Über die reaktionen kaltflüssiger amalgame mit gasen. ii. die reduktion von sauerstoff und...

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uber die Reaktionen kaltflussiger Amalgame mit Gasen. I1 Die Reduktion von Sauerstoff und Schwefeldioxyd durch Amalgame Von HANS HOHN, ERICH FITZER, HELGA CHIZZOLA und HUBERT NEDWED (Mit 10 Abbildungen) Inhaltsiibersicht Es wird die Reduktion der Sauerstoff- und Schwefeldioxydmolekel durch kalt- fliissige quecksilberne Losungen verschiedener Metalle untersucht und insbesondere an Hand des Natriumamalgams der EinfluB einzelner Reaktipnsbedingungen quantitativ studiert. Dabei wird beobachtet, daB die Art der ablaufenden Reaktion vom mehr oder weniger edlen Charakter der Metallphase abhangt und daB die Reaktion eines unedleren quecksilbergelosten Metalls auch Umsetzungen des Quecksilbers zur Folge haben kann, die mit diesem allein nicht eintreten. Weiter wird der EinfluS von Begleitgasen auf die studierten Reaktionen untersucht. In einer vorangegangenen Arbeit l) konnte gezeigt werden, daD es unter geeigneten Versuchsbedingungen gelingt, in Form fliissiger Queck- silberlegierungen vorliegende Alkali- und Erdalkalimetalle mit gasformi- gem Kohlendioxyd schon bei Zimmertemperatur rasch und quantitativ zu den entsprechenden Oxalaten umzusetzen. Die vorliegende Arbeit be- schaftigt sich rnit der Reduktion der Sauerstoff- und Schwefeldioxyd - molekel. unter den gleichen Versuchsbedingungen. In Analogie zum Verhalten der Kohlendioxydmolekel, welche nach Aufnahme eines Elektrons unter Dimerisierung in Oxala tion (CO,)'; ubergeht, konnte bei der Reduktion der Schwefeldioxydmolekel an kalt- fliissigen Metalloberflachen, die bisher unseres Wissens nicht untersucht wurde, die Bildung des Hyposulfitiones ( SOz)'; erwartet werden ; eine ahnliche Reaktion, wohl riicht mit gasformigem Schwefeldioxyd, sondern rnit wa13rigen Losungen von schwefliger Saure, wird ja bekanntlich auch technisch an Natriumamalgam-2) und Zinkstauboberfllichen3) durchge- fuhrt. l) H. HOHN, E. FITZER u. H. NEDWED, Z. anorg. allg. Chem. 274, 297 (1953). 2, Vgl. z. B. USA.-Pat. 2204476 (1934). BIOS Final Report Nr. 422 (1945).

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Page 1: Über die Reaktionen kaltflüssiger Amalgame mit Gasen. II. Die Reduktion von Sauerstoff und Schwefeldioxyd durch Amalgame

uber die Reaktionen kaltflussiger Amalgame mit Gasen. I1

Die Reduktion von Sauerstoff und Schwefeldioxyd durch Amalgame

Von HANS HOHN, ERICH FITZER, HELGA CHIZZOLA und HUBERT NEDWED

(Mit 10 Abbildungen)

Inhaltsiibersicht Es wird die Reduktion der Sauerstoff- und Schwefeldioxydmolekel durch kalt-

fliissige quecksilberne Losungen verschiedener Metalle untersucht und insbesondere an Hand des Natriumamalgams der EinfluB einzelner Reaktipnsbedingungen quantitativ studiert. Dabei wird beobachtet, daB die Art der ablaufenden Reaktion vom mehr oder weniger edlen Charakter der Metallphase abhangt und daB die Reaktion eines unedleren quecksilbergelosten Metalls auch Umsetzungen des Quecksilbers zur Folge haben kann, die mit diesem allein nicht eintreten. Weiter wird der EinfluS von Begleitgasen auf die studierten Reaktionen untersucht.

In einer vorangegangenen Arbeit l) konnte gezeigt werden, daD es unter geeigneten Versuchsbedingungen gelingt, in Form fliissiger Queck- silberlegierungen vorliegende Alkali- und Erdalkalimetalle mit gasformi- gem Kohlendioxyd schon bei Zimmertemperatur rasch und quantitativ zu den entsprechenden Oxalaten umzusetzen. Die vorliegende Arbeit be- schaftigt sich rnit der Reduktion der Sauerstoff- und Schwefeldioxyd - molekel. unter den gleichen Versuchsbedingungen.

In Analogie zum Verhalten der Kohlendioxydmolekel, welche nach Aufnahme eines Elektrons unter Dimerisierung in Oxala tion (CO,)'; ubergeht, konnte bei der Reduktion der Schwefeldioxydmolekel an kalt- fliissigen Metalloberflachen, die bisher unseres Wissens nicht untersucht wurde, die Bildung des Hyposulfitiones ( SOz)'; erwartet werden ; eine ahnliche Reaktion, wohl riicht mit gasformigem Schwefeldioxyd, sondern rnit wa13rigen Losungen von schwefliger Saure, wird ja bekanntlich auch technisch an Natriumamalgam-2) und Zinkstauboberfllichen3) durchge- fuhrt.

l) H. HOHN, E. FITZER u. H. NEDWED, Z. anorg. allg. Chem. 274, 297 (1953). 2, Vgl. z. B. USA.-Pat. 2204476 (1934).

BIOS Final Report Nr. 422 (1945).

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HOHN u. Mitarb., Die Reduktion yon Sauerstoff und Schwefeldioxyd durch Amalgame 33

Bei der Sauerstoffmolekel war als Folge der durch die Metallphase vermittelten Elektronenaufnahme sowohl das Entstehen einfacher Oxyde wie auch die Bildung elektronenarmerer Peroxyde als moglich anzusehen. Bereits seit langem ist ja die Bildung von Alkaliperoxyd aus den ge- schmolzenen Reinmetallen, also bei hoheren Temperaturen, bekannt, bei welcher die Sauerstoffmolekel nicht wie bei der Oxydbildung vier, son- dern nur awei Elektronen von seinem metallischen Reaktionspartner ubernimmt. So4) reagiert Natrium zwischen 300-400" C mit uber- schussigem Sauerstoff zu Natriumperoxyd, bei Temperaturen un ter 200" C allerdings nur zu Natriumoxyd, im dazwischenliegenden Tempera- turbereich wird ein Gemisch von beiden Oxyden gebildet, bei Tempera- turen iiber 500" C schliel3lich zersetzt sich das Peroxyd unter Sauerstoff- abgabe. Nach HUCKEL~) diirfte das bei tieferen Temperaturen gebildete Natriumoxyd aus einer Sekundarreaktiou des primar gebildeten Peroxyds mit uberschussigem Natrium entstehen. Durch Oxydation von Kalium an Luft bei 300°C bildet siche) sogar schon durch ubergang nur eines einzigen Elektrons'das hohere Peroxyd KO,; bei der Oxydation von in Ammoniak gelostem Kalium mit Sauerstoff erhalt man bereits bei -50" C nach Mal3gabe des Sauerstoffangebotes eine stufenweise Oxydation uber K,O, bis zum KO2'). H U C K E L ~ ) vermutet, dal3 die Bildung des hochsten Oxydes iiber die primar gebildeten niedrigeren Peroxyde erfolgt, ahnlich dem Reaktionsablauf bei der Bildung von Bariumperoxyd, welches aus dem einfachen Oxyd und Sauerstoff bei Temperaturen von 500°C dar- gestellt wird.

