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A ls um 600 v. Chr. im Reich der lydischen Köni- ge, zu deren Territorium auch eine Reihe be- deutender griechischer Städte an der Westküste der heutigen Türkei gehörte, die ersten Münzen geprägt wurden, kannte man Geld in seinen unterschiedlichen Funktionen schon seit Jahrtausenden. Verschiedenste Güter, darunter auch Metall in Form von Barren oder Brocken, dienten als Tausch-, Zahlungs- und Hortungs- mittel. Die ältesten Münzen waren kleine, mit einem Bild versehene Metallklümpchen aus Elektron, einer Legierung aus Gold und Silber . Die Münze, eine ent- wicklungsgeschichtlich späte Form von Geld, erwies sich als praktisch, und ihr Gebrauch verbreitete sich im 6. Jahrhundert v. Chr. im Reich des persischen Großkö- nigs und in der griechischen Welt. Schon die ältesten Münzen wurden in einem bestimmten Metall und Fein- gehalt nach einem Gewichtssystem in aufeinander be- zogenen Einheiten geprägt. 1 von Hans-Markus von Kaenel Münze und Geld in der antiken Welt Was Fundstücke aus zehn Jahrhunderten preisgeben Forschung intensiv Forschung Frankfurt 1/2007 10 Aus den zehn Jahrhunderten anti- ker Münzgeschichte gibt es Mil- lionen an Fundmünzen. Jedes Jahr kommen zahllose Neufunde hinzu. Wozu haben Griechen, Römer, Kelten und andere Völker Münzen geprägt, und wie haben sie diese gebraucht? Wer Einsichten in staatliches Handeln, gesellschaft- liche Vorstellungen und Verhal- tensweisen, ökonomisches Denken sowie Kultpraktiken gewinnen will, kommt am Studium von Mün- zen (Numismatik) und ihres Ge- brauchs als Geld (Geldgeschichte) nicht vorbei. An der Universität Frankfurt forschen Numismatiker, Archäologen, Althistoriker und Mi- neralogen aus neun verschiedenen Ländern über Münze und Geld in der antiken Welt. Ein Münzschatz: Der 1855 in Muttenz bei Basel gefundene Münzhort umfasst weit über 5000 schlechte Prägungen aus dem späten 3. Jahrhundert n. Chr. Eine der ältesten Münzen der Welt aus Elektron, geprägt im Königreich Lydien in den ersten Jahrzehnten des 6. Jahr- hunderts v. Chr. Vorderseite: Löwenkopf (der Löwe ist das Tier des Königs); Rückseite: Zwei quadratische Stempelabdrücke. 1 Die frühen Münzen aus Elektron, Gold und Silber waren wertvoll und die Art ihrer Verwendung lässt da- rauf schließen, dass sich Material- und Nominalwert entsprachen und die Münze zugleich eine Ware dar- stellte . Bei der Kleinteiligkeit der griechischen Welt in 2

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Page 1: UNI 2007/01 Teil 1 · 2012. 5. 2. · de Quelle bildet dabei zunächst die Münze selbst: Me-tall, Nominal, Gewichtssystem, Emissionszusammen-hang und -umfang, Bild und Schrift. Wichtig

Als um 600 v. Chr. im Reich der lydischen Köni-ge, zu deren Territorium auch eine Reihe be-deutender griechischer Städte an der Westküste

der heutigen Türkei gehörte, die ersten Münzen geprägtwurden, kannte man Geld in seinen unterschiedlichenFunktionen schon seit Jahrtausenden. VerschiedensteGüter, darunter auch Metall in Form von Barren oderBrocken, dienten als Tausch-, Zahlungs- und Hortungs-mittel. Die ältesten Münzen waren kleine, mit einemBild versehene Metallklümpchen aus Elektron, einerLegierung aus Gold und Silber . Die Münze, eine ent-wicklungsgeschichtlich späte Form von Geld, erwiessich als praktisch, und ihr Gebrauch verbreitete sich im6. Jahrhundert v. Chr. im Reich des persischen Großkö-nigs und in der griechischen Welt. Schon die ältestenMünzen wurden in einem bestimmten Metall und Fein-gehalt nach einem Gewichtssystem in aufeinander be-zogenen Einheiten geprägt.

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von Hans-Markus von Kaenel

Münze und Geld in der antiken WeltWas Fundstücke aus zehn Jahrhunderten preisgeben

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Aus den zehn Jahrhunder ten ant i -ke r Münzgesch ichte g ib t es Mi l -l i onen an Fundmünzen. Jedes Jahrkommen zah l lose Neufunde h inzu .Wozu haben Gr iechen, Römer,Ke l ten und andere Vö lke r Münzengeprägt , und wie haben s ie d iesegebraucht? Wer E ins ichten ins taa t l i ches Hande ln , gese l l schaf t -l i che Vors te l lungen und Verha l -tenswe isen, ökonomisches Denkensowie Kul tp rak t iken gewinnenwi l l , kommt am Stud ium von Mün-zen (Numismat ik ) und ih res Ge-brauchs a l s Ge ld (Ge ldgesch ichte )n icht vo rbe i . An der Unive rs i tä tF rankfur t fo rschen Numismat ike r,Archäo logen, A l th i s to r ike r und Mi -nera logen aus neun ve rsch iedenenLändern über Münze und Ge ld inder ant iken Wel t .

Ein Münzschatz: Der 1855 in Muttenz bei Basel gefundeneMünzhort umfasst weit über 5000 schlechte Prägungen ausdem späten 3. Jahrhundert n. Chr.

Eine der ältesten Münzen der Welt aus Elektron, geprägtim Königreich Lydien in den ersten Jahrzehnten des 6. Jahr-hunderts v. Chr. Vorderseite: Löwenkopf (der Löwe ist das Tierdes Königs); Rückseite: Zwei quadratische Stempelabdrücke.

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Die frühen Münzen aus Elektron, Gold und Silberwaren wertvoll und die Art ihrer Verwendung lässt da-rauf schließen, dass sich Material- und Nominalwertentsprachen und die Münze zugleich eine Ware dar-stellte . Bei der Kleinteiligkeit der griechischen Welt in■2

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der archaischen und klassischen Zeit war der Umkreis,in dem das Münzgeld einer Polis oder eines Herrschersakzeptiert wurde, in der Regel begrenzt. Einzelne Städteoder Herrscher erließen Gesetze, nach denen innerhalbihres Territoriums nur mit eigenen Münzen bezahltwerden durfte. Daneben gab es Münzen wie diejenigenvon Athen oder Korinth, die sich zu internationalenWährungen entwickelten.

