universalis nr. 07

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UNI VERSALIS DAS ALANUS MAGAZIN 07 // März 2016 // www.alanus.edu Kostenlos ABONNIEREN www.alanus.edu/ universalis „IST DAS SCHON PUBERTÄT?“ Seite 10 // Wenn Kinder den „Rubikon“ erleben LEBENSLANG POTENZIALE ERWEITERN Seite 15 // Flexiblere Studienmöglichkeiten durch das Projekt STUDICA Titelthema WEICHEN STELLEN Seite 6 – 17 // Richtungswechsel in der persönlichen und gesellschaftlichen Entwicklung

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In dieser Universalis-Ausgabe gehen wir den Themen Weichenstellungen und Wandel nach und wie wir in unübersichtlichen Zeiten unseren Weg finden können, zum Beispiel mit Hilfe der Kunsttherapie.

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Page 1: UNIVERSALIS Nr. 07

UNIVERSALISD A S A L A N U S M A G A Z I N

07 // März 2016 // www.alanus.edu

Kostenlos ABONNIERENwww.alanus.edu/ universalis

„IST DAS SCHON PUBERTÄT?“Seite 10 // Wenn Kinder den „Rubikon“ erleben

LEBENSLANG POTENZIALE ERWEITERNSeite 15 // Flexiblere Studienmöglichkeiten durch das Projekt STUDICA

Titelthema

WEICHEN STELLENSeite 6 – 17 // Richtungswechsel in der persönlichen und gesellschaftlichen Entwicklung

Page 2: UNIVERSALIS Nr. 07

BESTE BESTE PIZZA!Pizza, die über den Tellerrand

hinausragt. Auf Wunsch gleich mit zwei unterschiedlich belegten Hälften.

Und köstliche Pasta d‘amore.

Düren | Fehlender Feld 4 | 52353 Düren

Troisdorf | Junkersring 1 | 53844 Troisdorf

Bornheim | Carl-Benz-Straße 11 | 53332 Bornheim

Köln | Hahnenstr. 37 | 50667 Köln

Bonn | Portlandweg 4 | 53227 Bonn

Hürth | Luxemburger Straße 146 | 50354 Hürth

losteria.de

Sonett – soandersÖ K O L O G I S C H K O N S E Q U E N T

Wie anders? Ganz anders! ImVergleich mit anderen Wasch- undReinigungsmitteln werden Sonett-Produkte völlig anders herge-stellt. In einem Oloïd-Mischer (rechts)werden Gold, Weihrauch, Myrrhe, Oli-venöl, Lorbeer und Rosenblütensalzerhythmisiert. Sonett-Produkte werdendamit „geimpft“. Sie sind daher einzig-artig, wertvoll und vollwertig biolo-gisch-dynamisch. Sonett-Produkte sindfrei von petrochemischen Tensiden, En-zymen, synthetischen Duft-, Farb- undKonservierungsstoffen und sie sind zu vegansociety.com reddot-awardiF-design-awardecogarantie.eu stop-climate-change.decse-label.org

100 % biologisch abbaubar. Alle Ölestammen aus kontrolliert biologischemoder biologisch-dynamischem Anbau.Sonett-Produkte werden ohne Gentech-nik, Nanotechnologie und ohne Tierver-suche hergestellt. Mehr Information:www.sonett.eu Sonett – so gut.

Sonett-Oloid_210x135 09.02.16 14:59 Seite 1

Page 3: UNIVERSALIS Nr. 07

3Editorial

„Weichen stellen“ kennen wir von der Bahn: Eine Weiche ändert die Richtung eines Zuges.

In der Biografie eines Menschen vermögen etwa eine Situation, eine zufällige Begegnung

oder ein Freund eine solche Richtungsänderung zu bewirken. Manchmal nehmen wir

einen Richtungswechsel vor oder er passiert ohne ein bewusstes Zutun. Weichenstel-

lungen erleben wir in der Schullaufbahn, im Studium, im Privatleben, am Arbeitsplatz

und ganz allgemein sprechen wir von Weichenstellungen in der Geschichte und in der

Politik, manchmal auch in einer Institution. Für Millionen Flüchtlinge sind solche rich-

tungsändernde Ereignisse der Krieg und die Verfolgung. Und auch in den Gesellschaf-

ten, in denen sie Schutz suchen, wird ihr Kommen zu einem einschneidenden Ereignis.

Bei der Bahn sind Weichenstellungen eindeutig und programmiert. Sie ändern den Weg

in kontrollierter Weise. Das Leben ist aber kein Schienennetz, es ist unkalkulierbar und

tiefgründig. Mancher Flüchtling aus der Wüste befindet sich nun im hohen Norden, in

einer Gegend, von der er möglicherweise zuvor nicht einmal wusste, dass es sie gibt.

Die Menschen und die Menschheit müssen sich wandeln, um bestehen zu können, sich

neu erfinden.

Ob persönlich oder gesamtgesellschaftlich – das Leben duldet keinen Stillstand, es ist

stets in Bewegung. Der Mensch war und ist als Wanderer unterwegs, durch einen inne-

ren Drang oder durch äußere Umstände getrieben. Seine Herausforderung besteht in der

Richtungssuche und der Richtungsfindung.

Woher die Orientierung im Leben erwächst, ist geheimnisvoll und rätselhaft. Sicher hängt

sie von den Menschen selbst und den Situationen ab, doch das ist es nicht allein. Die

Orientierung findet sich auf dem Weg selbst, im Unterwegssein und aus der Bewegung

heraus. Oder, wie Gott Mephistopheles, den Meister der Verwirrung, in Goethes Faust

wissen lässt: „Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange ist sich des rechten Weges

wohl bewusst.“ Der gute Mensch ist einer, der den Stillstand scheut und den Halt in der

Bewegung sucht.

In dieser Universalis-Ausgabe gehen wir den Themen Weichenstellungen und Wandel

nach. Wir interessieren uns für diejenigen Veränderungen, denen wir in unserem Lebens-

lauf zwangsläufig begegnen, beispielsweise in der Pubertät oder in der Ausbildung, und

solche, die wir bewusst fokussieren, um unser Leben zu gestalten oder gesellschaftliche

Veränderungen zu erzielen. Sie lesen in dieser Ausgabe auch, wie wir in unübersichtli-

chen Zeiten unseren Weg finden können, zum Beispiel mit Hilfe der Kunsttherapie oder

ein neues Verständnis von Arbeit entstehen kann.

Ihr Prof. Dr. Marcelo da VeigaRektor der Alanus Hochschule

LIEBE LESERINNEN

UND LESER,

BESTE BESTE PIZZA!Pizza, die über den Tellerrand

hinausragt. Auf Wunsch gleich mit zwei unterschiedlich belegten Hälften.

Und köstliche Pasta d‘amore.

Düren | Fehlender Feld 4 | 52353 Düren

Troisdorf | Junkersring 1 | 53844 Troisdorf

Bornheim | Carl-Benz-Straße 11 | 53332 Bornheim

Köln | Hahnenstr. 37 | 50667 Köln

Bonn | Portlandweg 4 | 53227 Bonn

Hürth | Luxemburger Straße 146 | 50354 Hürth

losteria.de

Sonett – soandersÖ K O L O G I S C H K O N S E Q U E N T

Wie anders? Ganz anders! ImVergleich mit anderen Wasch- undReinigungsmitteln werden Sonett-Produkte völlig anders herge-stellt. In einem Oloïd-Mischer (rechts)werden Gold, Weihrauch, Myrrhe, Oli-venöl, Lorbeer und Rosenblütensalzerhythmisiert. Sonett-Produkte werdendamit „geimpft“. Sie sind daher einzig-artig, wertvoll und vollwertig biolo-gisch-dynamisch. Sonett-Produkte sindfrei von petrochemischen Tensiden, En-zymen, synthetischen Duft-, Farb- undKonservierungsstoffen und sie sind zu vegansociety.com reddot-awardiF-design-awardecogarantie.eu stop-climate-change.decse-label.org

100 % biologisch abbaubar. Alle Ölestammen aus kontrolliert biologischemoder biologisch-dynamischem Anbau.Sonett-Produkte werden ohne Gentech-nik, Nanotechnologie und ohne Tierver-suche hergestellt. Mehr Information:www.sonett.eu Sonett – so gut.

Sonett-Oloid_210x135 09.02.16 14:59 Seite 1

Page 4: UNIVERSALIS Nr. 07

4 Inhalt

Titelthema: Weichen stellen 6 WIE EIN PUZZLE, DAS GESTALT ANNIMMT

Weichen stellen mit Kunsttherapie

10 „IST DAS SCHON PUBERTÄT?“ Wenn Kinder den „Rubikon“ erleben

12 „REVOLUTION IM INNEREN – EVOLUTION IM ÄUSSEREN“ Gespräch mit Götz E. Rehn und Niels Pfläging

über sich selbst führende Organisationen

15 LEBENSLANG POTENZIALE ERWEITERN Flexiblere Studienmöglichkeiten durch das Projekt

STUDICA

16 „GESUCHT WIRD MEIST DIE JULIA“ Intendantenvorsprechen mit Schauspielabsolventin

Nina Karimy

Campus18 MIT BAMBUS BEGEGNUNGEN BAUEN

Studentenprojekt bringt Menschen zusammen

21 FORSCHUNGSFELD FLÜCHTLINGE Wie minderjährige Flüchtlinge pädagogisch

betreut werden

22 EINE BRACHE BLÜHT AUF Architektur-Wettbewerb des Bio-Händlers Alnatura

24 EURYTHMIE TRIFFT ZEITGENÖSSISCHEN TANZ Bei Veranstaltungen begegnen sich Tänzer

verschiedener Richtungen

26 UNTER STOCK UND STEIN Kooperationsprojekt des Studiengangs Kunst-

Pädagogik-Therapie mit der Stadt Daun

28 FREIHEIT UND ORIENTIERUNG Gespräch mit Studenten des Studiengangs

„Philosophy, Arts and Social Entrepreneurship“

und des Orientierungsstudiums

2610

Page 5: UNIVERSALIS Nr. 07

5Inhalt

Forschung30 PRESTIGE VOR PROFIT?

Warum Unternehmen nachhaltig wirtschaften

32 „IM GESUNDHEITSWESEN ZÄHLEN HARTE FAKTEN“ Über das neue Forschungsinstitut für künstlerische

Therapien

Alanus Werkhaus34 „AM WERKHAUS WIRD KUNST GEMACHT!“

Über die Tätigkeit als Bildungsreferent

im Bereich Bildende Kunst

Menschen36 SUSANNE BLAZEJEWSKI – DIE PROFESSORIN,

DIE WIRTSCHAFT UND KUNST VEREINT

38 ABSOLVENTEN, DIE VERBINDUNGEN SCHAFFEN

Der besondere Ort39 DER BACHLAUF AM CAMPUS II

40 Kurz & Knapp

42 Terminvorschau

43 Impressum Alle abgebildeten Werke sind Arbeiten, die im Kontext der Alanus Hoch-schule oder des Alanus Werkhauses entstanden sind.

32 39

Page 6: UNIVERSALIS Nr. 07

6 Titelthema: Weichen stellen

WIE EIN PUZZLE, DAS GESTALT ANNIMMTWeichen stellen mit Kunsttherapie

Page 7: UNIVERSALIS Nr. 07

7Titelthema: Weichen stellen

Es sind Expeditionen in unwegsames Gelände, die therapeuti-sche Prozesse kennzeichnen: Existenzielle Herausforderungen bergen stets das Risiko, sich zu verirren, Umwege zu gehen, im Kreis zu laufen oder in Sackgassen zu geraten. Wie kann Kunsttherapie dazu beitragen, in unübersichtlichen Zeiten den richtigen Weg zu finden?

Page 8: UNIVERSALIS Nr. 07

8 Titelthema: Weichen stellen

Anders als gesprächs- oder verhaltensorien-

tierte Verfahren verwandelt die Arbeit am Bild

bedeutsame Lebensereignisse in anschau-

liches Material, das sich formen, verändern

und neu bewerten lässt. Dass bildhafte Selbst-

akzentuierungen den Moment ihrer Entstehung

überdauern und auch nach Abschluss einer

Behandlungssequenz Orientierung vermitteln,

stellt einen wesentlichen Mehrwert künstleri-

scher Therapien dar. Wie beim Zusammenle-

gen eines komplizierten Puzzles wächst aus

anfänglichem Chaos eine geschlossene Ge-

stalt, deren Bedeutung sukzessiv an Plausi-

bilität gewinnt.

Was vor den eigenen Augen entsteht, betrach-

tet und berührt werden kann, lässt sich zu-

nehmend besser verstehen, in Worte fassen

und dem biografischen Selbstgefühl zuschrei-

ben. Bildsprachliche Äußerungen sind also kein

Platzhalter für unzugängliche Formen verba-

ler Kommunikation; vielmehr bereichern sie

die therapeutische Arbeit durch eine Reihe

spezifischer Möglichkeiten. In seinem Buch

„Wie Bilder Sinn erzeugen“ schreibt Gottfried

Boehm: „Unter der ‚Logik der Bilder‘ verstehen

wir eine ihnen eigentümliche, nur ihnen selbst

abzulesende Weise, Sinn zu erzeugen. Wir ar-

beiten also mit der Prämisse, dass Bilder un-

serer Sprache, den Begriffen und dem Wissen

Wichtiges hinzufügen, das nur auf diesem Weg

zu erfahren ist.“

BEISPIELE AUS DER PRAXIS

Wie sich das erkenntnisfördernde Potenzial

der Bildsprache in der Kunsttherapie als

„Kompassfunktion“ variabel nutzen lässt,

veranschaulichen die folgenden Beispiele. In

unterschiedlichen Lebensphasen verortet –

Kindheit, Lebensmitte, Abschied und Übergang

– konfrontieren sie übereinstimmend mit per-

sönlichen Krisen und deuten zugleich mögliche

Lösungswege an.

BILDER IN DER KINDERTHERAPIE

Abbildung 1 ist in einer Traumaambulanz ent-

standen und zeigt eine Zehnjährige auf dem

Weg zu ihrer neuen Pflegefamilie. In den

Signal farben Rot und Orange leuchtet das

noch unbekannte Zuhause klein am Rand der

rechten oberen Bildecke. Häuser symbolisieren

das Bedürfnis nach einem sicheren Ort, nach

verlässlichen Beziehungen und schützenden

Selbstanteilen. Der Weg dorthin ist mühsam

und beschwerlich, das Ziel weit entfernt. Auf

halber Strecke blockieren Bäume den Weg. Ein

schwerbeladener Schlitten erscheint denkbar

ungeeignet, um im schneefreien Gelände zügig

voran zu kommen. Eindrücklich enthüllt die

Spontanzeichnung den Konflikt des Mädchens:

Ehe sich die Wirkung des von Ambivalenzge-

fühlen überschatteten Abschieds von der Her-

kunftsfamilie zugunsten hoffnungsvoller Per-

spektiven auflösen lässt, müssen in der The-

rapie Ängste, Trauer und Zweifel ausgehalten

und überwunden werden.