Da Quecksilber selbst erst bei Temperaturen oberhalb von 450" C init SauerstofI unter Quecksilberoxydbildung reagiert, schien sich die gunstige Moglichkeit zu ergeben, in quecksilbernen Losungen schon bei Raumtemperatur die Reaktionen der verschiedenen Metalle rnit Sauer- stoff zu studieren, eine Moglichkeit, die bisher so gut wie nicht genutzt wurde ; allerdings wird gelegentlich eine ,,spontane" Peroxydbildung bei der Umsetzung von Kaliumamalgani rnit Sauerstoff in der Literatur erwahn t 8).

Auf die auch technisch interessanten Reaktionen yon Amalgamen mit waSrigen oder alkoholischen Losungen von Sauerstoff, die zu Wasserstoffperoxyd fiihren, sol1 lediglich

4, DRP. 453751 (1926). 3, W. HUCKEL, Anorg. Strukturchemie, Verlag Enke, Stuttgart 1948, S. 410-412. &) DRP. 67094 (1891). ') A. J o A N N l s , C. R. hebd. SBances Acad. Sci. 116, 1372 (1893). 8, E. RINQ u. Y. CHASSAIN, C. R. hebd. SBances Acad. Sci. 233, 1196 (1951) nach

Chem. Zbl. 1962, 5291.

2. anorg. sllg. Chemie. Bd. 275. 3

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34 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 275. 1954

der Vollstandigkeit halber hingewiesen werdenn) lo) ; bei diesen Reduktionen liegt ein yon den hier untersuchten Gas-Amalgamumsetzungen abweichender Reaktionsmechanismus vor.

1. Die Reduktion der Sauerstoffmolekel dureh versehiedene Amalgame Versuche uber die Reduktion der Sauerstoffmolekel an kaltflussigen

Metalloberflachen wurden mit Lithium-, Natrium-, Kalium-, Calcium-, Barium-, Cadmium-, Zink-, Mangan-, Blei-, Wismut- und Kupferamal- gamen durchgefuhrt, wobei die gleichen apparativen Anordnungen, mit welchen wir die Reduktion des Kohlendioxyds studiert hatten'), Verwen- dung fanden. Es wurde rnit quecksilbernen Metallosungen, deren Kon- zentration aquivalent dem schon fruher hauptsachlich verwendeten O,lproz. Natriumamalgam war, gearbeitet, rnit Ausnahme von Kupfer, das nur zu 0,003% in Quecksilber loslich ist und deshalb auch nur in dieser hochverdunnten Form zum Einsatz gebracht werden konnte. Bei Kalium- und Bariumamalgam wurden in zusiitzlichen Versuchen auch verdunn tere Amalgame eingesetzt, wobei sich zeigte, da13 rnit diesen raschere Umsetzungen und bessere Ausbeuten erzielt werden konnen als mit konzentrierteren metallischen Losungen. Die Ergebnisse dieser Oxy- dationsversuche wurden graphisch in Abb. 1 und Abb. 2 in der Weise dargestellt, dal3 der bei stets gleichbleibender Ruhrgeschwindigkeit vom ,Versuchsbeginn an bis zum Zeitpunkt der Messung eingetretene gesam te Sauerstoffverbrauch als Funktion dieser Zeit aufgetragen wurde.

Es zeigte sich, dal3 die Amalgame in zwei Gruppen eingeteilt werden konnen : in solche, die bei den angewendeten Reaktiorisbedingungen zu Oxyden, und in solche, die zu Peroxyden abreagieren. Peroxyd als Reaktionsprodukt wurde gefunden bei den quecksilbernen Losungen von Lithium, Barium, Calcium, Natrium und Kalium, also bci samtlichen lintersuchten Alkali- und Erdalkaliamalgamen, und zwar nur bei diesen. Die quantitative Bestimmung dieser Peroxyde erfolgte durch Eintragen des gesamten Reaktionsgemisches in Natronlauge und gasvolumetrisohe Messung des dabei durch Zersetzung freiwerdenden Sauerstoffs; in Abb. 1 ist dieser durch Natriumhydroxydzersetzung bei den einzelnen Amalga- men bestimmte peroxydisch gebundene Sauerstoff im Vergleich rnit den zur Oxyd-, Peroxyd- und Tetroxydbildung theoretisch benotigten Sauer- stoffmengen eingezeichnet. Demnach bilden sich bei Kaliumamalgam prol3ere Mengen hoherer Peroxyde ; bei Natriumamalgam schein t eine etwa 100proz. Peroxydausbeute gegeben zu sein, wa.hrend bei Barium-

O) Holl. Pat. 58703 (1946), E. Pat. 606745 (1948), Osterr. Pat. 164525 (1949). lo) E. MULLER u. H. BARGHMANN, Z. Elektrochem. angem. physik. Chem 40,

188 (1934).