Politische Macht und der Besitz von Münzmetall

Eine sehr große Zahl an Gemeinwesen und Herrschern– nie Privatpersonen – haben in der griechisch-römi-schen Welt Münzen in Gold, Silber, Elektron, Bronze,Messing, Kupfer und weiteren Legierungen geprägt.Heute wachen Institutionen darüber, dass genügendMünz- und Papiergeld zur Verfügung steht; wir werdenmit Münzen und Geldscheinen versorgt. Davon war dieAntike weit entfernt. Wer Münzen prägte, tat dies, umzunächst und vor allem seine eigenen Verpflichtungengegenüber Dritten einzulösen. Dafür zwei Beispiele: Alssich im Jahre 482 v. Chr. in der Staatskasse Athens einegroße Geldsumme aus den Erträgen der im Besitz derPolis stehenden Silberminen im Gebiet von Laureion(Attika) angesammelt hatte, wurde vorgeschlagen, die-ses Silber zu verteilen und jedem Bürger zehn Drach-men auszubezahlen. Der Athener Staatsmann Themis-tokles soll die Bürger jedoch überzeugt haben, auf dieVerteilung dieser Gelder zu verzichten und damit Schif-fe bauen zu lassen – eine Maßnahme, die in der siegrei-chen Auseinandersetzung der Griechen mit den Persernim Jahre 480 v. Chr. eine wichtige Rolle spielen sollte.Der Unterhalt von Söldnerheeren im Hellenismus odereiner großen Berufsarmee in der römischen Kaiserzeitband dauerhaft große Geldsummen. Die Herrscher derAntike ließen für Soldzahlungen und Geldgeschenke andie Soldaten Massen an werthaltigen Gold- und Silber-münzen prägen. In Gold und Silber konnten am ein-fachsten große Geldmengen bewegt und die entspre-chenden Verpflichtungen eingelöst werden.

Politische Macht und Besitz von Münzmetall warenoft miteinander verknüpft. So wären der AufstiegAthens zur Hegemonialmacht in der griechischen Weltund die Entwicklung der Athener Währung mit ihrenberühmten Eulen-Tetradrachmen (17,2 g Silber) zurLeitwährung in weiten Teilen des Mittelmeerraumes imVerlaufe des 5. Jahrhunderts v. Chr. ohne die Erträgeaus den Silberminen von Laureion kaum möglich ge-wesen. Die reichen Gold- und Silbervorkommen inNordgriechenland bildeten nach der Mitte des 4. Jahr-hunderts v. Chr. die Grundlage für die Ausrüstung undden Unterhalt der makedonischen Heere unter Phi-lipp II. und Alexander dem Großen. Folgerichtig nah-men später die römischen Kaiser wichtige Minengebie-te, darunter solche im westlichen Teil der iberischenHalbinsel, in ihren Besitz, um über das dort gewonneneGold, Silber, Blei und Kupfer zu verfügen.

Auf Vorder- und Rückseite tragen antike MünzenBild und Schrift, die sie als Erzeugnisse derjenigen Ge-meinwesen oder Herrscher auswiesen, die ihre Prägungveranlasst hatten. Nach den charakteristischen Münzbil-dern wurden schon in den zeitgenössischen Schriftquel-len bekannte Währungen wie etwa diejenigen vonÄgina, Athen oder Korinth als Schildkröten, Eulen ■3

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und Fohlen bezeichnet. In einer Zeit, die noch keineMassenkommunikationsmittel kannte, erfüllten Mün-zen nicht nur Geldfunktionen: Vielmehr wurde dieMünze durch Bild und Schrift sichtbarer Ausdruck vonSelbstverständnis und Souveränitätsanspruch der Präge-

herrschaft und damit zum Träger von Botschaften. Sowaren es beispielsweise die Millionen und Abermillio-nen von Münzen, welche über Jahrhunderte Bildnisund Namen der römischen Kaiser und ihrer Angehö-rigen im riesigen Römischen Reich verbreiteten, ver-bunden mit bestimmten, über die Rückseitenbilder for-mulierten aktuellen Aussagen .

Münze und Geldgebrauch in der Antike lassen sichunter vielfältigen Aspekten erforschen. Die entscheiden-

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Münzen als Ware: Kleiner Silberbarren, Silberblechstreifensowie ganze und zerhackte Münzen von Athen, Sinope undSegesta mit Prüfeinhieben. Ausschnitt aus einem um 420 v.Chr. verborgenen Silberhortfund vom Schwarzen Meer.

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»Eulen nach Athen tragen …«. Vierdrachmenstück im Ge-wicht von rund 17 g Silber, geprägt um 430 v. Chr. in Athen.Vorderseite: Kopf der Athena mit geschmücktem Helm (Oli-venblätter, Blütenranke); Rückseite: Eule, Olivenzweig undMondsichel. Die drei griechischen Buchstaben sind in »Münzeder Athener« zu ergänzen. Das Tier der Göttin Athena verkör-perte schon in der Antike die Klugheit und ist zu einem Sinn-bild für die Wissenschaften geworden.

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de Quelle bildet dabei zunächst die Münze selbst: Me-tall, Nominal, Gewichtssystem, Emissionszusammen-hang und -umfang, Bild und Schrift. Wichtig ist aberebenso, wie die Münzen auf uns kommen, wie wir siein Siedlungszusammenhängen oder in Horten finden.Heranzuziehen sind selbstverständlich auch die antikenSchriftquellen, die aber Münze und Geld nur beiläufigerwähnen. Vergeblich suchen wir nach Zeugnissen re-flektierter Finanzpolitik oder nach Geldtheorien, ver-geblich nach Daten zum Umfang von Münzemissionen.Auch das Bankgeschäft, das seine Bedeutung hatte, er-schließt sich uns nicht im erwünschten Ausmaße.

