Über löslichkeit, dissoziation und spannung der kohlensäure im harn

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I7- JANUAR I93~ KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. io. JAHRGANG. Nr. 3 Line Substanz, die normalen Zellen die glykolytische Wirk- samkeit yon Krebszellen verleihen kann, dtirfte -- falls sie im Tierk6rper gebildet wird -- Bedeutung besitzen. Um festzu- stellen, ob tierische Zellen ]3renztraubens~ure bilden, haben wit zu ihrem Nachweis eine biologische Methode aus- gearbeitet, die wir im folgenden kurz beschreiben. Dutch kleine Mengen Glycerinaldehyd, IO -3 Mole pro Liter Ringerl6sung, wird unter anaeroben Bedingungen die G~rung des Jensensarkoms um 8o--9o% gehemmtL Wir fanden, dab diese Wirkung des Glycerinaldehyds durch kleinste Mengen yon Brenztraubens~ure aufgehoben wird. Am*erobe aiirunff (Q~) des Jenseflsarkoms. Suspensionsflfissigkeit Ringerl6sung, C~eoa, = 2,5" IO -s, o,2% Glykose, 5% CO~ in N s. Brenztraubensfiure Glycerinaldehyd (Na-Salz) Q~ Mole/Liter Mole/Liter -- 33,7 -- 6,0 IO -3 34,0 IO -g 26,8 5 " IO-5 20,3 2,5 IO -5 13,o 1,25 - IO -5 8,8 o,62" IO -5 6, I i0-3 i0-8 lO-a i0-8 10-3 10-3 i0-8 Mit dieser indirekten Methode k6nnen noch einige tausendstel Milligramm ]3renztraubensgure nachgewiesen werden, Spuren, die sich dem chemischen Nachweis entziehen. Line andere biologische Methode zum quantitativen Nachweis etwas gr613erer Mengen yon Brenztraubens~ure hat kfirzlich OTTO WARBURG 5 beschrieben: Gibt man zu einer L6sung yon t3renztraubens~ure nach Vorschrift yon LEBEDEW hergestellten tIefesaft, so entsteht dutch die Wirkung der Neubergschen Carboxylase Kohlens~ure, die manometriscll gemessen wird. Mit dieser Methode kann Brenztraubens~ure in Mengen yon einigen zehr~tel Milligrammen bestimmt werden. Mit beide~ Methoden haben wir gefunder~, daft Krebszellen unter normalen Bedingungen Brenztraubensiiure bilden. In zuckerhaltiger, sauerstoffgesgttigter Ringerl6sung bilden Schnitte des Jensensarkoms pro Stunde etwa 0,4% ihres Trockengewichts an Brenztraubens~ure. Auch im Serum yon Sgugetieren haben wit Brenztraubens~ture gefunden; die gr6Bten Mengen im Serum weil3er M~use (mehr als i o mg %), etwas kleinere Mengen im Serum yon Kaninchen, Ratten und Meerschweinchen, wechselnde Mengen im Serum yon Men- schen. l~ber unsere Versuche werden wit noch ausifihrlich be- richten. Literatur: 1 Klin. Wschr. 1929, Nr4, 169--17~ -- ~ Sfofl- wechsel der Tnmoren. Berlin: Julius Springer 1926. - a Biochem. Z. I64, H. 1/3, 163; 2o2, I-I. 4/6, 39o. -- 4 Hoppe-Seylers Z. 93, 235 (1914). -- ~ ]3iochem. Z. 227 , H. 4/6, 25o. 0BER LOSLICHKEIT, DISSOZIATION UND SPANNUNG DER KOHLENSAURE IM HARN. Von FRITZ MAINZER. ~lber L6slichkeit und Dissoziation der CO sim Harn fehlen bisher nXhere Angaben; die genaue Ermittlung des CO,-Druckes setzt die Kenntnis der beiden ersten Gr6Ben voraus, da die graphisehe Interpolation mittels der CO s- Bindungskurve naeh Analogie des Vorgehens im Blute, wie sie yon MAINZER und SHEN sowie yon MECKE gefibt wurde, irn Harn nicht immer ausreichend exakte Ergebnisse zeitigt. MARSHALL sowie ~VIAINZER und SHEN haben die Vermutung geguBert, dab die COs-Spannung im Harn mit der des sezer- nierenden Nierengewebes bzw. der ableitenden I-Iarnwege identisch sei. Im Falle des Zutreffens dieser Hypothese w~re die Messung der CO~-Spannung des Harns ein einfacher und auch beim