Nach C.G. Jung steht der Mensch in der Le-

bensmitte vor der Aufgabe, bisher Erreichtes

kritisch zu bilanzieren. Stehen Partnerschaft

und Beruf, Werte und Haltungen in Einklang

mit den Werdemöglichkeiten des Individuums?

Maltherapeutische Selbsterfahrungsgruppen

Patientenarbeit aus der Kindertherapie (Abb. 1) Bilder aus der Maltherapeutischen Selbsterfahrung (Abb. 2 und 3)

Page 9: UNIVERSALIS Nr. 07

9Titelthema: Weichen stellen

bieten die Chance, den eigenen Individuations-

prozess neu auszurichten. Im Rahmen eines

themenzentrierten Settings werden arche-

typische Motive gestaltet.

MALTHERAPEUTISCHESELBSTERFAHRUNG

Nachdem eine beruflich belastete Teilnehmerin

verschiedene Entwicklungsoptionen erkundet

hat, fällt ihr Blick in die obere Bildregion (Abb.

2): „Der rechte Weg ist heller, sandiger Boden,

er verheißt etwas Neues, Verlockendes. Obwohl

ich nicht genau weiß, was auf mich zukommt,

möchte ich diese Richtung einschlagen. Der

Weg in den Wald ist mir gut bekannt und an-

genehm, der linke nicht bedrohlich, aber lang-

weilig. Die purpurfarbene Spirale macht mich

neugierig“.

Wiederholt taucht dieses Motiv in den aktuel-

len Bildern auf, um die Malerin schließlich an

ein Meeresufer zu leiten (Abb. 3): „Mit ausge-

breiteten Armen stehe ich am Wasser, spüre

den Wind, höre das Rauschen der Wellen und

freue mich am klaren Blau des Sommerhim-

mels“. Das Gefühl hoher Beanspruchung findet

Ausgleich in erholsamen Fantasien und dem

Appell, gut für sich zu sorgen.

THERAPEUTISCHE BEGLEITUNG STERBENDER

Wenn in Phasen finaler Erkrankung die Kräfte

schwinden, können Bilddiktate eine Möglich-

keit sein, sich auf Wesentliches zu besinnen.

Letzte Bilder können der Selbstvergewisse-

rung dienen und zugleich eine Vermächtnis-

funktion übernehmen. Abbildung 4, entstan-

den in einem Zentrum für Palliativmedizin,

visualisiert die Sehnsucht der Patientin nach

einem Pferdebild. Die Kunsttherapeutin Elvi-

ra Schmitz malt für die Todkranke, was diese

nicht mehr zu gestalten vermag, jedoch klar

benennen kann. Im Rahmen eines geduldi-

gen dialogischen Miteinanders werden Farben

ausgesucht, Details abgestimmt, Proportionen

optimiert. Enkelin und Schwiegertochter sind

gemeinsam unterwegs: „Die Mutter überlässt

dem Kind die Zügel, denn sie hält es sicher in

den Armen. Eine starke Geste“, kommentiert

die Therapeutin. Denkbar sei, dass sich die

Patientin wenige Tage vor ihrem Tod im Bild

präsente Eigenschaften wie Stärke, Selbst-

ständigkeit und Eigensinn anverwandeln und

so gelassen Abschied nehmen konnte.

Therapeutische Bilder machen sichtbar, was

ansonsten oft unerkannt bleibt. Sie stimulie-

ren, spiegeln und regulieren Gefühle, trösten

oder provozieren, helfen, neue Perspektiven

zu entdecken. Bildnerische Prozesse erneuern

beschädigte Handlungskompetenz, verbinden

Erinnerungen zu kohärenten Sinneinheiten und

dokumentieren biografische Wendepunkte.

Von: Stefan Reichelt // Professor

für Kunsttherapie, Psychotherapeut für

Kinder und Jugendliche

Abb. 3 Therapeutisches Bild aus der Palliativmedizin (Abb. 4)

Page 10: UNIVERSALIS Nr. 07

10 Titelthema: Weichen stellen

Manchmal findet man in Internetforen verzwei-

felte Eltern, die ihre neun- oder zehnjährige

Tochter seit Neuestem unausstehlich finden:

Sie kapselt sich ab, zieht sich aus familiären

Aktivitäten zurück, kritisiert alles und jeden

und ist manchmal unerklärlich traurig; fragt

die Mutter dann nach einem Grund für das

Tränenrinnsal, das sich über die Wange zieht,

kommt vielleicht ein Satz wie: „Dumme Frage,

das weiß ich auch nicht!“ Es gibt dann Eltern,

die ihren geplagten Mitstreitern zurückschrei-

ben und ihnen erklären, das sei noch nicht die

Pubertät, aber Anthroposophen würden das

„Rubikon“ nennen. Und tatsächlich hat die-

ser Begriff inzwischen eine weite Verbreitung

erlangt. Mit dem Rubikon bezeichnete Rudolf

Steiner einen Entwicklungspunkt, der in der

Spanne ungefähr zwischen dem neunten und

dem elften Lebensjahr liegt. Als Namensgeber

diente der norditalienische Grenzfluss Rubico-

ne, den Julius Cäsar 49 v. Chr. entgegen den

Weisungen des Römischen Senats mit seinem

Heer überschritt. Das Überschreiten bedeutete

eine Kriegserklärung, nach der es kein Zurück

mehr geben konnte – was Cäsar mit den be-

rühmten Worten „alea iacta est!“ (Latein für

„Der Würfel ist geworfen worden“) kommen-

tierte.

ATEMREIFE UND ERSTE IDENTITÄTSSUCHE

Einen inneren dramatischen Abgrenzungsim-

puls sieht Steiner bei Kindern diesen Alters.

Sie ringen mit biologisch-rhythmischen Ver-

änderungsprozessen und dieses aufrührende

Geschehen spiegelt sich im seelischen Erleben

wider. Als Beleg dafür führen Mediziner das

sich verändernde Verhältnis von Atmung und

Blutzirkulation an: Ein stabiles Gleichgewicht

(ungefähr 18 Atemzüge zu ca. 72 Pulsschlägen

bei Erwachsenen) bildet sich in der mittleren

Kindheit erst heran. Das innere Gleichgewicht

wird also in einem Prozess erst langsam aus-

tariert. Im Innenbereich der Seele wird das wie

eine Krise erlebt. Ähnlich sucht das etwa zehn-

jährige Kind in seinem Verhältnis zur sozialen

Mitwelt ein neues Gleichgewicht. Die vertraute

Basis familiärer Zusammenhänge betrachtet

es jetzt mit einem befremdenden Blick; es be-

ginnt ein Hinterfragen alles Gewohnten und es

macht nicht einmal Halt vor sich selbst: „Seid

ihr wirklich meine Eltern oder wurde ich ver-

sehentlich nach der Geburt vertauscht?“ Im

Rubikon vollzieht sich also ein neuer Schritt

in der Identitätsbildung. Dabei variieren die

Ausdrucksformen stark. Oftmals sind es aber

die „großen Fragen“, welche mit ungeahnter

Wucht das kindliche Erleben berühren; es sind

Fragen nach Leben und Tod, nach der eigenen

Zukunft und „Bestimmung“.

WAS ELTERN TUN KÖNNEN

Den Eltern kommt hier eine wichtige wahr-

nehmende und begleitende Funktion zu. Den

Kindern widerfährt so etwas wie ein inneres

Naturereignis; entsprechend ist nicht ein ra-

„ IST DAS SCHON PUBERTÄT?“

Wenn Kinder den „Rubikon“ erleben

Page 11: UNIVERSALIS Nr. 07

11Titelthema: Weichen stellen

tionales „Wegerklären“ angebracht, sondern

ein Übersetzen der kindlichen Ausdrucksfor-

men beziehungsweise ein vorsichtiges Erkun-

den seiner Bedürftigkeit, auch dann, wenn

alles auf Abwehr gestellt ist. Kinder in diesem

Alter wünschen sich oft ein eigenes Zimmer

oder sie wollen den Zutritt zum Kinderzimmer

selbst regeln. Ihr zart aufscheinendes Selbst

will ein „eigenes Haus“ – das sollten Eltern

durchaus unterstützen.

DEN RUBIKON ERFORSCHEN

Die von Steiner beschriebenen Phänomene

des Rubikon, die bisher kaum systematisch

untersucht wurden, lassen sich heute gut

mit entwicklungspsychologischen Ansätzen

in Verbindung bringen. So weisen die aktuel-

len Forschungen zur Mitte der Kindheit (circa

acht bis zwölf Jahre) auf eine präpuberale Aus-

schüttung von Sexualhormonen hin. Und die

Veränderungen im kindlichen Verhalten deuten

Psychologen gegenwärtig als Symptome eines

entwicklungsrelevanten Übergangs (juvenile transition) von der Kindheit zur Pubertät.

Im Rahmen eines Forschungsprojekts der Uni-

versität Witten/Herdecke in Kooperation mit

der Kinderklinik der Universität Tübingen und

der Alanus Hochschule geht ein Forscherteam

den Fragen nach, ob der Rubikon bei allen

Kindern stattfindet, wenn ja, zu welcher Zeit,

wovon er beeinflusst wird und ob es Faktoren

gibt, die diesen Entwicklungsschritt fördern

oder hemmen. In der Studie sollen bis zu 1.000

Eltern befragt werden.

FORSCHUNGSPROJEKT RUBIKONDas Forscherteam bietet an Schulen jahr-gangsübergreifende Elternabende an, bei denen das Projekt eingeführt wird. Die Eltern nehmen im Anschluss an drei Befragungen im Abstand von mehreren Monaten teil. Wei-tere teilnehmende Eltern werden gesucht. In-formationen und Kontakt: [email protected]

Von: Axel Föller-Mancini // Junior -

pro fessor für qualitative Methoden in der

Bildungsforschung

Page 12: UNIVERSALIS Nr. 07

12 Titelthema: Weichen stellen

Herr Rehn, Herr Pfläging, was verste-hen Sie unter einer sich selbst führen-

den Organisation?REHN: Das Prinzip der selbstführenden Or-

ganisation besagt, dass die Mitglieder dieser

Organisation selbstverantwortlich und frei im

Austausch miteinander das Unternehmen ge-

stalten. Dabei unterwerfen sie sich gewissen

Regeln, wie sie miteinander umgehen wollen,

informieren sich sehr gut wechselseitig und

haben ein gemeinsames Bild von dem, was sie

zusammen erreichen wollen. Die Kunst besteht

darin, Verhältnisse zu schaffen, die diesen

Entwicklungen im Unternehmen Raum geben.

Nur so kann Selbstführung gelebt werden.

PFLÄGING: Aus der Systemtheorie habe ich

gelernt, dass der Gegensatz zur Selbstfüh-

rung die Fremdsteuerung ist. Fremdsteuerung

hat im Industriezeitalter recht gut funktioniert

– heutzutage versagt sie. Organisationen sind

darum auf Selbstführung angewiesen.

Herr Pfläging, können Sie die Ent-wicklung von der Fremdsteuerung zur

Selbstführung genauer erklären?PFLÄGING: Im Industriezeitalter entstanden

explosiv wachsende Massenmärkte und damit

gewaltiges Standardisierungspotenzial. Die Lö-

sung zur Organisation effizienter Wertschöp-

fung lag in einem einfachen Prinzip: der strik-

ten hierarchischen Trennung des Denkens vom

Handeln sowie der konsequenten Steuerung des

Unten durch das Oben. Wir nennen diese Idee

und die dazugehörige Sozialtechnologie „Ma-

nagement“ und sie war ein Riesenerfolg. Seit

dem Aufkommen des Wissenszeitalters ab den

1970er-Jahren sind Unternehmen jedoch wieder

hoher Dynamik ausgesetzt. Wir müssen sie als

die hoch-komplexen Systeme betrachten, die

sie sind. Es reicht nicht mehr aus, sie wie kom-

plizierte Maschinen zu steuern. Genau das tun

jedoch die allermeisten Unternehmen. Es wird

weiterhin mit„Management-Methoden“ gere-

gelt, Performance-Management betrieben und

planwirtschaftlich über Linien- oder Matrixor-

ganisation zu steuern versucht. Bei komplexen,

überraschenden Problemen helfen Pläne, Re-

geln, Weisung und Methoden aber nicht mehr

weiter. Steuerung versagt, wir brauchen Ideen.

Ideen kriegt man aber nur von Menschen, die

selbstgeführt kreativ agieren – und so für ihre

Organisationen dynamische Probleme lösen.

Herr Rehn, Sie sagten, es sei wichtig, Verhältnisse zu schaffen, in denen

Selbstführung gelebt werden kann. Wie setzen Sie bei Alnatura Prinzipien der Selbstführung um?REHN: Die Tagung des Instituts für Sozialor-

ganik * war für uns der Auftakt, um Selbst-

„ REVOLUTION IM INNEREN – EVOLUTION IM ÄUSSEREN“

Dialogorientierte Zusammenarbeit statt strikter Hierar- chien – die Idee sich selbst führender Organisationen bewegt Götz E. Rehn, Leiter des Instituts für Sozialorganik, und Niels Pfläging, der als Organisationsberater Managern rät, auf Planung und Steuerung zu verzichten: Ein Gespräch über eine neue Bedeutung von Führung und das Streben der Menschen nach Selbstgestaltung.

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Page 13: UNIVERSALIS Nr. 07

13Titelthema: Weichen stellen

führung grundsätzlicher im Unternehmen zu

verankern. Wir haben im nicht-wirtschaftlichen

Kontext ganz viele Räume, in denen die Mit-

arbeiter lernen, sich selbst zu organisieren.

Wir fördern eigene Initiativen von Mitarbeitern

sehr stark. Beim „Alnatura wirkt-Tag" hat zum

Beispiel jeder Mitarbeiter die Möglichkeit, sich

einen Tag für ein soziales Projekt zu engagie-

ren. Das ist eine gute Voraussetzung, um das

Prinzip der Selbstführung zu erproben. Natür-

lich gibt es auch Unternehmensbereiche, in

denen die Mitarbeiter bereits selbstorgani-

sierter arbeiten, zum Beispiel in der Logistik.

Herr Rehn, Sie sprechen auch von den vier Prinzipien evolutionärer Zusam-

menarbeit. Was verstehen Sie darunter?REHN: Unternehmen sind keine steuerbaren

Maschinen, sondern lebendige, soziale Orga-

nismen, die von Menschen als geistig-schöp-

ferischen Individuen aktiv gestaltet werden.

Eine der wesentlichen Voraussetzungen für

eine evolutionäre Form der Zusammenarbeit

ist ein ganzheitliches Menschenbild und ein

Sinnziel der Organisation. Zunächst muss eine

Revolution im Inneren stattfinden, dann eine

Evolution im Äußeren. Erst ein neues, wirk-

lichkeitsgemäßes Denken bildet die Basis für

eine nachhaltige und evolutionäre Gestaltung

der Wirtschaft. Diese sollte sich nach den vier

Prinzipien, der Selbstführung, Ganzheitlichkeit,

Sinnhaftigkeit und Kundenorientierung richten.