Münzen als wichtige Quelle der archäologischen Forschung

Wenn der numismatisch-geldgeschichtliche Schwer-punkt in Frankfurt heute am Institut für ArchäologischeWissenschaften gepflegt wird, so spiegelt dies die Bedeu-tung wider, welche die Archäologie dieser Quellengat-tung zuweist. Ausgräber werden regelmäßig mit Fund-münzen konfrontiert, und zugleich waren es Archäolo-

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Der stets siegreiche Kaiser und sein Heer: Messing-Münze(Sesterz) des Kaisers Trajan (98-117 n. Chr.). Vorderseite:Bildnis des Kaisers in Feldherrentracht, darum herum Nameund Titulatur des Kaisers; Rückseite: Der Kaiser, links, auf ei-nem Podium sitzend, wird im Jahre 114 n. Chr. von seinemHeer zum achten Mal zum siegreichen Feldherrn (Imperator)ausgerufen. Hintergrund ist der Feldzug Trajans gegen dieParther.

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Die Münze als Träger kaiserlicher Botschaften: der Kron-prinz. Vorderseite: Bildnis des Kaisers Augustus (27 v. – 14n. Chr.); Rückseite: Der Enkel und Adoptivsohn des Kaisers,Caius Caesar, in Feldherrentracht nach rechts galoppierend,dahinter drei Feldzeichen. Die Goldmünze (Aureus) wurde imJahre 8 v. Chr. in der Münzstätte Lugdunum/Lyon geprägt. Indiesem Jahre begleitete der 12-jährige Caius den Kaiser nachGallien. Augustus ließ den Prinzen dem Heer am Rhein vor-stellen und aus diesem Anlass den Soldaten ein Geldgeschenk– vermutlich auch in solchen Münzen – auszahlen.

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gen, die in den letzten Jahrzehnten die Erforschung derBildsprache antiker Münzen als Medium visueller Kom-munikation vorangebracht haben. Seit kurzem entwi-ckelt sich mit der auch in Frankfurt betriebenen Wirt-schaftsarchäologie ein neues, perspektivenreiches For-schungsfeld, das eng mit der Geldgeschichte verknüpftist. Aus dem Frankfurter Institut sind schließlich die Im-pulse gekommen, durch eine systematische Verknüp-fung von Münze und archäologischem Kontext zu präzi-sen Aussagen über deren Funktion als Geld zu gelangen.

Zwei Pionierarbeiten haben die entsprechenden Aus-wertungsverfahren entwickelt und neue Aussagemög-lichkeiten aufgezeigt: Markus Peter untersuchte dasMünzgeld in der römischen Koloniestadt Augusta Rau-rica und im Castrum Rauracense /1/, Fleur Kemmers dasaus dem Legionslager und dem Lagerdorf von Nijme-gen /2/. Sie legen eine Fülle von neuen Erkenntnissen zuBesonderheiten im lokalen Münzspektrum vor, eröff-nen erstmals in enge Zeithorizonte gegliederte Einblickein dessen Entwicklung und präzisieren, wie in der römi-schen Kaiserzeit eine große Stadt/Garnison mit Münz-geld beliefert worden ist. Ebenso kann nachgewiesenwerden, dass bestimmte Münztypen aufgrund ihres Aus-sagegehaltes bevorzugt für Zahlungen an die Truppeverwendet worden sind.

Die Mitglieder der Frankfurter Arbeitsgruppe for-schen in verschiedenen Teilen des Imperium Roman-um, in den beiden germanischen Provinzen, den Alpen-provinzen Rätien und Noricum, in Italien, auf der iberi-schen Halbinsel, in der Türkei, in Syrien und in Ägyp-ten. Sie untersuchen, wie der Münzgeldumlauf in einerrömischen Provinz aufgebaut worden ist oder wie wiruns das Verhältnis von Gold-, Silber- und Kupfermün-zen an einem Ort in einem bestimmten Zeitabschnittvorzustellen haben. Wie hat man Münzgeld im Alltagbenutzt? Was floss an Münzgeld durch Steuern und Ab-gaben oder die Verwendung von Gold- und Silbermün-zen als Ware aus einem Raum wieder ab, was kamdurch staatliche Zahlungen zurück? Welche Faktorenbestimmten die Prägung von neuen Münzen, welcheRolle spielte dabei das Münzmetall und auf welche Artund wie schnell gelangten frisch geprägte Münzen inUmlauf? Welche Bedeutung kam der Münze als Trägervon Botschaften zu?

Spektakuläre Fundorte – »Pompeji der Alpen«

Grundlage der Analysen bilden stets die Münzen in ar-chäologischen Kontexten, wie – um nur die spektaku-lärsten Neufunde zu nennen – die zahlreichen Gold-,Silber- und Kupfermünzen aus dem Raume von Kalk-riese bei Osnabrück. Sie sind mit größter Wahrschein-lichkeit im Zusammenhang mit der Niederlage eines rö-mischen Heeres unter dem Kommando des StatthaltersQ. Varus im Jahre 9 n. Chr. in den Boden gekommenund geben als Katastrophenfunde einen Einblick in dieZusammensetzung des Münzgeldes zum Zeitpunkt desEreignisses. In ihrer geldgeschichtlichen Bedeutung sinddie Münzen aus Kalkriese /3/ nur mit den Münzen derbeim Vesuvausbruch des Jahres 79 n. Chr. untergegange-nen Städte Pompeji und Herculaneum zu vergleichen.

Ähnliches Gewicht kommt den Münzen aus denGrabungen der Römisch-Germanischen Kommissiondes Deutschen Archäologischen Instituts Frankfurt und

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An der Johann Wolfgang Goethe-Universität wird seitbald 50 Jahren ein numismatisch-geldgeschichtlicherSchwerpunkt gepflegt, der an deutschen Universitä-ten einzigartig ist und der für Studierende und jungeWissenschaftler aus dem In- und Ausland zur Spezia-lisierung, Promotion und zum Postdoktoranden-Stu-dium attraktiv ist. Bereits Ende der 1950er Jahremachte Konrad Kraft (1920 –1970), Professor fürHilfswissenschaften der Altertumskunde (Numisma-tik, Epigraphik, Papyrologie), Frankfurt zu einemZentrum numismatischer Forschung und Lehrtätig-keit. Durch die enge räumliche und personelle Ver-flechtung mit dem Akademieprojekt »Fundmünzender Antike« gewinnt der Schwerpunkt auf nationalerwie internationaler Ebene zusätzliches Gewicht. Soforschen in der von Hans-Markus von Kaenel geleite-ten Arbeitsgruppe zurzeit wissenschaftliche Mitarbei-ter, Stipendiaten, Doktoranden und Gastwissenschaft-ler aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Frank-reich, den Niederlanden, England, Syrien, Neuseelandund den USA über unterschiedliche Aspekte vonMünze und Geld in der griechisch-römischen Antike.

