Über das wesen der oxydationssteigernden wirkung des thyroxins

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5o4 KLINISCHE WOCHENSCtIRIFT. 7. JAHRGANG. Nr. II Die vorl~ufigen Resultate waren folgende: I. Bei normaler Nierenfunktion finder in den Nieren eine Ketonkonzentration start, so dab die Ketonmenge im Urin etwa Iomal so grol3 wird wie im Blur (x = IO). 2. Bei Diabetes kann diese Nierenfunktion verringert werden, so dab der Quotient x mehr oder weniger abnimmt. Bei Coma diabeticum scheint dies das SchluBstadium zu sein; die Nieren scheiden, relativ wenig Ketonk6rper aus, indem letztere im Blur retiniert werden. Je nach der Ketonausscheidung kann man 3 Gruppen der FunktionsfXhigkeit der Nieren aufstellen: 1. NormalJunktion. Konzentration x = ca. Io. Beispiele: a) Chronische Nicotinvergiftung 54 mg p. m. im Urin x = 6rag p. m im Blur ' x = 9. b) Ischias : 44 mg p. m. im Urin 4 mg p. m. im Blur' 2. Hyper/unktion. Beispiele : a) Leichte Diabetes (kein Insulin): 3882 mgp. m. im Urin gg = X = 2I,I. 184 mg p. m. im ]31ut ,xI. MARZ 1928 b) Renale Diabetes: 7819 mg p. m. im Urin x = x = 28, 5. 274 mg p. m. im Blur ' 3. HypoJunktion. Beispiele : a) Schwere Diabetes (Insulin), Funktion herabgesetzt 7o3mg p. m. im Urin x= 166mg p. m. im Blur' x =4,2 b) Coma diabetieum, Funktion starker herabgesetzt 643 mg p. m. im Urin x= 1o18mg p. m. im But ' x~o,63. In Verbindung mit I~eton~mie tritt auch zunehmende Keton- menge in der Spinalflfissigkeit auf, um so mehr, je nXher derPatient sich dem Korea befindet. Diese Ketonmenge in der Spinalflfissigkeit scheint yon Insulin viel langsamer beeinflugt zu werden, als die- jenige im Blur; bei tOdlichem Ausgang des Koma wurde doppelt soviel Keton in der Spinalfltissigkeit als im Blur gefunden, wXhrend die Keton~mie durch Insulin betr~chtlich herabgesetzt war. Dieser Umstand, dab das Keton in der Spinalflfissigkeit durch Insulin schwerer zu beeinflussen ist, scheint die Ursache zu sein, dab Insulinbehandlung in gewissen FXllen versagt, trotzdem sowohl Hyperglyk~mie wie Ketonhmie beinahe beseitigt sind. KURZE WISSENSCHAFTLICHE MITTEILUNGEN. 0BER DAS WESEN DER OXYDATIONSSTEIGERNDEN WlRKUNG DES THYROXINS*. Von KURT DRI~SEL. Als wesentliches Moment fiir die Erh6hung des Grund- umsatzes beim Basedow-Kranken hat man ziemlich dureh- gehend eine Steigerung der allgemeinen Gewebsvitalit/~t angenommen und hierbei deln iln ~)bermaS in den Kreislauf kommenden Thyroxin die Hauptrolle zugeschrieben. Bis heute ist jedoch der Beweis nicht geglfickt,dab das Thyroxin in der Tat eine Oxydationssteigerung der Gewebe hervor- zurufen vermag. Im AnschluB an Versuche fiber den Einflul3 yon in vitro zugesetztem Thyroxin auf die Gewebsatmung, die auf Ver- anlassung von O. WARBURG unternommen wurden nnd fiber die an anderer Stelle berichtet werden soil, habe ich den Stoffwechsel verschiedener Gewebe (Leber und Niere) nach subcutaner Injektion yon Thyroxin bei Ratten geprfift und bin dabei zu bemerkenswerten Resultaten gekommen. Nach subcutaner Injektion yon i mg Thyroxin ,,Roche" ist gelegentlich schon nach 5 Stunden eine deutliche Oxy- dationssteigerung des Leber- und Nierengewebes zn be- obachten. Legen wir als Mittelwerte fiir den Sauerstoff- verbrauch in Kubikmillimeter pro Milligramm Gewebe und Stunde (Qo2) die von O. WARBURG mitgeteilten Zahlen yon Qo 2 bei der Leber = -- 11,6 nnd Qo~ bei der Niere = -- 2o, 7 zugrunde, Werte, die wit in zahlreichen