Über die reaktion zwischen komplexen cuprisalzlösungen und kaliumcyanid

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R. Lung. Czlprisalxlosu.rgen und Kalizlmcyanid. 151 Ober die Reaktion zwischen komplexen Cuprisalzlosungen und Kaliumcyanid. Von RUDOLF LANG. Eine seit langem bekannte, zur maBanalytischen Bestimmung des Kupfers bisweilen auch noch heute verwendete Reaktion ist die Entfarbung komplexer, besonders ammoniakalischer Cuprisalzlasungen durch Cyankalium. Die dieser Reaktion zugrunde liegenden Vor- gange sind bis jetzt nicht ganz aufgeklart. Es entbehrt deshalb nicht des Interesses ihre Aufklarungen zu versuchen, wie es in der vorliegenden kurzen Abhandlung beabsichtigt wird. Nach KAFLT, MOHR~) ist die zur Entfarbung von ammonakalischer Cuprisalzlasung verbrauchte Menge Kaliumcyanid von der Konzen- tration des vorhandenen Ammoniaks und besonders van der Nenge der vorhandenen Ammonsalze abhiingig. AuBerdem sollen Neben- rertktionen die Bildung von Harnstoff, Ammoniumoxalat und anderen Stoffen veranlassen, welche stijrend auf den Verlauf der Haup+ reaktion wirken. In neuerer Zeit untersuchte F. P. TREADWELL und C. v. GIRSE- WALD~) die erwahnte Reaktion, urn AufschluS uber die Zusammen- setzung des sich hierbei bildenden komplexen Cuprosalzes zu be- kommen. Die Genannten nehmen an, da0 beim Versetzen einer neutralen Kupfersulfatlosung mit Kaliumcyanid bis zur Auflosung des zuerst entstandenen Niederschlages das Komplexsalz [Cu,(CN),]$ nach der Gleichung 2CuS0, + 6KCN = [Cu,(CN),]I(, + 2KaS0, + (CN), (1) Der Vorgang der Entfarbung vom ammoniakalischer gebildet wird. I) LIEBIOS Annalen 96 (1856), 118. Z. f. anorg Ckm. 88 (1904), 92.

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Page 1: Über die Reaktion zwischen komplexen Cuprisalzlösungen und Kaliumcyanid

R. Lung. Czlprisalxlosu.rgen und Kalizlmcyanid. 151

Ober die Reaktion zwischen komplexen Cuprisalzlosungen und Kaliumcyanid.

Von RUDOLF LANG.

Eine seit langem bekannte, zur maBanalytischen Bestimmung des Kupfers bisweilen auch noch heute verwendete Reaktion ist die Entfarbung komplexer, besonders ammoniakalischer Cuprisalzlasungen durch Cyankalium. Die dieser Reaktion zugrunde liegenden Vor- gange sind bis jetzt nicht ganz aufgeklart. Es entbehrt deshalb nicht des Interesses ihre Aufklarungen zu versuchen, wie es in der vorliegenden kurzen Abhandlung beabsichtigt wird.

Nach KAFLT, MOHR~) ist die zur Entfarbung von ammonakalischer Cuprisalzlasung verbrauchte Menge Kaliumcyanid von der Konzen- tration des vorhandenen Ammoniaks und besonders van der Nenge der vorhandenen Ammonsalze abhiingig. AuBerdem sollen Neben- rertktionen die Bildung von Harnstoff, Ammoniumoxalat und anderen Stoffen veranlassen, welche stijrend auf den Verlauf der Haup+ reaktion wirken.

In neuerer Zeit untersuchte F. P. TREADWELL und C. v. GIRSE- W A L D ~ ) die erwahnte Reaktion, urn AufschluS uber die Zusammen- setzung des sich hierbei bildenden komplexen Cuprosalzes zu be- kommen. Die Genannten nehmen an, da0 beim Versetzen einer neutralen Kupfersulfatlosung mit Kaliumcyanid bis zur Auflosung des zuerst entstandenen Niederschlages das Komplexsalz [Cu,(CN),]$ nach der Gleichung

2CuS0, + 6KCN = [Cu,(CN),]I(, + 2KaS0, + (CN), (1) Der Vorgang der Entfarbung vom ammoniakalischer gebildet wird.