Über universitäre Forschungsvorhaben und dasAkademieprojekt bestehen Kooperationen mit Uni-versitäten, Museen und Institutionen der archäologi-schen Denkmalpflege des In- und Auslandes. Ge-meinsame Projekte werden unter anderem mit demUniversity College London, den Universitäten War-schau und Toulouse sowie den türkischen, ägypti-schen und jordanischen Antikendiensten verfolgt. Re-gelmäßig werden im Rahmen des Instituts fürArchäologische Wissenschaften einführende und spe-zielle Lehrveranstaltungen zu Münze und Geld sowienumismatische Praktika /1/ angeboten.

Voraussetzung für das Studium von Münze undGeld bilden eine Bibliothek und Vergleichssammlun-gen. Nachdem schon Kraft den Grundstock für einenwissenschaftlichen Apparat gelegt hatte, konntenüber die Jahre eine sehr umfangreiche Spezialbiblio-thek sowie eine Gips- und Fotosammlung aufgebautund damit Arbeitsbedingungen geschaffen werden,wie sie nur an ganz wenigen anderen Orten existie-ren. Die von Helmut Schubert betreute Original-

sammlung setzt sich aus einer für Bestimmungsübun-gen verwendeten Lehrsammlung und einer Spezial-sammlung von römischen Münzen mit Gegenstem-peln zusammen. Hinzu kommt ein Bestand von rund6000 Gipsabgüssen ausgewählter antiker Münzen.Schwerpunkte bilden Porträtmünzen der römischenKaiser und ihrer Angehörigen sowie die Prägungender Städte Kleinasiens. Zu den weltweit größten Spe-zialsammlungen gehören die gut 400 000 Münzfotos,die nach den in der Numismatik üblichen Kriteriengeordnet für Studienzwecke zur Verfügung stehen.Die Frankfurter Fotothek gehört zu den von der inter-nationalen Forschung regelmäßig genutzten Ver-gleichssammlungen.

Anmerkung/1/ H.-Ch. Noeske et al., Historisches Museum Frankfurt a. M.Die Münzen der Ptolemäer. Die Bestände des Münzkabinetts(Frankfurt a. M. 2000).

Das Herstellen von Gipsabgüssen gehört zum Rüstzeug ei-ner angehenden Numismatikerin.

Frankfurt – ein bundesweit einmaliger Schwerpunkt zur Erforschung von Münze und Geld in der antiken Welt

Neun Länder –ein Forschungs-thema: Numis-matiker, Archäo-logen und Mine-ralogen aus neunverschiedenenLändern forschengemeinsam inder FrankfurterArbeitsgruppe»Münze undGeld in der anti-ken Welt«.

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haupt in einem von Germanen besiedelten Raum, dervorher kein Münzgeld gekannt hatte.

Den Münzen aus der Siedlung am Magdalensberg inKärnten, die der guten Erhaltung wegen oft als »Pom-peji der Alpen« bezeichnet wird, gilt die Studie, die derWiener Stefan L. Krmnicek im Rahmen seiner Frank-furter Dissertation vorbereitet. Das in der ersten Hälftedes 1. Jahrhunderts v. Chr. im Herzen des norischen Kö-nigreiches auf 1000 Meter Höhe angelegte Emporionitalischer Händler wurde zum Zentrum, von dem ausdie reichen Ressourcen Noricums (Gold, Eisen) für Romerschlossen wurden. Schon in den 40er Jahren des 1.Jahrhunderts n. Chr. wurde die Stadt verlassen und inder Talebene neu gegründet. Das Nebeneinander vonrömischen und lokalen norischen Münzen in einem

des Landes Hessen in Waldgirmes im Lahntal zu, dievon David Wigg-Wolf bearbeitet werden. Die Römerversuchten kurz vor Christi Geburt mit der Gründungeiner Stadt im Lahntal die urbane Infrastruktur, auf diesie ihre Herrschaft zu stützen gewohnt waren, auch imGebiet der Germanen aufzubauen. Schon nach wenigenJahren, um 10 n. Chr., wurde dieses Experiment jedochwieder abgebrochen. Die charakteristische Zusammen-setzung des Münzspektrums liefert nicht nur wichtigeAnhaltspunkte für die absolute Datierung von Anfangund Ende des römischen Waldgirmes, sondern die be-treffenden Münzen waren zugleich die ersten über-

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Als eines von mehreren an der Universität Frankfurtangesiedelten Forschungsunternehmen der Akademieder Wissenschaften und der Literatur Mainz ist dasProjekt »Fundmünzen der Antike« /1/ im Institut fürArchäologische Wissenschaften untergebracht; eswird von Hans-Markus von Kaenel und Maria R.-Alf-öldi geleitet. Ziel ist es, die keltischen, griechischenund römischen Münzen, die auf dem Territorium derBundesrepublik Deutschland gefunden worden sind,zu sammeln, nach den neuesten Standards zu bestim-men, Fundumstände und -zusammenhänge kritischzu überprüfen und nach einem einheitlichen Schemavorzulegen. Dabei geht es um einen Fundbestand vonüber 400 000 Münzen, die in verschiedensten Mu-seen, in den Depots der Institutionen der archäologi-schen Denkmalpflege und in Privatbesitz aufbewahrtwerden oder nur noch in der älteren Literatur nach-weisbar sind. In der nach modernen Verwaltungsein-heiten gegliederten Publikationsreihe »Fundmünzender Römischen Zeit in Deutschland« sind bisher 38Bände erschienen, weitere mit Funden aus den Bun-desländern Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalenbefinden sich in Vorbereitung. »Fundmünzen der An-tike« betreibt seit vielen Jahren eine Datenbank undhat damit begonnen, diese schrittweise auch im Inter-net zugänglich zu machen. Mit den inzwischen 21Bände zählenden »Studien zu Fundmünzen der Anti-ke« ist ein internationales Forum geschaffen worden,in dem neue Auswertungsmethoden erprobt, disku-tiert sowie Beiträge zu verschiedensten Aspekten vonMünze und Geld publiziert werden /2/.

