Über das wesen der „latenz“ des herzmuskelelementes

2
5. AUGUST 1924 KLINISCHE \VOCHENSCHRIFT. 3. JAHRGANG. Nr. 3 2 ~447 gehemmt sind. Unter der Wirkung des Chloroforms, des Coffeins, aber auch der l~nger anhaltenden Erw~rmung nimmt das Lactacidogen parallel mit der Anh~ufung der Milchs~ure ab and die Phosphors~ure nimmt ebenso zu wie die Milch- s~ure. Die Veratrin,,contractur", sie HARTREE und HILL nntersuchten und die M~'ZERHOF als ein eklatantes Beispiel einer Contractur anfiihrt, bel der trotz anscheinend maximaler MilchsXurebildung die Phosphors~ure nicht vermehrt zu sein braucht, geh6rt wohl nicht iii unsere Betrachtung, da es sich hier fiberhaupt nicht un eine ehemische Contractur, sondern um eine modifizierte Zuckung handett. Der Paraltelismus des Verhaltens von Phosphors~ure und Milchs~ure zeigt sich auch darin, daB da, wo keine Milch- s~urevermehrung festzustellen ist, wie bei der Contractur mit Acetylcholin, auch keine Abnahme des Lactacidogens vor- handen ist. ]3eim Ammoniak liegen die Dinge folgendermal3en. In den spiiteren Stadien haben wir aueh hier den Parallelismus von Lactaeidogenabnahme and Milchs~iureanh~ufung. Zu Beginn aber, in Stadium der zunehmenden Verkfirzung, nimmt das Lactacidogen zu. W~ire seine Menge unver~indert, so k6nnte man vielleicht sagen, dal3 die geringe, zur Verktirzung n6tige Spaltung nicht mel3bar ist oder daB zu ]3eginn der Ammoniak- wirkung die Restitution noch einigermaBen funktioniere. Da seine Menge aber zunimmt,, so kann man an eine Lactacidogen- spaltung in diesem Stadium eigentlich fiberhaupt nicht mehr denken. Wenn nun auch die Anfangsverkfirzung -- und es ist hier nur von dieser die Rede -- durch Bildung von MilchsXure an den Verkfirzungsorten verursacht wird, wie es MEYERHOF postuliert, und wenn die Milchs~ure wirklich nur aus dem Lactacidogen abstammt, dann ist es in der Tat schwer er- klSMieh, wie zu einer Zeit, da das Lactacidogen zunimmt, Milchs~ure sich abspalten soli. Man mfiBte denn annehmen, daB 1Viilchs~urebildung durch Laetacidogenspaltung einer- seits, Lactacidogenaufbau aus Phosphat und Kohlenhydrat andererseits voneinander unabh~ngig und nebeneinander ver- laufen. SchlieB!ich erhebt sich hier naturgem~B die wichtige Frage, ob die Theorie von der Rolle des Lactacidogens in ihrer bisherigen Form zu Reeht besteht oder einer Erg~nzung be- dfirfe. Dieses zentrale Problem kann hier natiirlich nur be- rfihrt werden; auch wird es durch unsere Untersuchungen nicht entscheidend beleuchtet. DaB es fiberhaupt Contracturen auch ohne S/~urebildung gibt, wie die durch Acetylcholin bedingte, wiederholt ja auch MEYERHOF, und damit schon erweist sich die Schwierigkeit oder riehtiger die Unm6glichkeit, Mie Contraeturen auI eine Formet zu bringen. Es ist schwierig, im Rahmen einer kurzen schriItlichen Diskussion eine klare Verst~ndigung auI diesem immerhin komplizierten Gebiete zu erzielen. Dennoch hoffen wir, daB diese uns selbst h6chst lehrreiehe Er6rterung auch eines all- gemeinen Wertes ffir die Kl~rung der hier vorliegenden Pro- bleme nicht entbehre. KURZE WISSENSCHAFT OBER DAS WESEN DER ,,LATENZ" DES HERZMUSKELELEMENTES. Vert FRITZ SCH1~LLONG, t™ Durch Versuche, fiber deren Resultate ich schon auf dem 3 6. I™ Ifir innere Medizin kurz berichtete*), konnte ich nach- weisen, daB die Funktionen der iReizbarkeit (Anspruchsf/ihigkeit, Erregbarkeit) und der sog. Reizleitung ( Fortseh,reiten der ]~rregung) des Herzmuskels so untrennbar miteinander verbunden sind, daB sich Anderungen der einen gar nich• anders Ms unter gleichsinniger Anderung der andern vollziehen k6nnen. Denn wird die absolute Anspruchsf~higkeit des einzelnen Muskelelemelltes (gemessen an kfinsflichen Schwellenreizen) durch Eingriffe oder in der refrakt~ren Phase herabgesetzt, so zeigt die Stromkurve bel der Aktion dieser Fasern VerXnderungen: einen flacheren Anstieg und geringere I:i5he: der Erregungsvorgang verl~uft dann also im einzelnen Ele- ment verz6gert and abgeschw~cht (,,Dekrement" der Erregung). Infolgedessen erhalten die benachbarten Elemente ihren Erregungs- anstoB