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Theoretische Physik f¨ ur das Lehramt L2 Teil II Statistische Physik und Thermodynamik Helmut Neufeld Fakult¨ at f¨ ur Physik Universit¨ at Wien Wintersemester 2008/09

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Theoretische Physik fur das Lehramt L2Teil II

Statistische Physik und Thermodynamik

Helmut NeufeldFakultat fur Physik

Universitat Wien

Wintersemester 2008/09

ii

Inhaltsverzeichnis

1 Statistische Physik 1

1.1 Aufgabenstellung der statistischen Physik . . . . . . . . . . . . . 1

1.2 Entropie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

2 Gleichgewichtszustande 5

2.1 Allgemeine Charakterisierung von Gleichgewichtszustanden . . . . 5

2.2 Mikrokanonisches Ensemble . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

2.3 Kanonisches Ensemble . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

2.4 System in Kontakt mit einem Warmebad . . . . . . . . . . . . . . 10

2.5 Temperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

2.6 Paramagnetismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

2.7 Großkanonisches Ensemble . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

3 Thermodynamik 17

3.1 Hauptsatze der Thermodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

3.2 Einfache Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

4 Identische Teilchen 23

4.1 Mehrteilchensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

4.2 Quantenstatistik nicht wechselwirkender Teilchen . . . . . . . . . 26

4.3 Maxwell-Boltzmann-Statistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

4.4 Ideales Gas im klassischen Limes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

iii

iv INHALTSVERZEICHNIS

5 Photonen 33

5.1 Energie des elektromagnetischen Feldes . . . . . . . . . . . . . . . 33

5.2 Freies elektromagnetisches Feld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

5.3 Feldquantisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

5.4 Teilcheninterpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

6 Plancksches Strahlungsgesetz 43

6.1 Hohlraumstrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

6.2 Strahlungsdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

6.3 Schwarzer Strahler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

6.4 Oberflachentemperatur von Planeten . . . . . . . . . . . . . . . . 50

A Unitare Vektorraume 53

A.1 Komplexes Skalarprodukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

A.2 Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

A.3 Lineare Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

A.4 Adjungierte Abbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

A.5 Orthonormalbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

A.6 Projektionsoperatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

A.7 Hermitesche Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

A.8 Unitare Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

A.9 Normale Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66

A.10 Spektralsatz fur normale Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . 67

A.11 Gleichzeitige Diagonalisierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

A.12 Funktionen normaler Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

B Einfache Quantensysteme 77

B.1 Grundpostulate der Quantentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

B.2 Spin 1/2 System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

B.3 Zeitentwicklung in der Quantenmechanik . . . . . . . . . . . . . . 87

INHALTSVERZEICHNIS v

C Literatur 89

C.1 Statistische Physik und Thermodynamik . . . . . . . . . . . . . . 89

C.2 Mathematische Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

vi INHALTSVERZEICHNIS

Kapitel 1

Statistische Physik

1.1 Aufgabenstellung der statistischen Physik

Es ware ein aussichtsloses Unterfangen, den Zustand eines makroskopischen Sy-stems, das aus einer sehr großen Anzahl von Teilchen besteht, durch einen rei-nen Zustand beschreiben zu wollen. In diesem Fall haben wir es mit gemisch-ten Zustanden zu tun, die bekanntlich durch Dichteoperatoren dargestellt werdenkonnen. Jene Dichteoperatoren, die thermodynamischen Gleichgewichtszustandenentsprechen, konnen sehr leicht durch Wahrscheinlichkeitsargumente gefundenwerden.

Hat man es mit Systemen zu tun, die aus einer sehr großen Anzahl N von Teilchen(typische Großenordnung: Loschmidtsche Zahl L ∼ 6 × 1023 mol−1) bestehen, soist es unmoglich jene vollstandige Information zu besitzen, die zur Festlegung ei-nes reinen Zustandes derartiger Systeme notig ware. Klassisch gesprochen, mussteman dafur zu einem bestimmten Zeitpunkt die Positionen und Geschwindigkeitenaller N Teilchen genau kennen (das entsprache der Kenntnis von 6N reellen Zah-len). Bei der quantenmechanischen Beschreibung eines Systems von N spinlosenTeilchen musste man (wenn man in der Ortsdarstellung arbeitet) eine Wellen-funktion der Form ψ(�x1, . . . �xN ) angeben, was ebenfalls vollig aussichtslos ware.

Tatsachlich steht uns bei der Beschreibung des Zustands eines makroskopischenSystem nur eine sehr viel geringere Information zur Verfugung, die weit von jenermaximalen Information entfernt ist, die zur Festlegung eines reinen Zustandesnotig ware. Betrachten wir etwa ein Gas, das sich in einem geschlossenen Behalterbefindet, so kennen wir vielleicht die Art des Gases (z.B. Helium), das von ihmeingenommene Volumen V , seine Gesamtmasse M , den Druck p, den es auf dieWande ausubt. Weiters konnte uns bekannt sein, dass der Gasbehalter schon solange in einem Raum mit konstanter Zimmertemperatur steht, sodass sich auch

1

2 KAPITEL 1. STATISTISCHE PHYSIK

die Temperatur T des Gases jener der Umgebung angeglichen hat. Durch welchenDichteoperator ρ wird der so festgelegte Zustand des Gases beschrieben?

Wir werden uns in dieser Vorlesung fast ausschließlich mit sogenannten Gleich-gewichtszustanden beschaftigen. Die entsrechenden Dichteoperatoren lassen sichin diesem Fall namlich sehr leicht durch Wahrscheinlichkeitsargumente finden.

1.2 Entropie

Die Entropie spielt in der statistischen Physik eine zentrale Rolle. Sie ist ein Maßfur die

”Gemischtheit“ eines Zustandes.

Ein bestimmter Zustand werde durch den Dichteoperator

ρ =∑n

pn |n〉〈n| , pn ≥ 0, Trρ =n∑n

pn = 1,

beschrieben. Man kann sich diesen Zustand durch eine sehr große Anzahl N vonKopien des Systems vorstellen, wobei sich N1 = p1N von ihnen im reinen Zustand|1〉 befinden, N2 = p2N im Zustand |2〉, usw., wobei∑

n

Nn = N .

In diesem Fall gibt es

Γ =N !

N1!N2! . . .

verschiedene Moglichkeiten, dass sich von den insgesamt N Kopien des SystemsN1 = p1N im reinen Zustand |1〉 befinden, N2 = p2N im Zustand |2〉, und sofort. Da Γ (in den uns interessierenden Fallen) i.A. eine sehr große Zahl sein wird,ist es vorteilhaft, die etwas handlichere Große

ln Γ = lnN ! −∑n

lnNn!

zu verwenden. Aus dem selben Grund kann man die Stirlingsche Formel

lnN ! � N lnN −N + . . .

anwenden, die fur N � 1 mit sehr guter Genauigkeit erfullt ist. Man erhalt daher

ln Γ � N lnN −N −∑n

(Nn lnNn −Nn)

= N lnN −∑n

Nn lnNn.

1.2. ENTROPIE 3

Setzt man in diesen Ausdruck Nn = pnN ein, so erhalt man

ln Γ � N lnN −∑n

N pn(lnN + ln pn)

= −N∑n

pn ln pn = −N Tr(ρ ln ρ)

bzw.ln Γ

N � −Tr(ρ ln ρ).

Die rechte Seite der letzten Formel ist unabhangig von N und wird (abgesehen voneinem historisch bedingten Faktor k) als Entropie des durch den Dichteoperatorρ beschriebenen Zustands bezeichnet:

S = −kTr(ρ ln ρ)

Der Proportionalitatsfaktor

k � 1.38 × 10−23 JK−1

wird als Boltzmann1-Konstante bezeichnet.

Bemerkung: ln Γ � NS/k ⇔ Γ � exp(NS/k).

Beispiele: Wir betrachten einen N -dimensionalen Zustandsraum H.

1. Fur einen reinen Zustand ρ = |ψ〉〈ψ| (〈ψ|ψ〉 = 1) ist −Tr(ρ ln ρ) = 0 unddie Entropie somit minimal.

2. Im Zustand ρ = �/N (maximale Mischung) ist −Tr(ρ ln ρ) = lnN . DieEntropie ist in diesem Fall maximal.

1Ludwig Boltzmann, 1844 Wien – 1906 Duino.

4 KAPITEL 1. STATISTISCHE PHYSIK

Kapitel 2

Gleichgewichtszustande

2.1 Allgemeine Charakterisierung von Gleich-

gewichtszustanden

Thermodynamische Gleichgewichtszustande sind zeitlich konstante Zustande, furwelche die Entropie, unter Berucksichtigung aller vorhandenen Nebenbedingun-gen, maximal ist.

Ein quantenmechanisches System werde durch den HamiltonoperatorH beschrie-ben. Ein Gleichgewichtszustand dieses Systems kann durch die folgenden Forde-rungen charakterisiert werden:

1. Der Dichteoperator ρ soll zeitlich konstant sein.

2. Die Entropie soll unter Berucksichtigung aller Nebenbedingungen, denendas System unterliegt, maximal sein.

Wegen der von Neumann1-Gleichung,

ihdρ(t)

dt= [H, ρ(t)],

folgt aus der oben geforderten zeitlichen Konstanz des Dichteoperators, dass Hund ρ vertauschen. Es existiert somit ein gemeinsames vollstandiges Orthonor-malsystem |1〉, |2〉, . . . von Eigenvektoren:

H|n〉 = En|n〉, ρ|n〉 = pn|n〉.Bemerkung: Sind außer der Energie weitere Erhaltungsgroßen vorhanden,konnen diese auf analoge Weise berucksichtigt werden.

1Johann von Neumann, 1903 Budapest – 1957 Washington, D.C.

5

6 KAPITEL 2. GLEICHGEWICHTSZUSTANDE

2.2 Mikrokanonisches Ensemble

Wir wollen den Dichteoperator eines abgeschlossenenen Systems im thermi-schen Gleichgewicht finden. Die Energie des Systems sei auf den Bereich

I(E, δE) = [E − δE,E]

beschrankt. In diesem Fall mussen wir also das Maximum von

−∑

En∈I(E,δE)

pn ln pn

unter Berucksichtigung der Nebenbedingung∑En∈I(E,δE)

pn = 1

finden. Die Nebenbedingung wird am besten durch einen Lagrangeschen2 Multi-plikator berucksichtigt. Wir betrachten daher die Funktion

f(p1, p2, . . . , λ) = −∑

En∈I(E,δE)

pn ln pn + λ(1 −∑

En∈I(E,δE)

pn).

Nullsetzen der Ableitungen nach p1, p2, . . . und λ ergibt

∂f

∂pm= 0 ⇒ ln pm = −1 − λ,

∂f

∂λ= 0 ⇒

∑En∈I(E,δE)

pn = 1.

Das heißt, fur alle n mit En ∈ I(E, δE) ist pn eine von n unabhangige Konstan-te. Bezeichnet man die Anzahl der Zustande im zuganglichen EnergieintervallI(E, δE) mit

Ω(E, δE) =∑

En∈I(E,δE)

1,

so erhalt man

pn =

{1/Ω(E, δE) fur En ∈ I(E, δE)

0 sonst.

Das ist gleichbedeutend mit

ρMK =1

Ω(E, δE)

∑En∈I(E,δE)

|n〉〈n|.

2Joseph-Louis Lagrange, 1736 Turin – 1813 Paris.

2.2. MIKROKANONISCHES ENSEMBLE 7

Fur die Entropie ergibt sich daher

S = k ln Ω(E, δE).

Befindet sich ein abgeschlossenenes (isoliertes) System im thermodynamischenGleichgewicht, tritt also jeder der zuganglichen Energieeigenzustande |n〉 (En ∈I(E, δE)) mit der gleichen Wahrscheinlichkeit

pn =1

Ω(E, δE)

auf, wobei Ω(E, δE) die Anzahl der im Intervall I(E, δE) befindlichen Energieei-genzustande ist. Diese Charakterisierung wird manchmal auch als Fundamen-talpostulat (FP) der statistischen Physik bezeichnet.

Bemerkungen3: Das FP”definiert“ das Gleichgewicht, seine Rechtfertigung ist

durch das Experiment gegeben.

Unter welchen Annahmen folgt das FP aus der Quantenmechanik? Welche dieserAnnahmen haben physikalischen (und nicht nur rein mathematischen) Inhalt?Klarerweise gilt das FP nur fur makroskopische Systeme. Um ein makroskopischesSystem zu erhalten, kann man die Teilchendichte N/V konstant halten, aber Nund V sehr groß werden lassen (thermodynamischer Limes).

Lasst man die Zeitentwicklung bei t = 0 in einem reinen Zustand starten, wird dasSystem i.A. nicht im Gleichgewicht sein. Erst nach einer Zeit t� τr wird sich dasGleichgewicht einstellen, wobei τr die Relaxationszeit des Systems ist (τr ist dietypische Zeit, die ein System braucht, um nach einer plotzlichen Storung wiederins Gleichgewicht zu kommen; ein System kann fur verschiedene Freiheitsgradeunterschiedliche Relaxationszeiten haben). Der Ubergang vom reinen Zustand beit = 0 zum gemischten Gleichgewichtszustand kann nicht durch die von Neumann-Gleichung beschrieben werden (dabei wurde sich die Entropie nicht andern). Furden Ubergang von einem reinen Zustand zum mikrokanonischen Ensemble im Falleines abgeschlossenen makroskopischen Systems wurden unter anderem folgendeBegrundungen angegeben:

• Die Anzahl der dem Experimentator zuganglichen Observablen ist viel klei-ner als die Anzahl der Freiheitsgrade des Systems (siehe fruhere Diskussion).Man sieht somit effektiv einen gemischten Zustand. Die ursprunglich vor-handene Information uber das System kann im Laufe der Zeitentwicklungschwerer zuganglich werden, was der

”kurzsichtige“ Beobachter als Streben

zum Gleichgewicht interpretiert.

• Makroskopische Messungen dauern eine endliche Zeit τM � δτ , wobei δτdie typische Zeit ist, in der eine Wechselwirkung der Teilchen untereinanderstattfindet.

3Diese Bemerkungen sind dem T4 Skriptum von Walter Grimus entnommen.

8 KAPITEL 2. GLEICHGEWICHTSZUSTANDE

• Es tragen auch kleine Wechselwirkungen der Teilchen untereinander, dieim Hamiltonoperator H vernachlassigt werden, zur

”Durchmischung“ bei.

Weiters ist das System nie vollstandig von seiner Umgebung isolierbar.

Jeder dieser Punkte kann in gewissen Fallen fur die”Begrundung“ des FP aus

der Quantenmechanik herangezogen werden. Eine allgemein gultige Herleitungist schwierig, z.B. konnen in einem System mehrere Relaxationszeiten von volligunterschiedlicher Großenordnung auftreten.

Zur Erlauterung des dritten Punktes betrachten wir einen Hamiltonoperator H =H +W +U . Die Klassifikation der Energieeigenzustande des Systems erfolt nachH , die innere Storung (Restwechselwirkung der Teilchen, die nicht in H enthaltenist) wird durch W beschrieben und die außere Storung (Wechselwirkung mit derUmgebung) durch U . Ein typisches Beispiel ware ein ideales Gas, wo der Beitragder Wechselwirkung zwischen den Molekulen in H vernachlassigt wird, diese istjedoch fur das Zustandekommen des Gleichgewichts wesentlich!

2.3 Kanonisches Ensemble

In diesem Fall wird die mittlere Energie∑n

pnEn = E = const.

als Nebenbedingung vorgegeben. Man sucht also das Maximum von

S/k = −∑n

pn ln pn

unter Berucksichtigung der beiden Nebenbedingungen∑n

pn = 1,∑n

pnEn = E.

Analog zu vorhin, betrachten wir jetzt die Funktion

f(p1, p2, . . . , λ, β) = −∑n

pn ln pn + λ(1 −∑n

pn) + β(E −∑n

pnEn).

Nullsetzen der Ableitungen nach p1, p2, . . ., λ und β ergibt

∂f

∂pm= 0 ⇒ ln pm = −1 − λ− βEm,

∂f

∂λ= 0 ⇒

∑n

pn = 1,

∂f

∂β= 0 ⇒

∑n

pnEn = E.

2.3. KANONISCHES ENSEMBLE 9

⇒ pn = Ce−βEn

Die Konstante C kann mit Hilfe der Nebenbedingung∑n

pn = 1 bestimmt werden:

C =1∑

n

e−βEn

⇒ pn =e−βEn∑

m

e−βEm

Das ist gleichbedeutend mit

ρK =e−βH

Tre−βH.

Die absolute Temperatur T kann durch die Beziehung

β =1

kT

definiert werden. Durch die Nebenbedingung∑n

pnEn = E besteht ein Zusam-

menhang zwischen β (bzw. T ) und der mittleren Energie E:∑n

e−βEnEn∑m

e−βEm= E.

Definiert man die kanonische Zustandssumme

Z =∑n

e−βEn ⇔ Z = Tre−βH ,

so kann man die mittlere Energie (den Erwartungswert von H) folgendermaßenberechnen:

〈H〉 = −∂ lnZ

∂β=

∑n

e−βEnEn∑m

e−βEm.

Aufgabe: Zeigen Sie, dass die Entropie eines kanonischen Ensembles durch

S =E

T+ k lnZ

gegeben ist.

10 KAPITEL 2. GLEICHGEWICHTSZUSTANDE

2.4 System in Kontakt mit einem Warmebad

Man kann auch durch eine andere Uberlegung zum kanonischen Ensemble gelan-gen: Wir betrachten ein

”kleines“ System A (kann auch ein mikroskopisches Sy-

stem sein) im thermischen Kontakt mit einem”Warmebad“ B (makroskopisches

System). Das aus A und B bestehende System sei abgeschlossen. Der Hamilton-operator des Gesamtsystems is HA + HB + W . Der Wechselwirkungterm W istfur den thermischen Kontakt der beiden Subsysteme zwar wesentlich, wir wollenaber annehmen, dass wir ihn in der Gesamtenergiebilanz vernachlassigen konnen:E = EA + EB.

Die Energieeigenzustande von HA seien mit |n〉 bezeichnet. Befindet sich dasabgeschlossene Gesamtsystem im thermischen Gleichgewicht, so ist die Wahr-scheinlichkeit, dass sich das System A im n-ten Energieeigenzustand mit EnergieEn befindet durch

pn =ΩB(E − En, δE)

Ω(E, δE)

gegeben. Dabei ist Ω(E, δE) die Anzahl der zuganglichen Zustande des Gesamt-systems A+B und ΩB(E − En, δE) die Anzahl der Zustande des Systems B mitEnergie E−En (innerhalb des Energieintervalls δE). Die Taylorreihenentwicklung

ln ΩB(E −En, δE) = ln ΩB(E, δE) − En∂ ln ΩB(E, δE)

∂E︸ ︷︷ ︸β

+ . . .

liefertΩB(E − En, δE) = ΩB(E, δE)e−βEn.

Fur die Wahrscheinlichkeit, dass sich das System A im n-ten Energieeigenzustandbefindet, ergibt sich daher wie fruher

pn = Ce−βEn,

beziehungsweise

pn =1

Ze−βEn , Z =

∑n

e−βEn .

Wir sehen, dass zwischen der Temperatur T des Warmebades und der Abhangig-keit der Anzahl seiner Zustande von der Energie die Beziehung

β =∂ ln ΩB(E, δE)

∂E=

1

kT

besteht.

Man kann also das kanonische Ensemble auch als ein System auffassen, das sichim Gleichgewicht mit einem Warmebad mit vorgegebener Temperatur T befindet.

2.5. TEMPERATUR 11

2.5 Temperatur

Die absolute Temperatur ist eine Gleichgewichtsgroße, d.h. nur einem System,das sich im Gleichgewicht befindet, kann man eine Temperatur T zuschreiben.

Wir hatten die absolute Temperatur T zunachst uber den Parameter β = 1/kTdes kanonischen Ensembles eingefuhrt,

pn =1

Ze−βEn, Z =

∑n

e−βEn

und dann gesehen, dass man diese Große auch im mikrokanonischen Ensembledurch die Formel

β =∂ ln Ω(E, δE)

∂E=

1

kT

definieren kann.