Mehrere europäische Länder haben Ziele und Sys-tematik der Frankfurter Quellenedition unverändert

oder auf ihre besonderen Bedingungen zugeschnittenübernommen. Seit Jahren übt das Projekt »Fund-münzen der Antike« beratende und koordinierendeAufgaben auf europäischer Ebene aus. Zurzeit wirddie Einrichtung eines europäischen Internetportals fürzunächst acht verschiedene nationale Funddatenban-ken vorbereitet. Regelmäßig kommen junge Wissen-schaftler aus dem Ausland nach Frankfurt, um sichhier im Rahmen der Tätigkeit des Akademieprojektesmit den speziellen Techniken und Methoden derFundnumismatik vertraut zu machen; gegenwärtigbilden wir einen Gast aus Syrien aus, demnächst er-warten wir einen aus Rumänien.

Nach der 2003 abgeschlossenen systematischenVorlage der Fundmünzen aus Hessen /3/ werden – imRahmen einer Vereinbarung mit dem Land Hessen –in Frankfurt auch weiterhin die neu gefundenen anti-ken Münzen bestimmt und dokumentiert.

Im Internet unter:www.adwmainz.de/index.php?id=46

Anmerkungen/1/ M. R.-Alföldi, Vom »Antiken Münzfundkatalog« zu »Fund-münzen der Antike«, in: R. Cunz (Hrsg.), Concordia ditat. 50Jahre Numismatische Kommission der Länder in der Bundesre-publik Deutschland 1950-2000 (Hamburg 2000), S. 165 – 179.

/2/ C.E. King/D.G.Wigg (ed.), Coin Finds and Coin Use in theRoman World. The thirteenth Oxford Symposium on Coinageand Monetary History, 25. bis 27. März 1993. SFMA 10 (Mainz1996).

/3/ H. Schubert, FMRD V Hessen, Bd. 3 Kassel (Mainz 2003).

Das Akademieprojekt »Fundmünzen der Antike«

»Varus, gib mir die Legionen wieder!«, soll Kaiser Augustusimmer wieder entsetzt ausgerufen haben, als er in Rom vomUntergang seines Heeres im fernen Germanien erfahren hatte.Die Vorderseite der im letzten Jahrzehnt v. Chr. in Lugdunum/Lyon geprägten Kupfermünze (As) des Augustus zeigt dennachträglich eingeschlagenen Gegenstempel VAR. Gemeint istdamit der römische Statthalter Publius Quinctilius Varus, dermit seinem Heer im Herbst des Jahres 9 n. Chr. von den Ger-manen vernichtend geschlagen worden ist. Viel spricht dafür,dass ein Teil des legendären Schlachtfeldes mit den bemer-kenswerten archäologischen Funden und Befunden bei Kalk-riese in der Nähe von Osnabrück zu identifizieren ist.

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nach den archäologischen und epigraphischen Quellenbedeutenden Verwaltungs-, Handels- und Gewerbezen-trum stellt den Schlüssel für die Charakterisierung desMonetarisierungsprozesses im gesamten Ostalpenraumdar.

Kult- und Prägestätten: Die Treverer und ihre Münzen

Die Siedlung und der Tempelbezirk auf dem Martbergbei Pommern im unteren Moseltal erweisen sich zur-zeit mit über 10000 Fundmünzen als die ergiebigsteQuelle an keltischen und römischen Münzen inDeutschland /4/. Die systematische Verknüpfung vonMünze und archäologischem Kontext im Heiligtumerlaubt präzise und in dieser Art bisher einmalige Aus-sagen zur Funktion von keltischen und römischenMünzen im Kultgeschehen /5/ . So wurden Münzennicht nur an bestimmten Stellen im Heiligtum niederge-legt, sondern zum Teil auch durch kräftige Einhiebe alsGabe an die Gottheit gekennzeichnet . Nachzuzeich-nen sind auch charakteristische Veränderungen in derZusammensetzung der Münzopfer innerhalb einzelnerZeitabschnitte. Hans-Markus von Kaenel, David Wigg-

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Wolf und wechselnde studentische Hilfskräfte sind mitKollegen von der Universität Kiel und der Archäologi-schen Denkmalpflege Rheinland-Pfalz, Amt Koblenz,im Rahmen eines Langzeitprojektes der Deutschen For-schungsgemeinschaft an der Erforschung des Lenus-Mars-Heiligtums sowie der zugehörigen Siedlung aufdem Martberg beteiligt. Auf einem Hochplateau überder Mosel entwickelte sich hier in der ersten Hälfte des1. Jahrhunderts v. Chr. ein Kultzentrum des gallischenStammes der Treverer, das – vielfach umgebaut – wäh-rend der römischen Kaiserzeit weiterexistierte und um400 n. Chr. aufgelassen wurde.

Der reiche Bestand an treverischen Goldmünzenvom Martberg war zugleich Ausgangspunkt einer imRahmen des Frankfurter Graduiertenkollegs Archäolo-gische Analytik von Chris Bendall erarbeiteten minera-logischen Spezialstudie, in der es gelang, nachzuweisen,

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Virtuelle Rekonstruktion des dem Lenus-Mars geweihtenTempelbezirks auf dem Martberg. Oben: Situation um ChristiGeburt mit den von einem Bohlenzaun umgebenen Tempeln(Fachwerkbauten) und weiteren kultischen Einrichtungen. Un-ten: Situation im frühen 3. Jahrhundert n. Chr. mit Umgangs-tempeln (Steinbauten) und weiteren Gebäuden. Eine 60 auf70 Meter messende Wandelhalle trennt den sakralen Bereichvon der profanen Außenwelt.

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Satellitenbild mit den Anlagen auf dem Martberg (links)und Hüttenberg (rechts) hoch über der Mosel zwischen Pom-mern und Karden (Kreis Cochem-Zell). Gelb markiert die kelti-schen Befestigungsanlagen. Der gallische und gallo-römischeTempelbezirk, aus dem weit über 10 000 Münzen aus demZeitraum vom 1. Jahrhundert v. bis um 400 n. Chr. gefundenwurden, befindet sich innerhalb der ziegelrot markierten Flä-che der Siedlung. In Grün ist die römische Siedlung am Fußedes Plateaus gekennzeichnet.