Herr Pfläging, Sie sind Organisati-onsberater. Wird Führung also über-

flüssig?PFLÄGING: Führung wird nicht überflüssig

und auch Manager nicht – die Sozialtechnolo-

gie Management und die Managementmetho-

den des Industriezeitalters gehören jedoch ins

Museum. Budgetierung, Strategische Planung,

Anreizsysteme, Mitarbeiterbeurteilungen, Or-

ganigramme, Kostenmanagement und so wei-

ter – all das ist heute schädlich und dysfunk-

tional. Mitarbeiter und Teams müssen nicht

gesteuert oder verbessert werden – stattdes-

sen gilt es für wirksame Organisationsent-

wicklung, die Prinzipien zu hinterfragen, nach

denen Wertschöpfung und Arbeit heute ticken.

Um unsere Organisationen in komplexen Zei-

ten neu zu gestalten bedarf es anderer Denk-

werkzeuge und eines geeigneten Umgangs mit

Veränderung. Das brachliegende Potenzial der

Menschen in einer Organisation für die Wert-

schöpfung nutzbar zu machen – darin liegt für

mich der große Reiz. Das ist die große Heraus-

forderung für Unternehmensführung unserer

Zeit. Natürlich auch für die Alanus Hochschu-

le, die zukünftige Führungsarbeiter ausbildet.

Herr Rehn, wie werden die Unterneh-mer der Zukunft an der Alanus Hoch-

schule ausgebildet?REHN: Der BWL-Studiengang an der Alanus

Hochschule verknüpft die klassische BWL – er-

gänzt um Themen der Nachhaltigkeit und der

Sozialorganik – mit Praxisphasen und Kunster-

fahrung. BWL-Studenten machen gemeinsam

mit Kunststudenten Projekte, um die Phantasie

weiter zu entwickeln. Das ist genau die Denk-

fähigkeit und Kreativität, die man für eine sich

selbst führende Organisation braucht.

In den Medien liest man zurzeit oft, dass Menschen auch außerhalb des Ar-

beitsplatzes den Wunsch nach Eigengestal-tung ausleben. Warum kommt das Thema gerade jetzt auf?REHN: Ich selbst warte da schon seit vielen

Jahren drauf, denn ich habe das Unternehmen

Alnatura genau auf dieser Grundlage aufge-

baut. Interessant finde ich, dass gerade im

Zeitalter der Digitalisierung, die den Menschen

vieles abnimmt, sich eine Gegenbewegung hin

zur Eigengestaltung entwickelt. Die Digitalisie-

rung führt zu einem scheinbar paradiesischen

Umfeld. Viele Informationen und Leistungen

sind verfügbar und kommen zu mir, wenn ich

sie über meinen digitalen Doppelgänger, das

Smartphone, anfrage. Der Gegentrend ist,

dass die Menschen ein echtes Naturerlebnis

haben, etwas Schöpferisches erleben, einen

echten Menschen treffen wollen. Ich denke, es

ist eine Reaktion auf das, was uns immer mehr

als virtuelle Welt umgibt. Viele Menschen ver-

bringen viele Stunden vor ihrem PC oder vor

ihrem Smartphone und kommunizieren letzt-

lich über ihn beziehungsweise über es mit an-

deren. Aber es ist etwas anderes, wenn ich

mein Gegenüber nicht „zwicken“ kann. Viele

Menschen fangen an zu kochen, zu gärtnern

und dann ihrem Bedürfnis nach Individualisie-

* Die Tagung des Instituts für Sozialorganik widmete sich 2015 dem Thema „Kollektive Wertschöpfung – die sich selbst führende Organisation“. Ein Rückblick findet sich unter www.alanus.edu/sozialorganik.

Am 28. Juni und 2. November 2016 finden weitere Tagungen des Instituts statt.

Götz E. Rehn: „Unternehmen sind keine steuerbaren Maschinen.“

Niels Pfläging: „Die Managementmethoden des Industriezeitalters gehören ins Museum.“

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Page 14: UNIVERSALIS Nr. 07

14 Titelthema: Weichen stellen

rung und schöpferischer Gestaltung nachzuge-

hen. Dabei geht es nicht um Erfolg und Profit,

sondern um die Dinge, die mir wichtig sind,

und darum, Orientierung zu finden und mich

durch eigene Taten zu verwirklichen.

PFLÄGING: Es gibt aktuell zwei populäre Er-

klärungsansätze, warum Selbstführung gerade

jetzt zum Thema wird: Der Eintritt der Gene-

ration Y in den Arbeitsmarkt und die Digitali-

sierung. Ich halte beide Erklärungen für viel

zu kurz. Die Generation Y will von Unterneh-

men als Arbeitgebern nichts anderes als an-

dere Generationen. Weil sie gerade jetzt auf

den Arbeitsmarkt rückt, schreibt man ihr be-

stimmte Eigenschaften zu, die vorangegange-

ne Generationen von Arbeitssuchenden schon

beinahe genauso formulierten. Ähnlich verhält

es sich mit der digitalen Transformation. Es

gibt sie schon seit zwanzig oder vierzig Jahren

– je nachdem wie man rechnet. Statt einzelne

Symptome des Zeitenwandels wie die Genera-

tion Y oder die Digitalisierung zu überhöhen,

scheint es mir hilfreicher anzuerkennen, dass

die Welt sich zwischen dem Industriezeitalter

und dem Wissens- oder Informationszeital-

ter insgesamt dramatisch verändert hat. Nur

hinken Organisationsmodelle, unsere Sozial-

systeme oder das Bildungswesen dieser Zei-

tenwende hinterher: Es gibt das Neue bereits

– aber nur in einigen selbstgeführten Pionier-

Unternehmen. Durch sie entsteht auf manchen

Märkten ein Wettbewerb der Organisationsmo-

delle: Wo die beiden Modelle aufeinandertref-

fen, wird es für bürokratische, hierarchische

Wettbewerber schnell sehr eng. Das konnte

man gut am Wettbewerb zwischen dm-droge-

rie markt und Schlecker beobachten. Schle-

cker hatte trotz seiner Größe gegen dm keine

Chance: Das lag nicht an den Produkten, es

lag am Organisationsmodell. Die wesentliche

Frage, die sich daraus für Unternehmen stellt

ist: Wie geschickt nutzen sie das menschliche

Potenzial – oder lassen sie es einfach liegen?

REHN: Ich würde es etwas anders ausdrücken.

Es geht nicht so sehr um den Nutzen, sondern

darum, dass sich jeder Einzelne wirklich gerne

einbringt. Wie kann ich Lebens- und Arbeits-

welten schaffen, in denen ich wirklich gerne

mit anderen etwas gestalte? SST

Götz E.Rehn // Gründer und Geschäfts-

führer von Alnatura, Leiter des Instituts

für Sozialorganik an der Alanus Hoch-

schule — Niels Pfläging // Organisa-

tionsberater und Autor

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Page 15: UNIVERSALIS Nr. 07

15Titelthema: Weichen stellen

STUDICA – STUDIEREN À LA CARTEInteressenten können ab Frühjahr 2016 Veran-staltungen der Alanus Hochschule im Rahmen von STUDICA besuchen. Weitere Informatio-nen unter www.alanus.edu/studica

Wie können Hochschulen zu lebenslanger Bil-

dung und mehr Chancengleichheit beitragen?

Sind die bestehenden Angebote flexibel und

praxisnah genug für Berufstätige? Diese Fra-

gen bewegen Michael Brater, Professor für

Bildungsforschung. Der Soziologe entwickelt

seit einigen Jahren ein Studienformat, das es

erlaubt, Angebote der Hochschule individuell

zu kombinieren – unabhängig von Studiengän-

gen, die Inhalte und Verläufe vorschreiben und

unabhängig von Schulabschlüssen, die über

den Zugang zur Hochschule entscheiden. „Alle

sollen von wissenschaftlichem Wissen profi-

tieren und an akademischen Methoden und

Theorien teilhaben“, erläutert Brater sein Ziel.

Weit entfernt von der Umsetzung seines Vor-

habens in die Praxis ist der Professor nicht: Ab

Frühjahr 2016 bietet die Alanus Hochschule ein

Studienprogramm an, bei dem aus dem brei-

ten Angebot an Seminaren, Vorlesungen und

Übungen ausgewählt werden kann. Teilnehmer

schreiben sich nicht in einen Studiengang ein,

sondern entscheiden sich für einen oder meh-

rere Kurse, die inhaltlich und vom Umfang her

zu ihren Fragestellungen und Bedürfnissen

passen – auch fächerübergreifend.

FLEXIBILITÄT UND OFFENHEIT

Vorausgegangen ist eine dreijährige For-

schungs- und Entwicklungsphase, in der

Brater und sein Team das Konzept „STUDI-

CA – Studieren à la carte“ ausgearbeitet und

erprobt haben. Es ist vor allem auf die Bedin-

gungen Berufstätiger ausgerichtet. Das zeigt

sich nicht nur in der Möglichkeit, Studienin-

halte „à la carte“ – also nach individuellen

Wünschen – zu wählen und zu kombinieren,

sondern auch in einem umfassenden Bera-

tungssystem sowie Angeboten zur Einfüh-

rung ins wissenschaftliche Arbeiten, die Teil-

nehmern den Neu- oder Wiedereinstieg in die

Hochschule erleichtern sollen.

PRAXISORIENTIERTE AUSWAHL

STUDICA spricht insbesondere Menschen an,

die im Beruf vor neuen Herausforderungen

stehen oder Impulse für ihre persönliche oder

berufliche Entwicklung suchen. Brater erklärt:

„Eine Floristin, die in ihrem Betrieb Menschen

mit Behinderung beschäftigen und ausbilden

möchte, kann zum Beispiel aus dem Heilpäd-

agogik-Studium Kurse zur Inklusion belegen

sowie aus der Berufspädagogik Seminare zur

Erwachsenenbildung.“ Damit könne die Teil-

nehmerin sich darüber hinaus dafür qualifizie-

ren, das Thema „Inklusion im Betrieb“ lehrend

zu vermitteln, zum Beispiel an Fachschulen, so

Brater. Der konkreten Auswahl vorgeschaltet

ist eine intensive Beratung, in der die Kompe-

tenzen der Teilnehmerin analysiert und darauf

aufbauend Empfehlungen für passende Kurse

gegeben werden.

CHANCENGLEICHHEIT

Rektor Marcelo da Veiga ist ebenfalls Pro-

jektleiter des Vorhabens, das vom Bundesfor-

schungsministerium mit insgesamt knapp drei

Millionen Euro gefördert wird. Da Veiga ver-

tritt die hochschulpolitische Seite: Er möchte

den Transfer des Studienkonzeptes auf ande-

re Hochschulen voranbringen. „Unser Ziel ist

es, STUDICA als übertragbares Modell der Be-

teiligung von Hochschulen am lebenslangen

Lernen zu etablieren“, resümiert der Profes-

sor. Damit hat das Prinzip STUDICA das Po-

tenzial, Wissenschaft flächendeckend für alle

zugänglich zu machen und so einen wesentli-

chen Beitrag zur Chancengleichheit in unserer

Gesellschaft zu leisten. TF

LEBENSLANG POTENZIALE ERWEITERN

Flexiblere Studien- möglichkeiten für Menschen mit Lebens- und Berufserfahrung

Page 16: UNIVERSALIS Nr. 07

16 Titelthema: Weichen stellen

Das Licht geht an. Nina Karimy steht allein

auf der Bühne, so nah vor der ersten Reihe,

dass die Zuschauer sie berühren könnten. In

ihrem Gesicht spiegeln sich alle Emotionen

ihrer Rede wider. Sie ist gerührt und sanft-

mütig, aufgewühlt und flehentlich, schließlich

ernst und selbstsicher. Sie ist Lady Milford

aus Schillers „Kabale und Liebe“. Nach knapp

fünf Minuten endet ihr Monolog. Das Licht geht

aus. Zehn Minuten Zeit, um sich in ihre nächs-

te Rolle zu verwandeln.

Nina Karimy ist Schauspielstudentin im Ab-

schlussjahr. An diesem Nachmittag steht sie

mit ihren acht Kommilitonen auf der Bühne des

Rheinischen Landestheater Neuss, um Thea-

terintendanten von ihrem Können zu überzeu-

gen, die auf der Suche nach neuen Gesichtern

für ihre Produktionen sind. „Du hast vier Jahre

studiert. Die Intendantenvorsprechen sind die

letzte Hürde, die du nehmen musst. Danach

wartet vielleicht ein Jobangebot auf dich“, er-

klärt Nina Karimy.

SCHMERZVOLLE ENTSCHEIDUNGEN

Genau anderthalb Stunden haben die Studen-

ten Zeit für rund zwanzig Monologe, Dialoge

und Lieder – und jeder will sich ausreichend

präsentieren können. Das Programm haben die

Studenten zuvor an der Hochschule gezeigt,

jetzt müssen sie es für jedes Intendantenvor-

sprechen neu zusammenstellen, denn die zur

Verfügung gestellte Zeit variiert von Theater zu

Theater. Nicht immer ein einfaches Vorgehen,

wie Fachgebietsleiter René Harder aus vielen

Jahren Erfahrung weiß: „Da müssen manchmal

schmerzvolle Entscheidungen getroffen wer-

den. Ein Monolog von zwei Minuten lässt sich

nicht beliebig kürzen, da fällt auch mancher

aus Zeitgründen einfach weg“.

Sich schnell auf Neues einstellen – das gehört

zum Alltag der Schauspielstudenten. Nur eine

Stunde haben sie vor ihrem Auftritt in Neuss

Die Intendantenvorsprechen markieren für die Schau-spielstudenten den Übergang vom Studium ins Berufsleben. Nina Karimy ist eine von neun Studenten des Abschlussjahr-gangs, die vor Theaterinten-danten ihr Können zeigen, um ein Engagement zu bekommen.

„ GESUCHT WIRD MEIST DIE JULIA“

Nina Karimy als moderne Lady Milford aus Schillers „Kabale und Liebe“

Page 17: UNIVERSALIS Nr. 07

17Titelthema: Weichen stellen

Zeit, um sich mit dem Spielort vertraut zu ma-

chen. Nicht viel Zeit, um ihre Rollen in der un-

gewohnten Umgebung zu proben, denn auch

die Auf- und Abgänge müssen koordiniert wer-

den. Auch nach dem Auftritt bleiben den Nach-

wuchsschauspielern nur ein paar Minuten, um

die Bühne mitsamt Requisiten und Kostümen

zu verlassen, denn gleich nach ihnen präsen-

tieren sich Absolventen einer anderen Schau-

spielschule.