Wir betrachten zwei kanonische Ensembles A, B mit den Temperaturen TA =1/kβA und TB = 1/kβB. Die Energieeigenzustande des Systems A werden mit |n〉bezeichnet, jene des Systems B mit |r〉. Die entsprechenden Wahrscheinlichkeitensind dann durch

pAn =

1

ZAe−βE

An , pB

r =1

ZBe−βE

Br

gegeben. Die beiden Systeme werden nun in thermischen Kontakt gebracht, so-dass Energieaustausch moglich wird (Hamiltonoperator H = HA + HB + W ).Ist die Wechselwirkung zwischen den beiden Systemen schwach (W � HA,B), sokonnen die Energieeigenzustande des Gesamtsystems naherungsweise durch die

”Quantenzahlen “ |n, r〉 mit dazugehorigen Energieeigenwerten En,r = EA

n + EBr

charakterisiert werden. Unmittelbar nachdem A und B in thermischen Kontaktgebracht wurden sind die Wahrscheinlichkeiten der Energieeigenzustande des Ge-samtsystems

pn,r = pAnp

Br =

e−βAEAn e−βBE

Br

ZAZB

.

Dies beschreibt nur dann einen Gleichgewichtszustand, falls βA = βB =: β ist. Indiesem Fall erhalt man die kanonische Verteilung

pKn,r =

e−β(EAn +EB

r )

ZAZB

.

Ist dagegen βA �= βB, so entsprechen die pn,r keiner kanonischen Verteilung undsomit keinem Gleichgewichtszustand. In diesem Fall wird es zu einer Zustansande-rung kommen, bis schließlich die kanonische Verteilung pK

n,r (der Zustand mitmaximaler Entropie) fur einen gewissen Wert von β erreicht ist.

12 KAPITEL 2. GLEICHGEWICHTSZUSTANDE

Bemerkung: Wir sehen, dass die kanonische Zustandsumme Z zweier schwachmiteinander wechselwirkender Systeme einfach das Produkt der Zustandssummender Teilsysteme ist:

Z =∑n,r

e−β(EAn +EB

r ) =∑

e−βEAn e−βE

Br =

∑n

e−βEAn

︸ ︷︷ ︸ZA

∑r

e−βEBr

︸ ︷︷ ︸ZB

.

Analog ist die Entropie S des zusammengesetzten Systems die Summe der Entro-pien der Teilsysteme:

S =E

T+ k lnZ =

EA + EB

T+ k(ZA + ZB) = SA + SB.

2.6 Paramagnetismus

Unsere Uberlegungen zur kanonischen Verteilung sollen nun auf ein sehr einfachesphysikalisches System angewendet werden. Wir betrachten eine Substanz mitN0 magnetischen Momenten μ (mit Spin 1/2) pro Volumen in einem außeren

Magnetfeld �B = B�ez. Der Hamiltonoperator fur einen der Spins ist dann

H = −�μ · �B = −μBσ3 =

( −μB 00 +μB

)Die Energieeigenwerte sind E↑ = −μB, E↓ = +μB und die dazugehorigen (nor-mierten) Eigenvektoren

χ↑ =

(10

), χ↓ =

(01

).

Hat die Substanz die Temperatur T = 1/kβ, so wirkt diese fur den betrachtetenSpin als Warmebad und seine Zustandssumme

Z = Tre−βH = eβμB + e−βμB = 2 cosh(βμB),

entsprechend der kanonischen Verteilung

p↑ =eβμB

Z, p↓ =

e−βμB

Z.

Den Mittelwert der Komponente des magnetischen Moments in Richtung desangelegten außeren Feldes erhalt man durch Berechnung von

μz = p+μ+ p−(−μ) =eβμBμ− e−βμBμeβμBμ+ e−βμBμ

= μ tanh(βμB) = μ tanhμB

kT.

2.6. PARAMAGNETISMUS 13

Bemerkung: Man hatte naturlich auch ∂ lnZ/∂(βB) berechnen konnen:

μz =sinh(βμB)

cosh(βμB)μ = μ tanh(βμB).

Fur die Magnetisierung M0 (mittleres magnetisches Moment pro Volumen)erhalt man

M0 = N0μz = N0μ tanh(βμB).

Im Grenzfall großer Temperaturen (μB � kT ) ergibt sich

μz � μ2B

kTbzw. M0 � N0μ

2B

kT.

Die Große

χ =N0μ

2

kTwird als magnetische Suszeptibilitat bezeichnet, die Tatsache, dass sich diesefur große Temperaturen wie χ ∼ 1/T verhalt, ist das Curiesche Gesetz.

Dagegen sind im Limes kleiner Temperaturen (μB � kT ) die Spins im Grund-zustand eingefroren und man erhalt

μz � μ bzw. M0 � N0μ.

Wir wollen uns jetzt uberlegen, welche statistischen Schwankungen in einem Sy-stem von N Spins mit magnetischem Moment μ auftreten. (Dabei muss vor-ausgesetzt werden, dass die verschiedenen Spins im Prinzip an verschiedenenGitterpunkten lokalisierbar sind.) Wir haben oben die Zustandssumme fur einmagnetisches Moment berechnet:

Z1 = 2 cosh(βμB).

Die Zustandssumme von N schwach miteinander wechselwirkenden magnetischenMomenten ist daher

ZN = ZN1 = 2N coshN(βμB).

Wie bereits besprochen, kann man das mittlere magnetische Moment eines Spinsdurch differenzieren von Z1 nach βB erhalten:

μz = μ tanh(βμB).

Durch nochmaliges Differenzieren ergibt sich das Schwankungsquadrat des ma-gnetischen Moments:

∂μz∂(βμ)

=∂

∂(βμ)

eβμBμ− e−βμBμZ1

=eβμBμ2 + e−βμB(−μ)2

Z1− μ2(eβμB − e−βμB)2

Z21

= μ2z − (μz)

2 = (Δμz)2.

14 KAPITEL 2. GLEICHGEWICHTSZUSTANDE

⇒ = (Δμz)2 =

μ2

cosh2(βμB).

Fur den Erwartungswert des gesamten magnetischen Moments aller N Spinserhalt man daher

M = μ(1)z + μ

(2)z + . . .+ μ

(n)z =

∂(βB)lnZ

=∂

∂(βB)ln(2N coshN (βμB)) = N

∂(βB)cosh(βμB)︸ ︷︷ ︸μz

.

Analog erhalt man fur das Schwankungsquadrat von M :

(ΔM)2 =∂M

∂(βB)= N(Δμz)

2,

⇒ ΔM

M=

√NΔμzNμz

=1√N

Δμzμz

=1√N

1

sinh(βμB),

d.h. die relative Schwankung ΔM/M wird fur großes N (makroskopischesSystem) verschwindend klein (∼ 1/

√N)

Bemerkung: Im thermodynamischen Limes (N → ∞) besteht, wegen des Ver-schwindens der relativen Schwankungen, zwischen mikrokanonischem und kano-nischem Ensemble kein Unterschied mehr. Da die Berechnung der kanonischenZustandssumme Z i.A. einfacher ist als die Ermittlung der Anzahl Ω(E, δE) derZustande in einem Energieintervall beim mikrokanonischen Ensemble, wird dieVerwendung des kanonische Ensembles bei praktischen Rechnungen bevorzugt.

Aufgabe: Behandeln Sie die Theorie des Paramagnetismus mit Hilfe des mikro-kanonischen Ensembles.

2.7 Großkanonisches Ensemble

Kann ein Subsystem A mit einem großen System B nicht nur Energie, sondernauch Teilchen austauschen, so gelangt man im Gleichgewicht zur großkanoni-schen Verteilung.

Der Hamiltonoperator des Systems A werde mit H und der Teilchenzahloperatormit N bezeichnet. Wir nehmen an, dass H und N vertauschen und es daher einegemeinsame Orthonormalbasis {|n〉} von Eigenvektoren der beiden Operatorengibt:

H|n〉 = En|n〉, N |n〉 = Nn|n〉.

2.7. GROSSKANONISCHES ENSEMBLE 15

Zum Ausdruck fur den Dichteoperator des großkanonischen Ensembles gelangtman wieder am einfachsten dadurch, dass man das Maximum der Entropie beivorgegebener mittlerer Energie E und mittler Teilchenzahl N bestimmt:

〈H〉 = E, 〈N〉 = N.

Wir bestimmen das Maximum der Funktion

f(p1, p2, . . . , λ, β, α) = −∑n

pn ln pn+λ(1−∑n

pn)+β(E−∑n

pnEn)+α(N−∑n

pnNn).

∂f

∂pm= 0 = − ln pm − 1 − λ− βEm − αNm

⇒ pn = Ce−βEn−αNn

Wir definieren das chemische Potential μ = α/β und erhalten

pn = Ce−β(En−μNn).

Die Konstante C ist wieder durch die Normierungsbedingung∑n

pn = 1

festgelegt:

pn =1

Ye−β(En−μNm), Y =

∑n

e−β(En−μNm).

Y wird als großkanonische Zustandssumme bezeichnet. Der Dichteoperatordes großkanonischen Ensembles hat daher die Form:

ρGK =1

Ye−β(H−μN), Y = Tre−β(H−μN).

16 KAPITEL 2. GLEICHGEWICHTSZUSTANDE

Kapitel 3

Thermodynamik

Die Thermodynamik kann zwar aus der statistischen Physik hergeleitet werde, sieist jedoch eine rein makroskopische Theorie, die keinen Bezug auf die mikrosko-pische Struktur der Materie nimmt.

3.1 Hauptsatze der Thermodynamik

Wir betrachten ein System, das durch einen Hamiltonoperator H(x1, x2, . . .) be-schrieben wird. Die Großen x1, x2, . . . sind dabei gewisse außere Parameter desSystems.

Beispiele:

1. Unser betrachtetes System bestehe aus N Spins, die sich in einem außerenMagnetfeld �B befinden. Der Hamiltonoperator hat (bei vernachlassigbarerSpin-Spin-Wechselwirkung) die Form

H( �B) = −N∑k=1

�μ(k) · �B.

Die Komponenten des Magnetfeldes �B sind in diesem Fall außere Parameterdes Systems.

2. N Teilchen seien in einem Behalter mit dem Volumen V eingeschlossen. Vist ein außerer Parameter dieses Systems.

Befindet sich das System in dem durch den Dichteoperator ρ beschriebenen Zu-stand, so ist der Erwartungwert der Energie des Systems durch

E = Tr(H(x1, x2, . . .)ρ)

17

18 KAPITEL 3. THERMODYNAMIK

gegeben. In einem thermisch und mechanisch isolierten System ist ρ(t) =exp(−iHt/h)ρ(0) exp(iHt/h) und E daher zeitlich konstant.

Eine Anderung von E kann nun auf zwei verschiedene Arten erfolgen: Entwe-der durch Anderung eines (oder mehrerer) der außeren Parameter (das außereMagnetfeld, in dem sich das Spinsystem befindet, wird geandert; das Volumendes Gasbehalters wird verkleinert). In diesem Fall spricht man von der durch dieAnderungen Δx1,Δx2, . . . am System geleisteten Arbeit A. Bleiben dagegen alleaußeren Parameter x1, x2, . . . des Systems unverandert, so kann eine Anderungvon E dennoch durch

”Warmeaustausch“ mit der Umgebung stattfinden, bei der

sich der Dichteoperator ρ andert. Eine derartige Energieanderung bezeichnet manals die dem System zugefuhrte Warme Q. Diese Beobachtungen werden im 1.Hauptsatz der Thermodynamik zusammengefasst:

ΔE = A +Q.

Bemerkung: Handelt es sich um einen Gleichgewichtszutand, so ist dessen”in-

nere Energie“ E durch seine Entropie S und die außeren Parameter x1, x2, . . .festgelegt.

Die Entropie eines isolierten Systems nimmt zu, bis schließlich der Gleichge-wichtszustand erreicht ist, in dem die Entropie ihren maximalen Wert annimmt.Diese Aussage wird als 2. Hauptsatz der Thermodynamik bezeichnet:

ΔS ≥ 0

Bei nicht isolierten Systemen, sind sogenannte quasistatische Prozesse beson-ders wichtig. Darunter versteht man einen Vorgang, bei dem das betrachtete Sy-stem zu jedem Zeitpunkt in guter Naherung durch einen Gleichgewichtszustandbeschrieben werden kann. Die Zeit, in der eine Anderung des Systems erfolgt,muss dabei viel großer sein als die typischen Relaxationszeiten des Systems. Indiesem Fall besteht zwischen der dem System zugefuhrten Warme δQ und derdabei erfolgten Entropieanderung der Zusammenhang

dS =δQ

T.

Dazu mussen wir uns nur an einige Formeln erinnern, die wir fur das mikrokano-nische Ensemble hergeleitet hatten. Die Entropie war durch

S = k ln Ω(E, δE)

und der Zusammenhang mit der absoluten Temperatur durch

∂ ln Ω(E, δE)

∂E=

1

kT

3.2. EINFACHE ANWENDUNGEN 19

gegeben. Kombiniert man beide Gleichungen, so erhalt man

∂S

∂E=

1

T.

Diese Gleichung kann man so interpretieren: Andert man die innere Energie desSystems ohne Anderung seiner außeren Parameter um den Betrag δQ (zugefuhrteWarme), so andert sich die Entropie um dS = δQ/T , was gerade die behaupteteRelation ist.

Schließlich besagt der 3. Hauptsatz, dass die Entropie fur T → 0 gegen einevon allen Parametern des Systems unabhangige Konstante S0 strebt:

limT→0

S = S0.

Bemerkung: Der 3. Hauptsatz der Thermodynamik kann durch Betrachtungdes kanonischen Ensembles verstanden werden. Werden die voneinander ver-schiedenen Energien des Systems mit E0 < E1 < . . . und die dazugehorigenVielfachheiten mit ν0, ν1, . . . bezeichnet, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass dasSystem die Energie Er besitzt durch

pr =νre

−Er/kT∑νse−Es/kT

=νre

−(Er−E0)/kT∑s

νse−(Es−E0)/kT

gegeben. Da fur r �= 0 gilt, dass Er − E0 echt großer als Null ist, folgt

limT→0

e−(Er−E0)/kT = 0 (r �= 0)

und

limT→0

pr =

{1 fur r = 0

0 fur r �= 0.

Die Entropie fur T → 0 ist daher

S0 = ln ν0,

der naturliche Logarithmis des Entartungsgrades des Grundzustands.

3.2 Einfache Anwendungen

Wir wollen die Thermodynamik auf ein ideales Gas anwenden. Ein solches wirddurch die Zustandsgleichung

pV = NkT

20 KAPITEL 3. THERMODYNAMIK

beschrieben. Im Rahmen der Thermodynamik ist dies eine rein phanomenologi-sche Beziehung zwischen den Großen p (Druck), V (Volumen) und T (absoluteTemperatur), die man fur die betrachtete Substanz gefunden hat. (Spater werdenwir das ideale Gas im Rahmen der statistischen Physik behandeln, der Proportio-nalitatsfaktor N wird sich dann als die Anzahl der Teilchen in dem betrachtetenGasvolumen herausstellen.)

Bei einem quasistatischen Prozess haben wir ganz allgemein

dE = δA+ T dS,

bei einem Gas ist δA = −p dV , sodass wir in diesem Fall die Beziehung

dE = −p dV + T dS ⇔ dS =1

TdE +

p

TdV

erhalten. Wesentlich ist, dass dE und dS totale Differentiale sind, im Gegensatzzu δA = −p dV oder δQ = T dS.

Setzen wir nun die Zustandsgleichung fur ein ideales Gas ein, so erhalten wir

dS =1

TdE +

Nk

VdV.

Dabei betrachten wir sowohl die Entropie S als auch die innere Energie E alsFunktionen der unabhangigen Variablen T und V :

S = S(T, V ), E = E(T, V ).

Wir schreiben dE in der Form

dE =∂E

∂TdT +

∂E

∂VdV

und setzen dies in den obigen Ausdruck fur dS ein:

dS =1

T

∂E

∂TdT︸ ︷︷ ︸

∂S∂T

+

(Nk

V+

1

T

∂E

∂V

)dV︸ ︷︷ ︸

∂S∂V

.

Somit erhalten wir

∂V

∂S

∂T=

1

T

∂V

∂E

∂T,

∂T

∂S

∂V= − 1

T 2

∂E

∂V+

1

T

∂T

∂E

∂V.

Wegen∂

∂T

∂E

∂V=

∂V

∂E

∂T,

∂T

∂S

∂V=

∂V

∂S

∂T

3.2. EINFACHE ANWENDUNGEN 21

folgt∂E

∂V= 0,

das heißt die innere Energie eines idealen Gases hangt nicht von dem von ihmeingenommenen Volumen V ab:

E = E(T ) (ideales Gas).

Bemerkung: Wir betrachten einen thermisch isolierten Behalter, der durch einebewegliche Trennwand in einen linken und rechten Teil getrennt ist. Ein idealesGas befinde sich zunachst nur auf der linken Seite der geschlossenen Trennwand,das Gas nehme dabei das Volumen V1 ein. Nun wird die Trennwand geoffnet, dasGas kann sich nun auf das Volumen V2 > V1 verteilen. Da durch das Offnen derTrennwand keine Arbeit geleistet wird und das System von außen keine Warmeaufnehmen kann, bleibt die innere Energie des Systems konstant. Da diese beieinem idealen Gas nur von der Temperatur, aber nicht vom Volumen abhangt,andert sich auch die Temperatur bei diesem Expansionsvorgang nicht.

Bei einem realen Gas (z.B. van der Waals1-Gas) ist das nicht der Fall. Hierist E = E(T, V ) und bei einer Volumsanderung bei konstanter innerer Energiekommt es i.A. auch zu einer Temperaturanderung.

1Johannes Diderik van der Waals, 1837 Leiden – 1923 Amsterdam.

22 KAPITEL 3. THERMODYNAMIK

Kapitel 4

Identische Teilchen

Eines der fundamentalen Theoreme der relativistischen Quantenfeldtheorie be-sagt, dass Teilchen gemaß ihrem Spin in zwei große Klassen eingeteilt werdenkonnen. Solche mit ganzzahligem Spin sind vertragliche Wesen, man kann belie-big viele identische Teilchen dieser Art in den gleichen Einteilchenzustand hin-einpferchen. Teilchen mit dieser Eigenschaft nennt man Bosonen. Teilchen mithalbzahligem Spin sind unsozial, sie bestehen auf einem Privatzimmer. Nur einesvon ihnen kann in einem bestimmten Einteilchenzustand sitzen. Teilchen dieserArt heißen Fermionen.

4.1 Mehrteilchensysteme

Ein reiner Zustand eines Systems von zwei unterscheidbaren Teilchen (z.B. einpe−-System) kann (im Ortsraum) durch eine Wellenfunktion der Form

ψ(�x1, σ1; �x2, σ2)

beschrieben werden. Dabei sind �x1, σ1 die Orts-und Spinkoordinaten des erstenTeilchens, �x2, σ2 jene des zweiten.

Handelt es sich um ein Zweiteilchensystem identischer (ununterscheidbarer)Teilchen, so gibt es zwei Moglichkeiten:

1. Die Wellenfunktion ist symmetrisch bei gleichzeitiger Vertauschung vonOrts- und Spinkoordinaten:

ψ(�x1, σ1; �x2, σ2) = ψ(�x2, σ2; �x1, σ1).

Teilchen von diesem Typ heißen Bosonen1

1Benannt nach Satyendra Nath Bose, 1894 Kalkutta – 1974 Kalkutta.

23

24 KAPITEL 4. IDENTISCHE TEILCHEN

2. Die Wellenfunktion ist antisymmetrisch bei gleichzeitiger Vertauschungvon Orts- und Spinkoordinaten:

ψ(�x1, σ1; �x2, σ2) = −ψ(�x2, σ2; �x1, σ1).

Teilchen von diesem Typ heißen Fermionen2

Im allgemeinen Fall von N ununterscheidbaren Teilchens ist

ψ(�x1, σ1; �x2, σ2; . . . �xN , σN )

im Fall von Bosonenen total symmetrisch und im Fall von Fermionen totalantisymmetrisch, d.h. bei einer Vertauschung (�xi, σi) ↔ (�xj, σj) (i �= j) andertsich bei Bosonen die Wellenfunktion nicht, bei Fermionen wechselt sie das Vor-zeichen.

Die Tatsache, dass die Wellenfunktion eines Systems von identischen Fermionenbei Vertauschung zweier Argumente (�xi, σi) ↔ (�xjσj) das Vorzeichen wechselt,wird auch als Pauli-Prinzip3 oder (Paulisches) Ausschließungsprinzip be-zeichnet. Fur Fermionen gilt namlich

ψ(�x, σ; �x, σ) = −ψ(�x, σ; �x, σ) ⇒ ψ(�x, σ; �x, σ) = 0,

d.h. zwei Fermionen mit gleicher Polarisation konnen nicht am gleichen Ortsitzen.

