Über ketonurie nach insulinüberdosierung

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15. JANUAR 1927 KLINISCHE \~rOCHENSCH fiber die berichtet wurde, dab unter geeigneten Bedingungen eine Immunisierung mit vermutlich lipoiden Stoifen ohne Schwierigkei~ gelingt, mul3ten daran denken lassen, dab die Wassermannreaktion eine Haptenreaktion sein k6nne, ghnlich der Forssmanschen Reaktion. Davon ausgehend, versuchten SacHs und seine Mitarbeiter durch Injektionen yon Mischungen alkoholischer Extrakte yon Kaninchenorganen mit artfremdem Serum, bei Kaninchen Wassermannreagine zu erzeugen. Das artfremde Serum sollte in. diesem Modellversuch die Stelle der Spirochgtensubstanzen einnehmen, die nach der Ansicht yon SACHS zusammen mit Organlipoiden unter natiirlichen Verhgltnissen das die Antik6rperbildung auslbsende Agens bilden. Dieses inter- essante Experiment ergab wirklich die Entstehung yon Serumstoffen, die sich ahnlich wie Wassermannreagine ver- halten, und-scheint demnach die Antoantik6rpertheorie zu stiitzen. Ich kann auf eine nghere Besprechung des Gegen- standes bier nicht eingehen, muB abet auf Ergebnisse auf- merksam machen, die einen anderen Standpunkt nahelegen. KLOPSTOCK erzielte die Bildung yon Wassermannreaginen, die auf alkoholische Spirochatenextrakte wirken, durch Injektion abgetbteter Spirochaete pallida bei Kaninchen, und ich hatte (im Verein mit v:<x DER SCHnER) gleiehartige Resultate bei der Injektion abget6teter Trypanosomen. Die Verwendung dieses Materials war dadurch angezeigt, dab auch bei Trypanosomeninfektionen positive Wasser- mannreaktionen auftreten. Hier war die Wirkung sehr ausgesprochen, oft wurden schon nach 2 Injektionen m~giger Mengen der Mikrobien starke Reaktionen erzielt, und nach mehreren Injektionen traten hochgradig positive Reaktionen fast ausnahmslos ein. Zwischen den durch Injektion und dutch Infektion mit Trypanosomen entstandenen Seren bestehen gewisse Unter- schiede bei der Prfifung mit verschiedenen Antigenen, und eine Anzahl yon Fragen bedarf noch der Anfklarnng. Es ist abet doch schon jetzt recht wahrscheinlich, dab eine direkte Antigenwirkung der Mikrobien oder ihrer Produkte bei der Entstehung der Wassermannreaktion eine wesent- liche Rolle spielt. Wenn ich nun meinen Bericht schliel3e, so darf ich vielleicht der Hoffnung Ausdruck geben, dab das Gebiet der kom- plexen Antigene noch manche interessanten Aufgaben dar- bieten dfirfte. Es steht in Beziehung zu Problemen der Vererbung, wie die Untersuchungen yon v. DUNeZRN und HIRSZFeLD gezeigt haben, die zuerst serologische Forschung und Vererbungslehre in Verbindung braehten, ferner zu der Lehre yon der spezifisch chemischen Differenzierung tierischer nnd bakterieller Organismen, einem der sch6nsten theore- tischen Ergebnisse der Serologie, und gibt die Aussicht auf die Auffindung und chemische Ctiarakterisierung neuer Substanzen yon biologischer Bedeutung, die in ihrer Mannig- faltigkeit an das Reich der Proteine erinnern. I3BER KETONURIE NACH INSULIN- UBERDOSIERUNG. Vorl/iufige Mitteilung. Von Dr. FRITZ MAINZER. Aus der Med. Abteilung des St~dt. Kraakenhauses Altona, Elt, e (Direktor: Prof. Dr. L. LICHTWITZ). J. B. COLLIe hatte die Beobachtung gemacht, dal3 in einer Reihe yon F&llen, iedoch nicht regelrn~Big, normale Kaninchen nach Insuliniiberdosierung, auch vor Eintritt yon Krgmpfen, im Harn Ketonk6rper ausscheiden. Er fand dabei in einem Tell der Versuche eine Herabsetzung des Kohlens~urebindungs- verm6gens des Blutes, die indes auch ausbleiben konnte, obwohl ~etonurie auftrat. Seine Untersuchungen faBte er dahin zusanlmen, dab Insulin imstande sei, bei normalen Tieren eine Reihe yon Symptomen der Acidose hervorzurufen, sobald die Hypoglykamie einen ausreichenden Grad (65 bis 45 