Über das wesen des sechswertigen titans

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Uber das Wesen des sechswertigen Titans. Von Dr.-Ing. Paul Faber, Berlin. Im Jahre 1870 verOffentlichte S c h 5 n n in dieser Zeitschrift (Band 9, :Seite 41) eine Abhandlung aber eine Reaktion auf Titan mittels Wasser- stoffsuperoxyds, dureh welches in einer sauren L(~sung eine eharakteris- tische, je naeh der Konzentration gelbe bis gelbrote F~rbung hervor- gerafen wird. Anfangs fahrte SchOnn die Erscheinung auf eine Modifikation der Titansgure zur~lck, doch kam er wenige Monate spgter 1) zu der richtigen Vermutung, dass eine hShere 0xydationsstufe des Titans vorliegen k0nnte, die er jedoeh nieht welter untersuchte. Erst 12 Jahre sp~ter stellte Piecini eingehendere Untersuehungen fiber diese Yer- bindung an. Er fgllte sie mittels Kalflauge aus schwefelsaurer L0sung in Form eines gelben ~iederschlages, in welchem er Titans~ure, Waster "~nd tibersehtissigen Sauerstoff feststellte. Auf Grund mehrerer Analysen gab er far diesen K(~rper die verschiedensten Formeln an: Ti5011 , Ti 40.q, Ti~ 07 und Ti 205. In demselben Jahre besch~tftigte sieh auch Weller 2) mit diesem K(irper. Er isolierte ihn dureh F~tllen mit Am- moniak and fund in verschiedenen Niederschl~tgen auf je ein Molekiil Titansgure 0,61, 0,75~ 0,81, im ~Iaximum 0,86 Atome Sauerstoff, also erheblich mehr wie Pieeini, dessen Formeln im Maximum (Tie05) nur 0,5 Atome Sauerstoff auf ein Molekill Titans~iure aufzuweisen batten. Diese Ergebnisse liessen bereits vermuten, dass dem KSrper wohl die Formel Ti0s zukommt. Daher versuehte Classen 18883), noeh ein- real genauere Aufsehltisse tiber die Verbindung zu erzielen. Er hatte 2) Diese Zeitsehrife 9, 330. 3) Bet. d. deutsch, chem. Gesellsch, zu Berlin 15, 2599 (1882). a) Ber. d..deu{sch, chem. Geselsch. zu Berlin 21, 1370 (1888). Fresenius, Zei~schrift f. analyt. Chorale. RI",VI. Jahrgang. 5. I-left. 19

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Uber das Wesen des sechswertigen Titans. Von

Dr.-Ing. Paul Faber, Berlin.

Im Jahre 1870 verOffentlichte S c h 5 n n in dieser Zeitschrift (Band 9, :Seite 41) eine Abhandlung aber eine Reaktion auf Titan mittels Wasser- stoffsuperoxyds, dureh welches in einer sauren L(~sung eine eharakteris- tische, je naeh der Konzentration gelbe bis gelbrote F~rbung hervor- gerafen wird. Anfangs fahrte S c h O n n die Erscheinung auf eine Modifikation der Titansgure zur~lck, doch kam er wenige Monate spgter 1) zu der richtigen Vermutung, dass eine hShere 0xydationsstufe des Titans vorliegen k0nnte, die er jedoeh nieht welter untersuchte. Erst 12 Jahre sp~ter stellte P i e c i n i eingehendere Untersuehungen fiber diese Yer- bindung an. Er fgllte sie mittels Kalflauge aus schwefelsaurer L0sung

in Form eines gelben ~iederschlages, in welchem er Titans~ure, Waster "~nd tibersehtissigen Sauerstoff feststellte. Auf Grund mehrerer Analysen gab er far diesen K(~rper die verschiedensten Formeln an: Ti5011 , Ti 40.q, Ti~ 07 und Ti 205. In demselben Jahre besch~tftigte sieh auch W e l l e r 2) mit diesem K(irper. Er isolierte ihn dureh F~tllen mit Am- moniak and fund in verschiedenen Niederschl~tgen auf je ein Molekiil Titansgure 0,61, 0,75~ 0,81, im ~Iaximum 0,86 Atome Sauerstoff, also erheblich mehr wie P i e e i n i , dessen Formeln im Maximum (Tie05) nur 0,5 Atome Sauerstoff auf ein Molekill Titans~iure aufzuweisen batten. Diese Ergebnisse liessen bereits vermuten, dass dem KSrper wohl die Formel Ti0s zukommt. Daher versuehte C l a s s e n 18883), noeh ein- real genauere Aufsehltisse tiber die Verbindung zu erzielen. Er hatte

2) Diese Zeitsehrife 9, 330. 3) Bet. d. deutsch, chem. Gesellsch, zu Berlin 15, 2599 (1882). a) Ber. d..deu{sch, chem. Geselsch. zu Berlin 21, 1370 (1888).

