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6 | IntervIew Mittwoch, 4. Mai 2016wirtschaftsblatt.at
In der U-Bahn in New York,bei Kernforschungszentrumcern oder imGotthard-Basis-tunnel in der Schweiz ist Soft-
ware aus Eisenstadt drin – dorthat Siemens-tochter EtMProfes-sional control ihren Sitz. Sie ent-wickelt Scada-Software für deninfrastruktur-Bereich, also Über-wachungs- und Steuerungssoft-ware. Gegründet 1985 als Ein-Mann-Betrieb, ist EtM heute einUnternehmen mit 140 Mitarbei-tern und rund 26Millionen €Um-satz. Jetzt will EtM-chef Bern-hard Reichl hoch hinaus: Er über-nimmt die Verantwortung für dengesamten Scada-Bereich von Sie-mens und will den Konzern zumweltweiten Marktführer machen.
WirtschaftsBlatt: Der Gotthard-Basistunnel soll im Juni fertig sein.Was passiert bis dahin noch beiIhnen als Softwarepartner?Bernhard Reichl:Das, was in denletzten paar Monaten passiert, isttesten, testen, testen. Überunsere Software, ein Scada-Sys-tem, sitzen Sie vor einem Bild-schirm und bedienen eine indus-trieanlage. Unsere Systemintegra-toren-Partner bauen aus dieserStandardsoftware ein tunnelleit-systemoder ein Pipeline-Überwa-chungssystem.Dieser Schrittwirdseit vielen Jahren beim Gotthard-Basistunnel durchgeführt. ZumGlück sindwir soweit, dass unserProdukt null Fehler produziert.
Wie groß war dieser Auftrag?Die großen Lizenzaufträge be-
wegen sich im Bereich von einpaar hunderttausend €. DieDienstleistung, die Sie als Kundebenötigen, liegt zusätzlich meis-tens bei einem Faktor drei biszehn vom Lizenzanteil. Das ma-chen aber unsere Partner.
IhrUmsatz ist im vergangenenGe-schäftsjahrvon22auf26Millionen€gestiegen. Wie ist die Erwartungfür das laufende Geschäftsjahr?Ähnlich. wir werden wieder
schön wachsen. Ganz massivwachsen wir im internationalenGeschäft, da sind bei uns Südko-rea, wo wir die infrastruktur fürgroße Produktionsanlagen ma-chen, Russland und die USa diehoffnungsmärkte. in china wol-len wir stärker in das Metro-Ge-schäft hineinkommen.André Szameit:auch die traditio-nellenMärkte in Europawachsenaber zufriedenstellend. Nicht ex-
Peroutka
Persönliches Exemplar für AOM-Benutzer wiblatt-manner - (C) APA-DeFacto GmbH. Alle Rechte vorbehalten.
Mittwoch, 4. Mai 2016 IntervIew | 7wirtschaftsblatt.at
ponentiell, aber durchaus. Länderwie Spanien und italien sind zwarnicht gerade wirtschaftlich starkgewesen in den letzten zwei, dreiJahren, aber gerade dort wurdeüber infrastrukturprogrammewieder in die infrastruktur inves-tiert. Das hat uns geholfen.
Haben Sie Expansionspläne?Reichl:als teil des Siemens-Kon-zerns könnenwir auf die regiona-len Ressourcen von Siemens zu-greifen. Das hilft uns vertrieblichextrem, weil wir zum Beispiel inSüdkorea keine eigenenVerkäuferaufbauen müssen. wir schulendort erfahrene Mitarbeiter mitKundenzugang, damit sie unsereSoftware auch verkaufen und ser-vicieren können. weil wir immerinternationaler werden, müssenwir regionales Know-how aufbau-en. wir hatten vor Kurzem einen
südkoreanischenMitarbeiter hier,denwir sechsMonate lang ausge-bildet haben, und der jetzt dorthinzurückkehrt, damit wir dort dasSprachproblem und die Zeitver-schiebung überwinden. wir bil-den derzeit drei russische Kolle-gen aus. Das Sprachproblem istein ganz wesentliches. in vielenRegionen ist Englisch nicht aus-reichend. außerdem geht es dar-um, vertrieblichesKnow-howhin-zubringen.
Wollen Sie in Eisenstadt auchwachsen?wir würden gerne stärker Per-
sonal einstellen, aber das ist ineinem Konzern nie ganz trivial.wir haben außerdem 80 ProzentLizenzanteil bei unseremUmsatz.Das heißt, das Umsatzwachstumist nicht direkt an ein Personal-wachstum geknüpft. wir suchenaber Softwareentwickler, die dienötigen technologien beherr-schen und das Verständnis fürdas, was wir machen, mitbringen.Das ist nicht leicht zu finden. Undwir brauchen im consulting-bereich reisefreudige Menschen,die jede woche irgendwo andershinfliegen können.