mg~o) erreiche, wfihrend offenbar im Gegensatz hierzu beim RIFT. 6. JAHRGANG. Nr. 3 IO 7 experimentellen Diabetes des Tieres und beim menschlichen Diabetes mellitus die Insulinanwendung alle Erscheinungen der Acidose zum Verschwinden bringe. Die im folgenden kurz mitgeteilten klinischen Beobach- tungen sind geeignet, diese Feststellungen zu erweitern und ihre Deutung zu beeinflussen. In 2 F~llen handelte es sich um Zuckerkranke, die in erheb- licher Acidose -- Fall I im ausgebildeten Coma diabeticum -- und mit hochfieberhaftem Infekt in Behandlung kamen (Fall i: Pygmie mit Lungen- und Nierenabscessen; Fall 2: mehrkammeriges Empyem). Beide erlagen schlieglich der Schwere ihres Infektes. Znngchst gelang es jedoch, durch Insulin und nachfolgende diatetische Behandlung die Acidose zurtickzndr~ngen und die Stoffwechsellage zu bessern. Im Falle i sank der Blutzucker yon 6i 7 rag% innerhalb 2 Tagen auf 318 rag% (Bestimmung nach HAGEDORN-J~x- SEN), wahrend gleichzeitig das Kohlensgurebindungsverm6gen des Oxalatplasmas (gemessen nach dem volumetrischen Ver- fahren yon VAN SLYKE) yon 17 Vol.-% auf 54 Vol--% CO~ anstieg. Gleichzeitig verschwand der Zucker aus dem Harne, sowie die t(etonkbrper soweit, dab die qualitativen Reak- tionen (nach I.a~c~ und GERHARDT) negativ ausfielen. Ob- wohl nun entsprechend der Bessernng der Acidose die ver- abreichten Insulindosen verringert wurden, stellte sich nach zwei .weiteren Tagen sehr pl6tzlich, ohne dab der Kranke die charakteristischen subjektiven Erscheinungen angab, ein Zustand schwerster Hypoglykfimie ein, der neben starkem Schweigausbruch dutch Bewugtlosigkeit, Areflexie und schliel3- liches Versagen der Atemt~itigkeit bei guter Herzkraft charak- terisiert war. In diesem Zusta~d, der durch Suprarenin nnd intraven6se Traubenzuckerinjektion innerhalb io Minuten behoben werden konnte, betrug der Blutzueker 52 rag%, das Kohlensiiurebindungsverm6gen des Plasmas 86 Vol.-%. Nach vier weiteren Tagen, unter herabgesetzter Insulindosis, waren die entsprechenden Werte: Blutzucker 382 mg% ; CO.2- Bindungsvermbgen: 58 Vol.-% . Im Gesamtharn des !Pages der Hypoglylcdimie hatte im Gegensatz zu den vorausgega~ge~en 2Pagen die qualitative Acetonprobe positiven Aus/all. Der zweite Fall, dessen Stoffwechsellage wesentlich gfinstiger war, hatte einen ganz ~thnlichen Verlauf. Die ent- scheidenden V~rerte fiir Blntzucker und KohlensXurebindungs- vermOgen seien tabellarisch angeffihrt: Tabelle. Blutzu 'cker CO~-Bindungs- Behandlungstag vermbgen mg % Vol,-~ CO~ 4 6 II 12 I3 27o 205 47 I7I 254 Am ii. Behandlungstag machten 37 57 86 74 68 sich Erscheinungen einer Hypoglykgmie bemerkbar : SchweiBausbruch, Schwfmhe- geffihI, daneben starke Unruhe, Doppeltsehen, dessen objek- tire Grundlage ein starker sonst nicht vorhandener Strabismus divergens abgab; BewuBtseinverlust trat nicht ein. Die Werte ffir Blutzucker und CO~-Bindungsverm6gen im Anfall linden sich in tier Tabelle. In dem wiihrend der Dauer der hypoqlykd~mischer~ Erseheinungen gewonnenen Ham war im Gegensatz zu den Vortagen aueh hier die qualitative Probe au/ Aceton und Acetessigsdure stark positiv; Zucker war nicht vor- handen. Bereits 5 Tage vorher war der Kranke in eine klinisch sehr viel ernstere Hypoglyk~mie geraten, die mit den gleichen Ersebeinungen begann, und trotz Verabreichung yon ia/~ mg Suprarenin in 3 Gaben sowie intraven6ser Traubenzucker- gabe in den gleichen Zustand yon BewuBtlosigkeit fiberging, wie er oben bei Fa!l I geschildert wurde, und 5 Stunden ]ang andauerte. Der Blutzucker konnte bier nut nach den Suprare- ningaben bestimmt werden und lag in 2 Bestimmungen zu verschiedenen Zeiten zwischen lob und I5o mg~ Das Kohlens/iurebindungsverm6gen des Plasmas wurde nicht ge- messen. Ketonk6rper waren ~ dem zur Zeit des hypo-