F r e s e n i u s , Zei~schrift f. analyt . Chorale. RI",VI. J ah rgang . 5. I-left. 19

278 Faber: ]~ber das Wesen des seehswertigen Titans.

n~mlieh erkannt, dass ein grosser ~berschuss an wasserstoffsuperoxyd im Stande ist, eine weiter gehende Oxydation der Titansi~ure herbei- zuffihren, als sie P i e e i n i und W e l l e r erreicht batten, und unter Be- aehtung dieser Bedingung erhielt er Pr~iparate, die auf ein Molekfil Titansiiure im Durchschnitt 0,943 Atome Sauerstoff enthielten. Diese Zahl kam einem vollen Atom schon sehr nahe, und wenn C l a s s e n auch trotz aller Vorsiehtsmafsrege!n keine gtinstigeren Resultate erzielen konnte

und die Yersuehe schliesslich mit der Schlussfassung abbrach: ~die Un- bestiindigkeit der Verbindung, sowie die ihrer Salze ist die Ursaehe, dass ihre wirkliehe ~atur nieht mit roller Sicherheit zu ergrtinden ist% so konnte er doeh wohl ohne Bedenken aus seinen Resultaten die Folge- rung ziehen, dass die dureh Wasserstoffsuperoxyd erzeugte Verbindung

der Formei TiO 3 entsprieht. In der Tat lieferte ein Jahr sp~tter, 1889, L e v y 1) die ]etzte Besti~tigung daffir~ dass Titan im Stande ist seehs- wertig aufzutreten, indem er nachwies, dass die betreffende Forme[

zwischen TiOe,gs und TiOz.o~ liegen masse. Demnaeh hatte C1 as s e n mit der Ermittelung der Formel TiO~ eine neue Besti~tigung ffir die dem Titan im periodisehen System angewiesene Stellung gefunden. Das- selbe bildet dort im ¥erein mit Zirkon, Cer und Thor die ~ebenreihe

des Kohlepstoffs, deren Glieder (mit Ausnahme des Thors) si~mtlieh im Stande sind zwei-, drei-, vier- und sechswertig aufzutreten. W~hrend indessen fiber das Wesen des zwe!-, drei- und ~ierwertigen Titans bereits wiederholt mit Erfolg gearbeitet wurde, ist die Natur des seehswertigen Titans noch wenig ersehlossen worden. Um diese Lfieke in der Kenntnis . des Titans auszufallen, nahm der Verfasser noch einma] das Studium des seehswertigen Elementes auf, um das Wesen desselben in ausgedehn- terem Mafse zu ergrfinden, a]s es bisher gesehehen ist.

Um Wiederholungen zu vermeiden, sei die Darstellung des far die nachstehenden Versuche benutzten Ausgangsmaterials vorausgeschickt. Als solches dienten durehweg TitansulfatlSsungen, in denen alas Titan mittels Wasserstoffsuperoxyds in die h0here Oxydstufe fibergeffihrt war. Ffir Untersuehungen, bei denen geringe Mengen fremder Bestandteile ohne Belang waren, wurde eine LSsung in der Weise hergestellt, dass l~I e r e k'sche Titansiiure (verunreinigt durch Eisen, Tonerde, Kiesels~ture, Kalium und Fluor) durch Kaliumbisulfat aufgeschl0ssen und die Sehmelze in schwefels~urehaltigem Wasser gelSst wurde. In dieser LOsung wurde

1) Comptes rendus 1889, 11. fgvrier.

Faber: Uber das Wesen des sechswertigen Titans. 279

alsdann die Oxydation so bewerkstelligt, (lass kein fiberschiissiges Wasser-

stoffsuperoxyd vorhanden war (durch die Chroms~ure-:~_ther-Reaktion

leicht kontrollierbar): (LSsnng I).

Ftir Yersuehe, die ein absolut reines Ausgangsmaterial erforderten, wurde eine zweite LSsung wie folgt hergestellt: Von einem grossen Rutilkristall, welcher mir in liebenswfirdigster Weise yon Herrn Geh.

Reg.-Rat Prof. Dr. J. W e e r e n zur Verft~gung gestellt war, wurden vorsiehtig reine Splitter abgeschlagen, letztere gepulvert und mit der

dreifachen Menge Kaliumkarbonat aufgeschlossen. Die Schmelze wurde nach dem Zerdriieken in einer Platinsehale mittels •erdfinnter Fluss- s~ure in Kaliumtitanfluorid t~bergeffihrt, welches sieh in Form sehwim- mender Bl~ittchen ausschied. Letztere wurden durch wiederholtes L/)sen in heissem Wasser und Abktihlen dreimal umkristallisiert und sehliesslieh in einer Platinschale durch wiederholtes Abrauchen mit konzentrierter Schwefels~ure (nach vorherigem Anfeuchten) in reines Titansulfat iiber- geFahrt. Dieses wurde mit wenig konzentrierter Schwefels~ure auf- genommen und mit zehnprozentiger Schwefels~Lure verdt~nnt. Die LSsung

wurde in einem Messkolben aufbewahrt und far jeden besonderen Fall

erst oxydiert: (LSsung II).

Um nun einen tieferen Einbliek in die Natur der hSheren Oxy-

dationsstufe des Titans zu gewinnen, erschien es am zweekm~fsigsten, zunfichst ihr Yerhalten gegen eine Reihe der versehiedensten Reduktions- mittel zu untersuehen. P ie e i n i und We ]le r batten bereits fest- gestellt, dass metallisches Zink, Zinnchloriir, Jodkalium und schweflige S~ure im Stande sind, die Verbindung zu reduzieren. Ich stellte ausser- dem noeh Versuche mit folgenden Reduktionsmitteln an (als Ausgangs-

15sung diente L6sung I):

1. Schwefelwasserstoff. Die Pertitans~iure, wie P i ce in i diese h6here Oxydationsstufe des Titans bezeiehnet hat, wird reduziert, jedoch nnr sehr langsam, w~hrend sieh gleichzeitig Schwefel abscheidet. Die ~-oll- kommene Reduktion erfordert nnter Umst~nden mehrere Tage. In der W~rme verl~uft die Reaktion etwas rascher.

2. Natriumthiosulfat. Dasselbe setzt sich mit der t3bertitans~ure sofort in der Kitlte um zn ±Natrinmsulfat und Titans~ure unter Ab- seheidung von Sehwefel.

3. Kaliumbromid in saurer LSsung wirkt in der K~lte nicht ein. Dagegen findet in der W~rme eine langsame Umsetznng statt.