Versuchen ebenfalls feststellen konnten, so finden wir 5 Stunden nach Thyroxin- injektion die Durchschnittswerte yon Qoz-Leber =- 14,8, Qo2-Niere = -- 22,3. Deutlicher wird der Unterschied nach 24 Stunden, zu welcher Zeit sich Werte yon Qo2-Leber = -- 19,3, Qo2-Niere ~ -- 25,7 ergeben. Sehr interessant ist nun der weitere Verlauf der Stoff- wechsel~inderung. Nach 2 Tagen beginnen die Oxydationen in der Niere schon wieder abzunehmen, Qo2-Niere = -- 25,2, w~hrend die Oxydation in der Leber sich welter steigert: Qo2-Leber =- 22,8. Dies entspricht einer etwa Iooproz. Oxydationssteigerung. Nach 3 Tagen ist die Stoffwechselsteigerung der Niere wieder fast ganz abgeklungen: Qoe-Niere = -- 22,1, aber die Oxydationssteigerung der Leber hat noch weiter ganz enorm zugenommen: Qo 2 =- 31, 3 (Steigerung um e~wa 200% ge.qeni~ber der Norm). * Der Notgemeinschaft der Deutscl~en Wissenschaft danke ich ffir die ffir diese Untersuchungen zur Verffigung gestellte Apparatur uad Itir die ffir die Tier- beschaffung bewilligten Mittel. Nach 4 Tagen klingen dann die Stoffwechselsteigerungen auch in der Leber wieder ab. Es ergibt sich ftir Qo2-Leber = -- 21,4, ein Wert, der aber immer noch um etwa IOO % tiber der Norm liegt. Nach diesen Untersuchungen, die noch auf weitere Gewebe ausgedehnt werden sollen, kann es also keinem Zwei]el mehr unterliegen, daft das Thyroxin zu Oxydationssteigerungen der Gewebe, insbesondere der Leber, /i~hrt. Weiter ergeben diese Versuche, dal3 das von der Firma HOFFMANN-LA ROCHE nach den Angaben von HARRINGTON und ]:3A.YER dargestellte synthetische Thyroxin stark wirk- sam ist. In einer ktirzlich an dieser Stelle verSffentlichten Arbeit schliel3t HAFFNER aus der Tatsache, dab bei der Thyroxin- wirkung eine gewisse Latenzzeit zu beobachten ist, dab fernerhin der Organismus zugrunde geht, wenn er nach Schild- drtisenzuftihrung an der Steigerung der Oxydationen ver- hindert wird, und schliel31ich, dab die Thyroxinwirkung auf die Metamorphose yon Kaulquappen nnd Axolotln durch Blaus~Lure nicht die geringste Hemmung erf~hrt, dab die Thyroxinwirkung bereits an der anaeroben Phase des Stoff- wechsels angreift und die Steigerung der Oxydationen dem- nach nur die Folge einer prim~tren Vermehrung der anaeroben Umsetzungen ist. Diese Annahme l~13t sich auf Grund meiner Versuche widerlegen, denn in der Leber, in der wir die st~rkste Stei- gerung der Oxydationen beobachten, ist sicher keine Steige- rung des anaeroben Stoffwechsels zu finden. WARBURG gibt als Mittelwert ffir die S~iurebildung der Leber in N 2 pro Milligramm Gewebe und Stunde, ausgedrtickt in Kubilmillimetern CO2, (Qy'-') + 3,3 an. Die yon mir bei den Thyroxintieren gefundenen Werte ftir Q~2 : nach 5 Stunden = + 1,95, nach 24 Stunden ~ + 1,44, nach 2 Tagen = 3,75, nach 3 Tagen ~ + 3,3, nach 4 Tagen ~ + 3,5 zeigen, dab im Beginn der Thyroxinwirkung eher eine Abnahme der anaeroben Umsetzungen, und auf der HShe der Thyroxin- wirknng keine Steigerung der anaeroben Umsetzungen der Leber zu beobachten ist. Bei der Niere finden sich allerdings w~hrend der Dauer der Oxydationssteigerung zweifellos erh6hte Werte im anaeroben Stoffwechsel. WARBURG gibt als Durchschnitts- wert ffir die Niere Q~ ~ + 3,2 an. Dieser Wert steigt unter der Thyroxinwirkung auf maximal QN~ = + 7;4. Diese Stei- gerung des anaeroben Stoffwechsels der Niere kann niemals die gewaltige Oxydationssteigerung in der Leber zur Folge haben.