verspatet and so weiter fort: es resultiert Verz6gerung in Weiterschreiten der Erregung (der sog. ,,Reizleitung"). MaB- gebend ffir die Starke des einzelnen Erregungsvorganges (und damit Iflr das For ist also der Zustand der einzelnen Faser, die Anspruchsf~higkeit Anspruchsf~higkeit und Erregungs- stXrke ~ndern sich nur gleichsinnig und streng paYallel. Am gleichen Orte habe ieh Anhaltspunkte angegeben, die es wahrscheinlich machen, dag auch eine Erscheinungs- Iorm der relativen Anspruchsf~higkeit, die sog. Latenz, lediglich auf die St~rke des Erregungsvorganges zurtick- gef~hrt werden kann. Nunmehr habe ich den Beweis daffir liefern kSnnen. In meinen Versuchen an I-Ierzstreifenpr~parate benutzte ich die wirksame R™ (Kathode Iflr den 0ffnungsinduktions- schlag) gleiehzeitig zur Ableitung des Akti0nsstromes an der ge- reizten Stelle**). Die Einschaltung des PrXparates in den Saiten- galvanometerkreis erIolgte 2-- 4 o nach dem 0ffnungsinduktions- schlag. GroBe SM~enempfindlichkeit. I. Bel meiner Versuchsano ist die ,,Latenzzeit", die von dem Moment der Applikation eines Schwellenreizes bis zum Beginn des Aktionsstromes vergeht, nicht l~nger als *) Die ausftthrlichen Mitteilungen bš sich in der Zeitschr. f. BioL im Druck. **) Ein ~hnlicher Kunstgriff ist von Prof. W. FREY bereits 1914 angewandt worden. Die Ver6Ifentlichung der Ergebnisse unterblieb aus ~tuBeren Grfinden; doch relit GARTEN (Zeitschr. f. Biol. @6, 67. x916) kurz mit, dat3 die Latenzzeit des elek- trischen Vorganges an der ReizstelIe nach diesen Versuchen viei geringer sel, Ms man bisher angenommen habe und etwa 4 a betrage, LICHE MITTEILUNGEN. die ,,Latenz der Methodik". In demselben Augenblicke, in dem das Pr~tparat an das Saitengalvanometer angeschaltet werden kann, ist auch sehon der Anstieg der S• zu erkennen. Es gelang mit nicht, die ,,Latenz der Methodik" tiber 2 a hinaus zu verkfirzen. Die Annahme, daB der Moment des IReizes identisch ist mit dem t3eginn der elektrischen AuBerung der Erregung, hat jedenfalls an Wahrscheinlieh- keit gewonnen. 2. Unter Bedingungen, unter denen man bisher eine Ver- l~ngerung der Latenz angenommen hatte, findet ta• eine solche Verl~ngerung nieht statt. Wenn z. B. S•MOJLO zwei Reize kurz hintereinander applizierte, so hatte nach seinen Untersuchungen der zweite eine l~ngere elektrische Latenz zur Folge, and zwar un so l~nger, je Irfihzeitiger er einfiel. Die von mir gewonnenen Elektrogramme zeigen aber, dag die zweite Stromkurve ohne ]ede Verspiitung gegenfiber der ersten von der Nullinie sich abzuheben beginnt. Sie zeigt nur einen flacheren Anstieg als die der vorhergehenden Erregung, un so flacher, je weniger sich der Herzmuskel von der vorher- gehenden Systole erholen konnte. Dabei ist die HShe des Aktionsstromes entsprechend vermindert. Auch bei Abk~hlung findet sich keine ,,verl~ngerte Latenz" ; der Stromverlauf weist ebenfalls die Zeichen des Dekrementes auf. Damit habe ich die schon ge~uBerte Vermutung beweisen k6nnen, dafi die ,,Latenz" sieh -- genau so wie die Geschwindigkeit des Er- regungsfortschreitens -- au] die Stiirke des Erregungsvorganges zuri~ck] lgi/3t- der Zustand der einzelnen 2Faser ist ]iir die Kurve der in ihr entstehenden Erregung maflgebend. 3. Weiterhin untersuchte ich die ,,Latenz" bel Einzet- reizen von verschiedener St~rke. Es ergab sich: w~hrend bel Schwellenreizen der Anstieg der Stromkurve nicht sehr steil verl~uft, wird er bel zunehmender Reizst~rke beschleunigt; die volle H6he wird somit schneller erreicht, w~chst selbst aber nicht, so dal3 sich die Erregungen auf Schwellenreize und auf iiberschwellige IReize hin nur durch die Schnelligkeit ihrer Entwicklung unterscheiden, nicht aber durch die schlieB- liche St~rke; letztere ist nur von dem Zustande der Faser abh~ngig. 4. Wenn man einen Reiz von beliebiger St~rke auI eine von den Ableitungselektroden abgelegene Stelle des Herz- mnskels einwirken l~13t, so daB die untersuchte Muskelpartie jetzt von einem ,,physiologischen" Reize erregt wird, so ist der Anstieg der Stromkurve steiler, als wenn an der zu prit-