19"

280 Faber: l~*ber das Wesen des sechswertigen Titans.

4, Natriumnitrit reduziert die Pertitansgure in der Kglte sofort. 5. Eisenchlor*ir desg]eichen.

6. Kupferchlortir verhglt sich ebenso.

7. Antimonchlorfir wirkt erst in der Siedehitze ein. 8. Arsentrichlorid reduziert schon in der K~ilte.

9. ,Natriumhypochlorit unter heftigem Aufsch~umen ebenfalls schon in der K~tlte.

10. Unterphosphorigsaures ~Natrinm hat sonderbarer Weise weder in der Kalte noch in der Wgrme Einwirkung auf die Verbindung.

11. Ferrocyankalium reduziert in der K~tlte und erzeugt dann ebenso wie mit einer nichl oxydierten TitansulfatlSsung eine undurch-

sichtige, blutrote LSsung. welche sich nach wenigen Minaten zu trfiben beginn~ und schliesslich einen dunkelroten, voluminSsen Riederschlag

absetzt. 12. Rhodankalium reduziert die Verbindung in der W~rme (man

vermeide einen Uberschuss an Wasserstoffsuperoxyd bei der Reaktion. da dasselbe zerstSrend auf Rhodankalium einwirkt.)

13. Ameisensaure wirkt weder in der K~lte noch in der W~rme ein, 14. 0xals~ure desgleichen.

W~thrend der Ausfi~hrung dieser beiden letzterell Reduktionsversuche wurde die Beobachtung gemacht~ dass Was~erstoffsuperoxyd bei Gegen- wart yon Ameisens~ure oder 0xals~ure durch die Chroms~ure-Ather- Reaktion nicht nachweisbar ist. Die beiden S~turen verhindern das

Auftreten tier blauen Uberchroms~ture, indem letztere durch jene sofort reduziert wird. Irides liess sich in beiden Fallen das Wasserstoffsuper- oxyd mittels einer Titans~ure]Ssung ohne Schwierigkeit nachweisen~ d~ weder Ameisensi~ure noch Oxals~ure auf die gelbrote Titanverbindung reduzierend einwirkt.

15. Alkohol ist gleichfalls nicht im Stande, die Verbindung zu reduzieren.

16. Aldehyd (~_thanal). Auf Zusatz dieses Reagens trat unter heftigem Aufsch~umen in der Kiilte schon Entf~rbung eln, w~hrend gleichzeitig ein weisser ~iederschlag abgeschieden wnrde; da in dem- selben Titans~ture und Essigsliure festgestellt wurden, so ist der Aldehyd durch die Ubertitans~ure zu Essigs~ure oxydiert worden~ und letztere hat mit der reduzierten Titans~ure ein schwer 15sliches Azetat gebildet.

17. Azeton verhielt sich etw~s anders. Anstatt eines weissen ~iederschlages entstand bier ein gelber ~iederschlag. Es war also

Fuber: ~ber das Wesen des sechswertig'en Titans. 28t

darin allem Anschein nach ein Azetat des sechswertigen Titans enthatten. Der Vorgang lasst sich so erkl~i.ren, dass die Obert:itansaure im Stande ist~ das Azeton nach der Ketonspa].tung teilweise in Essigs~iure iiber- zuftihren, welche mit der tiberschiissige'n Pertitans~ture ~thnlich wie mit der gewShnlichen Titansiiure ein Azetat zu bilden vermag. D a Azeton weniger reduktiv ist als Aldehyd~ so schreitet hier die Reduktion nicht so welt vor, wie im vorigen Fall, und das einmal uusgeschiedene Azetat des hSheren Titanoxyds wird dutch das tiberschtissige Azeton nicht mehr beeinflusst, w~hrend bei Aldehyd vollkommene Reduktion stattfmdet. Der gelbe Niederschlag bestand hier daher offenbar aus einem Gemisch des gewShnlichen Titanazetats und eines Azetats des h0herwertigen Titans. Die eingehendere Untersuchung des gelben ~Niederschlages wurde erst spiiter wieder aufgenommen and wird noch Erw~thnung finden.

18. Formaldehyd wirkt ebenfalls reduzierend auf die Verbindung ein, besonders in der W~trme~ jedoch ohne Al)scheidung eines Nieder-

schlages.

19. Der elektrisghe Strom reduziert die Yerbindung in kurzer

Zeit zu Titansulfat.

Ausserdem wurde das Verhalten der Ubertitans~ure noch gegen eine Reihe yon 0xydationsmitteln untersucht, die allerdings einem tier- artigen h6heren Oxyd gegentiber eine reduzierende Wirkung auszutlben verm0gen.

Es ist bereits P . i c c i n i bekannt gewesen, dass Kaliumpermanganat die Verhindung zu zersetzen vermag, and v o n K n o r r e ha t diese Eigen- schaft bereits ausgenutzt, um Wasserstoffsuperoxyd bei Gegenwart yon Titans~ure unbehindert zu titrieren. Yore Verfasser wurden ausserdem noch folgende Oxyda.tionsmittel geprtift:

20. Mangansuperoxyd. Dassclbe wirkt zerlegend, auf die l~Tber- titansaure ein, und zwar in kurzer Zeit schon in der K~tlte unter Saner- stoffentwickeiung.

2t . ~angunoxyd verh~tlt sich ,~thnlich, nur erfordert die volI- komraene Reduktion mehr Zeit.

22. )Ianganoxyduloxyd wirkt ebenfalIs ein, indessen sehr langsam. 23. Blcisuperoxyd verh~tlt sich i~hnlich wie Mangansuperoxyd. 24. Selbst Wismuttetroxyd reduziert die Yerbindung, wenn auch

nur ~usserst langsam; die vollkommene Reduktion erfordert zwei bis drei Tage.