Allgemein gilt folgendes: Gegeben sei eine Orthonormalbasis von Einteil-chenwellenfunktionen φn(�x, σ). Jede Zweiteilchenwellenfunktion kann dann inder Form

ψ(�x1, σ1; �x2, σ2) =∑m,n

cmnφm(�x1, σ1)φn(�x2, σ2)

geschrieben werden. Fur Fermionen folgt aus

ψ(�x1, σ1; �x2, σ2) = −ψ(�x2, σ2; �x1, σ1),

dass cmn = −cnm und insbes. cnn = 0. Befindet sich bereits ein Fermion im Ein-teilchenzustand φn, so ist dieser Zustand fur das zweite Fermion ausgeschlossen.Fur Bosonen ist die Situation anders: Hier folgt aus

ψ(�x1, σ1; �x2, σ2) = ψ(�x2, σ2; �x1, σ1),

dass cmn = cnm und zwei identische Bosonen konnen sehr wohl im gleichen Ein-teilchenzustand sitzen.

2Benannt nach Enrico Fermi, 1901 Rom – 1954 Chikago.3Wolfgang Pauli, 1901 Wien – 1958 Zurich.

4.1. MEHRTEILCHENSYSTEME 25

Es war zunachst nur empirisch bekannt, dass Teilchen mit halbzahligem Spin(z.B. Elektron, Proton) Fermionen und Teilchen mit ganzzahligem Spin (z.B.Photon, 4He) Bosonen sind. Im Jahr 1940 konnte Wolfgang Pauli zeigen, dassdieser Zusammenhang zwischen Spin und

”Statistik“ aus der relativistischen

Quantenfeldtheorie (Kombination von Relativitatstheorie und Quantentheo-rie) folgt.

Beispiel: Identische Teilchen in einem wurfelformigen Gefaß

G = [0, L] × [0, L] × [0, L]

mit dem Volumen V = L3. Der Einteilchen-Hamiltonoperator hat in der Orts-darstellung die Form

H1 = − h2

2m

(∂2

∂x2+

∂2

∂y2+

∂2

∂z2

)Die Energieeigenzustande eines Teilchens mit Spin s sind daher durch die Ein-teilchenwellenfunktionen

φ��,τ = δτσ

(2

L

)3/2

sinπ�xx

Lsin

π�yy

Lsin

π�zz

L

gegeben, mit �x,y,z = 1, 2, . . . und τ = −s,−s + 1, . . . ,+s. Dabei wurde die

Randbedingung φ∣∣∣∂G

= 0 verwendet. Die zum Zustand φ��,τ gehorende Energie ist

ε��,τ =h2π2�� 2

2mL2=

h2π2�� 2

2mV 2/3.

Bringt man N nicht wechselwirkende Teilchen in das Gefaß und fragt sich z.B.nach der Grundzustandenergie des N -Teilchen-Systems, so kann man im Fallvon Bosonen alle N Teilchen in den Einteilchenzustand mit niedrigster Energiesetzen. Bei Fermionen ist dies wegen des Paulischen Ausschließungsprinzips nichtmoglich.

Aufgaben: Ermitteln Sie die Grundzustandsenergie eines Systems von N iden-tischen Teilchen mit Spin s fur

1. s = 0, N = 4 (Losung: 6h2π2/mV 2/3)

2. s = 1/2, N = 4 (Losung: 9h2π2/mV 2/3)

Hinweis: Fertigen Sie Skizzen der zu besetzenden Einteilchen-Energieniveaus an.

26 KAPITEL 4. IDENTISCHE TEILCHEN

4.2 Quantenstatistik nicht wechselwirkender

Teilchen

Gegeben sei ein Einteilchen-Hamiltonoperator H1 mit Energieeigenvektoren |r〉(r = 1, 2, . . .) und dazugehorigen Energieeigenwerten εr. Unter der Vorausset-zung nicht wechselwirkender Teilchen kann man die Energieeigenzustande desMehrteilchensystems

|n1, n2, . . . , nr, . . .〉festlegen, wobei nr die Besetungszahl des r-ten Einteilchenzustands ist. DieBesetungszahlen konnen folgende Werte annehmen:

nr =

{0, 1, 2, . . . fur Bosonen

0, 1 fur Fermionen.

Bezeichnet man den Teilchenzahloperator des Mehrteilchensystems mit N undden Hamiltonoperator mit H , so ist |n1, n2, . . . , nr, . . .〉 ein gemeinsamer Eigen-vektor beider Operatoren:

N |n1, n2, . . . , nr, . . .〉 = (n1 + n2 + . . .+ nr + . . .)|n1, n2, . . . , nr, . . .〉,H|n1, n2, . . . , nr, . . .〉 = (n1ε1 + n2ε2 + . . .+ nrεr + . . .)|n1, n2, . . . , nr, . . .〉.

Wir verwenden das großkanonische Ensemble mit Dichtematrix ρGK und großka-nonischer Zustandssumme Y :

ρGK =1

Ye−β(H−μN), Y = Tre−β(H−μN).

Daraus erhalten wir fur die Wahrscheinlichkeit, dass sich das System im Zustand|n1, n2, . . . , nr, . . .〉 befindet den Wert

pn1,n2,... =1

Ye−β(n1ε1+n2ε2+...−μ(n1+n2+...))

und fur die Zustandssumme

Y =∑

n1,n2,...

e−β(n1ε1+n2ε2+...−μ(n1+n2+...))

=∑n1

e−β(ε1−μ)n1

︸ ︷︷ ︸Y1

∑n2

e−β(ε2−μ)n2

︸ ︷︷ ︸Y2

. . . .

Man muss also nur die Summe ∑nr

e−β(εr−μ)nr

4.2. QUANTENSTATISTIK NICHT WECHSELWIRKENDER TEILCHEN 27

berechnen. Fur Bosonen lauft die Summation uber nr = 0, 1, 2, . . . (unendlicheSumme), wahrend fur Fermionen nur uber nr = 0, 1 summiert wird. Dies ergibt:

Yr =

⎧⎨⎩1

1 − e−β(εr−μ)fur Bosonen

1 + e−β(εr−μ) fur Fermionen

Wir wollen nun die mittlere Besetungszahl nr des r-ten Einteilchenzustandsberechnen. In der entsprechenden Summe

nr =∑

n1,n2,...

pn1,n2,...nr

kurzen sich alle Terme bis auf jene mit nr weg und man erhalt

nr = − 1

β

∂εrlnYr = − 1

β

∂εrlnY.

Fur Bosonen erhalt man die sogenannte Bose-Einstein4-Verteilung:

nr =1

eβ(εr−μ) − 1.

Bemerkung: Durch die Formel

N =∑r

nr =∑r

1

eβ(εr−μ)−1

wird ein Zusammenhang zwischen der mittleren Gesamtteilchenzahl N und demchemischen Potential μ hergestellt.

Fur den Spezialfall μ = 0 erhalt man aus der Bose-Einstein-Verteilung die Pho-tonverteilung, welche der Situation entspricht, dass die Gesamtteilchenzahlnicht eingeschrankt ist:

nr =1

eβεr − 1.

Diese wird auch als Planckverteilung5 bezeichnet.

Fur Fermionen erhalt man die Fermi-Dirac6-Verteilung

nr =1

eβ(εr−μ) + 1.

Man sieht, dass nr (wie es sein muss) nur zwischen dem Minimalwert 0 und demmaximal moglichen Wert 1 liegen kann.

4Albert Einstein, 1879 Ulm – 1955 Princeton.5Benannt nach Max Planck, 1858 Kiel – 1947 Gottingen.6Paul Adrien Maurice Dirac, 1902 Bristol – 1984 Tallahassee.

28 KAPITEL 4. IDENTISCHE TEILCHEN

Bemerkung: Wieder besteht zwischen dem chemischen Potential μ und der mitt-leren Teilchenzahl

N =∑r

nr =∑r

1

eβ(εr−μ) + 1

ein eindeutiger Zusammenhang.

Fur den Logarithmus der großkanonischen Zustandsumme hat man die Formeln

lnY = ±∑r

ln(1 ± e−β(εr−μ)) (+ fur FD, − fur BE).

Daraus erhalt man

− ∂

∂βlnY = 〈H − μN〉 = E − μN,

1

β

∂μlnY = N

4.3 Maxwell-Boltzmann-Statistik

Falls fur alle r gilt, dass nr � 1, dann verschwindet der Unterschied zwischenBE- und FD-Statistik:

nr → eβμe−βεr � 1

AusN =

∑r

nr = eβμ

folgt

eβμ =N∑r

nr⇒ nr = N

e−βεr∑r

nr

lnY = ±∑r

ln(1 ± e−β(εr−μ))

→∑r

e−β(εr−μ) = N.

Die Situation, dass alle mittleren Besetzungszahlen viel kleiner als 1 sind, ent-spricht dem klassischen Limes. Die entsprechende Verteilung wird als Maxwell7-Boltzmann-Verteilung bezeichnet.

Bemerkung: Bei einem Gas entspricht der klassische Limes bei festgehaltenerTemperatur dem Grenzfall kleiner Dichte (N klein), bzw. bei festgehaltenem Ndem Limes großer Temperatur (β klein).

7James Clark Maxwell, 1831 Edinburgh – 1879 Cambridge.

4.4. IDEALES GAS IM KLASSISCHEN LIMES 29

4.4 Ideales Gas im klassischen Limes

Die Energieeigenfunktionen eines Teilchens mit Spin 0 und Masse m, das sich ineinem Behalter

G = [0, Lx] × [0, Ly] × [0, Lz]

befindet, sind

φ�x,�y,�z(x, y, z) =

(2

Lx

)1/2(2

Ly

)1/2(2

Lz

)1/2

sinπ�xx

Lxsin

π�yy

Lysin

π�zz

Lz,

�x,y,z = 1, 2, . . . , (4.1)

mit dazugehorigen Energieeigenwerten

ε�x,�y,�z =h2π2

2m

(�2xL2x

+�2yL2y

+�2zL2z

).

Berechnung der großkanonischen Zustandssumme im klassischen Limes:

lnY = eβμ∑r

e−β(εr−μ)

= eβμ∑

�x,�y,�z

e−βh2π2

2m

(�2xL2

x+

�2y

L2y

+�2zL2

z

)

= eβμ∞∑�x=1

e−βh2π2�2x

2mL2x

∞∑�y=1

e−βh2π2�2y

2mL2y

∞∑�z=1

e−βh2π2�2z

2mL2z

Man muss also die Summe ∞∑�=1

e−βh2π2�2

2mL2

berechnen. Da die Abmessungen Lx,y,z eines makroskopischen Behalters vielgroßer sind als die typische de Broglie8-Wellenlange des Teilchens, kann dieseSumme mit hervorragender Genauigkeit durch das Integral

∞∫0

d� e−βh2π2�2

2mL2 =1

2

√2πmL2

βh2π2=L

h

√m

2πβ

approximiert werden.

⇒ lnY = eβμV

h3

(m

2πβ

)3/2

, V = LxLyLz.

8Louis de Broglie, 1892 Dieppe – 1987 Louveciennes.

30 KAPITEL 4. IDENTISCHE TEILCHEN

Somit hat man1

β

∂μlnY = lnY,

E − μN = − ∂

∂βlnY = −μN + eβμ

V

h3

(m

)3/23

2β−5/2

Somit folgt fur die innere Energie eines monoatomaren Gases:

⇒ E =3N

2β=

3

2NkT.

Welche Kraft ubt ein Teilchen, das sich im Einteilchenzustand |r〉 befindet, aufdie rechte Wand aus?

Ly

Lx

�Fr

x

y

FrΔLx = −Δεr ⇒ Fr = − ∂εr∂Lx

.

Die von allen Teilchen auf die rechte Wand ausgeubte mittlere Kraft ist daher

F =∑r

nr

(− ∂εr∂Lx

).

Im klassischen Limes ist nr = eβμe−βεr und man erhalt

F =∑r

eβμe−βεr

(− ∂εr∂Lx

)=

1

β

∂Lx

∑r

eβμe−βεr

︸ ︷︷ ︸lnY

.

⇒ F =1

β

∂Lxeβμ

LxLyLz

h3

(m

2πβ

)3/2

=1

β

N

Lx.

4.4. IDEALES GAS IM KLASSISCHEN LIMES 31

Der (mittlere) Druck ist daher

p =F

LyLz=

1

β

N

V=NkT

V.

Das ist die Zustandsgleichung eines idealen Gases.

Bemerkung: Man hatte auch

p =1

β

∂ lnY

∂V

verwenden konnen.

32 KAPITEL 4. IDENTISCHE TEILCHEN

Kapitel 5

Photonen

5.1 Energie des elektromagnetischen Feldes

Die Grundgleichungen der (zunachst nichtquantisierten) Elektrodynamik werdendurch die Maxwellschen Gleichungen und den Ausdruck fur die Lorentzkraft1

zusammengefasst. Im SI-System haben diese die folgende Form:

rot �ESI = −∂�BSI

∂t, div �ESI = ρSI/ε0,

c2rot �BSI = �j SI/ε0 +∂ �ESI

∂t, div �BSI = 0,

�F = qSI(�ESI + �v × �BSI

).

Im SI-System tritt nicht nur das historische Relikt

ε0 = 8.854 . . .× 10−12 F m−1

auf, sondern zu allem Uberdruss haben auch noch das elektrische und magneti-sche Feld verschiedene Dimensionen, obwohl es sich doch um Großen handelt, diebeim Ubergang von einem Inertialsystem auf ein anderes untereinander vermischtwerden. Durch eine Reskalierung der elektromagnetischen Großen (mechani-sche Großen bleiben unverandert),

�E =√ε0�ESI, �B = c

√ε0�BSI,

ρ = ρSI/√ε0 ⇒ �j = �j SI/

√ε0

1Benannt nach Hendrik Antoon Lorentz, 1853 Arnheim – 1928 Haarlem.

33

34 KAPITEL 5. PHOTONEN

gelangt man zu den elektromagnetischen Grundgleichungen im Heaviside2-System:

rot �E = −1

c

∂ �B

∂t, div �E = ρ,

rot �B = �j/c+1

c

∂ �E

∂t, div �B = 0,

�F = q(�E +

�v

c× �B

).

In dieser Form ist auf einen Blick zu sehen, dass lediglich die Lichtgeschwindigkeitc die einzige in der klassischen (nichtquantisierten) elektromagnetischen Theorieauftretende Naturkonstante ist.

Wir betrachten nun ein dreidimensionales Gebiet V , in dem sich ein elektro-magnetischisches Feld �E(t, �x), �B(t, �x) und Punktteilchen mit Massen m(a) undLadungen q(a) befinden. Die Teilchen bewegen sich auf den Trajektorien �r (a)(t).Ich behaupte nun, dass das elektromagnetische Feld den Beitrag

EFeldV =

1

2

∫V

d3x ( �E2 + �B2)

zu der in V enthaltenen Gesamtenergie liefert. Um dies zu sehen, betrachten wirdie zeitliche Anderung des obigen Ausdrucks:

d

dtEFeldV =

∫V

d3x

(�E · ∂

�E

∂t+ �B · ∂

�B

∂t

)

=

∫V

d3x [ �E · (c rot �B −�j) + �B · (−c rot �E)]

= −∫V

d3x�j · �E + c

∫V

d3x ( �E · rot �B − �B · rot �E).

Unter Verwendung der Abkurzungen

�v(a) =d�r (a)(t)

dt, �E(a) = �E

(t, �r (a)(t)

)konnen wir das erste Integral in der letzten Zeile folgendermaßen schreiben:∫

V

d3x�j · �E =∑a∈V

q(a)�v (a) · �E(a).

2Oliver Heaviside, 1850 London – 1925 Torquay.

5.1. ENERGIE DES ELEKTROMAGNETISCHEN FELDES 35

Das ist aber nichts anderes als die Leistung, die an den in V befindlichen gela-denenen Teilchen vom elektrischen Feld verrichtet wird (das Magnetfeld leistetkeine Arbeit), da

dE (a)

dt= q(a)�v (a) · ( �E(a) +

�v(a)

c× �B(a)) = q(a)�v (a) · �E(a),

wobei

E (a) =m(a)c2√

1 − �v (a) · �v (a)/c2

die Energie des a-ten Teilchens ist. Wir sehen also, dass

d

dt

(EFeldV +

∑a∈V

E (a)

)= c

∫V

d3x ( �E · rot �B − �B · rot �E).

Das hier verbliebene Integral wollen wir noch weiter umformen. Der Integrandlasst sich namlich als Divergenz eines Vektorfeldes schreiben! Unter Verwendungvon Indexschreibweise und Summenkonvention erhalt man tatsachlich

Eiεijk∇jBk −Bkεkji∇jEi = εijk∇j(EiBk) = −∇j(εjikEiBk)

= −div( �E × �B).

Wir konnen nun den Satz von Gauß3 anwenden und das auf der rechten Seitestehende Volumsintegral in ein Oberflachenintegral umwandeln:

d

dt

(EFeldV +

∑a∈V

E (a)

)= −

∫∂V

d�f c �E × �B.

Wie man sieht, kann�S = c �E × �B

als Energiestromdichte des elektromagnetischen Feldes interpretiert werden.Diese Große wird auch als Poyntingvektor4 bezeichnet.

Aufgabe: Den obigen Ausdruck fur die Energiebilanz kann man auch auf folgen-de Weise erhalten: Man zeigt mit Hilfe der Maxwellschen Gleichungen, dass dieEnergiedichte

u =1

2( �E2 + �B2)

und der Poyntingvektor �S die Kontinuitatsgleichung

∂u

∂t+ div �S = −�j · �E

erfullen.

Bemerkung: Durch analoge Uberlegungen kann man zeigen, dass die Impuls-dichte des elektromagnetischen Feldes durch �S/c2 gegeben ist.

3Carl Friedrich Gauß, 1777 Braunschweig – 1855 Gottinge.n4Benannt nach John Henry Poynting, 1852 Monton – 1914 Birmingham.

36 KAPITEL 5. PHOTONEN

5.2 Freies elektromagnetisches Feld

Im ladungs- und stromfreien Raum (ρ = 0, �j = �0) lauten die MaxwellschenGleichungen:

rot �E = −1

c

∂ �B

∂t, div �E = 0,

rot �B =1

c

∂ �E

∂t, div �B = 0.

Wir wollen nun die allgemeine Losung dieses Systems von partiellen Differential-gleichungen suchen. Unter Verwendung der Formel

rot rot = −Δ + grad div

finden wir, dass sowohl das elektrische als auch das magnetische Feld die (freie)Wellengleichung erfullen:

1

c2∂2 �E

∂t2− Δ �E = 0,

1

c2∂2 �B

∂t2− Δ �B = 0.

Insbesondere erfullt jede einzelne Komponente dieser Felder die Wellengleichung

1

c2∂2f

∂t2− Δf = 0.

Um nun die allgemeine Losung dieser Gleichung zu finden, erlegen wir der Funk-tion f(t, �x) periodische Randbedingungen in einem Wurfel mit KantenlangeL auf:

f(t, x+ L, y, z) = f(t, x, y + L, z) = f(t, x, y, z + L) = f(t, x, y, z).

Das ware an sich nicht notig, vereinfacht jedoch die weitere Diskussion.

Die Funktionen

exp(i�k · �x)√V

=exp(ikxx)√

L

exp(ikyy)√L

exp(ikzz)√L

, �k =2π

L��, �� ∈ �3, V = L3

bilden ein vollstandiges Orthonormalsystem fur den oben besprochenenRaum periodischer Funktionen mit dem Skalarprodukt

L∫0

dx

L∫0

dy

L∫0

dz g(x, y, z)∗h(x, y, z) =

∫V

d3x g(�x)∗h(�x).

5.2. FREIES ELEKTROMAGNETISCHES FELD 37

Wie man leicht nachrechnet, ist tatsachlich die Orthonormierungsrelation∫V

d3xexp(−i�k′ · �x)√

V

exp(i�k · �x)√V

= δ�k′�k

erfullt. Das Funktionenystem ist vollstandig, das heißt man kann jede periodischeFunktion f(�x) als Fourierreihe5 schreiben:

f(�x) =∑�k

exp(i�k · �x)√V

c�k.

Unter Verwendung der Orthonormierungsrelation kann man die Fourierkoeffizi-enten durch die Formel

c�k =

∫V

d3xexp(−i�k · �x)√

Vf(�x)

aus der Funktion f(�x) gewinnen.

