsler, Ingo Karb, Rainer Kehrle, Volker Witzel

Leichtbau im Hubschrauber unterBerücksichtigung multifunktionalerEigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22Horst Bansemir

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I N HALT 5

Neue Werkstoffe und Bauweisen für neuartigeFahrzeugkonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32Horst Friedrich, Gundolf Kopp, Roland Schöll

Stofflicher Leichtbau mit Sinterkohlenstoffund Verbundwerkstoffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38Rainer Gadow, Frank Kern, Konstantin von Niessen,Martin Wenzelburger

Neue Wege im Leichtbaui . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52Bernd Kröplin

Faserverbundwerkstoffe in Architektur undBauwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58Jan Knippers et al.

Entwerfen im Leichtbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70Werner Sobek

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Ein Vorteil dieser Bauweise war, dass man dieStrukturen auch mit den damals verfüg-baren Mitteln berechnen konnte. Die Di-mensionierung erfolgte auf Zugbelastung,Druckbelastung und Eulerknicken der Stä-be. Auch die Inspektion und die Reparaturwaren mit einfachen Mitteln möglich. Mitder Entwicklung des Duraluminiums wur-den völlig neue Bauweisen möglich, dievielfältige Gestaltungsmöglichkeiten, z.B.zur Verbesserung der Aerodynamik, boten.Das Wellblechdesign der Ju52 ist ein typi-sches Beispiel hierfür. Neue Verbindungs-techniken wie das Nieten und verbesserteBerechnungsmöglichkeiten, z.B. das Ver-ständnis von Schubfeldern oder der Insta-bilität von Platten, ermöglichten deutlicheLeistungssteigerungen.

Die metallischen Werkstoffe und Fertigungs-verfahren nahmen in den folgenden Jah-

ren eine stürmische Entwicklung, die einekontinuierliche Verbesserung der Flugleis-tungen ermöglichte. Hochfeste Alumini-umlegierungen, Titan, Integralfräsen undoptimierte Gießverfahren sind nur einigeBeispiele. Der nächste große Entwicklungs-sprung war durch die Entwicklung derFaserverbundwerkstoffe möglich. Die be-lastungsgerechte Anordnung von Verstär-kungsfasern in einer Kunststoffmatrixeröffnete dem Designer völlig neue Mög-lichkeiten, z.B. zur Herstellung anisotro-per Werkstoffe mit richtungsabhängigenEigenschaften.

Bahnbrechende Entwicklungen hierzu wur-den in Stuttgart Ende der Fünfzigerjahredurchgeführt. In Zusammenarbeit ver-schiedener Universitätsinstitute und derAkaflieg entstand mit dem „Phönix“ daserste Segelflugzeug aus glasfaserverstärk-

TH E M E N H E FT FORSCH U NG LE ICHTBAU6

LeichtbauEntwicklung, Bedeutung

und Disziplinen

Immer größere Nutzlast bei immer geringerem Flugzeuglärm, immer

höhere Fahrzeugsicherheit bei gleichzeitiger Reduzierung des Kraft-

stoffverbrauchs, immer längere Brückenspannweite bei immer höhe-

rer Tragfähigkeit – wann immer solch widersprüchliche Anforderun-

gen zu erfüllen sind, kommt einer Disziplin eine entscheidende Be-

deutung zu: dem Leichtbau. Besonders gut lässt sich die Entwick-

lung und Bedeutung des Leichtbaus am Beispiel des Flugzeugbaus

darstellen. Zunächst standen als Werkstoff im Wesentlichen nur Holz

und Seide zur Verfügung. Die Flugzeuge bestanden aus Holzfach-

werken, die mit Seide bespannt waren. Später kam Stahl in Form

von Klavierseiten für die Abspannung der Spanntürme und für die

Fachwerkstäbe des Rumpfes hinzu.

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tem Kunststoff. Nicht nur ein geringeresGewicht, sondern vor allem eine verbes-serte aerodynamische Güte öffneten denWeg zu Flugleistungen, die bis dahinundenkbar waren.

Erreichten die ersten Segelflugzeuge nichteinmal Gleitzahlen von 20 (20 KilometerGleitstrecke aus 1.000 Metern Höhe), ka-men die besten Holzflugzeuge auf Wertevon rund 30. Mit der Einführung derFaserverbundwerkstoffe wurden schnellGleitzahlen von über 40 erreicht. DenStand der Technik markiert heute dasSegelflugzeug ETA, das mit Kohlenstofffa-sern und optimierten Fertigungsverfahrenaus 1.000 Metern Höhe ohne Thermikein-fluss nicht weniger als 60 Kilometer glei-ten kann (Gleitzahl 60). Insbesondere diehochsteifen Kohlenstofffasern ermögli-chen trotz extrem dünner, aerodynamischoptimierter Profile und einer Spannweitevon 30 Metern ausreichende Steifigkeiten,um ein Flattern der Tragflügel bei hoherGeschwindigkeit zu verhindern.

Parallel zu den werkstoff- und fertigungs-technischen Entwicklungen wurden auchdie strukturmechanischen Berechnungs-möglichkeiten immer weiter optimiert.Bruchmechanik, Lebensdauervorhersagen,„Post-Failure-Analysis“ oder neue Verfah-ren wie die Methode der Finite Elementeermöglichten eine immer bessere Ausnut-zung der Werkstoffeigenschaften und da-mit eine weitere Gewichtsreduzierung.

Der konsequente Einsatz der Werkstoffe ausder Luft- und Raumfahrttechnik, wie z.B.Hochleistungsfaserverbundwerkstoffe,würde auch im Automobilbau zu gewalti-gen Gewichtseinsparungen, verbundenmit einer Reduzierung des Kraftstoffver-brauchs, führen. Man geht davon aus, dass100 Kilogramm Gewichtsreduzierung zueiner Reduzierung des Verbrauchs um 0,3 bis 0,4 Liter pro 100 Kilometer führt.Studien zeigen, dass ein viersitziger Mittel-klassewagen unter Einhaltung aller Si-cherheitsstandards mit einem Leergewichtvon 500 Kilogramm realisiert werdenkönnte. Dies ist ein Schlüssel zum Ein-literauto. Der Einsatz dieser Werkstoffe inder Großserie scheitert derzeit jedochnoch an den im Vergleich zu Stahl hohenWerkstoffkosten, der aufwändigen Ferti-gung aber auch an den Recyclingmöglich-keiten. Interessante Entwicklungen gibt esjedoch im Bereich der Nischenfahrzeuge.

Hier ist neben dem Leichtbaupotentialauch von großem Interesse, dass die Werk-zeugkosten für die Herstellung von Ver-bundwerkstoffbauteilen im Vergleich zurStahlbauweise sehr niedrig sind.

Ein interessanter Weg ist daher der selektiveEinsatz von Faserver-bundwerkstoffen. Diesführt zu einem„Multimaterial-Design“,das auch im Flugzeugbauimmer wichtiger wird.(03) zeigt beispielsweisedie Vielzahl der Werkstoffeim Airbus A380.

Die neueste Entwicklung imBereich des Leichtbaus ori-entiert sich am Vorbild derNatur und ist mit denSchlagworten „Smart Ma-terials“, Adaptive Struk-turen oder Multifunktio-nale Bauweisen beschrie-ben. Gekennzeichnet sinddiese Leichtbauweisendurch sensorische undaktuatorische Eigenschaf-ten, die eine Anpassungder mechanischen Eigen-schaften oder der Bauteil-form an die jeweiligen An-forderungen ermöglicht.Beispiele sind der adaptiveTragflügel, der dem Vogelnachempfunden ist undeine Anpassung der Struk-tur an die jeweiligen Flug-zustände ermöglicht oderdas adaptive Hubschrau-berrotorblatt, das vor al-lem Lärmreduzierung zumZiel hat.

Ein großes Potential bietetauch die Strukturüberwa-chung („Structural HealthMonitoring“), die daraufberuht, dass Sensoren indie Struktur integriertwerden, die Schäden (Ris-se, Korrosion, Delamina-tionen) erkennen undrechtzeitig vor einem katastrophalenVersagen der Struktur warnen. Dadurchkönnten Sicherheitsfaktoren reduziertund Wartungskosten eingespart werden.

01

Die Geschichte des Flugzeugbaus

02

Leichtbau im Fahrzeugbau

03

Werkstoffe im A380

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Adaptive Bauweisen und integrierte Struk-turüberwachung sind auch wichtige Ent-wicklungsziele in der Architektur und imBauwesen. Völlig neue Funktionalitäten,Erhöhung der Lebensdauer, Reduzierungder Inspektions- und Wartungskosten oder

erdbebensichere Bauten sindnur einige Beispiele hierfür.Die Entwicklung desLeichtbaus im Flugzeugbauführt zu verschiedenenDisziplinen, die generell beider Entwicklung vonLeichtbaustrukturen zuberücksichtigen sind:• Werkstofftechnologie• Fertigungstechnik• Konzeption und Konstruk-

tion• Auslegung und Berech-

nung• Fügetechnik• Wartung• Reparatur

1. Werkstoffleichtbau

Zum Vergleich des Leicht-baupotentials verschiedenerWerkstoffe gibt es sehr an-schauliche Kenngrößen: dieReißlänge und die Dehn-länge. Die Reißlänge mit derEinheit „Kilometer“ gibt bei-spielsweise an, wie lang einStab eines bestimmten Mate-rials, der im Schwerefeld derErde „aufgehängt“ ist, seinkann, bevor er durch seinEigengewicht reißt. TypischeWerte metallischer Werkstof-fe wie Stahl, Aluminium undTitan liegen bei 15 bis 25 km,kohlenstofffaserverstärkteKunststoffe (CFK) erreichenje nach Fasertyp und Faser-orientierung 60–250 km undneueste Werkstoffe auf derBasis der Nanotechnologie(Carbon Nanotubes) errei-chen theoretisch 5.000 km.Dies würde zur Realisierungeines „Space-Elevators“ rei-chen, der an einem Seileinen Satelliten in einer geo-

stationären Bahn fesselt. Die gewichtsspe-zifischen Festigkeiten und Steifigkeitenverschiedener Werkstoffe sind in (05) dar-gestellt.

Bei Faserverbundwerkstoffen ist jedoch zubeachten, dass die mechanischen Eigen-schaften stark von der gewählten Faser-orientierung abhängen. Die hohen Zug-festigkeiten und Steifigkeiten werden nurerreicht, wenn alle Fasern „unidirektio-nal“, das heißt parallel in Belastungsrich-tung, angeordnet werden. Der Konstruk-teur hat damit die Möglichkeit einenWerkstoff so zu gestalten, dass er optimalden Belastungen angepasst ist. Ein hoherAnteil an Fasern in 45-Grad Richtung wirdz.B. gewählt, wenn hohe Schubfestigkei-ten nötig sind.

Dieser Vergleich der Festigkeit und Steifig-keit kann jedoch nur zu einer ersten Ab-schätzung des Leichtbaupotentials ver-schiedener Werkstoffe dienen. In der Praxissind häufig die Temperaturbeständigkeitoder die Medienbeständigkeit zu berück-sichtigen. Auch die Bewertung der Kerb-empfindlichkeit, der Schadenstoleranz, desLangzeitverhaltens oder des Energieauf-nahmevermögens kann zu ganz anderenPotentialaussagen führen.

So sind Kerben in metallischen Werkstoffenbei rein statischer Belastung relativ unkri-tisch, da Spannungsspitzen durch einePlastifizierung abgebaut werden können.Bei dynamischer Belastung können ausge-hend von der Kerbe jedoch relativ schnellRisse entstehen, die zu einem vorzeitigenVersagen führen können. Bei Faserver-bundwerkstoffen gilt dagegen, dass stati-sche Belastungen aufgrund des relativspröden Werkstoffverhaltens eher kritischsind, dafür aber kein Risswachstum beidynamischer Belastung zu befürchten ist.

Ein wichtiger strukturmechanischer Aspektist die Berücksichtigung von Bauraum-beschränkungen. Steht aus funktionalenGründen nur ein begrenzter Platz zurVerfügung, kann durchaus Stahl leichterbauen als Aluminium. Generell kann fest-gestellt werden, dass die Vielfalt der Werk-stoffe ständig zunimmt. Neue Entwicklun-gen aber auch immer weiter steigende An-forderungen führen zu Hybridbauweisen,bei denen verschiedene Aluminiumlegie-rungen (hochfest, schadenstolerant,schweißbar, korrosionsbeständig) z.B. mitverschiedenen Verbundwerkstoffen (glas-faserverstärkt, kohlenstofffaserverstärkt)kombiniert werden.

04

05

06

Leichtbau in der Architektur

Gewichtsspezifische Festigkeit und Steifigkeit verschiedenerWerkstoffe

Metall-Faserverbund-Laminate (GLARE)

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Auch Hybridwerkstoffe, die die positivenEigenschaften verschiedener Werkstoff-klassen in sich vereinen, finden immermehr Bedeutung. Ein Beispiel sind „Fibre-Metal-Laminates“ (z.B. GLARE), bei denenAluminiumfolien und Faserverbundlami-nate miteinander kombiniert werden –siehe (06). Das Resultat sind ausgewogeneFestigkeiten und Steifigkeiten kombiniertmit guten Langzeiteigenschaften, hoherDurchschlagfestigkeit und gutem Durch-brandverhalten.

Bei den Hybridbauweisen gewinnt auch dieVerbindungstechnik eine immer größereBedeutung. Kleben und neue Schweiß-verfahren ermöglichen die Herstellunghochintegraler Bauteile, wobei immer aufdie Kompatibilität der Werkstoffe geachtetwerden muss (z.B. unterschiedliche Wär-meausdehnungskoeffizienten oder Kon-taktkorrosion).

Es gibt jedoch keinen werkstoffoptimiertenLeichtbau ohne Betrachtung der Ferti-gungstechnik und des Gestaltleichtbaus.Ist die erforderliche Wandstärke überhauptherstellbar? Muss man durch die Herstel-lung mit Reduzierungen der Werkstoff-kennwerte rechnen (Beispiel Gussfaktor)?Sind die konstruierten Tiefziehverhältnisseüberhaupt ohne Faltenbildung darstellbar?

Ein typisches Beispiel für die enge Verzah-nung von Werkstofftechnologie und Ge-staltleichtbau sind Sandwichstrukturen,die die Herstellung hochsteifer Leichtbau-strukturen mit vielfältigen zusätzlichenFunktionalitäten ermöglichen. Das Prinzipbesteht darin, auf einen leichten Kern zwei

steife Decklagen zu kleben. Einige Bespielesind in (07) darstellt. Der Kern hat nebender Aufgabe, die beiden Decklagen festund schubsteif zu verbinden, häufig zu-sätzliche Anforderungen, wie akustischeIsolation oder Wärmedämmung, zu erfül-len. Neue Konzepte wieFaltwabensandwich-strukturen ermöglichenzusätzlich eine automati-sierte Fertigung und weite-re Funktionalitäten wieeine Belüftbarkeit.

2. Gestaltleichtbau

Neben der optimalen Werkstoffauswahl istdie geometrische Gestaltung einer Struk-tur ausschlaggebend für das Leichtbau-potential. (08) zeigt dies am Beispiel vonbiegebelasteten bzw. torsionsbelastetenBauteilen.

Die Formoptimierung ist einkomplexer Prozess, beidem es z.B. darum geht,zur Erreichung einer ho-hen Festigkeit möglichsthomogene Spannungenim gesamten Bauteil zuerzeugen. Lokale Span-nungsspitzen können vorallem bei dynamischerBelastung zu einem vor-zeitigen Strukturversagen führen. ZurErzielung hoher Steifigkeiten ist ein mög-lichst hohes Trägheitsmoment erforder-lich. Bei optimierten Leichtbaustrukturen,die in der Regel sehr dünnwandig gestaltetwerden, können aber häufig auch ver-

Lightweight Design has a long history in engineering. Also in aerospace,architecture and automotive industry it has often been the driving force forbig development steps. Advanced materials, design concepts or calculationmethods offered higher payloads, higher safety or better performance.

In materials technology the competition between new metals and for exam-ple composite material leads to optimised hybrid designs. New manufactu-ring methods based on welding or textile technology offer a further weightreduction and manufacturing time reduction. This is the key for an applica-tion of optimised light weight structures also in the automotive industry.Optimised lightweight design requires a multifunctional design, where notonly structural but also functional requirements are met. Advanced sand-

wich structures with high stiffness and additional physical functionalitiesare interesting examples.Big steps forward have been realised by the development of simulation tech-nologies based on the method of finite elements. They can simulate complexmaterial behaviour as well as manufacturing processes. Together withComputer-Aided Design and optimisation tools mighty tools have beendeveloped during the last years in order to support the engineer in develo-ping optimised lightweight structures.

Nevertheless, lightweight design is a highly interdisciplinary process inte-grating material science as well as manufacturing technologies, design andcalculation.

ABSTRACT

07

Verschiedene Sandwichbauweisen fürhochsteife, multifunktionale Leichtbau-strukturen

08

Gewichtsspezifische Eigenschaften verschiedener Strukturen

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schiedene Instabilitätsversagen für die Di-mensionierung Ausschlag geben. So kannbei druckbelasteten Profilen bei be-stimmten geometrischen Verhältnissendas Biegedrillknicken zum Versagenführen. Bei Biegeträgern kann unterUmständen ein Kippen die Tragfähigkeitdeutlich vermindern.

Auch bei den im Flugzeugbau wichtigen ver-steiften Platten können verschiedensteInstabilitätsformen auftreten. Lokales beu-len wird hierbei sogar häufig toleriert. AmBeispiel der Versteifungsprofile für einenVerkehrsflugzeugrumpf kann die Vielfaltund Effektivität der Gestaltungsmöglich-keiten gut verdeutlicht werden – siehe(09).

Neben den strukturmechanischen Betrach-tungen müssen natürlich auch hier wiederfertigungstechnische und funktionaleAspekte berücksichtigt werden. Spätestensbei der Abwägung der Fertigungskostenmüssen häufig Kompromisse zwischenoptimalem Leichtbau und Bauteilkostengefunden werden.

In vielen Fällen sind rohrförmige Hohlstruk-turen aus strukturmechanischer Sichtideal, da sie z.B. im Gegensatz zu Profilenunkritischer in Bezug auf lokale Instabili-täten sind und die höchste Torsionssteifig-keit haben. Im Großserienautomobilbaubietet sich aus fertigungstechnischer Sichtdagegen die Verwendung von gepresstenHalbschalen an, die in einem zweitenSchritt durch Punktschweißen verbundenwerden. Dies ist jedoch aufgrund dernotwendigen Überlappungen mit erheb-lichem Mehrgewicht verbunden.

Auch im Flugzeugbau wären geschlosseneProfile strukturmechanisch von Vorteil(z.B. Omega-Profile anstatt T-Profilen).Nachteilig sind jedoch die schlechte Inspi-zierbarkeit und die Gefahr der Bildungvon Kondenswasser. Aus diesen Beispielenwird schon erkennbar, dass der Gestalt-leichtbau untrennbar mit den anderenDisziplinen wie der Fertigungstechnik ver-bunden ist.

3. Fertigungstechnik

Nirgends wird der ständige Wettstreit zwi-schen optimalem Leichtbau und vertretba-ren Kosten deutlicher als bei der Ferti-

gungstechnik. Man kann davon ausgehen,dass ein Kilogramm eingespartes Gewichtim Automobilbau lediglich rund fünf EuroMehrkosten verursachen darf. Im Flug-zeugbau können es schon einige HundertEuro und in der Raumfahrt sogar einigeTausend Euro sein.

Das Ziel ist daher in jedem Fall eine mög-lichst kostengünstige, automatisierbareFertigung, die dennoch das theoretischeLeichtbaupotential der eingesetzten Werk-stoffe optimal nutzt und möglichst großeGestaltungsmöglichkeiten bietet. Vongroßem Interesse sind insbesondere Ferti-gungsverfahren, die die Herstellung hoch-integraler, endkonturnaher Bauteile ineinem Schritt ermöglichen, um folgendeMontage- und Nachbearbeitungsschrittezu minimieren.

Im Bereich der metallischen Bauweisen wur-den hierzu beispielsweise interessante Ent-wicklungen zum Gießen durchgeführt.(10) zeigt beispielsweise eine im Feinguss-verfahren hergestellte Tür eines Verkehrs-flugzeuges. Im Vergleich zur konkurrie-renden Differentialbauweise konnte dieZahl der Einzelteile und damit die Mon-tagekosten drastisch reduziert werden.

Man muss jedoch berücksichtigen, dassIntegralstrukturen schwieriger zu reparie-ren und die Werkzeugkosten deutlich hö-her sind. Daher sind die neuen Entwick-lungen im Bereich der Fügetechnik vongroßer Bedeutung. Laserstrahlschweißenhält im Automobil- und im Flugzeugbauimmer mehr Einzug, und neue Verfahrenwie das Rührreibschweißen versprechenweitere Verbesserungen im Hinblick aufdas Leichtbaupotential.

Ein wichtiges Forschungs- und Entwick-lungsthema ist die automatisierbare, groß-serientaugliche Fertigung von Faserver-bundwerkstoffen. Ein viel versprechendesVerfahren besteht darin, die Fasern auto-matisiert, endkonturnah und belastungs-gerecht mit geeigneten Textiltechnikenanzuordnen. In einem zweiten Schrittwird die trockene Faserstruktur mit Epo-xidharz imprägniert, das anschließend aus-gehärtet wird.

Im Flugzeugbau geht es vor allem darum,die Fasern möglichst optimal, im Bedarfs-fall auch dreidimensional, abzulegen und

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10

Effektivität verschiedener Versteifungs-profile

Beispiel für eine hochintegrierte Fein-gussstruktur

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hohe Faservolumengehalte zu erreichen.Das Ziel im Automobilbau besteht dage-gen darin, jeden einzelnen Arbeitsschrittin Bezug auf die Zykluszeiten zu optimie-ren, konkurriert man doch mit Ferti-gungsprozessen, die im Minutenbereichliegen.

Im Bereich der Textiltechnik haben Multi-axialgelege für flächige Halbzeuge, Ge-flechte für Profile und Hohlstrukturen,Gesticke für komplexe, belastungsgerechteLokalverstärkungen und Nähtechnikenzur Verbindung von einzelnen Textiliensowie zur Realisierung von 3D-Verstär-kungen besondere Bedeutung. TypischeTextilmaschinen und einige Anwendungs-beispiele sind in (11) dargestellt.

Interessante Entwicklungen zeichnen sichim Bereich der Aushärtung ab. Kommenbisher in erster Linie Umluftöfen zum Ein-satz, könnten in Zukunft Mikrowellen-härtungsanlagen zu einer Verkürzung derAushärtezeit und einer Reduzierung dererforderlichen Energie beitragen.

4. Systemleichtbau

Eine interessante Möglichkeit zur Realisie-rung optimierter Leichtbaustrukturenbesteht darin, neben der reinen Tragfunk-tion gleichzeitig funktionale Anforderun-gen zu erfüllen. Beispiele aus dem Flug-zeugbau sind der Integraltank oder dieaerodynamische Flügelnase, die gleichzei-tig zur Erhöhung der Torsionssteifigkeitund zur aerodynamischen Formgebungdient.

Zukünftige Entwicklungen gehen noch we-sentlich weiter. Man stellt sich vor, dassFlugzeugrümpfe in Zukunft als Doppel-schaler-Sandwich ausgeführt werden. Dieswäre eine strukturmechanisch bessere Lö-sung als die bisher eingesetzten versteiftenSchalen. Zusätzlich könnte jedoch nochweiteres Gewicht eingespart werden, wennder Sandwichkern zusätzliche Funktionenwie Wärmeisolation oder Schalldämmungübernehmen würde. Ein viel versprechen-des Konzept (VESCO – Ventilated ShearCore), das auf den Faltwabenkernen ba-siert, ist in (12) dargestellt.

Ähnliche Prinzipien wären auch für die Ar-chitektur zur Herstellung multifunktiona-ler Fassadenwände vorstellbar, die gleich-

zeitig optische, funktionaleund tragende Funktionenübernehmen.

Eng verbunden ist derSystemleichtbau auch mitden multifunktionalenWerkstoffsystemen, mitden Möglichkeiten derStrukturüberwachungoder der Formadaptivität.Schon heute ermöglichtdie Regelungstechnik eineadaptive Steuerung derFlugzeugsteuerflächen zur Reduzierungder Böenlasten, wodurch die Strukturleichter ausgelegt werden kann. Ein weite-rer Effekt ist die Erhöhung derLebensdauer.

5. Berechnungsver-fahren

Eine optimale Gestaltungvon Leichtbaustrukturensetzt voraus, dass manBerechnungsverfahrenund Simulationstools zurVerfügung hat, die einedetaillierte und realitätsna-he Beschreibung der werk-stoffkundlichen, ferti-gungstechnischen undstrukturmechanischenEffekte ermöglicht.Zunächst stand die Erarbeitung analyti-scher Verfahren im Mittelpunkt, die auchheute noch im Vorentwurf eine wichtigeRolle spielen. Nur durch ein grundlegen-des theoretisches Verständnis ist es mög-lich, Sensitivitäten zu beschreiben undverschiedene grundsätzli-che Lösungen zu bewer-ten. Die Entwicklung desSchubfeldschemas, dieBeschreibung des nichtli-nearen Werkstoffver-haltens oder die Simula-tion des Umform-verhaltens von Blechensind nur einige exemplari-sche Beispiele.

Eine der wichtigstenEntwicklungen im Bereichder Simulationstools istjedoch die Methode derFiniten Elemente, die auch die

11

12

Multifunktionales Leichtbaukonzept füreinen Verkehrsflugzeugrumpf

Textiltechniken zur rationellen Her-stellung optimierter Faserverbund-strukturen

Finite Elemente Simulation des Impact-verhaltens und der Restfestigkeit einerFaserverbundstruktur

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Professor Dr.-Ing. Klaus Drechsler

hat an der Universität Stuttgart Luft- und Raumfahrttechnik studiert und am Institut für Flugzeugbau auf demGebiet „Neue Strukturkonzepte für Faserverbundwerkstoffe“ promoviert. Im Anschluss arbeitete er imForschungslabor der EADS (vormals DaimlerChrysler-Forschung) in Ottobrunn als Leiter der „Prüf- undVerfahrenstechnik“ in vielen Projekten des Automobilbaus und des Flugzeugbaus mit dem Ziel kostengünstigerBauweisen und Fertigungstechniken für Leichtbaustrukturen. Seit 2001 leitet er das Institut für Flugzeugbau ander Universität Stuttgart. Er ist Past-President der SAMPE Europe (Society for the Advancement of Materialsand Process Engineering).

KontaktUniversität Stuttgart, Institut für Flugzeugbau, Pfaffenwaldring 31, 70569 StuttgartTel. 0711/685-62411, Fax 0711/685-62449E-Mail: [email protected], Internet: www.ifb.uni-stuttgart.de

DER AUTOR

Berechnung der Festigkeit und Steifigkeitkomplexer Strukturen ermöglicht. DieseMethode wurde in den letzten Jahren ent-scheidend weiterentwickelt. Eine detail-lierte Modellierung des Werkstoff-verhaltens ist ebenso möglich, wie dieSimulation fertigungstechnischer Effekteund hochdynamischer Belastungen(Impact und Crash).

In Kombination mit Optimierungsmethodenund CAD-Programmen sind sehr mächti-ge, integrierte Tools entstanden, die eineumfassende Simulation aller Schritte zurEntwicklung einer Leichtbaustrukturermöglichen. Herausforderungen beste-hen z.B. noch im Bereich derCrashsimulation (insbesondere bei

Faserverbundwerkstoffen) und der Le-bensdauervorhersage. (13) zeigt dieFinite-Elemente-Simulation des Impact-verhaltens und der Restfestigkeit einerFaserverbundstruktur.

Alle geschilderten Aspekte verdeutlichen,welch komplexe aber auch faszinierendeRolle der Leichtbau in den Ingenieur-wissenschaften spielt. Werkstofftechno-logie, Fertigungstechnik, Simulations- undBerechnungsverfahren sowie Konstruk-tionsmethodik müssen bei der Entwick-lung einer Leichtbaustruktur optimalzusammenspielen, um zu funktionsge-rechten, aber auch bezahlbaren Lösungenzu kommen. •

Klaus Drechsler

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Das gleiche Prinzip macht man sich bei denfaserverstärkten Kunststoffen, Metallenund Keramiken zu Nutze. Fasern mithöchster Festigkeit und Steifigkeit wer-den entsprechend der äußeren Lasten ineine Matrix eingebettet, die vor allem dieFunktion hat, die Fasern zu schützenund in ihrer Form zu halten.

Die wichtigsten Vertreter sind kohlenstoff-faserverstärkte Kunststoffe, die seit vielenJahren vor allem im Flugzeugbau einge-setzt werden und aufgrund ihres hohenLeichtbaupotentials zur Steigerung derFlugleistungen und der Sicherheit beige-

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Faserverbundstrukturen– Leichtbau in Natur

und TechnikDie Natur verfolgt bei der Gestaltung von Strukturen in

der Pflanzen- und Tierwelt immer ein Prinzip: Minimaler

Einsatz von Energie und Material bei bestmöglicher

Erfüllung der Funktion. Hierzu wurden in Jahrmillionen

optimale Werkstoffe, Bauweisen und Geometrien ent-

wickelt, die das Überleben einer Spezies sicherten.

Eine weitere Strategie in Flora und Fauna ist die

Adaptivität, sprich die Anpassung von Werkstoffeigen-

schaften und Form an die jeweiligen Belastungen und

Umweltanforderungen. Als „Strukturwerkstoff” kommen

in der Natur fast ausschließlich Faserverbundwerk-

stoffe zum Einsatz. Diese bestehen aus einer „Matrix”,

in die belastungsgerecht „Verstärkungsfasern” einge-

bettet werden. Bäume und Pflanzen nutzen die einzig-

artigen Optimierungsmöglichkeiten durch die Wahl der

Ausgangswerkstoffe und der verstärkenden Fasergeometrie ebenso

wie Knochen. (01) zeigt einige exemplarische Beispiele.

01

Faserverbundstrukturen in der Natur

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tragen haben. Bei modernen Flugzeugenhat ihr Anteil am Strukturgewicht inzwi-schen über 50 Prozent erreicht. Sie ermög-lichen ein Leichtbaupotential von über 25Prozent gegenüber Aluminium und 60Prozent gegenüber Stahl.

Im Folgenden sollen die wichtigsten Ent-wicklungen im Bereich der Verstärkungs-fasern, der Eigenschaften, der Gestaltungund der Anwendung der Verbundwerk-stoffe beschrieben und die Analogie zurNatur dargestellt werden.

1. Fasertechnologie: Spinnseideund Nanotubes

Ein Meister in der Herstellung und Anwen-dung von Fasern ist die Spinne. AusProteinen stellt sie in ihren SpinndüsenFäden verschiedener Steifigkeit, Bruch-dehnung und Oberflächenbeschaffenheither. Optimal „verwebt” stellt die Spinnedaraus ein perfektes Netz zum Fang vonBeute her. Die hochsteifen Fasern garan-tieren die notwendige Stabilität, die dukti-len Fasern mit ihrer hohen Bruchdeh-nung bremsen die einfliegende Beute abund verhindern ein Reißen des Netzes,und die klebrigen Fangfäden halten dieInsekten fest. Sobald das Netz ausgedienthat, frisst die Spinne die Fäden auf – einperfektes Recycling und eine optimaleNutzung der eingesetzten Energie.

Es ist kein Wunder, dass es vielfältige Be-mühungen gibt, die Spinnenseide fürtechnische Anwendungen einzusetzenoder, noch besser, die Fäden künstlich her-zustellen. Viel versprechend ist z. B. dieTransferierung des Spinnenseide-Proteins,das inzwischen identifiziert wurde, inBakterienzellen, die dadurch Spinnseideproduzieren. Interessante Anwendungenkönnten sich hierbei z. B. für die Her-stellung von medizinischen Nähfädenergeben.

Eher ernüchternd sind bisher jedoch dieBemühungen, die Fäden für strukturelleAnwendungen im Bereich des Leichtbauseinzusetzen. Wie häufig muss man fest-stellen, dass ein Material zwar für dieZwecke der Natur optimiert ist und phan-tastische Eigenschaften besitzt, sich für dieBelange technischer Anwendungen dage-

gen als ungeeigneterweist. An die Tem-peraturbeständigkeit, dieMedienbeständigkeit, dasLangzeitverhalten oderdie Konstanz der Eigen-schaften werden z. B. anVerstärkungsfasern fürHochleistungsverbund-werkstoffe Anforderun-gen gestellt, die von derSpinnenseide aber auchvon Naturfasern wie Hanfoder Sisal kaum zu erfül-len sind.

Für Anwendungen imLeichtbau ist die Kohlen-stofffaser unschlagbar. Siewird in einem aufwändi-gen Prozess durch diePyrolyse von Polyacryl-nitril oder Pech gewon-nen und bietet je nachProzessparameter höchsteFestigkeit (HT-Fasern),höchste Steifigkeit (HM-Fasern) oder ausgewoge-ne Eigenschaften (IM-Fasern). Die gewichtspe-zifischen Kennwerte ver-schiedener Fasern sind in(02) dargestellt.

Von Interesse sind nebenden mechanischen auchdie funktionalen Eigen-schaften, wie gute Strom- undWärmeleitung sowie die sehrgeringe Wärmeausdehnung.In Zukunft könnten dieseEigenschaften noch um Grö-ßenordnungen durch Fasernauf der Basis von Carbon-Nanotubes (CNT) geschlagenwerden (03). Diese auf denFulorenen basierenden Nano-werkstoffe besitzen Eigen-schaften, die dem theoreti-schen Potential der Kohlen-stoffverbindung sehr nahekommen. Ist die Herstellungder Nanopartikel schon auf-wändig und teuer, gestaltetsich die Fertigung endloserFasern, wie sie für die Ver-bundwerkstofftechnologie

In nature all structures are optimised in materialand design in order to save energy in fulfilling thespecific requirements.In most cases multifunctional composite materialsare the basis, because they offer the highest light-weight potential and the best possibilities for func-tion integration.It is therefore no wonder that this material class,mainly based on carbon fibres, finds more and moreinterest in aerospace and automotive applications.Their weight specific properties are very high andcan be adjusted according to the structural require-ments in a wide range. New manufacturing techno-logies based on textile technologies allow not onlycost reduction and automated processing but alsofurther improvement of mechanical properties by athree-dimensional fibre reinforcement.Another development with a strong link to natureare sandwich structures. A very efficient design isbased on honeycomb cores, allowing the realisationof very stiff lightweight structures. Nevertheless,their design, based on closed hexagonal cells, whichis optimised for the needs of the beans, is not thebest solution for all engineering requirements.Newly developed foldcore structures can be, forexample for future aircraft fuselage concepts, themuch better and more affordable solution.This example shows, that not always bionic structu-res are the best solution for engineering require-ments, but it is always of interest to study the designof nature and to follow its strategies for optimisa-tion, adaptivity and multifunctionality.