Upload: fritz-schellong

Post on 16-Aug-2016

217 views

Category:

Documents


4 download

TRANSCRIPT

5. AUGUST 1924 K L I N I S C H E \ V O C H E N S C H R I F T . 3. J A H R G A N G . Nr . 3 2 ~447

g e h e m m t sind. U n t e r der Wi rkung des Chloroforms, des Coffeins, aber auch der l~nger anha l tenden E r w ~ r m u n g n i m m t das Lac tac idogen paral le l mi t der Anh~ufung der Milchs~ure ab and die Phosphors~ure n i m m t ebenso zu wie die Milch- s~ure. Die Vera t r in , , con t rac tu r" , �87 sie HARTREE und HILL nn te r such ten und die M~'ZERHOF als ein ek la tan tes Beispiel einer Cont rac tur anfiihrt , bel der t ro tz anscheinend max ima le r MilchsXurebildung die Phosphors~ure n ich t v e r m e h r t zu sein braucht , geh6rt wohl n ich t iii unsere Bet rachtung, da es sich hier f iberhaupt n ich t u n eine ehemische Contractur , sondern um eine modif izier te Zuckung handett .

Der Paral te l ismus des Verhal tens von Phosphors~ure und Milchs~ure zeigt sich auch darin, daB da, wo keine Milch- s~urevermehrung festzustel len ist, wie bei der Con t rac tu r mi t Acetylcholin, auch keine A b n a h m e des Lactac idogens vor- handen ist.

]3eim A m m o n i a k liegen die Dinge folgendermal3en. In den spii teren Stadien haben wir aueh hier den Paral le l ismus von Lac tae idogenabnahme and Milchs~iureanh~ufung. Zu Beginn aber, i n S t ad ium der zunehmenden Verkfirzung, n i m m t das Lac tac idogen zu. W~ire seine Menge unver~indert, so k6nnte m a n viel le icht sagen, dal3 die geringe, zur Verkt i rzung n6t ige Spa l tung n ich t mel3bar ist oder daB zu ]3eginn der Ammoniak - wi rkung die Res t i tu t ion noch einigermaBen funktioniere. Da seine Menge aber zunimmt, , so kann m a n an eine Lactac idogen- spa l tung in diesem S t a d i u m eigentl ich f iberhaupt n icht mehr denken.

Wenn nun auch die Anfangsverkf i rzung -- und es ist hier nur von dieser die Rede - - durch Bi ldung von MilchsXure an den Verkf i rzungsor ten ve ru r sach t wird, wie es MEYERHOF postul ier t , und wenn die Milchs~ure wirkl ich nu r aus dem Lac tac idogen abs t ammt , dann ist es in der T a t schwer er- klSMieh, wie zu einer Zeit, da das Lac tac idogen zun immt , Milchs~ure sich abspal ten soli. Man mfiBte denn annehmen, daB 1Viilchs~urebildung durch Lae tac idogenspa l tung einer- seits, Lac tac idogenaufbau aus P h o s p h a t und K o h l e n h y d r a t anderersei ts vone inander unabh~ngig und nebene inander ver- laufen. SchlieB!ich e rhebt sich hier na turgem~B die wicht ige Frage, ob die Theor ie von der Rol le des Lactac idogens in ihrer bisherigen F o r m zu Reeh t bes teh t oder einer Erg~nzung be- dfirfe. Dieses zentrale P rob lem kann hier nat i i r l ich nur be- rf ihr t werden; auch wird es durch unsere Un te r suchungen n ich t entscheidend beleuchtet .