Menschen gangbarer Weg zur Bestimmung 119 der Gasspannung im Gewebe gewesen, Daten, die insbeson- dere bei Kreislauf- und Nierenkranken erwfinscht waren. Wit haben daher die genannten Gr6gen in mehr als 2o Harnen gemessen. Der L6slichkeitskoeffizient der CO S schwankte zwischen ~ (38~ = o,441 und ~ (38~ = o,512. Die scheinbare Dissoziationskonstante der COe ergab Werte zwischen P~I(38~ = 5,81 und PK, (38~ = 6,3o. Die Ver- wendung eines Mittelwertes, wie sie dutch GAMBLE sowie dutch MAINZER und seine Mitarbeiter geschah, ist somit mit einem erheblichen Fehler belastet, dessert Tragweite in jedem Einzelfall erwogen werden muB. Ftir die Berechnung des Bicarbonatgehaltes ist er im allgemeinen nicht yon Be- deutung. Line eindeutige Abh~ngigkeit yon der molaren Konzen- tration, gemessen an der Gefrierpunktserniedrigung, ergab sich nicht. Ffir die CO2-Spannung im Ham des Mensehen erhielten wit mit der neuen Methodik in ~Tbereinstimmung mit unseren frfiheren Ergebnissen sowie den ]3efunden yon MECKE recht variable Werte zwischen P (38~ = 16,7 mm Hg und P (38~ 242 mm Hg; auch die neuen Werte stehen somit im Gegen- satz zu den mit anderer Methodik erhaltenen Resultaten yon CAMPBELL, Da die CO~-Spannung im Gewebe zwischen arterietler und ven6ser COs-Spannung liegen muB, Werte yon fiber 70 mm Hg COs, wie wir sie im Ham h~ufig feststellen konnten, im t31ut wohl kaum vorkommen, k6nnen die COs-Spannungen im Ham und Gewebe, entgegen unserer Vermutung, nieht gleichgesetzt werden. Mischen sich in den abffihrenden Harnwegen zwei Harne aufeinanderfolgender Sekretionsperioden mit verschiedener Wasserstoifzahl, so muB Kohlens~ture frei werden, wenn der EinfluB der stgrker sauren Portion fiberwiegt; im ent- gegengesetzten Falle wird Kohlens~ure gebunden werden. Bis zum Eintritt eines Spannungsgleichgewichtes mit den umgebenden Geweben werden unphysiologisch hohe oder niedere Spannungen die Folge sein. In dieser Weise k6nnen die yon uns beobachteten COs-Drucke erkt~trt werden. Sie w~ren also der Ausdruck einer sich immer wiederholenden St6rung des Gleichgewichts zwischen Ham und ableitenden Harnwegen und wfirden somit der vermuteten physiol0gischen 13edeutung ermangeln. Wieweit die Messung des Sauerstoffgehalts im Harn einen gangbaren Weg im Sinne unserer Hypothese darstellt, mtissen weitere Untersuchungen erweisen. (Wird ausffihrlich in der Biochem. Z. mitgeteilt.) (Aus der Medizinischen Universit(~ts- klinik Rostock [Direktor: Pro/essor Dr. H. Curschmann].) BERICHTIGUNGEN, Von FFITZ MAINZER In der Mitteilung: ,,Zur Bestimmung der Titrationsaciditiit im Harn'" in dies. Wschr. I93o, 24oo, finder sich ein sinn- st6render Fehler, wie aus der mit- f~ geteilten Tabelle ohne weiteres deutlich H wird. Titrationsacidit~t und Bicarbonat- gehalt nehmen beide mit wachsender CO2-Spannung gleichmaBig zu, so dab ihre Diiferenz (Titrationsacidit~t --Bi- carbonat) von der CO2-Spannung un- abh~ngig ist. Diese Zunahme bedentet allerdings fiir die negativen Werte der Titrationsaciditiit bet Harnen, die alka- lischer als das Blut sind, rein zahlenmai3ig eine Abnahme. In der Mitteilung : ,,Zur manometrischen Gasbestimmung nach van Slyke" in dies. Wschr. I93o, 24Ol, ist durch ein Ver- sehen an Stelle der neuen Evakuations- kammer die alte Kammer nach VAN SLYKE abgebildet worden. Die Gestalt der neuen Karnmer ist aus der nebenstehenden Abbildung ersichtlich,