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HOHN u. Mitarb., Die Reduktion von Sauerstoff und Schwefeldioxyd durch Amalgame 35

amalgam noch 63% Peroxyd, bei Calciumamalgam nur etwa 50'% und bei Lithiumamalgam sogar nur mehr 30 % Peroxydausbeute erreicht wur- den; Offenbar hat die Anfangskonzentration der zu oxydierenden Amal- game einen grol3en EinfluB auf die Peroxydausbeute; durch Einsatz von auf ein Drittel der sonst verwendeten Konzentration verdunntem Ka- lium- bzw. Bariumamalgam konnte bei jenem praktisch das gesamte eingesetzte Kalium in KO, umgewandelt, bei diesem die Bariumper- ox3dausbeute auf 80 % gesteigert werden (strichlierte Kurven mit drei- fach vergroljerter Sauerstoffkoordinate in Abb. 1).

c

Abb. 1. S a u e r s t o f f a u f n a h m e - Z e i t k u r v e n f u r d i e P e r o . x y d b i l d u n g v o n Y e r 8 c h i e d e n e n A1 k a 1 i - u nd E r d a 1 k a1 i a rn a l g a m e n . Rechte Bildhalfte:

Durch ZerEetzung entwickelter peroxydisch gebundener Sauerstoff

Diese Ergebnisse bestatigen die bereits fruher gemachte Beobach- tung I) , dalj eine ausreichende Verdunnung des quecksilbergelosten Reak- tionsmetalles fur den glatten Ablauf der Reaktion wesentlich ist. Bei den Umsetzungen mit Sauerstoff zu Peroxyd ist ein rascher Verbrauch des Reaktionsmetalles auch deshalb anzustreben, weil gefunden werden koncte, dalj das gebildete Peroxyd sich mit uberschussigem Natrium schon bei Raumtemperatur langsam zu Oxyd umsetzen kann, ahnlich der von HUCKEL~) vermuteten Bildung von Natriumoxyd aus Natrium und Natriumperoxyd bei Temperaturen unter 300" C. Vielleicht ist die schlechte Peroxydausbeute beim Barium- und besonders beim Calcium- und Lithiumamalgam durch die Oberlagerung derartiger Nebenreak- tionen zu erklaren.

Die Bildung hbherer Peroxyde bei Verwendung von Kaliumamal- gamen, die bei N.citriumamalgamen nicht beobachtet werden konnte,

3.

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entspricht dem bekannten Verhalten von unverquicktem Kalium und Natrium gegenuber Sauerstoff. Nach HUCKEL~) sirid Peroxyde vom Typus MeO, erst bei einem Kationenradius von 1,JA und daruber be- standig; Calcium mit einem Radius von 1 A vermag fur gewohnlich nur unter besonderen Bedingungen das Peroxyd CaO, zu bilden, und Natrium (0,98 A) sowie Lithium (0,75 d) rnit ihren noch kleineren Radien bilden uberhaupt kein Peroxyd dieser Art mehr.

Ein Vergleich der durch alkalische Zersetzung freigemachten Sauer- stoffmengen mit den Mengen des insgesamt aufgenommenen Sauerstoffs IaBt erkennen, da13 bei samtlichen Oxydationsversuchen die Sauerstoff- ltufnahme gro13er war als sie sein muste, wenn nur das quecksilbcrgeloste Metal1 zu Peroxyd und Oxyd abreagieren wurde. Die Ursache dieser Erscheinung ist bemerkenswert und erstaunlich : obwohl Queclcsilber fur sich alleiii bei Raumtemperatur mit Sauerstoff nich t zu reagieren ver- mag, bildet sich beider kalten Oxydation von Amalgamen zugleich rnit dem Oxyd des Renktionsmetalls auch Quecksilberoxyd in Mengen, welche die erstgenannten Oxyde mitunter weit ubertreffen. Diese Beteiligung des Quecksilbers an der Umsetzung des in ihm gelosten Metalles haben wir bei der Amalgamoxydation erstmalig beobachtet ; bei der Umsetaung rnit Kohlendioxydl) tritt sie nicht ein.

Die Geschwindigkeit der Amalgamoxydation war bei samtlichen un tersuchten Alkali- und Erdalkaliamalgamen im geradlinigen Teil der Kurven (Abb. 1) im Rahmen der Mefigenauigkeit vollig und im abbiegen-

Reahtionszeitk Stunden - Abb. 2. S a u e r s t o f f a u f n a h m e - Z e i t k u r v e n f u r d i e O x y d a t i o n v e r s c h i e d e n e r A m a l -

g a m e , w e l c h e k e i n e P e r o x y d e b i l d e n

den Kurventeil annkhernd gleich groB ; eine Mischung von Barium- und Natrium- amalgam verhalt sichgleich wie die Einzelamalgame. Bei Zink-, Cadmium-, Mangan-, Blei-, Wismut- und Kupferamalgam war die Gesohwindigkeit der Sauerstoffaufnahme je- doch wesentlich geringer, und aufierdeni konnte aus den Reaktionsprodukten kein peroxydisch gebun-

.dener Sauerstoff mehr abgespalten werden. Auch hier besteht eine vollige Analogie mit dem Reaktionsverhalten der unverquickten Metalle, von welchen bisher eclite Peroxyde nicht bekannt geworden sind, abge- sehen vom Wismut, das unter bestimmten Bedingungen ein solches Per-

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oxyd zu bilden vermagll). In Abb. 2 sind die Oxydationskurven der Amalgame, die keine Peroxyde zu bilden vermogen, in gewohnter Weise dargestellt .

Man erkennt, daf3 die Reaktionsgeschwindigkeiten im geradlinigen Teil der Kurven nicht nur wesentlich geringer als die bei den peroxyd- bildenden Amalgamen, sondern auch untereinander von Fall zu Fall verschieden sind, daf3 aber im abgebogenen Teil der Kurven, woselbst, wie vorweggenommen sei, die fruher erwahnte Mitoxydation des Queck- silbers vorzugsweise zu beobachten ist, im Vergleich zu den peroxydbil- denden Amalgamen ebenfalls recht hohe Umsetzungsgeschwindigkeiten bestehen, insbesondere im Falle von Mangan- und von -Bleiamalgam. Aber auch bei den Amalgamen dieser beiden Metalle,'die im unverquick- ten Zustand durch Wertigkeitswechsel zwar keine Peroxyde, aber doch Dioxyde zu bilden vermogen, wurden niemals auch nur Spuren von hoher- wertigen Oxyden beobach tet.

2. Quantitative Versuche mit Natriumamalgam Fur die quantitative Verfolgung der Reduktion der Sauerstoffmolekel

wurde vor allem Natriumamalgam als Metallpartner gewahlt, weil a) an diesem Amalgam bis zu Konzentrationen von O , l % die ein-

deutigsten Umsetzungen zum definierten einfachen Peroxyd gefunden werden,

b) eingehende Vergleichsver- suche mit Kohlendioxyd als gas- formigen Reaktionspar tner vor - liegen und

c) das Natriumamalgam in- folge seiner einfachen und billigen elektrolytischen Herstellungsmog- lichkeit das technisch wichtigste Alkaliamalgam ist.

Aus Abb. 3 ist der zeitliche Verlauf der Gasaufnahme in seiner Abhangigkeit von der Ausgangs- konzentration der eingesetzten

2 4 6 8 Reukfionzeif in5funden -

Abb. 3. D i e S a u e r s t o f f a u f n a h m e v e r s c h i e d e n k o n z e n t r i e r t e r N a -

t r i u m a m a l g a m e

Amalgame ersichtlich. Ebenso wie bei den Versuchen mit Kohlendioxyd 1) erwies sich die Geschwindigkeit des Gasverbrauchs auch bei den Sauerstoff- versuchen zunachst als konstant, und zwar bis zum Verbrauch von etwrt

11) 0. RUFF, Chemie 67, 222 (1908).