ABSTRACT

Eigenschaften verschiedenerVerstärkungsfasern

02

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erforderlich wären, als größ-te technologische Herausfor-derung. Durch das sogenannte Elektrospinn-verfahren können beispiels-weise bisher lediglich Längenvon einigen Zentimeternerreicht werden. Und diese„Carbon-Nanogarne” liegenin ihren Eigenschaften nochweit hinter den Werten derCNT zurück.

Aber auch als Füllstoff in derPolymermatrix kohlenstoff-faserverstärkter Verbund-werkstoffe leisten die Nano-partikel Erstaunliches. Nurgeringe Volumenanteile rei-chen aus, um eine Eigen-schaftsmodifikation ummehrere Größenordnungenzu erreichen. Beispiele sinddie elektrische Leitfähigkeit,die Viskosität, die Zähigkeitoder das Brandverhalten.

2. Gestaltung undFertigung:Strukturoptimierungund Textiltechnik

Gute mechanische Eigen-schaften der Fasern sindjedoch nur eine Voraus-setzung für gute mechani-sche Eigenschaften und einhohes Leichtbaupotential.Noch wichtiger ist die bela-stungsgerechte Anordnungder Fasern in der Matrix.(04) zeigt die Abhängigkeitder Festigkeit eines Verbund-werkstoffs von der Faser-richtung.

In der Natur wird dies vonjeher beherzigt. Die Fasernin Pflanzen und Knochenliegen in aller Regel entlangder Hauptspannungsrich-tungen und können so dieäußeren Belastungen opti-mal tragen. Auch die Ana-

lyse der Form natürlicher Konstruktionenverblüfft immer wieder, lässt sich dochzeigen, dass diese so optimiert sind, dassSpannungsspitzen vermieden werden undalles Material zum Tragverhalten beiträgt.(05) zeigt einige Beispiele.

Am Forschungszentrum Karlsruhe wurdenvon Professor Mattheck auf Basis desStudiums natürlicher Strukturen ver-schiedene Berechnungsverfahren ent-wickelt, die eine Formoptimierung durchdie Simulation des bionischen Wachstumsbzw. eine Optimierung der Faserorien-tierung durch eine iterative Anpassungder Verstärkungsgeometrie an dieHauptspannungsrichtung ermöglicht(06).

Bei der Herstellung von Faserverbund-strukturen musste man lange Zeit einenKompromiss zwischen Fertigbarkeit undmechanischen Eigenschaften eingehen.Eine optimale Verstärkungsgeometrie warnur bei einfachen Geometrien oder Last-fällen möglich, da als Halbzeug nur mitHarz vorimprägnierte unidirektionaleKohlenstofffaserlagen zur Verfügung stan-

Eigenschaftspotential von Carbon-Nanotubes

Abhängigkeit der Kennwerte vonVerbundwerkstoffen von derFaserorientierung

04

Formoptimierung nach dem Vorbild derNatur (Quelle: Prof. Mattheck)

05

Iterative Optimierung der Verstärkungs-geometrie von Verbundwerkstoffen(Quelle: Prof. Mattheck)

06

03

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den. Um die Konstruktion und die Ferti-gung zu vereinfachen, werden die parallelin einer Matrix angeordneten Fasernaußerdem nur in den Verstärkungs-richtungen 0, 90 und +-45 Grad einge-setzt.

Eine Automatisierung dieser „Prepregtech-nologie” erfolgte in den letzten Jahrendurch Tapelegeroboter, die jedoch nur fürdie Herstellung einfach geformter, groß-flächiger Strukturen wie Hautfelder geeig-net sind. Erst der Einsatz in den letztenJahren entwickelter textiler Verarbeitungs-verfahren wie Sticken, Nähen oder Flech-ten ermöglicht bei hoher Produktivitätund Automatisierbarkeit belastungsge-rechte und endkonturnahe Verstärkungs-geometrien nach dem Vorbild der Natur.Zwei typische Beispiele sind das roboter-unterstützte Rundflechten und das aufdem Stickprozess basierende TFP (TextileFibre Placement). Die Anlagentechnik undeinige Anwendungsbeispiele sind in (07)

dargestellt.

(08) zeigt am Beispiel eines Fahrrad-Brake-boosters das Leichtbaupotential der neuenTechnologien. Das gestickte Bauteil istgegenüber der Aluminiumstruktur unddem konventionell gefertigten Faserver-bundbauteil nicht nur leichter, sondernauch um den Faktor drei steifer.

Von besonderem Interesse ist die Möglich-keit, durch textile Fertigungsverfahren wiedem Nähen, eine dreidimensionale Faser-verstärkung zu realisieren. Gegenüber denkonventionellen Laminaten zeichnen sichdie 3D-verstärkten Verbundwerkstoffedurch eine viel höhere Schadenstoleranzund strukturelle Integrität aus.

Die Herstellung der Faserstruktur ist natür-lich nur der erste Schritt der Fertigungvon Faserverbundwerkstoffen. Im An-schluss erfolgt die Imprägnierung mit derMatrix, z.B. in einem Harzinjektions-verfahren, und die Aushärtung in einemUmluftofen. Zur Erzielung eines hohenFaservolumenabteils wird häufig einzusätzlicher Überdruck in einem Auto-klaven aufgebracht. Neueste Entwick-lungen zielen auf die Nutzung der Mi-krowellentechnologie zur schnellen undenergieoptimierten Aushärtung derPolymermatrix.

Während in der Natur „Hochleistungs-Biopolymere“ wie Cellulose oder Ligninals Matrixwerkstoff zur Stützung derVerstärkungsfasern zum Einsatz kommen,verwendet man bei den Faserverbund-werkstoffen meistens duromere oder ther-moplastische Matrixsysteme. Gefordert

07

Textile Fertigungsverfahren zurautomatisierten Herstellung vonVerbundwerkstoffen mit optima-ler Faserverstärkung

08

Fahrrad-Brakebooster aus Metall, konventionellen undgestickten Verbundwerkstoffen

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sind neben guten mechanischen Eigen-schaften häufig auch eine Beständigkeitgegenüber verschiedensten Medien odergute FST-Eigenschaften (geringe Rauch-entwicklung, keine toxischen Gase bei derVerbrennung).

Generell liegt das Leichtbaupotential koh-lenstofffaserverstärkter Kunststoffe beioptimaler Gestaltung und Fertigung beirund 25 Prozent im Vergleich zu Alumi-

nium und bei rund 60 Prozent im Ver-gleich zu Stahl. Besonders effektiv sind dieVerbundwerkstoffe, wenn energieabsorbie-rende Eigenschaften oder gutes Langzeit-verhalten bei dynamischer Belastunggefordert sind. Dreidimensional verstärkteVerbundwerkstoffe erreichen ein Energie-aufnahmevermögen von bis zu 120 Kilo-joule pro Kilogramm. Das Potential sinkt

bei höheren Temperaturen, insbesonderein feuchter Umgebung, da diePolymermatrix durch Wasseraufnahmedegradiert. Für Hochtemperaturanwen-dungen kommen anstatt polymererWerkstoffe metallische oder keramischeMatrixsysteme zum Einsatz.

3. Faserverbundstrukturen in derTechnik

Erste Anwendungen der Textiltechnik fürFaserverbundwerkstoffe in der Luft- undRaumfahrttechnik sind beispielsweise dieDruckkalotte des Airbus A 380, die ausvernähten „Multiaxialgelegen” besteht,sowie gestickte Spante der Zellenstrukturdes Transporthubschraubers NH 90 (09).Viele weitere Strukturbauteile sind derzeitin der Entwicklung.

Die Technologie ist durch das hohe Auto-matisierungspotential auch ein Schlüsselfür die Nutzung des Leichtbaupotentialsder Faserverbundwerkstoffe in der Auto-mobilindustrie. Ein Beispiel, wenn auchnoch im Bereich der Nischenfahrzeuge,sind die energieabsorbierenden Crash-elemente des McLaren-Mercedes SLR.Diese bestehen aus verschiedenen, mitein-ander vernähten Textilverstärkungen, dieim RTM-Verfahren (Resin-Transfer-Mol-ding) mit Harz getränkt werden. Die ein-zelnen Fertigungsschritte sind in (10) dar-gestellt. Bei einer Optimierung aller Ferti-gungsschritte sind Taktzeiten von unterzehn Minuten durchaus realistisch. Damitist der Weg zu größeren Stückzahlengeöffnet.

Die integrale Textilverstärkung ist nicht nurbezüglich der statischen Lasten optimiert.Sie ermöglicht gleichzeitig eine gutestrukturelle Integrität und selbst beim kri-tischen Schrägaufprall eine hohe ge-wichtspezifische Energieaufnahme.

4. Sandwichstrukturen:Honigwaben und Origami

Besonders steife und leichte Strukturen kön-nen in der so genannten Sandwichbau-weise realisiert werden. Das Prinzip beruhtdarauf, dass steife Decklagen auf einenleichten Kern aufgeklebt werden, der viel-fältige Aufgaben hat (11). Er muss nichtnur schubsteif die Decklagen verbinden

Gestickter Spant einerHubschrauberzelle

09

Textiles Struktur- und Fertigungs-konzept für energieabsorbierendeAutomobil-Crashelemente

10

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und auf Abstand halten, häufig wird vonihm auch eine gute Wärmeisolierung,Schalldämmung und Impactfestigkeit ver-langt.

Typische Kernwerkstoffe sind Polymer-schäume oder auch Balsaholz. Wenn einbesonders hohes Leichtbaupotential gefor-dert ist, kommen jedoch fast ausschließ-lich Honigwaben zum Einsatz. Diese hexa-gonalen Kammerstrukturen dienen in derNatur der Biene als perfektes, vielfältignutzbares System zur Lagerung des Honigsund zur Aufzucht der Brut. Auch struk-turmechanisch sind die Wabenstrukturenhöchst effizient. Sie bieten durch die beul-steifen Strukturelemente bei geringstemGewicht (typischerweise liegt die Dichtebei 30 bis 60 Kilogramm pro Kubikmeter)ein Höchstmaß an Druckfestigkeit undSchubsteifigkeit. Aufgebaut sind sie ausAluminiumfolien oder so genanntemNomex-Papier (mit Phenolharz beschich-tetes Aramidpapier).

Diese Folien werden linienförmig verklebtund in einem aufwändigen Prozess expan-diert. Dieser Prozess dauert relativ langeund ermöglicht keine kontinuierlicheFertigung, wodurch die Kernstrukturenrelativ teuer sind. Für manche Anwen-dungen in der Technik wirkt sich die fürdie Biene so interessante Kammerstrukturaußerdem nachteilig aus. Bei einem Ein-satz der Waben in einem zukünftigenLeichtbaurumpf für Verkehrsflugzeugewürde in den nach dem Verkleben mit denDecklagen abgeschlossenen KammernKondenswasser entstehen, das mit der Zeitzu einem Mehrgewicht führt undKorrosion begünstigt.

Dies ist wieder ein Beispiel dafür, dass dieNatur nach anderen Gesichtspunkten alsdas Ingenieurwesen optimiert und eineÜbertragung der Philosophien eins zu einsnicht unbedingt zielführend ist.

Für Anwendungen in der Technik wurde inden letzten Jahren ein neues Konzept ent-wickelt, das ebenfalls auf dünnen Metall-oder Papierfolien basiert, die aber in einemFaltprozess in die dreidimensionale Konturgebracht werden. Die Kerne nennt mandaher Faltwaben. Einige Beispiele sind in

(12) dargestellt. Im Gegensatz zu denHonigwaben können die Faltwaben ineinem kontinuierlichen Prozess kosten-günstig hergestellt werden. Weitere Vor-teile sind die viel größereVielfalt an Geometrien zurAnpassung der mechanischenEigenschaften an die jeweili-gen Anforderungen sowie dieMöglichkeit, ähnlich derOrigamikunst, ohneNachbearbeitung komplexeGeometrien herstellen zukönnen. Die Druck- undSchubkennwerte können ineinem weiten Bereich variiertwerden und überschreitenteilweise das Niveau derHonigwaben.

Da die Faltwabenstrukturenoffen und damit belüftbarbeziehungsweise draina-gefähig sind, besteht keineGefahr des Kondens-wassereinschlusses. Siesind daher eine viel ver-sprechende Basis für zu-künftige Verkehrsflug-zeugrümpfe, die nebeneinem geringeren Ge-wicht auch dasPotential für mehrPassagierkomfort durchgeringeren Kabinen-lärm und angenehme-res Raumklima bieten.

5. SmartStructures:Sensor- und Aktuatorintegration inVerbundwerkstoffe

Auch wenn ein Ingenieur ein Bauteil nachden Regeln der „Bionik“ optimal gestaltetund ausgelegt hat - eines haben natürlicheStrukturen dennoch voraus. Sie sind adap-tiv und können ihre Form oder ihreEigenschaften den jeweiligen Anforderun-gen anpassen. Muskeln, die Substanz auf-bauen, wenn sie besonders belastet wer-den; Bäume, die in die Form des gering-sten aerodynamischen Widerstandes wach-sen, um ihre Belastung zu reduzieren;

11

Prinzipieller Aufbau von Sandwichstrukturen mitHonigwabenkern

12

Beispiele für Faltwaben-Sandwichkerne

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Knochen, die nach einerÜberlastung wiederzusammenwachsen undsich quasi selbst reparie-ren, sind nur einigeBeispiele.

Erforderlich ist für diese„Intelligenz” in jedemFall eine Sensorik, eineAktuatorik und eineSignalverarbeitung. Seiteinigen Jahren versuchtman, diese Philosophieauch für Leichtbau-strukturen in der Tech-nik umzusetzen undSmart Structures bezie-hungsweise adaptiveStrukturen zu entwi-ckeln. Inzwischen stehendie erforderlichen Basis-technologien auch zurVerfügung.

Als Sensoren eignen sichbeispielsweise Bragg-Gitter-Sensoren, speziel-le Lichtleitfasern, mitdenen sehr genau lokaleDehnungen gemessenwerden können, oderpiezoelektrische Fasern,die Dehnungen inSpannungen umwan-deln. Die entsprechen-den Signale können vonleistungsfähigen Com-putern verarbeitet undinterpretiert werden.Hierbei geht es darum zuerkennen, ob in derStruktur ein bleibenderSchaden, z.B. durch eineSchlagbeanspruchung,entstanden ist, der zueinem Versagen desBauteils führen kann.Die Technologie wird als„Health-Monitoring”bezeichnet.

Piezoelektrische Kera-miken können auch alsAktuatoren eingesetzt

werden. Durch das Anlegen einer elektri-schen Spannung entstehen sehr schnellsteuerbare, jedoch sehr kleine Dehnun-gen.

Wesentlich effektivere Aktuatoren sindFormgedächtnislegierungen (Shape-Memory Alloys), die ober- bzw. unterhalbeiner bestimmten „Schalttemperatur”unterschiedliche Formen annehmen undihre Steifigkeit stark ändern. Die Deh-nungen können hierbei sehr groß sein, dieSchaltgeschwindigkeit ist jedoch im Ver-gleich zu Piezos sehr gering, da die not-wendige Gefügeänderung durch eineTemperaturänderung vonstatten geht, dienur relativ langsam, z.B. durch eineWiderstandsheizung, zu realisieren ist.

Prädestiniert zur Realisierung von „SmartStructures” sind Faserverbundwerkstoffe,da in diese die Sensoren und Aktuatorenperfekt integriert werden können. (13)

zeigt beispielhaft eine einlaminierte Bragg-Gitter-Faser in einem Kohlenstofffaser-Laminat.

Insbesondere Luftfahrtingenieure sind seitjeher fasziniert vom Vogelflug und versu-chen die strukturellen und aerodynami-schen Konzepte der Vögel zu kopieren.Nicht nur die perfekte „Leichtbaustruk-tur” dient als Vorbild, sondern auch dieadaptive Aerodynamik, die eine Anpas-sung des Flügelprofils an die jeweiligenFlugzustände (Start, Landung, Reiseflugbei sich ändernden Fluggewichten) ermög-licht.

Geringerer Treibstoffverbrauch, bessereFlugleistungen, reduzierter Lärm oderhöherer Komfort von Hubschraubernoder Verkehrsflugzeugen wären durchadaptive Flügel oder Rotorblätter mög-lich. Weit ist man hiervon auch nichtmehr entfernt, wie das Beispiel eines adap-tiven Rotorblattes zeigt, das vor kurzem ineinem ersten Erprobungsflug seine Leis-tungsfähigkeit demonstrierte (14). Eineschnelle, „höherharmonische” Verwin-dung des Rotorblattes während derRotation durch piezoelektrische Aktua-toren verbessert die Aerodynamik desgesamten Rotorblattsystems und reduziertz.B. den Lärm, der entsteht, wenn das

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Integrierter Bragg-Gitter-Sensor zurStrukturüberwachung in einemFaserverbundlaminat

13

Adaptives Rotorblatt mit integriertenPiezoaktuatoren

14

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nachfolgende Blatt in die Wirbel des vor-laufenden Blattes schlägt.

Die Entwicklungsarbeiten haben aber ge-zeigt, dass eine Integration der Piezoaktua-toren in die Faserverbundstruktur in die-sem Fall nicht optimal ist. Stattdessenkommen piezoelektrisch angetriebeneEndkantenklappen zum Einsatz, die durchdas Ausschlagen nach oben oder unten dieVerwindung des Rotorblattes hervorrufen.

Dieses Beispiel zeigt wieder, dass es für dieEntwicklung von Leichtbaustrukturenzwar immer sehr interessant ist, sich vomBeispiel der Natur inspirieren zu lassen,eine ingenieurwissenschaftliche Vor-gehensweise, die auch Randbedingungenwie Werkstoff- oder Fertigungskosten,Wartbarkeit oder Reparierbarkeit berück-sichtigt, aber dennoch zu anderenLösungen kommen kann. •

Klaus Drechsler, Ingo Karb, Rainer Kehrle,Volker Witzel

DIE AUTOREN

Prof. Dr.-Ing. KlausDrechsler

hat an der Universität Stuttgart Luft- undRaumfahrttechnik studiert und am Institut fürFlugzeugbau auf dem Gebiet „NeueStrukturkonzepte für Faserverbundwerkstoffe“ pro-moviert. Im Anschluss arbeitete er imForschungslabor der EADS (vormalsDaimlerChrysler-Forschung) in Ottobrunn als Leiterder „Prüf- und Verfahrenstechnik“ in vielenProjekten des Automobilbaus und des Flugzeugbausmit dem Ziel kostengünstiger Bauweisen undFertigungstechniken für Leichtbaustrukturen. Seit2001 leitet er das Institut für Flugzeugbau an derUniversität Stuttgart.

Ingo Karb

hat an der Universität Kaiserslautern Ma-schinenbau studiert und ist derzeit wissenschaftli-cher Mitarbeiter am Institut für Flugzeugbau. Erleitet das BMBF-Projekt BIOTEX, in demStrukturkonzepte aus der Natur mit neuartigenFertigungsverfahren, wie der Textiltechnik fürFaserverbundwerkstoffe, kombiniert werden. Zielist die kostengünstige Herstellung von optimiertenLeichtbaustrukturen.

Rainer Kehrle

hat an der Universität Stuttgart Luft- undRaumfahrttechnik studiert und ist derzeit wissen-schaftlicher Mitarbeiter am Institut fürFlugzeugbau. Er leitet außerdem dasForschungsprojekt „Faltwaben-Sandwich-strukturen“ und ist Geschäftsführer der Spin-offFirma FOLDCORE.

Volker Witzel

hat an der Universität Stuttgart Luft- undRaumfahrttechnik studiert und ist derzeit wissen-schaftlicher Mitarbeiter am Institut für Flug-zeugbau. Er leitet das europäische Projekt I-TOOL, in dessen Rahmen ein integriertes Simu-lationstool zur Berechnung textiltechnisch verstärk-ter Faserverbundwerkstoffe entwickelt wird.

Kontakt:Universität Stuttgart, Institut für Flugzeugbau, Pfaffenwaldring 31,70569 Stuttgart, Tel. 0711/685-62411, Fax 0711/685-62449E-Mail: [email protected], Internet: www.ifb.uni-stuttgart.de

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1. Einführung

Hier soll die Evolution des Leichtbaus imHubschrauber anhand der Entwicklungvon Rotorsystemen und Zellenstrukturenbei Eurocopter Deutschland (ECD) gezeigtwerden. Ähnliche Entwicklungen findenwir z.B. auch in England, Frankreich,Italien und USA. Die frühen Entwick-lungen der späten 50er Jahre bei MBB zei-gen eine intensive Verbindung zumForschungsstandort Stuttgart, wurdendoch dortige Ergebnisse der Faserver-bundentwicklung in die Konstruktion derRotorblätter eingebracht. Die Serien-ausführung des Helitrainers Bölkow BO102, dessen Vorführgerät Mitte 1959 fertiggestellt wurde, besaß einen Einblattrotormit Gegengewicht. Bemerkenswert ist dieTatsache, dass bei diesem Projekt zumersten Male Rotorblätter aus Glasfaserver-bundwerkstoff serienmäßig ohne Bean-standungen über längere Betriebszeitenverwendet werden konnten.

Damit begann der Einsatz von Faserverbund-blättern für die Rotoren der Bölkow-Hub-

schrauber BO 103, BO 105, BO 106 und BK117. Die von Hütter und Hänle entwickel-ten Schlaufenkrafteinleitungen wurdendamals übernommen und weiterent-wickelt. Der Leichtbau-Effekt ergab sichdurch konstruktive Vereinfachungen auf-grund der Einsparung der gelenkigenAnschlüsse. Damit besitzen die Faser-verbundblätter eine wesentlich erhöhteLebensdauer gegenüber den Metall-blättern.

Der Startschuss zur Entwicklung der BO 105fiel 1963, der Erstflug erfolgte am 17.2.1967.Das herausragende Merkmal dieses Hub-schraubers, von dem etwa 1.500 Einheitengebaut wurden, ist der gelenklose Rotormit Titanrotorkopf und GFK-Blättern.Diese Blätter haben eine lange Lebens-dauer und integrieren die Funktionen desSchlag- und Schwenkgelenkes im biegeela-stischen Blatthals. (Schlagen bedeutet eineBlattbewegung nach oben und unten,Schwenken eine Bewegung nach vorneund hinten.) Hier wird die Multifunk-tionalität des Rotorblattes deutlich. Beieiner konsequenten Weiterentwicklung

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Leichtbau imHubschrauber

unter Berücksicht igung mul t i funkionaler E igenschaf ten

Was bedeutet eigentlich Leichtbau im Hubschrauber? Es handelt

sich hier um ein Zusammenwirken mehrerer Fachgebiete, die die

vielen speziellen Funktionen im Hubschrauber beschreiben, um ein

möglichst geringes Strukturgewicht zu erzielen. Im Idealfall können

ganze Baugruppen entfallen, deren Eigenschaften durch eine erhöh-

te Multifunktionalität in andere Strukturen integriert werden.

Unterschiedliche Probleme sind zu lösen: Festigkeit, Lebensdauer

unter dynamischen Lasten, Schadenstoleranz nach Schlagbean-

spruchung, Steifigkeit, Vibrationen, Frequenzen und Dämpfung,

Crashfähigkeit der Zellenstruktur, Außenlärm, Innenkomfort sowie

geringe Betriebs- und Herstellkosten.

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H U BSCH RAU B E R 23

blieb noch die Aufgabe, die Drehlager zurBlattverstellung zu ersetzen und als Drill-gelenk in das Blatt zu integrieren. DieseAufgabe wurde mit der Blattentwicklungder EC 135 gelöst. Damit wurde auch deretwa 60 kg schwere Titanrotorkopf über-flüssig. Inzwischen, nach dem Erstflug am15.2.1994, wurden bereits mehr als 500Hubschrauber ausgeliefert und über 2.000Blätter gefertigt.

Der multifunktionale Leichtbau kann auchim Zellenbau durch die Verwendung vonFaserverbunden zur Anwendung kom-men. Hier werden die Forderungen bezüg-lich Crashsicherheit in Leichtbaustruktu-ren eingearbeitet. Auch hier konnte dasWissen der Stuttgarter Forschungsinsti-tutionen genutzt werden. Die intensiveZusammenarbeit mit Herrn Kindervaterbeim DLR führte zu crashsicheren Leicht-bauweisen, die in die HubschrauberTIGER, ALH und NH90-Zelle eingeführtwurden.

Die crashsichere kohlefaserverstärkte Sand-wichstruktur bewährte sich im Crashver-such der NH90 Zelle. Der Erstflug diesesmilitärischen TransporthubschraubersNH90 fand am 18.12.1995 statt. Die Eigen-schaften der Hubschrauberstrukturenwerden in den folgenden Kapiteln anhandvon Beispielen der Entwicklung gezeigt.Dabei ist die Anwendung von Faserver-bundwerkstoffen von großer Bedeutung.

2. Faserverbunde als wichtigsterLeichtbauwerkstoff imHubschrauber

In (01) sind die mechanischen Eigen-schaften von unidirektionalen Laminatenmit einem Faservolumenanteil von 60Prozent dargestellt. Sie stellen die werk-stoffseitige Basis des Leichtbaus dar. Beiden auf das Gewicht bezogenen Eigen-schaften erkennt man, dass die spezifischeZugfestigkeit bedeutend höher ist als dieder Metalle und von Holz. Die Werte fürdie Faserverbunde sind hingegen an-nähend gleich hoch. Dies gilt jedoch nichtfür die Druckfestigkeit, haben dochAramidfaser- und hochmodulige Kohle-faserverbunde nur eine geringe Druck-festigkeit. Nur bei Glasfasern und hochfe-sten Kohlefaserverbunden entspricht dieDruckfestigkeit der Zugfestigkeit.

Die absoluten Steifigkeiten sind stark abhän-gig von der Faserart, bei Glasfaserverbun-den sind sie wesentlich geringer als z. B. beidem K13 Kohlefaserverbund. Der Elas-tizitätsmodul des K13-Verbundes ist mit500.000 N/mm2 mehr als doppelt so hochwie der von Stahl. Der Wärmeausdeh-nungskoeffizient sinkt mit der Erhöhungder Steifigkeit und beträgt -1,4.10-61/K beidem K13-Verbund in Faserrichtung.Beachtenswert ist die außerordentlichhohe Wärmeleitfähigkeit des K13-Ver-bundes. Gerade für Strukturen unterhoher Temperaturbelastung ist eine hoheWärmeleitung vorteilhaft. Die dynamischeFestigkeit der Faserverbunde ist sehr hochund entsprechend flach verlaufen dieWöhlerkurven. Weiterhin ergeben Kerbennur geringe Abminderungen bei derFestigkeit.

Ein Nachteil der Faserverbunde gegenüberMetallen besteht in der Empfindlichkeitgegenüber Schlagbelastung. Außerdemkönnen hohe Temperaturen und Feuchtedie Steifigkeit und Festigkeit deutlich min-dern.

3. Die Entwicklung der Rotoren

Bei der BO 105 kam der weltweit erste ge-lenklose Serienrotor zum Einsatz. DessenWeiterentwicklung führte zum Rotor derBK 117. Dieser Hubschrauber wurde ge-meinsam von MBB und KAWASAKI ent-wickelt und flog 1979 zum ersten Mal.Einige wesentliche Änderungen wurdeninsbesondere bei der Konstruktion desBlattes eingeführt. Um die Torsionssteifig-keit der Blattspitze zu erhöhen, wurde fürdie Blatthaut Kohlefaserverbundgewebeanstelle von Glasgewebe verwendet. DieBK 117 wurde inzwischen zur EurocopterEC 145 weiterentwickelt, die im Jahre 2000ihren Erstflug hatte. Auch hier war der BO105 Rotor der Ausgangspunkt für dieEntwicklung des Rotors für die EC 145.

Für die Unidirektionallagen wurde jetzt R-Glas anstelle von E-Glas verwendet, umden höheren Lasten zu begegnen. DerBlatt-Krafteinleitungsbeschlag wurdemodifiziert und mit einem Teflon-Linerbelegt, um eine langzeitig konstanteSchwenkdämpfung zu gewährleisten. Dieneue Blattformgeometrie entspricht denheutigen Aerodynamik-Anforderungen.Inzwischen wurden etwa 100 Einheiten

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Mechanische Eigenschaften vonunidirektionalen Laminaten miteinem Faservolumenanteil von60 Prozent.

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ausgeliefert und mehr als 300 Hubschrau-ber in einem Großauftrag vom amerikani-schen Heer bestellt. Eine andere wesentli-che Neuentwicklung war die EC 135 mitdem lagerlosen Flexbeamrotor, hier konn-te das Gewicht des Titanmittelteiles entfal-len (02 s. Kap. 3.2). Eine Weiterent-wicklung der EC 145 mit einem neuenRotor für ein erhöhtes Abfluggewichtstellt der ATR (Advanced TechnologyRotor) dar. Dieser 5-Blattrotor basiert aufdem Flexbeam-Rotor der EC 135. Ein ent-scheidender Meilenstein der Rotortech-nologie konnte im April 2006 durch dieerfolgreiche Flugerprobung erreicht wer-den. Durch die Verringerung des Vib-rationsniveaus kann auf die schwerensonst notwendigen Tilger verzichtet wer-den. Damit wird durch SystemänderungLeichtbau erzielt.

3.1 Nachweismethoden fürFaserverbundstrukturen zurErfüllung von Zulassungs-richtlinien

Der Hubschrauber EC 135 wurde nach denVorschriften JAR 27 bzw. FAR 27 „SmallRotorcraft“ der europäischen bzw. ameri-kanischen Luftfahrtbehörde zugelassen.Die EC 145 wurde dagegen nach der FAR29 für Hubschrauber über 6.000 lbs.Gewicht [engl. Pfund] nachgewiesen. Ganzähnliche Methoden der Nachweisführunghaben militärische Hubschrauber, wie z.B.der NH90, zu erfüllen. Außerdem hat dasdeutsche Luftfahrt-Bundesamt Sonderbe-dingungen für die Anforderungen an Fa-serverbundstrukturen herausgegeben.Einige Bedingungen lauten:

– Fertigungsfehler und mögliche Schä-den müssen bei der Festigkeit berück-sichtigt werden.

– Die Inspektionszeiten und -methodenmüssen bestimmt und nachgewiesenwerden.

– Die Restfestigkeit des Bauteils mussnach dem dynamischen Versuch unterBerücksichtigung von Temperatur undFeuchte bestimmt werden.

– Die Material- und Fertigungsstreuungmuss berücksichtigt werden.

– Klebungen müssen unter Berücksichti-gung von Schadenstoleranz nachge-wiesen werden.

Die Versuche sollten gemäß der so genann-ten Testpyramide vorgenommen werden.Mit kleinen Proben werden die Daten derStatistik und die Grundwerte der Festig-keit und Steifigkeit ermittelt. ECD ver-wendet standardisierte Kleinproben, dassind Lang- und Kurzbiegeproben, die unterDreipunktbiegung belastet werden. Damitlassen sich die Biege- und die Schubfestig-keit der Faserverbundwerkstoffe ermitteln.Daraus werden die statistischen A- und B-Werte bestimmt. Temperatur und Feuchtewerden bei den statischen Versuchenberücksichtigt. Mit immer umfang-reicheren Strukturen werden weitereDaten erzeugt. Dann werden Teile derGesamtstruktur bezüglich Steifigkeit undFestigkeit geprüft. Die dynamisch belaste-ten Bauteile werden heute nach dem„Flaw Tolerant Safe Life“ Prinzip odergemäß der „Fail-Safe“ Methode nach § 29(§ 27).571 „Fatigue Tolerance Evaluation“nachgewiesen. Bei Faserverbundblätternwird üblicherweise die „Flaw Tolerant SafeLife“ Methode verwendet. Dazu wirdzunächst mit Hilfe von Versuchen eineMittelwertwöhlerkurve für die Festigkeitermittelt. Bei ECD wird mit Erfolg eine 4-parametrige Weibullfunktion für dieDarstellung der Versuchswerte gewählt.Diese Kurve wird dann statistisch abge-mindert, um die geforderte Sicherheit zugewährleisten.

Mit Hilfe eines gegebenen Einsatzspektrumsund dem daraus abgeleiteten Lastspek-trum lässt sich durch die lineare Schadens-akkumulation (Miner-Regel) die Lebens-dauer bestimmen. Der abschließende Rest-festigkeitsversuch ergibt den notwendigenSchadenstoleranznachweis. Die größerenTeststücke werden üblicherweise durcheine lokale Schlagbelastung mit einemvorgegebenen Impactor beansprucht. DieAuswirkung auf das Festigkeitsverhaltenwird dann geprüft.

Bei den Zellenstrukturen werden häufigebenfalls Ermüdungsversuche durchge-führt (z. B. EC 135). Bei Strukturen ausKohlefaserverbunden, wie z. B. beimTransporthubschrauber NH90, ergibt sichnur eine geringe Schädigung durch dyna-mische Belastung, so dass auf einenErmüdungstest der Zelle verzichtet wer-den konnte. Das gilt allerdings nicht für

Gelenkloser Rotor für die Hub-schrauber BO 105, BK 117 und EC145, lagerloser Rotor für die EC 135und Zukunftsrotor ATR.

02

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Krafteinleitungen und Beschläge. Der sta-tische Versuch berücksichtigt die Festig-keitsabminderungen bei Temperatur undFeuchte sowie Schäden durch Schlagbe-lastung.

Qualitätsprüfverfahren werden benutzt, umdie Fertigung der Bauteile zu überwachenund deren Zustand zu prüfen. Seit 15Jahren wird bei ECD in großem Umfangdie Computertomographie für die Be-stimmung von Fertigungsfehlern beiRotorblättern eingesetzt. Harznester,Lufteinschlüsse und Wellen können guterkannt werden. Die Porosität vonZellenstrukturen wird mit Hilfe derUltraschallmethode bestimmt und dieFestigkeitsminderung im Probenversuchermittelt. Für die Güte der Fertigungs-qualität der Strukturen ist die Qualitäts-sicherung insbesondere mit Hilfe der zer-störungsfreien Prüfung von großerBedeutung und eine wichtige Grundlagefür den ausreichend dimensioniertenLeichtbau.

3.2 Das EC 135 Rotorblatt mitdem Flexbeam als Struktur-element

Bei dem Rotorblatt der EC 135 wird nichtnur auf die Gelenke verzichtet, sondernauch auf das Lager zur Blattwinkelver-stellung. Diese Aufgabe übernimmt nunder als Flexbeam bezeichnete Blatthals, der biegeelastisch in Schlag- undSchwenkrichtung sowie drillelastisch aus-gebildet ist. (03) zeigt die EC 135 imRettungseinsatz und wesentliche Elemen-te des Blattes wie Blattanschluss, Flex-beam, Steuertüte und Schwenkdämpfer.

