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Univ.-Prof. Dr. Dipl.-Psych. Volker Tschuschke
Abteilung für Medizinische Psychologie
Nichtspezifische, Nichtspezifische, konzeptübergreifende Wirkfaktoren konzeptübergreifende Wirkfaktoren
in der Psychotherapiein der Psychotherapie
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Verständnis von „Therapie“in der Medizin
Falls eine Behandlung spezifische und effiziente Kriterien erfüllt, kann geschlossen werden, dass
„... die Therapie einige (womöglich derzeit noch unbekannte) wirksame Ingredienzien enthält, die in
einem gewissen Ausmaß bestimmte Veränderungen bewirken (die über die Einflüsse allgemeiner
Wirkfaktoren, denjenigen von Placebo-Effekten bzw. zufälligen Veränderungen hinaus gehen), und dass
dies auf ein bestimmtes Problem, bestimmte Patienten, Settings, Methoden, Therapeuten und
Veränderungsmaße zutrifft.“(Borkovec und Castonguay, 1998, S. 137)
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Psychotherapie muss ihre
spezifischespezifischeWirksamkeit nachweisen
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Aus dem Anspruch einer spezifischenspezifischen Wirksamkeit beziehen sämtliche
Psychotherapieschulen und -konzepte ihre Daseinsberechtigung
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Aber: wie spezifisch ist Psychotherapie?
„Die gemeinsame vs. spezifische Wirkfaktoren-Debatte ist das Herzstück der Fragen zur Politik des
nationalen Gesundheitswesens wie das privater Versicherungen.“
(Zitat aus dem Vorwort von Gene V. Glass, 2001;
zum Buch von Bruce E. Wampold: The Great Psychotherapy Debate)
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Ist Psychotherapie mehr als PlaceboPlacebo?
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... ein paar Effektstärken
• unbehandelte Patienten
(z.B. Kontrollgruppen) 0.10• Placebo 0.50• Psychopharmaka
(z.B. Antidepressiva) 0.55• Psychotherapie-Effekte 0.80 -
1.00
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Placebo-Kontrollgruppenversus Psychotherapie
• Prioleau et al. (1983):
PT > Placebo/Kontrollen um ES = 0.42
• Shapiro et al. (1986):
PT > Placebo/Kontrollen zwischen ES 0.61 und ES = 1.59
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Fazit:
Psychotherapie = Placebo
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Problematik des Begriffs„Placebo“ in der Psychotherapie
• kann der Begriff überhaupt in der PT verwendet werden?• Placebo bedeutet ja Scheinmedikament, Scheinwirksamkeit („ich
werde gefallen“)• ist eine Scheinwirkung überhaupt möglich in der PT, die ja auf
menschlicher Begegnung/Beziehung basiert?• wie kann z.B. „therapeutische Wärme“als Placebo bezeichnet
werden (weil sie eben keine spezifische Technik sei), wo sie doch substanzielle Wirkung im Veränderungsprozess von Patienten entfaltet, wie viele Studien zeigen?