Um nun die allgemeine Losung der Wellengleichung zu finden, schreiben wir dieFunktion f(t, �x) als Fourierreihe:

f(t, �x) =∑�k

exp(i�k · �x)√V

c�k(t).

Da die Funktion f(t, �x) jetzt zusatzlich zeitabhangig ist, hangen naturlich auch ih-re Fourierkoeffizienten von t ab. Einsetzen in die Wellengleichung und Beachtungder linearen Unabhangigkeit der Basisfunktionen ergibt, dass die Fourierkoeffi-zienten c�k(t) Losungen der folgenden gewohnlichen Differentialgleichung zweiterOrdnung sein mussen:

d2c�k(t)

dt2= c2�k2c�k(t).

Das ist naturlich nichts anderes als die Schwingungsgleichung eines harmonischenOszillators mit Kreisfrequenz

ω�k = c∣∣∣�k∣∣∣ .

Die allgemeine Losung fur c�k(t) ist daher eine Linearkombination der Funktionenexp(±iω�kt):

c�k(t) = a�k exp(−iω�kt) + b�k exp(iω�kt)

und

f(t, �x) =1√V

∑�k

exp(i�k · �x)(a�k exp(−iω�kt) + b�k exp(iω�kt)

)5Benannt nach Joseph Fourier, 1768 Auxerre – 1830 Paris.

38 KAPITEL 5. PHOTONEN

ist die gesuchte allgemeine Losung der Wellengleichung, es handelt sich um eineUberlagerung von ebenen Wellen. Ist man nur an reellen Losungen interessiert,so muss die Beziehung

b�k = a∗−�kgelten und man kann die Losung in der Form

f(t, �x) =1√V

∑�k

(ei(

�k·�x−ω�kt)a�k + e−i(

�k·�x−ω�kt)a∗�k

)schreiben.

Wir betrachten nun eine spezielle Losung fur das elektrische Feld in Form einerebenen Welle mit Wellenzahlvektor �k:

�E(t, �x) =N√V

(ei(

�k·�x−ω�kt)a+ e−i(

�k·�x−ω�kt)a∗)�ε.

N ist ein an dieser Stelle an sich uberflussiger reeller Normierungsfaktor und �εein Einheitsvektor, der die Polarisationsrichtung des elektrischen Feldes angibt.Setzen wir �E(t, �x) in die bisher noch nicht verwendete Maxwellgleichung div �E = 0ein, so stellen wir fest, dass der Polarisationsvektor �ε auf den Wellenzahlvektornormal stehen muss:

�k · �ε = 0.

Es gibt also zu einem vorgegebenen Wellenzahlvektor �k zwei linear unabhangigePolarisationsmoglichkeiten des elektrischen Feldes (normal auf �k). Mit Hilfe derMaxwellschen Gleichung

rot �E = −1

c

∂ �B

∂t

finden wir die Losung

�B(t, �x) =�k∣∣∣�k∣∣∣ × �E(t, �x)

fur das Magnetfeld Die beiden restlichen Maxwellschen Gleichungen,

rot �B =1

c

∂ �E

∂t, div �B = 0,

sind damit automatisch erfullt. Im Fall einer ebenen elektromagnetischen Wellestehen also das elektrische Feld und das Magnetfeld normal aufeinander, im Hea-visidesystem haben sie den gleichen Betrag. �E und �B schwingen beide transversalzum Wellenzahlvektor �k ( �E, �B, �k bilden ein Rechtssystem). Im vorliegenden Fallerhalt man fur die Energiedichte daher

u =1

2( �E2 + �B2) = �E2

5.2. FREIES ELEKTROMAGNETISCHES FELD 39

und fur den Poyntingvektor

�S = c �E × �B = cu�k∣∣∣�k∣∣∣ ,

das heißt die Feldenergie stromt tatsachlich in die Ausbreitungsrichtung der ebe-nen Welle. Fur die gesamte, im Volumen V enthaltenene Feldenergie erhaltenwir

E =

∫V

d3x u = N 2(aa∗ + a∗a)

und fur den Gesamtimpuls des Feldes

�P =

∫V

d3x �S/c =N 2

c

�k∣∣∣�k∣∣∣(aa∗ + a∗a) =Ec

�k∣∣∣�k∣∣∣ .Die allgemeine Losung der freien Maxwellschen Gleichungen erhalt man nunwie vorhin durch Superposition aller moglichen ebenen Wellen:

�E(t, �x) =∑�k,λ

N�k√V

(ei(

�k·�x−ω�kt)a�k,λ + e−i(

�k·�x−ω�kt)a∗�k,λ

)�ε�k,λ,

�B(t, �x) =∑�k,λ

N�k√V

(ei(

�k·�x−ω�kt)a�k,λ + e−i(

�k·�x−ω�kt)a∗�k,λ

) �k∣∣∣�k∣∣∣ × �ε�k,λ.

Dabei bezeichnet der Index λ = 1, 2 die beiden moglichen Polarisationsrichtun-

gen. Die Vektoren �ε�k,1 und �ε�k,2 bilden zusammen mit �k/∣∣∣�k∣∣∣ eine Orthonormalbasis

im dreidimensionalen Raum. Die Gesamtenergie des im Volumen V befindlichenelektromagnetischen Feldes ist

E =∑�k,λ

N 2�k(a�k,λa

∗�k,λ

+ a∗�k,λa�k,λ)

und der Impuls des Feldes ist durch

�P =∑�k,λ

N 2�k

c(a�k,λa

∗�k,λ

+ a∗�k,λa�k,λ)�k∣∣∣�k∣∣∣

gegeben.

Das freie elektromagnetische Feld kann man daher als System von unendlichvielen ungekoppelten harmonischen Oszillatoren interpretieren. Zu jedem (�k, λ)

gibt es einen derartigen Oszillator mit Kreisfrequenz ω�k = c∣∣∣�k∣∣∣.

40 KAPITEL 5. PHOTONEN

5.3 Feldquantisierung

Die Quantisierung des freien elektromagnetischen Feldes ist nun kein Problemmehr, wir wissen ja bereits wie man einen harmonischen Oszillator quantisiert!Wir befordern die Fourierkoeffizienten a∗�k,λ, a�k,λ zu Erzeugungs- und Vernich-

tungsperatoren (Leiteroperatoren) a†�k,λ, a�k,λ. Wenn wir die noch unbestimmten

Normierungsfaktoren N�k,λ so wahlen, dass

N 2�k

= hω�k/2

ist, dann mussen die Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren die Vertauschungs-relationen [

a�k,λ, a†�k′,λ′

]= δ�k�k′δλλ′ ,

[a�k,λ, a�k′,λ′

]= 0

erfullen. Aus dem Ausdruck fur die Gesamtenergie des Systems wird nun derHamiltonoperator∑

�k,λ

hω�k2

(a�k,λa†�k,λ

+ a†�k,λa�k,λ) =∑�k,λ

hω�k2

+∑�k,λ

hω�k a†�k,λa�k,λ.

Die hier auftretende unendlich große Energie des Grundzustands (Vakuumener-gie) kann man durch eine Verschiebung des Energienullpunktes loswerden. Mandefiniert einfach

H =∑�k,λ

hω�k a†�k,λa�k,λ

als Hamiltonoperator. Ganz analog kann man den Impulsoperator des elektroma-gnetischen Feldes in der Form

�P =∑�k,λ

h�k a†�k,λa�k,λ

schreiben.

Aufgabe: Man kann leicht uberprufen, dass man auf diese Weise das freie elek-tromagnetische Feld

”richtig“ quantisiert hat. In dem hier verwendeten Heisen-

bergbild erfolgt die Zeitentwichklung einer Observablen A(t) gemaß der Heisen-bergschen Bewegungsgleichung

dA(t)

dt=i

h[H,A(t)] .

Berechnen Sie die Kommutatoren[H, �E(t, �x)

],

[H, �B(t, �x)

]und verifizieren Sie, dass die entsprechenden Heisenbergschen Bewegungsglei-chungen tatsachlich das von den Maxwellschengleichungen geforderte zeitlicheVerhalten der Operatoren fur das elektrische und magnetische Feld ergeben.

5.4. TEILCHENINTERPRETATION 41

5.4 Teilcheninterpretation

Der Grundzustand |0〉 des Hamiltonoperators des elektromagnetischen Feldes,

H =∑�k,λ

hω�k a†�k,λa�k,λ,

ist durcha�k,λ|0〉 = 0 ∀�k, λ

bestimmt. Somit istH|0〉 = 0, �P |0〉 = �0,

das heißt die Energie und der Impuls des Grundzustandes sind Null. Wendet manden Erzeugungsoperator a†�k,λ auf |0〉 an, so erhalt man wieder einen Eigenzustand

von H und �P ,

Ha†�k,λ|0〉 = hω�ka†�k,λ

|0〉, �Pa†�k,λ|0〉 = h�ka†�k,λ|0〉,

mit Energieeigenwert

E = hω�k = hc∣∣∣�k∣∣∣

und Impulseigenwert�p = h�k,

das heißt E und �p erfullen die Energie-Impulsbeziehung eines masselosen Teil-chens:

E = c |�p | .Die Anregungen des quantisierten elektromagnetischen Feldes konnen also alsmasselose Teilchen interpretiert werden, man nennt sie Photonen (oder Licht-quanten). Der Grundzustandsvektor |0〉 entspricht der Situation, dass keine Pho-tonen vorhanden sind, man bezeichnet diesen Zustand auch als Vakuumzustand.Der Zustandsvektor

a†�k,λ|0〉

beschreibt einen Zustand mit einem einzigen Photon, das den Impuls �p = h�k unddie Polarisation λ besitzt. Der Vektor

a†�k1,λ1a†�k2,λ2

|0〉, (�k1, λ1) �= (�k2, λ2)

beschreibt einen Energie-Impuls-Eigenzustand mit zwei Photonen:

Ha†�k1,λ1a†�k2,λ2

|0〉 = (hω�k1 + hω�k2)a†�k1,λ1

a†�k2,λ2|0〉,

�Pa†�k1,λ1a†�k2,λ2

|0〉 = (h�k1 + h�k2)a†�k1,λ1

a†�k2,λ2|0〉.

42 KAPITEL 5. PHOTONEN

Allgemein beschreibt

|n�k1,λ1, n�k2,λ2

, . . .〉 =(a†�k1,λ1

)n�k1,λ1

n�k1,λ1!

(a†�k2,λ2)n�k2,λ2

n�k2,λ2!

. . . |0〉

einen Energie-Impuls-Eigenzustand von n�k1,λ1Photonen mit gleichen Impulsen

h�k1 und Polarisationen λ1, n�k2,λ2Photonen mit Impulsen h�k2 und Polarisatio-

nen λ2, und so weiter. Da Photonen Bosonen sind, konnen beliebig viele vonihnen im gleichen Einteilchenzustand sitzen. Ein beliebiger Zustandsvektor desPhotonfeldes lasst sich nun als Linearkombination der so konstruierten Basis derEnergie-Impuls-Eigenvektoren erhalten.

Kapitel 6

Plancksches Strahlungsgesetz

6.1 Hohlraumstrahlung

Wir haben im vorigen Kapitel das freie elektromagnetische Feldes in einem Wurfelmit Kantenlange L und periodischen Randbedingungen betrachtet. Die vorliegen-de Situation lasst sich auch so interpretieren, dass man die einander gegenuberliegenden Wurfelflachen identifiziert. Hatten wir den Fall von nur einer Raumdi-mension, so ergabe sich (topologisch gesehen) ein Kreisring, bei zwei Raumdimen-sionen ein Torus. Klassifiziert man die Eigenschwingungen nach ebenen Wellender Form

exp(ikxx) exp(ikyy) exp(ikzz)

so kann der Wellenzahlvektor �k die moglichen Werte

kx = 2π�x/L, ky = 2π�y/L, kz = 2π�z/L, �x,y,z ∈ �

annehmen. Bei vorgegebenem �k konnen zwei Ploarisationsrichtungen (λ = 1, 2)auftreten. Die dazugehorige Kreisfrequenz ist durch

ω�k = c∣∣∣�k∣∣∣ = c

√k2x + k2

y + k2z =

2πc

L

√�2x + �2y + �2z

gegeben. Wir wollen nun die Anzahl der Schwingungsmoden mit Kreisfrequenz imIntervall [ω, ω+ dω] bestimmen. Dazu zahlen wir die Anzahl der

”Gitterpunkte“

�� ∈ �3, die sich im Gebiet(

2πc

)2

≤ �2x + �2y + �2z ≤(L(ω + dω)

2πc

)2

43

44 KAPITEL 6. PLANCKSCHES STRAHLUNGSGESETZ

befinden, ab. Das Ergebnis mussen wir dann noch mit zwei multiplizieren, umdie zwei moglichen Polarisationsrichtungen zu berucksichtigen:

2︸︷︷︸Pol.

× 4π

(Lω

2πc

)2

︸ ︷︷ ︸Kugeloberflache

× Ldω

2πc︸︷︷︸Schichtdicke

=V ω2dω

π2c3.

Bemerkung: Man kann diese Formel auch so herleiten: Wir berechnen die An-zahl der Schwingungsmoden N (ω) mit Kreisfrequenz ≤ ω. N (ω) ist einfach dasdoppelte Volumen einer Kugel mit Radius Lω/2πc:

N (ω) = 2 × 4π

3

(Lω

2πc

)3

=V ω3

3π2c3.

Durch Berechnen von

N (ω + dω) −N = N ′(ω)dω =V ω2dω

π2c3

erhalten wir das gleiche Ergebnis wie vorhin.

Aufgabe: Betrachten Sie statt periodischer Randbedingungen den Fall stehen-der elektromagnetische Wellen

∼ sin(kxx) sin(kyy) sin(kzz)

in einem Wurfel mit der Kantenlange L. Man sich die Situation vorstellen , dassdas elektromagnetische Feld in einem Hohlraum mit ideal reflektierendenWanden eingeschlossen ist. Zeigen Sie, dass sich die Eigenschwingungen des Feldesdurch

kx = mxπ/L, ky = myπ/L, kz = mzπ/L, mx,y,z ∈ �,sowie durch die Angabe der Polarisationsrichtung λ (λ = 1, 2) klassifizieren las-sen. Die dazugehorige Kreisfrequenz ist wieder durch

ω�k = c∣∣∣�k∣∣∣ = c

√k2x + k2

y + k2z

gegeben. Ermitteln Sie die Anzahl der ,,Punkte“ (�k, λ), deren Kreisfrequenz imIntervall [ω, ω + dω] liegt. Sie werden feststellen, dass Sie das gleiche Ergebniswie im Fall periodischer Randbedingungen erhalten. (Die Anzahl der moglichenSchwingungsmoden in einem Volumen V ist von der Wahl der Randbedingungenunabhangig.)

Nach der Quantentheorie des elektromagnetischen Feldes (Quantenelektrodyna-

mik) entspricht jedem erlaubten (�k, λ) ein Ein-Photon-Zustand mit der EnergieE�k = hω�k. Da die Energie des Teilchens in diesem Zustand einen scharfen Wert

6.1. HOHLRAUMSTRAHLUNG 45

hat, spricht man auch von einem Energieeigenzustand. Im Fall der periodischenRandbedingungen hat auch der Impuls des entsprechenden Photons einen schar-fen Wert, namlich gerade �p = h�k. Diese Zustande sind also auch Impulseigen-zustande. Dagegen entsprechen den stehenden Wellen im Fall des Hohlraums mitreflektierenden Wanden zwar Energieeigenzustande, jedoch keine Impulseigen-zustande, sondern Uberlagerungen von Zustanden mit entgegengestztem Impuls.

Formuliert in der Sprache der Quantentheorie, haben wir also die Anzahl derEnergieeigenzustande eines Photons, das sich in einem Gebiet mit dem VolumenV = L3 befindet, im Energieintervall [E,E + dE] bestimmt. Das Ergebnis warvon der Wahl der Randbedingungen unabhangig.

Befindet sich das Photonsystem im thermischen Gleichgewicht bei einer Tempe-ratur T , so ist die mittlere Besetzungszahl des Einteilchenzustands

a†�k,λ|0〉durch

n�k,λ =1

eβhω�k − 1

gegeben (Bose-Einstein-Statistik mit μ = 0). Fur die mittlere Energiedichte(Energie/Volumen) der Hohlraumstrahlung. die von den Photonen im Kreisfre-quenzintervall [ω, ω + dω] herruhrt den Ausdruck

u(ω, T )dω =hω

eβhω − 1

ω2dω

π2c3=

h

π2c3ω3dω

eβhω − 1.

Verwendet man die dimensionslose Große

η = βhω =hω

kT,

so ergibt sich der Ausdruck

u(ω, T )dω =h

π2c3

(kT

h

)4η3dη

eη − 1.

Durch Integration uber alle Frequenzen gelangt man zur totalen Energiedichte:

u(T ) =

∞∫0

dω u(ω, T )

=h

π2c3

(kT

h

)4∞∫

0

dηη3

eη − 1︸ ︷︷ ︸π4/15

=π2

15

k4

(hc)3T 4.

46 KAPITEL 6. PLANCKSCHES STRAHLUNGSGESETZ

Diese Formel wird als Stefan1-Boltzmann-Gesetz bezeichnet.

Fur kleine Frequenzen

η =hω

kT� 1

kann man die Naherung

eη � 1 + η

verwenden und erhalt aus dem allgemeinen Ausdruck fur u(ω, T )dω die Ray-leigh2-Jeans3-Formel

u(ω, T )dω � kT × ω2dω

π2c3(fur hω � kT )

Diese von h unabhange Naherungsformel lasst mit Hilfe der klassischen Elektro-dynamik so verstehen: Jeder Schwingungsfreiheitsgrad gibt einen Beitrag kT zurmittleren Energie des Systems, multipliziert mit der Anzahl der Schwingungsmo-den im Intervall [ω, ω+dω] ergibt sich der obige Ausdruck. Sie zeigt die Grenze derAnwenbarkeit der klassischen Elektrodynamik. Wurde man die Rayleigh-Jeans-Formel fur beliebig große Frequenzen ernst nehmen, so ergabe sich ein divergenterAusdruck fur die totale Energiedichte:

kT

π2c3

∞∫0

dω ω2 = ∞.

Dies wird auch als Ultraviolett-Katastrophe der klassischen Elektrodynamik be-zeichnet. Wir haben oben gesehen, wie die Quantentheorie dieses Problem lost.

Der sogenannte Wiensche4 Grenzfall ergibt sich fur große Frequenzen (η � 1):

u(ω, T )dω � h

π2c3ω3e−hω/kTdω (fur hω � kT )

Oft wird statt u(ωT )dω die Energieverteilung f(λ, T ) bezuglich der Wellenlangeλ = 2πc/ω verwendet:

ω =2πc

λ⇒ dω = −2πc

λ2dλ

⇒ f(λ, T )dλ =8πch

λ5

ehc/λkT − 1.

1Josef Stefan, 1835 St. Peter (Klagenfurt) – 1893 Wien.2John Rayleigh, 1842 Langford Grove – 1919 Terlin Place.3James Jeans, 1877 London – 1948 Dorking.4Benannt nach Wilhelm Wien, 1864 Fischhausen – 1928 Munchen.

6.2. STRAHLUNGSDRUCK 47

Wir wollen nun jene Wellenlange λmax finden, fur welche die Funktion f(λ, T )(bei festgehaltener Temperatur T ) ihr Maximum annimmt:

∂f (λ, T )

∂λ

∣∣∣∣λ=λmax

= 0 ⇒ 5 =hc

λmaxkT

1

1 − e−hc/λmaxkT.

Mit Hilfe der Abkurzung

η =hc

λmaxkT

konnen wir diese Gleichung in der Form

5[1 − exp(−η)] = η

schreiben. Der (nichtriviale) Fixpunkt der Funktion

η → 5[1 − exp(−η)]

lasst sich durch Iteration ermitteln. Mit dem Startwert η0 = 4.9 erhalt man bereitsnach der vierten Iteration eine Genauigkeit von 6 Stellen nach dem Dezimalpunkt:

η = 4.965114.