Die „Fail-Safe-Konstruktion“ des Flexbeamsder EC 135 ist für dynamische Anforde-rungen und Lasten ausdimensioniert undenthält folgende Aufgabenelemente:1. Blattanschluss2. fiktives Schlaggelenk3. drillelastisches Gelenk mit einbezoge-

nem fiktivem Schwenkgelenk und4. Übergangsbereich zum homogenen

Blattbereich und zur Steuertüte

Der gesamte Flexbeam besteht aus unidirek-tionalen E-Glas-Prepreg-Lagen sowie Ge-webe-Lagen für die Schubübertragung undFormerhaltung. Für die Lastübertragungam Blattanschluss werden vier Schlaufen

als zwei Doppelschlaufen ausgebildet, diedie Schlag-, Schwenk- und Torsionsmo-mente sowie die Fliehkraft übertragen.Dieser relativ massive Anschluss verjüngtsich schnell in das blattfederartige Schlag-gelenk, welches die vorgegebenen Schlag-bewegungen überträgt. In einem kurzenÜbergangsbereich werden die Faserlagenzu einem Kreuzprofil geformt. Diesesdrillelastische Element ist als wölbfreiesProfil konstruiert, um keine zusätzlichenWölblängsspannungen auf den Gurt zuübertragen. Die verhältnismäßig hohenvertikalen Stege des Kreuzprofils überneh-men die Schlagquerkräfte und tragenwesentlich zu dem geringen statischenDurchhang bei. Damit kann der sonstübliche Schlagstop eingespart werden. DerFlexbeam soll besonders kurz sein, um dieaerodynamische Güte des Rotors nicht zubeeinträchtigen. So ist insbesondere dieLänge des Drillelementes von etwa 50 cmweitaus geringer als bei vergleichbarenRotoren der Konkurrenz. Anschließendfolgt der Übergangsbereich zum homoge-nen Blattbereich.

Die Steuertüte überträgt die Steuerwinkelauf das Rotorblatt. Sie wird mehrschnittigund formschlüssig mit dem verändertenKreuzprofil verbunden. Zur Erzielungeiner hohen Torsionssteifigkeit besteht sieaus einem Glasfaserverbundsandwich miteiner geringen Schlag- aber hohenSchwenkbiegesteifigkeit. Diese wird durchzusätzliche Kohlelagen erzielt.Am innerenEnde der Tüte befinden sich zwei Elasto-merdämpfer, die in Schwenkrichtung wir-ken. Durch die Dämpfer wird die Steuer-tüte mit dem Flexbeam verbunden. DieDifferenzverschiebung zwischen Dämpferund Holm des Flexbeams wird zur Dämp-fung genutzt. Um eine hohe Schadens-toleranz zu erhalten, geht die GFK-Hautder Tüte nahtlos in das homogene Blattüber. Damit wird eine wesentliche Klebe-trennstelle vermieden. Analog dazu stelltder Hauptgurt ebenfalls eine über diegesamte Länge des Blattes einheitlicheStruktur dar.

Um das hohe Gewicht des Titanrotorkopfesder BO 105 einzusparen (60 kg) und umden Schlaggelenkabstand zu verringern,wurde der Flexbeam entwickelt. DerSchlaggelenkabstand ist das Maß für dasfiktive Schlaggelenk in Prozent der Blatt-länge. Er beträgt bei der BO 105 etwa 14.6

03

03

Das Hauptrotorblatt der EC 135 mitmehreren integrierten Funktionen.

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Prozent und bei der EC 135 etwa neunProzent. Diese Reduktion wirkt sich posi-tiv auf das Vibrationsverhalten des Hub-schraubers aus und verbessert denFluggastkomfort. Das anzustrebende Ziel,ein Kompromiss zwischen Steuerbarkeitund Komfort, beträgt etwa sechs Prozent.Dieser Wert konnte in etwa bei demAdvanced Technology Rotor (ATR) er-reicht werden. Die Steuertüte der EC 135wird mehrschnittig und formschlüssig mitdem veränderten Kreuzprofil verbunden.Beide Elemente formen dann das aerody-namische Blattprofil. Die Multifunk-tionalität des Blattes ist ein gutes Beispielfür den Leichtbau im Hubschrauber.

(04) zeigt den Flexbeam in der Prüfmaschi-ne unter Biege- und Torsionsbelastung. Imoberen Teil des Bildes wird der Flexbeamam Blattanschluss eingespannt und inSchlag- und Schwenkrichtung gebogen,zusätzlich wird auch die Fliehkraft aufge-bracht (150 kN). Im unteren Teil des Bildesist das Drillelement unbelastet und ver-drillt dargestellt. Der Drillwinkel beträgthier 100 Grad, wobei ebenfalls dieFliehkraft als Zusatzbelastung aufgebrachtwurde. Der Prüfling blieb unbeschadet,der Drillwinkel war allein durch diePrüfmaschinenkapazität begrenzt.

3.3 Weiterentwicklung des lager-losen Rotorsystems der EC 135

zum AdvancedTechnology Rotor (ATR)

Aufbauend auf dem innovativenRotor der EC 135 wurde die „La-gerlose Hauptrotortechnologie“ inden vergangenen Jahren im For-schungsprojekt ATR weiterent-wickelt. Wünschenswerte Merk-male der Bauweise und Auslegungwaren:– Geringes Gewicht für das Ge-

samtsystem „Hubschrauber“– Ein geringerer Schlaggelenkabstand als

bei der EC 135 zur Reduktion derVibrationen

– Faltbarkeit aller Rotorblätter nach hin-ten

– Fünf statt der üblichen vier Rotorblät-ter zur Reduktion der Blatterregung

– Modularität der Einzelkomponenten– Verbesserte aerodynamische Eigen-

schaften der Blätter– Verringerter Außenlärm

Das Ziel der Entwicklung war ein leistungs-fähiger Rotor für einen Hubschrauberzwischen 3.600 kg und 3.900 kg. Durcheine Verschiebung der wichtigsten Eigen-frequenzen reduziert sich die aerodynami-sche Anregung bei einem 5-Blatt-Rotor.Gegenüber einem 4-Blatt-Rotor sinkt dieZellenerregung um etwa 70 Prozent. NachAuslegung, Konstruktion und Test derKomponenten wurde 2006 die Erprobungim Flug mit Erfolg durchgeführt. In (05)

erkennt man die EC 145 S/N9001 mit demATR-Rotor beim Erstflug im April 2006 inDonauwörth. Die Auswertung vonFlugmessungen ergibt einenSchlaggelenksabstand von 6.6 Prozent desRadius. Weiterhin sind folgende Kon-struktionselemente dargestellt:– Rotorkopf mit Rotormast und Blatt-

anschluss– Flexbeam mit Schlaggelenk und

Trennstelle zum Rotorblatt– Steuertüte mit Schwenkdämpfer und

Bolzenanschluss zum Blatt

Der Rotorkopf des ATR enthält nur fünfBolzen für fünf Blätter statt acht Bolzenfür vier Blätter bei der EC 135. Das wirddadurch erreicht, dass die Anschlussarmegestuft angeordnet sind. Bei dem Konzeptgreift jeweils eine Anschlussschlaufe zwi-schen zwei Schlaufen des benachbartenBlattes. Die Befestigung am Rotorkopferfolgt mit einem gemeinsamen An-schlussbolzen für jeweils zwei Blatt-hälften. Durch den gewählten Anschlussder Blätter halbiert sich die Anzahl derBolzen und damit verringern sich derSchlaggelenksabstand und zusätzlich dasGewicht.

Der Flexbeam wurde mit R-Glas-Unidirek-tionallagen und dem Prepregsystem M12hergestellt. Durch den kompakten Aufbaudes Rotorkopfes rückt das Schlaggelenk inRichtung des Rotormittelpunktes. DieSteuertüte hat wesentliche Merkmale derEC 135, zur Erhöhung der Schwenk-steifigkeit wurden ebenfalls Kohlegurteangeordnet. Die Trennstelle ist ein zusätz-liches Strukturelement, das eine Blatt-faltung auch bei einem 5-Blattrotorerlaubt. Der Vorteil dieser Anordnunggegenüber der EC 135 besteht darin, dassdie Steuerstangen von der Faltung nichtbeeinflusst werden. Außerdem liegt dieTrennstelle in einem Bereich geringerBelastung.

04

Der Flexbeam des EC 135Blattes in der Prüfmaschineunter Biege- und Torsionsbe-lastung.

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Erprobungsflug der EC 145 miteinem 5-blättrigen Zukunfts-rotor ATR.

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Das Vibrationsniveau der EC 135 wird durchdie Anordnung eines etwa 35 kg schwerenAntiresonanz-Rotor-Isolations-Systems(ARIS) auf ein geringes Maß reduziert.Dieses Niveau wird beim ATR ohne Tilgererreicht, das bedeutet eine Einsparung vonetwa 35 kg. Damit wird das Gewicht desfünften Blattes kompensiert. Damit wirdwiederum beim Hubschrauber durchSystemveränderungen und multifunktio-nale Eigenschaften des Rotors notwendi-ger Leichtbau ermöglicht.

3.4. Entwicklung einer piezoelek-trisch angetriebenen aktivenBlatt-Hinterkantenklappe zurMinderung der Vibrationen unddes Außenlärms

Die Ziele und Visionen für die Einführungeiner aktiven Blattsteuerung lauten:– Unterdrückung der

Kabinenvibrationen– Verringerung des Außenlärms– Verbesserung der aeromechanischen

Stabilität– Lastbegrenzung – Minderung der benötigten Leistung im

Reiseflug– Ersetzen der Hydraulik und Taumel-

scheibe

Am 8. September 2005 fand bei Eurocopter inDonauwörth der Erstflug eines EC 145Hubschraubers mit piezoelektrischerRotorklappensteuerung statt. Im (06) istdas Basisblatt der EC 145 mit drei adapti-ven Klappen dargestellt. Der klassischenRotorsteuerung wird ein hochfrequenterAnteil kleiner Amplituden überlagert, sodass die einzelnen Rotorblätter währendeiner Umdrehung ständig an die jeweilsvorherrschenden Strömungsbedingungenangepasst werden können. Ein Regler inVerbindung mit Sensoren an Kabinen-struktur und Rotorblättern sorgt dann füreine Lärm- und Vibrationsreduktion. Dieeinzelnen Rotorblätter werden mit Hilfevon Piezo-Technik gesteuert. Im Blattbefindliche Piezokeramik-Elemente treibenkleine Servoklappen an der Hinterkantean. Unter sich ändernder elektrischerSpannung, die dem Bordnetz des Hub-schraubers entnommen wird, veränderndie Elemente ihre Länge und veränderndamit den Klappenausschlag. Die Ent-wicklung ist eine Zusammenarbeit mitEADS Corporate Research Center,

DaimlerCrysler und dem DeutschenZentrum für Luft- und Raumfahrt undwurde im Rahmen des Forschungs-projektes „Adaptive Rotorsysteme“ vomBundesministerium für Wirtschaft undArbeit gefördert.

Die Blätter entsprechen denen der EC 145,wurden jedoch bezüglich der Massengeändert. Weiterhin wurden die Kohle-fasergewebe in der Blatthaut durchGlasfasergewebe ersetzt, um die Torsions-steifigkeit gezielt zu verringern. Es wirdallerdings noch einige Jahre dauern, bis dieadaptiven Klappensysteme zum Serien-einsatz kommen. Die Konsequenzen einersolchen Systemänderung im Hubschrau-ber sind weitreichend. Die Systemände-rung bedeutet aber auch wiederum eineweitere Chance für den Leichtbau.

4. Die crashsichere Kohlefaser-verbundzelle des Transport-hubschraubers NH90

In der Anfangszeit der Hubschrauberent-wicklungen bei Eurocopter Deutschlandwurde der Faserverbundwerkstoff - abgese-hen von den Rotorblättern – hauptsäch-lich für gering belastete Bauteile wie Heck-ausleger und Höhenleitwerke angewendet.

Die Hauptforderungen der Kunden anZellenstrukturen sind:– geringes Gewicht– Korrosionsbeständigkeit– geringer Wartungsaufwand– hohe Nutzlast– Crash – Sicherheit– hohe Schadenstoleranz– hoher Komfort

Die Entwicklung einer Faserzelle für denHubschrauber BK 117 brachte grundlegen-de Erkenntnisse auf diesem Gebiet. DerErstflug des Hubschraubers erfolgte imFrühjahr 1989. Die gewonnenen Erfah-rungen führten zu den Entwicklungen derFaserzelle für den Tiger und NH90. DieZelle des Hubschraubers NH90 bestehtweitgehend aus Kohle- und Kevlarver-bunden. Für die gesamte Struktur wurdeein bei 180 Grad aushärtendes Prepreg-system gewählt. Die Gesamtabmessungender Zelle sind etwa 16 m Länge, 3.8 mHöhe und 4.4 m Breite. Die Zelle ist in dreiModule eingeteilt: Cockpit, Rumpfmittel-teil und Heckmodul (07). Die Struktur

06

Forschungsrotorblatt der EC 145 mitpiezoelektrisch angetriebenen Klappen.

07

Kohlefaserverbundzelle für den mili-tärischen Hubschrauber NH90 mitsehr guten Crasheigenschaften.

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besteht im Wesentlichen aus Spanten,Längsträgern und Sandwichpanelen, dieaus CFK-Geweben und NOMEX-Wabenaufgebaut sind.

Der dimensionierende Versagensfall derSandwichstrukturen ist die lokale Stabili-tät (Knittern) der Deckhäute. Die angege-benen Formeln zeigen die Einflussfaktorenfür dieses Instabilitätsversagen:

Die Formel für das Knittern basiert auf demdruckbelasteten Balken auf elastischerBettung unter Berücksichtigung der ani-sotropen Waben. Der ideale Vorfaktor von0.81 wird jedoch in der Praxis nicht er-reicht. Testergebnisse liefern Vorfaktorenvon 0.33 bis 0.5. Der Einfluss von Tempera-tur und Feuchte sowie die Auswirkungvon Schlagschäden liefern eine weitereAbminderung der erreichbaren Festigkeit,die weit unter der Faserfestigkeit liegt. DerGrenzwert der zulässigen Dehnung wirdnach diesen Ergebnissen festgelegt.

Die Crashsicherheit war eine wesentlicheBedingung für den Entwurf des militäri-schen Transporters NH 90. Für den Serien-transporter mit einem maximalen Abflug-gewicht von 9.45 t wird eine überlebbarevertikale Geschwindigkeit von 10.6 m/secfür den Aufschlag gefordert. Bei dieserBelastung ist das Landewerk ausgefahren.Für den Hubschrauber mit eingefahrenemLandewerk ist eine Geschwindigkeit von7.7 m/sec vorgesehen. Der Hubschraubersoll außerdem fähig sein, einen Crash bei

einem Anstellwinkel von 15 Grad undeinem Rollwinkel von fünf Grad zu über-stehen.

Die Crash-Forderungen für Insassen könnenwie folgt zusammengefasst werden:– Schutz der Insassen durch Reduktion

der Lastfaktoren auf ein erträglichesMaß.

– Schutz der Insassen vor Schäden, diedurch Einbrechen der Rotor- undGetriebemassen erzeugt werden.

– Schutz der Insassen vor umher fliegen-den Massen.

– Schutz vor Feuer. Das Tanksystem sollein Auslaufen von Treibstoff verhin-dern.

– Insassen sollen nach dem Crash dieZelle verlassen können.

Die Nachweisversuche wurden gemäß derMethode der Versuchspyramide durchge-führt. Kleine Versuchsproben ergabenGrundlagen, die dann bei größerenStrukturen angewendet wurden. DerHauptcrashtest wurde am Rumpfmittel-teil durchgeführt, das aus Rumpfunter-und Rumpfoberteil, dem installiertenTank, Getriebe und Triebwerken sowieden Sitzen der Insassen bestand. Eine Füllevon Analysen wurde mit Hilfe derRechenprogramme KRASH, DYTRANusw. durchgeführt. Die umfangreichenRechnungen ergaben ein gutes Verständ-nis des Crashverhaltens der Zelle. DerRumpfmittelteiltest war erfolgreich undbestätigte die Auslegung der NH90 Zelle.

Die Crashforderungen an die Zellen vonHubschraubern können hervorragenddurch Leichtbauentwürfe in Kohlefaser-verbundbauweise erfüllt werden. Selbstzusätzliche Komfortbedingungen könneneingebracht werden, ohne die gutenCrasheigenschaften zu beeinträchtigen.

5. Die schnell laufende Kohle-faserheckrotorwelle der EC 135

Drei hintereinander geschaltete Heckrotor-wellen übertragen die für den Fenestronnotwendige Leistung bei einer Drehzahlvon 5.000 U/min. Ursprünglich waren zweiWellen aus Aluminium und eine aus Stahl.Am Anfang der Serienauslieferung erga-ben sich Schwierigkeiten mit den Lagernund den Aluminiumwellen. Bei Fern-wellen, die mit hoher Drehzahl laufen,

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Vereinfachte Formel für homogene Steifigkeit der Deckhäute über die Dicke:

Bezeichnungen:

σkns = Symmetrische Knitterspannung

tf = Dicke der Deckhaut

tc = Dicke der Wabe

Ef = E- Modul der Faser

Ec = E- Modul der Wabe

k, f =Faktoren zwischen 0.33 und 0.81 abhängig vom VersuchsergebnisB = Plattenbiegesteifigkeitνxy, νyx = Querkontraktionen

mit

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beeinflussen Gewicht und Biegesteifigkeitdie kritische Drehzahl. Ein großer Abstandzu dieser Instabilität wird, wie beim Kni-cken von Stäben, durch die Erhöhung derBiegesteifigkeit und Reduktion der Masseerreicht. Die Auslegung einer Kohlefaser-verbundwelle mit Hilfe von Unidirektion-allagen und Torsionsgewebe ergab einenausreichenden Abstand zur kritischenDrehzahl bei geringem Gewicht und löstedamit das aufgetretene Problem. Nach denForderungen des Luftfahrtbundesamtesmussten Schläge bis zu 25 Joule aufge-bracht werden und deren Einfluss auf dasertragbare Rest-Torsionsmoment be-stimmt werden. Ein maximal auftretendesTorsionsmoment (Limit Load) mit einemSicherheitsfaktor von 1.5 und einem Tem-peratur- und Feuchtefaktor von 1.28 wur-de nachgewiesen. Inzwischen wurden etwa1.000 Heckrotorwellen gebaut und in derEC 135 erfolgreich eingesetzt. Die Ent-wicklung dieser Struktur zeigt ebenfallsdie Bedeutung des Leichtbaus im Hub-schrauber, insbesondere wenn schwer ver-trägliche Forderungen zu erfüllen sind.

6. Zusammenfassung undAusblick

Leichtbau im Hubschrauber hat eine heraus-ragende Bedeutung; er kann jedoch meistnur in Verbindung mit dem Teil- oderGesamtsystem erreicht werden. DieFaserverbunde haben im Hubschrauber-bereich von MBB, jetzt Eurocopter, immereine entscheidende Rolle gespielt. Diemodernen gelenk- und lagerlosen Rotor-konzepte konnten erst durch die Ver-wendung von Rotorblättern in FVW-Bauweise verwirklicht werden.

Für zukünftige Ansprüche muss die Gesamt-auslegung des Hubschraubers bezüglichfolgender Kriterien verbessert werden:– Das Gesamtstrukturgewicht sollte wei-

ter reduziert werden, das kann durchdie Verringerung der dynamischenLasten geschehen. Die Beanspru-chungen können aufgezeichnet unddie Lebensdauer den tatsächlichen, imBetrieb auftretenden Lasten angepasstwerden. Verschiedene Health andUsage Monitoring Systeme (HUMS)ermöglichen die Zuordnung zwischenBetrieb eines Hubschraubers und denmöglichen Schäden aus den Betriebs-lasten. Piezoelektrisch angetriebene

aktive Blatt-Hinterkantenklappenermöglichen über denBlattumlauf Steuer-eingaben, die die dy-namischen Lasten ver-ringern. Solche Klap-pen können auch diehydraulische Steue-rung mit Hilfe vonMetallteilen, wie z. Bder Taumelscheibe, inferner Zukunft erset-zen.

– Komfortbedingungenmüssen verstärktschon im Entwurf derZelle berücksichtigtwerden. Sind doch dieLärm dämmendenStrukturen schwerund werden nicht beider Festigkeit berück-sichtigt. Damit entste-hen teilweise unnöti-ge Zusatzgewichte.

– Großer Wert muss aufeinen niedrigen Kabi-nen-Vibrationspegelgelegt werden, dernicht durch schwereKabinentilger erreichtwerden sollte, son-dern durch gut ausge-legte 5-Blattrotoren.

– Die Sicherheit solltedurch den EntwurfschadenstoleranterBauteile weiter gestei-gert werden.

– Der Lärmreduzierung muss eine hohePriorität eingeräumt werden.

– Eine Erweiterung des Geschwindig-keitsbereiches wäre für den Kundenwünschenswert, bedingt aber eine spe-zielle Auslegung der Rotoren undeventuell neue Rotorkonzepte.

– Der Tilt-Rotor wäre eine Möglichkeit,in der Zukunft den Flugbereich unddie Geschwindigkeit des Hubschrau-bers zu vergrößern.

Die Leichtbaustrukturen des heutigen Hub-schraubers haben bereits einen hohenEntwicklungsstand. Sie können aber durchden Einsatz von neuen Technologien nochwesentlich verbessert werden. •

Horst Bansemir

Light weight structures are of main importance forhelicopters, specially when they are related to rotorsystems and fuselage structures. Helicopter rotorsystems are dynamically loaded with many composi-te components such as main and tail rotor blades androtor hubs. The civil helicopter EC 135 has a bea-ringless rotor system certified according to the“Special Condition for Primary Structures Designedwith Composite Material” of the German airworth-iness LBA containing increased safety demands.More than 500 EC 135 helicopters are in serviceuntil now. The design of composite rotor blades havea long tradition at MBB and Eurocopter.

A cooperation with Stuttgart research institutes ledto the first helicopter composite rotor blade for theheli trainer BO 102. Later the BO 105 helicopterwas designed with a hingeless main rotor equippedwith composite rotor blades. More than 1500 helicopters have been in service after the first flighttook place in 1967. Recent research developmentsare the 5-bladed ATR (Advanced TechnologyRotor) and the “Active Flap Rotor”. First flight ofthis outstanding rotor with piezo-electrical drivenflaps was in 2005 on an experimental EC 145.

The military transport helicopter NH90 contractrequires crashworthiness, based on MIL 1290 andWeapon System Requirements. The overall crash-worthiness requirements are:Survivability of pilots and troops, limiting g-loadsto tolerable load factors, prevent masses from dis-connection from supporting structure and preventpost-crash fire. In an outstanding test with themiddle section of the NH90 fuselage these featureswere proven.

SUM MARY

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Literatur

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4 D. Paul, L. Kelly, V. Venkayya and T. Hess:Evolution of U.S Military Aircraft Struc-tures Technology. Journal of Aircraft,Vol. 39, No. 1, January-February 2002.

5 Oster, R.: Computed Tomography as aNon Destructive Test Method for FiberMain Rotor Blades in Development,Series and Maintenance, 23rd EuropeanRotorcraft Forum, Dresden, Germany,16-18 September 1997

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8 Pfeifer, K.: Der Faserverbund – Haupt-rotor des Mehrzweckhubschraubers EC135. ECD-0060-96-PUB, DGLR-Tagungdes Fachbereiches T1 Strukturen,Daimler-Benz Aerospace, München,27./28. Nov. 1996

9 H. Bansemir, S. Emmerling: FatigueSubstantiation and Damage ToleranceEvaluation of Fiber Composite HelicopterComponents. Applied Vehicle Tech-nology Panel: Applications of DamageTolerance Principles for ImprovedAirworthiness of Rotorcraft, CorfuGreece, 1999

10 B. Enenkl, M. Bebesel, S. Mangelsdorf, G.Roth: ATR (Advanced TechnologyRotor) – Flugerprobung des neuartigenlagerlosen 5-Blattrotors. ECD-156-06-PUB, DGLR-Jahrestagung in Braun-schweig, Nov. 2006

11 Dieterich, O., Enenkl, B., Roth, D.:„Trailing Edge Flaps for Active RotorControl, Aeroelastic Characteristics ofthe ADASYS Rotor System“. 62nd AHSAnnual Forum, Phoenix, AZ, USA, May2006

12 A. Engleder, W. Koletzko: TheDevelopment of a Composite HelicopterFuselage as exemplified on the BK 117.Mailand, 1988

13 C. M. Kindervater: Crash ResistantComposite Airframe Structures: DesignConcepts and Experimental Evaluation.DGLR Tagung “Faserverbundwerkstoffeund –bauweisen in der Luft- undRaumfahrt”, Daimler-Benz Aerospace,Ottobrunn, 27. und 28. November 1996

14 D. Müller, R. Oster, J.-P. Scheitle:Analysis and Full-Scale Test of the NH90Transport Helicopter Fuselage. DGLR-Jahrestagung 2003 (173)

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H U BSCH RAU B E R 31

Dr.-Ing. Horst Bansemir

erwarb sein Hauptdiplom an der Technischen Universität München an der Fakultät für Bauwesen. DieVertiefungsrichtung waren Statik und Stahlbau. Anschließend wurde Horst Bansemir Assistent amLehrstuhl und Institut für Leichtbau und Flugzeugbau an der Technischen Universität München, FakultätMaschinenbau. Dort führte er Übungen durch und promovierte mit dem Thema „Krafteinleitung inSandwichstrukturen“ zum Dr.-Ing.. Nach der Promotion wurde er zunächst Mitarbeiter und dannAbteilungsleiter für Strukturtheorie bei der Firma MBB in München. Seit 1973 führte er statischeBerechnungen insbesondere auf dem Gebiet der Faserverbundtechnik durch. Die Ergebnisse flossen in dieEntwicklung des Rotors der EC 135 ein. In der weiteren Zeit führte er auch Analysen zu großen flächi-gen Solargeneratoren für die Raumfahrt durch. Im Januar 2000 wurde er Hauptabteilungsleiter fürKonstruktion und Statik des dynamischen Systems der Eurocoptergruppe. Anschließend leitete er die län-derübergreifende Hauptabteilung Statik in Frankreich und Deutschland. Seine Pensionierung erfolgte imJahr 2005. Seit dieser Zeit berät er die Firma Eurocopter in Fragen der Strukturtheorie. VieleVeröffentlichungen und Patente beziehen sich auf Rotorentwicklungen.

KontaktDr.-Ing. Horst Bansemir, Eurocopter Deutschland GmbH, 81663 Münchene-mail: [email protected]

DER AUTOR

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In der Vergangenheit stand hauptsächlich dieSportlichkeit eines Fahrzeuges als Treiberfür den Leichtbau in Fahrzeugkonzepten.Herausragende Motivation für dieEntwicklung heutiger, neuer Fahrzeug-strukturen ist neben der Reduzierung desKraftstoffverbrauchs die Verringerung kli-mawirksamer Emissionen. Dies zielt vorallem auf die Reduzierung der Fahrzeug-masse und damit die verschiedenenStrategien zum Leichtbau. Anhand ver-schiedener Leichtbauarten werden dietechnisch relevanten Kriterien für Bau-weisen und Werkstoffkonzepte herausgear-

beitet. Im Zentrum heutiger Bemühungensteht dabei vielfach die Synthese von Bau-weisen- und Werkstoffentwicklung mitdem Ziel eines Multi-Material-Designs[1, 2].

Modularisierung ist ein weiterer wirtschaftli-cher Ansatz, um die Diversifizierung derFahrzeugkonzepte zu gestalten und effek-tiv umzusetzen [3]. Für Hybrid- und späterauch Brennstoffzellen-Antriebe werdendurch die Modularisierung die Voraus-setzungen geschaffen, unterschiedlicheFahrzeugantriebe innerhalb einer Fahr-

TH E M E N H E FT FORSCH U NG LE ICHTBAU32

Neue Werkstoffe undBauweisen für neuartige

FahrzeugkonzepteDer Raum Stuttgart stand in der

Vergangenheit immer wieder für neue

Fahrzeugkonzepte und Leichtbau. Die (01)

zeigt den Mercedes Benz SSKL aus den

30er Jahren als ein Fahrzeugbeispiel. Die

Abkürzung „SSKL“ stand für Sport, Super,

kurzer Radstand und Leicht. Der SSKL

sparte ca. 125 kg Gewicht, indem massive

Fahrzeugrahmenteile wie die Holme und

Traversen mit kreisrunden Bohrungen ver-

sehen wurden. Des Weiteren zeigt der

Porsche 904 Coupé in (02) durch seine

Kunststoffkarosserie ebenfalls Gewicht-

einsparungspotential durch die Ver-

wendung damals neuer Materialien.

Mercedes Benz SSKL

Porsche 904 Coupé02

01

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zeugklasse darzustellen. Allerdings kanndie Modularisierung teilweise einer hohenIntegrationsdichte auch entgegenstehen.Das modulare Leichtbaukonzept des DLRverfolgt demzufolge das Ziel, Antriebs-strangevolutionen skalierbar und wirt-schaftlich gestaltbar zu machen und dabeidie Konzeptflexibilität zu erhalten oderfallweise sogar zu erhöhen.

Diese Ansätze führen zur Strategie„Hybrid3“. Hierbei werden nicht nur 1.unterschiedliche Werkstoffe und 2. ver-schiedene Bauweisen aufeinander abge-stimmt, sondern auch 3. wird dieIntegration funktionaler Effekte oderFunktionen berücksichtigt. Dies bedeutetz. B., dünnwandige Bauteile in ihremSchwingungs- oder akustischen Verhaltenmit strukturintegrierten, aktivenMaterialien optimal zu gestalten. WeitereBeispiele für die Ansätze mit „Hybrid3“-Effekten könnten schaltbare Oberflächenoder integrierte Energiewandlung sein.Der am DLR bearbeitete CompressedNatural Gas Drucktank (CNG- Tank) inWabenbauweise beinhaltet auf Grund sei-ner Konzeption das Potential, die Funk-tion Tank strukturintegriert zu realisieren.Ziel ist es, einen Tank zu entwickeln, derleicht, sicher, packagingvariabel, großseri-entauglich und kostengünstig ist (03).

Die verschiedenen Entwicklungsrichtungenwerden in einer Roadmap dargestellt undanhand zukunftsweisender Beispiele ausdem Fahrzeugbau diskutiert.

2. Bauweisen undWerkstoffkonzepte

Das Ziel der Reduzierung von CO2-Emis-sionen kann u.a. durch eine Reduzierungder Fahrwiderstände erreicht werden. Mitgezieltem Leichtbau können die Massenund damit Beschleunigungs-, Roll- undSteigungswiderstände reduziert werden.Die Karosseriebauweisen Monocoque,Schale, Space-Frame und deren Hybrid-formen aus Schale und Space-Frame,haben einen großen Einfluss auf dieEigenschaften und Gestaltung des Fahr-zeuges. Die Space-Frame-Bauweise ermög-licht zum Beispiel durch die Anpassungder Halbzeugelemente ein einfacheresSkalieren der Karosserieform.

Die unterschiedlichen Bauweisen stellenkonzeptbestimmende Anforderungen andie Werkstoff- und Fertigungstechnolo-gien. Ein Beispiel ist der Audi A8 mit sei-ner Space-Frame-Bauweise und demWerkstoff Aluminium. Die Verbindung dereinzelnen Profile durch komplexe Guss-bauteile erforderten neue bzw. verbesserteWerkstoff- und Fertigungskonzepte.

3. Anforderungen und technischeKriterien

Die Bauweisen- und Werkstoffkonzepte wer-den von unterschiedlichen Anforde-rungen getrieben. Diese Anforderungenresultieren aus Vorgaben der Gesellschaft,Politik und Gesetzgebung sowie den inter-nationalen Märkten. Als Vorgaben ausMarkt und Gesellschaft können Begriffewie z.B. Verbrauch, Fahrspaß oder Ge-brauchsnutzen: aus der Politik und Ge-setzgebung z. B.Emissionen undRecyclinggenannt werden.

Die Erfüllung allerAnforderungenstellt eine Heraus-forderung für dieForschungs- undEntwick-lungsabteilungender Auto-mobilherstellerdar. Beispielhaftkönnen einigeAnforderungengenannt wer-den [4]:

DLR GasTank

Vergleich heutigerBauweisenkonzepte

03

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TH E M E N H E FT FORSCH U NG LE ICHTBAU34

• Konzept (z. B. Package, Design, Außen-abmessungen, Antriebskonzept, Aero-dynamik usw.)

• Sicherheit (Crash, Insassenschutz)• Belastungen (Betrieb, Missbrauch)• Umgebung (Temperatur, Klima,

Medien)• Formgebung (z. B. Geometrie, Ober-

flächen)• Leichtbau (Werkstoff, Konstruktion)• Herstellbarkeit (Umformung,

Fügetechnik, Fertigung)

Diese Anforderungen müssen in technischrelevante Kriterien übergeleitet werden,wie z.B. Biegesteifigkeit, Torsionssteifigkeitoder Karosseriegewicht.

Im Segment der Premium- und Volumen-fahrzeuge ist in den letzten Jahren eineTendenz zu höherfesten und höchstfestenStahlwerkstoffgüten zu erkennen. Diesresultiert auch aus den steigendenAnforderungen an die Sicherheit und dieForderung nach einer Gewichtsredu-zierung. Im Entwicklungsstadium befin-den sich zurzeit so genannte Leichtbau-stähle auf Basis von Eisen-Mangan-Legierungen, welche bei hohen Festig-keiten deutlich höhere Dehnraten alsheutige Stahlwerkstoffe aufweisen.

Ebenfalls ist in den letzten Jahren ein Trendzu Hybridbauweisen, teilweise auch alsMischbauweisen bezeichnet, zu erkennen.Dieser Trend hat stufenweise Einzuggehalten und begann mit dem Einbau vonz.B. Klappen und Deckel. Ein strukturelles

Beispiel hierfür ist der BMW 5er mit sei-nem Vorderwagen aus Aluminium undder restlichen Karosserie aus dem Werk-stoff Stahl. Es bleibt abzuwarten, ob sichdie Entwickler weiter an ganze Modulewagen.

Im Karosseriebereich ist eine Zunahme vonKunststoffen vorwiegend nur im Bereichder Beplankung zu erkennen. DieserTrend ist jedoch eher gering, wohingegenim Premium-Segment der Einsatz vonHochleistungskunststoffen, wie Kohlen-stofffaserverbund, immer mehr für insbe-sondere hochbelastete Bauteile zunimmt.Beispiele für dieses Segment sind derBugatti Veyron, der Porsche Carrera GTund der McLaren SLR [5].

Heutige Forschungsaktivitäten liegen vor-wiegend auf dem Gebiet des Multi-Mate-rial-Designs mit dem Ziel, den Werkstoffmit den besten Eigenschaften für die gege-benen Bauteilanforderungen an der richti-gen Stelle zu platzieren. So kann beispiels-weise durch den gezielten, partiellenEinsatz von Hochleistungskunststoffenwie Kohlenstofffaserwerkstoffen als Crash-Element, eine Leistungssteigerung mitgleichzeitiger Gewichtsreduzierungerreicht werden.

4. Modularisierung

Wie zuvor beschrieben, ist durch die unter-schiedlichen Anforderungen der hoch ent-wickelten Märkte eine immer größer wer-dende Derivatbildung innerhalb derFahrzeugklassen zu erkennen [3], was einesinkende Einzelstückzahl in derProduktion zur Folge hat. Um dennochdie Wirtschaftlichkeit zu wahren, kann dieModularisierung als ein wirtschaftlicherAnsatz eingesetzt werden: durch eine inBezug auf Fahrzeuggeometrie und -lei-stung skalierbare Struktur ergeben sichdamit neue Differenzierungspotentiale.