2~82 Faber: Uber das Wesen des sechswertigen Titans.

25, Chromsiiure setzt sich mit der Ubertitans~ure unter Sauerstoff- entwickelung um zu Chromoxyd und Titans~ure: in der Ki~lte geht die Umsetzung ziemlich langsam yon stutten; in der Wiirme dagegen sehr rasch. Macht man die LSsung einige Zeit nach der Einwirkung ammoniakalisch~ so f~llt ein grtines Gemiseh yon Chrom- und Titan- hydroxyd aus.

26. Ammoniumpersulfat zeigte ein sonderbares Verhalten. Die gelbe Pertitans~urelSsung wurde beim Erhitzen mit dem Reagens bald farblos, abet bei fortgesetztem Sieden nach 10--15 Minuten wieder gelb gefiirbt. Diese Erscheinung, dass Persulfat erst reduzierend und dann wieder oxydierend wirkt, wurde dutch folgenden Versuch geki~rt: Ungef~thr 5 g Ammoniumpersulfat wurden in zirka 100 cc zehnprozen- tiger Schwefels~ture gelSst (urn die Bedingungen der Tit~n[Ssung inne- zuhalten) und mit einigen Kubikzentimetern einer nicht oxydierten Titansulfatl(isung versetzt. Es trat vorliiufig keine Ver~inderung ein. Die LSsung wurde darauf zum Sieden erhitz L wodurch das Persulfat sich alsbald zu zersetzen begann. Die Fliissigkeit blieb zirka 15 Mi- nuten wasserklar, bis das perlende Sieden (bedingt durch das Entweichen yon Sauerstoffbl~tschen) allmiihlieh in das gew(ihnliche Kochen iiberging. Es war nnnmehr der grSsste Tell des Persulfats zerstSrL und jetzt erst begann das Auftreten der Gelbfarbung, die immer intensiver ward. Demnach wirkt nicht das Ammoniumpersulfat oxydierend auf d4e Titan- s~ure ein, sondern Wasserstoffsuperoxyd, welches nach yon K n o r r e in einer stark angesauerten Li~sung durch Zersetzung yon Ammonium- persulfat entstehen kann. Der Versuch zeigt ferner~ dass das sich bilden- des Wasserstoffsuperoxyd anfangs, das heisst so lange noch ein Uberschuss an Persulfat vorhanden ist, dutch diesen wieder zerstSrt wird und daher nicht zur Wirkung kommen kann. Sobald aber der grSsste Tell des Persulfats zerlegt ist, kann das gebildete Wasserstoffsuperoxyd in der stark anges~uerten LOsung bestehen and wirkt alsdann oxydierend auf die Titans~ture ein.

Bei all diesen Versuchen, durch welche das Verhalten der Pertitan- s~ure den verschiedensten Reduktions- und Oxydationsmitteln gegentiber festgelegt wurde, ist es am auffallendsten, dass sich Wasserstoffsuper- oxyd in fast allen Reaktionen ganz ~thnlich verh~lt. Eine Abweichung zeigt sich blos bei den drei Reaktionen~ in welchen die l~bertitans~ure Niederschl~ge bildet, ni~mlich mit Ferrocyankalium~ Aldehyd und Azeton. Si~mtliche Reaktionen, welche mit der Ubertitansi~are ausgeftihrt worden

Faber: Uber das Wesen des seehswertigen Titans. 283

s ind, wurden zum gergleiche mit einer Wasserstoffsuperoxydl6sung

wiederholt. Diese L6sung war in der Weise hergestellt, dass sie die-

selben Mengen Schwefelsgure und Wasserstoffsuperoxyd enthielt, wie zu

tier verwendeten TitanlSsung zugesetzt waren. Um einen ~lberblick

abe t das gemeinsame ¥erhal ten der beiden K6rper zu. gewinnen, sei

nachstehend eine tabeilarische Zusammenstellung der Reaktionen ge-

geben :

4 5 6 7 8 9

10 11 12 13 14 15 16 17 18

19 20 21 22 23

25 26 27 28 29 30 ..si

Reagens

H 8n Cls

KJ S Oe H.zS

Nae S~ Os K Br

Na NOx Fe Cl.~ Cue C12 Sb Cls As CI~

Na 0 CI Na~ POe X4 Fe Cy6 KCNS

HC0. OH C00H

O00H C~ Hs. 0 H CH~.CHO CH~ CO CH~

HCHO el. S~rom K Mn 04 ~In O~ lVfne 03

n3 04 Pb O~ Bi~ 04 Cr Os

NHa S O~

17bertitans~ure

wird reduzier~

r,

wird nich~ reduziert toter Niederschlag

wird reduziert wird nicht reduziert

weisser Niederschlag gelber Niederschlag

wird reduziert

Wasserstoffsuperoxyd

wird etwas rascher reduzier~. s s ~ .

r~ ~ s .

, s . s

wird nicht reduziert.

wird e~was rascher reduziert. wird nicht reduziert.

wird etwas rascher reduziert.

11 II

:284 Faber: Uber das Wesen des sechswertigen Titans.