• Empfehlung (Lambert u. Ogles, 2004): anstatt den Begriff des Placebos in der PT zu verwenden, besser von gemeinsamen/ gemeinsamen/ allgemeinen Wirkfaktorenallgemeinen Wirkfaktoren sprechen
• manche Forscher sprechen von „unspezifischen“, andere von „gemeinsamen“ oder „allgemeinen“ Wirkfaktoren; gemeint ist Ähnliches
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unspezifische, allgemeine (common)Wirkfaktoren
• Rosenzweig (1936): „kommunale“ Wirkfaktoren, z.b. Persönlichkeiten von Pat. und TH
• Rogers (1951): die gesamte CCT ist aufgebaut auf der Basis der therapeutischen Beziehung
• Frank (1971): wesentlich sei die emotional involvierende, vertrauensvolle Beziehung
• Grawe et al. (1994): Ressourcenaktivierungs-Perspektive, motivationale Klärungsperspektive, Bewältigungsperspektive
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Grundmechanismen der Psychotherapienach Baumann u. Perrez (1998)
Selbstexploration
Selbstneueinschätzung
Selbstbefreiung
Gegenkonditionierung
Stimuluskontrolle
Verstärkerprinzipien
helfende Beziehungen
Gefühlserleichterung
Umgebungsneueinschätzung
soziale Befreiung
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unterstützende Faktoren
KatharsisIdentifikation mit THVerringerung von Isolierungpositive BeziehungRückversicherung (beim TH)SpannungsreduzierungStrukturerhalttherapeutisches Arbeitsbündnisaktive Partizipation in TH-Pat.- AustauschTH-ExpertiseTH-WärmeTH-RespektTH-EmpathieTH-EchtheitVertrauen
Lern-Faktoren
RatschlägeAffektives ErlebenAssimilierung von problema- tischen Erfahrungenkognitives Lernenkorrigierende emotionale ErfahrungFeedbackEinsichtRationalExploration innerer Bezugs- rahmensich verändernde Erwartungen bezüglich persönlicher Effektivität
verhaltensbezogeneFaktoren
Verhaltens-Regulationkognitive BewältigungErmutigung zur Konfrontation mit ÄngstenEingehen von RisikenModelllernenEinübungRealitäts-TestungErfolgs-ErfahrungDurcharbeiten
gemeinsame (allgemeine) Wirkfaktoren in der Psychotherapie,
nach Lambert u. Ogles (2004) Volker Tschuschke, ETH-Zürich, 28-06-2008
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Was also ist spezifischspezifisch anPsychotherapien?
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Evidenzbasierung in derPsychotherapie
Zwei Ansätze:
1. naturalistische Studien
2. randomisiert-kontrollierte Studien (RCT)
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RCT:
Versuch, das medizinischemedizinischeModellModell der Psychotherapie
überzustülpen
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Wampold (2001)
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RCT in der Pharmaforschung bzw.medizinischen Forschung
• Paradigma aus der Pharmaforschung
Doppelblind-StudienKontrolle des Placebo-EffektsKontrolle aller möglichen Einfluss-Variablen, mit Ausnahme
einer vermutlichen WirkkomponenteErhöhung der internen Validität
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RCT in der Psychotherapieforschung
• ungeeignetes Paradigma für die Psychotherapie
keine Doppelblind-Studien möglichkeine Kontrolle aller möglichen Einfluss-Variablen (Illusion)keine Randomisierung möglich (Verstoß gegen Ethik, gegen
Pat.-Neigung, gegen indikativ-prognostisches Wissen)keine Erhöhung der internen Validitätkeine Auskunft über spezifische Wirkkomponenten, da reine
Outcome-Forschung (Black Box-Modell)
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Was ist eigentlich evident an denso genannten evidenzbasierten
Behandlungen?
Metaanalyse über 52 Metaanalysen (Jensen et al., 2005)
• keine Kontrolle unspezifischer Wirkfaktoren• keinerlei Kontrollen, ob überhaupt die vermutet aktiven Ingredienzien
tatsächlich für das Ausmaß der Veränderung verantwortlich waren oder nicht• keine Kontrolle der therapeutischen Beziehung• keine Kontrolle von Zeit-Dosis-Wirkungsbeziehungen
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Psychotherapie -nach wie vor eine Black Box?