Hybrid- und Brennstoffzellenantrieb ergebenkünftig zusätzliche Anforderungen an z.B.Speicherung des Kraftstoffes im Fahrzeugoder an das Fahrzeugsicherheitskonzept.Der Schutz von Kraftstoffspeicher oderkomplexen Steuer- Regelungseinrich-tungen, z.B. beim Seitencrash, kann durchCrash-Elemente aus Faserverbundkunst-stoff erfolgen [6]. Ein DLR-Konzept für die

04

Vertreter zweier unterschiedlicher Bauweisen(BMW 5er, Quelle: BMW AG;Audi A8 D3 2003, Quelle: Audi AG)

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Modularisierung neuer Antriebskonzeptemit einem Sicherheits-Compartment, wel-ches partiell Faserverbundwerkstoffe alsCrash-Elemente im Bereich der Schwellereinsetzt, ist in (5) zu sehen. Der Einsatzvon Crash-Elementen aus Faserverbundund metallischen Space-Frame-Elementenermöglicht somit anpassbare Eigen-schaften und Geometrien.

Dementsprechend besteht z. B. der zentraleB-Säulenknoten aus Kohlenstofffaser-verbund mit einem integrierten Crash-Element und wiegt als Forschungs-demonstrator insgesamt 1,8 kg. Dieser B-Säulenknoten setzt sich aus einzelnen,angepassten Elementen zusammen, diejeweils spezielle Funktionen, wie Ener-gieaufnahme beim Crash, übernehmen.Die einzelnen Elemente sind aus acht biszwölf Faserverbundgewebelagen aufge-baut. Der symmetrische Aufbau ausKohlenstoff- und Glasfaserlagen sorgt füreine gute Performance, wobei die Glas-faserlagen zur Steigerung der Zähigkeitmit eingebracht sind. Weitere Abschätzun-gen dieses Sicherheits-Compartmentsergeben eine Gewichtsreduzierung durchMulti-Material-Design von bis zu 40Prozent im Vergleich zu herkömmlichenBauweisen.

Die Ergebnisse eines statischen Druckver-suches (200 mm/min) zur Auslegung derParameter für einen anschließenden,dynamischen Crashversuch haben gezeigt,dass die Auslegung der Bauteilgeometrieund Werkstoffparameter richtig dimensio-niert wurden, vgl. (6).

Das Diagramm zeigt im Kraftverlauf einehohe Anfangskraft bis zur Einleitung desCrushings, wie (6) zeigt. Ebenfalls ist einansteigendes Kraftniveau aufgrund deskonischen Verlaufs des Crashelementes zuerkennen. Die aufgewendete Arbeit zeigteinen sehr gleichmäßigen, ansteigendenVerlauf.

Weiterführend zur Antriebsmodularisierungund einer gesteigerten Nutzungsflexibilitätder Fahrzeugkonzepte forscht das DLR anmodularisierten Vorderwagenkonzeptenim Multi-Material-Design. Durch den par-tiellen Einsatz von Faserverbundwerk-stoffen und einer leichtmetallintensivenBauweise ergeben sich weitere Möglich-keiten zur Gewichtsreduzierung.

Hier kann als Beispiel ein Federbeindom miteinem Gewicht von 2,5 kg und damit einerReduzierung des Gewichts um bis zu 50Prozent zu vergleichbaren Stahlstrukturengenannt werden. Der Federbeindom istaus p-CBT mit unidirektionaler Kohlefas-erverstärkung (Tailored Fiber Placement)vorgeschlagen. Cyclic Butylene Tereph-thalate (CBT®) ist ein neuentwickeltesthermoplastisches Materialsystem auf Ba-sis von PBT, das die Vorteile von thermo-plastischen sowie duroplastischen Matri-zen kombiniert. Die Anwendungsbereichefür das Materialsystem sind vielfältig undauch geeignet für Strukturbauteile im Au-tomobilbau. Die geringe Viskosität bei derVerarbeitung ermöglicht es, Bauteile mit

05

DLR-Leichtbaukonzept eines Fahrzeuges mit modularem Containment,eingebunden in eine Sicherheitsstruktur mit Crash-Elementen ausFaserverbundwerkstoff

06

Erprobung eines B-Säulen Crash-Elementes

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TH E M E N H E FT FORSCH U NG LE ICHTBAU36

thermoplastischerMatrix und einemhohen Faservolumen-gehalt zu produzieren[7].

5. Hybrid3

Die beschriebenen An-sätze führen zurzuvor schon genann-ten Strategie desHybrid3, vgl. (07),welche eine integraleBetrachtung der dreiDimensionen1. Werkstoffe,2. Bauweisen und3. funktionale Effekteim Fahrzeug-Designdarstellt.

Ein Konzeptentwurffür teiltransparenteStrukturen basiertz. B. auf Kohlefaser-strängen für hochbe-lastete Bereiche so-wie auf Nanoparti-kelgefüllte Kunst-stoffe für vorrangigzur Sicht genutzteBereiche, siehe (08).Diese teiltransparen-ten Strukturen sindz. B. in der A-Säuledenkbar. Ein Effektwäre die Erweiterungdes Sichtfeldes desFahrers und damiteine Verbesserungder Sicherheit sowieneuartige Design-elemente in Fahr-zeugkonzepten.

Hierbei liegen die For-schungsschwer-punkte auf der Ver-besserung der An-bindung der unter-schiedlichen Be-reiche, sowie derSteigerung derSteifigkeits- undFestigkeitseigen-schaften der nano-

partikelgefüllten Kunststoffe. Erste Un-tersuchungen des DLR belegen beiWerkstoffen eine E-Modulsteigerung von+26 Prozent bei einer Zumischung vondrei Gewichts-Prozent Nanoschicht-silikaten [8].

Die Integration von funktionellen Effektenbedeutet die Einbringung von z. B. aktivenMaterialien in die Struktur zur Erhöhungdes Komforts durch die Dämpfung vondünnen, leichten Strukturen. WeitereBeispiele für den Ansatz mit “Hybrid3“-Effekten könnten schaltbare Oberflächenoder integrierte Energiewandlung sein [9].

6. Zusammenfassung

Die Diversifikation der einzelnenFahrzeugklassen wird in den hoch ent-wickelten Märkten weiter zunehmen.Bedingt durch die steigenden Anforde-rungen der einzelnen Klassen und derenjeweiligen Stückzahlen wird künftig einegrößere Anzahl von Werkstoffen undBauweisenkonzepten entstehen, vgl. (08).Die Modularisierung wird zu einerSynthese der einzelnen Konzepte beitra-gen. Durch die Umsetzung der Hybrid3-Strategie mit der Integration von funktio-nalen Effekten ergeben sich neuartigeDesignaspekte für zukünftigeFahrzeugkonzepte. •

Horst E. Friedrich, Gundolf Kopp, Roland Schöll

Literatur

1 Timm, H.: Entwicklungsstrategien für wirtschaft-lichen Leichtbau in Mischbauweisen, 8. DresdnerLeichtbausymposium 2004, Dresden, (2004)

2 Friedrich, H. E.: Leichtbau und Werkstoffinnova-tionen im Fahrzeugbau, ATZ, Vol. 3, p.258-266(2002)

3 Krusche, T., Leyers, J., Oehmke, T. andParr, T.: Bewertung von Modularisierungsstrate-gien für unterschiedliche Fahrzeugkonzepte amBeispiel des Vorderwagens, ATZ, Vol. 10, p. 928-933, (2004)

4 Goede, M.; Ferkel, H.; Stieg, J. and Dröder,K.: Mischbauweisen Karosseriekonzepte – Innova-tionen durch bezahlbaren Leichtbau, 14. Aache-ner Kolloquium Fahrzeug- und Motoren-technik, Aachen, (2005)

5 Bechtold, M.: FVK-Rohbau für Hochleistungs-sportwagen – Mercedes-Ben SLR MCLaren,Vison Kunststoffkarosserie 2010, BadNauheim, (2004)

Roadmap Werkstoffe und Bauweisentrends

09

Transparente Strukturen mit Kombination vonFaserverbundwerkstoffen und Nanopartikel-Werkstoffen

08

Strategie des Hybrid07

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6 Friedrich, H. E. and Kopp, G.:Werkstofftechnische Innovationen für dieFahrzeugkonzepte der Zukunft,Handelsblatt-Tagung, München,(2005)

7 Krause, W.; Geiger, O.; Henning,F.; Eyerer, P.: Development of aTechnology for Large Scale Production ofContinuous Fiber ReinforcedThermoplastic Composites, SPE-Conference, Boston, (2005)

8 Riedel U.: Untersuchungen anNanoverstärkten Compositen, AVKTagung Baden-Baden, (2004)

9 Friedrich, H. E.: Werkstofftechniken alsTreiber von Innovationen imAutomobilbau, Composites in Automotiveund Aerospace, 1. MaterialicaKongress, München, (2005)

The diversification of the various vehicleclasses will further increase in the highlydeveloped markets. Caused by the risingrequirements of the individual classes andtheir respective number of components, anincreasing number of materials and con-struction method concepts will be developed(08). The modularisation will contributeto a synthesis of the single concepts. By theimplementation of the Hybrid-Strategywith the integration of functional effects,new design aspects will arise for futurevehicle concepts.

Die Diversifikation der einzelnenFahrzeugklassen wird in den hoch ent-wickelten Märkten weiter zunehmen.Bedingt durch die steigenden Anforde-rungen der einzelnen Klassen und derenjeweilige Stückzahlen wird künftig einegrößere Anzahl von Werkstoffen undBauweisenkonzepten entstehen (08). DieModularisierung wird zu einer Syntheseder einzelnen Konzepte beitragen. Durchdie Umsetzung der Hybrid-Strategie mitder Integration von funktionalen Effektenergeben sich neuartige Designaspekte fürzukünftige Fahrzeugkonzepte.

SUM MARY

DIE AUTOREN

Prof. Dr. H. E. Friedrich

studierte Maschinenwesen an der Technischen UniversitätMünchen. Nach Tätigkeiten in der Maschinenbauindustrie und derUnternehmensberatung wechselte er 1986 in die Luftfahrtindustrie.In leitenden Funktionen arbeitete er u. a. an neuen Bauweisen fürWerkstoffe für Flugzeuge sowie an Flugtriebwerken und derVerkürzung der Produkteinführungszeiten. 1996 ging Prof.Friedrich als Leiter der Fahrzeug-Forschung zu VW nachWolfsburg, wo er zuletzt als Leiter der KonzernforschungWerkstofftechnik und Fahrzeugkonzepte arbeitete. Seit März 2004ist er Direktor des neu gegründeten Institutes für Fahrzeugkonzeptebeim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. in Stuttgartund Professor an der Universität Stuttgart.

Dipl.-Ing. Gundolf Kopp

schloss sein Studium an der Universität Stuttgart im Jahre 2000mit dem Diplom-Ingenieur für Luft- und Raumfahrttechnik ab. VonDezember 2000 bis Oktober 2002 arbeitet er als wissenschaftlicherMitarbeiter bei der Fraunhofer Technologie-Entwicklungsgruppe inStuttgart in der Gruppe „Fertigungstechnik und Anwendung neuerWerkstoffe". Von November 2002 bis zum Juli 2004 war er Leiterdieser Gruppe.Seit August 2004 arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiterbeim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. am Institutfür Fahrzeugkonzepte im Forschungsfeld „Leichtbau undHybridbauweisen" in Stuttgart. Ab September 2006 ist GundolfKopp kommissarischer Leiter dieses Forschungsfeldes.

Dipl.-Ing.(FH) Roland Schöll

absolvierte das Ingenieursstudium an der Höheren TechnischenLehranstalt (HTL) in Fulpmes (Österreich) und später das berufs-begleitende Aufbaustudium Maschinenbau Konstruktion an derHochschule für Technik und Wirtschaft in Mittweida.Nach vierjähriger Tätigkeit im Bereich der Konstruktion in derAutomobilzulieferindustrie wechselte Roland Schöll 2001 in denAutomobilrennsport. Bei der Firma Abt Sportsline GmbH inKempten war er im Bereich Konstruktion Gesamtfahrzeug für denAudi TT-R in der Deutschen Tourenwagen Meisterschaft zuständig.Seit Juli 2004 arbeitet Roland Schöll als wissenschaftlicherMitarbeiter beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrte.V. am Institut für Fahrzeugkonzepte im Forschungsfeld „Leichtbauund Hybridbauweisen“ in Stuttgart und leitet seit dem 1. August2006 die Gruppe Konstruktion und Berechnung.

KontaktDeutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V., Institut fürFahrzeugkonzepte, Pfaffenwaldring 38-40, 70569 Stuttgart,Tel. +49 711 6862-255, Fax +49 711 6862-1255,e-mail: [email protected], Internet: www.dlr.de/fk/

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1. Leichtbau – Anforderungenund Möglichkeiten

In den Anwendungen des Leichtbaus sind dieAnforderungen an die verwendeten Ma-terialien in der Regel auf einen gemeinsa-men Nenner zu bringen: (ultra-) leicht,präzise, steif. Die Materialeigenschaften,die bei diesem stark vereinfachten Lasten-heft betrachtet werden müssen, sindhauptsächlich

• Dichte ρ bzw. spezifisches Volumen ν• Elastizitäts- (σ0,01) & Streckgrenze (σ0,2)• Bruchfestigkeit σB bzw. σmax• Dauerfestigkeit σD• Bruchdehnung δ bzw. A• E-Modul & G-Modul (Schubmodul)• Korrosionsbeständigkeit

Die am weitesten verbreitete Gruppe vonKonstruktionswerkstoffen für strukturelleAnwendungen sind die Metalle. Als sog.Leichtmetalle aufgrund ihrer im Vergleichzu Stahl niedrigen Dichten und damit alsLeichtbaumaterialien besitzen dabei Alu-minium, Magnesium und Titan sowie ihreLegierungen technische und ökonomischeBedeutung. Allerdings lässt sich die

Gewichtseinsparung durch Anwendungvon Leichtmetallen nicht allein vom Stoff-wert Dichte ableiten. Vielmehr müssen dieerzielbaren mechanischen Eigenschaftenmit der Dichte der Materialien korreliertund der tatsächlich mögliche Gewichts-effekt anhand dieser spezifischen Eigen-schaften abgeschätzt werden. Dabei sindnicht nur die statischen mechanischenEigenschaften zu beachten, sondern u. a.auch Dauerfestigkeit, Kriechneigung,Temperaturfestigkeit, Korrosionsbestän-digkeit etc. in Abhängigkeit des fraglichenAnwendungsfalles.

Die Leichtmetalle weisen zwar geringereDichten auf als Stahl, ermöglichen aller-dings bezüglich der spezifischen mechani-schen Eigenschaften kaum signifikanteGewichtseinsparungen. Dazu ein Rechen-beispiel: Aluminiumwerkstoffe habenDichten von ca. ρAl = 2,8 g/cm3, Mag-nesium von ρMg = 1,8 g/cm3, Titan von ca.ρTi = 4,4 g/cm3 und Stahl von ρSt = 7,8g/cm3. Bei Festigkeiten von 500 MPa (EAl ≈80 GPa) für gute vergütete Al-Gussle-gierungen bzw. 350 MPa (EMg ≈ 45 GPa) fürMg-Legierungen sowie bis zu 1.400 MPa

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Stofflicher Leichtbau mitSinterkohlenstoff undVerbundwerkstoffen

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STOFFL ICH E R LE ICHTBAU 39

(ESt ≈ 210 GPa) für Stahl relativiert sichder Gewichtsvorteil der Leichtmetalle. FürTitan mit Festigkeiten bis zu 1.000 MPa(ETi ≈ 115 GPa) ist ein signifikanter Ge-wichtsvorteil gegeben (bei leicht geringe-rer spezifischer Steifigkeit). Allerdings istdafür die Verarbeitung von Titan durch diehohe Reaktivität der Schmelze, hoheSchmelztemperaturen (1.660 °C) und pro-blematisches Verhalten bei der Zer-spanung stark erschwert. Hinzu kommenstark erhöhte Kosten. Nicht von ungefährwird im konstruktiven Leichtbau derEinsatz herkömmlicher Konstruktions-materialien in Kombination mit intelligen-ter Bauteilgestaltung zur Reduzierungvon Massenanhäufungen und damitGewicht praktiziert.

Ein weiterer Gesichtspunkt ist die Dauer-festigkeit, die selbst bei maßgeschneidertenpulvermetallurgisch hergestellten Alu-miniumwerkstoffen nicht über 200 MPaliegt und bei steigenden Temperaturen bis350 °C auf Werte bis max. 100 MPa absinkt.Die höchsten zulässigen Dauerbetriebs-temperaturen für Aluminiumlegierungenliegen dementsprechend unter 200 °C. DasDauerfestigkeitsverhalten der Mg-Legierungen ist mit demjenigen der Al-Legierungen vergleichbar, weist allerdingsein ungünstiges Verhalten des E-Modulsunter Druck auf. Außerdem wirkt sich dieKorrosionsneigung des Magnesiumsungünstig auf seine Verwendbarkeit aus.Für Titan und seine Legierungen ist dasVerhalten bei erhöhten Temperaturenaufgrund des hohen Schmelzpunktes sehrgut. Festigkeit und E-Modul nehmen bis430 °C nur wenig ab, so dass Bruch-festigkeiten bis ca. 800 MPa erreicht wer-den. Ab 430 °C kommt es zu starkemKriechen, so dass es ab dieser Temperaturzu einem signifikanten Abfall der Dauer-standfestigkeit kommt. Bei geringerenTemperaturen ist die Dauerfestigkeit vonTitan bei ca. 60 Prozent der statischenBruchfestigkeit.

Im Vergleich dazu weisen warmfeste StähleDauerfestigkeiten bis in Bereiche um 200MPa bei Temperaturen bis ca. 500 °C auf,und hochlegierte austenitische Stähleerreichen vergleichbare Werte sogar beiTemperaturen oberhalb von 700 °C.

Insbesondere für hoch beanspruchte Bau-teile sind daher Werkstoffkonzepte not-

wendig, die niedrigesGewicht mit erhöhterFestigkeit und den Stäh-len vergleichbarer Steifig-keit bei erhöhten Tempe-raturen vereinbaren. DerBegriff Hochtemperatur-festigkeit wird hier übri-gens nicht verwendet, dader HT-Bereich in derRegel Temperaturenoberhalb von 1.000 °C be-zeichnet, bei denen nurdie sog. Superlegierungen(Nickelbasislegierungen)im Bereich der Stähleoder keramische Werk-stoffe bzw. Verbundwerk-stoffe mit keramischerMatrix (CMC) eingesetztwerden.

Da reine Leichtmetalle undihre Legierungen denAnforderungen nichtgerecht werden, bestehtein Lösungsansatz darin,Verbundwerkstoffe mithochfesten und hochstei-fen Verstärkungselemen-ten zu entwickeln. Aufder anderen Seite ergebendie hohe Warmfestigkeitsowie die chemische undVerschleißbeständigkeitder modernen Struktur-keramiken in Verbindungmit deren geringem spe-zifischem Gewicht völligneue und extreme An-wendungsmöglichkeiten.Eine besondere Stellungnehmen die technischenKohlenstoffe und Gra-phite sowie deren arteige-ne Faserverbundwerk-stoffe (CFC) als Ultra-leichtwerkstoffe mitDichten unter 1,9 g/cm3

ein.

Die Möglichkeit von Hy-brid- bzw. Sandwichbau-weisen soll hier in denBereich des konstrukti-ven Leichtbaus gezähltund daher nicht explizitbesprochen werden.

Leichtbaukonzepte basieren im Wesentlichen auf derkonstruktiven Berechnung und Berücksichtigung vonBelastungen zur Vermeidung von Überdimensionie-rung (konstruktiver Leichtbau) sowie auf der Ver-wendung von Materialien, welche die erforderlichenmechanischen und sonstigen Eigenschaften bei ent-sprechend geringer Dichte (gute spezifische Eigen-schaften!) und somit geringem Gewicht ermöglichen(stofflicher Leichtbau). In der anwendungsrelevan-ten Praxis sind beide Varianten in Einklang zubringen, um neue oder verbesserte Komponentenoder ganze Systeme für Leichtbauanwendungen zuqualifizieren.Stofflicher und konstruktiver Leichtbau sind heutezentrale Aufgabenstellungen und Herausforderun-gen im modernen Maschinenbau, insbesondere fürAnwendungen im Fahrzeug- und Motorenbau, inder Luft- und Raumfahrttechnik aber auch in vielenanderen dynamisch hoch beanspruchten Maschinen-systemen wie in der Druck- und Textilmaschinen-technik.Leichtmetalle standen am Anfang dieser Entwick-lung, Faserverbundwerkstoffe mit Polymermatrixtraten in den 1970er Jahren dazu und dominierenheute z. B. den Markt für leichte Flächentragwerkeim Flugzeugbau. Mechanisch, thermisch und tribo-logisch hoch beanspruchte Strukturen wurden in denvergangenen Jahrzehnten auch mit Keramik- undGlasmatrix entwickelt, so dass dem Konstrukteurheute eine breite Palette von leichten und steifenVerbundwerkstoffen für eine Vielzahl von Anwen-dungen zur Verfügung steht.

ZUSAM M ENFASSUNG

Lightweight engineering is mainly based on loadcalculation and component design aimed on leanstructures, and on the utilization of materials withappropriate mechanical and functional properties atlow density (good specific properties). In industrialapplications, both aspects have to be taken intoaccount in lightweight component design to developnew or improved products. Lightweight materialsand lightweight engineering by design are centralchallenges in today’s engineering business, particu-larly with regard to automotive, engine, and aero-space applications. However, more traditional indu-stries like e. g. printing or textile machines withhighly dynamic loads on components will also bene-fit from lightweight engineering progress.First lightweight materials were light metals. Fromthe 1970s, fiber compounds with polymer matrixstarted to conquer the market for light aircraft sur-face structures, and nowadays, a broad variety ofmaterials for special applications are available fordesign engineers. Some of them are presented in thispaper.

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Neben der technischen Leistungsfähigkeitspielen die Zielkosten, und damit im Kernnatürlich die Verfahrens- und Ferti-gungstechnik solcher Leichtbauweisenund Werkstoffe, im modernen Maschi-nenbau eine entscheidende Rolle. Dies hatzu neuen Bauweisen, insbesondere auchzu Schichtverbundwerkstoffen mit funk-tionaler Trennung von Struktur- undOberflächeneigenschaften geführt. Aberauch neue Fertigungstechniken mit Inno-vationen über die gesamte Abfolge derProzesskette sind zentrale Gegenständevon Forschung und Entwicklung. ImFolgenden wird dies anhand aktuellerEntwicklungsarbeiten des Instituts fürFertigungstechnologie keramischerBauteile der Universität Stuttgart in denBereichen Leichtmetall-MMC sowie sin-terfähige Kohlenstoffe verdeutlicht.

2. Verbundwerkstoffe mit metalli-scher Matrix (MMC – metalmatrix composites)

2.1 Einlagerung hochfester undhochsteifer Verstärkungsphasen

Im Bereich der Anwendungen bei Raum-temperatur haben sich in breiten Gebietenfaserverstärkte Kunststoffe (PMC, z. B.glasfaserverstärkter Kunststoff, GFK) eta-bliert. PMC-Bauteile mit Glas-, Kohlen-stoff- oder Aramidfaserverstärkung errei-chen gute spezifische Eigenschafen undwerden daher beispielsweise für groß-flächige Strukturelemente (Behälter,Tanks, Kabinen, Binnenschifffahrt, Flä-chentragwerke, usw.), Abwasser- undRohrleitungstechnik, Schutzvorrich-tungen, Sportgeräte, u.v.a.m. eingesetzt.Dabei werden bei Fasergehalten bis zu 60Vol.-Prozent und Dichten von 1,4 - 2,1g/cm3 Festigkeiten bis 1.400 MPa und E-Moduln im Bereich von 70 GPa, fürBorfasern sogar bis 215 GPa erreicht (fürgängige PMCs allerdings geringere Werte).

Allen faserverstärkten Kunststoffen gemein-sam ist der begrenzte Anwendungsbereichauf Temperaturen zwischen -50 °C bismax. 300 °C bei Bruchdehnungen kleiner1,5 Prozent. Für den Anwendungsbereichbei erhöhten Temperaturen fehlt dem-nach ein struktureller Leichtbauwerkstoffmit ausreichender Steifigkeit, Zähigkeitund Dauerfestigkeit, der geringe Bauteil-

gewichte ermöglichen würde. Verbund-werkstoffe mit Leichtmetallmatrix sindgeeignet, diese Lücke zu schließen.

Metallmatrix-Systeme mit keramischen odermetallischen Verstärkungsphasen in Formvon Fasern, Whiskern oder Partikeln (z. B.Kohlenstoff, SiC, Al2O3, Bor) weisen fürstrukturelle, aber auch funktionelleAnwendungen eine Reihe von vorteilhaf-ten Eigenschaften auf. Dazu gehören:• verbesserte mechanische Eigenschaften

bei Raumtemperatur (E-Modul,Streckgrenze, Zugfestigkeit)

• verbesserte mechanische Eigenschaftenbei erhöhten Temperaturen (E-Modul,Streckgrenze, Zugfestigkeit,Dauerfestigkeit, Ermüdungsverhalten,Kriechfestigkeit)

• verbesserte Temperaturwechselbe-ständigkeit

• bessere Verschleißbeständigkeit• veränderte thermophysikalische Eigen-

schaften (z. B. reduzierte thermischeDehnung)

Durch die Wahl der Verstärkungsphase las-sen sich die Eigenschaften von MMC -Verbundmaterialien gezielt beeinflussen(z. B. niedrige Dichte und hohe spezifischemechanische Kennwerte von C-Fasern,geringe thermische Dehnung von Kohlen-stoff und Keramik). Zudem bieten MMCdas Potential sowohl für maßgeschneidertenicht-isotrope Werkstoffe (mit kontinuier-licher Faserverstärkung) als auch für iso-trope Werkstoffe (durch Kurzfaser- Whis-ker- oder Partikelverstärkung).

Die erzielbaren mechanischen Eigenschaftenbei Raumtemperatur sollen anhand eini-ger Beispiele aus der Literatur für kontinu-ierlich faserverstärktes Aluminium illu-striert werden. Da eine komplette Be-schreibung der mechanischen Eigen-schaften hier schwer dargestellt werdenkann, sind nur Elastizitätsmodul undZugfestigkeit als Referenzkennwerte ange-geben: • B/Al: E = 210GPa, σmax = 1500MPa

• SiC/Al: E = 310GPa, σmax = 250MPa

• Al2O3/Al: E = 140GPa, σmax = 950MPa

• C/Al: E = 160GPa, σmax = 690MPa

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Dabei handelt es sich um Werte in Faser-richtung bei Faservolumengehalten von 30bis 50 Prozent. Die Kennwerte quer zurFaserrichtung hängen stark vom Faser-volumengehalt, der Art der Fasern unddem Charakter des Faser/Matrix-Interfacesab und variieren dementsprechend in wei-ten Grenzen. Die Dichten der Faser/Al-Matrix-Verbundwerkstoffe liegen imBereich ρMMC = 2,2-3,4 g/cm3, je nachFasermaterial und -gehalt.

Die Bruchdehnungen faserverstärkter MMCliegen in der Regel unterhalb ein Prozent,und auch die Bruchzähigkeiten sind gerin-ger als ohne Verstärkungsphasen. Fürkurzfaser-, whisker- und partikelverstärk-te Materialien sind die Bruchdehnungenhöher als für kontinuierlicheFaserverstärkung, dafür die Steifigkeitengeringer und die absoluten Festigkeitenhängen stark von der Matrixlegierung ab(z. B. SiC/Al: E = 130 GPa, σmax = 585MPa).

Einer der Gründe für die Anwendung vonMMC-Materialien sind die verbessertenEigenschaften bei erhöhten Temperaturen.Beispielsweise sinkt die Dauerfestigkeit derunverstärkten Kolbenlegierung AlSi12-CuMgNi bei 350-400 °C auf 25 MPa. DieserWert lässt sich durch Al2O3-Kurzfaser-verstärkung verdoppeln, bei gleichzeitigerdramatischer Erhöhung der Temperatur-wechselbeständigkeit, was die Gruppe derMMCs speziell für Anwendungen bei er-höhten Temperaturen befähigt.

2.2 InnovationstreiberProduktionskosten

Bisher führt die Einlagerung von faserförmi-gen Verstärkungskomponenten zu einersignifikanten Erhöhung der Herstellungs-kosten aufgrund der zeitaufwendigenProzesse und hohen Werkzeug- sowieInvestitionskosten. Die wichtigsten Ferti-gungsverfahren für faserverstärkte MMCsind• Druckinfiltration metallischer Schmel-

zen in Faservorkörper (Preforms) un-ter geringem Druck (Squeeze-Casting)oder vakuumunterstützt (Vacural-Verfahren),

• Gasdruckverfahren (Eintauchen inSchmelze im Autoklaven und Infil-tration unter Druck zur Verringerung

mech. Belastung & für komplexeGeometrien),

• axiales bzw. isostatisches Heißpressen(pulvermetallurgisches Verfahren),

• Heißpressen von Faser/Folien-Laminaten (Diffusion Bonding).

Bei der Flüssigphaseninfiltration in Faserpre-forms werden die Fasern den chemischaggressiven Metallschmelzen exponiert,wodurch es insbesondere bei C-Fasern zuGrenzflächenreaktionen und Carbid-bildung kommt. Aluminiumcarbidphasenam Faser/Matrix-Interface können durchihre Sprödbruchanfälligkeit und mangeln-de Korrosionsbeständigkeit zu einem vor-zeitigen Versagen des Verbundes unterBeanspruchung führen, wodurch eineoptimale Ausnutzung der Faserfestigkeitverhindert wird. Zur Vermeidung dieserEffekte müssen zusätzliche Schutzschich-ten auf den Verstärkungsfasern appliziertwerden. Zudem kann es zu Löse- undAusscheidungsprozessen am Formwerk-zeug sowie wärmeübergangsbedingtenGefügeausbildungen im Randbereichkommen.

Durch die vergleichsweise niedrigen Tem-peraturen bei den Diffusionsprozessen infester Phase wird das Problem der Faser-schädigung vermieden. Allerdings ist dieWirtschaftlichkeit dieser Verfahren wegender langen Prozesszeiten eingeschränkt,und auch die Bauteilgeometrien beschrän-ken sich auf relativ ein-fache Formkörper, diedurch zerspanendeVerfahren weiterbear-beitet werden müssen.

Ein neuesHerstellungsverfahrenfür MMC-Komponenten, welchesan der UniversitätStuttgart im Rahmendes Kompetenzzen-trums Gießen undThixoschmieden, CCT,entwickelt wurde, ar-beitet mit der Lamina-tion von Prepregs ausFasergeweben bzw. -gele-gen mit thermokinetischabgeschiedenem Matrix-metall und anschließen-

01

Lichtbogendrahtgespritzter Bolzenaus AlSi6, erhitzt in das Thixo-2-Phasengebiet und mit geringerKraft zerteilt.

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der Verdichtung der Komposite durchSchmieden im teilflüssigen Zustand.

Durch kurze Fertigungszyklen, reduziertenWerkzeugverschleiß und die Herstellungendabmessungsnaher Bauteile (near net-shape forming) können die Ferti-gungskosten in diesem Verfahren redu-ziert und somit Anwendungen nicht nurin der Luftfahrt, sondern auch im Fahr-zeugbau und im allgemeinen Maschinen-bau erschlossen werden.

Es bleibt anzumerken, dass die Kosten vonMMC-Materialien im direkten Vergleichmit konventionellen Leichtmetall-Guss-oder -Schmiedelegierungen auch inZukunft höher sind. Dies ist aufgrund dergrößeren Anzahl an Prozessschritten undhöheren Halbzeugkosten der Verstär-kungsphasen unumgänglich. Aus diesemGrund bleibt diese Werkstoffklasse aufAnwendungen beschränkt, für welche dieMachbarkeit bzw. die technischen Kenn-werte Priorität besitzen oder sich aus denverbesserten Kennwerten im Betrieb einAmortisationseffekt ergibt. Insbesondereim Bereich des Leichtbaus zur Redu-zierung bewegter Massen, nicht nur imFahrzeugbau, sondern auch für Maschi-nenelemente, kann dieser Gesichtspunktzu einer guten Wettbewerbsfähigkeit vonMMC-Materialien führen.

2.3 Formgebung durch Umfor-men im teilflüssigen Zustand:Thixoschmieden/Thixogießen

Thixoschmieden, oder Schmieden imteilflüssigen Zustand (Semi-Solid Forging),ist das Umformen eines mehrphasigenmetallischen Werkstoffes in einemTemperaturbereich, in welchem dasMaterial teilflüssig zwischen Liquidus- undSolidus-Linie im Zweiphasengebiet vor-liegt. Dabei soll die feste Phase in ausrei-chender Konzentration vorliegen (40 bis 80Prozent), so dass sie ein Festkörperskelettbildet, welches erst unter Einwirkung vonScherkräften im Formwerkzeug zerfällt,wodurch die Viskosität des Materialsabrupt abfällt und es sich leicht umfor-men lässt, siehe (01) am Beispiel einesthermokinetisch abgeschiedenen Massiv-körpers aus der ZweiphasenlegierungAlSi6. Durch das thixotrope (scherverdün-nende) Materialverhalten wiederum lassensich bei relativ geringen Kräften hohe

Umformraten und geringe Wandstärkender Bauteile erreichen. Ähnliches gilt fürden Thixogießprozess, bei dem der Anteilan Flüssigphase höher liegt.

Das Thixo-Schmieden zeichnet sich im Ver-gleich zum herkömmlichen Schmiedendurch niedrigere Verschlusskräfte, niedri-geren Werkzeugverschleiß, hohe Ober-flächengüten und die Ermöglichung kom-plexerer Bauteilgeometrien aus. Im Ver-gleich zum Gießen ergeben sich wenigerPoren und Lunker, kürzere Zykluszeiten,bessere Oberflächengüten, eine feinkörni-ge Gefügestruktur sowie eine größereVariabilität in der Legierungswahl. Nach-teile sind höhere Rohstoffkosten, diezusätzliche Schwierigkeit der Halbzeug-erwärmung in den geeigneten Tempera-turbereich sowie eine kompliziertere Pro-zesstechnik, da nur eine exakte Tempera-turführung und schnelle Bearbeitung dieerwünschten Gefügeeigenschaften wäh-rend und nach dem Umformen gewährlei-sten.