Damit erhalt man das Wiensche Verschiebungsgesetz

λmaxT = 2.89777 × 10−3 m K

Als einfache Anwendung des Wienschen Verschiebungsgesetzes wollen wir dieOberflachentemperatur der Sonne bestimmen. Die Intensitatsverteilung der elek-tromagnetischen Strahlung in der Photosphare der Sonne entspricht in guterNaherung der besprochenen Spektralverteilung mit λmax ≈ 500 nm. Somit erhaltman fur die Oberflachentemperatur der Sonne den Wert

T =2.9 × 10−3 m K

500 × 10−9 m= 5800 K

6.2 Strahlungsdruck

Den von einem Photonengas auf eine Wand ausgeubten mittleren Druck erhaltman mit Hilfe der Formel

p =∑�k,λ

n�k,λ

(−∂E�k∂V

).

48 KAPITEL 6. PLANCKSCHES STRAHLUNGSGESETZ

Da die Abhangigkeit der Energie des Photons vom Volumen V durch

E�k =hcπ

L|�m| =

hcπ

V 1/3|�m|

gegeben ist, erhalten wir

−∂E�k∂V

=1

3

E�kV

und daher

p =E

3V=

1

3u(T ).

6.3 Schwarzer Strahler

Ein kleines Loch in der Wand eines mit elektromagnetischer Strahlung (Photo-nen) erfullten Hohlraumes (Temperatur T ) ergibt einen sogenannten schwarzenStrahler. Der Grund fur diese Bezeichnung ist der, dass von außen durch dasLoch eindringende Strahlung vollstandig absorbiert wird. Das Loch eines schwar-zen Strahlers der Temperatur T = 0 erscheint vollstandig schwarz.

Wir wollen die von einer Offnung mit der Flache dA in das Kreisfrequenzintervall[ω, ω+dω] abgegebene Strahlungleistung P(ω, T ) dω dA. Die Anzahl der Zustandepro Volumen in

[kx, kx + dkx] × [ky, ky + dky] × [kz, kz + dkz]

ist

2 × dlxdlydlzV

= 2 × d3k

(2π)3.

Die mittlere Photonendichte im obigen �k-Bereich ist daher

2d3k

(2π)3

1

eβhω − 1= 2

k2 dk dΩ

(2π)3

1

eβhω − 1, ω = c

∣∣�k∣∣,wobei auf der rechten Seite Kugelkoordinaten verwendet wurden.

Somit erhalten wir

P(ω, T ) dω dAdt =2

(2π)3k2dk

2π∫0

︸ ︷︷ ︸2π

π/2∫0

dθ sin θ cos θ

︸ ︷︷ ︸1/2

c dt dAhω

eβhω − 1

=h

4π2c2ω3 dω

eβhω − 1dAdt =

c

4u(ω, T ) dω dAdt.

6.3. SCHWARZER STRAHLER 49

���������

���������

c dt cos θθ

dA

Das heißt also,

P(ω, T ) =c

4u(ω, T ).

Die Gesamtleistung der von einem schwarzen Strahler pro Flache abgegebenenStrahlung erhalten wir durch Integration uber alle Frequenzen:

∞∫0

dωP(ω, T ) =c

4

∞∫0

dω u(ω, T ) =c

4u(T ) =

c

4

π2

15

(kT )4

(hc)3

P(T ) ist also proportional zur vierten Potenz der absoluten Temperatur,

P(T ) =π2k4

60h3c2︸ ︷︷ ︸σ

T 4,

der Proportionalitatsfaktor

σ =π2k4

60h3c2= 5.67 × 10−8 W m−2 K−4

wird als Stefan-Boltzmann-Konstante bezeichnet.

Bemerkung: Die Strahlungsleistung eines beliebigen Korpers mit TemperaturT ist durch a(ω)P(ω, T ) gegeben, wobei a(ω) der Absorptionskoeffizient desbetreffenden Korpers fur elektromagnetische Strahlung mir Kreisfrequenz ω ist.Der schwarze Korper mit a(ω) = 1 entspricht maximalem Absorptionsvermogenfur einfallende Strahlung und damit maximalem Emissionsvermogen bei vorge-gebener Temperatur.

Beispiel: Die Strahlungsleistung der Sonne betragt

σ T 4 4π R2

= 5.67 × 10−8 (5800)4 4π (6.961 × 108)2 W = 3.9 × 1026 W.

50 KAPITEL 6. PLANCKSCHES STRAHLUNGSGESETZ

Fur die Solarkonstante erhalt man bei einem mittleren Radius der Erdbahnr � 1.5 × 1011 m den Wert

σ T 4 4π R2

4π r2

= σ T 4

(Rr

)2

� 1.38 × 103 W m−2

Das heißt, der Energiefluss der Sonne auf die Erde betragt (vor dem Durchgangdurch die Atmosphare) etwa 1.38 kW m−2.

Aufgabe: Geben Sie eine großenordnungsmaßige Abschatzung der entsprechen-den Anzahl von Photonen pro Zeit und Flache.

6.4 Oberflachentemperatur von Planeten

Der Zusammenhang zwischen der Oberflachentemperatur der Sonne (T �5800 K) und der Oberflachentemperatur eines Planeten (TP) kann naherungs-weise durch folgende Uberlegung erhalten werden: Man fasst sowohl die Sonneals auch den Planeten als schwarze Strahler auf und nimmt weiters an, dass diegesamte von der Sonne auf den Planeten eingestrahlte Leistung auch wieder ab-gestrahlt wird. Weiters ist zu beachten, dass der Planet nur auf der der Sonnezugewandten Seite Strahlung aufnehmen kann, diese jedoch (falls Tag � Jahr)in alle Richtungen abgibt.

Bezeichnungen:

T . . . Temperatur der Sonne

TP . . . Temperatur des Planeten

R . . . Radius der Sonne

LP . . . (mittlerer) Abstand Planet − Sonne

RP . . . Radius des Planeten

σ . . . Stefan−Boltzmann−Konstante

von der Sonne abgestr.Leistung︷ ︸︸ ︷σT 4

4π R2 × R2

4πL2P︸ ︷︷ ︸

vom Planeten aufgenommene Leistung

= σ T 4P 4π R2

P︸ ︷︷ ︸vom Planeten abgestrahlte Leistung

⇒ das Endergebnis hangt nicht von σ und auch nicht vom Radius des Planetenab:

TP =

√R2LP

T, T � 5800 K, R = 6.961 × 108 m.

6.4. OBERFLACHENTEMPERATUR VON PLANETEN 51

Erde: L = 1.496 × 1011 m ⇒ T � 280 K = 7◦C

Venus: L = 1.082 × 1011 m ⇒ T � 392 K = 56◦C

Mars: L = 2.279 × 1011 m ⇒ T � 227 K = −46◦C

Merkur: L � 0.5 × 1011 m. In diesem Fall ist die obige Formel nicht gut, da einMerkurtag 59 Erdtage betragt, das Merkurjahr jedoch 88 Erdtage. Man verwen-det daher

TMerkur =

√R

LMerkur

T � 635 K.

(Die tatsachliche Maximaltemperatur auf dem Merkur betragt etwa 700 K).

52 KAPITEL 6. PLANCKSCHES STRAHLUNGSGESETZ

Anhang A

Unitare Vektorraume

Die Verwendung des Grundkorpers der komplexen Zahlen besitzt eine Reihe vonrechentechnischen Vorteilen. Will man etwa die Eigenwerte einer n × n-Matrixbestimmen, so besitzt das dazugehorige charakteristische Polynom uber � stetsn (eventuell teilweise zusammenfallende) Nullstellen, was uber � ja bekanntlichnicht der Fall zu sein braucht. Daruberhinaus ist die Theorie der unitaren Vek-torraume in der Physik von allergroßter Bedeutung, handelt es sich dabei dochum jene mathematischen Methoden, die in der Quantentheorie ihre naturlicheAnwendung finden. Wir beschranken uns hier ausschließlich auf den endlichdi-mensionalen Fall. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass die hier dargestellteTheorie ihre volle Bedeutung erst im unendlichdimensionalen Fall erlangt, wo sieim Rahmen der Funktionalanalysis in die Theorie der (unendlichdimensionalen)Hilbertraume ubergeht.

A.1 Komplexes Skalarprodukt

Definition: Ein (endlichdimensionaler) Vektorraum H uber � heißt unitar(oder endlichdimensionaler Hilbertraum), wenn ∀ϕ, ψ ∈ H ein Skalarprodukt(inneres Produkt) 〈ϕ | ψ〉 ∈ H definiert ist mit den folgenden Eigenschaften:

1. 〈ϕ | c1ψ1 + c2ψ2〉 = c1〈ϕ | ψ1〉 + c2〈ϕ | ψ2〉, ∀ϕ, ψ1,2 ∈ H, ∀ c1,2 ∈ �

2. 〈ϕ | ψ〉 = 〈ψ | ϕ〉∗

3. 〈ψ | ψ〉 ≥ 0, 〈ψ | ψ〉 = 0 ⇔ ψ = 0

Bemerkungen: 〈ϕ | ψ〉 ist sesquilinear, d.h. linear in der zweiten Variablen

53

54 ANHANG A. UNITARE VEKTORRAUME

und antilinear in der ersten Variablen, da

〈c1ϕ1 + c2ϕ2 | ψ〉 = 〈ψ | c1ϕ1 + c2ϕ2〉∗= c∗1〈ψ | ϕ1〉∗ + c∗2〈ψ | ϕ2〉∗= c∗1〈ϕ1 | ψ〉 + c∗2〈ϕ2 | ψ〉.

Wir verwenden hier die in der physikalischen Literatur ublichen Konventionen. Inder mathematischen Literatur ist das innere Produkt oft in der ersten Variablenlinear und in der zweiten antilinear. Weiters findet man dort haufig die Schreib-weise z statt z∗ fur die zur komplexen Zahl z = a + ib (a, b ∈ �) konjugiertkomplexe Zahl z∗ = a− ib.

Beispiele fur unitare Vektorraume:

1. Un = �n mit dem Skalarprodukt

〈x | y〉 =

n∑k=1

x∗kyk.

2. Der Vektorraum, der auf [a, b] ⊂ � definierten komplexen Polynome vomGrad ≤ n,

p(x) =

n∑k=0

ckxk, ck ∈ �, x ∈ [a, b]

mit dem inneren Produkt

〈p | q〉 =

b∫a

dx p(x)∗q(x).

3. Der Vektorraum der komplexwertigen Funktionen der Form

ψ(x) =N∑

n=−Ncne

2πinx, cn ∈ �,

auf dem Intervall [0, 1] mit dem Skalarprodukt

〈ϕ | ψ〉 =

1∫0

dxϕ(x)∗ψ(x).

A.2. NORM 55

4. Der Vektorraum der komplexwertigen Funktionen der Form

ϕ(x) = e−x2/2p(x)

auf �, wobei p(x) ein Polynom vom Grad ≤ n ist, mit dem Skalarprodukt

〈ϕ | ψ〉 =

∞∫−∞

dxϕ(x)∗ψ(x)

=

∞∫−∞

dx e−x2

p(x)∗q(x),

wobei ψ(x) = e−x2/2q(x).

A.2 Norm

In einem unitaren Vektorraum H definiert man die Norm ‖ψ‖ eines Elementesψ ∈ H durch

‖ψ‖ =√

〈ψ|ψ〉.Fur das Skalarprodukt gilt die Ungleichung von Cauchy-Schwarz:

|〈ϕ | ψ〉| ≤ ‖ϕ‖‖ψ‖.

Beweis: Fur ϕ = 0 oder ψ = 0 ist die Ungleichung trivialerweise erfullt. Mankann sich daher auf den Fall ϕ �= 0 ∧ ψ �= 0 beschranken. Es sei ε ∈ � (|ε| = 1)so gewahlt, dass

ε〈ϕ | ψ〉 = |〈ϕ | ψ〉| ⇒ ε∗〈ϕ | ψ〉∗ = |〈ϕ | ψ〉| .

⇒ 0 ≤⟨

ϕ

‖ϕ‖ − εψ

‖ψ‖

∣∣∣∣∣ ϕ‖ϕ‖ − εψ

‖ψ‖

⟩= 2 − ε〈ϕ|ψ〉

‖ϕ‖‖ψ‖ − ε∗〈ψ|ϕ〉‖ϕ‖‖ψ‖

= 2

(1 − |〈ϕ|ψ〉|

‖ϕ‖‖ψ‖)

⇒ |〈ϕ|ψ〉| ≤ ‖ϕ‖‖ψ‖.

Eigenschaften der Norm:

1. ‖ψ‖ ≥ 0, ‖ψ‖ = 0 ⇔ ψ = 0

56 ANHANG A. UNITARE VEKTORRAUME

2. ‖aψ‖ = |a|‖ψ‖ ∀ a ∈ �, ∀ψ ∈ H3. ‖ϕ+ ψ‖ ≤ ‖ϕ‖ + ‖ψ‖

Beweis: Die ersten beiden Eigenschaften folgen unmittelbar aus der Definitionder Norm. Die dritte Eigenschaft (Dreiecksungleichung) ergibt sich aus derUngleichung von Cauchy-Schwarz:

‖ϕ+ ψ‖2 = 〈ϕ+ ψ|ϕ+ ψ〉 = 〈ϕ|ϕ〉 + 〈ψ|ψ〉 + 2Re〈ϕ|ψ〉≤ ‖ϕ‖2 + ‖ψ‖2 + 2‖ϕ‖‖ψ‖ = (‖ϕ‖ + ‖ψ‖)2.

Definition: Ein Vektor ψ heißt normiert oder Einheitsvektor, wenn ‖ψ‖ = 1ist. Zwei Vektoren ϕ, ψ heißen orthogonal, wenn 〈ϕ|ψ〉 = 0 ist.

Beispiel: Wir betrachten in dem Vektorraum der komplexen Polynome vom Grad≤ n auf [0, 1] mit dem inneren Produkt

〈p|q〉 =

1∫0

dx p(x)∗q(x)

die Elemente p0(x) = 1, p1(x) = x und p2(x) = x2. p0,√

3p1 und√

5p2 sindEinheitsvektoren, p0 und p1 sind nicht orthogonal, jedoch sind p0 und p0 − 2p1

orthogonal.

In einem unitaren Vektorraum gilt die sogenannte Polarisierungsidentitat:

〈ψ | ϕ〉 =1

4

4∑k=1

ik‖ϕ+ ikψ‖2

A.3 Lineare Abbildungen

U und V seien Vektorraume uber dem Grundkorper der komplexen Zahlen. EineAbbildung A : U → V heißt linear, falls

A(c1ψ1 + c2ψ2) = c1Aψ1 + c2Aψ2 ∀ c1,2 ∈ �, ∀ψ1,2 ∈ U .

Die Menge aller linearen Abbildungen von U nach V bezeichnen wir mit L(U ,V).Falls die Raume U und V ubereinstimmen, schreiben wir L(U ,U) = L(U). Ist

V = � (also der Grundkorper), schreibt man L(U ,�) = U . U wird Dualraum

von U genannt, die Elemente von U heißen lineare Funktionale.

A.4. ADJUNGIERTE ABBILDUNG 57

Ist {ϕ1, . . . , ϕn} eine Basis von U und {χ1, . . . , χm} eine Basis von von V, dannlasst sich die Wirkung einer linearen Abbildung A ∈ L(U ,V) auf die Basisvekto-ren {ϕ1, . . . , ϕn} eindeutig bezuglich der Basis {χ1, . . . , χm} zerlegen:

Aϕl =

m∑k=1

χkAkl, 1 ≤ l ≤ n, Akl ∈ �.

Die m × n Matrix (Akl) bezeichnet man als Matrixdarstellung der linearen Ab-bildung A bezuglich der gewahlten Basissysteme.

A.4 Adjungierte Abbildung

Die Rolle der transponierten Matrix AT wird im komplexen Fall durch die ad-jungierte Matrix A† = (AT )∗ ubernommen. Die Operation A ∈ L(Un, Um) →A† ∈ L(Um, Un) besitzt die folgende Eigenschaften:

(c1A1 + c2A2)† = c∗1A

†1 + c∗2A

†2, c1,2 ∈ �

(AB)† = B†A†, A†† = A

Fasst man im Raum Un ein Element

x =

⎛⎜⎝ x1...xn

⎞⎟⎠als n× 1-Matrix auf, dann ist

x† = (x∗1, . . . , x∗n)

und das Skalarprodukt kann in Matrixnotation

〈x | y〉 = x†y

geschrieben werden. Die Abbildung x �→ x† stellt eine”Identifizierung“ des Un

mit seinem Dualraum Un dar, allerdings ist diese”Identifizierung“ nicht linear:

(c1x1 + c2x2)† = c∗1x

†1 + c∗2x

†2

Das Konzept der adjungierten Abbildung kann nun leicht auf den allgemeinen Falleines beliebigen unitaren Raumes H erweitert werden. Da wir ein Skalarproduktzur Verfugung haben, konnen wir H mit seinem Dualraum H auf kanonischeWeise

”identifizieren“ . Dazu ordnen wir jedem ϕ ∈ H das Funktional ϕ† ∈ H zu,

welches durchϕ†ψ = 〈ϕ | ψ〉 ∀ψ ∈ H

58 ANHANG A. UNITARE VEKTORRAUME

definiert ist. Diese Abbildung fuhrt linear unabhangige Vektoren wieder in linearunabhangige Vektoren uber und ist injektiv. Da die Dimension von H mit derseines Dualraums ubereinstimmt, ist sie auch surjektiv. Die inverse Abbildungbezeichnen wir ebenfalls mit †, sodass ϕ†† = ϕ gilt.

Seien U und V unitare Vektorraume und A : U → V eine lineare Abbildung. Diezu A adjungierte Abbildung A† : V → U ist durch

〈A†ϕ | ψ〉U = 〈ϕ | Aψ〉V ∀ψ ∈ U , ∀ϕ ∈ Vdefiniert. Diese Definition ist aquivalent mit

A†ϕ = (ϕ†A)† ∀ϕ ∈ V.Die so definierte Abbildung ist wohldefiniert und linear, da

A†(c1ϕ1 + c2ϕ2) =((c1ϕ1 + c2ϕ2)

†A)†

=((c∗1ϕ

†1 + c∗2ϕ

†2)A)†

= c1(ϕ†1A)† + c2(ϕ

†2A)†

= c1A†ϕ1 + c2A

†ϕ2 ϕ1,2 ∈ V, c1,2 ∈ �.

Eigenschaften der adjungierten Abbildung:

1. (c1A1 + c2A2)† = c∗1A

†1 + c∗2A

†2, c1,2 ∈ �, A1,2 ∈ L(U ,V).

2. A†† = A, A ∈ L(U ,V).

3. (BA)† = A†B†, A ∈ L(U ,V), B ∈ L(V,W).

A.5 Orthonormalbasis

Bezuglich einer ONB {ϕ1, . . . , ϕn} eines n-dimensionalen unitaren VektorraumesH lasst sich jedes ψ ∈ H in der Form

ψ =

n∑k=1

ϕkck

schreiben, wobei die Entwicklungskoeffizienten ck ∈ � eindeutig durch

ck = 〈ϕk | ψ〉 = ϕ†kψ

gegeben sind. Das heißt, dass

ψ =

n∑k=1

ϕkϕ†kψ ∀ψ ∈ H,

A.5. ORTHONORMALBASIS 59

und man erhalt somit die Vollstandigkeitsrelation fur den Fall eines unitarenVektorraumes:

n∑k=1

ϕkϕ†k = 1.

Das bedeutet, dass eine Menge von n Vektoren {ϕ1, . . . , ϕn} in einem n-dimensionalen unitaren Vektorraum H genau dann eine ONB von H ist, fallsdie Bedingungen

〈ϕk | ϕl〉 = δkl,n∑k=1

ϕkϕ†k = 1

erfullt sind.

Beispiel: Verifizieren Sie die oben angegebenen Eigenschaften fur die folgendeONB von U2:

1√2

(1i

),

1√2

(i1

).

Bemerkung: Die Funktionen en(x) = e2πinx (−N ≤ n ≤ N) bilden eine ONBdes im Abschnitt A.1 in Beispiel 3 angegebenen unitaren Vektorraumes. Ausdiesem Grund lassen sich die Entwicklungskoeffizienten cn in der Form

cn = 〈en | ψ〉 =

1∫0

dx e−2πinxψ(x)

schreiben. Im (formalen) Limes N → ∞ erhalt man die Fourierreihe

ψ(x) =∑n∈�

cne2πinx.

Das Gram-Schmidtsche Orthonormalisierungsverfahren ist eine Methode,ausgehend von einer beliebigen Basis {χ1, . . . , χn} eines unitaren Vektorraumes,eine ONB (ein VONS) {ϕ1, . . . , ϕn} zu konstruieren.