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1 .B

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Q gebildet und daB die Ge- schwindigkeit der Um- setzung nicht durch Diffu- sionsvorgange innerhalb der Metallphase, wie sie sonst bei heterogenen Metallreaktionen so ent-

-

38 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 275. 1954

zwei Dritteln des eingesetz ten Amalgams, worauf danri die weitere Sauer - stoffaufnahme mit stetig und sehr rasch fallender Geschwindigkeit vor sich ging. Die Reaktionsgeschwindigkeit im geradlinigen Kurven teil selbst war im gesamten experimentell uberpriiften Bereich von 0,003 bis 0,1% Natrium innerhalb der MeWgenauigkeit von der Amalgamkonzen- tration unabhangig, woraus zu entnehmen ist, daB unter den gewahlten

Ruhrbedingungen genii- gend freie Metalloberflache gebildet und daB die Ge- schwindigkeit der Um- setzung nicht durch Diffu- sionsvorgange innerhalb der Metallphase, wie sie sonst bei heterogenen Metallreaktionen so ent- scheidend sind, beeinflufit wird.. Wiederum kann der Begriff des Bedeckungs- quotienten l), hier ausge- driickt als das Molverhalt- nis von gebildetemperoxyd zu noch unverbrauchtem Natriummetall, zur Cha- rakterisierung dieses Reak- tionsverhaltens herange- zogen werden ; der' starke Abfall der Reaktionsge- schwindigkeit tritt ein, so-

quotient den Wert 24 bis 3 erreicht hat.

Abb. 4. D i e G e s c h w i n d i g k e i t d e r G a s a u f - n a h m e (0, undCO,) d u r c h 0 , l p r o z . N a t r i - u m a m a l g a m i n A b h a n g i g k e i t v o m B e - der Bedeckungs-

d e c k u n g s q u o t i e n t e n

I n Abb. 4 sind die Bedeckungsquotienten fur die Reduktion von Sauerstoff, und Kohlendioxyd durch 0,lproz. Natriumamalgam vergleichend zusammengestellt. Man er- kennt die gleiche Kurvencharakteristik bei Sauerstoff und bei Kohlendioxyd; die Unter- schiede in den Ordinatenwerten beruhen auf der verschiedenen Reaktionsgeschwindigkeit von Kohlendioxyd und von Sauerstoff, wahrend die verschiedenen Abszissenwerte auf die unterschiedlichen Eigenschaften der gebildeten Reaktionsprodukte zuruckzufuhren sind. Aus der strichlierten Kurve ersieht man die Beeinflussung der Bedeckungsverhalt- nisae durch die Ruhrgeschwindigkeit.

Ebenso wie bei den Untersuchungen uber die Reduktion der Kohlendioxydmolekel durch Alkaliamalgame*) wurde auch bei den Verfiuchen zur Umsetzung von Natrium- amalgam mit Sauerstoff der EinfluB tiefer Temperaturen (-17') auf die Reaktionsge-

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nahernd zeitproportiona le Nach-

achwindigkeit zumindest oberflachlioh gepriift. Wahrend sich bei der Kohlendioxyd- reduktion durch Abkiihlung eine Geschwindigkeitsbeschleunigung ergab, welche auf eine verstarkte Oberflachenkondensation zuriickgefiihrt werden konnte, wurde bei der Sauer- stoffreduktion kaum eine Wirkung erzielt, was im Hinblick auf den wesentlich tiefer liegenden Verfliissigungspunkt des Sauerstoffs verstiindlich erscheint.

__ . oxydation beobachtet wird $ J Z ~ O . (Abb. 2) und weil im Gegensatz zu Natrium weder Bleiamalgam 5800 noch seine Oxyde feuchtigkeits-

2 experimentellen Arbeit vorteil- P

' '="

empfindlich sind, was bei der g6O0. -

Hg-&dutm

Pbhydution

HOHN u. Mitarb., Die Reduktion von Sauerstoff und Schwefeldioxyd durch Amalgame 39

achwindigkeit zumindest oberflachlioh gepriift. Wahrend sich bei der Kohlendioxyd- reduktion durch Abkiihlung eine Geschwindigkeitsbeschleunigung ergab, welche auf eine verstarkte Oberflachenkondensation zuriickgefiihrt werden konnte, wurde bei der Sauer- stoffreduktion kaum eine Wirkung erzielt, was im Hinblick auf den wesentlich tiefer liegenden Verfliissigungspunkt des Sauerstoffs verstiindlich erscheint.

3. Uber die Oxydation dcs Quecksilbers Bei der Aufarbeitung des durch Kohlendioxydreduktion hergestell-

ten Oxalat- Quecksilbergemisches durch Losen in Wasser war bereits aufgefallen, da8 kleine Mengen von Quecksilberoxyd gebildet werden, wenn die Handhabung dieses Reaktionsproduktes unter Luftzutritt er- folgt; der AusschluS von Luft ist demnach bei der technischen Durch- fiihrung dieser Reaktion von Wichtigkeit la). Auch bei der Herstellung der Oxyde und Peroxydo queclisilbergeloster Metalle entsteht, wie bereits erwahnt wurde, Quecksilberoxyd, ein bisher unbekannter Effekt, dem nach unserer Meinung grundlegende Bedeutung zukommt. Zur Klarung dieser Erscheinung war zunachst festzustellen, ob

a) die Quecksilberoxydbildung gleichlaufend mit der Oxydation des quecksilbergelosten Metalls erfolgt oder erst, wie die Erfahrungen bei der Kohlendioxydreduktion zu zeigen scheinen, nach Verbrauch der Hauptmenge des eigentlichen Sauerstoffakzeptors, und

b) ob die Bjldung des Quecksilberoxyds in einem stiiuhiometrischen Zusammenhang mit der Oxydation des quecksilbergelosten Metalles steht.