I ) LIEBIOS Annalen 96 (1856), 118. Z. f. anorg Ckm. 88 (1904), 92.

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CuprisalzlSsung d urch Kaliumcyanid dagegen sol1 annahernd nach der Gleichung

(2) 2CuS0, + 7KCN + 2NH, + H,O = [CI,(CN)J&,

verlaufen also unter Bildung eines Komplexsalzes von der allgemeinen Form [Cu,(CN),]M,. Das je nach den Versuchsbedingungen mehr oder weniger starke Schwanken der Kaliumcyanidmengen, die zur Entfarbung notwendig sind, erklart TREADWELL damit, daB bei der Reduktion des Cuprikupfers Dicyan frei wird, welches mit OH’-Ionen im Sinne der Gtleichung

(3)

also uuter teilweiser Biickbildung von Cyanid reagiert, das nun wieder auf das Cuprikupfer einwirken kann. War nun geniigend freies Ammoniak vorhanden, so verliuft der Vorgang (3) quantitativ und die Entfarbung dementsprechend nach Gleichung (2). Enthilt aber die Losung vie1 Ammonsalz, so wird die ohnehin geringe Dissoziation des Ammoniaks so weit zuruckdrangt, daB nicht alles Dicyan im Sinn der Gleichung (3) reagieren kann und infolgedessen fur die Reaktion verloren geht.

Wiiren diese Annahmen TREADWELLS richtig, so miil3te eine ErhShung der OH-Ionenkonzentration bei einem nach (1) ausgefiihrten Versuche einen geringeren Kaliumcyanidverbrauch ergeben, da ja dann nach (3) Cyanid zum Teil zuruckgewonnen wurde und ein nach (2) ausgefiihrter Versuch muBte kei Erhohung der Alkalitit einen unveranderten Cyanidverbrauch zeigen. Das Gegenteil ist nun der Fall, wie die weiter unten angefiihrten Vcrsuche beweisen. Eine Erhohung der OH-Ionenkonzentration bewirkt in jedem Falle einen Mehrverbrauch von Cyanidlosung, der maximal etwa die Halfte des zur Reduktion von neutralen oder schwach ammoniakalischen Cuprisalzlomngen notigen Cyanids betragt. Die vorhandene OH- Ionenkonzentration muB daher von entscheidendem EinfluB auf die Art der Komplexbildung und demzufolge auf das stochiometrische Verhaltnis zwischen Cuprisalz und Cyanid sein. Demgegenuber wird der EinfluB der Reaktion (3) auf letztere Beziehung praktisch aus- scheiden, oder doch zumindest ganz in den Hintergrund treten. Denn die Reaktion (3) verlauft selbst bei starkerer OH-Ionenkonzentration sehr triige und bei weitem nicht quantitativ im Gegensatze zu der analogen Reaktion der Einwirkung Halogen auf Alkalihydroxyd, die

+ 2K,SO, + NH,CNO

(CN), + 2NH40H = NH,CN + NH,CNO

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Reaktion xwisohen komplezen Cuprisalxlowngen und Kaliumcyanid. 1 53

augenblicklich und quantitativ stattfindet. So wurden in einem Ver- suche das aus Xaliumcyanid und neutraler Cuprisalzl6sung erzeugte Dicyangas wahrend 15 Minuten in raschem Strom durch 200 ccm

n-Kalilauge geleitet, letztere hernach mit Salpetersaure angesiiuert und mit Silbernitrat versetzt. Es zeigte sich nur ein schwaches Opalisieren, wahrend eine dichte Fallung hatte eintreten miissen, wenn die Reaktion (3) in nicht zu geringem Umfange verlaufen ware. Auch die eingangs erwahnten von MOHB angegebenen Nebenreaktionen sind unwesentlich und konnen die Stochiometrie der Cyanid-Cupri- salzreaktion nicht beeinflussen, denn es sind dies auBerst langsam verlaufende Umsetzungen der auftretenden Reaktionsprodukte (Ammoniumoxalatbildung durch Verseifung des Dicyans, Harnstoff- bildung aus Cyanat). Die Reaktion zwischen Cyanid und Cuprisalz- losung besteht daher im wesentlichen aus dem Vorgang der Reduk- dion und der sich anschliebenden Komplexbildung. Der erstere Vorgang wurde schon gelegentlich untersucht und sein Umfang von der CN-Ionenkonzentration nicht aber von der des un- dissozierten Cyanwasserstoffes abhangig gefunden. l) Uber die Komplexbildung sollen die im Folgenden beschriebenen Versuche, die sich der vergleichenden analytischen Methode bedienen, Auf- schluB geben.