Fliegen Sie viel?Nein. ich bin in der strategi-
schen Produktentwicklung, dasheißt: in welche Richtung geht es
mit dem Produkt und dem Ver-triebsbereich drumherum. Seit1. Mai habe ich außerdem die Ge-samtverantwortung im Siemens-Konzern für Scada-Produkte be-kommen. Das betrifft also nichtnur unser eigenes Produkt, son-dern auch eine andere Produkt-schiene, genannt wincc, die inKarlsruhe entwickelt wird undstärker im Produktionsbereicheingesetzt wird, zum Beispiel beiautomotive. Unser Produkt wirdin der infrastruktur eingesetzt.wincc macht aber 80 Prozentdes gemeinsamen Umsatzes aus.
Das klingt nach gewaltig mehrArbeit …Gewaltig mehr Umsatz! insge-
samt geht es bei beiden Produkt-schienen um 280 Mitarbeiter, da-zu kommt eine Entwicklungs-mannschaft, die zu einem Groß-teil in indien sitzt. Da kommen
also nochmal 200Mitarbeiter da-zu.
Werden Sie Veränderungen einführen?wir sind eine sehr erfolgreiche
organisationseinheit. Die Ergeb-nisqualität ist bereits sehr gut.Jetzt geht es aber darum, dieMarktanteile zu steigern. Eine gro-ße herausforderung ist, dass wirorganisatorisch zu einer Software-Businessunit gehören, aber unsereProdukte sehr stark im automati-sierungsbereich verkaufen. wirglauben, dass wir bei weitemnoch nicht wachstumsmäßig an-stehen, sondern das wachstumeher durch die Vertriebsaktivitä-ten limitiert ist. wären wir da ak-tiver, wäre mehr drin. Es geht da-rum, den Vertrieb zu überzeugen,dass unsere Software der hebelfür das Produktgeschäft ist. Es gibtimmermehr Projekte,wodieKun-den sich zuerst für die Softwareentscheiden und dann vom selbenhersteller die hardware kaufen.Dasmüssenwir denVertriebskol-legen klarmachen.Szameit:Das hat sich in den ver-gangenen Jahren gedreht. Früherkam zuerst doch eher die hard-wareentscheidung, dann Softwareals etwas, dass ich dazuliefere.DerMarkt differenziert sichmitt-lerweile stärker über die Softwareals die hardware. Software, Digi-talisierung ist im Siemens-Kon-zern eines der wachstumsfelderund wird ausgebaut.
Wann werden Sie denn wachstumsmäßig anstehen?Reichl:wir bewegen uns in einerrelativ starken wettbewerbs-situation. aber wir glauben, dassunsere Produkte gut sind, sodasswir noch signifikantMarktanteilegewinnen können. Der Scada-Markt ist einer der automatisie-rungsmärkte, der imVergleich zurGesamtwirtschaft relativ starkwächst, je nach Studie um sechsbis sieben Prozent. Siemens hathier einen Marktanteil von 20 bis25 Prozent.
Wie viel ist noch drin?Ein Drittel Marktanteil – das
muss unser Ziel sein. wir wollenMarktführer werden. imMomentfindet am Markt ein starker Kon-zentrationsprozess statt. Die gro-ßen hersteller kaufen die letztenunabhängigen Scada-herstellerauf. Schneider hat das in den
Wenn Sie ein Lochdurch den Berg ge-graben haben, dannbauen Sie den Tun-nel auch fertig.
Wir müssen denVertrieb überzeugen,dass unsere Softwareder Hebel für dasProduktgeschäft
ist.
„Ein DrittelMarktanteil – dasmuss unserZiel sein“Bernhard Reichl und André Szameit. Die beiden leiten die Siemens-Tochter ETMin Eisenstadt. Sie schildern, wo die Wachstumsmärkte für Überwachungs- undSteuerungssoftware sind und wie der Konzern darin zur Nummer eins werden soll.
vOn MeLAnIe MAnner
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vergangenen Jahren sehr intensiv gemacht. Generell ist die akquisitionsstrategie der Konzerneim Softwarebereich sehr aggressiv. auch Siemens akquiriert vieleSoftwareunternehmen.wir bewegen uns in einerwachstumsschiene, und die gilt es, entsprechendauszunutzen.
Wollen Sie andeuten, dass weitereScada-Akquisitionen bei Siemensanstehen?Nein, das ist eine konzern
strategische Frage, die ich nichtbeantworten kann.