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Page 1: Über das Wesen der Oxydationssteigernden Wirkung des Thyroxins

5o4 KLINISCHE W O C H E N S C t I R I F T . 7. J A H R G A N G . N r . II

Die vorl~ufigen Resultate waren folgende: I. Bei normaler Nierenfunktion finder in den Nieren eine

Ketonkonzentration start, so dab die Ketonmenge im Urin etwa Iomal so grol3 wird wie im Blur (x = IO).

2. Bei Diabetes kann diese Nierenfunktion verringert werden, so dab der Quotient x mehr oder weniger abnimmt. Bei Coma diabeticum scheint dies das SchluBstadium zu sein; die Nieren scheiden, relativ wenig Ketonk6rper aus, indem letztere im Blur retiniert werden.

Je nach der Ketonausscheidung kann man 3 Gruppen der FunktionsfXhigkeit der Nieren aufstellen:

1. NormalJunktion. Konzentration x = ca. Io. Beispiele: a) Chronische Nicotinvergiftung

54 mg p. m. im Urin x = 6 rag p. m im Blur ' x = 9.

b) Ischias : 44 mg p. m. im Urin

4 mg p. m. im B l u r '

2. Hyper/unktion. Beispiele : a) Leichte Diabetes (kein Insulin):

3882 m g p . m. im Urin gg = X = 2 I , I .

184 mg p. m. im ]31ut

,xI. MARZ 1928

b) Renale Diabetes: 7819 mg p. m. im Urin

x = x = 28, 5. 274 mg p. m. im Blur '

3. HypoJunktion. Beispiele :

a) Schwere Diabetes (Insulin), Funktion herabgesetzt 7o3mg p. m. im Urin

x = 166mg p. m. im B l u r ' x = 4 , 2

b) Coma diabetieum, Funktion starker herabgesetzt 643 mg p. m. im Urin

x = 1o18mg p. m. im But ' x ~ o , 6 3 .

In Verbindung mit I~eton~mie t r i t t auch zunehmende Keton- menge in der Spinalflfissigkeit auf, um so mehr, je nXher derPat ient sich dem Korea befindet. Diese Ketonmenge in der Spinalflfissigkeit scheint yon Insulin viel langsamer beeinflugt zu werden, als die- jenige im Blur; bei tOdlichem Ausgang des Koma wurde doppelt soviel Keton in der Spinalfltissigkeit als im Blur gefunden, wXhrend die Keton~mie durch Insulin betr~chtlich herabgesetzt war.

Dieser Umstand, dab das Keton in der Spinalflfissigkeit durch Insulin schwerer zu beeinflussen ist, scheint die Ursache zu sein, dab Insulinbehandlung in gewissen FXllen versagt, trotzdem sowohl Hyperglyk~mie wie Ketonhmie beinahe beseitigt sind.

K U R Z E W I S S E N S C H A F T L I C H E M I T T E I L U N G E N .

0BER DAS WESEN DER OXYDATIONSSTEIGERNDEN WlRKUNG DES THYROXINS*.

V o n

KURT DRI~SEL.

Als wesentliches Moment fiir die Erh6hung des Grund- umsatzes beim Basedow-Kranken hat man ziemlich dureh- gehend eine Steigerung der allgemeinen Gewebsvitalit/~t angenommen und hierbei deln iln ~)bermaS in den Kreislauf kommenden Thyroxin die Hauptrolle zugeschrieben. Bis heute ist jedoch der Beweis nicht geglfickt, dab das Thyroxin in der Tat eine Oxydationssteigerung der Gewebe hervor- zurufen ve rmag .