EIN GROSSER TAG

Vor welchem Publikum sie spielen, wissen die

Studenten und Dozenten nur von der Liste am

Theater-Eingang, in die sich die zuschauenden

Intendanten eingetragen haben. Nach dem Ab-

schiedsapplaus sind diese schnell verschwun-

den. Harder, der die angehenden Schauspieler

heute begleitet, meint dazu: „Leider gucken

sich manche der Intendanten heute nicht alle

Hochschulen an. Das ist schade, da es für un-

sere Studenten ein großer Tag ist.“ Meistens

besuchen die Intendanten die Vorsprechen,

um die passende Besetzung für die kommen-

de Spielsaison zu finden. „Manchmal kommt

es aber auch vor, dass unsere Studenten di-

rekt auf das Vorsprechen hin engagiert wer-

den“, führt der Professor für Schauspiel mit

Schwerpunkt Szenenstudium und Projektent-

wicklung weiter aus. Kurzfristige Engagements

können sich ergeben, wenn jemand aufgrund

von Krankheit oder Schwangerschaft ausfällt.

Viele Engagements ergeben sich über die ZAV-

Künstlervermittlung, eine Service-Einrichtung

der Bundesagentur für Arbeit, die darstellende

Künstler vermittelt. Alle Schauspielabsolven-

ten der Alanus Hochschule werden in deren

Verzeichnis aufgenommen. Auch in Neuss

sind Mitarbeiter der ZAV vor Ort, um sich einen

Eindruck von den jungen Talenten zu machen.

Wenn die Intendanten später bei ihnen einen

bestimmten „Typ“ für eine Rolle anfragen, wis-

sen die Vermittler, wer die gesuchten Anforde-

rungen erfüllt.

KEINE TYPISCH DEUTSCHE SCHAUSPIELERIN

Das Studienjahr von Nina Karimys und ihren

Kommilitonen läuft noch bis zum Sommer. Als

praktische Diplomprüfung werden sie erneut

das Stück „Shoot / Get Treasure / Repeat“ auf

die Bühne bringen. Außerdem steht die Jobsu-

che an. „Im vierten Jahr haben die Studenten

viele Freiheiten im Stundenplan, denn einige

bekommen bereits jetzt Engagements ange-

boten und nehmen an Einzelvorsprechen teil“,

erklärt Harder.

Wie es für Nina Karimy nach dem Abschluss

weitergeht? Sie weiß es nicht. „Wenn Inten-

danten jemanden für ihr Ensemble suchen,

suchen sie meist die Julia, aber keine Lady

Milford“,meint die 28-Jährige und erklärt un-

verdrossen. „Ich bin älter als die meisten mei-

ner Kommilitonen und habe einen Migrations-

hintergrund. Ich bin nicht die typische deut-

sche Schauspielerin.“ An Schauspielschulen

wies man sie früher oft mit dem Argument

ab, dass sie einen Akzent habe und man nicht

wisse, ob der jemals ganz verschwindet. „Ich

habe mich deswegen lange unsicher gefühlt.

Ich musste erst lernen zu akzeptieren, dass

mein Akzent zu mir gehört und mich unver-

wechselbar macht.“, erzählt die Deutsch-Kur-

din aus dem Iran, der man ihren Akzent jedoch

kaum anmerkt.

Wieder geht das Licht an. Nina Karimy steht

noch einmal auf der Bühne – als Mutter, der

die Nachricht überbracht werden soll, dass ihr

Sohn im Krieg gefallen ist. Im Schlafanzug, mit

Lockenwicklern im Haar, redet sie ununterbro-

chen, um von dem Ereignis abzulenken. Als sie

die Soldaten endlich zu Wort kommen lässt

und die schreckliche Nachricht ausgesprochen

ist, will sie sich die Trauer nicht anmerken las-

sen: „Waren das die Worte? Nicht so schlimm

wie ich dachte“ – das gilt auch für das heu-

tige Vorsprechen. Ein Engagement hat Karimy

bereits: Im Februar und März 2016 steht sie in

der Inszenierung „Nathan der Weise“ im The-

ater Bonn auf der Bühne. SST

Nina Karimy spielt eine Mutter, die erfahren hat, dass ihr Sohn im Krieg gefallen ist

Page 18: UNIVERSALIS Nr. 07

18 Campus

MIT BAMBUS BEGEGNUNGEN BAUEN

Page 19: UNIVERSALIS Nr. 07

19Campus

Ein sonniger Herbsttag in der Bonner Innenstadt, auf der Poppelsdorfer Allee flanieren Hundebesitzer, Eltern mit Kinderwagen und Senioren. Sie schauen interes-siert zum Grünstreifen in der Mitte der Allee, Studenten radeln zur Uni, recken die Hälse, wären fast vorbei ge-fahren und bleiben dann doch neugierig stehen: Auf der Wiese baut eine Gruppe von rund vierzig Leuten eine filigrane offene Kuppel. Beim näheren Hinsehen erkennt man, dass sie aus Bambusstangen besteht.

Ein Stapel Bambusrohre liegt im Gras. An

jedem Bambus-Pfeiler steht eine Person, ver-

sucht die Konstruktion im Gleichgewicht zu

halten, andere biegen die Stangen zu Bögen

Richtung Boden, befestigen sie mit rosa

Schnur. Zieht einer zu stark oder lässt nach,

kippt das schwankende Gefüge.

Am Rand steht die Kunststudentin Miriam

Nolte und erklärt den ganzen Tag lang den

Passanten geduldig das Projekt, das sie ge-

meinsam mit ihrem Kommilitonen Loïc Devaux

entwickelt hat. Sie laden die Neugierigen ein

mitzumachen: Fünf Tage lang wollen die bei-

den gemeinsam mit Anwohnern, Studenten

und Flüchtlingen eine Bambusskulptur bauen

und durch die Gemeinschaftsaktion Begegnun-

gen ermöglichen. „In den Medien sind Flücht-

linge eine große abstrakte Masse, wir wollen,

dass Flüchtlinge und Bonner zusammen etwas

erschaffen und sich dabei auf Augenhöhe als

Menschen kennenlernen“, erklärt Nolte. Die

künstlerische Aktion soll dafür den Freiraum

bieten. Eine gemeinsame Sprache scheint für

die Aktion nicht nötig zu sein: An der einen

Ecke steht Bashar aus Syrien, an der anderen

Ali aus Nordafrika, dazwischen Steffi und Tim.

Alle schaffen es, sich bei der Arbeit mit Gesten

zu verständigen.

OHNE PLAN UND BAUHERR

Vor einem halben Jahr haben Nolte und Devaux

mit ihrem Projekt begonnen, das gleichzeitig

ihre Masterarbeit ist: Sie haben eine Projekt-

skizze geschrieben, Kontakte geknüpft, För-

derer und Partner gesucht und ihre Idee in

zahlreichen Bonner Flüchtlingsunterkünften

vorgestellt. Nun, während der Realisierung

verstehen sie sich selbst nur als Impulsgeber:

Sie haben keinen Bauplan vorgegeben und

nicht gesagt, wie es richtig ist. „Am Anfang

trauten sich die Akteure noch nicht so recht.

Da mussten wir noch eine Idee für den Start

vorgeben, damit der Prozess in Schwung kam“,

erinnert sich Devaux. Allmählich verselbstän-

digt sich die Sache jedoch, im gemeinsamen

Tun entwickeln einzelne Gruppen eigene Ideen.

Oben: Miriam Nolte und Loïc Devaux, die Initiatoren

Mitte: Gemeinsame Mahlzeiten schaffen zusätz-liche Verbindungen.

Unten: Die Skulptur wird zum Ort für Gespräche und Begegnungen.

Page 20: UNIVERSALIS Nr. 07

20 Campus

Neben der großen Skulptur entstehen Tunnel,

wächst eine Blume und ragt eine Rakete in

den blauen Himmel. „Genau das wollten wir:

es sollte sich jeder einbringen können und sich

die Skulptur zu eigen machen“. Etwas stärker

gelenkt war eine Laternenaktion am Vortag:

mit Glasreiniger, Staubwedel und Leitern aus-

gestattet putzten rund dreißig Freiwillige die

Laternen rechts und links der Allee und be-

klebten sie mit farbigen Folien. In der Dämme-

rung wird nun die gesamte Schneise zwischen

Bahnhof und historischem Schloss einschließ-

lich der Bambusskulptur von einem rot-grünen

Lichtband umrahmt.

ESSEN VERBINDET

Wer nicht mitbauen will, kann sich auch an-

ders einbringen: Jeden Tag wird für alle Helfer

gekocht. Die Evangelische Studentengemein-

de hat ihre Küche zur Verfügung gestellt. Hier

kocht heute eine syrische Familie: Vier Män-

ner und vier Frauen bereiten Spezialitäten aus

ihrer Heimat zu. An vielen Tischen, die zu einer

langen Tafel zusammengestellt sind, wird ge-

meinsam auf der Wiese neben der wachsen-

den Skulptur gegessen: „Essen ist etwas stark

Kulturelles,“ begeistert sich Devaux. Und die

gemeinsamen Mahlzeiten geben dem Projekt

eine zusätzliche soziale Komponente, die „den

Austausch fördert und die Menschen zusam-

menbringt.“

GEGLÜCKTE BEGEGNUNGEN

Zwei Monate später sitzen die beiden Studen-

ten vor dem Laptop und sortieren Fotos für

ihre Dokumentation: „Das hier finde ich rich-

tig schön, und das hier“. Loic Devaux zeigt auf

verschiedene Bilder. Eine Frau mit Kopftuch

und eine ältere Dame lachen sich an, gesti-

kulieren, scheinen sich zu unterhalten. Zwei

Männer machen sich über Bambusstangen

hinweg Zeichen beim gemeinsamen Arbei-

ten. Während des Bauens war er selbst viel

zu sehr mit der Organisation beschäftigt, um

solche Momente wahrzunehmen. Wenn er jetzt

die Fotos dieser Begegnungen sieht, erfüllt ihn

das mit Freude. Nolte bleibt bei den Fotos des

Abschlussfestes hängen: Menschen tummeln

sich auf der Wiese, essen, tanzen, unterhalten

sich. Dann entdeckt sie den syrischen Vater,

der mit seiner Familie auch für das Fest ge-

kocht hat. „Herzlich Willkommen“ hatte er ge-

sagt und damit die Feier eröffnet. „Das war

ein sehr schöner Moment, weil sich die Situati-

on umgekehrt hat, die geflüchteten Menschen

wurden zu Gastgebern.“ CZ

Oben: Die Bambusskulptur vor dem Poppelsdorfer Schloss wächst in alle Richtungen.

Unten: Die Skulptur bei Nacht: Klebefolien auf den Straßenlaternen tauchen die gesamte Allee in farbiges Licht.

sKULpTUR Allee

Masterarbeit Bildende Kunst von Loïc Devaux und Miriam Nolte

Ziel: Begegnung zwischen Bonner Bürgern und Flüchtlingen schaffen

Bauzeit: 5 Tage, Vorbereitung: 9 Monate

Material: 1000 Bambusrohre, unzählige helfende Hände

Unterstützt von: Globus Stiftung, Univer-sität Bonn, Evangelische Studierendenge-meinde Bonn, Alanus Forum e. V., Stadtwerke Bonn und zahlreichen weiteren Institutionen und Privatpersonen

Page 21: UNIVERSALIS Nr. 07

21Campus

In ihrem beruflichen Kontext haben sie alle

Kontakt zu Flüchtlingen, da wundert es nicht,

dass sich die angehenden „Pädagogischen

Praxisforscher“ Sara Ismail, Oliver Möller und

Stefan Puchberger für ein gemeinsames Lehr-

forschungsprojekt unter der Leitung von Dozent

Alexander Röhler zusammengefunden haben.

Ziel ist es, herauszufinden, welche Rolle die

pädagogische Arbeit bei der Ankunft geflüch-

teter minderjähriger Kinder und Jugendlicher in

Deutschland spielt.

Das Team hat sich darüber verständigt, narra-

tive Interviews durchzuführen, die es ermögli-

chen auf die Biographie des Befragten im De-

tail einzugehen. Die Interviewpartner wurden

gebeten, von ihrem Leben zu erzählen, mit

einem besonderen Fokus auf die Zeit ihrer An-

kunft in Deutschland. „Wir wollten, dass sie in

eine Situation kommen, in der sie ihr damali-

ges Empfinden nachfühlen und mit ihrer heu-

tigen Lebenssituation in Verbindung bringen“,

erläutert Sara Ismail die Vorgehensweise. „Das

Interview sollte größtmögliche Freiräume las-

sen und nicht konkret nach der pädagogischen

Betreuung fragen, um analysieren zu können,

inwiefern dieser Aspekt zu einem Schlüsselas-

pekt geworden ist“, ergänzt Oliver Möller. Die

Gesprächspartner sind Flüchtlinge, die seit bis

zu 20 Jahren in der Bundesrepublik leben, als

Kinder oder Jugendliche eingereist sind und

Deutsch sprechen. „Ich habe meinen Inter-

viewpartner über eine Fernsehsendung gefun-

den. Es wurde ein ehemaliger Flüchtling inter-

viewt, der vor 15 Jahren als Jugendlicher nach

Deutschland kam. Über den Redakteur konnte

ich den Kontakt zu ihm herstellen“, berichtet

Puchberger.

Den angehenden Forschern ist klar, dass

eine solche Studie mehr Interviews umfassen

müsste, um verallgemeinerbare Schlüsse dar-

aus zu ziehen. Im Rahmen des Studienprojek-

tes geht es jedoch zunächst darum, erste Er-

fahrungen in der Forschung zu sammeln. „Aber

auch in dieser Größenordnung finden wir span-

nende Beispielbiographien. Wir können und

wollen hier nicht mit Zahlen argumentieren,

denn es geht vor allem darum, unterschiedli-

che Muster zu entdecken“, meint Puchberger.

Im Verlauf der Untersuchung zeigt sich, „dass

sich die von uns gebildeten ,Auswertungsty-

pen‘ auf die heutige Situation übertragen las-

sen“, so Ismail. „Es gibt zum Beispiel solche,

die sich als Opfer sehen und solche, die großes

Glück empfinden.“ Bei aller Unterschiedlichkeit

konnte die Studentengruppe Kernaspekte der

Ankunftsphase identifizieren. „Pädagogische

Gesichtspunkte sind vor allem: Die Hinführung

zur deutschen Sprache, das Vorhandensein

pädagogisch ausgebildeter Ansprechpartner,

aber auch die Möglichkeit, zum frühestmög-

lichen Zeitpunkt arbeiten zu dürfen“, fügt die

Studentin hinzu. Das allerwichtigste – noch

bedeutender als der Spracherwerb – sei die In-

tegration und die damit verbundene Anerken-

nung im Arbeitsleben und zwar in adäquater

Stellung. „Zu arbeiten bedeutet, als gleichwer-

tig anerkannt zu sein – der Aufwand, dorthin

zu kommen, ist für einen Flüchtling allerdings

ungleich größer als unter ,normalen‘ Bedingun-

gen“, betont Möller.

Eine Schlussfolgerung der Studenten ist: Men-

schen bringen die unterschiedlichsten Horizon-

te mit und an dieser Stelle müssen sie abge-

holt werden. „Diese Menschen wünschen sich

Frieden und eine Aufgabe. Wir können zu Er-

möglichern werden“, meint Ismail.