Die Versuche bestanden darin, daB diejenige Menge Cupro- kupfer jodometrisch bestimmt wurde, die durch Einwirkung einer bestimmten Kaliumcyanidmenge auf iiberschiissige komplexe Cupri- salzlosung entstand. Die angewendete anaiytische Methode ist die vor einiger Zeit von mir beschriebene,2) die zur jodometrischen Be- stimmung von Cuprokupfer in Gegenwart von Cuprisalz geeignet ist. Zu den Versuchen wurde eine ungefahr 'Ilo n-Kaliumcyanid- losung verwendet, deren Cyanidgehalt jodometrisch nach RUPP~) und zwar mit Hilfe einer n-Jod- und 1/40 n-'l'hiosulfatlosung bestimmt worden war. Von der Cyanidlosung wurde nun stets eine genau 12 cm 'Ilo n-Losung entsprechende Menge aus einer Burette zu einer komplexen Cuprisalzlosung abgelassen, die immer l/,ooo Mol Kupfer- sulfat nebst einigen Zusatzen enthielt, deren Art und Quantitat in der nachfolgenden Tabelle verzeichnet sind. Nach 5 Minuten langer Einwirkung") bei einem Reaktionsvolumen von 50 cm wurden zu

l)u. a) 2. f. a%org. &em. 120 (1922)) 181. 3) Arch. Pharm 243 (1905)) 458. 4) Tatsiichlich verlauft die Reaktion iniierhalb weniger Sekunden.

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dem Reaktionsgemisch 0,5 g Rhodankalium gefugt und hierauf mit konzentrierter Oxalsaurelosung angesauert. Letzteres geschah in einer ersten Reihe von Versuchen mbglichst rasch in einem GuB. In einer zweiten Versuchsreihe wurde die Oxalsaure tropfenweise zugefiigt. Nun wurden 2 g Ammoniumchlorid eingetragen, d a m mit uberschiissiger llg0 n- Jodlosvng oxydiert, und mit 1/40 n-Thiosulfat- losung zurucktitriert. Die verbrauchte Jodmenge entspricht der vorhanden gewesenen Menge Cuprokupfer. Jeder Versuch wurde 3mal wiederholt. I n der Tabelle ist der jedesmalige sowie der durchschnittliche Jodverbrauch angefuhrt und aus letzterem das Ver- haltnis Cu : KCN fur die erste Versuchsreihe berechnet.

-

Die Cuprisalzliisung enthielt nebst 0,1250 g kryst. Kupfersulfat ~ _ _ - -

2 g Seignettesalz 1 Ammoniak --

und -

0" ringem 20cem ffber- lip n- I m u ~3 schuB KOH

a l b ( c 1 d l e ) f ) p h

Verhiiltnis Cu: KCN

Verbrauch von l/ron-I 1. I 14 ,G /-14,32 ' 12,50 I -1 13,39 1 14,18 I - Jodlos-nachtropfen- 2 14,15 14,OO I I 12,92 - I 14,OO 1416 - weisem Ansiluern I 3: I 14.35 I 14.13 I -- 1 13.22 1 - 1 14.01 I 14I23 1 -

Dieses Verhaltnis laBt in einigen Fallen und zwar in den Vertikalspalten a, b, c, g und h einen SchluB auf die Zusammen- setzung des gebildeten Cuprokomplexes zu. Entfallt pro Mol Cupri- kupfer ebensoviel Kaliumcyanid zur Reduktion, so wird der Rest des Kaliumcyanids zur Komplexbildung verbraucht und man erhalt so Komplexe, die auf ein Mol Cu 2,386 bis 4 Mole CN enthalten. Tatsachlich kennt man nach H. GROSSMANP~~) und P. v. D. FORST komplexe Cuprocyanide von der allgemeinen Form M'Cu,(CN), ,

l) 2. anorg. Ghem. 43 (1905), 94.