ϕ1 =χ1

‖χ1‖

χ2 = ϕ1〈ϕ1|χ2〉︸ ︷︷ ︸‖ϕ1

+χ2 − ϕ1〈ϕ1|χ2)︸ ︷︷ ︸⊥ϕ1

⇒ ϕ2 =χ2 − ϕ1〈ϕ1|χ2〉‖χ2 − ϕ1〈ϕ1|χ2〉‖

60 ANHANG A. UNITARE VEKTORRAUME

χ3 = ϕ1〈ϕ1|χ3〉 + ϕ2〈ϕ2|χ3〉︸ ︷︷ ︸liegt in dem von ϕ1, ϕ2

aufgespannten linearen Teilraum

+χ3 − ϕ1〈ϕ1|χ3〉 − ϕ2〈ϕ2|χ3〉︸ ︷︷ ︸⊥ϕ1,ϕ2

⇒ ϕ3 =χ3 − ϕ1〈ϕ1|χ3〉 − ϕ2〈ϕ2|χ3〉

‖χ3 − ϕ1〈ϕ1|χ3〉 − ϕ2〈ϕ2|χ3〉‖

usw. → VONS {ϕ1, . . . , ϕn}.Bemerkung: Aus diesem Resultat folgt auch unmittelbar, dass ein VONS stetsexistiert.

Ein beliebiger n-dimensionaler unitarer Vektorraum H unterscheidet sich ingewisser Weise nicht von einem Un. Wahlt man namlich in H eine ONB{ϕ1, . . . , ϕn}, so lasst sich jedes ψ ∈ H eindeutig in der Form

ψ =

n∑k=1

ϕkck, ck = 〈ϕk|ψ〉

schreiben. Der Vektor ψ ∈ H ist also (bei vorgegebener ONB) eindeutig durchdie n Zahlen ⎛⎜⎝ c1

...cn

⎞⎟⎠ ∈ Un

bestimmt. Diese Zuordnung

ψ ∈ H ↔

⎛⎜⎝ c1...cn

⎞⎟⎠ ∈ Un

respektiert sowohl die Vektoraddition, die Multiplikation mit Skalaren als auchdie Bildung des Skalarprodukts. Man sagt auch, dass jeder n-dimensionale unitareVektorraum isomorph zu Un ist.

Die Matrixdarstellung (Akl) einer linearen Abbildung A ∈ L(H) hatbezuglich einer ONB {ϕ1, . . . , ϕn} eine besonders einfache Form. Bildet mannamlich das Skalaprodukt von ϕk mit dem Ausdruck

Aϕl =

n∑j=1

ϕjAjl,

A.5. ORTHONORMALBASIS 61

so erhalt man

〈ϕk|Aϕl〉 = 〈ϕk|n∑j=1

ϕjAjl〉 =n∑j=1

Ajl 〈ϕk|ϕj〉︸ ︷︷ ︸δkj

= Akl.

Das heißt, man bildet einfach ein”Sandwich“ des Operators A zwischen den

Vektoren ϕk und ϕl um das Matrixelement Akl zu erhalten:

Akl = 〈ϕk | Aϕl〉 = ϕ†kAϕl.

Fur die Matrixelemente des zu A ∈ L(H) adjungierten Operators A† ∈ L(H)erhalt man daher bezuglich einer ONB

(A†)kl = 〈ϕk | A†ϕl〉 = 〈Aϕk | ϕl〉 = 〈ϕl | Aϕk〉∗ = A∗lk.

Das heißt, die Zeilen werden mit den Spalten vertauscht und die Matrixelementewerden komplex konjugiert.

Bemerkung: In der Physik wird oft die sogenannte Diracschreibweise verwen-det. Statt ψ ∈ H schreibt man dann |ψ〉 ∈ H (ket-Vektor) und fur ein Element

des Dualraums ψ† ∈ H verwendet man die Notation 〈ψ| (bra-Vektor). Die etwasseltsame Sprechweise kommt von dem englischen Wort bracket = Klammer =〈 | 〉. In der Diracschreibweise schreibt man z.B. die Vollstandigkeitsrelation als

n∑k=1

|ϕk〉〈ϕk| = 1,

oder oft in der Formn∑k=1

|k〉〈k| = 1,

wobei |k〉 kurz fur den Vektor |ϕk〉 der gewahlten ONB steht. Einige weitereBeispiele mit

”Ubersetzung“ :

|ϕ〉〈ψ| = ϕψ†

|k〉〈l| = |ϕk〉〈ϕl| = ϕkϕ†l

〈k|l〉 = 〈ϕk|ϕl〉 = ϕ†kϕl

〈k |A| l〉 = 〈ϕk |A|ϕl〉 = 〈ϕk | Aϕl〉 = Akl

62 ANHANG A. UNITARE VEKTORRAUME

A.6 Projektionsoperatoren

Sei M ein Teilraum eines unitaren Vektorraumes H. Dann bezeichnen wir mitM⊥ das orthogonale Komplement von M, welches aus allen Elementen ψ ∈H mit 〈ϕ|ψ〉 = 0 ∀ϕ ∈ M besteht. Dann ist M⊥ wieder ein Teilraum von Hund M∩M⊥ = {0}, denn

ψ1,2 ∈ M⊥ ⇒ 〈ϕ | c1ψ1 + c2ψ2〉 = c1〈ϕ | ψ1〉 + c2〈ϕ | ψ2〉 = 0

⇒ c1ψ1 + c2ψ2 ∈ M⊥,

ψ ∈ M∩M⊥ ⇒ 〈ψ︸︷︷︸∈M

| ψ〉︸︷︷︸∈M⊥

= 0 ⇒ ψ = 0.

Mit dem Skalarprodukt von H ist M selbst ein unitarer Raum. Daher besitzt Meine ONB {ϕ1, . . . ϕm}. Fur jeden Vektor ψ ∈ H sei

ψM =

m∑k=1

ϕk〈ϕk | ψ〉 =

m∑k=1

ϕkϕ†kψ

Dann ist ψM ∈ M und ψ − ψM ∈ M⊥, weil

〈ϕk | ψ − ψM〉 = 〈ϕk | ψ〉 − 〈ϕk | ψM〉

= 〈ϕk | ψ〉 −⟨ϕk |

m∑l=1

ϕl〈ϕl | ψ〉⟩

= 〈ϕk | ψ〉 −m∑l=1

〈ϕl | ψ〉 〈ϕk | ϕl〉︸ ︷︷ ︸δkl

= 〈ϕk | ψ〉 − 〈ϕk | ψ〉 = 0 ∀ k = 1, . . . , m

⇒ ψ = ψM + (ψ − ψM) mit ψM ∈ M und ψ − ψM = ψM⊥ ∈ M⊥. DieseDarstellung ist eindeutig, weil M ∩ M⊥ = {0} ist, d.h. H = M ⊕ M⊥ unddimM⊥ = dimH− dimM. Weiters ist M⊥⊥ = M fur jeden Teilraum M. Manbezeichnet ψM als die orthogonale Projektion von ψ auf den Teilraum M.

Aus der Gleichung

ψM =m∑k=1

ϕkϕ†kψ

sieht man, dass der Operator

PM =m∑k=1

ϕkϕ†k =

m∑k=1

|ϕk〉〈ϕk| ∈ L(H) (m ≤ dimH)

die Projektion ψ → ψM auf den m-dimensionalen Teilraum M bewerkstelligt,wobei PMM⊥ = 0. PM heißt daher (orthogonaler) Projektionsoperator oder

A.7. HERMITESCHE OPERATOREN 63

(orthogonaler) Projektor auf M. PM ist naturlich von der Wahl der ONB{ϕ1, . . . , ϕm} in M unabhangig.

Eigenschaften von PM:

1. P 2M = PM (idempotent) wegen PMψ = ψM, PMψM = ψM.

Anderer Beweis:

P 2M =

m∑k=1

ϕkϕ†k

m∑l=1

ϕlϕ†l =

m∑k,l=1

ϕk ϕ†kϕl︸︷︷︸δkl

ϕ†l =

m∑k=1

ϕkϕ†k = PM

2. P †M = PM (einen Operator mit dieser Eigenschaft nennt man hermitesch

oder selbstadjungiert).

P †M =

(m∑k=1

ϕkϕ†k

)†

=

m∑k=1

(ϕkϕ

†k

)†=

m∑k=1

ϕ††k ϕ

†k =

m∑k=1

ϕkϕ†k = PM

Umgekehrt definiert jeder Operator P ∈ L(H), der die Eigenschaften P 2 = Pund P † = P erfullt, durch sein Bild M = PH einen linearen Teilraum, wobeiPM⊥ = 0, da

〈χ | Pψ〉 = 〈P †χ | ψ〉 = 〈 Pχ︸︷︷︸∈M

| ψ〉 = 0 ∀ψ ∈ M⊥, ∀χ ∈ H

wobei P † = P verwendet wurde.

Bemerkung: PM⊥ = 1 − PM, PMPM⊥ = 0.

PM besitzt die Eigenwerte 0 (falls dimM < dimH = n) und 1, da PMϕ =ϕ, ∀ϕ ∈ M und PMψ = 0 ∀ψ ∈ M⊥ und H = M ⊕ M⊥. Man kanndie ONB {ϕ1, . . . , ϕm} von M (die aus n linear unabhangigen Eigenvektorenvon PM zum Eigenwert 1 besteht) durch die Hinzunahme einer beliebigen ONB{ϕm+1, . . . , ϕn} von M⊥ (die aus n−m linear unabhangigen Eigenvektoren vonPM zum Eigenwert 0 besteht) zu einem VONS {ϕ1, . . . , ϕm, ϕm+1, . . . , ϕn} desganzen Raumes H = M⊕M⊥ erganzen.

A.7 Hermitesche Operatoren

Definition: Ein Operator A ∈ L(H) (H ist ein unitarer Vektorraum) heißt her-mitesch oder selbstadjungiert, wenn A† = A ist.

64 ANHANG A. UNITARE VEKTORRAUME

Die Eigenwerte eines hermiteschen Operators sind reell: Sei ψ ∈ H ein Eigenvek-tror von A mit Eigenwert a (Aψ = aψ). Dann ist

〈ψ | Aψ〉 = 〈ψ | aψ〉 = a〈ψ | ψ〉.Andererseits ist wegen A† = A

〈ψ | Aψ〉 = 〈A†ψ | ψ〉 = 〈Aψ | ψ〉 = 〈aψ | ψ〉 = a∗〈ψ | ψ〉,und somit

(a− a∗)〈ψ | ψ〉 = 0.

Da ψ als Eigenvektor nicht der Nullvektor sein kann, ist auch 〈ψ | ψ〉 �= 0, worausa = a∗ ∈ � folgt.

Bemerkung: Die Umkehrung gilt nicht, das heißt ein Operator, der nur reelleEigenwerte besitzt, ist nicht notwendigerweise hermitesch. Gegenbeispiel im U2:

A =

(1 10 1

)�= A† =

(1 01 1

),

jedoch hat A den (einfach entarteten) Eigenwert 1.

Beispiele fur hermitesche Operatoren:

1. Die allgemeine Form einer hermiteschen Matrix im U2 ist

A =

(a c+ id

c− id b

), a, b, c, d ∈ �.

Uberzeugen Sie sich, dass die Eigenwerte von A tatsachlich reell sind.

2. Mit den orthogonalen Projektoren (P 2 = P, P † = P ) haben wir bereitsSpezialfalle von hermiteschen Operatoren kennengelernt. Man kann auchsagen, dass die Projektionsoperatoren genau jene hermiteschen Elementeaus L(H) sind, deren Eigenwerte 0 oder 1 sind.

3. In einem unitaren Vektorraum H mogen die Vektoren {ϕ1, . . . , ϕn} einVONS von H bilden. Dann ist

A =

n∑k=1

akϕkϕ†k =

n∑k=1

ak |ϕk〉〈ϕk| , ak ∈ �

ein hermitescher Operator. Die reellen Zahlen ak (k = 1, . . . , n) sind Eigen-werte von A und die ONB {ϕ1, . . . , ϕn} besteht aus Eigenvektoren von A.Wir werden spater sehen, dass sich jeder hermitesche Operator in der obenangegebenen Form (Spektraldarstellung) schreiben lasst.

A.8. UNITARE OPERATOREN 65

A.8 Unitare Operatoren

Definition: Ein Operator U ∈ L(H) (H ein unitarer Vektorraum) heißt unitar,falls U invertierbar ist mit U−1 = U † (d.h. U †U = UU † = 1).

Satz: Sei U ∈ L(H) (H ein unitarer Vektorraum). Dann sind die folgendenAussagen aquivalent:

1. U ist unitar.

2. 〈Uϕ | Uψ〉 = 〈ϕ | ψ〉 ∀ϕ, ψ ∈ H.

3. ‖Uψ‖ = ‖ψ‖ ∀ψ ∈ H.

4. U bildet jede ONB von H wieder auf eine ONB von H ab.

Bei dem Beweis dieses Satzes bereitet nur die Implikation 3 ⇒ 2 etwas Muhe.Nehmen wir an, dass ‖Uψ‖ = ‖ψ‖ ∀ψ ∈ H erfullt ist, so folgt unter Verwendungder Polarisierungsidentitat, dass

〈Uψ | Uϕ〉 =1

4

4∑k=1

ik‖Uϕ + ikUψ‖2

=1

4

4∑k=1

ik‖U(ϕ + ikψ)‖2

=1

4

4∑k=1

ik‖(ϕ+ ikψ)‖2

= 〈ψ | ϕ〉.

Sind U1, U2 ∈ L(H) zwei unitare Operatoren, dann ist auch das Produkt U1U2

ein unitarer Operator, da

(U1U2)−1 = U−1

2 U−11 = U †

2U†1 = (U1U2)

Die Eigenwerte eines unitaren Operators haben den Betrag eins, da

Uψ = uψ (ψ �= 0, u ∈ �) ⇒〈ψ | ψ〉 = 〈Uψ | Uψ〉 = 〈uψ | uψ〉 = |u|2 〈ψ | ψ〉︸ ︷︷ ︸

=0

⇒ |u| = 1

⇒ u = eiα, α ∈ �.

Das heißt, das Spektrum (die Menge der Eigenwerte) eines unitaren Operatorsist eine Teilmenge des Einheitskreises in der komplexen Zahlenebene.

Beispiele von unitaren Abbildungen:

66 ANHANG A. UNITARE VEKTORRAUME

1. Sei U eine unitare Matrix auf Un. Dann wird die Standardbasis {e1, . . . , en}(VONS von Un) in ein anderes VONS von Un {Ue1, . . . , Uen} = {f1, . . . , fn}ubergefuhrt. Wegen

∑nk=1 fkf

†k = 1 kann man schreiben:

U = U1 = Un∑k=1

eke†k =

n∑k=1

Uek︸︷︷︸fk

e†k =n∑k=1

fke†k = (f1, . . . , fn),

d.h. die Spalten einer unitaren Matrix bilden ein VONS.

2. Die allgemeine Form einer unitaren 2 × 2 Matrix ist daher:

U =

(a −b∗b a∗

)eiα , a, b ∈ �, |a|2 + |b|2 = 1, α ∈ �.

3. Die Vektoren {ϕ1, . . . , ϕn} mogen ein VONS eines unitaren Vektorraumsbilden. Dann ist

U =n∑k=1

eiαkϕkϕ†k =

n∑k=1

eiαk |ϕk〉〈ϕk| , αk ∈ �,

ein unitarer Operator. Die komplexe Zahl eiαk ist ein Eigenwert von U mitdazugehorigem Eigenvektor ϕk. Wieder kann man zeigen, dass sich jederunitare Operator in der obigen Form schreiben lasst.

A.9 Normale Operatoren

Definition: Ein Operator A ∈ L(H) (H ein unitarer Vektorraum) heißt normal,falls AA† = A†A.

Bemerkung: Definiert man den Kommutator zweier Operatoren A,B ∈ L(H)durch [A,B] = AB − BA, so ist die Eigenschaft, dass bei einem normalen Ope-rator A und A† vertauschen, gleichbedeutend mit

[A,A†] = 0.

Beispiele fur normale Operatoren:

1. Hermitesche und unitare Operatoren sind normal.

2. Sei {ϕ1, . . . , ϕn} ein VONS eines unitaren Vektorraumes H. Dann ist

A =

n∑k=1

akϕkϕ†k =

n∑k=1

ak |ϕk〉〈ϕk| , ak ∈ �

ein normaler Operator. Wir werden im nachsten Abschnitt zeigen, dasssich jeder normale Operator in dieser Form schreiben lasst. Das ist dieAussage des Spektralsatzes fur normale Operatoren. Dieser behauptetnamlich, dass die normalen Operatoren genau diejenigen sind, die eine ONBvon Eigenvektoren besitzen.

A.10. SPEKTRALSATZ FUR NORMALE OPERATOREN 67

Bemerkungen:

1. Im Raum U2 ist die Matrix

A =

(1 10 1

)nicht normal (AA† �= A†A). Diese Matrix hat nur einen Eigenvektor!

2. Fur jedes A ∈ L(H) sind A†A und AA† hermitesch.

3. Fur jedes A ∈ L(H) sind

A1 =1

2

(A+ A†) und A2 =

1

2i

(A− A†)

hermitesche Operatoren und es gilt

A = A1 + iA2

Der Operator A ist genau dann normal, wenn [A1, A2] = 0 gilt. Darausergibt sich, dass man normale Operatoren in gewisser Hinsicht als Verall-gemeinerung der komplexen Zahlen interpretieren kann, wobei die hermite-schen Operatoren den reellen Zahlen entsprechen. Die unitaren Operatoren(U †U = UU † = 1) stellen das Analogon zu einer komplexen Zahl z mitz∗z = 1, d.h. |z| = 1, dar.

A.10 Spektralsatz fur normale Operatoren

Normale Operatoren lassen sich dadurch charakterisieren, dass sie ein vollstandi-ges Orthonormalsystem von Eigenvektoren besitzen. Die Spektraldarstellung nor-maler Operatoren ist eine unmittelbare Folgerung aus dieser Eigenschaft. Diesewird in den verschiedensten physikalischen Anwendungen benotigt.

Spektralsatz fur normale Operatoren: Jeder normale Operator in einemunitaren Vektorraum besitzt ein vollstandiges Orthonormalsystem von Eigenvek-toren.

Beweis: Sei A ∈ L(H) ein normaler Operator ([A,A†] = 0) in einem n-

dimensionalen unitaren Vektorraum H. Dann besitzt das charakteristische Po-lynom von A,

pA(a) = det(a1 −A),

mindestens eine Nullstelle a1 ∈ �. Die Eigenwertgleichung

Aϕ = a1ϕ

68 ANHANG A. UNITARE VEKTORRAUME

besitzt daher eine nichttriviale Losung ϕ1 �= 0, wobei man 〈ϕ1|ϕ1〉 = 1 wahlenkann. Da A normal ist, ist ϕ1 auch Eigenvektor des adjungierten Operators A†

zum Eigenwert a∗1:A†ϕ1 = a∗1ϕ1.

Das kann man folgendermaßen sehen:

0 =⟨(A− a1)ϕ1 | (A− a1)ϕ1

⟩=⟨ϕ1 | (A− a1)

†(A− a1)ϕ1

⟩=⟨ϕ1 | (A− a1)(A− a1)

†ϕ1

⟩=⟨(A− a1)

†ϕ1 | (A− a1)†ϕ1

⟩=⟨(A† − a∗1)ϕ1 | (A† − a∗1)ϕ1

⟩⇒ A†ϕ1 = a∗1ϕ1

Man betrachtet nun den (n-1)-dimensionalen Teilraum

N = [ϕ1]⊥ = {ψ ∈ H | 〈ϕ1|ψ〉 = 0} .

Die Anwendung von A bzw. A† auf Elemente von N fuhrt aus diesem Teilraumnicht heraus, denn fur ψ ∈ N gilt

〈ϕ1 | Aψ〉 = 〈A†ϕ1 | ψ〉 = 〈a∗1ϕ1 | ψ〉 = a1〈ϕ1 | ψ〉 = 0

und

〈ϕ1 | A†ψ〉 = 〈Aϕ1 | ψ〉 = 〈a1ϕ1 | ψ〉 = a∗1〈ϕ1 | ψ〉 = 0.

Man kann daher A als Opertaor auf N auffassen, der naturlich auch normalist. Man wiederholt nun das Verfahren von vorhin und erhalt ein ϕ2 ∈ N (d.h.〈ϕ2|ϕ1〉 = 0), ‖ϕ2‖ = 1, mit Aϕ2 = a2ϕ2.

