trash talk harald glööckler

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Page 1: Trash Talk Harald Glööckler

74 // MANNSCHAFT-MAGAZIN.ch

LIEBER HARALD GLÖÖCKLERText: Frank Richter, [email protected]: Melanie Carrera, sarrera.ch

Der Sommer ist eine schwierige Zeit für Fernsehsta-tionen. Kein Mensch sitzt bei heissen Temperaturen vor der Flimmerkiste. Dementsprechend setzen vie-le Sender zwischen Juli und August auf Wiederho-lungen. Warum neue Formate ausstrahlen, während das Zielpublikum auf Mallorca die Rübe mit Alko-hol flutet und sich beim Piercen eine Blutvergiftung holt? Doch nicht alle Sender handeln so gleichgültig. Dem deutschen Privatsender VOX liegt das Publi-kum wirklich am Herzen. Nach gefühlten 100 Jah-ren CSI-Miami schenkte er uns diesen Sommer die Dokusoap «Glööckler – Glanz und Gloryhole Glo-ria»: Die Geschichte vom extravaganten Modedesi-gner Harald Glööckler, der ins Land zog, um dem schönen Geschlecht Haute Couture auf den Leib zu schneidern. Oder vereinfacht gesagt: Eine botox-gespritzte Tucke, die via Teleshopping alten Wasch-weibern überteuerten Glitzerfummel aufschwatzt. Kleider bis Grösse 54, beidseitig mit Strass beklebt, damit sich auch die dickste Mutti elegant wie eine Discokugel fühlen kann. VOX pries die neue Sendung mit viel Tamtam an, letztendlich blieb die Show aber erstaunlich un-

dramatisch. Mit dem Unterhaltungswert von «Glööckler – Glanz und Glo-ria» verhielt es

sich wie mit dem eines defekten

Furzkissens: Egal wie gross man es

aufbläst, schlussend-lich strömt nur sang-

und klanglos ein wenig warme Luft raus. An dir soll es nicht gele-gen sein, lieber Harald, dass «Glööckler – Glanz und Gloria» langweilig

war. Du als «Fashion-Prince» und «King of

Strass» (O-Ton VOX) bist natürlich ausgesprochen

interessant. Ich per-sönlich könnte

dir stun-den-

lang beim Aufbau deines Modeimperiums zuschau-en. Auch dein Aussehen fasziniert mich: Als hätten Lady Gaga und Prince unter der Leitung von Victor Frankenstein in den Schminkkoffer gegriffen. Bereits in jungen Jahren hast du erkannt, dass ein anspre-chendes Äusseres elementar ist, wenn man es in der Modewelt zu etwas bringen will. Das gilt für Models als auch für Designer. Jedoch hat bis auf Donatella Versace niemand realisiert, dass Schminke und Ex-tensions viel besser zur Geltung kommen, wenn erst mal alles Natürliche aus der Visage gespritzt wurde. Je faltenfreier die Haut und je praller die Lippen, desto hübscher das eigene Antlitz auf dem heimi-schen Bildschirm. Schön nimmst du da in Deutsch-land eine Vorreiterrolle ein. Die Haut auf deinem Gesicht ist so was von straff, böse Zungen munkeln bereits, dass es dir beim Lächeln jeweils die Vorhaut zurückzieht. Aber zurück zur Sendung. Das Problem bei «Glööck-ler – Glanz und Gloria» stellten die Protagonisten in deinem Umfeld dar. Die waren nämlich nicht mal ansatzweise schillernd. Besonders dröge fand ich deinen persönlichen Assistenten, Vico Muslow. Der Typ hat das Charisma einer Energiesparlampe in Skinny Jeans. Egal wie dein Auftrag an ihn lautete, Herr Muslow tat wie ihm geheissen, meckerte nicht, widersprach nie. Dabei wäre es viel lustiger gewesen, hätte sich Muslow mal echauffiert und das Maul aufgerissen. Als er auf deinen Befehl hin mit einem Kamel durch die Wüste reiten musste, hätte ich ein: «Reit doch gefälligst selbst, du olle Glitzerkuh!» er-wartet. Statt dessen hiess es: «Ja Herr Glööckler, ger-ne!» Auch die Beziehung mit deinem langjährigem Lebenspartner Dieter Schroth wurde von VOX nicht gerade prickelnd dargestellt. Weder sah man euch zwei je küssen noch auf demselben Sofa nebenein-ander sitzen. Stattdessen sprecht ihr euch nach 25 Jahren Beziehung immer noch mit dem Nachnamen an. Da stell ich mir selbst die Scheidung von Tom Cruise romantischer vor.

Also Harald, in der nächsten Staffel erwarte ich mehr Romantik, mehr Drama und vielleicht mal die ein oder andere ausschweifende Party. Bis dahin alles Gute und Finger weg von den OP-Angeboten auf Groupon!

Grü(ü)sslichst

Frank