DaB es f iberhaupt Cont rac tu ren auch ohne S/~urebildung gibt, wie die durch Acetylchol in bedingte , wiederhol t ja auch MEYERHOF, und dami t schon erweist sich die Schwier igkei t oder r ieht iger die Unm6gl ichkei t , Mie Cont rae turen auI eine Formet zu bringen.

Es ist schwierig, im R a h m e n einer kurzen schriI t l ichen Diskussion eine klare Vers t~ndigung auI diesem immerh in kompl iz ie r ten Gebiete zu erzielen. Dennoch hoffen wir, daB diese uns selbst h6chst lehrreiehe Er6 r t e rung auch eines all- gemeinen Wer tes ffir die Kl~rung der hier vor l iegenden Pro- bleme n ich t entbehre.

K U R Z E W I S S E N S C H A F T

OBER DAS WESEN DER ,,LATENZ" DES HERZMUSKELELEMENTES.

Vert

F R I T Z SCH1~LLONG, t ™

Durch Versuche, fiber deren Resultate ich schon auf dem 3 6. I™ Ifir innere Medizin kurz berichtete*), konnte ich nach- weisen, daB die Funktionen der iReizbarkeit (Anspruchsf/ihigkeit, Erregbarkeit) und der sog. Reizleitung ( Fortseh,reiten der ]~rregung) des Herzmuskels so untrennbar miteinander verbunden sind, daB sich Anderungen der einen gar nich• anders Ms unter gleichsinniger Anderung der andern vollziehen k6nnen. Denn wird die absolute Anspruchsf~higkeit des einzelnen Muskelelemelltes (gemessen an kfinsflichen Schwellenreizen) durch Eingriffe oder in der refrakt~ren Phase herabgesetzt, so zeigt die Stromkurve bel der Aktion dieser Fasern VerXnderungen: einen flacheren Anstieg und geringere I:i5he: der Erregungsvorgang verl~uft dann also im einzelnen Ele- ment verz6gert and abgeschw~cht (,,Dekrement" der Erregung). Infolgedessen erhalten die benachbarten Elemente ihren Erregungs- anstoB verspatet and so weiter fort: es resultiert Verz6gerung i n Weiterschreiten der Erregung (der sog. ,,Reizleitung"). MaB- gebend ffir die Starke des einzelnen Erregungsvorganges (und damit Iflr das For�8 ist also der Zustand der einzelnen Faser, die Anspruchsf~higkeit Anspruchsf~higkeit und Erregungs- stXrke ~ndern sich nur gleichsinnig und streng paYallel.

A m gleichen Orte habe ieh Anha l t spunk te angegeben, die es wahrscheinl ich machen, dag auch eine Erscheinungs- Io rm der re la t iven Anspruchsf~higkei t , die sog. Latenz, lediglich auf die St~rke des Er regungsvorganges zurtick- gef~hr t werden kann. N u n m e h r habe ich den Beweis daffir l iefern kSnnen.

In meinen Versuchen a n I-Ierzstreifenpr~parate benutzte ich die wirksame R™ (Kathode Iflr den 0ffnungsinduktions- schlag) gleiehzeitig zur Ableitung des Akti0nsstromes an der ge- reizten Stelle**). Die Einschaltung des PrXparates in den Saiten- galvanometerkreis erIolgte 2-- 4 o nach dem 0ffnungsinduktions- schlag. GroBe SM~enempfindlichkeit.