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Page 1: Über Ketonurie nach Insulinüberdosierung

15. JANUAR 1927 K L I N I S C H E \ ~ r O C H E N S C H

fiber die berichtet wurde, dab unter geeigneten Bedingungen eine Immunisierung mit vermutlich lipoiden Stoifen ohne Schwierigkei~ gelingt, mul3ten daran denken lassen, dab die Wassermannreaktion e i n e Haptenreaktion sein k6nne, ghnlich der Forssmanschen Reaktion.

Davon ausgehend, versuchten SacHs und seine Mitarbeiter durch Injekt ionen yon Mischungen alkoholischer Extrakte yon Kaninchenorganen mit artfremdem Serum, bei Kaninchen Wassermannreagine zu erzeugen. Das artfremde Serum sollte in. diesem Modellversuch die Stelle der Spirochgtensubstanzen einnehmen, die nach der Ansicht yon SACHS zusammen mit Organlipoiden unter natiirlichen Verhgltnissen das die Antik6rperbildung auslbsende Agens bilden. Dieses inter- essante Experiment ergab wirklich die Ents tehung yon Serumstoffen, die sich ahnlich wie Wassermannreagine ver- halten, u n d - s c h e i n t demnach die Antoantik6rpertheorie zu stiitzen. Ich kann auf eine nghere Besprechung des Gegen- standes bier nicht eingehen, muB abet auf Ergebnisse auf- merksam machen, die einen anderen Standpunkt nahelegen.

KLOPSTOCK erzielte die Bildung yon Wassermannreaginen, die auf alkoholische Spirochatenextrakte wirken, durch Injekt ion abgetbteter Spirochaete pallida bei Kaninchen, und ich hatte (im Verein mit v:<x DER SCHnER) gleiehartige Resultate bei der Injekt ion abget6teter Trypanosomen. Die Verwendung dieses Materials war dadurch angezeigt, dab auch bei Trypanosomeninfektionen positive Wasser- mannreakt ionen auftreten. Hier war die Wirkung sehr ausgesprochen, oft wurden schon nach 2 Injektionen m~giger Mengen der Mikrobien starke Reaktionen erzielt, und nach mehreren Injekt ionen traten hochgradig positive Reaktionen fast ausnahmslos ein.

Zwischen den durch Injektion und dutch Infekt ion mit Trypanosomen entstandenen Seren bestehen gewisse Unter- schiede bei der Prfifung mit verschiedenen Antigenen, und eine Anzahl yon Fragen bedarf noch der Anfklarnng. Es ist abet doch schon jetzt recht wahrscheinlich, dab eine direkte Antigenwirkung der Mikrobien oder ihrer Produkte bei der Ents tehung der Wassermannreaktion eine wesent- liche Rolle spielt.