Für die Herstellung von Verbundmaterialienempfiehlt sich das Umformen im teilflüs-sigen Zustand insbesondere auch durchdie im Vergleich zur Flüssigphasenin-filtration geringeren Temperaturen desMatrixmetalls während der Verdichtung.Für das System Al-Si sind typische Verar-beitungstemperaturen beim Schmieden500-540 °C und beim Gießen 660-700 °C.Für die bereits erwähnte Legierung AlSi6,aber auch andere Gusslegierungen wieAlSi7Mg, liegen die Prozesstemperaturenfür das Umformen im teilflüssigen Zu-stand im Bereich um 580 °C. Für typischeSchmiedelegierungen mit geringeremSiliziumgehalt, z. B. AlMgSi1, beträgt dieVerarbeitungstemperatur für den Thixo-schmiedeprozess ca. 640 °C. Das bedeutet,je nach Legierung liegen die Tempera-turen um bis zu 100 °C niedriger als beider Flüssigphaseninfiltration. Hinzukommt der limitierte Anteil an flüssigerPhase, welche mit der Verstärkungsphasereagieren könnte. Da aufgrund der relativgeringen Preise und guten mechanischenEigenschaften die Verwendung der inKontakt mit Metallschmelzen empfindli-chen C-Faser angestrebt wird, führengeringere Temperaturen und reduzierterSchmelzeanteil zu einer Verringerung derchemischen Fasergrenzflächenreaktionenund damit zu besseren MMC-Eigen-

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Mikrostruktur, C2D-F/AlSi6-MMC; Kohlenstofffasergewebebeschichtet/imprägniert mit AlSi6durch Lichtbogendrahtspritzen.

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schaften. Ein weiterer Vorteil der reduzier-ten Temperaturen und des Festphasen-anteils ist die geringere thermischeSchrumpfung der Matrix bei der Bau-teilerkaltung, wodurch sich die Eigen-spannungsentstehung reduziert.

Um dieses Verfahren zur Herstellung vonVerbundwerkstoffen anwenden zu kön-nen, müssen die Matrixlegierungen in glo-bularer Gefügeausbildung vorliegen. Einherkömmliches Gussgefüge ist dendri-tisch, was bei der Erwärmung zu einemVerhaken der Körner führt, so dass daserwünschte thixotrope Verhalten aus-bleibt. In globularen Gefügen sind die ein-zelnen Körner lediglich durch Diffu-sionshälse miteinander verbunden, welcheunter Einwirkung von Scherkräften versa-gen und dadurch ein freies Abgleitenermöglichen. Die Herstellung von Ge-fügen feinkörniger globularer Mikro-struktur ist eine zusätzliche Aufwendung,welche allerdings Bauteile ermöglicht, dieaufgrund der Feinkörnigkeit des Gefügesverbesserte mechanische Eigenschaftengegenüber Gussgefügen aufweisen, die inder Regel als Wettbewerber betrachtetwerden können.

2.4 Matrixapplikation durch ther-mokinetische Abscheidung undBeschichtung

Konventionelle Verfahren zur Herstellungvon Halbzeugen für das Umformen imteilflüssigen Zustand sind Rheostrangguss,Kornfeinung durch chemische Zusätzesowie Sprühkompaktieren. Bei diesenVerfahren wird die Dendritenbildung ver-hindert, indem die Schmelze während derErstarrung gerührt, die Anzahl der Erstar-rungskeime erhöht oder die Schmelze ver-düst und die Tropfenform durch schnelleErstarrung konserviert wird. Allerdingsführen diese Technologien zu Massiv-körpern, welche nicht für die Infiltrationvon Faserstrukturen geeignet sind, dalange Fließwege der festen Phase die Fa-serorientierung beeinträchtigen und zurSchädigung einzelner Fasern führenkönnten.

Als Vorkörper für eine Thixo-Umformungfaserhaltiger Leichtmetalle kommenLaminate aus Fasergeweben und Metall-blechen in einer geeigneten Legierungs-zusammensetzung in Frage, so dass die

Fließwege des Matrixmaterials währendder Verdichtung kurz sind. Zur Verbesse-rung der Handhabbarkeit beim Einlegendes Vorkörpers in das Umformwerkzeugkönnen auch Gewebelaminate verwendetwerden, die mit einer Metallschicht defi-nierter Dicke versehen sind. Diese Schichtkann vorzugsweise über thermokinetischeAbscheidung (Thermisches Spritzen) auf-gebracht werden, und das beschichtete,vorimprägnierte Gewebe- oder Gelegela-minat wird Prepreg (pre-impregnated)genannt (02).

Die thermisch gespritzten Metallschichtenbieten den Vorteil einer äußerst feinkörni-gen Gefügeausbildung. Während die Korn-größen bei den thixotrop umformbarenAl-Si-Blechen 5-20 µm betragen, liegen dieAbmessungen der einzelnen Phasen inthermisch gespritzten Schichtgefügendurch die hohe Abkühlgeschwindigkeitbeim Schichtauftrag im Submikronbe-reich. Dadurch kann bei der Umformungund Verdichtung eine verbesserte Infil-tration der metallischen Phase in dasFasergerüst erreicht wer-den. Insbesondere bei UD-Fasergelegen, die im FallehoherFaservolumengehalte undMonofilamentdurch-messern der C-Fasern von6-7 µm nur minimaleZwischenräume für dieMatrixinfiltration bieten,sind möglichst kleineKorngrößen der metalli-schen Festphase wichtig.

Vorteile der Matrixapplikation durch ther-mokinetische Abscheidung sind• dichte, bereits teilweise imprägnieren-

de Schichten auf den Geweben,• vollständige, porenfreie Imprägnie-

rung der Verstärkungsphase beimThixo-Schmieden durch kurzeFließwege und kleine Korngrößen,

• maßgeschneiderte Mikrostrukturdurch schnelle Erstarrung für dendri-tenfreie Matrix nach dem Umformen,

• schnelle, kostengünstige und prozess-stabile Abscheidetechnik für diePrepregs,

• Einstellung des Faservolumengehaltesüber die Schichtdicke möglich,

• Einsatz von einfachen und komplexenLegierungen möglich,

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• alternatives Verfahren zur Herstellungultra-feinkörniger Massivbolzen.

Um die Verfahren der thermokinetischenBeschichtung (Lichtbogendrahtspritzen,atmosphärisches Plasmaspritzen APS) mitProzesstemperaturen der schmelzflüssigenSpritzstoffe bis über 2.000 °C zur Metallab-scheidung auf temperaturempfindlichenFasermaterialien wie C-Fasern anwendenzu können, müssen charakteristischeEigenschaften der Prozesse beachtet wer-den. Die hohen Gasflussraten bedingenSpannung und Fixierung der zu beschich-tenden Gewebe oder Gelege. Zu diesemZweck wurde eine Pilotanlage zur Span-nung von Gewebebahnen bis zu einerBreite von 1,5 m und zum Transport vonRolle zu Rolle über eine Beschichtungs-fläche entwickelt und in Betrieb genom-men.

Weiterhin muss verhindert werden, dass dieFasern durch die hohe thermische Energieder Spritzpartikel beschädigt werden. Dieswird durch eine optimierte Brennerkine-matik, hohe Relativgeschwindigkeitenzwischen Brenner und Substrat sowie zu-sätzliche Oberflächenkühlungen ermög-licht. Durch optimierte Prozessführungkönnen Oberflächentemperaturen derbeschichteten Gewebe unterhalb von 150 °C realisiert werden, und nur an derunmittelbaren Beschichtungsstelle sind

die Temperaturen für die Dauer von 0,02Sekunden oberhalb von 220 °C.

Das Gefüge thermokinetisch abgeschiedenerSchichten ist sehr inhomogen und weistunterschiedlich deformierte Splats sowiePoren und Oxideinschlüsse auf. Der Oxid-gehalt ist bei Aluminiumlegierungendurch die Passivierung jedoch sehr geringund führt zu einer leichten Erhöhung desE-Moduls. Nach dem Erhitzen in dasZweiphasengebiet und Verdichtung durchThixoschmieden stellt sich ein feinkörni-ges, homogen globulares und dichtesGefüge ein und die Faserprepregs sindvollständig infiltriert. Ein Schliff durcheinen solchen Gewebe-MMC ist in (03)

dargestellt.

2.5 Thermisch gespritzte undthixogeschmiedete Leichtmetall-MMC

Bei der Umformung bzw. Verdichtung imSchmiedewerkzeug muss versucht wer-den, das thixotrope Temperaturfensteraufrecht zu erhalten, bis das Leichtmetallin die Lücken zwischen den Geweben undeinzelnen Fasern infiltriert und das Bauteilvollständig verdichtet ist. Das bedeutet,dass der Schmiedeprozess möglichstschnell (< 16 Sekunden) abgeschlossenwird. Gleichzeitig führen kurze Zyklus-zeiten zu einer Verbesserung der Wirt-schaftlichkeit von Produktionsprozessen.Um Faserschädigung und eine Verrin-gerung des Orientierungsgrades zu ver-meiden, sollten die Fließwege bei hohenKolbengeschwindigkeiten der Presse kurzsein. Dies wird durch thermokinetischapplizierte Schichten gewährleistet, wel-che die oberen Faserlagen bereits vorim-prägnieren und zudem kleine Korngrößenaufweisen. Dies bedeutet aber auch, dasskeine beliebigen Schichtdicken abgeschie-den werden können, da sich sonst dieFließwege verlängern. Daher müssen diePrepregs vor dem Umformprozess zuge-schnitten und gestapelt werden. Typi-scherweise lassen sich durch diese Technikeinfacher flächige als kompakte Bauteileherstellen. Aktuelle Entwicklungsarbeitenbeschäftigen sich mit der Übertragung aufkomplexer geformte Komponenten mitlokal eingebrachter Faserverstärkung.

TransmissionselektronenmikroskopischeUntersuchungen (TEM) und Elektronen-

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03

C2D-F/AlSi6-MMC;Thermokinetisch abgeschiedene AlSi6-Matrix und C-Faser-Gewebeverstärkung,Verdichtung durch Thixoschmieden.

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beugungsexperimente zeigen im Fall vonC-Faserverstärkung trotz der geringerenTemperaturen die Entstehung von Alu-miniumcarbiden an den Faser/Matrix-Grenzflächen, allerdings in einem starkreduzierten Ausmaß. Um auf die An-wendung von Fasercoatings zur Ver-hinderung dieser Schädigungen verzich-ten zu können, wird an verbessertenErwärmungskonzepten gearbeitet, durchwelche die Aufheiz- und Haltezeit redu-ziert werden. Gleichzeitig wird das Faser-beschichtungsverfahren weiter untersuchtund hinsichtlich einer Übertragung inindustrielle Anwendungen optimiert.

Durch Verwendung des elektrischen Licht-bogendrahtspritzverfahrens (Arc-Wire)zur Faserbeschichtung ist eine hoheWirtschaftlichkeit der Leichtmetallappli-kation gewährleistet, wobei verschiedeneLegierungen als Drahtmaterial kommer-ziell verfügbar sind. Bei einer industriellenUmsetzung der Technologie sind der Aus-wahl an Matrixmaterialien kaum Grenzengesetzt. Ein weiterer Vorteil des Verfahrensist die Schichtabscheidung unter atmo-sphärischen Bedingungen, wodurch kos-tenintensive Vakuumkammern entfallen.

2.6 Partikelverstärkung: Low-Cost-Alternative für komplexeBauteilgeometrien

Für partikelverstärkte MMC (auch: PRM -particle reinforced metal) stehen eine An-zahl keramischer Verstärkungsphasen zurVerfügung, wie z. B. SiC, Al2O3, B4C, BN,AlN und TiB2, und auch metallische Par-tikel werden in PRM eingesetzt. Die Zu-gabe von Partikeln führt zu einer Erhö-hung von Härte und Verschleißbeständig-keit, einer Verbesserung der mechanischenEigenschaften (Steifigkeit, Festigkeit) ins-besondere auch bei erhöhten Tempera-turen und einer Verringerung der thermi-schen Ausdehnung.

Für Bauteile, deren Zielkosten die Verwen-dung teurer hochfester Fasern nicht erlau-ben, stellen isotrope MMC aufgrund derin der Regel günstigeren Rohstoffe undFertigungsprozesse eine sinnvolle Alter-native dar. Darüber hinaus sind mit diesenMaterialien komplexere Bauteilgeome-trien zu ermöglichen als mit kontinuierli-cher Faserverstärkung. Die genanntenVorteile des Umformens im teilflüssigen

Zustand hinsichtlich reduzierter Schädi-gung der Verstärkungsphase und vorteil-haften Matrixgefüges lassen sich auch beider Herstellung partikelverstärkter MMC-Komponenten nutzen. Darüber hinauslässt sich dabei auch das Gießen im teil-flüssigen Zustand anwenden.

Die Ähnlichkeit des thermokinetischenAbscheideprozesses mit dem Sprühkom-paktierprozess legen das Abscheiden mas-siver, rotationssymmetrischer Bolzendurch Lichtbogendrahtspritzen nahe. DerArc-Wire-Prozess zeichnet sich durch

hohe Abscheideraten aus und eignet sichdamit für die Herstellung schwererMassivkörper. Für die Abscheidung parti-kelverstärkter Leichtmetallhalbzeuge wer-den gefüllte Drähte benutzt, bei denen dasMantelmaterial die Matrix und dasFüllpulver die Verstärkungsphase liefert.Im Rahmen dieser Untersuchungenwurde die Legierung AlCu4MgSi (A2017)als Matrixmaterial verwendet.

Eine Schwierigkeit bei der Herstellung geeig-neter Gefüge für das Thixoschmieden oderThixogießen liegt wiederum in der Tem-peraturführung des Prozesses, da die Ab-scheidung großer Bolzen zu Zykluszeitenbis zu 20 Minuten führt, wobei es zu Re-kristallisation und Kornwachstum kom-men kann. Für ungekühlte Prozesse führtdies zu Korngrößen des Matrixmaterialsvon 50-200 µm. Durch intensive Druck-luftkühlung der Substratplatte lässt sichdie Temperatur jedoch dauerhaft aufWerte unterhalb 200 °C begrenzen, (04),so dass die durchschnittliche Korngrößekleiner 10 µm bleibt.

Aktuelle Untersuchungen zur Herstellungvon PRM-Halbzeugen konzentrieren sich

04

Al2O3,P/A2017-MMC-Bolzen; Thermografie desAbscheideprozesses.

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auf Parameteruntersuchungen der ther-mokinetischen Abscheidung mit dem Arc-Wire-Verfahren zur Reduzierung der ther-mischen Energie der Spritzpartikel. Durchpartielles Aufschmelzen der keramischenVerstärkungsphasen kommt es zu Parti-kelagglomeration, welche die mechani-schen Eigenschaften der MMC ein-schränkt.

3. Sinterkohlenstoffe alsUltraleichtbauwerkstoff

Einer der Forschungsschwerpunkte des IFKBist die Entwicklung von so genannten sin-terfähigen Kohlenstoffen, die als ultra-leichte Strukturwerkstoffe enormesPotential besitzen. Diese Materialklassebietet eine sehr ungewöhnliche Kombi-nation von Materialeigenschaften. DieMaterialien sind einerseits ideale trocken-schmierfähige Lagerwerkstoffe im Normal-temperaturbereich, andererseits aber auchhochfeste Strukturwerkstoffe für denHochtemperaturbereich. Die sinterfähigenKohlenstoffe sind verglichen mit her-kömmlichen Feinkorngraphit extremhochfest und hochmodulig, außerdemeigenschmierfähig; die Härte der Materia-lien lässt sich durch die Auswahl der Roh-stoffe und die Wärmebehandlung von gra-phitartig weich bis glasartig spröde einstel-len. Die Materialien sind unter Abwesen-heit von Sauerstoff hochtemperaturbe-ständig bis ca. 2.000 °C und weisen dabeiauch keinen Abfall der Festigkeit undkeine messbare Kriechneigung auf. Dahersind sie insbesondere für mechanisch hochbelastete Hochtemperaturanwendungenattraktiv.

3.1 Motivation der Werkstoff-entwicklung und Anwendungs-profil für Bauteile aus Sinter-kohlenstoff

Im Rahmen des Teilprojektes Tribochem desintegrierten EU-Projektes JP Nanoker wer-den im IFKB derzeit in Kooperation mitSGL Carbon near-net-shape Fertigungs-prozesse zur Herstellung von Sinterkoh-lenstoffen für tribologische Anwendungenentwickelt. Dies sind insbesondere kom-plex geformte Kohlenstoff-Gleitringe undLagerwerkstoffe für den Trockenreibungs-und Mischreibungsbereich. Durch diehohe strukturelle Festigkeit und Kanten-bruchfestigkeit lassen sich Reibpaarungen

mit Metall- oder Keramikwerkstoffen her-stellen, die bei extrem hohen Flächen-pressungen ungeschmiert und dabei prak-tisch verschleißfrei arbeiten.

Eine weitere wichtige Anwendung könnteim Bereich von Behälterwerkstoffen undHeizelementen für die Elektronikindustrieentstehen. Auch hier werden heute schonFeinkorngraphite eingesetzt, die extremaufwendig chemisch gereinigt werdenmüssen, um die hohen Anforderungenzum Beispiel bei der Herstellung von halb-leiterfähigem Silizium zu erfüllen. DieseNachreinigung könnte im Falle der sinter-fähigen Kohlenstoffe entfallen. Die Ver-bindung mit der Möglichkeit, solche Be-hälter in endkonturnaher Qualität herzu-stellen, kann den Sinterkohlenstoffen inZukunft ein großes, bislang ungenutztesPotential eröffnen.

Ausgangspunkt für die Entwicklungsarbeitwar ein konkreter Bedarf für neueKohlenstoffwerkstoffe als Ersatz fürFeinkorngraphit. Der Bedarf begründetesich damit, dass die herkömmlichenMaterialien sowohl hinsichtlich ihrerEigenschaften als auch in Bezug auf dieFertigungstechnik weitgehend ausgereiztsind.

Klassische Feinkorngraphite haben eineBinder-Füller-Architektur. Füllstoffe wieKoks, Graphit und Ruß werden durch eineBinderphase zusammengehalten, diedurch Verkoken von Pech erzeugt wird.Dadurch bilden sich an den KorngrenzenMikrorisse im Gefüge, welche die Festig-keit der Materialien limitieren. Da sich amprinzipiellen Aufbau der Graphitmate-rialien seit mehr als hundert Jahren nichtsgeändert hat, basierte die bisherige Weiter-entwicklung im Bereich von hochfestenFeinkorngraphiten darauf, die Füllstoffeimmer feiner zu vermahlen und auf dieseWeise die Defektgröße zu minimieren unddie Festigkeit zu steigern. Mittlerweilewurde für Sonderwerkstoffe wie EDM-Elektroden schon die 1 µm Grenze für diePrimärkorngröße unterschritten. DiesesVorgehen stößt allerdings nun an seinetechnischen und ökonomischen Grenzen,da die Mahlprozesse sehr zeit- und ener-gieaufwendig und somit für breiteAnwendungen vollkommen unwirtschaft-lich werden. Aus diesem Grunde wurdenim Bereich anspruchsvoller Gleit-

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paarungen die Feinkorngraphite teilweisedurch andere Werkstoffe wie SiC aus denangestammten Märkten verdrängt. Umdem Kohlenstoff Marktsegmente zu erhal-ten und das verloren gegangene Terrainzurück zu gewinnen, war ein neuerAnsatz erforderlich, der eine vollkomme-ne Abkehr von der überliefertenTechnologie bedeutete. Die sinterfähigenKohlenstoffe basieren auf anderenRohstoffen, deren Verarbeitung wiederummit neuen, an die keramische Fertigungs-technik angelehnten Prozesstechnikenerfolgt.

Neben den material- und prozessspezifischenVorteilen konnten weitere sehr positiveNebeneffekte im arbeitsmedizinischenBereich herausgearbeitet werden. Bei derkonventionellen Feinkorngraphither-stellung wird das Rohcompound durchHeißmischen von Füllstoffen und Stein-kohlenteerpech hergestellt. Dabei werdengesundheitsgefährdende Dämpfe vonpolyzyklischen Kohlenwasserstoffen frei-gesetzt, die am Arbeitsplatz aufwendigaufgefangen und abgesaugt werden müs-sen. Dies kann bei den neu entwickeltenVerfahren komplett entfallen, da die Roh-stoffe schon so aufbereitet sind, dass keinegesundheitgefährdenden Substanzen mehrfreigesetzt werden.

Ein weiterer, indirekter Vorteil ist die Mög-lichkeit, auf eine Nachimprägnierung derDichtungen mit Salz, Kunstharzen undMetallen zu verzichten. Die Nachimpräg-nierungen sind zum Zwecke der Dichte-und Festigkeitssteigerung Stand der Tech-nik. Insbesondere Antimon-Imprägnie-rungen sind immer mehr in die Kritikgeraten, da das Schwermetall im Laufe desGebrauchs und bei der Entsorgung freige-setzt wird und nicht rezykliert werdenkann.

Durch die langjährige Erfahrung im IFKBmit faserverstärkten Keramik- und Koh-lenstoffwerkstoffen beinflusst, rückte mitfortschreitender Verbesserung der Ma-terialeigenschaften alsbald die Verwen-dung der Sinterkohlenstoffe als ultraleich-ter Hochtemperaturstrukturwerkstoff insBlickfeld. Bei einer Dichte von 1,6-1,95g/cm3 sind die neu entwickelten Kohlen-stoffmaterialien nicht nur „leichter“ alsAluminium oder Magnesium, sondernauch „leichter“ als alle Strukturkera-

miken. Die auf den ersten Blick bescheide-ne absolute Festigkeit von derzeit 100-200MPa relativiert sich, wenn man sie auf dieDichte normiert. Die spezifische Festigkeitder neuen Werkstoffe liegt, wie (05) zeigt,im Bereich von Leichtmetallen oderStandardingenieurkeramiken wie Alu-miniumoxid und Siliciumcarbid, sie über-trifft jedoch auch die hochwertigsten Fein-korngraphite um mehr als das Doppelte.

Eines der spektakulärsten Produkte, die bis-lang aus Kohlenstoffwerkstoffen ent-wickelt wurden, ist sicherlich der Kohlen-stoffkolben für Verbrennungsmotoren.Durch die Verwendung des Leichtbau-werkstoffes konnte die träge Masse desMotors verringert, dessen Ansprechver-halten und dieLeistungsausbeutedurch höhere Dreh-zahlen verbessert wer-den. Wenngleich vonden Firmen Schunkund Sintec schonProdukte am Marktwaren oder sind, schei-terte die großtechni-sche Umsetzung bis-her an den hohenKosten. Diese sindallerdings nichteigentlich werkstoff-spezifisch, sondernwegen der Komplexi-tät des Bauteils durchden hohen Zerspa-nungsaufwand durchFräsen aus dem Vollenheraus bedingt.

Mag dieses aus fertigungstechnischer Sichtarchaisch anmutende Formgebungs-verfahren auch bei Kleinserien oder zurHerstellung von Demonstratoren sinnvollsein, so ist dies in einem derartig kompeti-tiven und durch Preisdruck geprägtenGeschäft wie der Automobilindustrie vonvornherein zum Scheitern verurteilt.Sollte es gelingen, über ein endkonturna-hes Verfahren einen Kohlenstoffkolbenabzuformen, der ohne oder mit nur gerin-gem Nachbearbeitungsaufwand zum ferti-gen Produkt verarbeitet werden kann, sowird dieser mit Sicherheit eine attraktiveMarktnische finden. In diesem Sinne sindauch die Vorarbeiten des IFKB zur endkon-turnahen Fertigung von Kleinteilen fürTriboanwendungen für die Entwicklung

05

Spezifische Festigkeiten von ausge-wählten Materialien (FKG:Feinkorngraphit; SK: sinterfähigerKohlenstoff).

06

Zahnrad aus sinterfähigemKohlenstoff, gepresst aufHydraulikpresse mitMehrebenenwerkzeug.

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TH E M E N H E FT FORSCH U NG LE ICHTBAU48

des notwendigen fertigungstechnischenKnow-hows sehr wertvoll, da die Ergeb-nisse mit leichten Abwandlungen auch aufgrößere Bauteile übertragen werden kön-nen.

Erfahrungen bestehen im IFKB insbesondereim Bereich der Pressformgebung (06)

sowie im thermoplastischen Spritzguss.Prinzipiell sind alle aus der keramischenTechnologie oder Pulvermetallurgie be-kannten Fertigungsverfahren denkbar.Voraussetzung hierfür ist allerdings dieBeherrschung aller Teilschritte der ferti-gungstechnischen Kette von der Roh-stoffaufbereitung bis zur Wärmebehand-lung und Endbearbeitung. Im IFKB wur-den Sinterkohlenstoffe auch erstmals überdie Verfahren des Gelcastings und durchelektrophoretische Abscheidung herge-stellt.

3.2 Ausgangsmaterialien fürSinterkohlenstoffe

Rohstoffbasis für die sinterfähigen Kohlen-stoffe sind hochpolymere Peche, die ent-weder vollsynthetisch oder aber auf derBasis von Erdöl oder Steinkohlenteerpechgewonnen werden. Dabei werden alleleichtflüchtigen Bestandteile durchDestillation entfernt, der Destillations-rückstand wird wärmebehandelt undgegebenenfalls oxidativ vernetzt und feingemahlen. Die so erhaltenen Rohpulverbesitzen oft flüssigkristalline Eigenschaftenund werden oft pauschal als „Mesopha-senpeche“ bezeichnet. Wichte Anwendungdieser Mesophasenpeche ist die Her-stellung von ultrahoch moduligen Koh-lenstofffasern für Luft- und Raumfahrt-anwendungen. Die Mesophasenpeche wer-den bei Temperaturen von 1.000-1.200 °Cpyrolytisch, d. h. unter Luftabschluss, zuKohlenstoff und flüchtigen Spaltpro-dukten – im Wesentlichen Wasserstoff –zersetzt und dabei gesintert. SinterfähigeKohlenstoffe sind einphasige Werkstoffe,beim Sinterprozess verbinden sich dieKörner des Ausgangspulvers zu einemdurchgehenden, nahezu isotropen Gefüge,das im Gegensatz zur Keramik keineKorngrenzen besitzt. Da die Spaltproduktedabei entweichen müssen, besitzen dieWerkstoffe stets noch eine Restporositätvon fünf bis zehn Prozent.

Auf die spezielle Verwendung als Roh-material für massive Strukturwerkstoffeist kein kommerziell erhältliches Aus-gangspulver optimiert, so dass die Ver-sorgung mit hinreichenden Mengen geeig-neter Rohstoffe eines der Hauptproblemebei der technischen Umsetzung darstellte.Versuche mit kommerziellem Rohmate-rial führten bislang stets zu suboptimalenErgebnissen. Durch die Kooperation mitRütgers Chemicals, dem europaweit größ-ten Hersteller von Steinkohlenteerpech,standen erstmals reproduzierbare Chargenim 100 kg-Maßstab zur Verfügung, die ge-eignet waren, fertigungstechnische Ent-wicklung im Technikumsmaßstab zu be-treiben. Zudem ermöglichte die bei RCvorhandene Pilotanlage die verfahrensspe-zifische Anpassung der Rohstoffe.

3.3 Fertigungstechnologien fürSinterkohlenstoffe

Grundlage der keramischen Fertigungstech-nologie ist die Aufbereitung der Rohstoffeund die Herstellung von Masseversätzen,die auf die jeweils verwendete Formge-bungstechnik hin optimiert sind. Dies be-inhaltet die Anpassung der Korngrößen-verteilung durch Feinmahltechnik sowiedie Auswahl und exakte Dosierung vonAdditiven wie Dispergierhilfsmitteln, Bin-dern, Plastifizierern, etc. In den vergange-nen Jahren konnten verarbeitungsfähigeFeedstocks für das Spritzgießen, das isosta-tische und axiale Trockenpressen sowie füreinige neue keramische Fertigungstech-nologien wie das Gelcasting und die elek-trophoretische Abscheidung hergestelltwerden.

Die Auswahl der Fertigungstechnik vonBauteilen aus sinterfähigen Kohlenstoffenmuss unter Berücksichtigung des Lasten-hefts und unter Minimierung der Her-stellungskosten erfolgen. So werden geo-metrisch einfache Bauteile wie Ringe bei-spielsweise in Gesenkpressen, etwas an-spruchvollere Geometrien wie Ringe mitmehreren Absätzen durch hydraulisches,mehrstufiges Axialpressen hergestellt.Noch komplexer gestaltete Bauteile wer-den in großer Stückzahl im Spritzgieß-verfahren hergestellt, kleinere Losgrößenund sehr große Bauteile werden wohlauch weiterhin durch Zerspanen von

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STOFFL ICH E R LE ICHTBAU 49

isostatisch gepressten Rohlingen gefertigtwerden.

Nach der Urformgebung der Bauteile folgteine thermische Nachbehandlung, die dieEntfernung der Bindemittel sowie deneigentlichen Sintervorgang einschließt. Inder keramischen Technologie werdenBindemittel meist durch Glühen an Luftentfernt. Diese Methode ist bei sinterfähi-gen Kohlenstoffen nicht möglich, da dieMesophasen bei dieser oxidierendenBehandlung verbrennen oder aber zumin-dest eine starke Veränderung ihrer Zusam-mensetzung erfahren, die mit dem Verlustder Sinterfähigkeit einhergeht. Aus diesemGrund muss die Entbinderung pyrolytischunter Luftabschluss erfolgen. Die verwen-deten Bindemittel sind daher auch so aus-zuwählen, dass sie sich bei der Pyrolysemöglichst vollständig zersetzen und kei-nen artfremden Kohlenstoffrückstand aufden Korngrenzen hinterlassen, der dieSinterverdichtung behindert oder im fertiggebrannten Zustand zu verminderterFestigkeit führt.

Das Sintern der Pulver gehorcht nicht denGesetzen der klassischen Sintertheorie,vielmehr findet bei niedrigen Tempera-turen ein teilweises Erweichen der Pulverstatt, das mit der Zersetzung der hochmo-lekularen Kohlenwasserstoffe zu Kohlen-stoff, Wasserstoff und niedrigen Kohlen-wasserstoffen wie Methan, niederen Aro-maten sowie Wasser und Kohlenmonoxideinhergeht. Eine optimale Verdichtung istnur dann möglich, wenn die Temperatur-führung und Vorbehandlung der Roh-pulver exakt aufeinander abgestimmt sind.Wurde das Mesophasenpulver zu stark sta-bilisiert - d. h. voroxidiert - verdichten dieBauteile schlecht und es entsteht ein sehrporöses Gefüge. Wurde das Pulver zuwenig voroxidiert, so Sintern die Bauteileim ersten Schritt so dicht zusammen, dassdie Zersetzungsprodukte nicht mehrdurch die offene Porosität entweichenkönnen. Die Folge sind aufgeblähte Bau-teile. Es ist jedoch auch möglich, sich dieseEigenschaft zunutze zu machen undKohlenstoffschäume herzustellen, die inder Katalyse oder als Hochtemperatur-dämmmaterialien verwendet werden kön-nen. Unter optimalen Bedingungen lassensich Strukturwerkstoffe mit ca. fünf bisacht Prozent Restporosität herstellen, dieflüssigkeitsdicht und nahezu gasdicht sind

(07). Eine vollständige Elimination derPorosität wie bei Keramiken ist werkstoff-bedingt leider nicht möglich.

Wie bereits erwähnt lassen sich die Eigen-schaften der Sinterkohlenstoffe durch dieArt der Wärmebehandlung in weitenGrenzen variieren. Im Bereich von Tribo-anwendungen werden harte und extremabriebfeste Materialien verlangt, die trotz-dem eigenschmierfähig sind. Diese Mate-rialien werden bei niedrigen Sinter-temperaturen hergestellt. Man erhälteinen nahezu isotropen Graphit, derhochfest aber glasartig spröde ist und einebreite Streuung der mechanischen Para-meter aufweist. Da die Bauteile meist nurdruckbelastet sind, kann dies akzeptiertwerden. Sollten solche Bauteile als Struk-turwerkstoffe eingesetzt werden, müsstendie Gefüge absolut defektfrei und dieOberflächen perfekt bearbeitet sein, wasbei realen Bauteilen im praktischen Ein-satz nahezu unmöglich ist. Deshalb müs-sen derartige Bauteile durch eine verän-derte Wärmebehandlung auf die robuste-ren Anforderungen optimiert werden.

Bei Maschinenelementen, die dynamischwechselbeansprucht sind, ist neben derabsoluten Festigkeit auch die Zuver-lässigkeit der Bauteile von großer Wichtig-keit, um insbesondere unterkritischesRisswachstum zu unterdrücken. Die Her-stellparameter sind daher so zu wählen,dass eine sehr enge Festigkeitsverteilungerreicht wird. Dies wird erreicht, wenn dieMaterialien graphitiert werden, d. h. wennnach der Pyrolyse noch eine Wärmebe-handlung bei > 1.800 °C erfolgt. Diese„teilgraphitierten“ Materialien verlierendann zwar etwas von ihrer Elastizität, wer-den aber duktiler und weniger kerbemp-findlich, siehe (08). Voll graphitierteBauteile besitzen ebenfalls eine akzeptable

07

Lichtmikroskopische Aufnahme desGefüges von sinterfähigemKohlenstoff (links) und rasterelek-tronenmikroskopische Aufnahme derBruchfläche von sinterfähigemKohlenstoff (rechts).

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TH E M E N H E FT FORSCH U NG LE ICHTBAU50

Festigkeit und enge Festigkeits-verteilung, weisen aber eine sehrgeringe Steifigkeit sowie sehr ge-ringe Verschleißbeständigkeitauf. Sie lassen sich allerdings,verglichen mit den anderenWerkstoffen, am besten zerspa-nen.

Ziel der derzeit laufendenArbeiten ist, die Fertigungs-verfahren des Spritzgießens unddes Pressens durch Optimierungaller Teilprozesse so zu verbes-sern, dass die Materialien unter

industriellen Bedingungen prozessstabilgefertigt werden können. Zu diesemZweck werden die Verfahren mit statisti-schen Prozessplanungsmethoden unter-sucht.

Daneben werden neue Fertigungsverfahrenentwickelt, die derzeit noch nicht industri-ell nachgefragt werden, die aber ein gewis-ses Potential haben und von wissenschaft-lichem Interesse sind.

Danksagungen

Die Autoren bedanken sich für dieZusammenarbeit bei den Mitarbeitern desInstituts für Umformtechnik (IFU) derUniversität Stuttgart, des Max-Planck-Instituts für Metallforschung Stuttgart(MPI-MF) sowie des SteinbeisTransferzentrums Gießerei TechnologieAalen (GTA) an der Hochschule Aalen.

Für finanzielle Unterstützung danken wirdem Ministerium für Wissenschaft,Forschung und Kunst Baden-Württemberg sowie der EuropäischenUnion. •

Frank KernMartin Wenzelburger

Konstantin von NiessenRainer Gadow

Literatur

1 H. Hertel: Leichtbau - Flugzeuge undandere Leichtbauwerke.Berlin/Göttingen/Heidelberg : Springer,1960.

2 Schriftenreihe zu den DGM-Symposien„Verbundwerkstoffe undWerkstoffverbunde“. Oberursel : DGMInformationsges., 1992-2006.

3 K. K. Chawla: Composite Materials -Science and Engineering; 2nd ed. NewYork : Springer, 1998.

4 T. W. Clyne and P. J. Withers: AnIntroduction to Metal Matrix Composites.Cambridge : University Press, 1993.

5 K. U. Kainer: MetallischeVerbundwerkstoffe. Weinheim : Wiley-VCH, 2003.

6 J. Haag: Mechanische und thermodynami-sche Eigenschaften eines Kolbens ausFeinkornkohlenstoff im 4-Ventil-Ottomotor. Dissertation, UniversitätStuttgart, 1998.