Nicht zuletzt – so zeigt die Erfahrung, die die

Jungforscher während der Durchführung ihrer

Erhebungen machten – sind es die Flüchtlinge,

die etwas zurückgeben. „Ganz besonders war

für mich, dass ich bei der Durchführung der

Interviews Dankbarkeit dafür erfahren habe,

dass man sich interessiert – denn eigentlich

war ich doch dankbar dafür, dass ich das In-

terview für meine Studienarbeit durchführen

durfte“, erinnert sich die Studentin. JWD

FORSCHUNGSFELD FLÜCHTLINGE Wie minderjährige Flüchtlinge

pädagogisch betreut werden

FAZIT„Aus diesen Ergebnissen des Lehrforschungs-projektes kann für die aktuelle Situation ge-schlussfolgert werden, dass es wichtig ist, die Identitätskrise ankommender Flüchtlinge zu begleiten. Dabei spielen die vielen Ehren-amtlichen, die praktisch helfen und sich um eine lebendige ‚Willkommenskultur‘ bemühen, eine zentrale Rolle. Im weiteren Verlauf des Ankommens müssen wir den Flüchtlingen Bil-dungs-, Qualifikations- und Freizeitangebote bieten, die ihren individuellen Fähigkeiten und Bedürfnissen entsprechen.“ (Dr. Alexander Röhler)

Stefan Puchberger Sara Ismail

Page 22: UNIVERSALIS Nr. 07

22 Campus

Geschwungene Elemente aus Bambus, be-

spannt mit einem aus Hanffasern gewebten

Stoff bilden die Basis des Konzepts von Da-

ryan Raphael Knoblauch und Felix Dehn. Ihr

Pavillonentwurf „Lotos“ belegte den ersten

Platz des Wettbewerbes, der 2015 Gegenstand

eines Praxisseminars für Architekturstudenten

im zweiten Semester an der Alanus Hochschule

war. Initiiert wurde er von dem Bio-Handels-

unternehmen Alnatura, dem für das Gelände

seines geplanten neuen Firmensitzes noch ein

Pausenpavillon fehlte.

NEUER RAUM FÜR ENTWICKLUNG

Alnatura, langjähriger Förderpartner der Hoch-

schule, ist in den vergangenen Jahren gewach-

sen. Aus diesem Grund soll Mitte des Jahres

in Darmstadt der Spatenstich für den Neu-

bau des Firmensitzes des Naturkosthändlers

gesetzt werden. Auf einer Fläche von 50.000

Quadratmetern entsteht auf einem brachlie-

genden, früher vom US-Militär genutzten Ge-

lände der neue Alnatura Campus. Wo früher

Panzer gewartet wurden, baut man jetzt neue

Bürogebäude, einen Kindergarten sowie einen

Alnatura Supermarkt und eine „Bio-Erlebnis-

farm“. Durch den Umbau und die neue Nut-

zung kommt wieder Leben auf das Gelände

und es werden Impulse für eine ökologische,

nachhaltige Stadtentwicklung gesetzt. Das

Grundkonzept für den Alnatura Campus stand

also, was noch fehlte war ein Pavillon für Mit-

arbeiter, Kunden und neugierige Besucher des

öffentlich zugänglichen Campusgeländes, zum

Verschnaufen, Entspannen und für die Rau-

cherpause.

Unter dem Arbeitstitel „Upcycling Alnatura –

ein Pavillon für den Alnatura Campus“ stellten

sich die 22 Architekturstudenten um Benedikt

Stahl, Professor für Architektur und Stadt-

raum, dieser Herausforderung. Es galt, einen

zehn bis fünfzehn Quadratmeter großen Raum

auf dem Gelände zu schaffen, der vor Wind

und Wetter schützt und in seiner Gestaltung

EINE BRACHE BLÜHT AUFEin Pavillon, der einen besonderen Bezug zur Natur hat – diesen zu entwerfen war die Kernaufgabe eines Wett bewerbes, den der Bio-Händler Alnatura eigens für Architektur Studenten der Alanus Hochschule ausgelobt hatte.

DER LOTOS PAVILLON Felix Dehn & Daryan Raphael Knoblauch

Einführung in das Entwerfen / Architektur und Städtebau / Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft / Prof. Benedikt Stahl & Ramona Metje / FS 2015 / 01.07.2015

1

2 3

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Zeichnungen des Gewinnerentwurfes von Daryan Raphael Knoblauch und Felix Dehn

Page 23: UNIVERSALIS Nr. 07

23Campus

sowie der Materialwahl einen Schwerpunkt auf

Nachhaltigkeit legt. Die Standortwahl inner-

halb des Campus war den Studenten freige-

stellt. In Zweierteams entwickelten, skizzier-

ten, zeichneten und bauten die Studenten ihre

Konzepte, die sie schließlich Alexander Link,

Mitglied der Geschäftsleitung bei Alnatura

sowie dem betreuenden Architekten Martin

Haas, Inhaber des Architekturbüros haascook-

zemmrich vorstellten. „Ich war von der Zusam-

menarbeit positiv überrascht“ so Haas. „Die

Studenten hatten sehr fundierte Vorkenntnis-

se, gerade was Raumempfindung und Materi-

al angeht.“ Vor allem schätze er die Inhaltli-

che Auseinandersetzung und das Nachdenken

über den Kontext. „Die Entwürfe sind wirklich

passend für den Raum und das Projekt konzi-

piert“, so der Architekt.

FOKUS AUF NATÜRLICHE MATERIALIEN

Haas und sein Team entwickelten das Kon-

zept und die Entwürfe für das neue Alnatu-

ra Firmengelände. Ihr besonderes Augenmerk

lag dabei auf der Verwendung nachwachsen-

der Baustoffe wie Holz und Lehm, dem Ein-

satz wiederverwertbarer Materialien und

einer hohen Energieeffizienz der entstehen-

den Gebäude. Diese Aspekte sollten sich auch

in dem von den Studenten entworfenen Pa-

villon wiederspiegeln. „Bei unserem Entwurf

haben wir uns von der Anatomie der Lotosblü-

te inspirieren lassen“ so Architektur-Student

Knoblauch über seinen Gewinnerentwurf. Das

geschwungene Grundgerüst aus Bambus des

vier mal drei Meter hohen Pavillons ist durch

ein Betonfundament im Boden verankert, der

flexible Bezugsstoff aus Hanf mit Harz imprä-

gniert. Damit hält der Pavillon trotz seiner fili-

granen Anmutung auch rauen Wettereinflüssen

stand. „Die schwungvolle dynamische Energie

der „Blütenblätter“ erzeugt eine geheimnisvol-

le Atmosphäre, durch ihre Form und Anordnung

ist aber auch ein optimaler Schutz gegen Wind

gewährleistet“, erklärt Knoblauch. Sein Profes-

sor Benedikt Stahl ergänzt: „Es waren mehrere

sehr gute Entwürfe dabei. Letztendlich haben

wir uns für das „Lotos“-Konzept entschieden,

da es vom Motiv her sehr schön ist und der

Standort in der Nähe des Teiches auf dem Ge-

lände gut gewählt war. Die Studenten haben es

geschafft, ein eigentlich sehr symmetrisches

Konstrukt durch die einzelnen gitterförmigen

Elemente dynamisch aufzulösen.“ Nicht zu-

letzt durch den Einsatz der natürlichen Mate-

rialien passe es zudem gut in das Gesamtkon-

zept des Alnatura Campus.

INTENSIVER PROZESS UNTER REALEN BEDINGUNGEN

Allen zehn eingereichten Entwürfen ging ein

intensiver dreimonatiger Arbeitsprozess vor-

aus. Dabei standen zunächst die inhaltliche

Auseinandersetzung mit dem Konzept des

Campus, dem Zweck des Pavillons und das

Nachdenken über Material, Größen und Pro-

portionen im Fokus. Ein Bild von dem Gelände

konnten sich die Studenten durch eine aus-

führliche Präsentation des Architekturbüros

und Gespräche mit dem Architekten machen.

Danach galt es, mehrere Ideenansätze zu ent-

wickeln und in Diskussionen mit den Team-

partnern und der Gruppe festzulegen, welche

Idee letztendlich verfolgt werden sollte. „Diese

Diskussionen sind ein wichtiger Bestandteil

des Lern- und Arbeitsprozesses und eine ide-

ale Vorbereitung auf die realen Arbeitsbedin-

gungen später. Meist arbeitet man im Berufs-

leben in Teams zusammen. Wie man da mit

kleineren Reibereien umgeht, lernt man am

besten schon vorher“ erzählt Benedikt Stahl,

der neben seiner Professur auch als Architekt

tätig ist. Dem folgten Skizzen und das Bauen

von Modellen, einige Studenten hielten ihre

Gedanken in Texten fest, die sie in der Grup-

pe präsentierten. Langsam näherte man sich

dem finalen Entwurf. „Besonders das Arbeiten

mit Modellen und dass nicht direkt alles digital

bearbeitet wird, habe ich als sehr sinnvolle Ar-

beitsweise empfunden“, betont auch Architekt

Martin Haas. Weiter führt er aus: „Insgesamt

halte ich das Ausbildungskonzept des Studi-

enganges für ein gutes Format. Anhand eines

realen Projektes mit einem realen Bauherrn

zu arbeiten, ist für die Studenten sicherlich

ein wichtiger Impuls in ihrer Ausbildung. Ich

hatte das Gefühl, mit Menschen zusammenzu-

arbeiten, die wirklich eine Leidenschaft für die

Architektur haben.“ Dem kann Student Knob-

lauch nur beipflichten „Was uns am meisten

getragen hat, war die Leidenschaft für das

Projekt. In seiner Einzigartigkeit kann es nur

an einem Ort stehen – und das ist auf dem

Alnatura Campus.“ SK

Die Studenten mit Architekturprofessor Benedikt Stahl, Architekt Martin Haas und Alexander Link, Geschäftsleitung Alnatura (Mitte v.l.n.r)

Page 24: UNIVERSALIS Nr. 07

24 Campus

Die Trennung zwischen Eurythmie und Tanz

ist für Melaine MacDonald ein rein historisch

begründetes „Überbleibsel“. Die Eurythmie-

professorin spricht auch lieber von „euryth-

mischer Arbeit“ als von Eurythmie als einer

fertigen Kunstform. Sie meint damit „den

forschenden Umgang mit Bewegung, der Er-

lebnisse der eigenen Innenwelt oder Sinnes-

eindrücke aufspürt und sie in körperlichen

Ausdruck verwandelt“. Die Bewegungskunst,

für die Rudolf Steiner Anfang des letzten Jahr-

hunderts den Grundstein legte, hat aus Sicht

von MacDonald das Potenzial zu der facetten-

reichen zeitgenössischen Tanzszene beizutra-

gen: „Wenn wir Tanz definieren, als künstleri-

sche Aussage, die sich durch Bewegung zeigt,

dann ist das Eurythmische mittendrin“, meint

die Professorin.

BEGEGNUNGEN ERMÖGLICHEN

Um ihren Platz in der heutigen Tanzlandschaft

zu finden, müssen Tänzer die aktuellen Ent-

wicklungen beobachten, wissen was in der Be-

wegungsszene los ist, und sich mit anderen

austauschen. Als Plattformen für die Begeg-

nung zwischen Tänzer aus der Eurythmieszene

und anderen zeitgenössischen Tanzströmun-

gen hat die Professorin Melaine MacDonald

daher vor mehr als fünf Jahren gemeinsam

mit ihrem Kollegen Alexander Seeger das Eu-

rythmieFestival und das EurythmieLabor ins

Leben gerufen. Über 25 Künstler aus Europa

und Übersee waren beim ersten Eurythmie-

Festival im Jahr 2010 auf der Bühne zu sehen:

An vier Tagen präsentierten sie an der Alanus

Hochschule zeitgenössischen Tanz, Perfor-

mance-Aktionen und Eurythmie in ihrer aktu-

ellen Bandbreite. Seither findet die Veranstal-

tung in lockerem Wechsel mit dem Eurythmie-

Labor statt – ein Format, das weniger durch

die Fülle der Aufführungen, dafür aber durch

EURYTHMIE TRIFFT ZEITGENÖSSISCHEN TANZ

Die vor über hundert Jahren von Rudolf Steiner entwickelte

Bewegungskunst im Dialog mit der heutigen Performance-Szene

„Der Farbfänger“, Performance von Kollewijn Welmoed, Absolventin der Alanus Hochschule, und Lisza Loidl, EurythmieLabor 2013

„Lamb“, Performance der Absolventin Miranda Markgraf, EurythmieLabor 2015

Page 25: UNIVERSALIS Nr. 07

25Campus

die Intensität des Austauschs besticht: „Hier

geht es darum, zusammen zu arbeiten“, betont

die Initiatorin. Nach jeder Präsentation finden

offene Gesprächsrunden mit Tänzern und Pu-

blikum statt, zum Teil werden Aufführungen

auch wiederholt, um sie erneut aus einem

anderem Blickwinkel analysieren zu können.

Zudem bieten alle Künstler Workshops an, so

dass die Zuschauer deren Arbeit noch intensi-

ver kennen lernen.

OFFENEN AUSTAUSCH PFLEGEN

Die offene und produktive Arbeitsatmosphäre,

bei der Unterschiede zwischen den Stilen be-

wusst erlebbar sind und Begegnungen ermög-

licht werden, motiviert nicht nur die Organisa-

torin jedes Jahr aufs Neue, sondern überzeugt

auch das Publikum und die geladenen Gäste.

„Das Schöne am EurythmieLabor ist, dass es

den Raum bietet, Eindrücke auszutauschen“,

meint Nina Patricia Hänel, Dozentin für zeit-

genössischen Tanz an der Hochschule für

Musik und Tanz Köln, die bereits zwei Mal in

Folge bei einem EurythmieLabor aufgetreten

ist. Insbesondere die Gespräche mit dem Pu-

blikum im Anschluss an ihre Aufführung hat

sie als bereichernd empfunden. „Durch die Be-

obachtungen, die die Zuschauer an mich zu-

rückgemeldet haben, habe ich Dinge gesehen,

die mir vorher nicht bewusst waren. Ich habe

sehr, sehr viel für meine Arbeit mitgenommen“,

resümiert die Tänzerin. Positiv aufgefallen ist

ihr die ausgeprägte Beobachtungsgabe der

Studenten im Publikum und deren Fähigkeit,

Erfahrungen und Wahrnehmungen ausformu-

lieren zu können.