Die weitere Fortsetzung dieser Prozedur liefert nach insgesamt n Schritten einVONS {ϕ1, . . . , ϕn} von Eigenvektoren von A: Aϕk = akϕk.

Zur Spektraldarstellung eines normalen Operators,

A =

n∑k=1

akϕkϕ†k =

n∑k=1

ak |ϕk〉〈ϕk| ,

gelangt man nun einfach durch die Verwendung der Vollstandigkeitsrelation furdie ONB {ϕ1, . . . , ϕn}:

A = A1 = A

n∑k=1

ϕkϕ†k =

n∑k=1

Aϕkϕ†k =

n∑k=1

akϕkϕ†k

A.10. SPEKTRALSATZ FUR NORMALE OPERATOREN 69

Bemerkung: Sei A ∈ L(Un) eine normale n×n-Matrix. Dann gibt es ein VONS{f1, . . . , fn} von Eigenvektoren von A:

f †kfl = δkl,

n∑k=1

fkf†k = 1, Afk = akfk.

A =n∑k=1

fkakf†k = (f1, . . . , fn)︸ ︷︷ ︸

U

⎛⎜⎝ a1

. . .

an

⎞⎟⎠︸ ︷︷ ︸

A

⎛⎜⎝ f †1...f †n

⎞⎟⎠︸ ︷︷ ︸

U†

Die Matrizen

U =n∑k=1

fke†k = (f1, . . . , fn)

und

U † =n∑k=1

ekf†k =

⎛⎜⎝ f †1...f †n

⎞⎟⎠sind unitar (UU † = U †U = 1). Der Spektralsatz besagt also, dass man jedenormale n× n-Matrix in der Form

A = UAU †

schreiben kann, wobei U unitar ist und A die aus den Eigenwerten a1, . . . , angebildete Diagonalmatrix A = diag(a1, . . . , an) ist. Multipliziert man die obigeGleichung von links mit U † und von rechts mit U , so erhalt man

U †AU = A

d.h. eine n × n-Matrix lasst sich genau dann durch eine unitare Transformati-on auf Diagonalgestalt bringen, wenn sie normal ist. An dieser Stelle sei an denallgemeinen Fall einer diagonalisierbaren n× n-Matrix erinnert, bei der eine Ba-sis {f1, . . . , fn} von Eigenvektoren Afk = akfk existiert. Bildet man die MatrixS = (f1, . . . fn), so ist S−1AS = A = diag(a1, . . . , an) die gewunschte Diagona-lisierung. In unserem Fall einer normalen Matrix haben wir also den Spezialfall,dass die Eigenvektoren eine ONB bilden und S daher unitar ist (S−1 = S†).

Kochrezept fur das Diagonalisieren einer normalen n× n-Matrix A (d.h. einerMatrix mit

[A,A†] = 0):

1. Man berechne das charakteristische Polynom von A:

pA(a) = det(a1 − A)

70 ANHANG A. UNITARE VEKTORRAUME

2. Man berechne die Eigenwerte von A, indem man die Nullstellen des cha-rakteritischen Polynoms bestimmt. Es kann naturlich vorkommen, dassmanche der Eigenwerte entartet sind.

3. Man ermittle die dazugehorigen Eigenvektoren fk aus der Eigenwert-gleichung

Afk = akfk

und normiere sie (‖fk‖ = 1). Eigenvektoren zu verschiedenen Eigenwerten(ak �= al) sind automatisch orthogonal, denn

f †kAfl = alf

†kfl =

(A†fk

)†fl = akf

†kfl

⇒ (ak − al)︸ ︷︷ ︸ =0

f †kfl = 0 ⇒ f †

kfl = 0.

Ist ein Eigenwert d-fach entartet, so gibt es d linear unabhangige Eigen-vektoren (d.h. der Eigenraum dieses Eigenwertes ist d-dimensional). DieseEigenvektoren konnen aber stets orthonormal gewahlt werden. Auf dieseWeise erhalt man ein VONS {f1, . . . , fn} von Un.

4. Man bilde die unitare Matrix U = (f1, . . . , fn) mit den Eigenvektoren alsSpalten ⇒ U †AU = A = diag(a1, . . . , an).

Beispiele:

1. Die Matrix

R =

(cos θ − sin θsin θ cos θ

)ist in U2 unitar, ihre Eigenwerte sind e±iθ, die dazugehorigen normiertenEigenvektoren sind

f1 =1√2

(1−i)

(zum Eigenwert e+iθ),

f2 =1√2

(1i

)(zum Eigenwert e−iθ).

somit ist

U = (f1, f2) =1√2

(1 1−i i

)und

U †RU = diag(eiθ, e−iθ

).

A.10. SPEKTRALSATZ FUR NORMALE OPERATOREN 71

2. Die 3 × 3-Matrix

A =

⎛⎝ 1 −2 1−2 1 11 1 −2

⎞⎠ist hermitesch, die Eigenwerte mussen daher reell sein. Fur das charakteri-stische Polynom erhalt man pA(a) = a(a2 − 9) und somit die Eigenwerte

a1 = 0, a2 = 3, a3 = −3.

Die Eigenwertgleichungen Af1 = 0, Af2 = 3f2, Af3 = −3f3 ergeben die(normierten) Losungen

f1 =1√3

⎛⎝ 111

⎞⎠ , f2 =1√2

⎛⎝ 1−10

⎞⎠ , f3 =1√6

⎛⎝ 11−2

⎞⎠ ,

Man uberpruft leicht, dass {f1, f2, f3} tatsachlich eine ONB von U3 ist.Ebenso kann man als Probe die Spektraldarstellung

A =3∑k=1

akfkf†k = 3

(f2f

†2 − f3f

†3

)

”uberprufen“. Fur die unitare Matrix U = (f1, f2, f3), welche die Diagona-

lisierung von A in der Form U †AU = diag(0, 3,−3) bewerkstelligt, erhaltman daher

U =

⎛⎜⎝1√3

1√2

1√6

1√3

− 1√2

1√6

1√3

0 − 2√6

⎞⎟⎠ .

Bemerkung: Wir haben die Spektraldarstellung eines normalen Operators Ain einem n-dimensionalen unitaren Raum so formuliert, dass wir A als Linear-kombination von eindimensionalen Projektionsoperatoren |ϕk〉〈ϕk| geschriebenhaben,

A =n∑k=1

ak |ϕk〉〈ϕk| .

Wenn es entartete Eigenwerte gibt, dann sind einige der ak gleich und es istmoglich die entsprechenden Terme zusammenzufassen. Dazu andern wir unsereNotation etwas ab: {aα}mα=1 sei das Spektrum von A (d.h. aα �= aβ fur α �= β).a1, . . . , am bezeichnen also jetzt die m ≤ n verschiedenen Eigenwerte von Amit dazugehorigen Eigenraumen Mα (α = 1, . . . , m), die paarweise aufeinanderorthogonal stehen:

Mα ⊥ Mβ fur α �= β, H = M1 ⊕ · · · ⊕Mm.

72 ANHANG A. UNITARE VEKTORRAUME

Durch eine geeignete Umbenennung der Vektoren der ONB {|ϕ1〉, . . . , |ϕn〉} in

{| α, r〉} α = 1, . . .m, r = 1, . . . dα = dimMα

kann man die Projektoren auf die Eigenraume Mα (α = 1, . . . , m) in der Form

PMα =

dα∑r=1

| α, r〉〈α, r |

schreiben. Die Tatsache, dass die PMα orthogonale Projektionsoperatoren auf diepaarweise orthogonal stehenden Teilraume M1, . . . ,Mm sind, druckt sich durchdie Relationen

PMαPMβ= δαβPMα, P †

Mα= PMα

aus. Zusammen mit der Vollstandigkeitsrelation

m∑α=1

PMα = 1

gelangen wir schließlich zur gewunschten alternativen Formulierung der Spekt-raldarstellung von A:

A =m∑α=1

aαPMα.

A.11 Gleichzeitige Diagonalisierbarkeit

Das folgende Kriterium fur die gleichzeitige Diagonalisierbarkeit normaler Ope-ratoren wird vor allem in der Quantenmechanik oft benotigt.

Satz: A,B ∈ L(H) seien normale Operatoren, die miteinander vertauschen([A,B] = 0). Dann gibt es eine gemeinsame ONB von Eigenvektoren fur beideOperatoren.

Beweis: Seien aα (α = 1, . . .m) die verschiedenen Eigenwerte von A und Mα

die entsprechenden Eigenraume. ψ ∈ Mα ⇒ Bψ ∈ Mα, denn

ABψ = BAψ = Baαψ = aαBψ

⇒ B|Mα ist ein normaler Operator auf Mα ⇒ ∃ ONB von Mα {|α, 1〉, . . . |α, dα〉}von Eigenvektoren von B. Außerdem ist naturlich A|α, r〉 = aα|α, r〉.Die Vektoren |α, r〉 (α = 1, . . .m, r = 1, . . . , dα = dimMα) bilden ein VONS vonH, das aus Eigenvektoren von A und B gebildet wird.

Bemerkung: Fur normale n × n-Matrizen A,B mit [A,B] = 0 bedeutet das:∃ unitare Matrix U , sodass U †AU und U †BU Diagonalmatrizen sind. (A und Bsind gleichzeitig diagonalisierbar.)

A.12. FUNKTIONEN NORMALER OPERATOREN 73

A.12 Funktionen normaler Operatoren

Funktionen von linearen Operators treten etwa bei der Behandlung von Syste-men linearer Differentialgleichungen, der Beschreibung von Symmetrietransfor-mationen und der Zeitentwicklung in der Quantenmechanik auf. Die Berechnungder Funktion eines normalen Operators ist erstaunlich einfach. Sie kann auf dieBestimmung der Funktionswerte auf dem Spektrum des Operators zuruckgefuhrtwerden.

Um dies zu sehen, gehen wir von der Spektraldarstellung eines normalen Opera-tors A in der Form

A =n∑k=1

akϕkϕ†k

aus. Multipliziert man diesen Ausdruck mit sich selbst (was einer nochmaligenAnwendung der Abbildung A entspricht), so erhalt man

A2 = AA =

n∑k=1

akϕkϕ†k

n∑l=1

alϕlϕ†l =

n∑k,l=1

akalϕk ϕ†kϕl︸︷︷︸δkl

ϕ†l

=n∑k=1

a2kϕkϕ

†k

bzw. fur beliebiges m ∈ �,

Am = A · · ·A︸ ︷︷ ︸m-mal

=n∑k=1

amk ϕkϕ†k.

Ebenso erhalt man fur ein Polynom von A den Ausdruck

p(A) =∑m

cmAm =

n∑k=1

(∑m

cmamk

)ϕkϕ

†k =

n∑k=1

p(ak)ϕkϕ†k.

Fur eine beliebige komplexwertige Funktion f , die auf dem Spektrum des nor-malen Operators A ∈ L(H) (das ist die Menge der Eigenwerte von A) definiertist, kann man f(A) ∈ L(H) daher durch

f(A) =

n∑k=1

f(ak)ϕkϕ†k

definieren, wobei f(A) naturlich wieder ein normaler Operator ist.

74 ANHANG A. UNITARE VEKTORRAUME

Beispiele:

1. Sei A ∈ L(Un) eine normale n×n-Matrix. A = UAU †, A = diag(a1, . . . , an),U unitar ⇒ f(A) = Uf(A)U †, f(A) = diag

(f(a1), . . . , f(an)

).

2. Sei U ∈ L(H) ein unitarer Operator. Seine Eigenwerte haben dann dieGestalt eiαk (α ∈ �) und die Spektraldarstellung lautet

U =

n∑k=1

eiαkϕkϕ†k = eiA,

wobei A =∑n

k=1 αkϕkϕ†k = A†.

Das heißt, jeder unitare Operator kann in der Form

U = eiA, A = A†,

geschrieben werden.

3. Die Funktion f(A) eines normalen Operators A in einem zweidimensio-nalen unitaren Raum kann als Linearkombination des Einheitsoperatorsund von A selbst geschrieben werden. Sind die zwei moglichen Eigenwerteentartet, so ist A = a1 und daher f(A) = f(a)1, womit die Behauptungoffensichtlich erfullt ist. Im Fall verschiedener Eigenwerte (a1 �= a2) hatman

A = a1P1 + a2P2, P1 + P2 = 1,

wobei

P1 = ϕ1ϕ†1, P2 = ϕ2ϕ

†2

die beiden eindimensionalen Projektoren auf die von den Eigenvektorenϕ1,2 aufgespannten Eigenraume sind. Aus der Spektraldarstellung und derVollstandigkeitsrelation kann man die beiden Projektionsoperatoren als Li-nearkombinationen von 1 und A schreiben:

P1 =A− a2

a1 − a2

, P2 =A− a1

a2 − a1

.

Somit erhalt man

f(A) = f(a1)P1 + f(a2)P2 = f(a1)A− a2

a1 − a2

+ f(a2)A− a1

a1 − a2

=f(a2)a1 − f(a1)a2

a1 − a21 +

f(a1) − f(a2)

a1 − a2A.

A.12. FUNKTIONEN NORMALER OPERATOREN 75

4. In der Quantenmechanik treten bei der Beschreibung des Spin 1/2-Systemsdie Paulischen Spinmatrizen

σ1 =

(0 11 0

), σ2 =

(0 −ii 0

), σ3 =

(1 00 −1

)auf. Sie sind in U2 hermitesch mit Eigenwerten ±1. Sie erfullen die Ver-tauschungsrelationen

[σk, σl] = 2i

3∑m=1

εklmσm

und die Antivertauschungsrelationen

σkσl + σlσk = 2δkl.

Bildet man die Linearkombination

�n · �σ =

3∑k=1

niσi

mit einem Einheitsvektor⎛⎝ n1

n2

n3

⎞⎠ ∈ �3,√n2

1 + n22 + n2

3 = 1,

so ist �n · �σ wieder hermitesch mit Eigenwerten ±1. Bei der Beschreibungder raumlichen Drehung eines Spins um den Winkel α mit Drehachse �n,tritt die Matrix

e−iα�n·�σ/2

auf. Uberprufen Sie, dass diese Matrix in der Form

e−iα�n·�σ/2 = 1 cosα

2− i�n · �σ sin

α

2

geschrieben werden kann. Hinweis: Wenden Sie die Formel von Beispiel 3an.

76 ANHANG A. UNITARE VEKTORRAUME

Anhang B

Einfache Quantensysteme

Die in der Theorie der unitaren Raume eingefuhrten mathematischen Konzep-te haben eine unmittelbare Entsprechung zu jenen grundlegenden physikalischenBegriffen, die bei der Formulierung der Grundpostulate der Quantentheorie ver-wendet werden. Obwohl man zur Beschreibung der meisten realistischen quanten-mechanischen Systeme unendlichdimensionale Hilbertraume benotigt, konnen diewesentlichen Grundideen der mathematischen Struktur der Quantentheorie be-reits an Hand des einfacheren Spezialfalls eines endlichdimensionalen Zustands-raumes erlautert werden.

B.1 Grundpostulate der Quantentheorie

Zu jedem quantenmechanischen System gibt es einen geeigneten HilbertraumH, den sogenannten Zustandsraum des betrachteten Systems. Obwohl der Zu-standsraum i.Allg. unendlichdimensional ist, gibt es physikalische Probleme,bei denen nur ein endlicher Teilraum des gesamten Hilbertraums relevant ist.Wir wollen uns also bei der Formulierung der Axiome der Quantentheorie aufSysteme beschranken, die sich durch einen endlichdimensionalen Zustands-raum H (unitaren Vektorraum) beschreiben lassen.

Die beobachtbaren Großen (Observable) des betrachteten quantenmechani-schen Systems werden durch die hermiteschen Elemente der Observablenal-gebra L(H) reprasentiert. Beispiele fur Observable waren etwa die Energie oderder Drehimpuls des Systems. Der wesentliche Unterschied zur klassischen Physikliegt darin, dass man es in der Quantenmechanik mit einer nichtkommutati-ven Obervablenalgebra zu tun hat, d.h. es gibt Operatoren A,B ∈ L(H) mit[A,B] �= 0.

77

78 ANHANG B. EINFACHE QUANTENSYSTEME

Die moglichen Messwerte der durch den hermiteschen Operator A ∈ L(H) be-schrieben Observablen sind die Elemente des Spektrums von A (d.h. die Eigen-werte von A). D.h. bei einer Messung der Observablen A kann als Messergebnisimmer nur einer der Eigenwerte a1, . . . , an von A auftreten.

Bemerkung: Eine besondere Rolle spielen die Projektionsoperatoren, die alshermitesche Operatoren ja ebenfalls beobachtbare Großen reprasentieren. Ist einhermitescher Operator durch seine Spektraldarstellung

A =

m∑α=1

aαPα

gegeben (m ist die Anzahl der verschiedenen Eigenwere von A), so entsprichtdem Projektor Pα (der auf den Eigenraum des Eigenwertes aα projiziert) dieDurchfuhrung des folgenden ja-nein-Experiments:

”Erhalt man bei einer Messung

der Observablen A den Messwert aα?“ Da der Projektionsoperator Pα nur dieEigenwerte 1 und 0 besitzt, entspricht dem Eigenwert 1 die Antwort

”ja“ und

dem Eigenwert 0 die Antwort”nein“.

Die moglichen Zustande des Systems werden durch lineare Funktionale aufder Observablenalgebra beschrieben, die zusatzlich nicht negativ und normiertsind. Bei einem Zustand ω handelt es sich also um eine Abbildung ω : L(H) → �

mit folgenden Eigenschaften:

1. ω(c1A1 + c2A2) = c1ω(A1) + c2ω(A2), c1,2 ∈ �, A1,2 ∈ L(H)

2. ω(A†A) ≥ 0 ∀A ∈ L(H)

3. ω(1) = 1

Durch den Zustand ω wird jeder Observablen A ihr Erwartungswert ω(A)zugeordnet. Fur den Projektionsoperator Pα = P †

α = PαPα erhalt man wegen derEigenschaft 2

pα = ω(Pα) = ω(PαPα) = ω(P †αPα) ≥ 0.

pα = ω(Pα) ist die Wahrscheinlichkeit bei einer Messung der Observablen Aden Messwert aα zu erhalten, wenn sich das System in dem durch ω beschriebenenZustand befindet. Wegen der Vollstandigkeitsrelation

m∑α=1

Pα = 1

und der Linearitat der Normierung von ω erhalt man

m∑α=1

pα =

m∑α=1

ω(Pα) = ω

(m∑α=1

)= ω(1) = 1

B.1. GRUNDPOSTULATE DER QUANTENTHEORIE 79

fur die Wahrscheinlichkeit irgendeinen der Eigenwerte von A zu messen. DerErwartungswert von A im Zustand ω lasst sich dann, wieder unter Verwendungder Linearitat von ω, in der Form

ω(A) = ω

(m∑α=1

aαPα

)=

m∑α=1

aαω(Pα) =m∑α=1

aαpα

schreiben. Prapariert man eine große Anzahl N von identischen Kopien des Sy-stems alle im gleichen Zustand ω und fuhrt dann an jeder dieser Kopien eineMessung der Observablen A durch, so wird man Nα-mal den Messwert aα erhal-ten, wobei

N−→N→∞

und∑m

α=1 Nα = N ist. Fur den Mittelwert der Messwerte ergibt sich daher

m∑α=1

aαNα

N−→N→∞

m∑α=1

aαpα = ω(A).

Beispiele von Zustanden:

1. ψ ∈ H sei ein Einheitsvektor. Dann wird durch ω(A) = 〈ψ|Aψ〉 ∀A ∈L(H) ein sogenannter reiner Zustand definiert. Man uberzeugt sich leicht,dass die Eigenschaften 1-3 tatsachlich erfullt sind. Man nennt ψ dann denZustandsvektor des entsprechenden reinen Zustands. Bemerkung: DerZustandsvektor eiϕψ beschreibt den selben Zustand.

2. ω1, ω2, . . . , ωr seien Zustande und p1, p2, . . . , pr positive Zahlen mit∑rj=1 pj = 1. Dann ist ω =

∑rj=1 pjωj ebenfalls ein Zustand. Insbesondere

wird durch

ω(A) =

r∑j=1

pj〈ψj|Aψj〉 ∀A ∈ L(H)

ein Zustand definiert, wenn die |ψj〉 (nicht notwendigerweise aufeinandernormal stehende) Zustandsvektoren (〈ψj |ψj〉 = 1) sind. Zustande, die mannicht in der Form ω(A) = 〈ψ|Aψ〉 schreiben kann, heißen gemischteZustande.