Wenn ich nun meinen Bericht schliel3e, so darf ich vielleicht der Hoffnung Ausdruck geben, dab das Gebiet der kom- plexen Antigene noch manche interessanten Aufgaben dar- bieten dfirfte. Es steht in Beziehung zu Problemen der Vererbung, wie die Untersuchungen yon v. DUNeZRN und HIRSZFeLD gezeigt haben, die zuerst serologische Forschung und Vererbungslehre in Verbindung braehten, ferner zu der Lehre yon der spezifisch chemischen Differenzierung tierischer nnd bakterieller Organismen, einem der sch6nsten theore- tischen Ergebnisse der Serologie, und gibt die Aussicht auf die Auffindung und chemische Ctiarakterisierung neuer Substanzen yon biologischer Bedeutung, die in ihrer Mannig- faltigkeit an das Reich der Proteine erinnern.

I3BER KETONURIE NACH INSULIN- UBERDOSIERUNG.

Vorl/iufige Mitteilung. V o n

D r . F R I T Z M A I N Z E R . Aus der Med. Abteilung des St~dt. Kraakenhauses Altona, Elt, e

(Direktor: Prof. Dr. L. LICHTWITZ).

J. B. COLLIe hatte die Beobachtung gemacht, dal3 in einer Reihe yon F&llen, iedoch nicht regelrn~Big, normale Kaninchen nach Insuliniiberdosierung, auch vor Eint r i t t yon Krgmpfen, im Harn Ketonk6rper ausscheiden. Er fand dabei in einem Tell der Versuche eine Herabsetzung des Kohlens~urebindungs- verm6gens des Blutes, die indes auch ausbleiben konnte, obwohl ~etonurie auftrat. Seine Untersuchungen faBte er dahin zusanlmen, dab Insulin imstande sei, bei normalen Tieren eine Reihe yon Symptomen der Acidose hervorzurufen, sobald die Hypoglykamie einen ausreichenden Grad (65 bis 45 mg~o) erreiche, wfihrend offenbar im Gegensatz hierzu beim

R I F T . 6. J A H R G A N G . Nr. 3 IO 7

experimentellen Diabetes des Tieres und beim menschlichen Diabetes mellitus die Insulinanwendung alle Erscheinungen der Acidose zum Verschwinden bringe.

Die im folgenden kurz mitgeteilten klinischen Beobach- tungen sind geeignet, diese Feststellungen zu erweitern und ihre Deutung zu beeinflussen.

In 2 F~llen handelte es sich um Zuckerkranke, die in erheb- licher Acidose - - Fall I im ausgebildeten Coma diabeticum - - und mit hochfieberhaftem Infekt in Behandlung kamen (Fall i : Pygmie mit Lungen- und Nierenabscessen; Fall 2: mehrkammeriges Empyem). Beide erlagen schlieglich der Schwere ihres Infektes. Znngchst gelang es jedoch, durch Insulin und nachfolgende diatetische Behandlung die Acidose zurtickzndr~ngen und die Stoffwechsellage zu bessern.

Im Falle i sank der Blutzucker yon 6i 7 rag% innerhalb 2 Tagen auf 318 rag% (Bestimmung nach HAGEDORN-J~x- SEN), wahrend gleichzeitig das Kohlensgurebindungsverm6gen des Oxalatplasmas (gemessen nach dem volumetrischen Ver- fahren yon VAN SLYKE) yon 17 Vol.-% auf 54 Vol--% CO~ anstieg. Gleichzeitig verschwand der Zucker aus dem Harne, sowie die t(etonkbrper soweit, dab die qualitativen Reak- tionen (nach I .a~c~ und GERHARDT) negativ ausfielen. Ob- wohl nun entsprechend der Bessernng der Acidose die ver- abreichten Insulindosen verringert wurden, stellte sich nach zwei .weiteren Tagen sehr pl6tzlich, ohne dab der Kranke die charakteristischen subjektiven Erscheinungen angab, ein Zustand schwerster Hypoglykfimie ein, der neben starkem Schweigausbruch dutch Bewugtlosigkeit, Areflexie und schliel3- liches Versagen der Atemt~itigkeit bei guter Herzkraft charak- terisiert war. I n diesem Zusta~d, der durch Suprarenin nnd intraven6se Traubenzuckerinjektion innerhalb io Minuten behoben werden konnte, betrug der Blutzueker 52 rag%, das Kohlensiiurebindungsverm6gen des Plasmas 86 Vol.-%. Nach vier weiteren Tagen, unter herabgesetzter Insulindosis, waren die entsprechenden Werte: Blutzucker 382 mg% ; CO.2- Bindungsvermbgen: 58 Vol.-% . I m Gesamtharn des !Pages der Hypoglylcdimie hatte im Gegensatz zu den vorausgega~ge~en 2Pagen die qualitative Acetonprobe positiven Aus/all.