I m AnschluB an Versuche fiber den Einflul3 yon in v i t ro zugese t z t em Thyrox in auf die Gewebsa tmung , die auf Ver- an lassung von O. WARBURG u n t e r n o m m e n w u r d e n nnd fiber die an ande re r Stelle be r i ch t e t werden soil, habe ich den Stoffwechsel ve r sch iedener Gewebe (Leber und Niere) nach s u b c u t a n e r In j ek t ion yon Thy rox in bei R a t t e n geprf if t und bin dabei zu b e m e r k e n s w e r t e n R e s u l t a t e n gekommen .

Nach s u b c u t a n e r In j ek t ion yon i mg T h y r o x i n , ,Roche" i s t ge legent l ich schon nach 5 S t u n d e n eine deut l iche Oxy- da t ionss t e ige rung des Leber- und Nierengewebes zn be- obach ten . Legen wir als Mi t te lwer te fiir den Sauers toff - v e r b r a u c h in Kub ikmi l l ime te r pro Mil l igramm Gewebe und S tunde (Qo2) die von O. WARBURG mi tge te i l t en Zahlen yon Qo 2 bei der Leber = - - 11,6 n n d Qo~ bei de r Niere = - - 2o, 7 zugrunde, Wer te , die wi t in zahl re ichen Versuchen ebenfalls fes t s te l len konnten , so f inden wir 5 S t u n d e n nach Thyrox in - in jek t ion die D u r c h s c h n i t t s w e r t e yon Qoz-Leber = - 14,8, Qo2-Niere = - - 22,3. Deut l i cher wird der Un te r sch ied nach 24 S tunden , zu welcher Zeit sich W e r t e yon Qo2-Leber = - - 19,3, Qo2-Niere ~ - - 25,7 ergeben.

Sehr i n t e r e s san t ist nun der wei tere Ver lauf der Stoff- wechsel~inderung. Nach 2 Tagen beginnen die O x y d a t i o n e n in der Niere schon wieder abzunehmen , Qo2-Niere = -- 25,2, w~hrend die Oxyda t ion in der Leber sich wel te r s te iger t : Qo2-Leber = - 22,8. Dies e n t s p r i c h t einer e twa Iooproz . Oxyda t ionss t e ige rung .

Nach 3 Tagen is t die S tof fwechse l s te igerung der Niere wieder fas t ganz abgeklungen: Qoe-Niere = -- 22,1, aber die Oxyda t ionss t e ige rung der Leber ha t noch wei te r ganz e n o r m z u g e n o m m e n : Qo 2 = - 31, 3 (Steigerung um e~wa 200% ge.qeni~ber der Norm).

* Der Notgemeinschaft der Deutscl~en Wissenschaft danke ich ffir die ffir diese Untersuchungen zur Verffigung gestellte Apparatur uad Itir die ffir die Tier- beschaffung bewilligten Mittel.

Nach 4 Tagen kl ingen d a n n die S tof fwechse ls te igerungen auch in der Lebe r wieder ab. Es e rg ib t sich ftir Qo2-Leber = - - 21,4, ein Wer t , der aber i m m e r noch um e twa IOO % tiber der N o r m liegt.

Nach diesen Untersuchungen, die noch auf wei tere Gewebe ausgedehn t w e rd en sollen, kann es also keinem Zwei]el mehr unterliegen, daft das Thyroxin zu Oxydationssteigerungen der Gewebe, insbesondere der Leber, /i~hrt.

Wei te r e rgeben diese Versuche, dal3 das von der F i r m a HOFFMANN-LA ROCHE nach den A n g ab en von HARRINGTON und ]:3A.YER darges te l l t e syn the t i s che T h y rox in s t a rk wirk- s a m ist.

In e iner ktirzlich an dieser Stelle verSf fen t l i ch ten Arbe i t schliel3t HAFFNER aus der Tatsache , dab bei der Thyrox in - wi rkung eine gewisse La tenzze i t zu b e o b a c h t e n ist, dab fe rnerh in der Organ i smus zugrunde geht , wenn er nach Schild- dr t i senzuf t ihrung an der S te igerung der O x y d a t i o n e n ver- h i n d e r t wird, und schliel31ich, dab die T h y r o x i n w i r k u n g auf die M e t a m o r p h o s e yon K a u l q u a p p e n nnd Axolo t ln d u r c h Blaus~Lure n i ch t die ger ings te H e m m u n g erf~hrt , dab die T h y r o x i n w i r k u n g bere i t s an der anae roben Phase des Stoff- wechsels angre i f t und die S te igerung der O x y d a t i o n e n dem- nach nur die Folge einer prim~tren V e r m e h r u n g der anae roben U m s e t z u n g e n ist.