Die Tabelle zeigt in auffallender Weise, wie eng sich die Pertit~n* s~ure in ihrem Verhalten an Wasserstoffsuperoxyd anlehnt. Abgesehen Yon drei Reaktionen, in denen Niederschl~ge des Titans entstehen, be, steh~ nur insofern ein unbedeutender Unterschied zwischen den beider~ KSrpern, als die Reaktionen mit Wasserstoffsuperoxyd etwas energischer verlaufen, Eine weitere, auffallende 0bereinstimmung in ihrem Yerhaltea wurde noch bei folgendem Versuch beobachtet:

Da in der Literatur verschiedene A/~gaben aber die Best~ndigkeit der schwefelsauren LSsung der Ubertitans~ure in der W~rme enthalten sindm), (teils wird dieselbe als ,>ziemlich~< bestandig, teils als >~sehr¢

best~ndig bezeichnet) so stellte ich hieraber einen Yersuch an: Ffinf Proben yon je 100 cc ein und derselben Ubertitans~urelSsung (I) Wurden

in fiinf E r 1 e n m e y e r kolben mit Wasser auf zirka 250 cc verdilnnt unc[ mit so vie] Schwefels~ure versetz L dass beim Sieden kein ~ieclerschlag mehr entstand. Die LSsungen wurden alsdann verschieden lang zum Sieden erhitzt und darauf wurde durch Titration mit Kaliumpermanganat ermittelt~ wie weit die Zersetzung fortgeschritten war. Die Ergebniss~ sind in nachstehender Tabelle enthalten:

[ I II III IV I ¥

l

Zeit des Siedens in Minuten . 0 15 30 4.5 60 Verbrauch an KMn 04 in cc . 10,6 10,1 9,5 9,0 8,3

Es trat also eine erhebliche Zersetzung der Verbindung ein. I~ einer Stunde entsprach dieselbe bereits einem Verbrauchsunterschie~ der PermanganatlSsung yon 2,3 cc auf einen Gesamtverbrauch v0n 10,6 co.

Das heisst, in einer Stunde wurde durch das Sieden ungef~hr ein Fiinftel der gesamten Ubertitans~ure zerlegt. Die Begriffe ,,ziemlich~ best~ndig und ~,sehr~ best~ndig sind daher mit Vorsicht entgegen zu nehmen.

Es wurde alsdann noch ein zweiter Versuch ausgefiihrt, der sich yon dem ersten nur insofern unterschied~ als die ffinf Proben v o n j e 100cc vor dem Sieden nicht mit Wasser, sondern !ediglich mit ver- diinnter Schwefels~ure (1,12) auf zirka 250 cc aufgefallt wurden. Die Titrationsresultate waren folgende:

1): Die salzsaure Losung der Ubertdtans~ure zersetzt sich in kurzer Zeit~ infolge I der gegenseitigen Einwirkung der 0bertit~ns~ure and der Salzs~ure auf einander unter Chlorentwicklung.

Faber: Uber das Wesen des sechswertigen Titans. 285

! ! : ! I II III IV i V

i , I

Zeit des Siedens in Minuten . Verbrauch an KMn 04 in c c .

l O 15 17,1 16,9

i

30 16,5

i 45 1 60

16,3 ! t 5 , 9

Bet diesem Versuch, in welchem eine LOsung mit hSherem Titangehalt vorlag, entsprach die Zersetzung in einer Stunde nut einem Unterschied

yon 1,2 c c der PermanganatlOsung, trotz des h6heren Gehaltes dieser Proben an Ubertitansiiure. Es ist also hier kaum der fanfzehnte Tell

y17 ,1~ der vorhandenen Pertitans,~ture zerlegt worden, w~hrend im \ 1 ,2/ vorigen Versueh die Zersetzung ungef~thr ein Ft~nftel betrug.

Da sich Wasserstoffsuperoxyd Siiuren gegent~ber ganz ~ihnlich ver-

h~lt, iiberhaupt nur bei Gegenwart freier S~ure einigermafsen best~ndig ist, so liess sich aueh hier wieder eine bemerkenswerte Ahnlichkeit der beiden K0rper feststellen.

Diese auffallende 0bereinstimmung in dem Verhalten der (:[bertitan-

siiure und des Wasserstoffsuperoxyds liess nunmehr die Frage in den Vordergrund treten, ob die h6here Oxydationsstufe des Titans nicht auf eine Anlagerung der beiden Hydroxylgruppen des Wasserstoffsuperoxyds zuriickzuftihren ist? Zur LOsung dieser Frage wurden folgende Unter- suchungen ausgeftihrt :

Bekanntlich wirkt konzentrierte Sehwefels~ure auf Wasserstoffsuper- oxyd zersetzend ein, und zwar in der Weise, dass sie demselben Wasser entzieht, w~thrend der •bersehiissige Sauerstoff entweieht. Setzen wir also voraus, dass in unserer sechswertigen Titanverbindung zwei der- artige Hydroxylgruppen vorhanden sind, so wird sieh konzentrierte Sehwefel- s~iure zu derselben ~hnlieh verhalten miissen: Die rote Verbindung muss unter Wasserentziehung und Sauerstoffentwickelung in das gew6hnliehe Titansulfat abergeftihrt werden. In der Tat trifft dies zu~ wie folgende

Versuche beweisen :

Engt man eine ziemlich konzentrierte, stark sehwefelsaure Pertitan- s~urelOsung (1) durch Koehen bis zur vollendeten ¥erdampfung des Wassers ein, so beobaehtet man eine fast plOtzliehe Entf~trbnng tier roten LCisung, w~hrend gleichzeitig ein Aufbrausen eintritL infolge'des EntWeichens feiner Sauerstoff-, beziehungsweise Ozonbl~schen, welche sieh mittels Jodst~rkepapiers leicht als solehe naehweisen lassen.

286 Faber" i)ber das Wesen des sechswertigen Titans.

Die konzentrierte Schwefels~ure wirkt indesson schon in der K~ilte auf die ¥erbindung ein. ¥ersetzt man n~imlich in einem Reagensgl~ischen 2 - -3 cc einer ziemlich konzentrierten Ubertitans~urelSsung (I) mit un- gef~hr 15 - -20cc konzentrierter Schwefels~iure, so wird die LSsung binnen 36 Stunden farblos, w~ihrend ein langsames Aufsteigen yon Bl~schen beobachtet werden kann~ die sich an einem dart~ber gedeckten Jodstiirke- papier als Sauerstoff, beziehungsweise Ozon, zu erkennen geben.