ZEITGENÖSSISCHER TANZ IM STUDIUM

Die Begegnung mit anderen Tanzströmungen

ist auch im Eurythmie-Studium Programm. Die

Studenten werden von externen Dozenten bei-

spielsweise in Contact Improvisation oder New

Dance unterrichtet. „Ich finde es spannend,

Elemente aus anderen Bewegungsdisziplinen

kennen zu lernen und zu schauen, wie diese

mit den Elementen der Eurythmie verknüpft

werden können, wo sich gar Überschneidun-

gen finden lassen und was das Besondere der

Eurythmie ist “, meint die Studentin Jaqueli-

ne Fette. Sie hat gerade ein Seminar zu New

Dance besucht, hat jahrelang Ballettunter-

richt genommen und tanzt privat zusätzlich

Salsa. Ihr ist es wichtig, ihren Bewegungs-

wortschatz mit neuen Elementen und Ideen

zu erweitern. CZ

„through grass towards the sea“, Performance von Absolventen, EurythmieLabor 2014

„embodied self“, Performance von Nina P. Hänel, EurythmieLabor 2014

Page 26: UNIVERSALIS Nr. 07

26 Campus

Es ist kalt geworden in der Vulkaneifel. Über

den ungenutzten Teil des Dauner Friedhofes

zieht ein Schwarm Krähen hinweg. Ein Mann

mit orangefarbenen Arbeitshandschuhen

springt trotz seiner schweren Stiefel leichtfü-

ßig auf eine etwa ein Meter hohe Naturstein-

mauer. Sogleich beginnt er aus dem angren-

zenden, verwilderten Erdreich die Sträucher

und Gräser auszureißen. Eine junge Frau eilt

ihm zu Hilfe. Erst als ein großer moosbewach-

sener Stein freigelegt ist, hören die beiden

wieder auf. „Wer konnte so etwas ahnen!?

Das ist ja Klasse! Der muss auf jeden Fall da

bleiben“, bricht es aus der Professorin Diemut

Schilling heraus, die mit ihren Studentinnen

und Mitgliedern des Dauner Stadtrates auf der

Suche nach geeigneten Naturgegenständen für

zukünftige Grabstellen ist.

BESTEHENDE KONZEPTE ERWEITERN

Schon lange hat die Stadt Daun darüber nach-

gedacht, die ungenutzten Flächen des städ-

tischen Friedhofs „Wehrbüsch“ zu einer Na-

turbegräbnisstätte umzugestalten. Da auch in

Daun die Nachfrage nach klassischen Sarg-

beerdigungen in den letzten Jahren stetig zu-

rückgegangen ist, sind große Teile der hierfür

vorgesehenen Flächen ungenutzt geblieben.

Von einer Naturbegräbnisstätte unterscheidet

sich der klassische Friedhof gleich in mehreren

Aspekten. Gräber werden zum Beispiel nicht

künstlich nebeneinander angelegt. Viele Na-

turbegräbniskonzepte nutzen in speziell aus-

gewiesenen Waldgebieten Bäume als Grabstel-

len für die Urnen. Einige Konzepte sind aller-

dings markenrechtlich geschützt und dürfen

daher nicht ohne weiteres nachgeahmt wer-

den. „Auch unsere Ursprungsidee war es, den

Menschen hier aus der Region die Möglichkeit

zu geben, sich später einmal an den Wurzeln

eines Baumes bestatten zu lassen, wie man

es zum Beispiel von einem FriedWald kennt“,

erklärt Theresa Herzog, die in ihrem dicken

Wollmantel und dem großen Schal beim Frei-

legen des Steines ein wenig ins Schwitzen ge-

kommen ist. „Nun ist die Vegetation hier auf

dem Gelände zwar üppig, es gibt aber einfach

nicht viele und schon gar nicht große kräftige

Bäume. Wir haben uns daher gefragt, wieso

man die Begräbnisstellen derart auf Bäume

begrenzen muss“, berichtet die Studentin,

deren Atem sich beim Sprechen in der kal-

ten Morgenluft zu weißem Nebel verwandelt.

„In unserem Konzept sind auch Bestattungen

unter einem Busch oder einem anderen Natur-

gegenstand wie eben einem großen Stein oder

einer kräftigen Baumwurzel möglich“, erklärt

sie. Naturbegräbnisstätten sind auch deshalb

so beliebt, da sie weder an eine bestimmte

Glaubensrichtung gebunden sind, noch viel

Aufwand für die Hinterbliebenen bedeuten:

Die Grabpflege entfällt, da es keine Beete oder

die üblichen großen beschrifteten Grabsteine

UNTER STOCK UND STEIN Immer weniger Menschen entscheiden sich für eine klassische Beerdigung auf dem Friedhof. Auch die Stadt Daun folgt dieser Entwicklung und arbeitet nun mit dem Studiengang Kunst-Päda gogik-Therapie zusammen an der Errichtung einer Naturbegräbnisstätte.

Theresa Herzog nach dem Freilegen eines Steines

Der obere Abschnitt der zukünftigen Naturbegräbnisstätte

Die Gruppe erkundet das Gelände

Page 27: UNIVERSALIS Nr. 07

2727Campus

gibt. „Auf Wunsch können die Angehörigen die

Naturgegenstände durch individuelle Objekte,

wie zum Beispiel ein kleines Schild mit Namen

oder einem Symbol kennzeichnen, ansonsten

belassen wir sie in ihrer natürlichen Form“,

führt Herzog aus. Durch persönliche Kontak-

te entstand Ende 2014 die Zusammenarbeit

zwischen der Stadt Daun und dem Studien-

gang Kunst-Pädagogik-Therapie an der Alanus

Hochschule.

DAS GELÄNDE NEU DENKEN

„Besonders am Anfang war die Teamarbeit

ganz wichtig. Wir haben gemeinsam ein maß-

stabsgerechtes Modell des Geländes erstellt,

uns überlegt, was überhaupt möglich ist, Ideen

gesammelt. Dann haben wir das Gelände in

Abschnitte unterteilt, von denen jeder einen

individuellen Gestaltungsschwerpunkt be-

kommt“, erklärt die Professorin, während sie

der Studentin ihre Hand beim Sprung von der

Mauer reicht. Das Projekt stellt gleich mehre-

re Anforderungen an die Gruppe: „Zum einen

müssen wir das komplette Gelände als Natur-

begräbnisstätte neu denken. Da tauchen dann

zum Beispiel Fragen nach der Wegführung

auf, nach Raumwirkungen je nachdem welche

Pflanzen blühen; bereits die Gestaltung des

Eingangstores kann ein wichtiger Aspekt bei

der Rauminszenierung sein“, erläutert Schil-

ling. Der Entwurf bedenke aber andererseits

auch, dass sich die Menschen noch zu Leb-

zeiten dort einen Platz aussuchen können. Au-

ßerdem sei wichtig, die Bedürfnisse der Hin-

terbliebenen zu berücksichtigen, ihnen jetzt

schon die zukünftige Wirkung der Umgestal-

tung nachvollziehbar zu vermitteln, berichtet

sie weiter und reiht sich in eine der Gruppen

ein, die sich mittlerweile am Rande einer grö-

ßeren Wiese gebildet hat. In den unterschied-

lichen Gruppen diskutieren die Studentinnen

gerade mit den Mitgliedern des Stadtrates

verschiedene Themen zu Wegebelägen, einem

Müllsystem und der Realisierbarkeit von ent-

worfenen Gestaltungselementen.

SYNERGIEN NUTZEN

Die Studentin Marie Jennes hat sich zum Bei-

spiel das Semester über Gedanken zu einer

Mauer gemacht, die sie auf dem Gelände er-

richten möchte. Sie stelle sich eine Konstruk-

tion aus losem Naturstein vor, der geschichtet

wird. Die Mauer soll sich keiner festen Form

folgend über die gesamte Fläche schlängeln,

erklärt sie und deutet mit einer wellenartigen

Armbewegung von links nach rechts über das

Gelände. „Bedenken Sie aber auch, dass sich

jemand dagegen lehnen könnte und die Mauer

bei dieser Konstruktion nicht stabil genug

ist“, wirft der im Projekt beteiligte Revier-

förster Gerhard Herzog ein. „Vielleicht könnte

man dahinter eine Stützmauer errichten. Oder

den Naturstein außen um ein feststehendes

Mauerwerk arbeiten“, ergänzt sein Mitarbeiter,

Forstwirtschaftsmeister Hendrik van Schoo-

ten. „Es ist beispielhaft“, findet Bürgermeister

Martin Robrecht, „wie sich die Stadt Daun und

die Alanus Hochschule hier ergänzen. Beson-

ders beeindruckend ist es aber auch zu sehen,

mit welchem Engagement und welcher Kreati-

vität sich die Studentinnen sowie die Profes-

sorin dieser Aufgabe stellen.“

RAUM FÜR ÜBERRASCHUNGEN

Nach der Begehung weiterer Geländeabschnit-

te entdecken die Projektteilnehmer auf einer

verwilderten Fläche aus verwelkter Schaf-

garbe, Brombeerbüschen und Gräsern einen

jungen Baum, der sich auf Grund seiner Le-

bensdauer und der Lage als mögliche Begräb-

nisstelle eignet. Sofort ist der Förster mit den

orangefarbenen Arbeitshandschuhen zur Stelle

und bahnt sich seinen Weg durch den Wild-

wuchs zu dem jungen Stamm. Nachdem er ihn

mit einer roten Langzeitsprühfarbe markiert

hat, legt er beim Beschneiden der umliegenden

Pflanzen einen ungeahnten Panoramablick auf

den tiefer gelegenen Stadtkern von Daun frei.

Erneut bricht es aus der Professorin heraus:

„Wer konnte so etwas ahnen!? Das behalten

wir gleich bei!“ NK

PROJEKTAUSBLICKDie Umbauarbeiten auf dem Gelände des städtischen Friedhofs „Wehrbüsch“ in Daun haben begonnen. Im Laufe des Jahres sollen die ersten Begräbnisstellen für die Öffentlich-keit zugänglich gemacht werden. In Zusam-menarbeit mit dem Fachbereich Architektur der Alanus Hochschule ist zudem der Bau einer Andachtsstätte auf dem Gelände in Pla-nung.

Eine Gruppe Studentinnen nach ersten Umbauarbeiten

Page 28: UNIVERSALIS Nr. 07

28 Campus

Ihre Studienangebote sind zum Herbstsemester 2015 neu an der Hochschule gestartet. Wieso haben Sie sich dafür entschieden?

MENZEL: Ich habe nach etwas gesucht, das mir zeigt, in welche Rich-

tungen ich nach der Schule gehen kann. Eine Freundin, die hier Eu-

rythmie studiert, hat mir dann vom Orientierungsstudium erzählt. —

CACCECE: Ich wollte schon immer Philosophie studieren, aber nur Phi-

losophie war mir zu wenig praxisorientiert. Meine Freundin, mit der ich

bereits in Alfter wohnte, hat mir dann von dem Studiengang ‚Philosophy,

Arts and Social Entrepreneurship‘ erzählt. Ich fand das interessant und

habe gemerkt, dass das genau das ist, was ich gesucht habe.

Was haben Sie vor dem Studienstart im Herbst 2015 gemacht?CACCECE: Ich habe Jugend- und Heimerzieher gelernt und zwei-

einhalb Jahre in dem Beruf gearbeitet. Ich habe den Job sehr gerne ge-

mocht, nur der Rahmen, in dem man arbeitet, war mir persönlich zu eng.

Er passte nicht zu meiner Persönlichkeit. Ich hätte gerne sehr viel freier

gearbeitet und mehr Mitspracherecht gehabt. — MENZEL: Nach dem

Abitur war ich ein Jahr in Argentinien und habe dort ein freiwilliges Jahr

an einer Waldorfschule gemacht. In der zweiten Klasse habe ich einzelne

Kinder mit Lern- und Konzentrationsschwierigkeiten intensiv begleitet

und selbst Deutsch- und Werkunterricht gegeben. Nachmittags haben

wir mit Lehm und Stroh weiter an dem Schulgebäude gebaut.

Was waren die bisherigen Highlights in Ihrem Studium?MENZEL: Mir gefiel der Chor am besten. Er ist ein schöner Aus-

gleich zum Theoretischen. Auch ein Poesie-Seminar aus der Zeit der

FREIHEIT UND ORIENTIERUNG

Emanuel Caccece studiert den neuen Bachelorstudiengang „Philosophie, Arts and Social Entrepreneurship“. Cassandra Menzel hat im Herbstsemester das Orientierungsstudium besucht, in dem sie ein bis zwei Semester Einblicke in

verschiedene Bachelorstudiengänge erhielt. Im Interview erzählen sie von der Freiheit im Studium und zu vielen Plänen.

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Page 29: UNIVERSALIS Nr. 07

29Campus

Frühromantik hat mir gut gefallen. Das deckt

sich mit meiner persönlichen Leidenschaft.

— CACCECE: Man kommt nicht umhin Ver-

bindungen zwischen den Seminaren zu zie-

hen. Wir hatten zum Beispiel ein Seminar über

Goethes Autobiographie und ein Seminar über

Grundbegriffe der Sozialforschung am Beispiel

Familie. Wenn man dann sieht, wie Goethe in

seiner Familie heranwächst und man denkt an

den Begriff der ‚Triade‘ aus der Familienfor-

schung, dann verbinden sich diese weit ent-

fernten Themengebiete plötzlich miteinander.

Würden Sie Ihr Studium als „frei“ be-zeichnen?

CACCECE: Es fühlt sich sehr frei an. Ich konn-

te mir alle meine Veranstaltungen selbst zu-

sammenstellen. Das Selbstständige ist etwas

Grundlegendes in unserem Studiengang. Wir

werden auch ganz viel gefragt, was uns gefällt

und was man verbessern könnte. Unfrei ist es

natürlich in dem Sinne, dass es Richtlinien und

Kreditpunkte gibt, da am Ende ein Bachelorab-

schluss steht. — MENZEL: Wir haben sogar

noch mehr Freiheiten. Wir streben ja keinen

Bachelorabschluss, sondern nur ein Zertifikat

an und müssen daher auch nur weniger Leis-

tungspunkte zusammenbekommen. Vor allem

können wir uns aus allen Bachelorstudiengän-

gen unseren Stundenplan zusammenstellen.

Das ist eine noch größere Vielfalt. Unfrei sind

wir nur in dem Punkt, dass manche Studien-

gänge nicht so viele Kurse öffnen können, was

die Auswahl beschränkt. Die Schauspieler stu-

dieren zum Beispiel in kleinen Jahrgängen in

sehr intensivem Austausch. In manchen Kur-

sen könnten neue Personen dann die Gruppen-

dynamik stören.

Inwiefern glauben Sie, dass sich Ihr Studium von anderen unterscheidet?

CACCECE: Man wird in diesem Studium stär-

ker dazu angehalten, sich selbst zu organisie-

ren. So ist es später im Berufsleben auch. Man

muss schauen, welche Bereiche einem liegen

und wo man sich einbringen kann. Das ist für

mich ein Grund gewesen, diesen Studiengang

zu studieren und für andere genau nicht. Am

Ende steht eben nicht der eine bestimmte

Beruf. Außerdem bekommen wir Einblicke in

viele unterschiedliche Bereiche und lernen,

verschiedene Denkweisen zu verstehen. Wenn

man sich mit verschiedenen Weltanschauun-

gen beschäftigt, die in sich schlüssig sind,

sich aber gegenüberstehen, lernt man, diese

immer wieder zu hinterfragen. Wir haben eine

wahnsinnige Spezialisierung in unserer Ge-

sellschaft und viele Wissenschaften verste-

hen sich untereinander nicht. Es wäre schön,

wenn die Wissenschaften wieder näher zusam-

menrücken und sich fragen: Was machen wir

hier gerade eigentlich zusammen für die Ge-

sellschaft? — MENZEL: Das Orientierungs-

studium dient zum Ausprobieren verschiede-

ner Pläne. Wir sind kein eigenständiger Stu-

diengang. Jeder besucht die Kurse, die ihn

interessieren. Dadurch entsteht kein richtiges

Gruppen- oder Zusammengehörigkeitsgefühl.