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therapeutische
Beziehung
30%
therapeutische
Beziehung
30%
Patientenfaktoren und
extratherapeutische
Veränderung
40%
Patientenfaktoren und
extratherapeutische
Veränderung
40%
Erwartungs- (Placebo-) Effekte 15%Erwartungs- (Placebo-) Effekte 15%
Methoden- und Konzeptfaktoren 15%Methoden- und Konzeptfaktoren 15%
vier Klassen therapeutischervier Klassen therapeutischerWirkfaktoren in der PsychotherapieWirkfaktoren in der Psychotherapie
(Asey u. Lambert, 2001)
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Die therapeutische Beziehung als wichtigstes Element in der
Psychotherapie
• Orlinsky et al. (1994)stärkste Evidenz für die therapeutische Beziehungmehr als 1.000 Prozess-Outcome-Studien als Beweis
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Äquivalenzparadox in der vergleichenden
Psychotherapieforschung
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Mögliche Erklärungen desÄquivalenzparadoxons
1. verschiedene Therapien können durch unterschiedliche Prozesse ähnliche Ziele erreichen („viele Wege führen nach Rom; man kann über den Gotthard oder über Paris dorthin reisen“)
2. unterschiedliche Therapien beinhalten gemeinsame Wirkfaktoren, obwohl sie durch die zugrunde liegende Theorie nicht begründet sind
3. es gibt tatsächlich differenzielle Outcomes, die aber durch die bisherige Forschung nicht entdeckt worden sind
4. es gibt differenzielle Prozesse, die auch zu differenziellen Outcomes führen
5. möglicherweise stehen die allgemeinen Wirkfaktoren für nicht nur einen substanziellen Teil an Verbesserung, sondern für den größten Teil an Zielerreichung durch psychologische Interventionen
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Was muss geschehen?
• keine RCT - völlig unangemessen für Psychotherapie und dabei große Selbsttäuschung über vermeintliche Exaktheit (grandiose Selbsttäuschung im Bemühen, so wissenschaftlich (medizinisch) wie nur möglich zu erscheinen)
• was, bitte, ist „spezifisch“ an störungsspezifischer Psychotherapie?
• naturalistische Studien sind erforderlich (externe Validität), aber methodisch sehr aufwendig!
• ProzessforschungProzessforschung ist erforderlich (Prozess-Outcome-Forschung), um die Frage nach der Spezifität (also den tatsächlich wirksamen Ingredienzien/spezifischen Wirkfaktoren) zu klären
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Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit
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Literatur
Abteilung für Medizinische Psychologie
Asay / Lambert (2001): Empirische Argumente für die allen Therapien gemeinsamen Faktoren: quantitative Ergebnisse. In: Hubble / Duncan / Miller (Hrsg.): So wirkt Psychotherapie. Empirische Ergebnisse und praktische Folgerungen. Verlag modernes lernen, Dortmund, S. 41-81
Baumann / Perrez (1998): Klinische Psychologie - Psychotherapie. Huber, BernBorkovec / Castonguay (1998):Grawe / Donati / Bernauer (1994): Psychotherapie im Wandel. Von der Konfession zur Profession.
Hogrefe, GöttingenJensen / Weersing / Hoagwood / Goldman (2005): What is the evidence for evidence-based treatments?
A hard look at our soft underbelly. Mental Health Services Research 7: 53-74Lambert / Ogles (2004): The efficacy and effectiveness of psychotherapy. In Lambert (ed.): Bergin and Garfield‘s
Handbook of Psychotherapy and Behavior Change. 5th ed., John Wiley & Sons, New York(S. 139-193)
Lohr / Olatunji / Parker / DeMaio (2005): Experimental analysis of specific treatment factors: Efficacy and practicimplications. Journal of Clinical Psychology 61: 819-834
Orlinsky et al. (1994): Process and outcome in psychotherapy. Noch einmal. In: Bergin / Garfield (eds.): Handbookof Psychotherapy and Behavior Change. 4th ed.. John Wiley & Sons, New York (S. 270-376)
Prioleau et al. (1983): Shapiro et al. (1986): Are all psychotherapies equivalent? American Psychologist 41: 165-180Strauß (2001): Abschied vom Dodo-Vogel: Störungsspezifische versus allgemeine Therapie aus der Sicht der
Psychotherapieforschung. Psychotherapie, Psychosomatik, medizinische Psychologie 51: 425-429Tschuschke (2005): Die Psychotherapie in Zeiten evidenzbasierter Medizin. Fehlentwicklungen und
Korrekturvorschläge. Psychotherapeutenjournal 4: 106-115Wampold (2001): The Great Psychotherapy Debate. Models, Methods, and Findings. Lawrence Earlbaum,
Mahwah / New Jersey, USA
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