7 F. Kern, R. Gadow: Nanostructured carb-on and graphite – ultra lightweightengineering materials. Adv. Sci. Technol.45 (2006) 1495-504.

8 R. Gadow, F. Kern, E. Türedi: High perfor-mance carbon components derived frommesophase pitch precursors. Proc. 10thEurop. Inter-regional Conf. on Ceramics,CIEC 10. Hrsg. B. Wilshire, M. R. Bache,Swansea Materials Research Centre, 2006,p. 89-98.

9 W. R. Hoffmann; Dissertation, Fakultät fürChemie, Universität Karlsruhe, 1991.

08

Überlebenswahrscheinlichkeit vonBauteilen aus sinterfähigemKohlenstoff in Abhängigkeit derSintertemperatur (aus Weibull-Analyse).

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STOFFL ICH E R LE ICHTBAU 51

Frank Kern

ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Fertigungstechnologie keramischer Bauteile und leitet dieAbteilung II Funktionskeramik und Chemische Technik. Er hat in Karlsruhe im Fach Technische Chemiepromoviert. Im Rahmen seiner Industrietätigkeit bei Aluminium Rheinfelden war er zuerst im Bereich derEntwicklung und Qualitätskontrolle von Kohlenstoffprodukten für die Elektrometallurgie, dann bis 2000 alsBetriebsleiter im Bereich Sekundäraluminiumrecyling tätig. Derzeitige Forschungsschwerpunkte sind dieFertigung technischer Kohlenstoffe, faserverstärkte Verbundwerkstoffe und Faserbeschichtungen auf Basispräkeramischer Precursoren sowie die Fertigung von keramischen Nanocompositmaterialien für die biomedizi-nische Technik und für Maschinenbauanwendungen.Kontakt: Tel. 0711/685-68233, E-Mail: [email protected]

Martin Wenzelburger

ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Fertigungstechnologie keramischer Bauteile der UniversitätStuttgart und Projektleiter im Rahmen des Kompetenzzentrums Gießen und Thixoschmieden - CCT‚Novus‘. Er leitet die Abteilung für Werkstoffmechanik, Modellierung und Simulation. Er studierte von1995 bis 2002 in Stuttgart Maschinenwesen und ist seither am IFKB beschäftigt. SeineForschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet der Prozess- und Fertigungstechnik von faser- und partikel-verstärkten Leichtmetallen, auf dem Gebiet der Werkstoffmechanik von Schicht- und Verbundwerkstoffen undbei der Modellierung und Simulation von Fertigungsprozessen.Kontakt: Tel. 0711/685-68228, E-Mail: [email protected]

Konstantin von Niessen

promovierte nach einem Studium des Maschinenwesens in Stuttgart von 2002 bis 2006 am Institut fürFertigungstechnologie keramischer Bauteile auf dem Gebiet der Gewebebeschichtung durch ThermischesSpritzen. In dieser Zeit war er Projektleiter im Kompetenzzentrum Gießen und Thixoschmieden - CCT,und verantwortlich für eine Reihe von Drittmittelprojekten der öffentlichen Hand sowie industriellerKooperationspartner. Gleichzeitig hatte er zeitweise die Funktion eines Fakultätsassistenten der FakultätMaschinenbau der Universität Stuttgart inne. Seit 2006 ist er Projektmanager bei der Sulzer Metco AG.Sulzer Metco AG, Rigackerstraße 16, 5610 Wohlen, SchweizKontakt: Tel. +41(0)56/618-81-60, E-Mail: [email protected]

Rainer Gadow

ist Ordinarius für Fertigungstechnik und geschäftsführender Direktor des Instituts für Fertigungstechnologiekeramischer Bauteile. Er promovierte nach dem Studium der Chemie auf dem Gebiet der faserverstärktenKeramik an der Universität Karlsruhe (T.H.). Faserverstärkte Gläser, Oxid- und Nichtoxidkeramikensowie refraktär-metallurgische und keramische Schichten waren sein Forschungsschwerpunkt am Institut fürChemische Technik in Karlsruhe. Nach Tätigkeiten als Leiter Forschung und Entwicklung sowie als Ge-schäftsführer von W. Haldenwanger Techn. Keramik übernahm er verschiedene Geschäftsführungsaufgabenim Konzernkreis der Deutsche Babcock-Borsig AG sowie der Balcke-Dürr AG. Seit 1995 Leiter des neugegründeten Universitätsinstituts in Stuttgart, liegt sein fachlicher Schwerpunkt in der Produktentwicklungmit neuen Werkstoffen, Bauweisen und Fertigungstechniken sowie auf dem Gebiet der Oberflächentechnik mithochenergetischen Beschichtungsverfahren. Die Prozess- und Fertigungstechnik mit nanokeramischen und cer-metischen Werkstoffen wurde seit 2004 im IFKB aufgebaut und zur Anwendungsreife gebracht. Die werk-stoff- und fertigungstechnische Entwicklung, insbesondere von Leichtbau- und Verbundwerkstoffen, wird biszur automatisierten Pilotfertigung betrieben und durch Forschungen auf dem Gebiet der Modellierung undSimulation ergänzt.Kontakt:Tel. 0711/685-68301, E-Mail: [email protected]

Universität Stuttgart, Institut für Fertigungstechnologie keramischer Bauteile,Allmandring 7b, 70569 StuttgartTel. 0711/685-68301, Fax 0711/685-68299E-Mail: [email protected]: www.uni-stuttgart.de/IFKB

DIE AUTOREN

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TH E M E N H E FT FORSCH U NG LE ICHTBAU52

Neue Wege imLeichtbau

Leichtbau spart

Energie, insbeson-

dere bei Land- und

Luftfahrzeugen

durch die kleinere

zu bewegende

Masse, aber auch

beim Transport und

beim Auf- und

Abbau von Leicht-

bauten. Spart

Leichtbau auch

Kosten? Diese

Frage ist weitaus

schwieriger zu

beantworten. Ex-

trem leichte Kon-

struktionen entste-

hen, indem leichte,

hochfeste Materia-

lien in eine optimale, trotz ihrer Dünnwandigkeit nicht stabilitätsge-

fährdete Form gebracht werden. Damit entstehen oft filigrane Kon-

struktionen. Sowohl die Materialien als auch die Herstellung sind

aber kostenintensiv. Dieser Beitrag gibt einige Beispiele über traditio-

nelle und zur Zeit eingeschlagene Wege und legt den Schwerpunkt

dabei auf innendruckgestützte und fliegende Konstruktionen.

01

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I N N E N DR UCKG ESTÜTZTE KONSTR U KTION E N 53

1. Stoff und Form

Leichtbau entsteht, wenn man möglichstwenig Stoff im Raum so anordnet, dass ereine vorbestimmte Funktion bestmöglicherfüllt. Aus diesem Satz kann man unmit-telbar einige Grundsätze ablesen:

Leichtbau wird nicht allein durch das hoch-feste und leichte Material bestimmt.Hochfeste leichte Materialien sind alsFasern seit mehr als zehn Jahren mit einerca. dreißigfachen Reißlänge von Stahl ent-wickelt, so dass eine an einen erdnahenSatelliten gehängte Faser bis zur Erdober-fläche hinabreichen würde (01). DerEinsatz dieser Materialien ist jedochschwierig, da sie sich nicht ohne weitereszu einem duktilen, weiterreißfestenGewebe verarbeiten lassen. Sprödigkeitund Feuchtigkeitsempfindlichkeit, UV-Empfindlichkeit sind einige der Hinder-nisse. So sieht man in (02), dass in nahezuallen bisher realisierten Projekten nichtdie neuen hochfesten Materialien Verwen-dung fanden. Nur drei Projekte, die japa-nischen Projekte HAA und LAS sowie derCargoLifter Prototyp CL75 verwenden dashochfeste Vectran.

Leichtbau nutzt die Verteilung der Masse imRaum zum Transport der Kräfte und zer-legt das Tragwerk in Zug- und Druck-glieder. Dies ist uns von Raumfachwerkenbekannt. Wir sehen die klassische Formverwirklicht im Zeppelin von 1936 (03)

und dessen moderne Weiterentwicklungim geplanten CargoLifter (04). AndereFormen des Leichtbaus sind zelluläre

03 04

01

02

Reißlänge einiger Materialien

Luftschiffmembranen

Trag- und Hüllenstruktur des CargoLifterCL 160, 2000

Aluminiumleichtbau im Zeppelin LZ129, 1936

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TH E M E N H E FT FORSCH U NG LE ICHTBAU54

Strukturen, wieHolz, Faserver-stärkungen, wieKurzfaserbeton oderGewebe (05).

Je genauer die Funk-tion vorbestimmtist, desto gezielterkann die Form-findung geschehen.Ein Gebäude, daswährend des Lebenshäufige Umnut-zung erfährt, wirdviel weniger in einerexpliziten Form zu

gestalten sein als ein Flugzeug, das immerdem Transport von einhundert Passagierenüber Kurzstrecken dient. Interessant ist,dass in der Frühzeit einer Entwicklungsowohl in der Natur wie in der Technikimmer eine große Formenvielfalt beobach-tet werden kann. (06) zeigt dies für dieFlugzeuge. Erst wenn die Physik hinrei-chend verstanden ist, setzen sich funktio-nale Formen durch. In der Luftfahrt allge-mein sind dies die Flugzeuge, die Hub-schrauber und die Luftschiffe, wobei letz-tere noch auf die ihnen vorhergesagteRenaissance warten.

2. Form und Funktion

Nun kann die Anordnung des Stoffs aberauch durch aktiv geregelte Prozesse erfol-gen. Der Vogelflügel wird während desFluges nach aerodynamischen und flug-mechanischen Bedürfnissen verformt, umdie Auftriebsverteilung oder die Rand-wirbelablösung zu beeinflussen. Überträgtman dieses Prinzip auf die Technik, sospricht man von „Adaptiven Strukturen“.Beispiele sind der Adaptive Flügel, derdurch aktivierbare piezoelektrische Fasernseine Kontur ändert und damit dieUmströmung beeinflusst (07). Beispielesind aber auch pneumatische Konstruk-tionen, die sich durch veränderten Innen-druck den Temperatur- und Witterungs-verhältnissen anpassen. Hierbei über-nimmt der Innendruck die Aufgabe derÜbertragung der Druckkräfte und umgehtdas sonst für Leichtbauten so gefährliche

05 06

Holz, Faserbeton, Glasfasergewebe Formensuche bei frühen Fluggeräten

07Formadaptiver Flügel

08

Helion, das erste Gebäude, das an derErde „hängt“

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I N N E N DR UCKG ESTÜTZTE KONSTR U KTION E N 55

Stabilitätsversagen durch Knicken oderBeulen. Ein Beispiel dafür ist das „Helion“,das 1992 in Stuttgart gebaut wurde. Es wardas erste Gebäude, das ganz durch denAuftrieb von Helium getragen wurde undin Form einer großen Blume auf der Inter-nationalen Gartenbauausstellung als Luft-schiffhangar für das erste Solarluftschiff„Lotte“ diente (08).

Konstruktionen dieser Art haben einensehr geringen planmäßigen Innendruckzur Formerhaltung. Wenn der Druckdurch Temperatur- oder äußere Druck-schwankungen zunimmt, sind sie inGefahr, zu platzen; wenn er abnimmt,verlieren sie die Stabilität. Aus diesemGrunde ist hier eine adaptive Druck-steuerung unerlässlich. Wie wir wissen,besteht das Problem bei Hochdruck-konstruktionen viel weniger. Ein Auto-reifen benötigt beim Betrieb keine Adap-tion; er hat aber auch ca. den zweihun-dertfachen Innendruck eines Luftschiffs.

3. Konstruktionsbeispiele

Zur Erzielung einer extrem leichtenKonstruktion werden je nach Anfor-derung viele Materialien kombiniert. Sowurden für das Leitwerk des oben genann-ten Solarluftschiffs (09), die MaterialienPE, Kevlar, Kohle und Balsaholz verwen-det. Das führt für das 1,80 m hoheLeitwerk zu einer Masse von weniger alszwei Kilogramm.

. (10) zeigt einen Entwurf für eineBasketballsporthalle. Das Dach besteht auseinem mit Luft gefüllten Membrankissenaus transluzentem Material. In der Mittebefindet sich ein Druckball, in dem Druck-luft zwischengespeichert wird,um bei kurzzeitigen Anfor-derungen, zum Beispiel Schnee-fall, den Druck in der Membranzu erhöhen.

Ein temporäres Dach für dasFußballstadion in München ist in(11) gezeigt. Das fliegende, mitHelium gefüllte Dach, das wieein Drachen stabilisiert wird,steht in ca. 150 m Höhe nebendem Stadion und wird in ca.dreißig Minuten auf das Stadionabgesenkt, wenn dieses ver-schlossen werden soll. Auch hier

09

Leitwerk von „Lotte“

10

Basketballhalle mit Druckspeicher

11

Fliegendes Dach

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TH E M E N H E FT FORSCH U NG LE ICHTBAU56

sind die die aktive Drucksteue-rung und die aerodynamischeStabilität grundlegende Eigen-schaften.

(12) zeigt ein Sonnensegel fürWeltraumanwendungen. DieMembranen und Schläuchewerden am Boden in einemkleinen Behälter verpackt.

Nach Öffnen des Behälters im Weltraumwerden die Schläuche vom in ihnenbefindlichen Restluftdruck aufgeblasen. Inden doppelwandigen Schläuchen befindetsich mit Harz getränktes Glasfasergewebe.Sobald dies dem UV-Licht ausgesetzt wird,erhärtet das Harz und es entsteht einegroße steife Struktur, der auch die Mikro-meteoriten nichts anhaben können, daihre Steifigkeit nicht mehr auf Luftdruckberuht.

Höhenplattformen sind eine technischeHerausforderung unserer Zeit. Diese sol-len in 20.000 m Höhe in der unteren

Stratosphäre stationiert werden, um vondort als Relaisstationen die Telekom-munikation für Katastrophengebiete, beiErdbeben oder Tsunamis zu übernehmen.Dies stellt extreme Anforderungen an denLeichtbau, da die Geräte wegen des gerin-gen Luftdrucks etwa 25 mal so leicht seinmüssen, wie die leichtesten Fluggeräte fürbodennahe Anwendungen. (13) zeigt einfür diese Zwecke in Stuttgart entworfenesFluggerät, das kurz vor seiner Höhener-probung steht. Es ist ein fliegender Glie-derkörper, eine Mischung aus Höhen-ballon und Luftschiff. Besondere Ver-hältnisse erfordern besondere Wege.

Abschließend noch eine Vision für das stetshöchste Hotel der Welt oder einen Arbeits-raum in einer feindlichen Umgebung, inder Wüste oder auf dem Meer (14). Einefliegende Linse von 0,5-3 km Durchmesserwird durch Kohleringe, die gleichzeitig dieUnterkünfte sind, stabilisiert und fliegtzum Einsatzort, um dort das schützendeDach für die Arbeiten zu bilden.

14

Flying Hotel oder „Workspace inhostile environment“

13

Stuttgarter SkyChain

12

UV-erhärtendes Sonnensegel

Extremer Leichtbau ist durch Materialentwicklungallein nicht möglich. Vielmehr müssen Geometrieund Physik mit dem Material und der, vielleichtadaptiven, Konstruktion eine geglückte Symbiosebilden, um den Zweck zu erfüllen. Gelingt dies, soentsteht in den allermeisten Fällen ein technischesArtefakt von ästhetischem Genuss.

ZUSAM M ENFASSUNG

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I N N E N DR UCKG ESTÜTZTE KONSTR U KTION E N 57

Prof. Dr. Bernd Kröplin

wurde 1944 in Schleswig geboren, studierte nach einer HandwerkslehreBauingenieurwesen in Braunschweig, promovierte 1977 mit dem Thema„Elastoplastische Stabilität stählerner Brücken“, erhielt 1979 ein Heisenberg-Stipendium der deutschen Forschungsgemeinschaft, wurde 1982 in Dortmund Professorfür „Anwendung numerischer Methoden“, leitet seit 1988 das Institut für Statik undDynamik der Luft- und Raumfahrtkonstruktionen in Stuttgart, gewann 2000 denKörber-Preis für „Höhenplattformen für Telekommunikation“ und ist seit 2000Mitglied der Academia Europea.

Kontakt: Universität Stuttgart, Institut für Statik und Dynamik der Luft- undRaumfahrtkonstruktionenPfaffenwaldring 27, 70569 Stuttgart, Tel. 0711/ 685-63612Fax 0711/ 685-63706, E-Mail:[email protected]

11DER AUTOR

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TH E M E N H E FT FORSCH U NG LE ICHTBAU58

Faserverbundwerkstoffein Architekturund Bauwesen

Die Entwicklung der Faserverbundwerkstoffe begann in den 50er

Jahren des vorigen Jahrhunderts. Meilensteine waren die ersten

Karosserieteile für die Corvette im Jahr 1953 oder das erste

Segelflugzeug aus glasfaserverstärktem Kunststoff, das 1954 an der

Universität Stuttgart gebaut wurde. Schon sehr bald wurden

Faserverbundwerkstoffe auch in die Architektur eingeführt, vor allem

auf Betreiben der chemischen Industrie, die sich im Bauwesen riesi-

ge Absatzmärkte erhoffte. Zwischen 1956 und 1970 wurden ca. 70

unterschiedliche Kunststoffhaustypen entwickelt. Eines der frühesten

und berühmtesten ist das Monsantohaus, das 1957 im Auftrag der

amerikanischen Chemiefirma Monsanto auf einer Bootswerft gebaut

und im Disneyland in Kalifornien aufgestellt wurde (01).

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FASE RVE R B U N DSTOFFE I N DE R ARCH ITE KTU R 59

Trotz der enormen Resonanz in der Öffent-lichkeit war diesen Bauten kein nachhalti-ger Erfolg beschieden. Zum Teil mag dasan den baukonstruktiven und bauphysika-lischen Problemen gelegen haben, mitdenen diese frühen Pionierbauten zukämpfen hatten. Letztlich ausschlagge-bend war aber das Fehlen einer angemesse-nen architektonischen Umsetzung. DasBauen mit Kunststoffen wurde vor allemvon der chemischen Industrie propagiert,die eine industrielle Massenproduktionvon Wohneinheiten zum Ziel hatte. Be-dürfnisse nach individueller Gestaltungwurden weitgehend ignoriert, was ver-ständlicherweise auf wenig Gegenliebestieß.

In der öffentlichen Architekturdebatte wa-ren Faserverbundwerkstoffe untrennbarmit dieser Haltung verknüpft, so dass sietrotz offenkundiger technischer VorteileEnde der siebziger Jahre nahezu vollstän-dig aus dem Baugeschehen verschwanden.Aus der damaligen Entwicklung kannman heute lernen, dass die Einführungvon neuen Werkstoffen nur dann aufDauer erfolgreich sein kann, wenn sie sichgezielt auf Anwendungen beschränkt, indenen sie Vorteile gegenüber etabliertenBaustoffen einbringen kann.Für das Bauwesen sind vor allem folgende

Eigenschaften von Faserverbund-werkstoffen interessant:

1. Hohe mechanische Festigkeiten beiniedrigem Gewicht.

2. Beständigkeit gegen Korrosion undErmüdung.

3. Niedrige Wärmeleitfähigkeit der poly-meren Kunststoffmatrix.

4. Vielfältige architektonischeGestaltungsmöglichkeiten hinsichtlichTransparenz, Form und Farbe und viel-fältige Kombinationsmöglichkeiten derWerkstoffkomponenten.

Im Folgenden wird anhand von Projektendes Instituts für Tragkonstruktionen undKonstruktives Entwerfen (itke) der Uni-versität Stuttgart gezeigt, wo auf Grund-lage dieser Eigenschaften ein Potential fürvermehrte Anwendungen von Faserver-bundwerkstoffen in Architektur undBauwesen gesehen wird. Das Institut ver-steht sich als Schnittstelle zwischen denMaterial- und Ingenieurwissenschafteneinerseits und der architektonischen undbautechnischen Anwendung andererseits.

Daher spielen Demonstrationsobjekte, wiesie im folgenden gezeigt werden, einewesentliche Rolle in der Arbeit desInstituts.

1. Hohe mechanische Festigkeit:Seile und Zugglieder aus kohlefa-serverstärktem Kunststoff

Kohlefaserverstärkter Kunststoff (CFK) hateine Verformungssteifigkeit, d.h. einen E-Modul, der in der Größenordnung vonBaustahl liegt, bei einer deutlich höherenZugfestigkeit und einem deutlich niedri-geren Gewicht. Allerdings ist CFK um einvielfaches teurer als Stahl und erst rechtals der billige Massenbaustoff Stahlbeton.Konzepte von Hochhäusern aus CFK, wiesie gelegentlich durch Architekturma-gazine kursieren, werden daher wohl nochauf sehr lange Zeit Visionen bleiben. Heuteist der Einsatz von CFK im Bauwesen nurda möglich, wo dessen hohe Festigkeitganz gezielt und in geringen Mengenbenötigt wird.

Dies ist zum Beispiel bei der Instandsetzungund nachträglichen Verstärkung vonStahlbetonbauteilen der Fall. Dort werden

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Monsanto Haus 1957: Eines derersten Häuser mit einer Hülle ausglasfaserverstärktem Kunststoff.

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Kohlefaserlamellen mit Breiten zwischen50 mm und 120 mm und Dicken von 1,2mm und 1,4 mm verwendet. Sie habennicht nur eine hohe Steifigkeit und Zug-festigkeit, sondern sind zudem wegen ihresgeringen Gewichts und ihrer Flexibilitätauf der Baustelle deutlich besser handhab-bar als die Stahllammellen, die bisher zurVerstärkung von Betonbauteilen verwen-det wurden. Die CFK-Lamellen werden imso genannten Pultrusionsverfahren herge-stellt, bei dem die Fasern in einem Arbeits-gang von der Rolle durch ein Harzbad undanschließend durch eine Form gezogenwerden. Sie sind also unidirektional miteinem Fasergehalt von ca. 68 Volumen-prozent verstärkt. Die Lamellen werdenmit einem Epoxidharzmörtel schlaff aufdie Stahlbetonkonstruktion aufgeklebt.Diese Technologie ist seit einigen Jahrenbauaufsichtlich geregelt, also allgemeinanerkannter Stand der Technik.

Inzwischen konzentrieren sich die Entwick-lungen darauf, die Lammellen unter Vor-spannung auf die Stahlbetonkonstruktionaufzukleben, um ihre hohe Festigkeiteffektiver auszunutzen. Dazu benötigtman jedoch Endverankerungen, die dieVorspannkräfte am Lamellenende örtlichkonzentriert mit Klemmen im Bauteil ver-ankern. Wegen der Empfindlichkeit derKohlefasern auf Querpressung ist dies

nicht einfach. Derzeit wird anverschiedenen Hochschulen anparallelen Entwicklungen fürKlemmverankerungen vonCFK-Lamellen gearbeitet. DerGedanke liegt nahe, diese CFK-Lamellen nicht nur als Ver-stärkung auf Beton zu kleben,sondern auch als freie Zug- undSpannglieder im Hoch- undBrückenbau zu verwenden.Neuere Konzepte für Brücken,wie z.B. extern vorgespannteSpannbetonbrücken, bei denendie Spannglieder nicht mehrwie früher im Brückenüberbaueinbetoniert werden, sondernaußerhalb von diesem geführtwerden, damit sie inspiziert undnotfalls ausgetauscht werdenkönnen, oder die so genannten‚extradosed bridges’, Schrägseil-brücken mit extrem flachgeneigten Seilen und biegestei-fem Überbau, verwenden Zug-

glieder unter sehr hohen Zugkräften.Bisher werden dafür Spannlitzen aushochfesten Stählen verwendet.

Denkbar sind auch Zugglieder aus CFK, dieneben der hohen Zugfestigkeit eine ver-besserte Beständigkeit gegen Ermüdungund Korrosion haben. Es wurden auchbereits erste Schrägseilbrücken undSpannbetonbrücken mit CFK Litzen-Kabeln ausgestattet.

Einfacher, sowohl in der Herstellung alsauch in der konstruktiven Umsetzung, istjedoch der Einsatz von unidirektional ver-stärkten CFK-Lamellen. Wegen des flachenund breiten Querschnittes sind die Quer-pressungen an Umlenkstellen und End-verankerungen geringer. Für die Kon-struktion der Endverankerungen gibt esbereits einige Ansätze. Derzeit fehlen nochKenntnisse über die Umlenkung derLamellen, wie sie bei unterspannten bzw.extern vorgespannten Betonträgern, aberauch bei Schrägseilbrücken auftreten. Wieverändert sich die aufnehmbare Zugkraft,wenn die CFK-Lamellen auf einem Sattelumgelenkt und damit durch Quer-pressung beansprucht wird? Am itke wer-den hier erstmals Versuche durchgeführt,die dann in die konstruktive Gestaltungvon zukunftsweisenden Brücken ein-fließen (02).

Umlenkversuch an einer Lamelleaus kohlefaserverstärktemKunststoff(Foto: Heyer/Miklautsch, idg1).

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2. Korrosionsbeständigkeit undDauerhaftigkeit: Brücken undBrückenfahrbahnen aus glasfa-serverstärktem Kunststoff

Etwa siebzig Prozent unserer Straßen-brücken sind Spannbetonkonstruktionenaus den sechziger und siebziger Jahren desletzten Jahrhunderts. Die Spanngliederwurden in Hüllrohre eingezogen, die inden Überbau einbetoniert und mit Mörtelverpresst wurden. Sie sind weder kontrol-lier- noch auswechselbar, was zu ständigsteigenden Ausgaben für die Brücken-instandhaltung führt.

Eine Alternative stellt die Verwendung vonglasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) fürBrücken und Brückenfahrbahnen dar,denn dieser Werkstoff ist gegen Frost undTausalze beständig, das Hauptproblemunserer Betonbrücken. Der zweite wesent-liche Vorteil ist das geringe Gewicht: EineKunststoffbrücke wiegt etwa vierzigProzent einer Stahlverbund- und wenigerals dreißig Prozent einer Spannbeton-brücke und kann daher in deutlich größe-ren Längen vorgefertigt und mit dem Kraneingehoben werden. Da der Überbauzudem vollständig vorgefertigt werdenkann, weil die Fahrbahnplatte nicht wieüblich vor Ort auf einem Gerüst betoniertwerden muss, lassen sich die Montage-zeiten erheblich reduzieren. Im verkehrs-reichen und staugeplagten Deutschland istdies das zweite wichtige Argument fürdiese neue Technologie.

Derzeit wird in den USA, Japan und derSchweiz intensiv an der Entwicklung vonGFK-Brücken gearbeitet. Die Mehrzahlder GFK-Fahrbahnen besteht aus strang-gezogenen (pultrudierten) Hohlprofilenmit Trapez-, Dreiecks- oder Vierecksförmi-gem Querschnitt. Die Profilhöhe liegt inder Regel um die 200 mm, womit Haupt-trägerabstände von zwei bis drei Meternmöglich sind. Die Forschung konzentriertsich auf die Erkundung der Materialei-genschaften solcher Fahrbahnen. DieEntwicklung einer werkstoffgerechtenkonstruktiven Umsetzung steht dagegennoch ganz am Anfang. Die wenigen, bis-her vor allem in den USA gebauten GFK-Straßenbrücken können nicht überzeu-gen, weil sie sich noch zu sehr an denVorbildern des Stahl- und Stahlverbund-baus orientieren. Beispielsweise werden für

den Anschluss des GFK-Decks an dieHauptträger häufig Kopfbolzendübel ver-wendet, die mit Mörtel vergossen werden.Dazu müssen Löcher und somit potentiel-le Schwachstellen in die GFK-Fahrbahngeschnitten werden. Ob eine solcheLösung wirklich dauerhaft ist, darf daherbezweifelt werden. Im britischen Oxford-shire wurde 2002 eine Straßenbrückeerrichtet, bei der nicht nur die Fahrbahn,sondern auch die Längs- bzw. Hauptträgeraus Kunststoff sind.

In Deutschland hat nun das hessischeLandesamt für Straßen- und Verkehrs-wesen begonnen, den Werkstoff GFK ineinem Pilotprojekt zu erproben. BeiFriedberg soll eine einspurige Straßen-brücke mit 22 Metern die Bundesstraße B 455 überspannen. Der Entwurf, der amitke entwickelt wurde, geht in einigenwesentlichen Punkten über die angelsäch-sischen Vorbilder hinaus.

Eine Brücke, die wie das englische Bauwerkvollständig aus GFK besteht, ist auf sehrkleine Spannweiten beschränkt, da derWerkstoff gegenüber Stahl oder Beton einegeringe Verformungssteifigkeit hat: der EModul pultrudierter GFK Profile liegt beietwa 14.000 MN/m2, beträgt also wenigerals 1/10 des E-Moduls von Stahl. Der sehr

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Brücke Friedberg: Stahlhaupttragwerk mitaufgeklebter GFK-Fahrbahn.

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viel steifere Kohlefaserverstärkte Kunst-stoff ist derzeit aus wirtschaftlichenGründen als Konstruktionswerkstoff nichtmöglich.

Bei der hessischen Brücke wird daher dieFahrbahntafel aus stranggezogenen GFK-Profilen mit Epoxidharz auf ein Haup-ttragwerk aus Stahl geklebt, eine werk-stoff- und beanspruchungsgerechte Ver-bindungstechnik. Zusätzlich ergibt sich soeine Verbundtragwirkung von GFK-Fahr-bahn und Haupttragwerk, die das Stahl-tragwerk aussteift und die Gesamtver-formungen der Brücke reduziert. DieseKonzeption ermöglicht auch viel größereSpannweiten und könnte, im Gegensatzzur Brücke in England, bald auch wirt-schaftlich mit den Betonbrücken konkur-rieren. Zudem wird bei der hessischenBrücke auf Ortbetonrandkappen verzich-tet. Anders als bei allen bisher gebautenGFK-Brücken, wird die innovative Tech-nologie damit auch sichtbar (03).

Für die GFK Profile lagen bereits Tragfähig-keits- und Ermüdungsversuche für Bean-spruchungen in Längsrichtung der Profile,d.h. in Pultrusions- bzw. Faserrichtungvor. Die Verbundwirkung führt allerdingszusätzlich zu Beanspruchungen in Quer-

richtung. Daher wurden in den Zu-lassungsversuchen, die am itke durchge-führt wurden, vor allem die Tragfähigkeitder Profile senkrecht zur Faserrichtung

sowie die Klebeverbindung und die Haf-tung des Fahrbahnbelages untersucht.

Die Realisierung der Brücke ist für Ende 2007vorgesehen. Mit dem Bauwerk sollenErfahrungen über das Langzeitverhaltender Werkstoffe und der Bauweise gesam-melt werden. Dazu wurde in Zusam-menarbeit mit der MPA der UniversitätStuttgart ein Monitoring Konzept ent-wickelt.

3. Niedrige Wärmeleitfähigkeit:Fenster und Fassaden aus GFKund Glas

Faserverstärkte Kunststoffe haben aber außerden hohen mechanischen Festigkeits-werten noch weitere Eigenschaften, die inganz anderen Bereichen des Bauwesensvorteilhaft genutzt werden können, z. B.:ihre niedrige Wärmeleitfähigkeit, die vorallem bei der Gebäudehülle eine wichtigeRolle spielt.

Der Aufbau konventioneller Metallfassadenwird nämlich wesentlich von der thermi-schen Trennung des Innenraums von derUmgebung bestimmt. Auch wenn diekonstruktive Durchbildung schon langesicher beherrscht wird, ist sie doch imDetail aufwendig. Neben den komplizier-ten Profilgeometrien sind Kunststoffele-mente zur thermisch getrennten mecha-nischen Fixierung der Verglasung erfor-derlich sowie elastische Zwischen-schichten, um die unterschiedlicheTemperaturdehnung von Verglasung undUnterkonstruktion aufzunehmen. Alter-nativ werden Fassaden auch aus Holz oderThermoplasten hergestellt, da beideWerkstoffe schlechte Wärmeleiter sind.Allerdings ist bei Holz die Dauerhaftigkeitund bei Thermoplasten die Tragfähigkeitbzw. Formbeständigkeit problematisch,weshalb Thermoplaste nur für kleinereFenster verwendet werden und selbst dannoft mit Metalleinlagen verstärkt werdenmüssen.

GFK ermöglicht neue Herangehensweisen,da es nicht nur eine niedrige Wärme-leitfähigkeit hat, sondern gleichzeitig trag-fähig und dauerhaft ist. Eine tragendeStruktur aus GFK kann wie eine Holz-konstruktion die thermische Hülle durch-dringen. Dabei ist noch eine weitere Ma-terialeigenschaft von Bedeutung: strang-

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GFK-Pavillon auf der glasstec 2002aus acht Glasscheiben 6 m x 2,50 mund sechs aufgeklebten GFK-Trägern(Entwurf und Herstellung itke).

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gezogene (pultrudierte) Profile aus GFKhaben einen Glasfaseranteil von etwa sieb-zig Prozent. Die Temperaturdehnung die-ser Elemente ist daher der Verglasung sehrähnlich. Somit ist ein direkter Verbundzwischen Verglasung und GFK-Pfostenmittels einer starren Verklebung möglich,ohne dass größere Zwängungsspannungeninfolge unterschiedlicher Temperatur-dehnungen zu befürchten sind. Die Not-wendigkeit elastischer Schichten zwischenGlas und Pfosten zum Ausgleich vonDehnungsdifferenzen entfällt.

Erstmals wurde diese Idee des statisch wirk-samen Verbundes von Glas und GFK miteinem Glaspavillon im Jahr 2002 auf der‚glasstec’, der weltgrößten Messe für dieGlas produzierende und verarbeitendeIndustrie demonstriert. Dieser bestand ausacht Verbundsicherheitsscheiben (VSG)mit Abmessungen von 6,0 m x 2,5 m. Vierdavon bildeten die Wände und vier dasDach des Pavillons. Die Dachscheiben wur-den mit aufgeklebten GFK-Profilen für dieSpannweite von fast sechs Metern ver-stärkt, um die Biegebeanspruchung ausEigengewicht im Verbund zu tragen. Dasspröde und druckfeste Glas wurde mitDruckspannungen beansprucht, währenddas zugfeste GFK die Zugspannungen tra-gen musste. Auch Wand und Dach wurdenmiteinander verklebt. Außer den GFK-Profilen und den acht Glasscheiben hatteder Pavillon keine weiteren konstruktivenElemente (04).

Für den Pavillon wurde noch Silikon ver-wendet, ein nachgiebiger Klebstoff mitniedrigen Festigkeiten und dicken Klebe-

fugen. Um im nächsten Schritt Fassadenaus Glas und GFK zu entwickeln, daseigentliche Ziel dieser Arbeit, wurdenzunächst grundlegende Kenntnisse überdie Klebeverbindung der beiden Füge-partner gesammelt. Dazu wurden mehre-re Vertreter der vier großen Klebstoff-gruppen Silikone, Polyurethane, Acrylateund Epoxidharze getestet. Einige derKlebstoffe waren handelsübliche Produkte,andere wurden speziell für diese Anwen-dung entwickelt. Besonderes Augenmerkmuss dabei auf die Dauerhaftigkeit derKlebeverbindung gelegt werden. Die Trag-fähigkeit der Klebeproben wurdenach neunwöchiger Lagerung ineinem Klimaschrank undBeanspruchung mit Feuchte- undTemperaturzyklen sowie UV Strah-lung ermittelt. Parallel dazu wur-den die Probekörper nach zwei-jähriger Außenlagerung getestet.Außer dem bauaufsichtlich zugelas-senen Silikon, das üblicherweise fürauf Aluminium geklebte Glaskon-struktionen (structural-glazing)verwendet wird, konnten starreDünnschichtsysteme ermittelt wer-den, die höhere Festigkeiten, klei-nere Klebeflächen, Transparenz undkürzere Aushärtungszeit ermögli-chen.