Diese A n n a h m e l~13t sich auf Grund me ine r Versuche widerlegen, denn in der Leber, in der wir die s t~rks te Stei- gerung der O x y d a t i o n e n beobach ten , ist s icher keine Steige- rung des anae roben Stoffwechsels zu f inden.

WARBURG gib t als Mi t t e lwer t ffir die S~iurebildung der Lebe r in N 2 pro Mil l igramm Gewebe und Stunde, ausgedr t ickt in Kubi lmi l l ime te rn CO2, (Qy'-') + 3,3 an. Die yon mir bei den Thyrox in t i e r en gefundenen W e r t e ftir Q~2 : nach 5 S tunden

= + 1,95, nach 24 S tunden ~ + 1,44, nach 2 Tagen = 3,75, n a c h 3 Tagen ~ + 3,3, nach 4 Tagen ~ + 3,5 zeigen, dab im Beginn der T h y r o x i n w i r k u n g eher eine A b n a h m e der anae roben Umse tzungen , und auf der HShe der Thyrox in- w i rknng keine S te igerung der anae roben U m s e t z u n g e n der Leber zu b e o b a c h t e n ist.

Bei der Niere f inden sich al lerdings w~hrend der D a u e r der Oxyda t ions s t e ige rung zweifellos e rh6h te W e r t e im anae roben Stoffwechsel . WARBURG gibt als Durchschn i t t s - w e r t ffir die Niere Q~ ~ + 3,2 an. Dieser W e r t s te ig t u n t e r de r T h y r o x i n w i r k u n g auf m a x i m a l QN~ = + 7;4. Diese Stei- gerung des anae roben Stoffwechsels der Niere kann niemals die gewalt ige O x y d a t i o n s s t e i g e r u n g in der Lebe r zur Folge haben .

Page 2: Über das Wesen der Oxydationssteigernden Wirkung des Thyroxins

1I. MARZ 1928 KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 7. JAHRGANG. Nr. II 505

N a c h d e m t3efund an der L e b e r e r sche in t es mi r n i ch t lnehr m6glich, die T h y r o x i n w i r k u n g auf die O x y d a t i o n e n du rch die Ver l tnderung des anae roben Stoffwechsels zu er- kl~iren.

Die ausft ihrl iche Ver6f fen t l i chung der Versuchspro toko l le erfolgt an ande re r Stelle. (Aus der I I . medizinischen Uni- versitdtsklinik der Charitd, Berlin [Direktor: Pro]. Dr. G. v. Bergmann].)

BIOLOGISCHE W I R K U N G E N D E R B L U T T R A N S F U S I O N IM O R G A N I S M U S A N A M I E K R A N K E R .

Won

ENRICO GREPPI.

2. Sto]/wechsel des Hgimoglobins und des Sticksto//s*.

Z u s a m m e n mi t Ross I** habe ich versucht , die b ioehemi- sehen Ver~nde rungen im Organ i smus nach A u f n a h m e des n e u e n Blutes zu e rkennen . In den e r s t en Tagen nach der Transfus ion n e h m e n Bil inogen und St ickstoff beide deu t l i ch zu, w e n n auch in ve r s ch i edenem Mal3e: in se l tenen Fiil len fehl t die Zunahme ganz. Allgemein deut l ieher is t die Bi l inogen- kurve, doch s te l l t auch die Schwankung des St ickstoffes of t eine K u r v e dar, welche als Zeichen e rh6h t en P ro te ins to f f - weehsels yon Belang ist.

Unse re B e o b a c h t u n g e n weisen fe rner in den t y p i s c h s t e n F~llen den b e a c h t e n s w e r t e n paral le len Ver lauf be ider I4ur- yen auf, w e n n m a n von den ve r seh iedenen Fak to ren , welche den Stoffwechsel und die Aussche idung der zwei Stoffe beein- f lussen, abs ieht .