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Page 1: Über Löslichkeit, Dissoziation und Spannung der Kohlensäure im Harn

I7- JANUAR I93~ K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . io. J A H R G A N G . Nr . 3

Line Substanz, die n o r m a l e n Zellen die glykolyt ische Wirk- samkei t yon Krebszel len ver le ihen kann, dtirf te -- falls sie im Tierk6rper gebi ldet wird -- Bedeu tung besitzen. U m festzu- stellen, ob t ier ische Zellen ]3renztraubens~ure bilden, haben wi t zu ih rem N a c h w e i s eine biologische Methode aus- gearbei te t , die wir im folgenden kurz beschreiben.

D u t c h kleine Mengen Glycer inaldehyd, IO -3 Mole pro Li ter Ringerl6sung, wird un te r anaeroben Bedingungen die G~rung des Jensensarkoms u m 8 o - - 9 o % g e h e m m t L Wir fanden, dab diese Wi rkung des Glycer inaldehyds durch kleinste Mengen yon Brenz t raubens~ure aufgehoben wird.

Am*erobe aiirunff (Q~) des Jenseflsarkoms. Suspensionsflfissigkeit Ringerl6sung, C~eoa, = 2,5" IO -s,

o,2% Glykose, 5% CO~ in N s.

Brenztraubensfiure Glycerinaldehyd (Na-Salz) Q ~ Mole/Liter Mole/Liter

-- 33,7 -- 6,0

I O - 3 3 4 , 0

IO -g 26,8 5 " IO-5 20,3

2,5 �9 IO -5 13,o 1,25 - IO -5 8,8 o,62" IO -5 6, I

i0-3 i0-8 lO-a i0-8 10-3 10-3 i0-8

Mit dieser indi rekten Methode k6nnen noch einige tausendste l Mi l l igramm ]3renztraubensgure nachgewiesen werden, Spuren, die sich dem chemischen Nachweis entziehen.

Line andere biologische Methode zum q u a n t i t a t i v e n Nachweis e twas gr613erer Mengen yon Brenz t raubens~ure h a t kfirzlich OTTO WARBURG 5 beschrieben: Gibt man zu einer L6sung yon t3renztraubens~ure nach Vorschr i f t yon LEBEDEW hergeste l l ten t Iefesaf t , so en t s t eh t du tch die Wi rkung der Neubergschen Carboxylase Kohlens~ure, die manometr i sc l l gemessen wird. Mit dieser Methode kann Brenz t raubens~ure in Mengen yon einigen zehr~tel Mi l l igrammen b e s t i m m t werden.

Mit beide~ Methoden haben wir gefunder~, daft Krebszellen unter normalen Bedingungen Brenztraubensiiure bilden. In zuckerhal t iger , s a u e r s t o f f g e s g t t i g t e r Ringer l6sung bilden Schni t te des Jensensarkoms pro S tunde e twa 0,4% ihres Trockengewichts an Brenzt raubens~ure . Auch im Serum yon Sguget ieren haben wi t Brenztraubens~ture gefunden; die gr6Bten Mengen im Serum weil3er M~use (mehr als i o mg %), e twas kleinere Mengen im Serum yon Kaninchen , R a t t e n und Meerschweinchen, wechselnde Mengen im Serum yon Men- schen.

l~ber unsere Versuche werden wi t noch ausif ihrl ich be- r ichten.

L i t e r a t u r : 1 Klin. Wschr. 1929, N r 4 , 169--17~ -- ~ Sfofl- wechsel der Tnmoren. Berlin: Julius Springer 1926. - a Biochem. Z. I64, H. 1/3, 163; 2o2, I-I. 4/6, 39o. -- 4 Hoppe-Seylers Z. 93, 235 (1914). -- ~ ]3iochem. Z. 227 , H. 4/6, 25o.

0BER LOSLICHKEIT, DISSOZIATION UND SPANNUNG DER KOHLENSAURE IM HARN.

Von

FRITZ MAINZER.

~lber L6sl ichkei t und Dissoziat ion der CO s i m H a r n fehlen bisher nXhere Angaben ; die genaue E r m i t t l u n g des CO,-Druckes setzt die Kenn tn i s der beiden ersten Gr6Ben voraus, da die graphisehe In te rpo la t ion mi t te ls der CO s- B indungskurve naeh Analogie des Vorgehens im Blute, wie sie yon MAINZER und SHEN sowie yon MECKE gefibt wurde, irn H a r n n ich t i m m e r ausreichend exak te Ergebnisse zeitigt.

MARSHALL sowie ~VIAINZER und SHEN haben die V e r m u t u n g geguBert, dab die COs-Spannung im H a r n mi t der des sezer- n ierenden Nierengewebes bzw. der able i tenden I-Iarnwege ident isch sei. I m Fal le des Zutreffens dieser Hypo these w~re die Messung der CO~-Spannung des Harns ein einfacher und auch be im Menschen gangbarer Weg zur Bes t immung

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der Gasspannung im Gewebe gewesen, Daten , die insbeson- dere bei Kreislauf- und Nie renkranken erwfinscht waren.