Der zweite Fall, dessen Stoffwechsellage wesentlich gfinstiger war, hatte einen ganz ~thnlichen Verlauf. Die ent- scheidenden V~rerte fiir Blntzucker und KohlensXurebindungs- vermOgen seien tabellarisch angeffihrt:

Tabelle.

Blutzu 'cker CO~-Bindungs- Behandlungstag vermbgen

mg % Vol,-~ CO~

4 6

I I

12 I3

27 o 205

47 I 7 I 254

Am i i . Behandlungstag machten

37 57 86 74 68

sich Erscheinungen einer Hypoglykgmie bemerkbar : SchweiBausbruch, Schwfmhe- geffihI, daneben starke Unruhe, Doppeltsehen, dessen objek- t i re Grundlage ein starker sonst nicht vorhandener Strabismus divergens abgab; BewuBtseinverlust t rat nicht ein. Die Werte ffir Blutzucker und CO~-Bindungsverm6gen im Anfall l inden sich in tier Tabelle. I n dem wiihrend der Dauer der hypoqlykd~mischer~ Erseheinungen gewonnenen H a m war im Gegensatz zu den Vortagen aueh hier die qualitative Probe au/ Aceton und Acetessigsdure stark positiv; Zucker war nicht vor- handen. Bereits 5 Tage vorher war der Kranke in eine klinisch sehr viel ernstere Hypoglyk~mie geraten, die mit den gleichen Ersebeinungen begann, und trotz Verabreichung yon ia/~ mg Suprarenin in 3 Gaben sowie intraven6ser Traubenzucker- gabe in den gleichen Zustand yon BewuBtlosigkeit fiberging, wie er oben bei Fa!l I geschildert wurde, und 5 Stunden ]ang andauerte. Der Blutzucker konnte bier nut nach den Suprare- ningaben bestimmt werden und lag in 2 Bestimmungen zu verschiedenen Zeiten zwischen lob und I5o mg~ Das Kohlens/iurebindungsverm6gen des Plasmas wurde nicht ge- messen. Ketonk6rper waren ~ dem zur Zeit des hypo-

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glyk~mischen Zustandes durch Katheterismus gewonnenen Ham nicht vorhanden.

Im dritten hierher gehSrigen Fall handelte es sich um einen mittelschweren unkomplizierten Diabetes, der sich nach seiner Entlassung aus klinischer Behandlung nach often- bar miBverstandenen Vorschriften fiber die Dosierung selbst mit Insulin behandelte. Am Morgen der Einlieferung ins Krankenhaus wurde er zunehmend benommen, worauI ihm ein zugezogener Arzt in der Annahme eines drohenden Coma diabeticum, weitere 6o Einheiten Insulin subeutan verabfolgte und tim der Klinik fiberwies. Beider Aufnahme war der Kranke bewuBtlos, die Temperatur betrug 35,5 (rectale Messung). Im H a m waren die qualitativen Proben auf Aceton und Acet- essiggaure stark positiv, jedoch keine l%duktion vorhanden. Er erhielt nochmals in der gteichen Voraussetzung, dab bier ein Coma diabeticum vorliege, 5 ~ Einheiten Insulin sub- cutan und die gleiche ~{enge intraveufs. Erst die hiernach ausgeftihrte Blutzuckerbestimmung in der vet der letzten Insulinverabreichung entnommenen 131utprobe (78 mg) klS~rte den Tatbestand ats einen hypoglykg, mischen Znstand, worauI nach Verabreichung yon Adrenalin und intraven6ser Trauben- zuckergabe schnelle Erholung f0!gte.