Man kann eine Standardform fur die Beschreibung von Zustanden angeben. Daω(A) linear in A ist, muss sich ω(A) in der Form

ω(A) =∑k,l

ρklAlk

80 ANHANG B. EINFACHE QUANTENSYSTEME

schreiben lassen, wobei Alk = 〈ϕl|Aϕk〉 die Matrixelemente des Operators Abezuglich einer beliebigen ONB {ϕ1, . . . , ϕn} (n = dimH) sind. Die Koeffizi-enten ρkl ∈ � kann man dann ebenfalls als die Matrixelemente eines Operatorsρ ∈ L(H) bezuglich der selben ONB auffassen (ρkl = 〈ϕk|ρϕl〉).

⇒ ω(A) =n∑k=1

n∑l=1

〈ϕk | ρϕl〉〈ϕl | Aϕk〉

=

n∑k=1

〈ϕk | ρAϕk〉 = Tr(ρA),

wobei die Spur eines Operators B,

TrB =n∑k=1

〈ϕk | Bϕk〉 =n∑k=1

Bkk

unabhangig von der gewahlten Basis ist.

(Tr = trace = Spur).

Bis jetzt wurde nur die Linearitat von ω verwendet. Die Eigenschaft

ω(A†A

) ≥ 0 ∀A ∈ L(H)

liefert eine weitere Einschrankung an den Operator ρ. Nimmt man fur A namlichden eindimensionalen Projektor A = |ϕ〉〈ϕ| (wobei |ϕ〉 ein beliebiger Einheits-vektor ist), so erhalt man wegen A†A = A

〈ϕ | ρϕ〉 ≥ 0.

Erganzt man namlich |ϕ〉 zu einer ONB {|ϕ〉, |ϕ2〉, . . . , |ϕn〉} von H, so ergibt sich

Tr(ρA†A

)= Tr (ρA) = 〈ϕ | ρϕ〉 〈ϕ | ϕ〉︸ ︷︷ ︸

1

+

n∑k=2

〈ϕk | ρϕ〉 〈ϕ | ϕk〉︸ ︷︷ ︸0

= 〈ϕ | ρϕ〉 ≥ 0

und daher mit |ψ〉 = c|ϕ〉 (c ∈ �) die Aussage

〈ψ | ρψ〉 ≥ 0 ∀ψ ∈ H.

Einen Operator mit dieser Eigenschaft nennt man nicht negativ (ρ ≥ 0). Mankann zeigen, dass die folgenden Aussagen aquivalent sind:

1. 〈ψ | ρψ〉 ≥ 0 ∀ψ ∈ H.

B.1. GRUNDPOSTULATE DER QUANTENTHEORIE 81

2. ρ ist hermitesch und alle Eigenwerte sind ≥ 0.

3. Es gibt einen Operator A ∈ L(H), sodass ρ = A†A.

Beweis:

1 ⇒ 2 : Es seien ψk und ψl zwei aufeinander orthogonal stehende Einheitsvekto-ren. Dann ist laut Vorraussetzung

〈ψk + ψl|ρ(ψk + ψl)〉 = ρkk︸︷︷︸≥0

+ ρll︸︷︷︸≥0

+ρkl + ρlk ≥ 0 ⇒ Im(ρkl + ρlk) = 0,

〈ψk + iψl|ρ(ψk + iψl)〉 = ρkk︸︷︷︸≥0

+ ρll︸︷︷︸≥0

+iρkl − iρlk ≥ 0 ⇒ Re(ρkl − ρlk) = 0,

⇒ ρkl = ρ∗lk ⇒ ρ = ρ†.

Ist nun χk �= 0 ein Eigenvektor von ρ zum Eigenwert ρk, so ist

〈χk|ρχk〉 = 〈χk|ρkχk〉 = ρk 〈χk|χk〉︸ ︷︷ ︸>0

≥ 0 ⇒ ρk ≥ 0.

2 ⇒ 3 : Laut Voraussetzung gibt es eine ONB {χ1, . . . , χn} von Eigenvektorenvon ρ mit Eigenwerten ρk ≥ 0. In der Spektraldarstellung hat ρ die Gestalt

ρ =n∑k=1

ρk|χk〉〈χk|

Man kann hier problemlos den hermiteschen (und ebenfalls nicht negativen) Ope-rator

√ρ =

n∑k=1

√ρk|χk〉〈χk|

bilden und erhalt ρ =√ρ√ρ = (

√ρ)†

√ρ.

3 ⇒ 1 : 〈ψ|ρ|ψ〉 = 〈ψ|A†Aψ〉 = 〈Aψ|Aψ〉 ≥ 0.

Die Implikationskette 1 ⇒ 2 ⇒ 3 ⇒ 1 ist somit geschlossen und die Aquivalenzvon 1,2,3 gezeigt. Jede dieser drei Eigenschaften kann daher zur Definition einesnicht negativen Operators herangezogen werden.

Es gibt also eine ONB {χ1, . . . , χn} von Eigenvektoren von ρ mit Eigenwertenρk ≥ 0. Schließlich impliziert die Normierungsbedingung

ω(1) = Trρ = 1 ⇒n∑k=1

ρk = 1.

82 ANHANG B. EINFACHE QUANTENSYSTEME

Der Dichteoperator

ρ =

n∑k=1

ρk |χk〉〈χk| , ρk ≥ 0, Trρ =

n∑k=1

ρk = 1,

liefert also mit ω(A) = Tr(ρA) ∀A ∈ L(H) die gewunschte Standardform furdie Darstellung des Zustands ω. Man kann sich also einen beliebigen Zustandω als statistisches Gemisch von reinen Zustanden (reprasentiert durch dieZustandsvektoren |χk〉) vorstellen, wobei |χk〉 mit der Wahrscheinlichkeit ρk auf-tritt. Ein reiner Zustand ist dadurch charakterisiert, dass alle ρk bis auf einesverschwinden. Der Dichteoperator, der dem Zustandsvektor |ψ〉 entspricht, istρψ = |ψ〉〈ψ|, also ein eindimensionaler Projektor (ρ†ψ = ρψ, ρ2

ψ = ρψ). Die Ei-genschaft ρ2 = ρ charakterisiert jene Dichteoperatoren, die reinen Zustandenentsprechen, denn in diesem Fall kann ρ nur die Eigenwerte 0, 1 besitzen undwegen der Normierungsbedingung

∑nk=1 ρk = 1 kann der Eigenwert 1 nur ein

einziges Mal auftreten ⇒ ρ = |ψ〉〈ψ|.Fur den Erwartungswert eines Operators A in einem beliebigen (gemischten)Zustand ergibt sich

ω(A) = Tr(ρA) =n∑k=1

〈χk | ρAχk〉 =n∑k=1

ρk〈χk | Aχk〉.

Hat A die Spektraldarstellung

A =

m∑α=1

aαPα,

so erhalt man

ω(A) =n∑k=1

m∑α=1

ρk 〈χk | Pαχk〉︸ ︷︷ ︸pkα

aα.

Es treten hier sowohl die”quantenmechanischen“ Wahrscheinlichkeiten pkα als

auch die”klassischen“ statistischen Wahrscheinlichkeiten ρk auf. pkα ist die Wahr-

scheinlichkeit bei einer Messung der Observablen A in dem durch den Zustands-vektor |χk〉 beschriebenen reinen Zustand den Messwert aα zu erhalten. Dagegenist ρk die Wahrscheinlichkeit in dem gemischten Zustand ω den durch |χk〉 be-schriebenen reinen Zustand vorzufinden. Die Wahrscheinlichkeit bei einer Mes-sung von A im Zustand ω den Messwert aα zu erhalten, ist daher

ω (Pα) =

n∑k=1

ρk〈χk | Pαχk〉 =

n∑k=1

ρkpkα.

B.1. GRUNDPOSTULATE DER QUANTENTHEORIE 83

Ist ωψ ein reiner Zustand (mit Dichteoperator ρψ = |ψ〉〈ψ|), so vereinfachen sichdie Formeln:

ωψ(A) = 〈ψ | Aψ〉 =

m∑α=1

〈ψ | Pαψ〉aα,

ωψ (Pα) = 〈ψ | Pαψ〉.Verwendet man die Spektraldarstellung

Pα =

dα∑r=1

|α, r〉〈α, r|

des Projektors auf den Eigenraum Mα, so kann man auch schreiben:

ωψ (Pα) =

dα∑r=1

〈ψ | α, r〉〈α, r | ψ〉 =

dα∑r=1

|〈α, r | ψ〉|2 .

Ist dα = 1, so hat man einfach ωψ(Pα) = |〈α|ψ〉|2.Beispiele fur Dichteoperatoren gemischter Zustande:

1. Sei dimH = n, dann beschreibt der Dichteoperator ρ = 1/n den Zustandmit maximaler Mischung.

2. Jener hermitesche Operator, welcher der Observablen”Gesamtenergie des

Systems“ entspricht, wird als Hamiltonoperator H bezeichnet. Befindetsich das betrachtete System im thermischen Gleichgewicht mit einem

”Warmebad“ der absoluten Temperatur T , so wird der entsprechende

Zustand des Systems durch den Dichteoperator

ρ =e−H/kT

Tre−H/kT

beschrieben, wobei k � 1.38× 10−23JK−1 die Boltzmann-Konstante ist.

Ist {|ϕ1〉, . . . , |ϕn〉} eine ONB von Eigenvektoren von H ,

H|ϕk〉 = Ek|ϕk〉, 〈ϕk|ϕl〉 = δkl,

n∑k=1

|ϕk〉〈ϕk| = 1,

so ist die Spektraldarstellung des Dichteoperators durch

ρ =n∑l=1

e−El/kT

Z|ϕl〉〈ϕl| , Z =

n∑l=1

e−El/kT

gegeben.

84 ANHANG B. EINFACHE QUANTENSYSTEME

B.2 Spin 1/2 System

Die doch einigermaßen abstrakten allgemeinen Spielregeln der Quantentheoriesollen nun durch ihre Anwendung auf ein moglichst einfaches quantenmechani-sches System mit etwas mehr Leben erfullt werden.

Sieht man von den Translationsfreiheitsgraden eines Elektrons (oder eines beliebi-gen anderen Spin 1/2 Teilchens) ab, so werden seine Spinfreiheitsgrade durcheinen zweidimensionalen Zustandsraum beschrieben. Da ein zweidimensionalerunitarer Vektorraum isomorph zu U2 ist, kann man die Zustandsvektoren durchkomplexe zweidimensionale Spaltenvektoren darstellen, die Observablenalgebraist dann nichts anderes als die Menge der komplexen 2 × 2-Matrizen. Den dreiraumlichen Komponenten S1, S2, S3 des Spindrehimpulsvektors �S entsprechendie hermiteschen Matrizen

Sk =h

2σk (1 ≤ k ≤ 3)

mit den bereits fruher besprochenen Paulischen Spinmatrizen σk. Die Kom-ponenten des Spinvektors in einer beliebigen raumlichen Richtung �n (|�n| = 1)wird durch die Matrix

h

2�n · �σ =

h

2

3∑k=1

nkσk =h

2

(n3 n1 − in2

n1 + in2 −n3

)beschrieben. Die Eigenwerte dieser Matrix sind ±h/2, d.h. bei der Messung einerSpinkomponente in einer beliebigen raumlichen Richtung kann als Messwert nurentweder +h/2 oder −h/2 auftreten (daher

”Spin 1/2“ ).

Die Matrix

S3 =

(h/2 00 −h/2

)besitzt die ONB von Eigenvektoren

χ↑ =

(10

), χ↓ =

(01

),

wobei

S3χ↑ =h

2χ↑, S3χ↓ = − h

2χ↓.

Dagegen besitzt

S1 =

(0 h/2h/2 0

)die ONB von Eigenvektoren

ϕ↑ =1√2

(11

), ϕ↓ =

1√2

(1−1

),

B.2. SPIN 1/2 SYSTEM 85

mit

S1ϕ↑ =h

2ϕ↑, S1ϕ↓ = − h

2ϕ↓.

Nehmen wir nun an, dass sich das System in dem durch den Zustandsvektor χ↑beschriebenen reinen Zustand ω befindet (d.h. ω(A) = χ†

↑Aχ↑, A ∈ L(U2)). DieWahrscheinlichkeit bei einer Messung der Spinkomponente S3 in diesem Zustandden Messwert +h/2 zu erhalten, ist durch den Erwartungswert des Projektions-operators χ↑χ

†↑ gegeben:

ω(χ↑χ

†↑)

= χ†↑χ↑︸︷︷︸1

χ†↑χ↑︸︷︷︸1

= 1.

Das heißt, bei einer Messung von S3 erhalt man in diesem Zustand immer denMesswert +h/2. Dementsprechend ist die Wahrscheinlichkeit in diesem Zustandfur S3 den Messwert −h/2 zu erhalten gleich null:

ω(χ↓χ

†↓)

= χ†↑χ↓︸︷︷︸0

χ†↓χ↑︸︷︷︸0

= 0.

Der Erwartungswert von S3 ist in diesem Zustand dann naturlich durch

ω(S3) = χ†↑S3χ↑ =

h

2

gegeben. Misst man dagegen in dem selben Zustand die Spinkomponente S1, soerhalt man fur die Erwartungswerte der Projektoren ϕ↑ϕ

†↑, ϕ↓ϕ

†↓

ω(ϕ↑ϕ

†↑)

= χ†↑ϕ↑︸︷︷︸1√2

ϕ†↑χ↑︸︷︷︸1√2

=1

2,

ω(ϕ↓ϕ

†↓)

= χ†↑ϕ↓︸︷︷︸1√2

ϕ†↓χ↑︸︷︷︸1√2

=1

2,

was bedeutet, dass man bei einer Messung von S1 in der Halfte der Falle denMesswert +h/2 und in der anderen Halfte den Messwert −h/2 erhalten wird.Der Erwartungswert von S1 muss in dem betrachteten Zustand dann klarerweiseverschwinden:

ω(S1) = χ†↑S1χ↑ = 0

Wir wollen noch kurz den allgemeinen Fall der Messung der Spinkomponente

�n · �S =h

2�n · �σ, |�n| = 1

86 ANHANG B. EINFACHE QUANTENSYSTEME

besprechen. Man kann den raumlichen Einheitsvektor �n in der Form⎛⎝ n1

n2

n3

⎞⎠ =

⎛⎝ sin θ cosφsin θ sinφ

cos θ

⎞⎠parametrisieren. Fur den Projektor P↑ auf den (eindimensionalen) Eigenraumzum Eigenwert +1 von �n · �σ erhalt man

P↑ =1 + �n · �σ

2=

1

2

(1 + cos θ sin θ e−iφ

sin θ eiφ 1 − cos θ

)und fur den Projektor P↓ auf den Eigenraum zum Eigenwert −1 von �n · �σ

P↓ =1 − �n · �σ

2=

1

2

(1 − cos θ − sin θ e−iφ

− sin θ eiφ 1 + cos θ

).

Nehmen wir wieder an, dass sich unser System in dem durch den Zustandsvektor

χ↑ =

(10

)beschriebenen reinen Zustand ω befindet, so ist

ω (P↑) =1 + cos θ

2= cos2 θ

2, ω (P↓) =

1 − cos θ

2= sin2 θ

2.

Fur den speziellen Wert θ = π/2 ergeben sich die fruher erhaltenen Resultate.

Fur den durch die Dichtematrix ρ = 1/2 beschriebenen maximal gemischtenZustand (entspricht z.B. einem Strahl unpolarisierter Teilchen) erhalt man dieErwartungswerte

Tr(ρA) =1

2TrA.

Somit verschwinden in diesem Fall die Erwartungswerte von S1, S2, S3, dagegenerhalt man wegen S2

i = h2

41

Tr(ρS2i ) =

h2

4.

Befindet sich ein Spin 1/2-System mit magnetischem Moment

�μ = μ�σ

in einem außeren Magnetfeld �B, so ist der Hamiltonoperator

H = −�μ · �B.

B.3. ZEITENTWICKLUNG IN DER QUANTENMECHANIK 87

Legt man die 3-Achse des raumlichen Koordinatensystems in Richtung des Ma-gnetfeldes ( �B = B�e3), so ist

H = −μBσ3 =

( −μB 00 +μB

)diagonal mit Energieeigenwerten E↑ = −μB, E↓ = +μB und dazugehorigen(normierten) Eigenvektoren

χ↑ =

(10

), χ↓ =

(01

).

Befindet sich dieses magnetische Moment nun im Kontakt mit einem Warmebadder Temperatur T , so ist seine Dichtematrix

ρ =1

Ze−H/kT =

1

Z

(eμB/kT 0

0 e−μB/kT

),

wobei

Z = Tre−H/kT = eμB/kT + e−μB/kT = 2 coshμB

kT.

Die Erwartungswerte vo μ1 und μ2 (bzw. auch S1 und S2) verschwinden in diesemZustand, dagegen erhalt man fur den Erwartungswert von μ3 den Ausdruck

Tr(ρμ3) = μ tanhμB

kT,

der in der Theorie des Paramagnetismus eine Rolle spielt.

B.3 Zeitentwicklung in der Quantenmechanik

In der Quantenmechanik wird die Zeitentwicklung eines Zustandsvektorsψ(t) ∈ H (im Schrodingerbild) durch die Schrodingergleichung

ihdψ(t)

dt= Hψ(t)

beschrieben. Dabei ist H ein hermitescher Operator (Hamiltonoperator), wel-cher der Observablen

”Gesamtenergie des betrachteten Systems“ entspricht. Die

Losung der Schrodingergleichung ist dann (wenn H zeitlich konstant ist) durch

ψ(t) = exp(−iHt/h)ψ(0)

gegeben. Da H hermitesch ist, ist der hier auftretende Operator

exp(−iHt/h)

88 ANHANG B. EINFACHE QUANTENSYSTEME

unitar, woraus folgt, dass sich die Norm des Zustandsvektors nicht andert:

〈ψ(t)|ψ(t)〉 = 〈ψ(0)|ψ(0)〉.Da H weiters eine ONB von Eigenvektoren,

{φ1, . . . φn}, Hφk = Ekφk

besitzt (E1, . . . En sind die Energieeigenwerte), hat H die Spektraldarstellung

H =

n∑k=1

Ekφkφ†k =

n∑k=1

Ek|φk〉〈φk|.

Somit ist

exp(−iHt/h) =n∑k=1

e−iEkt/hφkφ†k =

n∑k=1

e−iEkt/h|φk〉〈φk|

und

ψ(t) = exp(−iHt/h)ψ(0)

=n∑k=1

e−iEkt/hφkφ†kψ(0)

=

n∑k=1

e−iEkt/h|φk〉〈φk|ψ(0)〉.

Beschreibt man den dem Vektor |ψ(t)〉 entsprechenden reinen Zustand durch denDichteoperator

ρψ(t) = |ψ(t)〉〈ψ(t)|,so liest man die Zeitentwicklung

ρψ(t) = exp(−iHt/h) ρψ(0) exp(iHt/h)

ab. Diese Formel fur die Zeitentwicklung,

ρ(t) = exp(−iHt/h) ρ(0) exp(iHt/h)

gilt auch ganz allgemein fur Dichtematrizen ρ(t), die gemischten Zustanden ent-sprechen. Differenziert man die letzte Gleichung nach der Zeit, so erhalt man dievon Neumann-Gleichung

ihdρ(t)

dt= [H, ρ(t)].

Mit ihrer Hilfe kann die Zeitentwicklung eines gemischten Zustands auch dannbeschrieben werden, wenn der Hamiltonoperator explizit von der Zeit abhangt.

Anhang C

Literatur

C.1 Statistische Physik und Thermodynamik

T. Fließbach, Statistische Physik, BI Wissenschaftsverlag

F. Reif, Statistische Physik (Berkeley Physik Kurs, Band 5), Vieweg

F. Reif, Fundamentals of Statistical and Thermal Physics, McGraw-Hill

B. Diu, C. Guthmann, D. Lederer, B. Roulet, Grundlagen der statistischen Phy-sik, Walter de Gruyter

W. Grimus, Skriptum zur Vorlesung”Theoretische Physik T4: Statistische Physik

und Thermodynamik“ (Sommersemester 2007)

C.2 Mathematische Methoden

H. Neufeld, Skriptum zur Vorlesung”Mathematische Methoden der Physik I“

(Sommersemester 2008)

F. Embacher, Mathematische Grundlagen fur das Lehramtsstudium Physik,Vieweg + Teubner

89