Macht man denselben Versuch mit dem Unterschied, dass man die LSsung auf 70- -800 erw~rmt, so vollzieht sich der ¥organg binnen kurzer Zeit, da die Schwefels~ure in diesem Falle energischer wasser- entziehend wirkt.

Daraus kann man ohne Bedenken den Schluss ziehen, dass in der rotgelben Titanverbindung zwei Hydroxylgruppen vorhanden sind, und dass demnach die Oxydation der Titans~iure durch Wasserstoffsuperoxyd auf eine Anlagerung desselben zurackzufiihren ist. Dadurch erk]~irt sich auch in einfacher Weise das gesamte ¥erhalten der ¥erbindung: in erster Linie ihre Unbestiindigkeit infolge der beiden Hydroxylgruppen an ein nnd demselben Titanatom und dann vor allem ihre auffallende Uberein- stimmung mit dem Verhalten des Wasserstoffsuperoxyds, yon welchem sie sich im wesentlichen nur insofern unterscheidet, als ihre Reaktionen etwas langsamer verlaufen, und zwar deshalb, weil ihre beiden Hydroxyl- gruppen infolge der benachbarten, stark azidifizierond wirkenden Schwefel- saureradikale um einen geringen Teil best~indiger sind als im Wasserstoff- superoxyd.

Eine Best~tigung dieser Annahme, dass die Sechswertigkeit des Titans infolge der Anlagerung des Wasserstoffsuperoxyds herbeigeft~hrt wird, fand sich bald in einigen neuen, charakteristischen Yerbindungen des hSherwertigen Titans. welche in freiem Zustande dargestellt werden konnten, n~mlich in einem Azetat und einem Phosphat des sechswertigen Titans.

Es wurde bereits oben erw~hnt, dass bei der Einwirkung yon Azeton auf eine oxydierte TitansulfatlSsung ein gelber h-iederschlag ausfiel, yon ~velchem die ¥ermutung ausgesprochen wurde, dass es sich um ein Azetat handeln kSnnte. Um hierfiber Gewissheit zu erlangen, wurde ein Versuch angestellt, den lqiederschlag durch Essigs~iure selbst zu erzeugen, und zwar in ~ihnlicher Weise: wie das gew~hnliche, vierwertige Azetat nieder- geschlagen wird. Eine mit einem grossen Uberschuss an Wasserstoff- snperoxyd versetzten Titansulfatl0sung (II) wurde ammoniakalisch ge-

Faber: 0bet das Wesen des sechswertigen Titans. 287

macht, mit Essigs~ure angesguert, stark verdannt und darauf zum Sieden erhitzt, .Nach wenigen Minuten schon trabte sich in der Tat die LSsung, und nach kurzem Sieden fiel ein gelber ~iederschlag aus. Derselbe war anscheinend voluminSs, erwies sich indessen beim Filtrieren der- mal'sen fein verteilt, dass er nur sehwer auf dem Filter zu halten war. Eine qualitative Untersuchung ergab, dass er aus Titans~ure, Essigs~ure und abersehassigem Sauerstoff bestand. Beim Troeknen in h0heren Temperaturen (bei zirka 80° C. sehon) g i n g e r allm~hlich unter Verlust yon Wasser und Sauerstoff in das gewShnliehe, weisse Azetat aber, worin also wieder die Unbest~ndigkeit zum Durchbrueh kam/ Der lufttrockene KSrper hingegen ist best~ndig und beh~lt seine rein gelbe F~rbung bei. Im Verlaufe der Untersuchung auf seine quantitative Zusammensetzung erwies sich der KSrper als heftig explosiv (beim Erhitzen zum Zwecke der Wasserbestimmung), worin ein Beweis far das ¥orhandensein loekeren Sauerstoffs, beziehungsweise far die stattgehabte Anlagerung des Wasser- stoffsuperoxyds gefunden wurde. Bei raschem Erw~rmen n~mlieh seheinen sich die beiden loekeren Hydroxylgruppen des Wasserstoffsuperoxyds plStz- lich zu 10sen und unter Bildung von Wasser Sauerstoff frei zu geben, weleher die benachbarten organisehen S~urereste entzandet. Dass diese Entzandung einen so explosiven Charakter tr~gt, liegt an der innigen Berfihrung des Sauerstoffs und der Essigs~nreradikale (sie sind in ein und demselben Molekal enthalten) und an der zur plStzlichen Loekerung der Sauerstoff abgebenden Hydroxylgruppen erforderlichen Temperatur. Die Explosion findet unter Feuererseheinung start; es tritt eine seharfe Stichflamme auf, welche nur einen Bruchteil einer Sekunde danert. Gegen Schlag ist der K0rper unempfindlich.

Da die Wasserbestimmung und damit auch die Sauerstoffbestimmung infolge der Explosivit~t des KSrpers beim Erhitzen nicht ausgefahrt werden konnten, so musste yon der genauen Ermittelung seiner Konsti- tution Abstand genommen werden. Indessen dilrfte dieselbe nach dem Vorausgesehickten ziemlich Mar sein: N~mlich allem Ansehein naeh besteht der K0rper aus dem gewShnliehen, basischen Azetat des vier- wertigen Titans, (beim Sieden aus essigsaurer LSsung ausfallend), an welches die beiden Hydroxylgruppen des Wasserstoffsuperoxyds angelagert sind. Gestatzt wird diese Ansieht dadureh, dass das Verhalten der beiden Verbindungen, des oxydierten sowohl wie des gewShnlichen basisehen Titanazetats, nahezu abereinstimmen; sie sind beide leicht 10slich in s~mtliehen Minerals~uren, unl0slich nut in Essigs~ure.