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Reaktion xwischen komp2exen &prkaldosumpa und Kaliumcyanid. 1 55

M’,Cu,(CN), , M’Cu(CN), , M’,Cu(CN),, M‘,Cu(CN),. Von diesen werden die ersten beiden durch Wasser vollstandig zersetzt, indem sie in Cuprocyanid und Kaliumcyanid aufgespalten werden. Nur die letz- teren drei sind in Losung bestandig. Last man nun Cuprocyanid in Kaliumcyanid auf, so entsteht nach KUNSCHERT ’) niemals ein be- stimmter Komplex, sondern es bilden sich stets die beiden hochsten Komplexstufen Cu(CN),” und Cu( CN),”’ nebeneinander ; uberschiissige CN-Ionen begiinstigen die Bildung des letzteren Komplexes. Die Versuche unter c lassen es nun als wahrscheinlich erscheinen, daB bei sehr hoher OH-Ionenkonzentration praktisch ausschlieBlich der Komplex Cu(CN),”’ entsteht; bei geringerer Alkalitat wie unter b und a bilden sich die Komplexe Cu(CN),” und Cu(CN),’ neben- einander und zwar begiinstigt wieder die hohere OH‘-Ionenkonzen- tration die Bildung des hoheren Komplexes. Wie la6t sich nun die Wirkung der OH-Ionen erklaren insbesondere auch angesichts des Umstandes, daB die beobachtete verschiedene Komplexbildung nicht in Gegenwart von iiberschiissigem Kaliumcyanid, sondern bei An- weeenheit uberschiissiger Cupriionen stattgefunden hatte.

Man kann annehmen, da6 bei der gro6en Affinitat zwischen Cu’- und CN-Ionen in allen Fallen zunachst der Komplex Cu(CN),”’ gebildet wird. Nun befindet sich in waBriger Losung jeder Komplex im Gleichgewicht mit seinen Spaltungsstiicken und man kann dem- entsprechend formulieren:

Cu(CN),’” + Cu(CN),” + CN’ Cu(CN),” ~ t r i Cu(CNh’ + CN’ Cu(CN),’ + CuCN + CN‘ .

Diese Abspaltung von CN’-Ionen mu6 bei den Versuchen unter c eine BuBerst geringe gewesen sein, denn sonst hatte die Reaktion

(4)

verlaufen miissen, da ja Cu”-Ionen im UberschuB vorhanden waren. Die Folge hiervon ware ein vollstandiger Abbau des Komplexes Cu(CN),“‘ gewesen, der in den Versuchen durch ein vie1 groBeres Verhaltnis Cu : KCN seinen Ansdruck hatte finden miissen. Ein solcher Abbau war aber offenbar bei den Versuchen unter b und noch weitergehend bei den Versuchen unter a vor sich gegangen.

2 C N + 2 CU“ = (CN), + 2 CU’

*) 2. anorg. Chem. 41 (1904), 369.

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Denn hier wurde vie1 mehr Cuprikupfer reduziert, daher weniger Kaliumcyanid zur Komplexbildung verbraucht. Welcher Komplex gebildet wird, hangt von der H'- beziehungsweise (wegen der Konstanz des Ionenproduktes des Wassers) von der OH-Ionenkonzentration ab. Denn H-Ionen entfernen CN'-Ionen aus dem obigen Gleichungs- system, indem undissozierter Cyanwasserstoff gebildet wird und rufen so die Zersetzung der Komplexe hervor. Man kann diesen Abbau auch als Folge der Beforderung der Hydrolyse von CN-Ionen und den Aufbau der Komplexe als Folge der Hintanhaltung der Hydro- lyse des Cyanids ansehen. Die Gleichungen