Zur Beantwortung dieser Fragen wurde vor allem die Oxydation von Bleiamalgam naher untersucht, da bei diesem eine iiberdurchschnittlich starke, lange Zeit hindurch an- nahernd zeitproportiona le Nach- oxydation beobachtet wird (Abb. 2) und weil im Gegensatz zu Natrium weder Bleiamalgam noch seine Oxyde feuchtigkeits- empfindlich sind, was bei der ex perimen tellen Arbeit vor teil- hafter erscheint. In einem uber 194 Stunden erstreckten Lang- xeitversuch wurde schliel3lich a m a a a n eine 5,2mal grohre Sauerstoff-

Abb.5. D i e S a u e r s t o f f a u f n a h m e v o n

-

aufnahme durch die metallische Reaktionsphase erreicht, als sie zur reinen Bleioxydation notwendig gewesen ware (Abb. 5); als der Versuch

12) oeterr. Pat. 175237, auagegeben am 25. Juni 1953.

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abgebrochen wurde, war die Sauerstoffaufnahme im Vergleich zur ersten Versuchsperiode zwar schon sehr weitgehend abgeklungen, jedoch noch keineswegs beendet.

Es ist zwar nicht moglich, ohne weiteres zu entscheiden, welcher Anteil des zu verschiedenen Versuchszeiten aufgenommenen Sauerstoffs jeweils fur die Natrium- und welcher fur die Quecksilberoxydation ver- braucht wird; aber es ist moglich, wenn auch experimentell nicht sehr einfach, die nach verschiedenen Oxydationszeiten jeweils noch vorhandene Menge an metallischem Natrium und die gebildeten Mengen an Natrium- peroxyd und an Quecksilberoxyd zu bestimmen. Zu diesem Zweck wurde eine Reihe von gleichen Versuchen angesetzt, die Reaktion zwischen Natriumamalgam und Sauerstoff beim einzelnen Versuch jedoch nach jeweils verschiedenen Reaktionsaeiten, namlich vor, bei und nach Auf- nahme der fur die Natriumoxydation stochiometrisch errechneten Sauer- stoffmenge unterbrochen und der gesamte Ansatz analysiert : der Na- triumperoxydgehalt des Reaktionsgemisches wurde durch Zersetzung mit Natriumhydroxyd und Volumetrierung des entstandenen Sauerstoffs und der Gehalt an metallischem Natrium durch anschliehnde Behandlung mit Salzsaure und Messung des entwickelten Wasserstoffs bestimmt, wahrend der Gehalt an Quecksilberoxyd durch Abnutschen des nach der Natriumhydroxydzersetzung verbleibenden Amalgams und Reduk- tion des getrockneten Filtrationsruckstandes mit Wasserstoff bei 250" C sowie Auffangen des gebildeten Wassers ermittelt wurde. Bei diesen Be- stimmungen zejgte es sich, da13 die Summe des peroxydischen und des metallischen Natriums kleiner war als die Menge des in den Versuch ein- gebrachten Natriums, so da13 also offenbar ein Teil des Natriums als einfaches Oxyd vorlag, das sich der Bestimmung entzog. Es konnte ge- zeigt werden, daI3 dieses einfache Oxyd im ursprunglichen trockenen Reaktionsansatz noeh nicht enthalten ist, sondern erst nach Zugabe von Wasser durch die Reaktion

2 Na + Na,O, --f 2 Na,O

nachtraglich gebildet wird. Wenn man namlich einen noch nicht voll durchoxydierten Reaktionsansatz unter Inertgas abfiltriert und mit Quecksilber mehrmals auswascht, so stimmt der im Filtrat gemessene Natriumgehalt genau mit dem Wert uberein, der aus dem Sauerstoff- verbrauch und den fur Natriumperoxyd und Quecksilberoxyd gefundenen Werten errechnet wird.

In Abb. 6 sind die Ergebnisse dieser Untersuchungen, und zwar der jeweilige Anteil der Reaktionsansatze an Natriumperoxyd, Restnatrium

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HOHN u. Mitclrb., Die Reduktion von Sauerstoff und Schwefeldioxyd durch Amalgame 41

und Quecksilberoxyd wahrend des gesamten Ablaufs des Oxydationsvor- ganges kurvenmaI3ig wiedergegeben.

Man ersieht daraus, daI3 der Natriumgehalt entsprechend dem stei- genden Natriumperoxydgehalt im Reaktionsgemisch abfellt ; die Queck- silberoxydbildung wird erst nach Verbrauch von zwei Dritteln des ein- gesetzten Natriums merk- bar und bleibt auch dann zunachst noch sehr klein, um erst ab einer Kon- zentration von etwa 5 - l O - J % Na bzw. gar erst nach Verbrauch des analytisch nachweisbaren Natriums, wenn die Ge- schwindigkeit der Sauer- stoffaufnahme bereits aufierordentlich klein ge-

Abb. 6. A n t e i l m i i B i g e r V e r b r a u c h d e e j e - worden stark w e i l e d u r c h 1000 g 0 , l p r o z . Natr ium a m a l - steigen. Die Bildmg des g a m s u f g e n o m m e n e n StLuerstoff s z u r Quecksilberoxyds erfolgt Na,O,- B i 1 d u n g u n d z ur Q u e c ke i 1 b e r o x J d a - also zunachst sehr vie1 t i o n langsamer als die Bildung des Natriumperoxyds, sie wird aber auch ihrerseits um so langsamer, je mehr die Geschwindigkeit der Sauerstoffaufnahme absinkt ; die Ver- langsamung der Quecksilberoxydbildung is t jedoch geringer als die der Natriumperoxydbildung, so da13 gegen Ende der Reaktion weit mehr, bei- spielsweise zehnmal soviel Quecksilberatome oxydiert werden als Natriumatome. Der Versuch einer Erklarung dieser erstaunlichen kalten Quecksilberoxydation sol1 in einer spateren Arbeit 13) unternommen werden.

vcr6raurhtcr Sauerslo ff in crm

4. Die Reduktion der Schwefeldioxydmolekel durch Amalgame Einleitend wurde bereits darauf hingewiesen, dalj auf Grund des

Befundes, daI3 Kohlendioxyd an kaltflussigen Metalloberflachen ein Elek- tron je Molekel aufzunehmen vermag und dann unter Dimerisierung in das Oxalation ubergeht, bei der Schwefeldioxydmolekel die Bildung des Hyposulfitions (Dithionitions) erwartet werden konnte, da die Gewinnung von Hyposulfiten (Dithioniten) aus waI3rigen Liisungen von schwefeliier Saure und Reduktionsmetall bereits bekannt war und eine einfache Elek-

la) H. HOHN, E. FITZER u. H. NEDWED, demnachst in Z. anorg. allg. Chem.

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tronisierung mit anschliel3ender Dimerisierung, wie sie eben zur Bildung des Hyposulfitions fuhren wiirde, genau dem Mechanismus der Kohlen- dioxydreduktion entsprache.