Auf dieser Grundlage wurde dann einFassadenelement entwickelt, beidem Profilquerschnitte aus GFKdirekt mit Stufenisoliergläsernverklebt werden. Die Klebefugenmit beiden Scheiben des Isolier-glases stabilisiert gleichzeitig die

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GFK-Fassade (links) und konventio-nelle Pfosten-Riegelkonstruktion(rechts): Regelschnitt undIsothermendarstellung.

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Prototyp Fassadenelement glasstec 2004(Entwurf und Herstellung itke).

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Flachprofile gegen Kippen. Die Elementekönnen anschließend nebeneinander auf-gestellt und miteinander verschraubt wer-den. Die konstruktive Ausbildung derFassade ist sehr einfach. Die Anzahl derverwendeten Bauteile ist im Vergleich zukonventionellen Fassadensystemen starkreduziert (05). Entwickelt wurden dieseElemente für zwei Bauprojekte in Däne-mark. Im Entwurf der Architekten3xNielsen für ein Glasmuseum in Ebeltoftsind Fassadenelemente aus GFK und Glasmit den Abmessungen 3,80 m x 1,90 mvorgesehen. Die dänischen ArchitektenSchmidt, Hammer & Lassen planen beiihrem Entwurf eines Sport- und Kultur-zentrums in Kopenhagen acht Meter hoheFassadenelemente dieser Bauart. EinPrototyp dieser Fassade wurde auf derBAU2005 mit dem Innovationspreis Archi-tektur und Bauwesen ausgezeichnet (06).Der Wärmedurchgang entspricht demeiner konventionellen Pfosten-Riegel-fassade, bei einer vereinfachten Konstruk-tion mit einem deutlich schlankerenRahmen, aus architektonischer Sicht einwichtiger Vorteil.

Auf diesen Grund-lagen wurde dann imnächsten Schritt einmehrschaliges Ver-bundelement ent-wickelt, bei dem zweiScheiben aus Ein-scheiben Sicherheits-glas (ESG) 8 mm miteinem Scheibenzwi-schenraum von 92mm eine wärmedäm-mende Luftschicht bil-den. Dieses Kasten-fenster mit den Ab-messungen von ca.2,40 m x 1,95 m undeinem Gesamtgewichtvon etwa 230 kg ist alsWendeflügel mit einerasymmetrisch ange-ordneten vertikalenDrehachse ausgeführt.Die Aussteifung desFensters erfolgt überdie Glasscheibenselbst, die hierzu anden Rändern mit demGFK-Rahmen kraft-schlüssig verklebt sind

(07). Ein hochfester Klebstoff erlaubt dieAusbildung dünner Klebefugen und somitvon außerordentlich schlanken Rahmen-profilen. Um die Konstruktion zunächsteinfach und das Gewicht niedrig zu haltensind zwei Einfachgläser verwendet worden.Eine low-e-Beschichtung an Position 2führt in Verbindung mit der dämmendenLuftschicht zwischen den beiden Scheibeninsgesamt zu einem Uw-Wert von etwa 1,7W/m2K.

Momentan wird an der bauphysikalischenOptimierung dieser Konstruktionen gear-beitet. Dabei wird im ersten Schritt dieinnere Scheibe durch eine Isolierglas-einheit ersetzt. Die äußere, low-e beschich-tete Scheibe und die Luftschicht bleibenentsprechend der ursprünglichen Versionbestehen. Mit dieser Konfiguration werdenpassivhaustaugliche Werte erreicht (Uw <0,8 W/m2K), also höchste Anforderungenan den winterlichen Wärmeschutz erfüllt.In einem weiteren Prototyp wird in einFassadenelement ein schwimmendes Öff-nungselement mit GFK-Rahmen einge-klebt, um in festverglasten Fassaden Öff-nungsflügel mit minimalem Rahmen-anteil einzubauen.

Das wärmetechnische Verhalten derbeschriebenen Konstruktionen wurdezunächst per Simulation und anschließendanhand von Prototypen am FraunhoferInstitut für Bauphysik experimentelluntersucht. Dabei wurde der Wärme-durchgangskoeffizient ermittelt und dieraumseitigen Oberflächentemperaturengemessen, um die Bildung von Kon-denswasser auszuschließen. Die Ergebnissebestätigen das Potential dieser Konstruk-tionen und ermutigen uns, diese Ent-wicklungen weiter voranzutreiben. InKürze werden die ersten GFK-Fassaden-elemente bei größeren Bauvorhaben ein-gesetzt.

4. Vielfältige Gestaltungsmöglich-keiten hinsichtlich Transparenz,Form und Farbe

In den Faserverbundwerkstoffen werden ver-schiedenartige Materialien für einenbestimmten Anwendungszweck jeweilsneu kombiniert. Dabei gibt es nicht nurfür die Matrix und die Verstärkungsfasernzahlreiche Optionen. Mit Additiven undFüllstoffen werden die chemischen und

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Protoyp Kastenfenster mit sehr schlankemRahmen auf der glasstec 2004 (Entwurfund Herstellung itke).

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physikalischen Eigenschaften beeinflusst.Für den konstruktiven Aufbau der Lami-nate gibt es von der eindimensional ver-stärkten Einzelschicht bis zu mehrachsigund sogar dreidimensional bewehrtenSandwichkonstruktionen mit verschieden-sten Ausführungen für die Kernlage zahl-reiche Varianten. Auch die Verarbeitungs-technologie hat vom Handlaminat biszum vollindustriellen Pultrudieren Ein-fluss auf Faserorientierung und Faserge-halt und damit nicht nur auf die Form-gebung, sondern auch auf die mechani-schen Eigenschaften der Halbzeuge. AußerMatrix und Verstärkungsfasern lassen sichnoch andere Komponenten in den Ver-bundwerkstoff integrieren. Dies könnenzum Beispiel lichtlenkende und lichtlei-tende Fasern, Glasfasern zur optischenDatenübertragung oder piezoelektrischeSensoren zur Überwachung und Steue-rung des Spannungs- und Verformungs-zustandes sein.

Für den entwerfenden Architekten undIngenieur bedeutet dies einen Paradigmen-wechsel: Traditionell werden Bauteile mitdefinierten Materialeigenschaften zu einerGesamtkonstruktion gefügt. Bei Faserver-bundwerkstoffen ist dagegen zunächst derWerkstoff selbst zu entwerfen. Die Mate-rialforschung konzentriert sich dabei inder Regel auf die Optimierung der mecha-nischen Eigenschaften. In der Architekturhaben dagegen auch die visuellen und tak-tilen Qualitäten der Werkstoffe einewesentliche Bedeutung. Am itke werdendaher auch diese Eigenschaften systema-tisch untersucht und dokumentiert.

Die üblicherweise verwendeten Polyester-,Vinylester- oder Epoxidharze sind translu-zent. Anders als von traditionellen Bau-weisen gewohnt, können daher mit Fa-serverbundwerkstoffen lastabtragendeBauteile lichtdurchlässig hergestellt wer-den, wobei die Transluzenz nicht nur vomHarztyp, sondern vor allem vom Glas-fasergehalt abhängt (08). Die verwende-ten Glasfasertextilien erzeugen eine sicht-bare Textur im Bauteil. TransluzentePaneele können als großformatige, hinter-leuchtete und dauerhaft formstabileFassadenverkleidung eingesetzt werden.

Die optischen Eigenschaften der Laminatekönnen durch Pigmente und Additivevielfältig gesteuert werden. Anders als bei

den bekannten Beschichtungs- oder Be-druckungsverfahren für Glasscheiben sindsie in den Werkstoff integriert und somitvon der Matrix gegen äußere Einwirkun-gen geschützt. Außer Farbpigmenten sindzum Beispiel phosphoreszierende Harzemöglich, mit denen sich in der Nachtleuchtende Fassadenelemente herstellenlassen, ohne dass Energie zugeführt wer-den muss. Das „Aufladen“ erfolgt durchTageslicht oder mittels künstlicher Be-leuchtung. Am itke wurden phosphores-zierende Pigmente untersucht, die derMatrix Leuchtkraft für eine ganze Nachtgeben. Neben vollflächig leuchtendenPlatten sind auch gezielte Motive in derDeckschicht möglich.

Weiterhin können Pigmente mit thermo-chromen Eigenschaften integriert werden.Thermochrome sind Stoffe oder Substan-zen, deren Kristallstruktur und somitauch Farbe sich in Abhängigkeit von derTemperatur ändert. Die in den Versuchenverwendeten Pigmente ergeben einenWechsel von farbig/opak zu farblos/trans-luzent bei 31° C. Der Effekt ist reversibel.Für die Anwendungen in Fassaden istallerdings der umgekehrte Effekt, also eineReduzierung der Lichtdurchlässigkeit beisteigender Temperatur oder UV Strahlungvon größerem Interesse: Eine solche vonder UV-Strahlung abhängige Änderung

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Tisch glasstec 2004: TransluzenterGFK-Körper mit eingeklebterTischplatte aus Glas. BeideKomponenten spannen im Verbundüber vier Meter (Entwurf ibk2,Konstruktion und Herstellung itke).

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des Lichtdurchgangs ist von der photo-chromen Beschichtung von Glas bekannt.Diese Beschichtungen sind instabil. Sieändern im Laufe der Zeit ihre chemischeStruktur. Je länger und öfter die FarbenUV-Licht ausgesetzt werden umso wenigerkehren sie in den durchsichtigen Zustandzurück. Bei GFK befinden sich die Pigmen-te allerdings in der Matrix oder der Deck-schicht und nicht auf der Bauteiloberflä-che und sind damit gegen mechanischenAbrieb geschützt. In weiteren Versuchendes itke am Fraunhofer Institut für Silicat-forschung in Würzburg werden Bau-teilmuster auf ihre UV-Beständigkeit undLebensdauer hin getestet.

Der mehrschichtige Aufbau der faserver-stärkten Kunststoffe erlaubt es weiterhin,verschiedene Lichtquellen zwischen denLagen der Verstärkungsfasern einzulami-nieren. Diese dürfen allerdings nur wenigWärme entwickeln, um das Laminat kei-ner dauerhaften Temperaturbeanspru-chung auszusetzen. Dafür eignen sich bei-spielsweise Leuchtdioden (LED’s) oderlichtleitende Fasern. Mit LED’s können dieBauteile in einem gezielten Muster zumLeuchten gebracht werden. Die sichereund dauerhafte Fixierung der LED’s imFaserverbund erweist sich in der Praxisallerdings als schwierig. Sie sind zudemdruckempfindlich, so dass ein ungestörtesAuswalzen des Laminats behindert ist.Praktikabler ist die Integration von synthe-tischen lichtleitenden Fasern, die durcheinen externen Projektor angesteuert wer-den (09). Mit diesem Verfahren lassen sichlastabtragende Bauteile und Fassaden-elemente zum Leuchten bringen, ohnederen statische Tragfähigkeit zu beein-

trächtigen. Da die lichtleitenden Fasernwartungsfrei sind und von der Matrixgegen Umwelteinflüsse geschützt werden,kann der Leuchteffekt dauerhaft genutztwerden.

5. Offene Fragen und Themen fürkünftige Projekte

Natürlich gibt es noch viele weitere Themen,die an dieser Stelle nicht vertieft werdenkönnen und die entweder in laufendenProjekten bearbeitet werden oder dieIdeen für künftige Arbeiten bieten:

– Brandschutz: Für alle Hochbauten istdie Feuerwiderstandsdauer der Trag-konstruktion bzw. der Brandschutz,von elementarer Bedeutung. Polyester-Vinylester- und Epoxidharze basierenauf organischen Polymeren und sinddaher grundsätzlich brennbar. Zwargibt es Phenolharze mit besserenBrandeigenschaften oder Brand-schutzadditive, aber dennoch bleibt derFeuerwiderstand der Schwachpunktvon Faserverbundwerkstoffen. Diesführt dazu, dass tragende Bauteile ausfaserverstärkten Kunststoffen, d.h.Stützen und Decken aus GFK, derzeitkaum möglich sind. Die Ermittlung,Bewertung und Verbesserung derBrandeigenschaften stellt daher einwichtige Voraussetzung für den breite-ren Einsatz von GFK und CFK alsKonstruktionswerkstoff im Hochbaudar. Derzeit werden am itke im Rah-men eines DFG-geförderten Projekteserste Grundlagen für die Ermittlungder Feuerwiderstandsdauer von GFK-Profilen unter thermischer und me-

GFK-Platten mit einlaminierten licht-leitenden Fasern.

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chanischer Beanspruchung ermittelt.Dabei werden verschiedene Harzsys-teme betrachtet.

– Formgebung: aus architektonischerSicht sind die dreidimensional geform-ten Bauteile, die sich mit Faserver-bundwerkstoffen im Handlaminier-verfahren herstellen lassen, ein weite-rer sehr interessanter Aspekt. Aller-dings zeigt sich leider immer wieder,dass die Modellkosten für frei geformteBauteile sehr hoch sind und sich imrealen Baugeschehen nur in Ausnah-mefällen oder bei hohem Wiederho-lungsgrad durchsetzen lassen. Erfor-derlich sind daher neue Verfahren,möglicherweise auf Grundlage aktuel-ler rapid-prototyping-Technologien,um die Modellbaukosten für dreidi-mensionale geformte Bauteile zu redu-zieren (10).

– GFK-Beton-Hybrid-Konstruktionen:GFK hat eine hohe Zugfestigkeit undist korrosionsbeständig. Deswegen liegtder Gedanke nahe, GFK als Schalungund Umschnürung für den druckfes-ten und billigen Massenbaustoff Betonzu verwenden. Betongefüllte GFK-Rohre werden in den USA zum Bei-spiel als Gründungspfeiler im Wasseroder als Oberleitungsmaste eingesetzt.Wickeltechnik, Flechtverfahren oderandere Methoden erlauben jedochauch die Herstellung von komplexenGeometrien wie z. B. Verzweigungs-knoten. Betongefüllte GFK-Hohlkör-per können daher für Betonfachwerkeoder andere geometrisch anspruchs-volle Betonkonstruktionen verwendetwerden, deren Herstellung mit kon-ventionellen Schalungen sehr aufwen-dig ist. Zu klären ist, inwieweit sich derim Vergleich zu einer konventionellenStahlbewehrung weiche GFK-Mantelam Lastabtrag beteiligt.

– Füge- und Verbindungstechnik: diewerkstoffgerechte Fügemethode fürBauteile aus faserverstärktem Kunst-stoff ist die Klebetechnik, die allerdingskontrollierte Umgebungsbedingungenerfordert wie sie in der Regel nur inder Werkstatt gegeben sind. Kon-struktionen des Bauwesens müssenhäufig in größeren Abschnitten auf derBaustelle gefügt werden. Dazu sindlösbare Verbindungen erforderlich.Bisher werden dafür meist Schraub-verbindungen verwendet, die wie im

Stahlbau die Kräfteüber Abscheren undLochleibung übertra-gen. Im Gegensatzzum Stahl sind imFaserverbundwerk-stoff weder der isotro-pe Spannungsflussum das Schraublochnoch der duktileAbbau von Span-nungsspitzen mög-lich, was in der Regelzum frühzeitigenspröden Versagen derVerbindung führt.Daher werden derzeitam itke neue Form-schlussverbindungenuntersucht, die dieKräfte flächig übertra-gen und eine höhereTragfähigkeit aufwei-sen.

– Bemessungs- undNachweisverfahren:das mechanischeVerhalten der Ver-bundwerkstoffe istaußerordentlich kom-plex. Die Werk-

Fibre reinforced polymers (FRP) were introduced inarchitecture in the late fifties of the last centurywith the intention of mass production of housingunits. Despite the initial great attention and percei-ved potential of this structures, it did not meet theexpectations of the wider and FRP disappearedcompletely from public architecture already 20 yearslater. However, the properties of FRP offer someadvantages, which are of particular interest andlead today to new applications in very differentfields of architecture and building technology e.g.:high tensile strength of cords and strips made fromcarbon fibre reinforced polymers enables its applica-tion in cable-stayed or pre-stressed bridges, the cor-rosion and fatigue resistance of FRP makes it suita-ble for bridge deck systems, and the low thermalconductivity of glass fibre reinforced plastics makespossible the development of new types of façadestructures with a very few components and a superi-or thermal behaviour. Besides this technologicaladvantages, FRP offers a variety of possibilities forthe architectural design regarding the shape as wellas material qualities like transparency, colours andthe possibility of integrating lighting systems andother components into the composite material. Thisarticle shows some innovative applications of FRPin today’s building technology based on demonstrati-on and research projects at the Institute of BuildingStructures and Structural Design (itke).

SUM MARY

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Messestand Lange und Ritter rohima 2006: GFK-Laminat auf gefrästem Hartschaumkern (Entwurfund Herstellung itke).

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stoffkenngrößen sind anisotrop undzeitabhängig. Hinzu kommen vielfälti-ge Versagensmechanismen: nicht nurder Bruch von Faser und Matrix, son-dern insbesondere Delamination undGrenzschichtversagen spielen häufigeine wesentliche Rolle. Die analytischeund numerische Erfassung dieserEffekte ist sehr aufwendig. Für dasBauwesen sind einfache Nachweis-verfahren erforderlich, die die relevan-ten Versagensmechanismen mit prak-tisch handhabbaren Modellen erfassen.Diese sollten sich an den gängigen

Bemessungsverfahren des Bauwesensorientieren und zum Beispiel Grenz-schnittgrößen und Interaktionsfor-meln angegeben.

Bei der Bearbeitung dieser Themen wäre füruns die Kooperation mit anderen Ins-tituten der Universität hilfreich. Wir hof-fen daher darauf, dass sich fakultätsüber-greifende Verbünde ergeben, die die an derUniversität vorhanden Kompetenzen bün-deln. •

Jan Knippers et.al.

Die Autoren und Mitarbeiter

Das Bauen mit faserverstärkten Kunststoffen ist ein Forschungsschwerpunkt amInstitut für Tragkonstruktionen und Konstruktives Entwerfen, der mit derBerufung von Jan Knippers im Jahr 2001 aufgebaut wurde. Dabei werden imwesentlichen zwei Hauptthemen verfolgt: zum Einen die Entwicklung von inno-vativen Fassadenkonstruktionen und zum anderen Brücken undBrückenfahrbahnen aus GFK. Die in diesem Aufsatz beschriebenen Projekte beruhen auf Arbeiten von StefanPeters, Claus Peter Weller, Don-U Park, Mohamed Hwash, Markus Gabler,Alexander Hub und Carsten Ludwig, die in den letzten fünf Jahren als wissen-schaftliche Mitarbeiter oder Doktoranden am Institut tätig waren oder nochsind. Besonders wertvoll ist die Unterstützung von Michael Tondera in der Werkstattund Petra Heim bei der Erstellung von Berichten und Postern. Geleitet wird dasInstitut von Jan Knippers, der an der TU Berlin Bauingenieurwesen studiertund dort auch promoviert hat. Vor seiner Berufung war er mehrere Jahre ineinem international bekannten Ingenieurbüro tätig.

KontaktUniversität Stuttgart, Institut für Tragkonstruktionen und KonstruktivesEntwerfenKeplerstr. 11, 70174 StuttgartTel. 0711/685 83280Fax 0711/685 82756E-Mail: [email protected]: www.itke.uni-stuttgart.de

DIE AUTOREN

hinten von links nach rechts: Prof. Dr.-Ing. Jan Knippers, Dipl.-Ing. (FH) Petra Heim, Michael Tondera, Dipl.-Ing. Claus-PeterWeller; vorn von links nach rechts: Dipl.-Ing. Alexander Hub,Dip.-Ing. Don-U Park, Dipl.-Ing. Mohamed Hwash (nicht abge-bildet: Dr.-Ing Stefan Peters, Dipl.-Ing. Markus Gabler, Dipl.-Ing. Carsten Ludwig)

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Entwerfen imLeichtbau

Warum Leichtbau? könnte man fragen, und eine Antwort jenseits der

Erkenntnis der Notwendigkeit von Leichtbau im Bauwesen als Vor-

aussetzung zur Überbrückung von Grenzhöhen und Grenzspann-

weiten würde lauten: Weil es keine bessere Schule für das Verstehen

der tragenden Konstruktionen in der lebenden und der nicht leben-

den Natur sowie in der von Menschen gestalteten Welt gibt.

Die Suche nach den leichten Konstruktionen ist die Suche nach den

Grenzen. Das Entwerfen der leichtestmöglichen Konstruktionen ist

das Herantasten an das physikalisch und das technisch Machbare.

Es hat zu tun mit der Ästhetik des Minimalen, mit der Suche nach

dem Unbekannten und mit dem Überschreiten von durch Wissen-

schaftsdisziplinen gezogenen Grenzen.

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Bei Konstruktionen, diegroße Spannweiten über-brücken, die große Höhenerreichen oder die sichbewegen bzw. die bewegtwerden, ist die Reduktiondes Eigengewichtes ökono-mischer Zwang, häufiggenug auch Voraussetzungfür die Realisierbarkeitselbst. Bei den eher alltägli-cheren Konstruktionenkleinerer Abmessungen,bei temporären und ephe-meren Bauten bedeutetLeichtbau eine Ersparnis aneingesetzter Masse, zumeistauch an eingesetzterEnergie. Spätestens hierscheint der ökologischeAspekt auf: Leicht zubauen wird zur Haltung.

Konsequenter Leichtbau be-dingt deutliche Modifi-kationen in den tradier-ten Strukturen des Ent-wurfsprozesses: Die Festlegungen derSystemgeometrie, die Ausformung und dieProportionierung der tragenden Struk-turen sowie deren Materialbelegung habenprimär der Forderung nach Gewichts-ersparnis und erst sekundär denjenigenForderungen zu folgen, die sich beispiels-weise aus architektonischen Überlegun-gen, aus Überlegungen zur Herstellungs-technik und aus Kostenüberlegungenergeben. Darüber hinaus lässt sich derEntwurf gewichtsminimaler Tragsystemenicht auf der Basis einer Addition bzw.gekonnter Kombination von Grundbau-steinen wie Stützen, Balken, Bögen,Platten, Scheiben etc., allgemein gesagtalso geometrisch determinierter Bauteile,gestalten. Vielmehr entwirft man imLeichtbau räumliche Kräftepfade, also aus-schließlich statisch konditionierte Struk-turen, die man anschließend mit geeigne-ten Werkstoffen belegt. Entwerfen alsProjektion eines im Geist auf unterschied-lichste Weise geschaffenen, gesehenenBildes, zusammengesetzt aus Bildern,Worten und Empfindungen, aus teilweisenichtverbaler, nichtvisueller oder nicht-akustischer Information, wird im Leicht-bau durch Einflechten der erstrangigenForderung nach Gewichtsminimalität umeinen weiteren, physikalisch fassbarenKomplexitätsgrad gesteigert.

2. Kategorien im Leichtbau

Es gibt drei grundlegend unterschiedlicheKategorien im Leichtbau, die beimEntwerfen von Leichtbaukonstruktionenauf unterschiedliche Art miteinanderkombiniert werden: Materialleichtbau,Strukturleichtbau und Systemleichtbau.Ihre nachfolgende Erläuterung undDiskussion soll einer ersten Skizzierungder Leichtbauprinzipien dienen.

2.1 Materialleichtbau

Unter Materialleichtbau versteht man dieVerwendung von Baustoffen mit einemgünstigen Verhältnis von spezifischemGewicht zur ausnutzbaren Festigkeit, zurausnutzbaren Dehnung, zur ausnutzbarenSteifigkeit etc.. Ein Leichtbauwerkstoff istdementsprechend durch mehr als eineKennzahl, z.B. den Quotienten Steifig-keit/spez. Gewicht, gekennzeichnet; dieKlassifizierung von Werkstoffen hat damitstets in einem mehrdimensionalen Feld zuerfolgen. Welcher Kenngrößenquotientmaßgebend wird, hängt davon ab, ob dieDimensionierung eines Bauteils aufFestigkeit, Steifigkeit, Duktilität,Dämpfung, Stabilität etc. erfolgt. Zu-sätzlich ist gerade bei den Leichtbau-werkstoffen wie Kunststoffen oder Alu-

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Ein Beispiel aus der Natur: DasNetz einer Spinne als vorgespanntes,ausschließlich zugbeanspruchtesFadensystem

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miniumlegierungen zu beachten, dassdiese nicht nur gegen Spitzenwerte derBeanspruchung, sondern auch gegen stän-dig vorhandene Lasten, in ihrer zeitlichenEinwirkung zu akkumulierende Last-kollektive, gegen Grenzwerte der akku-mulierten plastischen Deformationen etc.zu dimensionieren sind. Eine differenzierteBetrachtungsweise ist also nötig. Die Ver-hältnisse sind de facto komplexer als dieimmer wieder in die Diskussion gebrach-ten einfachen Verhältniszahlen über die„Leistungsfähigkeit'“ von Werkstoffen, bei-spielsweise die sog. „Leichtbaukennzahl“,der „Bic“ oder die „Reißlänge“, dies sugge-rieren.

2.1.1 Der Bauweisenbegriff

Materialleichtbau muss prinzipiell unterEinbeziehung der konstruktiven Durch-bildung der Bauteile diskutiert werden. Esgenügt nicht, eine günstige Gesamtgeo-metrie und eine gewichtsoptimale Werk-stoffbelegung eines Bauteils zu entwickeln,um danach aufgrund der teilweise erhebli-chen konstruktiven Probleme in denKrafteinleitungsbereichen Massen-mehrungen infolge komplizierter undmassebehafteter Details hinnehmen zumüssen. Den Fragen der Detaillierung, derFügetechnik und der Werkstoffkom-binationen kommt gerade im Leichtbaubesondere Bedeutung zu.

Bedauerlicherweise fehlen im Bauwesen bisheute sowohl eine werkstoffübergreifendeKonstruktions-, Entwurfs- und Bemes-sungslehre wie auch durchgehende Kon-zepte zum Recycling der Bauten und ihrerEinzelteile. Für die Behandlung der Fragender Detaillierung, Fügetechnik und Werk-stoffkombination, ansatzweise auch denendes Recycling im Leichtbau, hat der Autordeshalb bereits 1990 den in der Flugzeug-und Kraftfahrzeugtechnik angewandtenBauweisenbegriff in das Bauschaffen einge-führt. Als Bauweise wird dabei die Art undWeise bezeichnet, in der einzelne Werk-stoffe geformt und miteinander zu Bau-teilen (höhere Fügungsebene: Tragwerke)verbunden werden.

Die Einteilung in:– Differentialbauweisen– Integralbauweisen

– Integrierende Bauweisen – Verbundbauweisen

ist Grundlegung für werkstoffübergreifen-des Entwerfen und Konstruieren. Der Bau-weisenbegriff erlaubt eine schnelleBewertung der statisch-konstruktivenEigenschaften eines Bauteils sowie derBesonderheiten seines Montage-,Demontage- und Rezyklierverhaltens.

Ein in Differentialbauweise hergestelltesBauteil besteht aus mehreren, vergleichs-weise einfach gestalteten Elementen. Diegegebenenfalls aus unterschiedlichenWerkstoffen bestehenden Elemente wer-den durch punktförmige Verbindungen zuBauteilen gefügt. Die punktuelle Fügungist prinzipiell mit Spannungskonzen-trationen im Verbindungsbereich verbun-den, ein Effekt, den man im Leichtbaunatürlich gern vermeiden würde und dersich nur mit entsprechend aufwendigenMethoden, wenn überhaupt, in seinenAuswirkungen reduzieren lässt. Demgrundlegenden statisch-konstruktivenNachteil der Spannungskonzentration imFügungsbereich stehen die Vorteile dereinfachen Fügung (auch auf der Baustelle)und der optimalen Anpassbarkeit derunterschiedlichen Elemente an das jeweili-ge Anforderungsprofil entgegen. De-montage- und Rezyklierverhalten inDifferentialbauweise erstellter Tragwerkesind grundsätzlich vorteilhaft, da punktu-elle Verbindungen üblicherweise leichtlösbar sind und die anschließende Sor-tierung der Ein-Stoff-Elemente einfach ist.

Ein in Integralbauweise hergestelltes Bauteilist ein zu einem Stück geformtes Einstoff-Bauteil. Mit entsprechenden Technologienwie Gießen, Schmieden oder spanabheben-den Verfahren können dabei sehr kompli-ziert geformte Bauteile hergestellt werden.Bauteilgeometrie und Wandstärkenverlaufsind optimal an den Kraftfluss anpassbar,wodurch eine sehr homogene Werkstoff-ausnutzung unter nahezu völligem Aus-schluss von Spannungskonzentrationeninnerhalb des Bauteils erzielt wird. Da einin Integralbauweise hergestelltes Bauteilnur aus einem Werkstoff besteht, besitzt esentsprechend positive Rezykliereigen-schaften.

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Mit der integrierenden Bauweise versuchtman, die fertigungstechnisch bedingteBeschränktheit der Stückgrößen durchkontinuierliches Fügen der Einzelelementezu einem quasi-homogenen Bauteil zuumgehen. Mit Fügetechniken wie Klebenoder Schweißen wird eine entsprechendeHomogenisierung der Spannungsfelderinnerhalb des Bauteils möglich. DasRezyklierverhalten ist je nach Fügungsartunterschiedlich. Natürlich sind insbeson-dere Schweißverbindungen positiv zubewerten; die Verwendung mengenmäßighoch dosierter Leime und Kleber hingegenkann unter Umständen zuRezyklierproblemen führen.

Bei der Verbundbauweise werden Bauteileaus mehreren unterschiedlichenWerkstoffen zu einem Stück zusammenge-setzt. Im Gegensatz zur Integralbauweisewerden jedoch mehrere Werkstoffe zueinem Mehrstoff-Bauteil kombiniert.Auswahl und Anordnung der Werkstoffeerfolgen dabei nach derenEigenschaftsprofil und inAbhängigkeit vom Bean-spruchungsverlauf innerhalb desBauteils. Dies erlaubt die sehr effizi-ente Gestaltung von tragendenTeilen. Die Verbundbauweisen be-inhalten die Kategorien

– Allgemeine Verbundbauweise,– Faserverbund- und

Hybridbauweise sowie– Sandwichbauweise

Verbundkonstruktionen könnengenau dann sehr effizient undleicht gestaltet werden, wenndie eingesetzten Werkstoffe dasan das Bauteil gestellteAnforderungsprofil imVerbund, also gemeinsam (!)bestmöglich erfüllen. DerQualität des Verbundes zwi-schen den Werkstoffen, alsoz.B. der Qualität des Verbundes zwischenArmierungsfaser und Matrix, kommtdabei eine entscheidende Bedeutung zu: Jebesser der Verbund, desto kürzer könnenbeispielsweise die Krafteinleitungslängengestaltet werden. Dies führt zu Ge-wichtseinsparungen. Andererseits kanneine zu hohe Haftung zwischen denVerbundpartnern zu einem ungünstigenLastabtragungsverhalten führen. Eine

hohe Verbundwirkung führt darüber hin-aus dazu, dass sich das Zweistoff-Bauteilnur schwer in seine Ausgangsstoffe zerle-gen lässt. Am Beispiel des weltweit men-genmäßig am meisten verbreiteten Ver-bundwerkstoffes, des Stahlbetons, lässtsich dies sehr anschaulich erläutern: In-folge der extrem schlechten Verbund-wirkung zwischen Bewehrungsstahl undBeton werden signifikant größere Mehr-längen (d.h. Mehrmassen), die sog. Veran-kerungslängen, an Bewehrungsstahl erfor-derlich, um den Kraftübertrag von der Be-tonmatrix in den Bewehrungsstahl bzw.umgekehrt zu gewährleisten. Diesem sogut wie nie ausgesprochenen, ökonomischwie ökologisch nicht zu unterschätzendenNachteil steht der große Vorteil eines ein-fachen Recyclings durch ein - infolge desschlechten Verbundes - prozesstechnischeinfaches Trennen der beiden Verbund-partner Beton und Stahl gegenüber.

2.2 Strukturleichtbau

Geht man von der Ebene der Werkstoffesowie deren Kombination und Fügung zuderjenigen der Bauteile und der aus ihnenzusammengesetzten Tragwerke über, sostellt hier der Strukturleichtbau die Auf-gabe, ein gegebenes Beanspruchungs-kollektiv mit einem Minimum an Eigen-

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Strukturleichtbau: Die „StuttgarterSchale“ ist lediglich 10 mm dick. Siestellt mit einem Bauteildicken/Spann-weitenverhältnis von 1/850 die dünn-ste je gebaute Glasschale dar.

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gewicht der Konstruktionunter Einhaltung einerReihe vorgegebenerRestriktionen zu gegebenenAuflagerpunkten zu leiten.Strukturleichtbau beschäf-tigt sich also mit Art,Anzahl und Anordnung derBauteile, aus denen einetragende Struktur minima-len Gewichts gebildet wird.Strukturleichtbau bedeutetdeshalb letztendlich dieLösung eines Minimie-rungs-, d.h. Optimierungs-problems in einem mitRestriktionen versehenenEntwurfsraum. Das Trag-werk hat dabei ausschließ-lich die Funktion derAbtragung von Lasten.

2.3 Systemleichtbau

Unter Systemleichtbau ver-steht man das Prinzip, ineinem Bauteil neben derlastabtragenden auch nochandere, wie zum Beispielraumabschließende, spei-

chernde, dämmende oder vergleichbareFunktionen zu vereinigen. Die tragendenBauteile werden somit multifunktional,eine im Bauwesen immer wieder, wennauch nicht oft genug bewusst benutzteLösung. Viele mögliche Anwendungs-bereiche sind noch unerschlossen, wie dasBeispiel einer Beteiligung der Glasein-deckung filigraner Stabkuppeln an derLastabtragung zeigt – ein Konstruktions-prinzip, das man in der Kraftfahrzeug-technik bereits vorfindet: Dort werdenzunehmend die Glasscheiben als ausstei-fende Elemente herangezogen.

3. Entwerfen im Leichtbau

Entwerfen im Leichtbau bedeutet primär dieEntwicklung räumlicher Kräftepfade undderen anschließende Materialisierungunter der Zielsetzung, ein möglichst nied-riges oder sogar minimales Gewicht derKonstruktion zu erzielen. GewichtsarmeKonstruktionen lassen sich aber, vonwenigen Sonderfällen abgesehen, nichtmehr mit den tradierten Entwurfs-

methoden, also quasi „von Hand“ ent-wickeln. Die tradierten Entwurfsmetho-den ermöglichen zwar die Darstellungoder gar die Entwicklung geometrischkomplizierter Gebilde, versagen jedochvöllig bei der Aufgabe, im Gleichgewichtbefindliche, gewichtsminimale räumlicheKraftsysteme zu entwickeln.