W i t haben daher die genann ten Gr6gen in m e h r als 2o H a r n e n gemessen. Der L6sl ichkei tskoeff izient der CO S schwankte zwischen ~ (38~ = o,441 und ~ (38~ = o,512. Die scheinbare Dissozia t ionskonstante der COe ergab Wer te zwischen P~I(38~ = 5,81 und PK, (38~ = 6,3o. Die Ver- wendung eines Mit telwertes , wie sie du tch GAMBLE sowie du tch MAINZER und seine Mi tarbe i te r geschah, is t somit mi t e inem erheblichen Fehler belastet , dessert Tragwei te in jedem Einzelfal l erwogen werden muB. Ft ir die Berechnung des Bicarbonatgehal tes ist er im al lgemeinen nicht yon Be- deutung.

Line e indeut ige Abh~ngigkei t yon der molaren Konzen- t ra t ion, gemessen an der Gefr ierpunktserniedr igung, ergab sich nicht .

Ffir die CO2-Spannung im H a m des Mensehen erhiel ten wi t mi t der neuen Methodik in ~Tbereinstimmung m i t unseren frfiheren Ergebnissen sowie den ]3efunden yon MECKE recht var iab le Wer te zwischen P (38~ = 16,7 m m Hg und P (38~

242 m m Hg; auch die neuen Wer te s tehen somit im Gegen- satz zu den mi t anderer Methodik e rha l tenen Resu l t a t en yon CAMPBELL,

Da die CO~-Spannung im Gewebe zwischen ar ter ie t ler und ven6ser COs-Spannung liegen muB, Wer t e yon fiber 70 m m H g COs, wie wir sie im H a m h~ufig feststellen konnten, im t31ut wohl k a u m vorkommen , k6nnen die COs-Spannungen im H a m und Gewebe, entgegen unserer Vermutung , n ieht gleichgesetzt werden.

Mischen sich in den abff ihrenden Harnwegen zwei H a r n e aufeinanderfolgender Sekret ionsper ioden mi t verschiedener Wasserstoifzahl , so muB Kohlens~ture frei werden, wenn der EinfluB der s tgrker sauren Por t ion f iberwiegt ; im ent- gegengesetzten Fal le wird Kohlens~ure gebunden werden. Bis zum E i n t r i t t eines Spannungsgleichgewichtes mi t den umgebenden Geweben werden unphysiologisch hohe oder niedere Spannungen die Folge sein. In dieser Weise k6nnen die yon uns beobach te ten COs-Drucke erkt~trt werden. Sie w~ren also der Ausdruck einer sich immer wiederholenden St6rung des Gleichgewichts zwischen H a m und able i tenden Harnwegen und wfirden somit der v e r m u t e t e n physiol0gischen 13edeutung ermangeln.

Wiewei t die Messung des Sauers toffgehal ts im H a r n einen gangbaren Weg im Sinne unserer Hypo these darstel l t , mtissen wei tere Unte r suchungen erweisen. (Wird ausffihrl ich in d e r Biochem. Z. mitgetei l t . ) (Aus der Medizinischen Universit(~ts- klinik Rostock [Direktor: Pro/essor Dr. H. Curschmann].)

BERICHTIGUNGEN, Von

FFITZ MAINZER

In der Mitteilung: ,,Zur Bestimmung der Titrationsaciditiit im Harn'" in dies. Wschr. I93o, 24oo, finder sich ein sinn- st6render Fehler, wie aus der mit- f ~ geteilten Tabelle ohne weiteres deutlich

H wird. Titrationsacidit~t und Bicarbonat- gehalt nehmen beide mit wachsender CO2-Spannung gleichmaBig zu, so dab ihre Diiferenz (Titrationsacidit~t - - B i - carbonat) von der CO2-Spannung un- abh~ngig ist. Diese Zunahme bedentet allerdings fiir die negativen Werte der Titrationsaciditiit bet Harnen, die alka- lischer als das Blut sind, rein zahlenmai3ig eine Abnahme.

In der Mitteilung : ,,Zur manometrischen Gasbestimmung nach van Slyke" in dies. Wschr. I93o, 24Ol, ist durch ein Ver- sehen an Stelle der neuen Evakuations- kammer die alte Kammer nach VAN SLYKE abgebildet worden. Die Gestalt der neuen Karnmer ist aus der nebenstehenden Abbildung ersichtlich,