I . Bel meiner Versuchsano �9 ist die , ,Latenzzei t" , die von dem Moment der Appl ika t ion eines Schwellenreizes bis zum Beginn des Akt ionss t romes vergeht , n ich t l~nger als

*) Die ausftthrlichen Mitteilungen bš sich in der Zeitschr. f. BioL im Druck. **) Ein ~hnlicher Kunstgriff ist von Prof. W. F R E Y bereits 1914 angewandt worden. Die Ver6Ifentlichung der Ergebnisse unterblieb aus ~tuBeren Grfinden; doch relit G A R T E N (Zeitschr. f. Biol. @6, 67. x916) kurz mit, dat3 die Latenzzeit des elek- trischen Vorganges an der ReizstelIe nach diesen Versuchen viei geringer sel, Ms man bisher angenommen habe und etwa 4 a betrage,

L I C H E M I T T E I L U N G E N .

die , ,Latenz der Method ik" . In demselben Augenblicke, in dem das Pr~tparat an das Sa i t enga lvanomete r angeschal te t werden kann, ist auch sehon der Anst ieg der S• zu erkennen. Es gelang mi t nicht , die , ,Latenz der Me thod ik" tiber 2 a hinaus zu verkfirzen. Die Annahme, daB der Moment des IReizes ident isch ist m i t dem t3eginn der elektr ischen AuBerung der Erregung, ha t jedenfal ls an Wahrscheinl ieh- kei t gewonnen.

2. U n t e r Bedingungen, un te r denen man bisher eine Ver- l~ngerung der La tenz angenommen hat te , f inde t ta• eine solche Verl~ngerung nieht s ta t t . W e n n z. B. S•MOJLO�87 zwei Reize kurz h in te re inander applizierte, so ha t t e nach seinen Unte r suchungen der zweite eine l~ngere elektr ische La tenz zur Folge, and zwar u n so l~nger, je Irf ihzeit iger er einfiel. Die von mir gewonnenen E l e k t r o g r a m m e zeigen aber, dag die zweite Stromkurve ohne ]ede Verspiitung gegenfiber der ers ten von der Null inie sich abzuheben beginnt . Sie zeigt nur einen f lacheren Anst ieg als die der vorhergehenden Erregung, u n so flacher, je weniger sich der Herzmuske l von der vorher- gehenden Systole erholen konnte . Dabe i is t die HShe des Akt ionss t romes entsprechend verminder t . A u c h bei Abk~hlung f indet sich keine , ,verl~ngerte L a t e n z " ; der S t romver lauf weist ebenfalls die Zeichen des Dekrementes auf. D a m i t habe ich die schon ge~uBerte V e r m u t u n g beweisen k6nnen, dafi die ,,Latenz" sieh -- genau so wie die Geschwindigkei t des Er - regungsfor tschrei tens - - au] die Stiirke des Erregungsvorganges zuri~ck]�9 lgi/3t- der Zustand der einzelnen 2Faser ist ]iir die Kurve der in ihr entstehenden Erregung maflgebend.

3. Wei te rh in un te rsuchte ich die , ,La tenz" bel Einzet- reizen von verschiedener St~rke. Es ergab sich: w~hrend bel Schwellenreizen der Anst ieg der S t romkurve nicht sehr steil verl~uft , wird er bel zunehmender Reizst~rke beschleunigt ; die volle H6he wird somi t schneller erreicht, w~chst selbst aber nicht , so dal3 sich die Er regungen auf Schwellenreize und auf iiberschwellige IReize hin nur durch die Schnelligkeit ihrer Entwicklung unterscheiden, n icht aber durch die schlieB- liche St~rke; le tz tere ist nur von dem Zustande der Faser abh~ngig.

4. Wenn man einen Reiz von beliebiger St~rke auI eine von den Able i tungse lek t roden abgelegene Stel le des Herz- mnskels e inwirken l~13t, so daB die un te rsuchte Muskelpart ie j e t z t von einem , ,physiologischen" Reize erregt wird, so ist der Anst ieg der S t romkurve steiler, als wenn an der zu prit-

1448 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 3. ] A H R G A N G . Nr. 32

fenden Stelle selbst ein Schwellenreiz gesetzt wird. Das l~Bt darauf schlieBen, dafi der physiologische Reiz stdirker ist als ein kiinstlicher Schwellenreiz; er entspricht einem wesentlich fiberschwelligen Reiz -- eine Anschauung, ftir die ich an anderer Stelle noch weitere Anhaltspunkte und Fol- gerungen anfiihren werde.

Die Untersuchungen wurden mit Unterstii tzung der Rockefœ ausgeftihrt. Ausfiihrliche Mitteilung erfolgt in der Zeitschrift fiir Biologie. (Aus dem Physiologi- achen Institut Wi~rzburg.)