Durch Versuche, die mit Schwefeldioxyd unter Verwendung der gleichen Apparaturen, wie bei der Untersuchung der Sauerstoff- und der Kohlendioxydreduktion eingesetz t, unternommen wurden, konn te diese Annahme voll bestatigt werden. So reduziert z. B. bei Raumtemperatur das Natrium eines 0, lproz. Natriumama1,aams rnit nahezu 100proz. Ausbeute die Schwefeldioxydmolekel zu Natriumhyposulfit nach der Gleichung 2 Na + 2 SO, = Na,S,O,. Auch die Schwefeldioxydreduk-

M rzo Reahfionszeil inhhten -

Abb. 7. D e r A m a l g a m v e r b r a u c h d u r c h C0,-,O,- u n d S O , - R e d u k t i o n n a c h v e r s c h i e d e n e n R e a k t i o n s -

z e i t e n

tion verlauft exotherm, wobei Tem- peraturanstiege von 10 bis 15°C wahrend der Reaktion beobachtet werden.

In Abb. 7 ist der Ablauf der Reduktion von Schwefeldioxyd, Kohlendioxyd und Sauerstoff durch 0,lproz. Natriumamalgam ver- gleichend zusammengestellt, und awar in der Weise, dal3 der Reak- tionsfortschritt als scheinbarer pro- zentueller Verbrauch des einge- setzten Natriums, berechnet aus dem Gasverbrauch, gegen die Reak- tionszeit aufgetragen wird. Diese Darstellung ist zum direkten Ver-

~

gleich besser geeignet als die der Werte der Gasaufnahme selbst, weil rnit einer Kohlendioxydmolekel bzw. einer Schwefeldioxydmolekel nur ein Natriumatom, mit einer Sauerstoffmolekel jedoch zwei Natriumatome zur Reaktion kommen. Man erkennt, da13 die weitaus griil3te Reaktions- geschwindigkeit beim Sauerstoff erreicht wird, wahrend die Reaktions- geschwindigkeit des Schwefeldioxyds etwa halb so grol3 und die des Kohlendioxyds nur mehr etwa ein Zehntel der Sauerstoffreduktions- geschwindigkeit ist. Man erkennt weiterhin aus Abb. 7, dal3 nur mit Kohlendioxyd 100proz. Ausbeuten, mit Schwefeldioxyd aber ebenso wie mit Sauerstoff scheinbar mehr als 100proz. Ausbeuten erzielt werden. Ebenso wie dieser Mehrverbrauch im Falle des Sauerstoffs durch die Bildung von Quecksilberoxyd erklart werden konnte, so findet man im Falle des Schwefeldioxyds eine zugleich rnit der Hyposulfitbildung ver - laufende Umsetzung des Quecksilbers zu Quecksilbersulfid, welche die Ursache des Mehrverbrauches ist. Diese Quecksilbersulfidbildung er -

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folgt im ubrigen etwas langsamer als die Quecksilberoxydbildung bei der Reaktion von Natriumamalgam mit Sauerstoff ; es konnte festgestellt werden, daD sie erst nach Verbrauch von etwa des eingesetzten Natriums merklich wird.

Diese Mitumsetzung des Quecksilbers im Falle des Schwefeldioxyds ist vielleicht noch erstaunlicher wie im Falle des Sauerstoffs, und zwar deshalb, weil eine Bildung von Natriumsulfid nicht beobachtet werden kann, ebensowenig, wie es zur Bildung von Quecksilberhyposulfit kommt, so daD also Natrium und Quecksilber ganz verschieden rnit Schwefel- dioxyd reagieren ; reines Quecksilber verhalt sich im ubrigen bei den an- gewendeten Reaktionstemperaturen gegeriuber Schwefeldioxyd bekannt- lich als vollii inert. SchlieDlich konnte, gleichlaufend mit der Quecksilbersulf id bildung , in allen Fallen auch das Entstehen von Quecksilberoxyd nachge- wiesen werden, obwohl stets sauerstofffreies Schwefeldioxyd verwendet worden war. Dem- nach muDte die Quecksilberoxy- dation bei der Umsetzung von Natriumamalgam und Schwefel- dioxyd dem bei der Quecksilber- sulfidbildung aus Schwefel- diox yd freigemach ten Sauers tof f

I I

48 80 lrZD 760 Reaktionszeit in Ninufen -

Abb. 8. T e m p e r a t u r a b h a n g i g k e i t d e r Na,S,O, - B i 1 d u n g

(0.1 proz. Natriumamalgam)

zugeschrieben werden, wobei jedoch keineswegs der gesamte freiwerdende Sauerstoff zu Quecksilberoxyd umgesetzt wird, da im Restgas Sauer- stoff nachgewiesen werden konnte.

Der Einflulj einer Temperaturminderung auf die Geschwindigkeit der Reduktion von Schwefeldioxyd durch 0,lproz. Natriumamalgam ist in Abb. 8 dargestellt; es zeigt sich eine eindeutige Beschleunigung der Umsetzung durch Kuhlung, die ebenso wie bei der Kohlendioxydreduk- tion dadurch erklart werden konnte, daD als ein die Gesamtreaktionsge- schwindigkeit bestimmender Faktor die Adsorption des Reaktionsgases an der Metalloberflache angenommen wird, die mit fallender Temperatur um so mehr in Erscheinung treten mul3te, je mehr sich die Versuchstem- peratur dem Siedepunkt des Schwefeldioxyds nahert. Gerade h i m Schwefeldioxyd ist also der im Vergleich zum Sauerstoff weitaus stBrkere EinfluB der- Kuhlung durchaus verstgndlich.

Kaliumamalgam reagiert wie Natriumamalgam ; auch hier konnte Hyposulfitbildung mit nahezu 100proz. Ausbeute nachgewiesen werden.

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44 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 275. 1954

Ebenso wie im Falle der Sauerstoffaufnahme konnte auch hier eine etwas schnellere Umsetaung des Kaliumamalgams im Vergleich aum Natrium- amalgam beobachtet werden.

Grundsatzlich anders verhalten sich Amalgame, die edler als Alkali- und Erdalkaliamalgame sind, beispielsweise Zink- und Bleiamalgam, bei welchen die Umsetzung des Schwefeldioxyds nicht nur wesentlich kng- samer, sondern auch nach einem anderen Reaktionsmechanismus ver- liiuft wie bei den unedlereii Amalgamen.