288 Faber: Uber das Wesen des sechswertigen Titans.

• Im Gegensatz zum Azetat nun liess die zweite Verbindung des sechswertigen Titans, das Phosphat, eine genaue Ermittelung der Konsti. tution zu, dureh welche endgtiltig die Anlagerung des Wasserstoffsuper ~- oxyds festgestellt wurde.

Auf Zusatz ?on ~atriumphosphat zu einer sehwefelsauren LSsung der Pertitans~iure (II) entsteht naeh einiger Zeit oder naeh sehwachem Erw~rmen tin gelber, voluminSser ~Niederschlag, weleher aus Phosphor~ s~iure, Titans~iure und tiberschtissigem Sauerstoff besteht. Derselbe ist', ebenso wie das Azetat 15slich in Salzs~ure, Salpeters~ure i -Sehwefels~ure, Phosphorsi~ure (verhiiltnismfi[sig schwer), Kalilauge, Ammoniak, Ammonium- karbonat und in Ammoniumphosphat, schwer 15slich nur in Essigs~ure. Daher ist er fiir die weiterea Untersuchungen in der Weise abgeschieden worden, class eine schwefelsaure, mit fibersehtissigem Wasserstoffsuper- oxyd versetzte LSsung (II) ammoniakalisch gemacht, mit AmmOnium- phosphat versetzt und mit Essigsiiure anges~uert w u r d e . Bei schwachem Erw~rmen fiel anfangs ein rein verteilter, schSn gelber I~iederschlag aus, der sich bald in voluminSs floekiger Form absetzte. Derselbe ]iess sich im Gegensatz zu allen bisher bekannten Titanniederschlagen sehr leicht filtrieren und auswasehen. Beim Trocknen tiber 1000 C. wurde seine gelbe Fa rbe immer heller, bis sie nach einiger Zeit, iihnlieh ~ie bei dem Azetat, in ein reines Weiss fibergegangen war; er erleidet also ebenfalls in hOheren Temperaturen eine Zersetzung. An der Luft geht er naeh einiger Zeit aus der voluminOs flockigen Form unter verlust des hygroskopischen Wassers in eine dem gewiihnliehen Phosphat ~ihm liche ksrnige Form tiber, die aber mehrere Woehen ohne Veriinderung ibre urspriingliche gelbe Farbe beibehielt. Der KOrper ist demnaCh, ebenso wie das Azetat, bei gewShnlicher Temperatur voilkommen be- stlindig.- In dieser lufttrockenen Form wurde er daher der Analyse unterworfen. Ein mittels Ammoniaks, Ammoniumphosphats und EssigSiiure erzengter Niedersehlag wurde nach gutem Auswaschen yon dem Filter auf ein Uhrglas abgeklatscht und zwisehen 20 und 300 C. fiber Phos- phorsiiureanhydrid bis zur Gewiehtskonstanz getroeknet. In einem Teil tier Probe wurde eine Phosphor- und eine Titanbestimmung vorgenommen, indem beide zuniichst mittels einer Natriumkarbonatsehmelze getrennt und .Phosphor darauf im Filtrat, Titan im Rfickstand bestimmt wurde:. In einem andern Teil wurde eine Wasserbestimmung ausgeffihrt, wiihrend der tiberschtissige Sauerstoff: aus der Differenz bereehnet ~urde: Die Ergebnisse: waren folgende: : . . . . . .

Faber: Uber das Wesen des sechswertigen Titans. 289

37,12 41,00 13,80

8,08

100,00

Daraus ergibt sich also das

1 2

[2]

P2 05 Ti 02 H 2 0 0

Molekularverh~Lltnis :

P~ 05 Ti 02

3 H 2 0 2 0 (tiberschassig),

oder 1 P 1 Ti 3 H 7 O.

Demnach kommt der Verbindung folgende Konstitution zu:

~ 0 OH o - - P ~ O ~ T ~ O H

0 OH.

Diese Verbindung enth~It: P2 05 Ti Os H20

Berechnet : 36,60 41,20 13,96 8,25 Gefunden : 37,12 41,00 13,80 8,08.

0 (tiberschfissig)

Da dem gew6hnlichen Titanphosphat die Formel j O . . .

0 - - P - - O - - T i ~ O H 2) 0

zukommt, so l~tsst die oben ermittelte Konstitution deutlich erkennen, dass die Sechswertigkeit des Titans zweifellos infolge einer Anlagerung der beiden Hydroxylgruppen des Wasserstoffsuperoxyds eingetreten ist. 13bergiesst man den Niederschlag mit konzentrierter Schwefelsiiure und erwiirmt etwas, so tritt in der Tat eine Sauerstoffentwickelung ein unter gleichzeitiger Entfltrbung der Verbindung, was untraglich wieder auf die Gegenwart zweier lockerer Hydroxylgruppen hindeutet.

Ira Ubrigen lehnt sich das Verhalten dieses Phosphats wieder eng an dasjenige des vierwertigen Titans an.

1) Graham=Otto , Anorganisehe Chemie 2, 1002.