C N + H,O =: HCN + O H und H' * O H = I3,O

zeigen dann sofort den Sinn der Wirkung von H - und OH-Ionen an. Bei der Zersetzung der Komplexe mussen aber jedenfalls zu- nachst CN-Ionen nachgeliefert werden, derart dab ihre Konzentration einen die Reaktion (4) in einigem Umfange zum Ablauf zwingenden Betrag erreicht. Auf diese Reduktion von Cuprikupfer durch C N - lonen, die beim Komplexabbau frei werden, lassen die Versuche schlieben, bei welchen tropfenweise angesauert wurde. Wie die Tabelle zeigt, ist bei allen diesen Versuchen die gebildete Menge Cuprokupfer groBer als bei den entsprechenden Versuchen der oberen Reihe. Dies ist nur so zu erklaren, da6 die Komplexe Cu(CN);' und Cu(CN),', die in neutraler oder schwach alkalischer Losung auch bei Gegenwart von iiberschiissigem Cuprikupfer nicht (ersterer Kom- plex teilweise) weiter abgebaut werden, bei allmahlichem Saurezusatz noch CN-Ionen liefern, die nun auf Cuprikupfer weiter reduzierend wirken konnen, wahrend bei raschem Ansauern nur undissozierter Cyanwasserstoff entsteht, der zur Reduktiou von Cue*-Ionen nicht mehr befahigt ist. Auch bei tropfenweisem Ansauern wird aber der groBte Teil der noch komplex gebundenen CN'-Ionen in unwirksamen Cyan- wasserstoff ubergefiihrt. Vie1 allmahlicher geschieht die Zersetzung auch der niederen Cuprokomplexe durch Wasser in der Hitze unter weitgehender Ausniitzung der CN'-Ionen zur Reduktion des Cupri- kupfers. So wurde in einem nach a ausgefiihrten Versuche vor dem Ansauern einige Minuten gekocht. Zur Oxydation der kalten oxal- sauren Losung wurden d a m 1 7 cm 1/40 nJodl8sung verbraucht. Dies entspricht einem Verhaltnis Cu : KCN = 1 : 2,73 und somit der Bil- dung eines Komplexes, der weniger als 2 MoI ON' auf l Mol Cu' enthalt. Ein noch weitergehender Abbau ware wahrscheinlich durch langere Kochdauer zu erreichen.

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Reaktion %wischgn komplexen Oupisaixliisungen zcnd Kaliumqanid. 1 57

Wie kann man nun zwanglos die Wirkung von Ammonsalzen .auf die Reaktion zwischen Cuprisalzen und Kaliumcyanid erklilren? Diese schon langst bekannte Wirkung ilu6ert sich wie auch die Versuche unter d und e zeigen, im selben Sinne wie der EinfluS von OH'-Ionen ; in ammonsalzhaltiger Losung wird also weniger Cuprisalz durch die gleiche Cyanidmenge reduaiert als in ammon- selzfreier. Es wiire aber falsoh, hier aus dem gefundenen Ver- haltuis Cu : KCN auf den gebildeten Komplex schlieSen au wollen. Denn eine neutrale oder schwach alkalische Cuprisalzlijsung ver- andert durch Zuaatz eines neutralen Ammonselzes nicht merklioh ihre OH-Ionenkonzentration, wenigstens nicht so, dd3 die Bedingungen zur Bildung anderer Komplexe als bei Verwendung ammonsalzfreier Cuprisalzl6sungen gegeben wben. Bedenkt man aber, daB Ammonium- cyanid in wa6riger Losung weitgehend hydrolysiert ist, so mu6 die Gegenwart von Ammonsalzen eine Verminderung der CN-Ionen- konzentration zur Folge haben, indem infolge von Hydrolyse Cyan- wasserstoff frei wird, der sich weder an der Reduktion nooh an der Komplexbildung beteiligt, so da6 eine gr66ere Kaliumcyanidmenge niitig ist, um die gleiche Menge CN'-Ionen zur Reaktion mit der gleichen Kupfermenge zu bringen 81s in ammonsalzfreier Losung. Ganz analog mul3 aber dann die Wirkung von Stoffen sein, die auch CN-Ionen unter Bildung von Cyanwasserstoff verbrauchen wie z. B. Bikarbonat nach der Gleichung