Die W i r k u n g der Transfus ion auf den Stoffwechsel e rweis t sieh in k larer Bez iehung zum Typus der Aniimie und zur N a t u r des a l lgemeinen k r a n k h a f t e n Zus tandes . Bei schweren h l imolyt i sehen Blu tk rankhe i t en , u m so mehr wenn sie yon a l lgemeinem sch lech ten Bef inden begle i te t sind, h a b e n wir die gr6i3ten Ver lus te an Fa rbs to f f und St ickstoff vorgefunden , so an e r s t e r Stelle bei sep t i schen h~imolytischen An~mien, fe rner bei chronischen h l imolyt i schen Sp lenopa th ien . Ge- r ingere K u r v e n b e o b a c h t e t m a n bei l angsam ve r l au fender pernizi6ser An~mie und vor al lem ande ren bei sekundl i ren chronischen An~mien, z. B. nach Duodena l - oder Hi imor- rho ida lb lu tungen usw. Die F~ille yon le ichter oder fas t keiner Reak t ion sind im a l lgemeinen dieselben, bei welchen nach der Transfusion, wenigs tens in einer e r s t en Zeit, eine Besse rung des Blutb i ldes erfolgt .

Die Bi l inogenkurve h a t eine ziemlich klare B e d e u t u n g infolge des Zusamrnenhanges mi t d e m Blu ts tof fwechse l : sie weis t in der T a t auf eine v e r m e h r t e B lu t ze r s t6 rung nach

der Transfusion, und wir k6nnen annehmen, dal3 dies auf Ko- sten des injizierten Blutes geschieht. Aus den Folgerungen aber, die wir aus einigen Untersuchungen und in ]3etraehtung des dunklen quantitativen Verhiiltnisses zwischen ausgeschie- denem Bilinogen und zerst6rtem Hiimoglobin haben ableiten k6nnen, ergibt sich, dab in den schwersten destruktiven Vorg~ingen, z. B. bei septisehen Blutkrankheiten, das Bilinogen jene Menge fibersteigt, welehe dem H~imoglobin des eingeffihr- ten Blutes entsprechen wfirde, d. h. also dab der Zerst6rungs- vorgang auch auf Kosten des Empf~ingerblutes sich ver- schlechtert hat. In ebendenselben F~tllen verschlechtert sich auch der schon mehr minder negative Stickstoffhaushalt deutlich nach der Transfusion mit einem Stickstoffverlust, der gr6i3er is t als die im e ingeff ihr ten Blu te e n t h a l t e n e Menge.

Auf eine deut l iehe Bi l inogenkurve st613t m a n bei h~mo- ly t i schen Splenomegal ien im wei te ren Sinne des Wor t e s : I c t e rus hSmolyt icus , pernizi6se sp lenomegal isehe An~imie. Alle Zeichei1 der H i imo lyse versch~irfen sich, zuwei len mi t k larer Rf ickwirkung auf die Milz selbst, die gr613er und s ch merzh a f t e r wird, w~hrend eine ni i tzl iche Wi rkung auf die An~imie ganz ausble ib t .

In den F~illen mi t ger inger Reak t i o n h ingegen weisen die q u a n t i t a t i v e n B e s t i m m u n g e n auf eine im Vergleich zum eingeff ihr ten Blu t fa rbs to f f ger ingere B lu t ze r s t6 rung bin. Was den St ieks toff anbe langt , is t sein Verh~iltnis zur Blu t - ze r s t6 rung schwier iger fes tzustel len, da der A b b a u der Ge- s amt b l u t p ro t e i n e , wenn er f ibe rhaup t an der gew6hnl ichen Aussche idung der S t icks tof f res te t e i ln immt , n i ch t v o m all- gemeinen Pro te ins to f fwechse l zu t r e n n e n ist. Es is t n i ch t bekann t , ob der Vorgang der n o rma l en und pa tho log i schen B lu t ze r s t6 rung d i rek t den Grad yon Azotur ie beeinflul3t: der paral lele Ver lauf der Bil inogen- und S t i cks to f fkurven in unse ren Fiillen is t aber kennze ichnend in d iesem Sinne. ~/brigens wenn wir den St icks tof fante i l der e ingeff ihr ten B lu tp ro te ine v o m al lgemeinen S t i cks to f fhausha l t ausschliel3en woll ten, wfirde l e tz te re r nach Transfus ion i m m e r mitgesch~idigt erscheinen, se lbs t in j enen FMlen, in welchen die H~imolyse le icht und der Erfolg im Blutb i ld b e m e r k b a r sind. W i t ha l t en also daffir, dab die P ro te ine des t r a n s f u n d i e r t e n Blutes am al lgemeinen St icks tof fwechsel t e i l nehmen und dabe i g le ichver laufend mi t der F a r b s t o f f z e r s t 6 r u n g abgebau t werden . Alles in a l lem beweisen die Ver~inderungen im Stoffweehsel des Hi imoglobins und des Stiekstoffes, dab auf die Transfus ion ein de s t ruk t i ve r Vorgang auf K o s t e n des Blutes folgt, dessen Grad yon der N a t u r der B l u t k r a n k h e i t und haupts~ichlich yon ih rem h~imolytischen Charak te r abh~ingt. (Aus der medizinischen Klinik der KSnigl. Universit~t in Mailand [Direktor: Pro]. _5. Zo]aT.)