290 Faber: l~ber das Wesen des seehswertigen Titans.

Mit der Darstellung dieser beiden neuen Pr~parate, namentlieh des Phosphats, dessert Konstitution genau ermittelt werden konnte, ist die

Eigensehaft des Titans, seehswertig auftreten zu k6nnen~ aber alle Zweifel erhaben geworden. Gleichzeitig weisen diese beiden K6rper auf eine

neue Riehtung yon Titanverbindungen hin und werfen einen wesentlichen Liehtblick auf die ~atur des sechswertigen Titans. Sie stellen aberdies die Wahrseheinlichkeit in Aussieht, dass noch weitere~ ~hnliche Ver- bindungen des sechswertigen Titans existenzf~hig sein kSnnen.

Es ist nieht ausgeschlossen, dass die eine oder andere dieser Ver- bindungen einmal die MSg]iehkeit bieten wird, Titan neben Eisen zu bestimmen, dadureh dass ein derartiges Pr~parat yon dem ttberseht~ssigen Wasserstoffsuperoxyd dureh Abfiltrieren und Auswaschen befreit, in ver- dt~nnter Sehwefels~ure in tier K~lte gelSst nnd mit Kalinmpermanganat

titriert werden kann. Das Eisen f~llt zwar mit dem Titan zusammen aus, jedoch in Oxydform, auf welche Kaliumpermanganat keinen Einfluss hat. Bis jetzt ist es indessen dem ¥erfasser nur in vereinzelten Fallen gelungen~ die F~llung der Niedersehl~ge~ sowohl des Azetats wie des Phosphats~ quantitativ zu gestalten; in den meisten F~llen waren noeh geringe Mengen yon Titan im Filtrat nachzuweisen. In Anbetraeht der Bedeutung, welehe eine derartige Trennung haben warde, werden die

diesbezt~gliehen Untersuchungen fortgesetzt. In ~orstehenden Ausft~hrungen ist die hShere Oxydstufe des Titans

nach dem ¥orschlage yon P i c c i n i stets als l~Tbertitans~ture bezeichnet

worden. Diese Bezeichnung erscheint indes dem Verfasser wenig zweck- m~fsig. Pi c c in i hat dieselbe offenbar analog den AusdrtXcken >>Uber-

chlors~ure<<, >,Ubermangansaure~< n. s. w. gew~hlt, um den hSheren Sauerstoffgehalt in der ¥erbindung anzudeuten. W~hrend aber dem Chlor, beziehungsweise dem Mangan, in diesen F~llen tatsgchlich eine Sgurefunktion zukommt, kann yon einem sauren Charakter des hsheren Titanoxyds nicht die Rede sein. Es ist bisher nicht eine einzige Vet- bindnng des sech swertigen Titans bekannt, in weleher dasselbe als S~ture fungiert, vielmehr tritt es in all' den oben dargestellten Prgpai~aten, im Phosphat sowohl wie im Azetat, sowie in seinen schwefelsauren and salz- sauren L~sungen ausschliesslich als Base auf. Dass auf Zusatz yon Ammoniak oder Alkalien zu derartigen LSsungen Titan in LSsnng ge- halten wird (bei Gegenwart yon gent~gend Wasserstoffsuperoxyd) beruht meiner Ansicht naeh weniger auf der Bildung yon abertitansaurem Ammonium oder Alkali, als vielmehr auf der Bildung ~-on 15sliehen

Faber: Uber das Wesen des sechswertigen Titans. 291

Doppelsalzen, wozu das Titan vermSge seiner Ubergangsstellung yore basischen zum sauren Charakter im periodischen System ]eicht neigt. Uberdies kann als ein Beweis hierft~r die LSslichkeit des Phosphats im •berschassigen Ammoniumphosphat angesehen werden. Demnach dtirfte es, ganz abgesehen davon, dass Bezeiehnungen wie >-essigsanre oder phosphorsaure lJbertitans~ure~ wenig chemiseh klingen, infolge des vor- wiegend basischen Charakters des hSheren Oxyds zweckm~fsiger sein, demselben lediglieh die Bezeichnung >,Trioxyd<, beizulegen. Wenn auch das Trioxyd selbst in freiem Zustande nieht best~ndig ist~ so existiert doch nach den Untersuchungen C l a s s e n ' s allem Anschein naeh das Hydrat davon.

Z u s a m m e n f a s s u n g .

1. Die IJbertitansSure verh~lt sich in allen ihren Reaktionen eben- so wie Wasserstoffsuperoxyd; sie unterseheidet sich yon diesem nur da- durch, dass ihre Reaktionen etwas weniger energisch verlaufen.

2. Bei Gegenwart einiger organiseher Reduktionsmittel, wie Ameisen- s~ure und Oxals~ure, l~sst sieh Wasserstoffsuperoxyd durch die Chrom- s~ure-J~ther-Reaktion nieht naehweisen~ dagegen ungehindert durch die Titans~ure-Reaktion.

3. Die 0xydation der Titans~ure, das heisst die Uberf~ihrung des vierwertigen Titans in das sechswertige, beruht auf einer Anlagerung des Wasserstoffsuperoxyds.

4~. Es existiert ein Azetat des seehswertigen Titans, welches in hohen Temperaturen unbest~ndig, in niederen dagegen best~ndig ist; es ist gelb gef~rbt, 16slieh in allen Minerals~aren, Alkalien und Ammoniak, unlSslich in Essigs~ure. Dies Azetat zeigt beim Erhitzen ausgepragte explosive Eigensehaften.

5. Es existiert ferner ein Phosphat des sechswertigen Titans yon der Forme] :

0 OH o P~O~Ti~OH

0 OH

In hSheren Temperaturen ist dasselbe unSest~ndig, in niederen dagegen best~ndig; es ist gelb gef~rbt, ]Sslich in s~mtlichen Minerals~uren, Alkalien und Ammoniak, unlSslieh nur in Ess~gs~ure. Im Gegensatz zu allen anderen Titanniedersehl~gen l~sst es sieh sehr gut filtrieren und auswaschen.