HCO,' + C N = HCN + CO," . Die Versuche unter f bestiitigen dies. Die umfangreichste Wirkung auf CW- uben jedoch E-Ionen aus und geht man daher von einer aauren Cupritartratliisung aus, so wird zur Reduktion derselben eine noch ungleich groSere von der vorhandenen Acidititt abhangige Cyanidmenge verbraucht, da j a die Komplexbildung und auch zum groBten Teile die Reduktion erst einsetzen kann, wenn die freie Siiure durch das Kaliumcyanid vollstiindig neutralisiert wurde. Somit w%re die Wirkung von NH,-, HC0,'- und H-Ionen auf die gleiche Ursache, die Verminderung der CN'-Ionenkonzentration, zuriick- gefiihrt, wahrend die Erhahung der letzteren ale die Ursache der Wirkung von OH-Ionen erkannt wurde. Beiderlei Einfliisse ver- iindern das Verhaltnis Cu:KCN im selben Sinne und es scheint zunachst ein Widerspruch darin zu liegen, da6 die gleiche Ver- anderung sowohl durch Erhijhung als auch Verminderung sowobl der OH- als auch der H'-Ionenkonzentration hervorgerufen werden

2. morg. n. aUg Chem, Bd. 130. 11

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158 R. L a y .

kann. Das Verhaltnis Cu : KCN kann aber eben der Ausdruck fur verschiedene Tatsachen sein. Die Einzelwirkungen yon H-, oder NH,-, oder HC0,'-Ionen und die von OH-Ionen addieren sich auch nicht, obzwar sie gleichgerichtet sind, sondern heben sich bei gleich- zeitigem Auftreten auf. Wendet man in aquivalenter Menge OH- und H-Ionen an, dann hat man j a die Bedingungen der Versuche unter a, namlich eine neutrale Cuprisalzlosung mit geringstem Cyanid- verbrauch. Gleichzeitige Anwesenheit von OH'- und NH,-Ionen ergibt die Versuchsbedingungen wie bei einer ammoniakalischen Cuprisalzlosung, die, wie die Versuche unter g zeigen, ungefahr die gleiche Stijchiometrie wie bei Verwendung einer neutralen Cupri- salzY6sung erkennen lassen. SchlieBlich wird bei Einwirkung von Cyanid auf eine karbonatalkalische Cuprisalzlosung, die man sich auch aus O H - und HC0,'-Ionen enthaltenden Losungen hergestellt denken kann, sich ein Verhaltnis Cu : KCN wie bei einer nur geringen OH'-lonenkonzentration aufweisenden Losung ergeben. Bhnlich muB dann auch vie1 iiberschilssiges Ammoniak die gleiche Wirkung haben wie schwachere Lauge. Dies wurde durch Versuche bestatigt ge- funden.

Der EinfluB der OH-Ionenkonzentration wurde auch cyano- metrisch untersucht. Zu diesem Zwecke wurden diejenigen Mengen einer 'la n-Kaliumcyanidlasung mit einander verglichen, die zur Ent- farbung von immer 10 ccm 'Ilo mol. CuS0,-Losung, die mit wachsen- den Mengen Kaliumhydroxyd versetzt waren, bei Zimmertemperatur hinreichten. Es war dann eben alles Cuprikupfer reduziert, das in der starken Lauge ein dunkelblaues Sol gebildet hatte.

g KOH zu 10 ccrn CuS0,-Liisung gugesetzt . 0 0,6 3,5 6 9,5 12 Verbrauch von 'is n-RCN-Liisung ccm . . . 6,74 7,64 8,62 9,16 9,48 9,60 Hieraus berechnetes Verhaltnis Cu:KCN = 1: 3,37 3,82 4,31 4,58 4 7 4 4,80

Das Verhltnis Cu: KCN wurde hier groBer gefunden als bei einem entsprechenden jodometrischen Versuche. Dies mag seinen Grund darin haben, daB die jodometrisch gefundene Menge Cupro- kupfer bei starker Alkalitat wie bei den Versuchen unter c etwa8 unsicher ist, da bei dar in diesem Falle bedeutenden Neutralisations- warme immer etwas Cuprokupfer der Luftoxydation anheimfallt und so das Verhaltnis Cu:KCN sich zu klein ergibt. Das Maximum der OH-Ionenkonzentration liegt nun etwa bei 6,7 Mol KOH im Liter.3 Es diirfte im vorletzten Versuche erreicht, im letzten schon

l) Vgl. ABEQQ, Randbuch d. anorg. Chemie 11, 1, S. 365.