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Ein neuer Münztyp: Unter den Weihegaben im Heiligtumwurde dieser bislang völlig unbekannte keltische Münztyp ausSilber nachgewiesen. Vorderseite: Stilisierter Kopf von vorn;Rückseite: Kreuzförmiges Muster.

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Die Römer haben Kupfer bereits in industriellem Aus-maß verwendet. Aus Kupfer wurden nicht nur Mün-zen hergestellt, sondern Kupfer war der Hauptbe-standteil der für verschiedenste Zwecke verwendetenKupferlegierungen Bronze und Messing. So brauchteman Kupfer zur Herstellung von Bronzeplastik, Bron-zegefäßen, Ausrüstungsgegenständen sowie Geräten

aller Art. Vor diesem Hintergrund interessiert die Fra-ge, wo das Kupfer gewonnen wurde. Dabei geht eszugleich um die Geschichte der betreffenden Minen-gebiete, um Besitzverhältnisse und um den Handelmit Metallen im römischen Reich.

Mit Hilfe modernster, im Institut für Geowissen-schaften mit einem Multikollektor-ICP-Massen-spektrometer durchgeführten Analytik der Blei- undKupferisotope lassen sich die Bleiisotopen-Daten mitentsprechenden Referenzdaten von Erzen aus Lager-stätten in historischen Abbaugebieten im RömischenReich vergleichen und so die Herkunft des Kupfersermitteln. Wichtigster Kupferlieferant war danachvom Beginn der Kaiserzeit bis in die Mitte des 3. Jahr-hunderts die iberische Halbinsel. Analytisch könnenverschiedene Abbaugebiete unterschieden werden, so im zentralen heutigen Südspanien das Gebiet derSierra Morena um Cordoba oder im Südwesten dieBergwerksregionen um Rio Tinto und Huelva.

Die Frankfurter Mineralogen Sabine Klein, YannLahaye und Gerhard Brey erforschen gemeinsam mit

Hans-Markus von Kaenel die Herkunft und Bedeu-tung des Rohstoffes Kupfer in der römischen Kaiser-zeit. Für die Untersuchung der Provenienz des Kup-fers eignen sich Kupfermünzen /1/ besonders gut. Dadieses Kupfer unlegiert ist und damit seine chemi-schen und isotopischen Informationen nicht durchandere Legierungspartner beeinflusst sind, verspre-chen Analysen gute Ergebnisse. Kupfermünzen ha-ben weiterhin den Vorteil, dass sie über die rundzweieinhalb Jahrhunderte, über die sie ausgeprägtwurden, in der Regel durch das Kaiserbildnis und daszugehörige Formular genau datiert werden können.Die zweite Gruppe von Objekten aus unlegiertemKupfer bilden Kupferbarren, die in Schiffswracks imMittelmeer gefunden wurden.

Im Rahmen der Studie sind bisher erstmals über400 Kupfermünzen und 112 Kupferbarren beprobtworden. Während die Herkunft des Kupfers anhandder Bleiisotope bestimmt wird, erfolgt die chemischeCharakterisierung (Elementbestand, Reinheit) mitHilfe einer Elektronenstrahlmikrosonde. Die Reinheitder Kupfermünzen stieg nach der Einführung derKupferprägung auf 99 Gewichtsprozent Kupfer anmit höchstens einem Prozent Beimengungen von An-timon, Silber und Nickel. Dieser Standard blieb überlange Zeit konstant und sank im 3. Jahrhundert n.Chr. auf einen bis auf 80 Gewichtsprozent schwan-kenden Kupfergehalt ab.

Im Laufe unserer Forschungen zur Herkunft desrömischen Kupfers hat sich eine gute Zusammenar-beit mit Kollegen von der Universität Toulouse (Clau-de Domergue, Christian Rico) entwickelt. Gemeinsa-me Projekte gelten der analytischen Erschließung derrömischen Kupferbarren aus dem westlichen Mittel-meer /2/ und der Erarbeitung neuer Referenzdaten fürden römischen Kupferbergbau auf der iberischenHalbinsel.

Anmerkungen/1/ S. Klein/Y. Lahaye/G. Brey/H.-M.von Kaenel, The Early Ro-man Imperial AES Coinage II: Tracing the Copper Sources byAnalysis of Lead and Copper Isotopes. – Copper Coins of Augus-tus and Tiberius. Archaeometry 46,3, 2004, S. 469 – 480.

/2/ Chr. Rico/D. Domergue/M. Rauzier/S. Klein/Y. Lahaye/G.Brey/H.-M. von Kaenel, La provenance des lingots de cuivre ro-mains de Maguelone (Hérault, France). Étude archéologique etarchéometrique. Revue Archéologique de Narbonnaise 38/39,2005/2006, S. 459 – 472.

Kupfermünze (As) des Kaisers Augustus (27 v.–14 n.Chr.).Vorderseite: Kopf des Kaisers, darum herum Name und Titu-latur; Rückseite: Name des Münzmeisters und S(enatus)C(onsulto), das heißt: »auf Beschluss des Senats«.

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Die Autorin

Dr. Sabine Klein, 45, studierte in Frankfurt Mineralogie. Seitihrer Doktorarbeit über die Charakterisierung frühmittelalter-licher Buntmetallschlacken aus dem westfälischen Höxter/Corvey ist sie auf dem Gebiet der Archäometrie tätig. AlsPostdoktorandin engagiert sie sich besonders in dem Gradu-iertenkolleg »Archäologische Analytik«. Ihre archäometri-schen Forschungen am Institut für Geowissenschaften führtsie wechselweise als DFG-Forschungsstipendiatin oder alswissenschaftliche Mitarbeiterin in befristeten Verträgen fort.

High Tech-Analytik klärt die Herkunft des Münzkupfers

Bleiisotopensignaturen im Vergleich

2,16

2,14

2,12

2,10

2,08

2,06

2,04

2,02

2,00

207Pb/206Pb0,81 0,82 0,83 0,84 0,85 0,86 0,87 0,88 0,89

208Pb/206Pb

Toskana

Zypern SardinienÄgäis

SpanienSardinien

SpanienAugustus

Kupfer

Bleiisotopendaten von Kupfermünzen (grüne Dreiecke)des Kaisers Augustus (27 v.-14 n. Chr.) vor dem Hintergrundder Isotopenfelder von in der römischen Zeit tätigen Berg-baurevieren.