Die Wirtschaftsflaute scheint dieBranche nicht zu berühren.infrastrukturprojekte hängen
nicht stark von konjunkturellenSchwankungen ab. wenn Sie einmal ein Loch durch den Berg gebohrt haben, was mühsam ist,dann bauen Sie den tunnel auchfertig. wenn die wirtschaftruntergeht und große industriebetriebe von einem tag auf denanderen einen investitionsstoppmachen, werden langfristige infrastrukturprojekte fertiggemacht.Davon profitieren wir. Zweitensist eine unserer Stärken, dass wirsehr große Projekte durchführenkönnen, mit vielen informationseinheiten. Und das ist ein trend,der sich jetzt in der it abspielt,mit industrie 4.0 und internet ofthings, woman nochmehr infor
mation irgendwo zentral sammelnwill, umdann darausmit analysemethoden zusätzlichen Nutzenherauszukriegen.Szameit: im Bereich Pipelines istman da noch am anfang. Bei vielen großen Pipelines läuft dasnoch sehrmanuell ab: Da fragt jemand am telefon: „ist das Ventiloffen?“ – „Ja, ist offen!“ – „Dannmach es mal zu.“ Es dauert lange,bis man so etwas digitalisiert hat.
Wo sind Ihre Pipelineprojekte?Reichl: wir haben bei transneft,das ist der größte Pipelinebetreiber in Russland, einen sehr schönen, großen auftrag gewonnen.Das ist ein unvorstellbar großesNetz mit über 70.000 KilometerPipelines mit einer itausstattung, die wieder mal angehobengehört.wir haben den erstenteilbereich gewonnen. in Südafrikabewerben wir uns um ein Pipelineprojekt. Das sind Regionen,wo Netzwerkverbindungen teilweise einfach nicht vorhandensind. Da gibt es zum Beispiel keinKabel hin zu der Funkstation. Dieherausforderung besteht darin,alles so hochzurüsten, dass maneine moderne Software verwenden kann.
Welche Bereiche wachsen noch?Flughäfen. Mit der Gepäcksor
tieranlage in heathrow habenwirjetzt einen guten auftrag. Der Be
reich ist umsatzmäßig noch nichtsehr stark, aber wir erwarten unsdaraus noch sehr viel.
Wo steht ETM am Scada-Markt?wir sind jetzt soweit, dass Kun
den, die ein großes infrastrukturprojekt bauen und ein ScadaSystem brauchen, sagen: „ich mussmir Siemens anschauen.“ Bei diesen drei bis fünf Unternehmen,die denKunden einfallen, sindwirdabei, und sie melden sich selbst.Das ist für mich daswesentliche.
Woran forschen Sie in Eisenstadt?Mehr als die hälfte der gesam
ten Mannschaft ist in der Entwicklung tätig. Eine aussage überdas Budget zu treffen wäre aberzu undifferenziert. wir habenzwei wesentliche Schwerpunkte:Das eine ist, dass Software immermehr vom internet und von mobilenGeräten aus bedienbarwird.Das andere sinddie ganzencloudthemen. ScadaSysteme sammelnDaten und können sie am Endesolchen cloudSystemen zur Verfügung stellen. Ein weiteres thema ist, dass ScadaSysteme anwendern bisher uninterpretierteinformation zur Verfügung gestellt haben: „Die temperatur beträgt 70 Grad“, beispielsweise.Jetzt geht es viel stärker dahin,dass man die Daten aufbereitetund Ergebnisse präsentiert: „DeineMaschine hat ein Problem, und
das ist wahrscheinlich die Ursache.“ Das ist ein ganz wesentliches Forschungsgebiet für uns.oder die vorausschauende wartung: wann wird ein aggregat zuwarten sein? Das ist der Grund,warum man immer mehr Datensammelt. wir entwickeln algorithmen:wenn dieser Störfall eintritt, dann lag dieses Muster vor.Das sind selbstlernende Systeme.in ein, zwei Jahren wollen wirunseren Kunden eine Softwarebieten, bei der nicht nur Datenanalyseexperten so etwas konfigurieren können, sondern dieKunden selbst.
ZUR PERSON
n Bernhard Reichl ist über 20 Jah-re bei ETM tätig. 2007 stieg er nachder Akquisition durch Siemens indie Führung der ETM ProfessionalControl GmbH auf. Seit 2016 ist erLeiter des Scada-Software-Be-reichs bei Siemens. Der 52-Jährigeist Absolvent der TU Wien.
n Mit CFO André Szameit leitetReichl das Softwareunternehmenmit insgesamt 140 Mitarbeitern.Der langjährige Siemens-ManagerSzameit wechselte erst 2014 nachEisenstadt.
Die Autorin des Artikels erreichen Sieunter [email protected]
Peroutka
André Szameit (l.) und Bernhard Reichl im Gespräch mit WirtschaftsBlatt-Redakteurin Melanie Manner.
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