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Realctiole xwischim komplemn Cwprisalxlosungen und Kaliwmcyanid. 1 59

wieder unterschritten worden sein. Nimmt man wieder 1 Yo1 KCN a l s zur Reduktion von ebensoviel Cuprikupfer erforderlich an, so bildet sich nach den Ietzten beiden Versuchen ein Komplex, der pro Mol Cu’ im Durchschnitt 3,77 Mol CN enthalt. Verliefe,neben- her die Reaktion (3) quantitativ, wie dies TREAD WELL^) schon fur eine sehr geringe OH-Ionenkonzentration annimmt, so ware zur Reduktion nur 1/2 Mol KCN erforderlich und der Komplex enthielte dann 4,22Mol C N pro Mol Cu’; dies wurde bedeuten, daB nebst dem Komplex Cu(CN),”’ solche mit noch mehr CN-Gruppen sich bilden. Solche Komplexe wurden aber bis jetzt nicht dargestellt und ihre Existenz auch in Losung ist sehr unwahrscbeinlich, denn sonst gelangte man zu einer abnorm hohen Koordinationszahl fur ein einwertiges Zentralatom. Da nun bei starker Alkalitiit mit dem Verlauf der Folgereaktion (3) jedenfalls zu rechnen ist, so erscheint die Annahme gerechtfertigt, daS bei hoher OH-Ionenkonzentration wie in den beiden letzten Versuchen praktisch ausschliefilich der Komplex Cu(CN),IN gebildet wird. Die hierzu noch fehlenden CN‘- Ionen wiirden dann durch die sehr trage und daher trotz starkster Alkalitat nnr teilweise ablaufende Folgereaktion (3) geliefert. Man hat aber bei den cyannometrischen Versuchen mit einer nicht un- betrachtlichen Verdunnungswarme zu rechnen, die einen teilweisen Abbau des Komplexes Cu(CN),”’ bewirken kann. Es sol1 zu einem spateren Zeitpunkte noch auf einem anderen Wege. versucht werden die Zusammensetzung der Grenzkomplexe bei masimaler O H - Ionenkonzentration moglichst genau zu ermitteln.

Zusammenfassend kann gesagt werden: Die Reaktion zwischen komplexen Cuprisalzlosnngen und Kalium-

cyanid besteht in der Kauptsache aus dem Vorgang der Reduktion und aus dern Vorgang der Komplexbildung, welch letzterer je nach der herrschenden CN-Ionenkonzentration, die auch den Umfang des Reduktionsvorganges bestimmt, zu der Bildung von Cuprokomplexen mit verschiedenem CN-Gehalt (weniger als 2 CN bis zu 4 CN auf 1 Cu) fuhrt. Die Stochiometrie dieser Reaktion ist daher den starksten Schwankungen ausgesetzt, je nachdem die CW-Ionen- konzentration durch OW- bzw. H-, durch NH,-, HCN,‘-Ionen oder schlieBlich durch die Temperatur beeinflufit wird. Demgegeniiber ist die Ansicht F. P. TREAD WELLS,^) daB bei der Entfarbung von

1) loc. cit. ’) loc. cit.

11*

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I60 R. Lalzg. &plrisalxlosungen und Kaliurneyanid.

ammoniakalischer Cnprisdzlosung durch Kdiumcyanid ein bestimmter Komplex gebildet wird, und daS die Schwsnkungen im Cyanid- verbrauch, die besonders durch Ammonsalze hervorgerufen werden, auf einer j e nach der herrachenden Alkalitit verachieden weit er- folgten Riickbildung von Cyanid beruhen, nicht aufrecht zu erhalten. Es wurde wahrscheinlich gemacht, daS der Umfang dieser Riick- bildung selbst bei starkerer Alkalitit ein geringer ist und gezeigt, da6 ihr EinfluS auf die Stijchiometrie der Cuprisalz-Cyanidreaktion bei weitem durch den der verschiedenen Komplexbildung tiber- troffen wird.

BPikt'bn, Laboratoriurn fiir anorganisoh, physikalische ulzd m a - lytische Chemie der Deutschefi !!bhnischen Hochschule.

Bei der Redaktion eingegangen am 9. Juni 1922.