Wo immer man sich das Ziel setzte, ge-wichtsminimale Konstruktionen oderauch Konstruktionen, bei denen die tra-gende Struktur nur ganz bestimmtenSpannungszuständen – wie beispielsweiseeiner ausschließlichen Druckbeanspru-chung – ausgesetzt wird, zu entwerfen,verwendete man zumeist individuell ent-wickelte Methoden. Die Seifenhautstudienvon Plateau im Zusammenhang mit derErforschung der Minimalflächen, dieberühmten Hängemodelle des spanischenBaumeisters Antonio Gaudi, die er unteranderem zur Erarbeitung der Geometrieder Kirche Sagrada Familia in Barcelonaverwendete, die Analogieschlüsse vond’Arcy Thompson, in denen er das Trag-verhalten lebender und nicht lebenderObjekte analysierte, die Minimalstruk-turen von Maxwell [1] und Mitchell [2]oder auch die berühmten Hängeversuchedes Schweizer Ingenieurs Heinz Islergehören zur Vielzahl der im Verlauf vielerJahrzehnte unabhängig voneinander ent-wickelten Insellösungen.

Es war das Verdienst von Frei Otto, die aufexperimentellem Arbeiten basierendenMethoden zusammenzutragen, diese umeine Reihe weiterer Methoden zu ergän-zen und erstmals eine Kategorisierung derunterschiedlichen, von Frei Otto als„Formfindungsmethoden" bezeichnetenMethoden vorzulegen [3]. In den seithervergangenen fünf Jahrzehnten wurdendiese Methoden insbesondere an derUniversität Stuttgart detailliert unter-sucht, ergänzt und weiterentwickelt. Dassder Begriff „Formfindung“ etwas unglück-lich gewählt ist, wird zwischenzeitlich all-gemein akzeptiert. Der Term „Finden"beinhaltet letztlich einen Zufallscharakter,der bei diesen nachstehend ausführlicherbeschriebenen und wissenschaftlich alle-samt fundierten Methoden, die man besserals „Formentwicklungsmethoden“bezeichnet hätte, definitiv nicht vorhan-den ist.

Lightweight construction means the search forlimits. The design of the lightest constructionsapproaches the physically and the technically feasi-ble. Lightweight construction often is not only a pre-condition for demanding constructions; it also signi-ficantly reduces materials and energy employed andhas therefore clear ecological consequences. The useof adaptive systems will further push the limits ofthe lightweight construction in the future and, at thesame time, will enable optimizations in the area ofconventional structures or components.

Leichtbau ist die Suche nach den Grenzen. DasEntwerfen der leichtestmöglichen Konstruktionen istdas Herantasten an das physikalisch und das tech-nisch Machbare. Leichtbau ist bei vielen anspruchs-vollen Konstruktionen nicht nur eineGrundvoraussetzung für deren Realisierbarkeit; erbedeutet in der Regel auch eine markante Ersparnisan eingesetzter Masse und Energie und hat somitklare ökologische Auswirkungen. Der Einsatz adap-tiver Systeme wird in den kommenden Jahren dieGrenzen des Leichtbaus noch weiter hinausschiebenund gleichzeitig Optimierungen im Bereich konven-tioneller Strukturen oder Bauteile ermöglichen.

SUM MARY

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Neben den experimentellenMethoden haben die sog.mathematisch-numerischenFormfindungsmethoden inden vergangenen Jahren, ins-besondere auch aufgrund derLeistungs- und Preisentwick-lung in der Computertechnik,enorm an Wichtigkeit gewon-nen. Die grundlegendenArbeiten hierzu entstandenbereits in den sechziger Jahrendes 20. Jahrhunderts, ebenfallsan der Universität Stuttgart.Hier wurden die wenigen bisdato bekannten analytischenMethoden zur Entwicklunggewichtsminimaler oder span-nungsrestringierter Struk-turen aufgearbeitet und, insbe-sondere durch die bahnbre-chenden Arbeiten von Link-witz und Argyris, grundlegenderweitert.

3.1 ExperimentelleFormfindungsmethoden

Unter experimentellen Formfindungs-methoden versteht man die Gruppe derje-nigen Methoden, bei denen die tragendeStruktur einer Konstruktion durch Zu-hilfenahme geeigneter physikalischer Mo-delle bei gleichzeitiger Beachtung vonMaßstabs- und/oder Modelleffekten ent-wickelt wird.

Üblicherweise werden die experimentellenMethoden in folgende Gruppen eingeteilt:– Hängemodelle – mechanisch vorgespannte Strukturen– pneumatisch gebildete Formen– Fließformen

Während die Hängemodelle, die mechanischaufgespannten und die pneumatisch auf-gespannten Strukturen einer Einteilungnach der Art der Lastaufbringung folgen,stellt die Gruppe der Fließformen einedazu nicht kompatible Kategorie dar.Fließformen, die mit Werkstoffen realisiertwerden, die während der Formfindungausgeprägt viskoelastisches bzw. viskopla-stisches Verhalten zeigen, sind entspre-chend mit den vorgenannten dreiMethoden kombinierbar.

Interessanterweise sind alle Ergebnisse dervorstehend genannten experimentellenFormfindungsmethoden zugbeanspruchteKonstruktionen. Der Grund hierfür liegtdarin, dass sich eine stabile Gleichge-wichtsform bei einer zugbeanspruchtenStruktur im Experiment sehr einfach, beieiner druckbeanspruchten Struktur auf-grund der stets vorhandenen (In-) Stabi-litätsproblematik nur in sehr wenigenFällen erarbeiten lässt: Die Modelle wür-den zumeist während der Formentwick-lungsphase infolge von (In-) Stabilitäts-problemen versagen. Die Formfindungdruckbeanspruchter Konstruktionenerfolgt deshalb üblicherweise über die sogenannte „Umkehrform“. Der dabei zuGrunde gelegte Ansatz lautet: Eine untereiner bestimmten Belastung ausschließlichzugbeanspruchte Konstruktion steht beiUmkehr der Lastrichtung oder der Um-kehr der Wirkungsrichtung des Gravi-tationsvektors unter einer ausschließ-lichen Druckbeanspruchung. Zur Form-findung einer Schale, die bei Eigenge-wichtsbelastung unter Druckbeanspru-chung steht, genüge es also beispielsweise,die Form einer „auf dem Kopf“ stehenden,ausschließlich zugbeanspruchten Kon-struktion zu ermitteln.

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Experimentelle Formfindung amBeispiel einer Seifenhautlamelle.Seifenhautlamellen besitzen eineverschwindende mittlereKrümmung, sie sindMinimalflächen. Seifenhäuteweisen isotensoidischeSpannungsfelder auf.

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Die vorstehend beschriebene Methode der„Umkehrform“ liegt zunächst nahe.Dementsprechend war sie über Jahrzehntehin Bestandteil der akademischen Lehr-meinung. Bedauerlicherweise wurde beiihrer Formulierung jedoch ein grundle-gender, erst 1987 in [6] entdeckter und spä-ter als „erweitertes Kompensations-problem“ beschriebener Effekt übersehen(siehe Kap. 3.5). Die Entdeckung des erwei-terten Kompensationsproblems bedeuteteletztlich die Falsifikation der Methode derUmkehrform in ihrer bisherigen, als allge-meingültig postulierten Formulierung.Für einige Ausnahmefälle konnte gezeigtwerden, dass die Anwendung des Prinzips,wenn auch eher zufälligerweise, zur prog-nostizierten Lösung führt. Für die Kom-plementärmenge der mit der Methodeentwickelten Konstruktionen ist jedochfestzustellen, dass die diesen zugesproche-nen Spannungsfelder nicht mit der Wirk-lichkeit übereinstimmen.

3.2 Mathematisch-numerischeFormfindungsmethoden

Die computergestützten mathematisch-numerischen Formfindungsmethoden las-sen sich in folgende Kategorien einteilen:– Indirekte Methoden

(Deformationsmethoden)– Direkte Methoden

Die indirekten oder Deformationsmethodenstellen faktisch eine numerische Simu-lation der experimentellen Methoden dar.Bei ihnen wird eine vorgegebene Aus-gangsform durch Aufbringen einer Be-lastung so lange verformt, bis die sich ein-stellende Geometrie auch die übrigenEntwurfsanforderungen erfüllt. Durch dieArt der Belastung und durch die Ma-terialeigenschaften, die der zu verformen-den Struktur gegeben sind, lassen sichHängemodelle, Fließformen, mechanischaufgespannte Strukturen oder pneuma-tisch vorgespannte Formen berechnen.

Die am häufigsten verwendete Deforma-tionsmethode beruht auf der Methode derFiniten Elemente in der geometrischnichtlinearen Formulierung. Verfahrenauf der Basis der Vektoranalysis sowie aufSonderformen beschränkte Algorithmenwerden ebenfalls verwendet.

Ähnlich wie bei den experimentellenMethoden lässt sich bei den indirektenMethoden ein nicht vollständig befriedi-gendes Endergebnis einer Berechnung nurdurch Änderung der Vorgabedaten undanschließende Neuberechnung, also aufindirektem Weg, verbessern. Dabei ist esschwierig, teilweise auch unmöglich,bestimmte Spannungszustände in derStruktur zu erzeugen. Ein Beispiel hierfürist die Aufgabe, eine unter Eigengewichtisostatisch druckbeanspruchte Betonschaledurch Verformen einer ursprünglich ebe-nen Haut zu berechnen. Zwar lässt sichdurch Zuschalten eines Steuerungs-algorithmus die Ergebnisqualität verbes-sern, die indirekten Methoden sind aller-dings vom Ansatz her zur Lösung derarti-ger Probleme weniger geeignet und des-halb den direkten Methoden weit unterle-gen.

Mit den direkten Methoden wird versucht,eine Form, die – bei gegebenen geometri-schen Randbedingungen – unter demformbestimmenden Lastfall einen ganzbestimmten, vorgegebenen Spannungs-zustand besitzt, zu entwickeln. DieAusgangsform im üblichen Sinn ist unbe-kannt oder ohne Belang, da sie lediglichals durch Überlegungen zur numerischenStabilität bedingter „Startwert“ für dieBerechnung vorgegeben werden muss unddaher manchmal physikalisch nicht zuläs-sig zu sein braucht (z. B. Verstoß gegen dieGleichgewichtsbedingungen).

Die bekanntesten der direkten Methodensind:– die Kraftdichtemethode, die von

Linkwitz, Preuss und Schek entwickeltwurde;

– die numerische Lösung des dieMembranschale beschreibendenDifferentialgleichungssystems;

– indirekte Methoden in Kombinationmit einer Optimierungsstrategie.

Mit den direkten Methoden lassen sich„spannungsoptimale“ Strukturen entwer-fen, also beispielsweise Seifenhäute alsMembranen gleicher Spannung (Isoten-soide), Türme mit konstanter Spannungim Schaft oder auch Fachwerkstrukturen,bei denen die einzelnen Elemente be-stimmte Spannungsvorgaben erfüllen.

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Prinzipiell gilt für die direkten Methoden,dass die Existenz einer Lösung nicht a pri-ori vorhersagbar ist. Abhängig vom vorge-gebenen, also vom „gewünschten“Spannungszustand stellt sich vielmehrerst im Verlauf einer Berechnung heraus,ob das Problem keine, eine oder mehrereLösungen besitzt. Im letzteren Fall lässtsich durch Hinzufügen der Forderungnach Gewichtsminimalität die 'leichteste'Lösung ermitteln. Interessanterweise gibtes häufig auch Mehrfachlösungen, wie bei-spielsweise zwei Seifenhautflächen inner-halb des gleichen Drahtrahmens, die alledas gleiche Minimalgewicht besitzen.

Prinzipiell lassen sich alle experimentellenModelle in mathematisch-numerischenModellen abbilden. Letztere haben aller-dings neben dem Vorteil einer hohenGenauigkeit in der Aussage zu Kraft undGeometrie den Nachteil einer geringerenAnschaulichkeit; aus diesem Grund stelltman die experimentellen Methoden gernan den Anfang der Entwurfsarbeit undgeht erst in der zweiten Phase des Ent-wurfs zu den mathematisch-numerischenMethoden über.

Bei vorgegebener Wahl eines Tragsystemsoder -prinzips lassen sich mit den bekann-ten experimentellen Formfindungs-methoden gewichtsarme Tragwerke ent-wickeln. Zum Entwurf gewichtsminimalerTragwerke erweisen sich die meisten expe-rimentellen Methoden als untauglich.(Die Seifenhautmodelle stellen hier eineAusnahme dar). Die mit einer zusätzli-chen Minimalbedingung versehenenmathematisch-numerischen Methodenerfahren hierdurch eine besondereBedeutung, denn nur in wenigen Fällen,wie z. B. bei den Maxwellstrukturen, las-sen sich gewichtsminimale Tragwerkeohne sie entwickeln.

3.3 Der 'FormbestimmendeLastfall'

Die klassischen Formfindungsmethodenbasieren alle auf der Vorgabe einer als„Formbestimmender Lastfall“ [6,7] be-zeichneten Laststellung. Die während derFormfindung „gefundene“ Form besitztdie gewünschten Eigenschaften in genaudiesem Lastfall. Der „richtigen“ Wahl desformbestimmenden Lastfalls fällt damitgrundlegende Bedeutung zu. Im Bereich

der relativ massiven Konstruktionen, wiez. B. den Betonschalen, wurde häufig undvöllig zurecht der Lastfall Eigengewicht alsdominanter und damit formbestimmen-der Lastfall angesetzt. Im extremen Leicht-bau jedoch entfällt häufig die Dominanzeines einzelnen Lastfalls. Ein Automobil-kotflügel wiegt nur Bruchteile der auf ihnwirkenden Windlast, die textile Überda-chung eines Stadions nur Bruchteile dervon ihr abgetragenen Belastungen ausWind und Schnee. Während die bisherpublizierten Arbeiten für die Formfindunggewichtsarmer und gewichtsminimalerKonstruktionen stets die Existenz einesdominanten und deshalb als „formbestim-mend“ verwendbaren Lastfalles voraus-setzten, ist die eindeutige Existenz einessolchen Lastfalles bei den extrem leichtenKonstruktionen üblicherweise gar nichtgegeben. Das Problem nichteindeutigerbzw. multipler formbestimmender Last-fälle führt in einen bisher wissenschaftlichnoch nicht ausreichend untersuchtenProblemkreis, aus dem aus heutiger Sichtnur zwei Wege führen: Der erste benutztdie bekannte Vielparameteroptimierung,bei der unter Zugrundelegung aller mögli-cherweise auftretenden Lastfallkombina-tionen auch geringer Eintretenswahr-scheinlichkeit eine Lösung des Form-findungsproblems ermittelt wird. Derzweite Weg wurde in Stuttgart entwickelt[10,11] und weist in eine völlig andereRichtung: Der Existenz multipler formbe-stimmender Lastfälle wird mit der „Form-findung“ (wobei der Begriff spätestens hierseine Sinnhaftigkeit endgültig verliert)einer adaptiven, d.h. in ihren Eigenschaf-ten kontinuierlich manipulierbarenStrukturen begegnet. Wie in Kapitel 4gezeigt werden wird, bedeutet dieserAnsatz nicht nur eine wesentlich elegante-re Lösung des Problems – er führt viel-mehr in eine vollkommen neueDimension von Leichtigkeit.

3.4 Über die Mannigfaltigkeit vonSpannungszuständen

In einer innerlich und/oder äußerlich sta-tisch unbestimmten Struktur kann unterein- und demselben Lastfall eine Mannig-faltigkeit innerer Kraft- bzw. Spannungs-felder existieren. Welches dieser möglichenSpannungsfelder sich in einer Struktureinstellt, ist abhängig von der Verteilung

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der Steifigkeiten innerhalb der Strukturbzw. an deren Auflagern. Überträgt mandiese Aussage auf das Formfindungs-problem, so gewinnt sie in zweierleiHinsicht Bedeutung: Zunächst einmalerkennt man, dass man an einer auf expe-rimentellem Wege gefundenen Form deninneren Beanspruchungszustand in denmeisten Fällen nicht ablesen, d.h. keinentieferen Aufschluss über deren innerenBeanspruchungszustand gewinnen kann.Bereits am denkbar einfachsten Fall einerin einen räumlich verwundenen Rahmeneingespannten Seifenhautlamelle, alsoeines Isotensoids, erkennt man, dass dieGeometrie der Seifenhautlamelle unab-hängig von der Oberflächenspannung derSeifenhautlösung selbst ist, oder, in ande-ren Worten, dass sich das Ergebnis desFormfindungsprozesses, also die Geo-metrie der Seifenhaut, bei Multiplikationdes inneren Spannungszustandes derLamelle mit einem Skalar nicht ändert.Die Multiplikation des Spannungsfeldesmit einem Skalar führt auch bei allenanderen mechanisch vorgespanntenKonstruktionen, die – durch den Form-findungsprozess bedingt – üblicherweisevergleichsweise inhomogene, in keinemFall jedoch isotensoidische Spannungs-felder aufweisen, zu keiner neuen Geo-metrie. Darüber hinaus lässt sich aufzei-gen [6], dass in einer Membrane oder einerSchale allein durch Manipulation derAuflagersteifigkeiten und/oder derStruktursteifigkeiten eine Vielzahl unter-schiedlicher Spannungsfelder in derStruktur eingestellt werden können, ohnedass dies eine andere Geometrie bedingt.Die Verunsicherung, die man durch dieErkenntnis der möglichen Mannig-faltigkeit der Spannungsfelder in einer„gefundenen“ Struktur erfährt, bedeutetRisiko und Chance zugleich, woraus sichauch die zweite Bedeutung der eingangsgewonnenen Erkenntnis ableitet: Bei derRealisierung, d.h. bei der bautechnischenUmsetzung einer in einem Formfindungs-prozess entwickelten Struktur kommt esin entscheidender Weise darauf an, dasssich der in der Struktur erwartete, in derFormfindung entwickelte Spannungs-zustand auch tatsächlich einstellt. Dassletzteres eine nichttriviale Forderung ist,liegt auf der Hand: Nur innerhalb be-stimmter Genauigkeiten erfassbare Auf-lagersteifigkeiten, zeitabhängige Phäno-mene wie Kriechen und Schwinden der

Werkstoffe und, nicht zuletzt und vonbesonderem Einfluss, der Baufortschrittselbst, beeinflussen, neben vielen anderenEinflussgrößen, den sich tatsächlich ineiner Struktur einstellenden Bean-spruchungszustand.

3.5 Das (klassische)Kompensationsproblem

Beim Bauen zugbeanspruchter Konstruk-tionen ist es seit langem bekannt, dass diein der Formfindung ermittelte Geometrie(„Sollgeometrie“), die mit dem in derFormfindung entstandenen bzw. zugrundegelegten Spannungszustand behaftet ist,zunächst in eine spannungsfreie Form(„Nullgeometrie“) überführt werdenmuss, um hergestellt bzw. gebaut werdenzu können. Die mit dem Entspannungs-vorgang einhergehende Geometrieände-rung wird als Kompensation bezeichnet.Bei den zugbeanspruchten Konstruk-tionen (Seilnetze, Membranen) weist dieNullgeometrie typischerweise einen klei-neren Flächeninhalt als die Sollgeometrieauf: Beim Übergang vom unbelasteten inden belasteten, spannungsbehaftetenZugspannungszustand wird das Materialüblicherweise gedehnt, indem die Kon-struktion zu ihren Auflagern gezogen bzw.gegen diese verspannt wird.

Das bei Seilnetzen und Membranen bisherzur Anwendung gekommene Kompens-ationsverfahren besteht darin, die span-nungsbehaftete Sollgeometrie mit geeig-neten Verfahren und unter Zugrunde-legung der (und hier liegt eine derSchwierigkeiten!) zutreffenden Werkstoff-gesetze zu entspannen und sie dabei ineine - üblicherweise mit Falten behaftete -Nullgeometrie zu überführen. Manbezeichnet diese Vorgehensweise auch als„klassisches“ Kompensationsproblem.

3.6 Das erweiterteKompensationsproblem

Die Arbeiten an unserem Institut zeigtenbereits zu Anfang der 1990er Jahre, dass dielange vertretene Annahme, jede eigen-spannungsbehaftete (Formfindung!) Formkönne durch eine Veränderung ihrer Geo-metrie in eine spannungsfreie Form über-führt werden, falsch ist. Seilnetze undMembranen bilden eher zufälligerweiseund wegen ihrer ganz besonderen Werk-

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stoffeigenschaften eine Ausnahme vondieser Einschränkung. Sie sind stets kom-pensierbar. Bei Konstruktionen aus ande-ren Baustoffen, beispielsweise bei Schalen-tragwerken aus Beton, tritt jedoch dasProblem der Nichtexistenz einer durchKompensation der Sollgeometrie abzulei-tenden „spannungsfreien Nullgeometrie“sehr häufig auf. Bei der planerischen undbautechnischen Umsetzung der in einemFormfindungsprozess entstandenen Formgeht es in solchen Fällen darum, einespannungsfreie Nullgeometrie so zu fin-den, dass beim Übergang dieser Nullgeo-metrie in die spannungsbehaftete Endformeinerseits eine weitestgehende Annähe-rung an die in der Formfindung ent-wickelte Sollgeometrie stattfindet und sichandererseits eine möglichst geringeAbweichung von dem in der Formfindungfixierten Sollspannungszustand ergibt.Dieses alles andere als triviale Problemwird als „erweitertes“ Kompensations-problem bezeichnet.

4. Adaptive Systeme

Die tragenden Konstruktionen in der nichtlebenden Natur und der Technik besitzenüblicherweise Bauteile mit invariantenphysikalischen Eigenschaften, beispielswei-se eine konstante Bruchfestigkeit oder -und dies ist für die nachfolgenden Überle-gungen von Bedeutung - eine zeitunab-hängige, also invariante Steifigkeit. BeimEntwurf einer Struktur mit invarianterSteifigkeitsbelegung sind die innerenBeanspruchungen der Konstruktion unterdem formbestimmenden Lastfall entwerf-bar, d.h. wählbar. Mit der Festlegung desstatischen Systems und dessen Steifig-keitsbelegung liegen gleichzeitig alle inden einzelnen Bauteilen unter der Ein-wirkung äußerer Lasten auftretendenBeanspruchungen fest, wobei die Dimen-sionierung der einzelnen Bauteile gegendie ungünstigsten Beanspruchungszu-stände, typischerweise Spannungsmaxima,erfolgt.

In der soeben beschriebenen, für den Trag-werksentwurf üblichen Vorgehensweisewird die Struktur also für innere Bean-spruchungszustände als Ergebnis einesStrukturentwurfes ausgelegt, bei dessenEntstehen eine Ineffektivität der Strukturinsgesamt oder einzelner Bauteile unter

bestimmten Laststellungen üblicherweisenicht vorhersehbar waren oder die prinzi-piell unvermeidbar sind. Andererseits wärees nahe liegend, tragende Konstruktionenso zu konzipieren, dass sie die in ihnenentstehenden Beanspruchungszuständeunter verschiedenen Einwirkungen aufder Basis selbststeuernder Prozesse mani-pulieren. Spitzenbeanspruchungen einzel-ner Bauteile oder Bauteilbereiche könntendann zugunsten einer zeitgleichen Homo-genisierung der Beanspruchungsvertei-lung insgesamt vermieden werden.Natürlich können auf diese Weise in teil-weise erheblichem Umfang das Eigen-gewicht einer Konstruktion vermindert,Verformungen reduziert und Schwin-gungen unter dynamischer Bean-spruchung gedämpft werden [9,10,11].

Systeme, die sich mit Hilfe selbstgesteuerteroder selbstorganisierter Vorgänge aktivverändern, bezeichnet man als adaptiveSysteme. Adaptive Systeme bestehen auseiner mit ihrer Umgebung in Wechsel-wirkung stehenden Struktur. Anpassungs-vorgänge der Struktur erfolgen durch sog.Aktuatoren, die durch einen übergeordne-ten Steuerungs-Regelungsprozess aktiviertwerden. Der Steuerungs-Regelungsprozessselbst wiederum bezieht seine Eingangs-signale von Sensoren, also Elementen, diephysikalische Zustände oder deren Verän-derung erkennen können. Idealerweisekönnen Aktuatoren und Sensoren ineinem multifunktionalen Ele-ment/Material vereint werden.

In Abhängigkeit von der Adaptionsge-schwindigkeit unterscheiden wir drei ver-schiedene Adaptionsklassen [10]:

Kurzzeitadaption: Eine Anpassung derStruktur erfolgt durch sofortige Reaktionauf externe Einflüsse. Die Farbänderungeines Chamäleons als Anpassung auf farb-lich veränderte Umgebungsbedingungengehört hierzu.

Langzeitadaption: Hierzu gehören Wachs-tumsprozesse, die über den gesamten oderteilweisen Lebenszeitraum (von Minutenzu Jahrzehnten) eines natürlichen Systemsauftreten. Durch derartige Prozesse wer-den die Systemeigenschaften verbessert,z. B. werden in Bäumen Spannungs-

spitzen durch lokales Wachstum der hochbeanspruchten Bereiche abgebaut.

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Evolutionäre Adaption: In evolutionärenProzessen werden die Eigenschaften natür-licher Systeme im Verlauf mehrerer Ge-nerationen optimiert, zumeist unter demGesichtspunkt einer Erhöhung der Über-lebenschancen und/bzw. einer Steigerungder Reproduktionsrate. Veränderungender Systeme erfolgen durch Mutations-und Selektionsprozesse. Diese Vorgängekönnen auf mathematisch-numerischerBasis simuliert werden, beispielsweise umso die gewichtsoptimale Geometrie einesFachwerkkragträgers zu bestimmen.

Aus der Vielzahl denkbarer Anwendungs-bereiche adaptiver Systeme in der Archi-tektur werden an unserem Institut seitmehr als zehn Jahren zwei uns sehr inter-essant erscheinende Bereiche näher unter-sucht: Adaptive Gebäudehüllen und adap-tive Tragwerke.

4.1 Adaptive Gebäudehüllen

Die derzeit in Bauwesen eingesetzten Dach-und Fassadensysteme, die wir hier verall-gemeinernd als Gebäudehüllen bezeich-nen wollen, besitzen im Regelfall konstan-te physikalische Eigenschaften. Sie könnendamit prinzipiell nur sehr bedingt aufVeränderungen im Außenbereich, also bei-

spielsweise jahreszeitliche, witterungs-oder umgebungsbedingte Veränderungenreagieren. Dasselbe gilt für Veränderungenim Gebäudeinneren. Letztere können ausNutzungsänderungen, Veränderungen derKomfortansprüche, einem verändertenEmissionsniveau etc. bestehen.

Die Forschung im Bereich der adaptivenGebäudehüllen befasst sich damit, wieGebäudehüllen auf Veränderungen desInnen und des Außen reagieren können,wie man Wärme-/Kältespeicherqualitätenin die Gebäudehüllen einbauen kann undvieles mehr. Der Schwerpunkt der anunserem Institut hierzu gemachten For-schungen liegt hierbei auf der generellenSystementwicklung, der Entwicklungschaltbarer Gläser [12] und der Ent-wicklung reagibler und energiespeichern-den textiler Gebäudehüllen [13].

4.2 Adaptive Tragwerke

Adaptive Tragwerke sind Konstruktionen,welche die in ihnen aufgrund äußerer wieinnerer Einwirkungen entstehendenKräfte (und damit auch zeitabhängige wiezeitunabhängige Verformungen) im Sinneder Adaptivität manipulieren können.Dabei ist zunächst zu unterscheiden zwi-

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Der „Stuttgarter Träger“ stellteine Brücke dar, deren Trägerein Bauhöhe/Spannweiten-verhältnis von 1/600 aufweist.Dank der Adaptivität derKonstruktion weist die Brückeunter der sich bewegenden Last(Hier: Lokomotive) keineVerformung auf.

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schen einer Manipulation der Einwirkungselbst sowie einer Manipulation der Reak-tion der Konstruktion. Beide Manipula-tionen können gleichzeitig auftreten. AmBeispiel einer Brücke erläutert bedeutetdies z.B., dass die adaptive Konstruktioneinerseits die auf sie wirkende Windwir-kung durch gezielte Beeinflussung derUmströmung verändert (Beeinflussungder Einwirkung) und dass sie, ggf. gleich-zeitig, durch interne Steifigkeitsverän-derungen eine Homogenisierung desBeanspruchungszustandes in der Strukturherbeiführt.

Durch die Manipulation der in der Strukturwirkenden Kraftzustände mit der Ziel-setzung einer Homogenisierung der in ihrwirkenden Beanspruchungsverteilunglässt sich das Eigengewicht tragenderStrukturen in bemerkenswerter Größen-ordnung reduzieren. Bei einigen der amInstitut untersuchten Systeme konntenmehr als fünfzig Prozent des ursprüngli-chen Eigengewichts einer bereits unterLeichtbaugesichtspunkten entworfenenKonstruktion eingespart werden. DurchEinführen der Adaptivität lassen sich dieGrenzen des Leichten somit in bishernicht gekannte Bereiche hinausschieben.Material wird eingespart und, bei Auf-treten der Beanspruchung, in seiner Wir-kung durch Energie ersetzt: ExtremerLeichtbau ist Bauen mit Energie.

Selbstverständlich werden beieiner Manipulation der in derStruktur wirkenden Kraftzu-stände mit der Zielsetzungeiner Homogenisierung der inder Struktur wirkendenBeanspruchungsverteilungauch die „natürlicherweise“auftretenden Struktur-verformungen verändert.Führt man eine Adaption einertragenden Struktur mit dem(Optimierungs-) Ziel einerMinimierung des Eigen-gewichts der Struktur durch,so treten diese Verformungen alsNebeneffekt auf. Die genannten Ver-formungen lassen sich aber natürlich auchbegrenzen, indem man sie als Neben-bedingungen der Optimierungsaufgabeeinführt. Im Grenzfall kann so eineVerformungsnebenbedingung auch das

Verschwinden einer Verformung an gewis-sen Punkten einer Konstruktion fordern.So lässt sich beispielsweise erzielen, was inder Natur unmöglich ist: Keine Verfor-mung. Der an unserem Institut entwickel-te sog. „Stuttgarter Träger“ gilt heute alsdas Standardbeispiel für die Demonstra-tion der Möglichkeiten einer Beein-flussung einer Konstruktion, die multi-plen bzw. instationären Lastfällen ausge-setzt ist [10].

Adaptive Strukturen werden in wenigenJahren ein fester Bestandteil des täglichenLebens sein. Aktive Prothesen und Im-plantate mit sensorischen Funktionen undAktuatoren sind in der Entwicklung; dieRaumfahrt arbeitet an adaptiven Fach-werkstrukturen, bei denen aktive (z. B.piezokeramische) Elemente verwendetwerden, um eine genaue Positionierungoder Schwingungsisolierung von Sa-tellitenreflektoren zu erreichen. DieArbeiten des Instituts werden zu adaptivenTragwerken im Bauwesen führen, die zumeinen die Grenzen des Leichtbaus weiterhinausschieben und zum anderen auchOptimierungen im Bereich konventionel-ler Strukturen oder Bauteile ermöglichen,seien es nun Augstäbe im Metallbau,dünne Glasscheiben oder Bauteile ausBeton. •

Werner Sobek

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Adaptivität im Kleinen: Wenige Aktuatorengenügen, um die Spannungskonzentrationenam Rand einer Bohrung, die in eine biaxialbeanspruchte dünne Scheibe eingebracht wur-den, deutlich zu dämpfen.

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Literatur

1 Maxwell, C.: Scientific Papers II.Cambridge: Cambridge University Press(1869) 175.

2 Michell, A.G.M.: The limits of economyof material in frame structures.Philosoph. Mag. 8 (1904) 589-597.

3 Otto, F.: Zugbeanspruchte Konstruk-tionen. Bd. 1+2. Berlin: Ullstein 1962.

4 Hertel, H.: Leichtbau. Berlin, Göttingen,Heidelberg: Springer 1960.

5 Wiedenmann, J.: Leichtbau.Bd. 1+2.Berlin, Heidelberg, New York, Tokio:Springer (1989).

6 Sobek, W.: Auf pneumatisch gestütztenSchalungen hergestellte Betonschalen.Dissertation Universität Stuttgart.Stuttgart (1987).

7 Sobek, W.: Zum Entwerfen im Leichtbau.Bauingenieur 70 (1995) S.323-329.

8 Klein, B.: Leichtbaukonstruktionen.Braunschweig/Wiesbaden: FriedrichVieweg & Sohn (1997).

9 Janocha, H. Ed.: Adaptronics and SmartStructures, Berlin: Springer (1999).

10 Sobek, W.; Haase, W.; Teuffel, P:“Adaptive Systeme”, Stahlbau 69(7) (2000),544-555.

11 Sobek, W.; Teuffel, P. (2001): “AdaptiveStructures in Architecture andStructural Engineering“, Smart Structuresand Materials – Smart Systems for Bridges,Structures, and Highways (SPIE Vol. 4330):Proceedings of the SPIE 8th Annual InternationalSymposium on Smart Structures and Materials, 4-8 March 2001, Newport Beach, CA, USA. Ed.Liu, S. C., Bellingham: SPIE.

12 Haase, W.: Adaptive Strahlungstrans-mission von Verglasungen mit Flüssig-kristallen. Dissertation Universität Stutt-gart. Stuttgart (2004).

13 Holzbach, M.: Adaptive und konditionie-rende textile Gebäudehüllen auf Basishochintegrativer Bauteile. DissertationUniversität Stuttgart (in Vorbereitung).

DER AUTOR

Prof. Dr.-Ing. Werner Sobek

studierte Bauingenieurwesen und Architektur an der Universität Stuttgart, unter anderem beiProf. Frei Otto. In dieser Zeit begann seine Beschäftigung mit dem Leichtbau, insbesonderemit textilen Konstruktionen. Nach dem Diplom bei Prof. Dr.-Ing. Jörg Schlaich arbeitete erin den USA und im Ingenieurbüro Schlaich, Bergermann und Partner in Stuttgart. Seit 1995ist er Direktor des Instituts für Leichte Flächentragwerke und Nachfolger auf dem Lehrstuhlvon Frei Otto. Im Jahr 2000 trat er auch die Nachfolge von Prof. Dr. Schlaich an und fusio-nierte die beiden Lehrstühle zum Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren. 1992gründete er ein eigenes Ingenieurbüro, inzwischen mit Ablegern in New York und Frankfurta.M., aus dem zahlreiche preisgekrönte Werke hervorgegangen sind. Einen Einblick vermit-telte 2004 die Ausstellung “show me the future – engineering and design by werner sobek”in der Pinakothek der Moderne in München. Werner Sobek ist Vorsitzender des Hoch-schulrats der HafenCity-Universität in Hamburg und lehrt 2007 als Gastprofessor an derHarvard University in Cambridge/Massachusetts.

KontaktUniversität Stuttgart, Institut für Leichtbau Entwerfen und KonstruierenPfaffenwaldring 7 und 14, 70569 StuttgartTel +49.711.685 6 62 26 / -6 35 99Fax +49.711.685 6 69 68 / -6 37 89E-Mail: [email protected]://www.uni-stuttgart.de/ilek/

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