~ Aus der TLtbelle kann entnommen werden, dafi beispiebwcise bei einem Versuch mit Zinkanialgam unter den gewahlten Versuchsbedin-

gungen nur aus etwa einem Drittel des eingesetaten Metalles Zinkhypo- sulfit entstand, wahrend das ubrige Zink au 37% als Zinksulfid und zu 27 % als Zinkoxyd wiedergefunden wurde. Der nicht als Zinkoxyd ge- bundene Sauerstoff des zur Zink- sulfid bildung verbrauohten Schwefel- dioxyds konnte quantitativ als ele- mentarer Sauerstoff im Restgas des Versuchs nachgewiesen werden. Bei

Abb.9. S c h w e f e l d i o x y d a u f n a h - einem Versuch mit Bleiamalgam, m e d u r c h v e r s c h i e d e n e * e i n e m das wiederum wesentlich edler als

Zinkamalgam ist, entstand uber- 0 , lp t o z . N a t r i u m a m a l g a m a q u i - v a l e n t e A m a l g a m e

haupt kein Hyposulfit, sondern nur mehr Bleisulfid (etwa 60%) und eine gewisse Menge Bleioxyd; auch hier konnte Sauerstoff im Restgas nachgewiesen werden.

Bei Kupferamalgam wurde derselbe Reaktionsvorgang, namlich Kupfersulfid- und Kupferoxydbildung gefunden, jedoch nur qualitativ verfolgt, da wegen des au geringen Gehaltes des Amalgams an gelostem Kupfer in ublichen Versuchszeiten nur so geringe Mengen an Reaktions- gut erzeugt werden konnen, da13 ihre exakte analytische Erfassung schwierig ist.

M 8D 710 Reakt/onszeit inxinuten -

Die Reaktion 2 Me0 + MeS + 3 Me + SO,

ist wohlbekannt und wird bei relativ hohen Temperaturen in der Metall- urgie vielfach, beispielsweise als sogenannter Rost-Reaktionsproaefi in Blei- hutten zur Metalleraeugung angewendet. Offenbar ist die von uns ge- fundene Umsetaung

SO, + 3Me+ 2Me0 + MeS

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Tabelle

N o r m a l i t a t D i e R e d u k t i o n von Schwefe ld ioxyd d u r c h verschiedene Amalgnme g le icher

Amalgam- konzen- tration

0,144% Zn

0,451% P b

Reaktions- zeit in Min

150

Gasver- brauch in cm*

1284

1253

478

127

Reaktionsprodukte

3,7349 g Na2S204 = 98,66% Ausbeute = 967cma SO,

4,4268 g K,S,04 = 99,02% Ausbeute = 969cmS SO,

1,4677 g ZnS,04 = 34,91% Ausbeute = 330 cmd SO, 0,803 g ZnS = 37,38% Ausbeute = 370cms SO, 0,469g ZnO = 27,60% Ausbeute

3,023 g PbS = 58,08% Ausbeute = 565cmS SO,

38,97% Ausbeute 1,893g PbO =

Bemerkungen

Nach Reaktion starke HgS- und HgO-Bildung

Auch hier starke Nach, reaktion, vijllig ana- log wie bei Natrium- amalgam

Es entstand neben Zinkhyposulfit Zink- sulfid und Zinkoxyd, auSerdem Queck- silbersulfid

Es enstand kein Hypo sulfit, sondern nur Sulfid und Oxyd. Auch hier HgS und HgO nachgewiesen

nichts anderes als die Umkehrung dieser bekannten Rost-Reaktions- gleichung bei tiefen Temperaturen, wie sie zwar nicht im Falle fester Metalle, wohl aber bei den von uns verwendeten kaltflussigen quecksil- bernen Metall-Losungen leicht studiert werden kann.

6. EinfluS von Gasverunreinigungen auf die Schwefeldioxydreduktion durch Natriumamltlgam

Das Studium eventueller Beeinflussungen der Umsetzung zwischen Schwefeldioxyd und Amalgamen durch Sauerstoff und Wasserdampf wurde durch die bei der Kohlendioxyd- Amalgamreaktion mit diesen Gas- verunreinigungen bereits gemachten Erfahrungen nahegelegt und war auch im Hinblick auf eine technische Anwendung dieser Umsetzung von In teresse.

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Es ist anzunehmen, dafi trockene Schwefeldioxyd-Sauerstoff-Ge- mische mit Natriiimamalgam zunachst unter gleichzeitiger Bildung von Natriumhyposulfit und Natriumperoxyd abreagieren, und diese beiden Sahe wheinen tatsachlich bei Abwesenheit, von Feuchtigkeit nebenein - ander bestandig zu sein. Die analytische Bestimmung der Realrtions- produkte bietet jedoch grundsatzliche Schwierigkeiten, deiin es ist anzu- nehmen, dafi der bei der Aufnahme des Reaktionsgemisches in Natron- huge aus dem Peroxyd entbundene Sauerstoff sofort zur Oxydation des Hyposulfits verbraucht und dabei Sulfat und Sulfit gebildet wird. Tat- sachlich konnte bei der Analyse der Reaktionsprodukte, welche mit Schwefeldioxyduberschufi erhalten wurden, das Entstehen von Sulfat und Sulfit, daruber hinaus aber auch noch die Bereitschaft der gelosten Reaktionsprodukte zur raschen Aufnahme von weiterem Sauerstoff beob- achtet werden ; die zumindest intermediare Peroxydbildung durfte durch die stark vermiiiderte Hyposulfitausbeute bewiesen sein. Die Analyse des Gesamtschwefels in den Reaktionsprodukten gestattet es, das durch Natrium aufgcnommene Schwefeldioxyd genau zu bestimmen ; die so errechneten Hyposulfitausbeuten, namlich 95 % des eingesetzten Na- triums bei 10 Vo1.-% Sauerstoff, 89% des eingesetxten Natriums bei 25 Vo1.- % Sauerstoff und 83 % des eingesetxten Natriums bei 50 Vo1.- % Sauerstoff im Reaktionsgas zeigen, dafi die Hgposulfitbildung gegenuber

Abb. 10. B e e i n f l u s s u n g d e r G a s a u f - n a h m e b e i d e r S O , - R e d u k t i o n (0,l proz. Natriumamalgam) d u r c h V e r - un r e i n i g u n g e n i m S c h w e f e 1 d i ox y d

~~

der Peroxydbildung stark be- vorzugt wird, obwohl sie wesent- lich langsamer verlauft als diese. Auch diese Beobachtung zeigt, dafi die Konzentration der an der Metalloberflache adsorbier- ten Molekeln des Reaktions- gases von ausschlaggebender Be- deutung fur den Ablauf der Reaktion ist.

Abb. 10 enthalt einige Kurven, weIche die Geschwindigkeit des Gas- verbrauches fur einzelne Schwefel- dioxyd/Sauerstoff-Gemische im Ver- gleich zur Umsetzungsgeschwindigkeit der Einzelgase zeigen; aus den End-

punkten dieser Kurven konnten, da durch die gleiche Menge Natrium unterschiedliche Volumina yon Schwefeldioxyd und Sauerstoff verbraucht werden, direkt die Einzel- anteile der reagierenden Case herausgelesen werden.