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UNI 2007/01 Teil 1 04.04.2007 11:48 Uhr Seite 16

Page 8: UNI 2007/01 Teil 1 · 2012. 5. 2. · de Quelle bildet dabei zunächst die Münze selbst: Me-tall, Nominal, Gewichtssystem, Emissionszusammen-hang und -umfang, Bild und Schrift. Wichtig

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F o r s c h u n g F r a n k f u r t 1 / 2 0 0 7 17

über welch beträchtliche Entfernungen die Treverer ihrMünzmetall herangeschafft haben. Es stammte aus denAlpen, dem östlichen Mittelmeerraum, Sardinien undaus Spanien /6/. Nach dem Abschluss der Grabungen imTempelbezirk wird nun die zugehörige gallische Sied-lung untersucht, deren erstaunliche Ausdehnung undStrukturierung anhand der geophysikalischen Prospek-tion gut zu überblicken ist.

Auf dem Castellberg bei Wallendorf, an der Grenzezu Luxemburg, liegt ein weiteres Zentrum der Treve-rer /7/. Zwischen 1994 und 2001 durchgeführte Grabun-gen der Universität Kiel haben hier eine komplexe Sied-lungsabfolge dokumentiert, die um 400 v. Chr. beginntund um 400 n. Chr. endet. Wiederum sind ein heiligerBezirk und ein ausgedehnter Wohnbereich zu unter-scheiden. Mit der Katalogisierung und Auswertung derdort gefundenen rund 3000 keltischen und römischenMünzen hat die Frankfurter Arbeitsgruppe die Voraus-setzung geschaffen, um Fragen der Siedlungsgeschichteund zur Rolle von Münzen im Kultgeschehen sowiezum Castellberg als mögliche treverische Münzpräge-stätte zu klären. Eine Patrize zur Herstellung von Prä-gestempeln, unbeprägte Münzschrötlinge sowie Metall-schmelzreste aus Edel- und Buntmetall liefern wichtigeIndizien für die Existenz einer Münzstätte innerhalb desSiedlungsareals . Doch erst durch die Verknüpfungvon numismatischen Methoden mit modernster Metall-analytik gelang es Boris Kaczynski, den entsprechenden

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Nachweis zu erbringen sowie die auf dem Castellberg inder ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. geprägtenlokalen Münztypen zu identifizieren . Zudem liefer-ten die Untersuchungen konkrete Erkenntnisse zur Zu-sammensetzung der Legierungen einer Vielzahl galli-scher Münztypen sowie zur Herkunft der betreffendenMetalle. Darüber hinaus haben die in Frankfurt erarbei-teten Methoden neue und weiterführende Wege zurRekonstruktion antiker Münzemissionen erschlossenund damit einen wichtigen Beitrag zur keltischen Nu-mismatik geliefert.

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Dem profanen Gebrauch entzogen: Zwei kleine Silbermün-zen (so genannter Martberger Typ) mit den charakteristischenEinhieben, die diese Münzen als Gaben an den im Heiligtumauf dem Martberg verehrten Gott Lenus-Mars kennzeichneten.Rückseiten: jeweils ein stilisiertes Pferdchen nach links.

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Kleine treverische Silbermünze (Qui-nar, 1,87 g) vom Castellberg bei Wallen-dorf mit stilisiertem Kopf nach links.Der Fund einer entsprechenden Punzezur Herstellung des Münzstempels si-chert die Prägung dieses keltischenMünztyps auf dem Castellberg.

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Zwei Fundstücke vom Castellberg bei Wallendorf: Links:Schrötling oder Schmelzrest aus Gold (5,5 g). Durch die Me-tallanalytik ist seine Zugehörigkeit zu den treverischen Gold-münzen vom »Augen-Typ« gesichert. Rechts: Ein Exemplardieses Typs vom Castellberg (6,10 g) – Vorderseite: Stark stili-sierter Kopf mit großem Auge nach rechts.

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UNI 2007/01 Teil 1 04.04.2007 11:49 Uhr Seite 17

Page 9: UNI 2007/01 Teil 1 · 2012. 5. 2. · de Quelle bildet dabei zunächst die Münze selbst: Me-tall, Nominal, Gewichtssystem, Emissionszusammen-hang und -umfang, Bild und Schrift. Wichtig

/1/ M. Peter, Unter-suchungen zu denFundmünzen ausAugst und Kaiser-augst. SFMA 17(Berlin 2001).

/2/ F. Kemmers,Coins for a legion.An analysis of thecoin finds of theAugustan legionaryfortress and Flaviancanabae legionis atNijmegen. SFMA23 (Mainz 2006).

/3/ H.-M. von Kae-nel, Die Fundmün-zen aus Alesia undKalkriese. Vergleichund Bedeutung. In:Alésia et la batailledu Teutoburg. Un

Literatur

parallèle critiquedes sources. Collo-que franco-alle-mand organisé parl’École pratique desHautes Études, laRömisch-Germani-sche Kommissiondes Deutschen Ar-chäologischen In-stituts, l’InstitutHistorique Alle-mand, Paris 18 et19 avril 2005(Francia, im Druck).

/4/ M. Thoma et al.,Der gallorömischeTempelbezirk aufdem Martberg beiPommern an derMosel, Kreis Cochem-Zell. Ar-chäologie an Mit-

telrhein und Mosel18 (Koblenz 2006);D. Wigg-Wolf et al.,FMRD IV Rhein-land-Pfalz, Bd. 4,1Koblenz: Der Mart-berg bei Pommern(ehem. Kreis Cochem) I (Mainz2005).

/5/ D. Wigg-Wolf,Coins and ritual inlate Iron Age andearly Romansanctuaries in theterritory of the Tre-veri, in: C. Hasel-grove/D. Wigg-Wolf (ed.), IronAge Coinage andRitual Practices.SFMA 20 (Mainz2005), S. 361–379.

/6/ Ch. Bendall, Theapplication of traceelement and isoto-pic analyses to Cel-tic gold coins andtheir metal sources(Frankfurt a. M.2003, publiziert inhttp://www.mine-ralogie.uni-frank-furt.de/petrologie-geochemie/doktor-arbeiten/disscb/index.html)./7/ D. Krausse, Ei-senzeitlicher Kul-turwandel und Ro-manisierung imMosel-Eifel-Raum.Die keltisch-römi-sche Siedlung vonWallendorf und ihrarchäologischesUmfeld. Römisch-

Germanische For-schungen 63(Mainz 2006)

/8/ J. Gorecki,FMRD IV Rhein-land-Pfalz, Bd. 1,Nachtrag 1, StadtMainz (Mainz2006).