BILDUNG VON ANAPHu (SEROTOXIN) AUS TROCKENKOMPLEMENT.

Von H. DOLD.

Das Irische Meerschweinchenserum ist im wesentlichen charakterisiert durch den Besitz zweier Eigensehaften, nXm- lich I. durch die F~higkeit, Antigen-Antik6rpersysteme zu komplettieren und 2 durch die F/ihigkeit bel 14ontakt mit gewissen Substanzen, insbesondere mit gewissen Bakterien, giftig zu werden tBildung des sog. Anaphylatoxins oder Serotoxins h

W/ihrend das Komplement des frischen Meerschweinchen- serums sehr labil ist und infolgedessen nur eine sehr beschr/inkte Zeit verwendbar, besitzt man neuerdings in dem sog. Troe]cen- komplement ein haltbares Produkt, das, aufgel6st, dem irischen Komplement an Wirksamkeit nicht wesentlich nach- steht. Das Trockenkomplement ist frisches Meerschweinchen- serum, das z. T. nach besonderen Verfahren unter Verrue> dung hSherer Temperaturen rasch in Trocken�9 iibergeftihrt wird. Es stellt ein Pulver, bestehend aus mehr oder weniger feinen Serumpl~ittchen, dar und 16st sich im Verh/ittnis I :IO ccm Aqua dest. leicht auf, wobei man am besten so vorgeht, dag man auf IO ccm Aqua dest. i g des Trocken- komplementpulvers auIstreut. Unter wiederholtem Ieichten Umschiitteln wartet man die spontane L6sung ab, die meist innerhalb von 5 Minuten erIolgt ist. Die so gewonnene L5sung entspricht frischem Meerschweinchenkomplement und ist wie dieses.in ~/10 Verdfinnung verwendbar.

Nachdem von anderer Seite festgestellt und durch die Erfahrung vielfach erwiesen war, daB in diesem Trocken- serum (Trockenkomplement) die Komplement™ noch ziemIich unverseh™ vorhanden ist, war es von Interesse fest- zustetlen, ob auch die obengenannte andere Eigenschaft, die Fghigkeit zut Bildung des Anaphylatoxins (Serotoxins), er- halten ist. .

Zu diesem Zwecke wurde T�9 in dš oben angegebenen Weise gMOst. Soweit keine vollst~ndige und klare L6sung eingetre, ten war, wurde die LSsung durch ein Papierfilter filtriert oder durch Zentrifugieren von den ungel6sten Partike]n befreit.

Naehdem an Proben der fertigen L6sungen ira einfachen H~m0Iyseversuch das Vorhandensein eines ungef~hr normalen Komplementgehaltes festgestellt war, wurden die L6sungen in der fiblichen Weise mit B. prodigiosum versetzt (auf 4 ccm L6sung 2 0sen einer 24stfindigen Schr~gagarkultur von B. prodigiosum) und 1--2 Stunden bel 37 ~ digeriert. Hierauf wurden die Bakterien abzentrifugiert und die t~berstehende Flfissigkeit Meerschweinehen intrajugular injiziert. Zur Verwendung kam sowohl Trockenkomplement, das von dem Pharmazeutischen Institut Ludw. Wilh. Gans, Oberursel, her~ gestellt war, als aueh Trockenkomplement, das wir selbst ge- wonnen hatten. Beide Arten von Troekenkomplement ver- hielten sich sowohl hinsichtlich Kompiementwirkung als auch hinsiehtlich F~higkeit zut Anaphylatoxinbildung ungef~hr gleich.

Das Ergebnis war, kurz zusammengefaBt, folgendes: V0n fo Meerschweinchen ira Gewicht von 18o--24og, die das mit Trockenkomplement hergestellte Prodigiosus-Ana- phylatoxin erhielten, zeigten 3 die typischen Erscheinungen akuter~ anaphy]atoxischer (serotoxischer) Vergiftung mit Exitus und Lungenbl~hung. 2 zeigten abgeschwgchte Er-

5. AUGUST I924

scheinungen ohne Exitus, und bel den iibrigen 5 waren keine deutlichen VergiItungserscheinungen festzustellen.