K A S U I S T I S C H E M I T T E I L U N G .

B R O N Z E D I A B E T E S UND BLEI. Yon

Prof. Dr. MAX ROSENBERG, Oberarzt der I. Inneren Abteilung des st~.dtischen Krankenhauses Berlin-Westend

(Direktor: Prof. F. UMBER).

Die folgende ]3eobachtung yon Bronzediabetes verdient nieht nur wegen der Seltenheit der Erkrankung, sondern auch in patho- genetischer Hinsicht ein besonderes Interesse.

Der 4oj~hr. Arbeiter Herrmann S. s tammt aus gesunder Familie und will auch selbst frfiher immer gesund, wenn auch etwas schw~ichlich, gewesen sein. Inf. yen. negiert, kein Alkoholabusus, 8--12 Zigaretten tiiglich. Ehefrau hat 2 gesunde Kinder, einen Abort, yon famili~rem Anftreten der Erkrankung ist niehts be- kannt. S. war 1915--1918 in1 Felde und hat alle Strapazen ohne besondere Besehwerden ertragen. Seit 19o6 ist er Arbeiter im Buehdruekergewer und seit 19o8 als solcher in der Druckerei einer groBen Berliner Tageszeitung besch~ftigt. 19o6--1923 hatte er, mit Ansnahme der 4 Kriegsjahre, sehr intenslv mit Blei zu tun.

Mitt. i, Wasserhaushalt, vgl. dies. Wochensehr. Jg. 7, Nr. 9, S. 408. ** Gli effettl della trasfusione sanguigna sul ricambio dell' Emoglobina e dell' Azoto nelle Anemie. Policlinico, sez. reed. (ira Druck).

Er nluBte alte Zeitungsdruckplatten, die aus reinem Blei be- standen, mit bloBen H~nden transportieren und in den Um- schmelzkessel werfen und auBerdem die sog. ,,Kr&tze-Kellen" (ein Gemiseh aus Holzkohle, Talg, Kolophonium und Salmiak znr Reinigung des Bleis) in das siedende Blei halten; dabei enstanden starke Rauchwolken und Gase. Die auf dem siedenden Blei sich bildende Schmutzschicht muBte er mittels Sieben abheben und in einen neben dem Kessel stehenden Beh&Iter werfen, der aller- dings bald aus dem Raume entfernt wurde. Trotz der bestehenden Abzugsvorriehtungen fiber den Kesseln und dem mittelgroBen SaM entstand immer sehr fibelriechender, s~filieh sehmeekender Qualm, der zu schwarzen Niedersehldgen au] der Kleidung und im Gesicht der Arbeiter fflhrte, die trotz vorgebundener Sehw~imme und Tficher davon aueh etwas in den Mund bekamen, der Auswur] soll gallZ schwarz gewesen sein.

Im Friihsommer 1922 erkrankte S. mit typischen Bleikoliken, die sich in krampfartigen Leibschmerzen, starker Verstopfung und kleinkalibrigem Stuhlgang, abwechselnd mit Durchfiillen, ~iul3erten. Gleichzeitig bemerkte er eine zunehmende graubraune Ver]drbung seiner Haut, ffihlte sich aber bis auf die Leibschmerzen gesund und krliftig. Ende 1922 erkrankte er nnter Fr6steln und Fieber mit heftigen Kopfschmerzen, verlor dann die ]3esinnung