Die Verunreinigung des Schwefeldioxyds mit Wasserdampf macht die ablaufenden Reaktionen so unubersichtlich, da13 auf ihre genauere

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Erforschung zunachst verzichtet werden muljte. Bei nennenswerten Wasserdampfpartialdrucken diirfte keine heterogene Gas-Amalgamreak- tion mehr vorliegen, sondern eine Reaktion des Amalgams mit wBSriger, als Flussigkeitshaut an der Metalloberflache haftender Schwefeldioxyd- losung, so dal3 Peroxyd nicht neben Hypdsulfit vorliegen kann; es bildet sich demnach direkt Sulfit und Wasserstoff, der im Restgas regelmaDig nachzuweisen war. Es zeigte sich weiter, daD bei den Versuchen mit Wasserdampf stets auch Natriumsulfid nachzuweisen ist ; es konnte nicht entschieden werden, ob diese Sulfidbildung durch Reduktion von feuch- tom Hyposulfit mit Natriumamalgam zustande kommt, oder ob der aus der Reaktion

Na + HOH+NaOH + H

entstehende Wasserstoff Schwefeldioxyd zu Schwefelwasserstoff zu redu- zieren vermag, der wiederum mit Natriumamalgam zu Natriumsulfid weiterreagiert. Die Ausbeute an Hyposulfit wird, vielleicht weil Schwefel- dioxyd rascher als Kohlendioxyd reagiert, durch Beimengungen von Wasserdampf und Sauerstoff nicht so stark vermindert wie die Oxalat- ausbeute bei der Kohlendioxydreduktion. Die Quecksilbersulfidbildung ihrerseits wird durch Zugabe von Sauerstoff und Wasserdampf riur dem AusmaB, nicht aber dem Charakter nach beeinflul3t.

6. AbsehIieBende Betrachtungen Die Umwandlung von Metallen in Metallsalze durch Umsetzung mit

Sauren scheint bei oberflachlicher Betrachtung die hauptsachliche und, wenn von den unedelsten Metallen abgesehen wird, beinahe die einzige chemische Umsetzung der Metalle zu sein, die schon bei Raumtemperstur rasch abzulaufen vermag; sie stellt sich dem Chemiker von altersher als Substitutionsreaktion dar, wobei der Wasserstoff der Saure durch das Metal1 ,,verdrangt" und gasformig entbunden wird, um gegebenenfalls auf weitere Reaktionspartner reduzierend zu wirken. Wie sehr der me- tallische Zustand aber ein Zwangszustand ist, der schon bei Raumtem- peratur und darunter durch Abgabe von Elektronen an geeignete Akzep- toren ohne jede Hernmung verloren geht, wird dann deutlich, wenn die Metalle in kaltflussiger metallischer Losung, also als verdunnte Amalgame vorliegen und die Ausbildung von Deckschichten aus Reaktionsprodukt, die im festen Zustand die kalte Umsetzung hindern, durch Zerschlagen und Zerkratzen der Phasengrenzflache verhindert wird 1,). Als Elek- tronenakzeptoren konnen die verschiedensten Gase und Dampfe dienen, beispielsweise NO, NO,, ClO,, SO,, CO,, COS, CS,, 0,, Cl,, H,O, HC1,

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CH,O 14) usw., deren elektrisch neutrale Molekule demnach grundsatzlich eine grol3ere Elektronenaffinitat aufweisen mussen als die positiv gela- denen Kationen der Metalle, mit welchen sie reagieren. So ist es verstand- lich, dafi zum Beispiel samtliche Alkali- und Erdalkaliamalgame mit Kohlendioxyd zu reagieren vermogen, alle anderen Amalgame aber nicht I) , da die entsprechenden Metallkationen eine grogere Elektronen- affinitat haben als die Kohlendioxydmolekel. Der Elektronenubergang vom Metal1 zur anionenbildenden Gasmolekel kann allein fur sich und ohne jede Folgrereaktion stattfinden, beispielsweise bei Stickstoffdioxyd, einer Molekel von sehr hoher Elektronenaffinitat, die nach dem Schema

NO, + 0 -+ NO,'

Nitrit bildet. Verhaltnismafiig haufig scheint dem einleitenden Elektro- nenubergang eine Dimerisierung zu folgen, wie im Falle des von uns unter- suchten Kohlendioxyds und Schwefeldioxyds ; es kann jedoch auch zu einem Zerfall der elektronisierten Gasmolekel kommen, wie die Bildung von einfachen Oxyden aus edleren Amalgamen und Sauerstoff, aber auch die eben beschriebene Bildung von Sulfid und Oxyd ebenfalls aus edleren Amalgamen und Schwefeldioxyd beweist. Hier scheint eine sehr sonder- bare GesetzmaiSigkeit vorauliegen : bei der Elektronisierung von Gas- molekeln durch edlere Amalgame werden mehr Elektronen aufgenommen wie bei der Elektronisierung der gleichen Gasmolekeln durch unedlere, also zur Elektronenabgabe offenbar besser befahigte Amalgame. So empfangt eine Sauerstoffmolekel bei der Umsetzung mit dem unedlen Natriumamalgam zwei, eine Schwefeldioxydmolekel ein Elektron, wah- rend das vie1 edlere Bleiamalgam an die Sauerstoffmolekel vier und an die Schwefeldioxydmolekel sogar sechs Elektronen abgibt. Nicht weniger sonderbar erscheint der sowohl bei der Sauerstoff- wie bei der Schwefel- dioxydreduktion gemachte Befund, dal3 der unedlere Bestand teil des Amalgams dem edleren Bestand teil Umsetaungen aufzuzwingen vermag, zu welchen dieser ailein fur sich nicht fahig ware, wobei sogar die Menge des umgesetzten edleren, sonst reaktionslosen Bestandteils die umge- setzte Menge des unedleren Bestandteils weit ubertreffen kann.

Die Autoren sind der Osterreichischen Stickstoffwerke A.G. in Linz und der Alpine Chemische A.G.-Elchemie in Kufstein, deren Unterstiitzung die mitgeteilten Unter- suchungen ermoglicht hat, zu vielem Dank verpflichtet.

14) F. A. HENGLEIN u. A. SONTHEIYER, Z. anorg. allg. Chem. 267, 181 (1952).

Wien, Institut fiir anorganische chemische Technologie der Techni- schen Hochschule.

(Bei der Redaktion eingegangen am 21. August 1953.)