Außerdem bin ich zwar Gast in vielen Kursen,

aber kann nirgendwo richtig eintauchen. Die

Architekturstudenten sind bei ihren Projekten

mit voller Leidenschaft dabei, aber ich nehme

es nur oberflächlich wahr. Bei den Architek-

ten bin ich einmal einen ganzen Tag geblieben,

damit ich sehe, woran sie arbeiten. So etwas

hilft eher herauszufinden, was man selbst stu-

dieren möchte, als wenn man einfach nur eine

Vorlesung besucht.

Haben Sie schon Pläne, wie es nach dem Studium weitergehen soll?

MENZEL: Mein Orientierungsstudium von

einem Semester endet nach dem Herbstse-

mester 2015/2016. Hier habe ich für mich

persönlich keine passende Studienrichtung

gefunden, daher möchte ich jetzt die medizi-

nische Richtung ausprobieren und ein Prakti-

kum im Krankenhaus machen. Ich hatte schon

länger den Wunsch Psychologie zu studieren,

wollte mich bisher aber noch nicht festlegen.

— CACCECE: Ich schreibe sehr gerne und

möchte gerne viel publizieren. Dies nebenher

zu tun wäre mein Wunsch. Was ich gerne als

Praxisprojekt umsetzen und eventuell auch

nach dem Studium machen möchte ist, als

freier Dozent oder Referent arbeiten. Ich möch-

te zum Beispiel das 12-Sinne-System von Ru-

dolf Steiner für Kinder und junge Erwachsene

praktisch erfahrbar machen. Ich möchte auf

jeden Fall nicht rein theoretisch arbeiten und

auch eine Festanstellung vermeiden. SST

Emanuel Caccece // Jahrgang 1993,

kommt aus Wangen vom Bodensee und

studiert „Philosophy, Arts and Social

Entrepreneurship“ im 1. Semester.

Cassandra Menzel // Jahrgang 1995,

kommt aus Hamburg und hat im Herbst-

semester 2015 / 2016 das Orientie rungs -

studium besucht.

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Page 30: UNIVERSALIS Nr. 07

30 Forschung

PRESTIGE VOR PROFIT?WARUM UNTERNEHMEN

NACHHALTIG WIRTSCHAFTEN

Das primäre Ziel eines Unternehmens ist die Profitmaximierung – diese Kernaussage neoliberalen Denkens trifft jedoch nicht

auf das Nachhaltigkeitsmanagement zu. Eine Untersuchung, an der Jacob Hörisch aus dem Fachbereichs Wirtschaft mitgewirkt hat, zeigt,

dass Unternehmen in erster Linie nachhaltig handeln, um ihre gesellschaftliche Akzeptanz zu erhöhen.

Page 31: UNIVERSALIS Nr. 07

31Forschung

„Es kann keine nachhaltige Entwicklung ohne

nachhaltige Unternehmen geben.“ – unter die-

ser Annahme untersucht das Nachhaltigkeits-

management als Teildisziplin der Betriebs-

wirtschaftslehre, wie Unternehmen zu einer

nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft

beitragen können. In der akademischen Li-

teratur gibt es zwei einschlägige Diskurse,

warum Unternehmen versuchen, nachhaltig

zu wirtschaften: die Logik der Profitsteige-

rung und die der Legitimitätssicherung. Die

erste besagt, dass der einzige Grund, warum

Unternehmen Verantwortung für Umwelt und

Gesellschaft übernehmen, die Möglichkeit ist,

den Profit zu erhöhen. Die zweite Logik geht

davon aus, dass Unternehmen nicht nur nach

Gewinn, sondern auch nach gesellschaftli-

cher Akzeptanz streben müssen, damit Kun-

den bei ihnen kaufen und Mitarbeitende gerne

bei ihnen arbeiten. Im Englischen wird diese

Logik auch als „licence to operate-Ansatz“

bezeichnet.

NACHHALTIGKEITSMANAGEMENT FÜR DIE GESELLSCHAFTLICHE LEGITIMITÄT

Für beide Logiken gibt es eine große Menge

akademischer Literatur, aber nur wenige

praktische Untersuchungen. Diese Lücke füllt

jetzt eine empirische Untersuchung der Ala-

nus Hochschule und der Leuphana Universität

Lüneburg. Jacob Hörisch, Juniorprofessor für

Sustainable Innovation und Entrepreneurship

an der Alanus Hochschule, und Stefan Schal-

tegger, Professor für Nachhaltigkeitsmanage-

ment an der Leuphana Universität Lüneburg,

haben die 500 größten Unternehmen Deutsch-

lands zu ihrem Nachhaltigkeitsmanagement

befragt. In einem zweiten Schritt wurde die

gleiche Erhebung auch in Großunternehmen

weiterer Länder durchgeführt. Das Ergebnis

blieb gleich: Unternehmen betreiben Nachhal-

tigkeitsmanagement in erster Linie, um ge-

sellschaftliche Legitimität zu erlangen oder zu

erhöhen. Das Hauptaugenmerk unternehmeri-

schen Nachhaltigkeitsmanagements liegt nicht

auf der Gewinnmaximierung.

„Wir wollten nicht nur wissen, warum Unter-

nehmen Nachhaltigkeitsmanagement betrei-

ben, sondern auch, wie sie es umsetzen und

was sie damit erreichen wollen“, erklärt Hö-

risch, der sich bereits in seiner Dissertation,

die mit dem Leuphana Nachwuchspreis für

Forschung ausgezeichnet wurde, mit Nach-

haltigkeitsmanagement beschäftigt hat. Die

Erhebung untersucht, aus welchen Gründen

Unternehmen Nachhaltigkeitsmanagement be-

treiben und wie sie dies in ihr Alltagsgeschäft

integrieren. Die Antworten wurden entweder

der profit- oder der legitimitätsorientierten

Perspektive zugeordnet. Die Auswertung zeigt,

dass sich in jedem Unternehmen Ansätze bei-

der Perspektiven finden. Im Durchschnitt aller

Unternehmen überwiegt jedoch die legitimi-

tätsorientierte Perspektive. Daraus ergeben

sich neue Sichtweisen auf Unternehmen, be-

tont Hörisch: „Die Untersuchung zeigt, dass

Unternehmen nicht nur nach der Profit-Logik

funktionieren.“ Man müsse sich daran gewöh-

nen, dass es weitere Logiken in Unternehmen

gibt, die Entscheidungen in Unternehmen be-

einflussen.

ALLE ABTEILUNGEN MIT INS BOOT HOLEN

Die Forscher fragten unter anderem, welche

Stakeholder, also Anspruchsgruppen, unter-

nehmerische Nachhaltigkeit am stärksten

unterstützen. Dabei zeigte sich, dass Stake-

holder, die nicht direkt zum Profit, sondern

vor allem zur Sicherung der Legitimität des

Unternehmens beitragen, eine wesentlichere

Rolle spielen als Stakeholder, die vor allem aus

Sicht der Profitorientierungslogik von Bedeu-

tung sind. Ähnlich verhält es sich mit der Im-

plementierung von Methoden des Nachhaltig-

keitsmanagement. Unternehmen nutzen dafür

eher Methoden, welche die Reputation verbes-

sern oder die Motivation der Mitarbeitenden

stärken – zum Beispiel Nachhaltigkeitsbericht-

erstattung, Sponsoring, Stakeholder-Dialoge

–, als Methoden, die darauf abzielen, Kosten

zu sparen oder Einnahmen zu erhöhen – zum

Beispiel Umweltkostenrechnung oder eine Öko-

Effizienz-Analyse. Auch bei den Abteilungen,

die sich am stärksten mit dem Nachhaltig-

keitsmanagement befassen, liegen legitimi-

tätsorientierte Abteilungen, wie die Kommuni-

kations- und Rechtsabteilung, insgesamt vor

den Finanz- und Controlling-Abteilungen. Hö-

risch weiß: „Eine konsequente Umsetzung un-

ternehmerischer Nachhaltigkeit erreicht man

nur, wenn man alle Abteilungen mit ins Boot

holt und Nachhaltigkeit im Kerngeschäft des

Unternehmens verankert wird. Damit Nachhal-

tigkeit zum Profit beitragen kann, müssen die

Finanzabteilung und das Controlling stärker

eingebunden werden.“ SST

DIE STUDIEDie quantitative Erhebung „In search of the Dominant Rationale in Sustainability Manage-ment: Legitimacy- or Profit-Seeking?“ ist im Oktober 2015 im Journal of Business Ethics des Springer-Verlags erschienen. Die Forscher haben dafür Datenmaterial aus dem Corpo-rate Sustainability Barometer 2012 des Center for Sustainability Management ausgewertet.

Page 32: UNIVERSALIS Nr. 07

32 Forschung

Ein Wohnmobil voll mit Farben, Stiften, Papier

und Musikinstrumenten, das als rollendes The-

rapiezentrum zu Schwerkranken nach Hause

kommt, die ihre letzten Tage in vertrauter Um-

gebung verbringen möchten. Der Therapeut

bittet den Patienten entweder an den Tisch

des Wohnmobils oder nimmt das Therapiema-

terial mit in die Wohnung. Hier arbeitet er mit

dem Kranken an Themen, die dieser vor dem

Tod noch abschließen will, unterstützt beim

Abschied nehmen und bei der Bewältigung

der Krankheitssymptome.

Noch ist dieser mobile Service eine Vision, er

könnte jedoch im Rahmen eines Forschungs-

projekts Wirklichkeit werden: Sabine Koch, seit

November 2015 Leiterin des Forschungsinsti-

tuts für Künstlerische Therapien an der Alanus

Hochschule, möchte gemeinsam mit Kollegen

aus der Palliativmedizin des Universitätskli-

nikums Bonn die Wirkung künstlerisch-thera-

peutischer Methoden in der ambulanten Be-

gleitung Sterbender untersuchen. „Dass man

mit Musiktherapie Schmerzen reduzieren kann,

ist bereits belegt, für die anderen Therapie-

formen – Kunsttherapie, Bewegungstherapie,

Theater- oder Schreibtherapie – ist dies jedoch

noch offen“, erklärt die Professorin die mögli-

che Forschungsfrage.

FORSCHUNGSPROJEKTE ENTWICKELN

Dies ist nur eins von drei derzeit geplanten

Projekten des Instituts. Mit dem Institut für

integrative Medizin der Universität Witten/

„ IM GESUNDHEITSWESEN ZÄHLEN HARTE FAKTEN“

Ein neues Forschungsinstitut soll die Wirksamkeit der künstlerischen Therapien untersuchen und zur Etablierung dieser Therapieformen beitragen.

Page 33: UNIVERSALIS Nr. 07

ihrer bisherigen Forschungspraxis. Sie hat an

der Universität Heidelberg verschiedene größe-

re Studien entwickelt und durchgeführt, etwa

zur Körpersprache von Tanz- und Bewegung

und zur Auswirkung von Bewegungstherapie

auf Affektausdruck und Interaktionsverhalten

bei Autismus und Schizophrenie.

EMPIRISCHE STUDIEN DURCHFÜHREN

Wichtig für die Anerkennung der künstleri-

schen Therapieformen sind, so Koch, „harte

Maße und Zahlen“. Die Wirkungen der Therapie

müssen anhand biologischer Parameter, wie

etwa der Veränderung des Herzrhythmus oder

der Hormonausschüttung, gemessen werden.

Denn wer im Gesundheitssystem bestehen will,

muss den Kriterien evidenzbasierter Forschung

genügen, muss also in großen, möglichst ran-

domisierten und kontrollierten Studien über

einen langen Zeitraum Daten erheben. Erst

wenn die Wirksamkeit einer Behandlung em-

pirisch nachgewiesen ist, wird sie in medizi-

nische Leitlinien aufgenommen. Diese legen

fest, welche Behandlung bei welcher Erkran-

kung empfohlen und finanziert wird. „Solan-

ge dies der Goldstandard in den Gesundheits-

wissenschaften ist, müssen wir solche Studien

beisteuern“, erklärt die Wissenschaftlerin.

„Zum Glück konnten die bisherigen Forschun-

gen meistens auch zeigen, dass die künstle-

rischen Therapien sehr wirksam sind“, freut

sich Koch. Wichtig sei nun, für alle wichtigen

Krankheitsbilder, bei denen sich diese Thera-

pieformen in der Praxis als erfolgreich erwie-

sen haben, geeignete Studien auf die Beine

33Forschung

Herdecke plant Koch außerdem eine Studie

zum Einsatz der künstlerischen Therapien bei

der Behandlung von Krebspatienten. Ein inter-

nationales Projekt soll mit Forscherinnen aus

Israel Methoden zur Erfassung künstlerisch-

therapeutischer Prozesse ergründen.

Einen großen Teil ihrer Arbeitszeit verwen-

det die ausgebildete Psychologin und Tanz-

therapeutin momentan darauf, passende

Forschungsausschreibungen zu finden, mit

möglichen Kooperationspartnern im In- und

Ausland zu sprechen und Anträge zu schrei-

ben, um die benötigten Forschungsgelder zu

bekommen. Das ist aufwendig und „die Ableh-

nungsquoten liegen bei 7 zu 1“, weiß Koch aus

DAS FORSCHUNGSINSTITUT Das Research Institute for Creative Arts Therapies (RIArT), gegründet im November 2015 an der Alanus Hochschule, wird geför-dert von der Software AG-Stiftung. Koope-rationspartner ist die Universität Witten/Herdecke.

Institutsleitung: Sabine C. Koch, Professorin für Empirische Forschung in den Künstleri-schen Therapien.

zu stellen – dazu möchte das Institut einen

Beitrag leisten.

NACHWUCHSWISSENSCHAFTLER AUSBILDEN

Es gibt allerdings bisher nur sehr wenige Men-

schen, die die notwendige Forschung in dem

erforderlichen Umfang leisten können. Das In-

stitut hat sich daher zur zweiten große Auf-

gabe den Aufbau eines Promotionsprogramms

gemacht: Gemeinsam mit Kollegen der Alanus

Hochschule und der Universität Witten/Herde-

cke entwickelt Koch derzeit die Struktur und

das Curriculum des Promotionsstudiengangs,

der im Jahr 2017 starten soll. Ein wichtiger

Teil wird die Schulung der Studenten in quan-

titativen Forschungsmethoden sein, damit

diese zur evidenzbasierten Forschung beitra-

gen können. Ihr eigenes Forschungsprojekt

könnten die Doktoranden dann zum Beispiel

am Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke

durchführen. „Dort gibt es viele Patienten-

gruppen, mit denen man arbeiten und sinn-

volle Daten erheben könnte“, ist die Forscherin

überzeugt. CZ

Arbeiten einer Patientin zum Thema „Begegnungen“

Page 34: UNIVERSALIS Nr. 07

34 Alanus Werkhaus

Page 35: UNIVERSALIS Nr. 07

35Alanus Werkhaus

Am Weiterbildungszentrum auf dem Johan-

nishof ist Martin Mohr bereits heimisch, denn

hier ist er schon seit 2009 als freier Kunstdo-

zent aktiv. Dabei fiel ihm von Anfang an der

wertschätzende Umgang mit den Dozenten,

mit den Kursteilnehmern und nicht zuletzt mit

der Kunst angenehm auf. Viele gute Gründe

für ihn, Teil des 14-köpfigen Werkhaus-Teams

werden zu wollen.