Es geht also aus unseren Versuchen hervor, daB das Troeken- komplement (Trockenserum) noeh die Fdhigs zur Anaphyla- toxinbildung (Serotoxinbildung) besitzt. Diese Ffihigkeit er- scheint aber verringert, da wir nur 3 ~ bzw. 50% positive Er- gebnisse hatten, w~hrend man bel sonst gleicher Versuchs- anordnung, aber bel Verwendung von frischem Meerschwein- chenserum, erfahrungsgem~i8 einen viel hSheren Prozentsatz (9O--lOO%) positive Ergebnisse hat. (Aus dem Institut ]�9 experimentelle Therapie ,,Emil von Behring", Marburg, Lahn. )

KOMPLEMENTADSORPTION DURCH FARBSTOFFE. Beitrag zu den physikalisch-chemischen Grundlagen der

Wassermannschen Reaktion. Von

Dr. FELIX KLOPSTOCK, Berlin.

Aus einer Reihe von Untersuchungen, deren letztes Ziel die Aufkl~irung des Wesens der Wassermannschen iReaktion ist, nehme ich Versuche, die mir besonders ertragreich erscheinen, zu einem kurzen Beriehte heraus. Es sind Versuche, die die Komplementadsorption durch Farbsto]]e und die Beeinflussung der Adsorption durch Lipoid- und Serumzusatz zum Gegen- stande haben*).

Die Adsorption des sog. Komp]ements durch Kolloide ist ja seit langem bekannt. Die Finffihrung kolloidal 16slicher Farbstoffe in den t™ bot die M6g- lichkeit, Versuchsreihen mit quant i ta t iv abgestimmten kolloi- dalen L6sungen anzustellen, und hoch-, mittel-, niedrigdisperse, elektropositiv und elektronegativ geladene Suspensoide zur Verwendung zu bringen. Die LSsung der Farbstoffe muBte natfirlich dabei in physiologischer Kochsalzl6sung erfolgen. Die t3eobachtung der Komplementbindung geschah in der bel der Serodiagnostik der Syphilis fiblichen Weise.

Die Komplementbindungsversuche mit kolloiden Farb- stoffen brach%en das erwartete Resultat. Es ]anden sich unter den untersuchten Farbsto]]en zahlreiche, die komple- mentadsorbierend wirlcten. Die niedrigdisperslSslichen Farb- stoffe, insbesondere das entgegengesetzt geladene Farbstoff- paar Nachtblau-Kongorot, erwiesen sich vor allen anderen zu Komplementbindungsproben geeignet. Nachtblau bindet noch �9 o, iproz. L6sung, Kongorot in o,o5proz. L6sung Komplement.

Wurdœ nun kolloidallSsliehe Farbstoffe mit Lipoiden, wie dem Wassermannschen Antigen ira Komplementbindungs- versuch gepaart, so war ein fiberraschendes Ergebnis vor- handen. Es erfolgt jetzt noch Komplementbindung beiNacht- blau in O,olproz., bel Kongorot in o, oolproz. L6sung! Kolloide Farbsto]]e vermSgen somit durch Vereinigung mit Lipoiden noch in einer Konzentration Komplement zu adsorbieren, in der ste ]�9 sich allein Komplement nicht zu binden imstande sind! Es gelingt au] die8e Weise den Nachweis zu erbringen, da/3 die Kuppelung Suspensoid-Lipoid komplementadsorptiv wirkt, ohne dafi zwischen beiden irgendwelche speziJischen Affinitdten be- stehen! Dabei ist von Bedeutung, daB das elektropositive Nachtblau und elektronegative Kongorot in gleichem Sinne wirken. Es bedarf nicht des Zusatzes eines positiv geladenen Kolloids zu dem negativ geladœ Lipoid, um das Ph~nomen der I™ entstehen zu lassen.

Ich stellte schliel31ich Versuchsreihen an iiber die Ein- wirknng des SerumeiweiBes auf die Komplementadsorption dureh Farbsto~fe mit nnd ohne Kuppelung mit dem Lipoid. Das Ergebnis war wieder ein bemerkenswertes. Wurde der kolloidale Farbstoff stat t in physiol0gischer Kochsalzl6sung im Serum i : 5 gel6st, somit in jener Serumverdtinnung, in der wir die Wassermannsche Reaktion anzustellen gewohnt sind, so war das KomplementbindungsvermSgen erheblich herabgesetzt! Wgihrend das Lipoid ira Sinne der Sensibili- sierung der Komplementbindung wir~t, 15st der Serumzusatz eine

*) Die ausfiihrliche Darstellung der Versuche erfolgt in der Biochem. Zeitschr.