?erie in diesem letzten Fal le war auch der erste hype- glyk~mische Zustand im Falle 2 mit einem Temperatursturz bis auf 35 ? verbunden, der jedoch bemerkenswerterweige erst nach Abklingen der anderen hypoglyk~imischen Erscheinungen eintra< als der Kranke bereits sein BewuBtsein wiedererlangt hatte und sein klinischer Zustand zu keinen Besorgnissen mehr AnlaB zu geben schien.

Es verdient hervorgehoben zu werden, dab in den beiden erstgesch{lderten Fallen, die hypoglyk~mischen Erscheinungen bei Insulindosierungen auftraten, die unter den an den voraus- gegangenen Tagen ohne klinische Sch~digung und ohne Sen- kung des st~ndig k0ntrollierten Blutzuckers unter IOO rag% ertragenen Gaben lagen, dab es sich jedoch beide Male um ]iebernde Kranke handelte, deren Temperaturen bereits am Tage vor Eintritt des hypoglylcdmischen Zustandes im Absinken be- grif/en Waren. Ob diese Temperatursenkung bereits ein Aus- druck der bekannten temperaturherabsetzenden Insulin- wirkung war, oder ob sie umgekehrt die Insulinwirkung his zum Ein t r i t t yon ~)berdosierungserscheinungen begfinstigte, woffir gleichfalls experimentelle Befunde geltend gemacht werden kfnnen, rout3 einstweilen fraglich erseheinen.

Es kann somit festgestellt werden: I. Unter noeh nicht i~berschaubaren Bedingungen kann

Insulin einen Anstieg des Kohlens&~rebindungsvermSgens her- vorru/en, der als Alkalose anzusprechen ist, weil er sieh in den mitgeteilten Beobachtungen aus der sicheren diabetischen Acidose 4~ber die Stuje eines normalen Kohlensa~rebindungsverm6gens kontinuierlich entwiclcelte. Diese Entwicklung macht den Einwand hinf~llig, dab die Alkalireserve als solche noch keines- wegs das S~turebasengleichgewieht des Organismus eindeutig charakterisiere, und dab es sich hier ouch um die Kompen- sation einer Kohlens~ureacidose bei mangelhafter Atmung gehandelt haben k6nne.

(Ffir das Auftreten eines solchen Zustandes, der ja keines- wegs eine regelm~Bige Begleiterscheinung der Insulinfiber- dosierung bei Mensch und Tier ist, scheint gerade das Voraus- gehen einer Acidose dutch Ketonkfrper nicht ohne Bedeutung zu sein.)

~_ I m Gege~;satz zu Collips Eeststellung kann eine Keton- urie als Folge der Insulini~berdosier~ng aueh bei~n diabetischen Menschen au/treten. Auch hierbei handelt es sieh nieht um eine regelma~ige Erscheinung.

3- Die Tatsache, dab auch sonst nachweislich alkalotische Zust~nde, wie die Laugenvergiftung (v. OAIZLER), die l~ber- ventilafionsalkalose (H~LDANE, PORGES; PORGES und LIP- SCHOTZ), mit Ketonurie einhergehen, legt die Vermutung nahe, dab auch hier zwischen beiden Erscheinungen ein Zusammen- hang b~stehen kfnne.

(Die ausffihrliche Mittei lung der Krankheitsverl~ufe und die theoretische Wfirdigung der erhobenen Befunde sell an anderer Stelle erfolgen.)

BEEINFLUSSUNG D E R REGENERATIONSFAHIG- KEIT D E R HAUT DURCH LOKALE

APPLIKATION VON INSULIN.