/9/ zuletzt M. R.-Alföldi/D. Wigg-Wolf, FMRD IVRheinland-Pfalz,Bd. 3/2 Trier, Diesog. Römerbauten(Mainz 2006).

/10/ M. E. Bertoldi,Antike Münzfundeaus der Stadt Rom(1870 –1902). Il

problema delle pro-venienze. SFMA 14(Berlin 1997).

/11/ H.-Chr. Noes-ke, Münzfunde ausÄgypten II. Diegriechisch-römi-schen Münzfundeaus dem Fayum.SFMA 22 (Mainz2006).

/12/ H.-M. von Kae-nel/M. R-Alföldi/U. Peter/H. Kom-nick (Hrsg.), Geld-geschichte vs. Nu-mismatik. TheodorMommsen und dieantike Münze. Kol-loquium aus Anlassdes 100. Todesjah-res von Theodor

Mommsen (1817–1903) an der Jo-hann WolfgangGoethe-UniversitätFrankfurt amMain, 1. bis 4. Mai2003 (Berlin2004).

AnmerkungenFRMRD = M. R.-Alföldi/H.-M. vonKaenel (Hrsg.), DieFundmünzen derRömischen Zeit inDeutschland (Ber-lin/Mainz)

SFMA = M. R.-Alf-öldi/H.-M. vonKaenel (Hrsg.),Studien zu Fund-münzen der Antike(Berlin/Mainz)

Zusammenhänge schaffen: Vergleichsmünzreihen aus dem gesamten Imperium Romanum

Da die Auswertung von Münzreihen aus Siedlungender griechisch-römischen Antike zu einem guten Teilauf Vergleichen beruht, kommt der Erschließung vonumfangreichen Referenzreihen in Zentren des römi-schen Reiches große Bedeutung zu. Diese Daten stellenEckwerte für die numismatisch-geldgeschichtliche Ana-lyse von Münzreihen und damit für die Erforschungvon staatlichem Handeln und der Wirtschaft antikerStaaten dar. Dazu beigetragen hat Joachim Goreckidurch die Vorlage der Funde aus dem römischen Mo-gontiacum/Mainz /8/, der mächtigen Garnisons- undHauptstadt der Provinz Germania Superior. Kurz vordem Abschluss steht die Publikation der Münzfunde ausTrier/Augusta Treverorum, der als ehemaligen Kaiserre-sidenz bedeutendsten römischen Stadt im heutigenDeutschland, durch Maria R.-Alföldi /9/. Die TriererMünzreihe umfasst rund 70 000 Exemplare und stelltdamit die umfangreichste dar, die bisher für einen einzi-gen Ort im ehemaligen Imperium Romanum erfasstworden ist. Noch größer wird nur die Münzreihe sein,die von der Frankfurter Arbeitsgruppe in Rom /10/ auf-

genommen, aber noch nicht abschließend publiziertworden ist. In Zusammenarbeit mit verschiedenen gro-ßen internationalen Ausgrabungsprojekten und der An-tikenverwaltung Ägyptens hat Hans-Christoph Noeskemehrere hunderttausend Münzen aus dem antikenÄgypten vom Hellenismus bis in die früharabische Zeiterschlossen /11/.

Wissenschaftsgeschichtliche Fragen verfolgen Hans-Markus von Kaenel und Helmut Schubert mit der He-rausgabe einer kommentierten Edition des umfangrei-chen Briefwechsels zwischen dem berühmten BerlinerAltertumswissenschaftler und WissenschaftsorganisatorTheodor Mommsen (1817 bis 1903) und dem Schwei-zer Numismatiker Friedrich Imhoof-Blumer (1838 bis1920). Dabei geht es vor allem um die Entwicklung undUmsetzung neuer Methoden in der Erforschung antikerMünzen und um das Verhältnis zwischen Numismatikund Geldgeschichte /12/.

Schon in der antiken Welt drehte sich sehr Vieles umdas Geld, das nach dem geflügelten Wort »pecunia nonolet«, welches Kaiser Vespasian (69 bis 79 n. Chr.) inden Mund gelegt wird, nicht stinkt. Über Münzen undGeld der Griechen, Römer und Kelten in Frankfurt zuforschen und zu lehren stellt nicht nur deshalb ein loh-nendes Ziel dar. ◆

F o r s c h u n g i n t e n s i v

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Prof. Dr. Hans-Markus von Kaenel, 59, studierte Klassischeund provinzialrömische Archäologie, Vor- und Frühgeschichtesowie Alte Geschichte in Bern und Tübingen. Nach seiner Pro-motion war er als Gebietsreferent in der archäologischen Denk-malpflege in Bern tätig. Anschließend spezialisierte er sich inNumismatik und Geldgeschichte der Antike an der Oxford Uni-versity und in Archäologie in Rom. Von 1985 bis 1988 warvon Kaenel Direktor des Istituto Svizzero di Roma; in diesenJahren organisierte er zahlreiche kulturelle Veranstaltungen in

Rom. Danach leitete er das Münzkabinett und die Antikensammlung der StadtWinterthur, lehrte gleichzeitig an der Universität Zürich und wurde in die Schwei-zerische UNESCO-Kommission berufen. 1992 folgte von Kaenel dem Ruf an dieUniversität Frankfurt auf den Lehrstuhl für Archäologie und Geschichte der römi-

schen Provinzen sowie Hilfswissenschaften der Altertums-kunde. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereichder Landschaftsarchäologie sowie in der Münz- und Geldge-schichte der römischen Kaiserzeit. Als Wissenschaftler setzter sich aktiv für die Vernetzung von Archäologie und Natur-wissenschaften ein. So hat er das Frankfurter Graduierten-kolleg »Archäologische Analytik« mit aufgebaut und koordi-niert den Studiengang Archäometrie. Markus von Kaenel istordentliches Mitglied des Deutschen Archäologischen Insti-tuts, korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissen-schaften und der Literatur Mainz, Vorsitzender der Archäolo-gischen Gesellschaft in Hessen und Mitglied des HessischenLandesdenkmalrates.

Der Autor

UNI 2007/01 Teil 1 04.04.2007 11:49 Uhr Seite 18