Y o n

D. ADLERSBERG u n d A. PERUTZ. Aus der I. Med. Universitfitsklinik in Wien (Vorstand: Prof. Dr. K. F. WENCKEBACH).

Seit der Einfiihrung des Insulins in die Therapie wurde dieses Pr~iparat auct] ffir nichtdiabetische Affektionen heran- gezogen. So wurde beispielsweise das Insulin bet der I)urch- ftihrung yon Mastkuren [vgl. FALTA1)], ferner ftir die Be- handlung des Hyperthyreoidismus verwendet Is. MEND:EL2)]. CTber den Wirkungsmechanismus und Angriffspunkt des Insulins sind die Akten noch nicht abgeschlossen. Fiir unsere sp~iter zu erwMmende Fragestellung waren die Untersuchnngen VOla A D L E R S B E R G u n d PORG~ES ~) maBgebend, die yon dem bekannten Antagonismus zwischen der Fett- und Glykogen-

l ebe r ausgehend [ROSENFELD4), JUNKERSDORFS)], f[ir den Menschen nachweisen konnten, dab eine Glykogenleber die Kohlenhydratassimilation vim besser durchffihrt als eine Fettleber. ADLERSBERG und PORGES haben ferner auf Grund der Erfahrung, dab es mit Hilfe des Insulins mfglich ist, Glykogen in der Leber gewissermaBen zwangsweise zum Ansatz zu bringen, ihre experimentellen Untersuchungen

z u r Grundlage der , ,kurativen Diabetesbehandlung" gemacht. Es konnte bei Verwendung reichlicher Kohlenhydratnahrung mit entsprechenden Insulindosen Weitgehende Toleranz- steigerung erzielt werden, die sie in erster Reihe au{ eine funktionelle Umstellung der Leber, auf die Beseitigung der Dyszooamylie (im Sinne yon •AUNYN) zurfickffihren. AD- LERSBERG und RdTn ~) konnten schlieBlich zeigen, dab die veranderte Funktion der Fettleber zumindest unter gewissen experimentelle n Bedingungen auch dadureh zum Ausdruck kommt, dab die Leberzellen ffir Traubenzucker durchg~ngig werden und ihn in die Galle durchtreten lassen. Dazu kamen noch die schfnen experimentellen Ergebnisse yon HX~JSLER und LOEWIT), die in vitro nachweisen konnten, dab auch Gewebszellen unter der Wirkung yon Insulin imstande sind, Zucker aus der Umgebungsflfissigkeit an sich zu reigen, um ihn in einer noch nicht nSoher definierten Form anzu- setzen.

Obige Befunde besagen demnach, dab nicht nur die Leber, sondern auch die Gewebszellen unter der YVirkung yon Insulin Kohlenhydrat speichern kfnnen. In der Leber gehen mit dem ver~nderten Kohlenhydratgehalt weitgehende Ver- 5~nderungen der Funkt ion einher. Es wird dabei nicht nur die TS~tigkeit der Leber im intermedi~tren Kohlenhydrat- stoffwechsel im positiven Sinne beeinfluBt (z. B. verbesserte Kohlenhydratassimilafion), sondern es erfghrt ouch allem Anschein nach die entgiftende Eigensehaft der Glykogen- leber gegenfiber der Fettleber eine Steigerung. Schon die alten Untersuchungen yon ROGERS) sprechen in diesem Sinne, und in leizter Zeit haben RICHTER~), GRUNENBERG ~~ U. a. diese Befunde ffir die Therapie yon akuterr Hepatargien und Intoxikationen fiberhaupt (Schwangerschaftstoxikosen) herangezogen.

Es ergab sieh nun die Frage, ob ouch die Zellen des Haut- organes unter dem wenigstens experimenteI1 ffir die Gewebs- zellen gesicherten Einflui3 des Insulins und der dadurch be- dingten chemischen Knderung ihrer Zusammensetzung (Koh- lenhydratanreieherung) eine Ver~nderung ihrer T~tigkeit erfahren. Einen Anhaltspunkt boten bis zu einem gewissen Grade die bekannten Untersuchungen yon O. WARBURG und seiner Mitarbeiter fiber den Kohlenhydratstoffwechsel bei Tumorzellen, die den Gedanken nahelegten, umgekehrt durch Anreieherung an Kohlenhydrat das Zellwachstum zu f6rdern. Weiterhin ergab sich die Frage, wie man diese funktionelle Umstellnng bzw. Ver~nderung der Zelltunktion der Haut experimentell oder klinisch fassen kfnnte. Naeh Berficksichtigung s~mtlicher hier in Betracht kommender Faktoren wurde als Prfifstein fiir eine etwaige Funktions- steigerung der Haut ihr Regenerationsvefm6gen nntersncht.