VIELFÄLTIGE AUFGABEN

Seit November 2015 arbeitet der 42-Jährige

nun am Alanus Weiterbildungszentrum und

genießt die Vielfältigkeit seines Aufgaben-

bereichs. Nach seinem Studium der Visuellen

Kommunikation studierte Mohr Freie Kunst an

der Universität der Künste Berlin. Er war (und

ist) bereits seit vielen Jahren erfolgreich als

Maler sowie als freier Dozent in verschiedenen

Bildungseinrichtungen tätig. Als Bildungsre-

ferent ist er nun verantwortlich für die Pla-

nung des umfangreichen Kursprogramms zur

bildenden Kunst, pflegt die Kontakte zu den

jeweiligen Kursdozenten, kümmert sich um die

Programmkonzeption und ist weiterhin lehrend

tätig – unter anderem in der Studienvorberei-

tung, dem sogenannten „Mappenkurs“, der auf

die Bewerbung für Kunst- und Designstudien-

gänge vorbereitet, sowie im Jahr 2016 in den

Kursen „Alchemie der Malerei“ und „Großfor-

matige Malerei“.

KUNST ALS ENTWICKLUNGSRAUM

Angesprochen auf den Kurs zur großformatigen

Malerei holt er aus und erklärt lebhaft, dass

Malerei Fläche braucht, um sich entwickeln zu

können und dass der Freiraum in einem Bild

einen Entwicklungsraum darstellt. Dieses Prin-

zip findet sich seiner Meinung nach ebenfalls

im Weiterbildungszentrum, das er auch „Re-

fugium“ nennt: Hier wird Kunst gemacht von

Menschen, die Kunst leben; hier öffnet sich

die Kunst, geht nach außen und hier erlebt er

die Kunst als Entwicklungs- und Gestaltungs-

raum – sowohl auf persönlicher als auch auf

gesellschaftlicher Ebene. Es reizt ihn, sich an

dieser Stelle einzubringen. So möchte er als

Bildungsreferent in der Zukunft gerne neue Im-

pulse und Ideen im Kursprogramm umsetzen

und denkt dabei an Angebote beispielsweise

zum „künstlerischen Sehen“, zum Aufbrechen

von „Schubladendenken“ in angewandter und

freier Kunst oder zur Selbstvermarktung von

Künstlern unter Einbeziehung neuer Medien.

MIT UND IN DER KUNST FRAGEN STELLEN

In der Kombination seiner Aufgaben entstehen

für Martin Mohr anregende Synergien: Als Bil-

dungsreferent und Dozent hat er die Möglich-

keit, aus dem persönlichen „Künstlerkosmos“

herauszutreten und gedanklich beweglich zu

sein und zu bleiben. Jede seiner unterschied-

lichen Tätigkeiten stellt für den Künstler eine

Form des Austausches dar und bietet den Rah-

men für spannende Begegnungen. In den un-

terschiedlichen Rollen ist er jeweils gleicher-

maßen aktiv für die Kunst. Das ist wichtig für

ihn, denn mit und in der Kunst möchte Martin

Mohr, so erklärt er nachdrücklich, „Fragen stel-

len, keine Antworten geben“. Es sind Fragen an

sich selbst, an jeden einzelnen, an die Malerei,

an die Kunst und an die Gesellschaft. KS

„ AM WERKHAUS WIRD KUNST GEMACHT!“Das war es unter anderem, was Martin Mohr dazu bewog, beim Alanus Weiterbildungs-zentrum als Bildungsrefe-rent für den Bereich Bildende Kunst tätig zu werden.

KUNSTKURSE MIT MARTIN MOHRGroßformatige Malerei 23.09. – 25.09.2016

Die Alchemie der Malerei 18.11. – 20.11.2016

Studienvorbereitung Mappenkurs 24.10.2016 – 24.03.2017

Page 36: UNIVERSALIS Nr. 07

36 Menschen

Anfang der 90er-Jahre: Susanne Blazejewski

hat gerade ein duales Studium der Betriebs-

wirtschaftslehre begonnen und sitzt in der

Einführungsveranstaltung ihres Partnerun-

ternehmens. Der Vortragende, Manager eines

großen Automobilherstellers, erklärt den Erst-

semestern, dass ihre Identifikation mit dem

Unternehmen so stark sein müsse, dass sie

sich freiwillig das Firmenlogo auf der Stirn ein-

brennen lassen würden. Noch in der Probezeit

kündigt Blazejewski. „Meine erste Begegnung

mit der Unternehmenspraxis und der BWL war

desaströs“, konstatiert sie rückblickend.

Hätte man der damaligen Erstsemesterin er-

zählt, dass sie einmal selbst BWL unterrich-

ten würde, sie hätte wohl laut gelacht. „Den

Plan, zu promovieren und Professorin zu wer-

den, gab es in meinem Leben lange Zeit nicht“,

erzählt die gebürtige Niederrheinerin. Ander-

seits habe sie sich aber auch nie vorstellen

können, das wissenschaftliche Arbeiten an der

Universität aufzugeben. Nach dem ersten un-

erfreulichen Kontakt mit der BWL studierte die

begeisterte Bücherliebhaberin zunächst Lite-

raturwissenschaften, doch geprägt von ihrem

Vater und seiner Laufbahn in einem großen IT-

Unternehmen, ließ sie der Gedanke nicht los,

etwas „Vernünftiges“ zu studieren, „damit ich

später nicht als Literatin auf der Straße ste-

hen würde.“ Daher entschied sie sich erneut

für die BWL, zunächst im Nebenfach, „quasi

als Absicherung“.

„EINE ABSURDE KOMBINATION"

„Literatur und BWL – Anfang der 90er-Jahre

eine völlig absurde Kombination“, die so auch

nicht vorgesehen war und die sie sogar beim

Ministerium beantragen musste. Ihr BWL-Pro-

fessor meinte, dass sie ihr Talent an die Lite-

ratur verschwenden würde, während ihre Kom-

militonen aus der Literaturwissenschaft nicht

verstanden, wie sie so etwas „Schnödes“ wie

BWL studieren konnte. „Zwei Wissenschaften

auf einem Campus, auch noch in Nachbarge-

bäuden, die eine Meinung voneinander haben,

aber nicht die geringste Ahnung, was der an-

dere eigentlich macht“, resümiert Blazejews-

ki, schüttelt energisch den Kopf und erzählt in

SUSANNE BLAZEJEWSKI –DIE PROFESSORIN,

DIE WIRTSCHAFT UNDKUNST VEREINT

Susanne Blazejewski lehrt unter dem Motto „Wirtschaft neu denken“ Betriebswirtschaftslehre in Kombination mit Kunst- oder Kulturwissenschaften: Eine einzigartige Verbindung, die die Professorin schon lange begleitet, die nicht für jeden so selbstverständlich ist, wie für sie.

Page 37: UNIVERSALIS Nr. 07

37Menschen

ihrer schnellen Art weiter. Dass zwischen den

Fächern sehr wohl eine Verbindung besteht,

zeigte sie ihren Kritikern, indem sie mit Mar-

ketingmethoden die Kommunikationsstrate-

gien der katholischen Kirche in den Büchern

von Umberto Eco untersuchte oder interme-

diale Verknüpfungen von Bildern und Texten

in der Literatur und der Werbung gegenüber-

stellte. Am Ende lagen ihr beide Fächer so sehr

am Herzen, dass sie sowohl BWL mit Diplom

als auch Literaturwissenschaften mit einem

Magister abschloss.

IN MEHREREN WELTEN ZU HAUSE

Seit 2010 lehrt sie nun an der Alanus Hoch-

schule in einem BWL-Studiengang, der neben

klassischer Betriebswirtschaftslehre Kunst-

und Kulturwissenschaften beinhaltet. „In

meinem Leben musste ich oft die BWL vor der

Literatur und andersherum verstecken. Hier ist

ein Ort, an dem wir endlich Kunst und Wis-

senschaft miteinander verbinden“, erzählt sie

begeistert. Eine der ersten, die sie in ihrem

Ansatz bestärkte, war Gesine Schwan, die ehe-

malige Präsidentin der Europa-Universität Via-

drina in Frankfurt an der Oder. Als Blazejewski

dort Ende der 90er-Jahre einen MBA-Studien-

gang aufbaute und nach ihrer Promotion in Li-

teraturwissenschaft die Universität verlassen

wollte, bat sie die spätere Kandidatin für das

Amt des Bundespräsidenten zu bleiben. „Sie

sah es positiv, dass jemand in mehreren Wel-

ten zu Hause ist“, erinnert sich Blazejewski,

die sich gegen die einseitige Vereinnahmung

von Kunst für Zwecke des Managements wehrt

und meint: „Kunst lediglich als ein Mittel für

wirtschaftliche Ziele zu instrumentalisieren,

wird der Eigenart beider Disziplinen nicht ge-

recht. Gerade die Alanus Hochschule bietet

den Rahmen, beide Perspektiven in ihrer jewei-

ligen Logik zu verstehen und dabei trotzdem

wechselseitige Synergien zu erschließen.“ Die

leidenschaftliche Hobby-Fotografin ist über-

zeugt, dass „Kunst zum Menschen gehört“ und

wünscht sich einen noch stärkeren Kontakt zu

den anderen Fachbereichen, um das Potenzi-

al der Hochschule noch besser zu erschließen.

AUTHENTIZITÄT – PRIVAT UND BERUFLICH

Langweilig wird es der stellvertretenden Fach-

bereichsleiterin nie. Auf ihrem Tisch stapeln

sich Bücher, Seminararbeiten und Forschungs-

anträge. „Ich bin wie ein Jongleur mit vielen

Bällen. Das macht mir Spaß. Auch wenn es

nicht immer einfach ist, allen Anforderungen

gerecht zu werden – da hilft dann die hohe

Kollegialität im Fachbereich, gemeinsam die

Bälle in der Luft zu halten“, erzählt sie be-

geistert. Ihr Berufungsvortrag handelte von

Authentizität: davon, in Kunst und BWL eine

geistige Heimat zu haben, aber auch davon,

als alleinerziehende Mutter und Lehrstuhlinha-

berin tagtäglich zu bestehen. „Jeder hier weiß,

dass ich eine Tochter habe. Das ist von vorn-

herein akzeptiert worden. Keiner denkt sich

etwas, wenn Besprechungen so gelegt wer-

den, dass ich rechtzeitig meine Tochter vom

Kindergeburtstag abholen kann. So ein Umfeld

bietet wahrlich nicht jedes Unternehmen“, so

Blazejewski.

Menschen ganzheitlich sehen – das bewegt

sie auch in ihrem Forschungsschwerpunkt Or-

ganisationswissenschaft. Die Anthroposophie-

Sympathisantin weiß, dass „der Mensch mit

seiner ganzen Seele am Arbeitsplatz ist, nicht

nur mit seiner Kompetenz in seiner jeweiligen

Position“. Das will sie durch ihre Forschungs-

projekte zeigen, zum Beispiel mit dem vom

Bundesministerium für Bildung und Forschung

geförderten Projekt „enEEbler“, das dieses

Frühjahr abschließt. Darin hat sie untersucht,

wie Mitarbeiter, die sich privat für die Energie-

wende interessieren, dieses Engagement auch

am Arbeitsplatz einbringen können.

Herbst 2015: Ein großer Kongress in der

Stadthalle Heidelberg zur Führungsautorität.

Die Kollegin und Eurythmie-Professorin And-

rea Heidekorn führt mit dem Publikum Atem-

übungen durch, um es für seine eigene inne-

re und äußere Körpermitte zu sensibilisieren.

Während die allgemeine Verwunderung über

die inhaltliche Verbindung mit dem Thema der

Tagung steigt, beginnen Susanne Blazejew-

ski und Gabriele Oberreuter, Professorin für

Kunstgeschichte, die ebenfalls auf der Bühne

stehen, ihren Vortrag über die Zusammenhän-

ge von Kunst, Philosophie und Wirtschaft. Das

Publikum ist begeistert und Susanne Blaze-

jewski zufrieden. SST

Page 38: UNIVERSALIS Nr. 07

38 Menschen

Es gibt zahlreiche Möglichkeiten von einem

Studium zu profitieren, die über das Sammeln

von theoretischen Inhalten und den Besitz

eines akademischen Abschlusses hinausge-

hen. Das weiß und beweist Brigitte Kalden-berg. Sie arbeitet als Dozentin und stellver-

tretende Leiterin an der der „Höheren Fach-

schule für Heilpädagogik, Sozialpädagogik und

Sozialtherapie“ kurz HFHS in der Schweiz. Von

2012 bis 2015 absolvierte Kaldenberg berufs-

begleitend den Masterstudiengang Heilpäda-

gogik. „Es war für mich sehr naheliegend, an

der Alanus Hochschule zu studieren, da hier

die Theorien der Heil- und Sonderpädagogik in

Verbindung mit den anthroposophischen Per-

spektiven gebracht werden“, erklärt die Do-

zentin. Diesen Ansatz verfolge sie ebenfalls

in ihrem Job an der HFHS. Mit dem Studium

wollte sie ihr bisheriges Wissen ausweiten und

wissenschaftlich fundieren. Zum Ende ihres

Studiums hatte Brigitte Kaldenberg mehr als

einen Abschluss und theoretisches Wissen in

der Tasche: Durch das Beobachten und Er-

leben des Unterrichts ihrer Dozenten an der

Hochschule habe sie zusätzlich ganz prakti-

sches Wissen im Bereich Unterrichtsmetho-

dik gewonnen. Dies bringt sie nun in ihrem

Beruf zusammen mit ihrem erweiterten The-

oriewissen: „Wenn ich unterrichte, ist einer-

seits der Inhalt wichtig, aber auch die Art zu

unterrichten“. Darüber hinaus verfasste und

veröffentlichte Brigitte Kaldenberg gemein-

sam mit Rüdiger Grimm und Volker Frielings-

dorf, beide Professoren der Alanus Hochschule,

das Buch „Geschichte der anthroposophischen

Heilpädagogik und Sozialtherapie“. Die Autoren

fassen dafür umfassende Quellen zur Historie

der anthroposophischen Heilpädagogik und

Sozialtherapie zusammen, deren Grundlagen

und Entwicklung sie kritisch und konstruktiv

bewerten. Damit legen Kaldenberg und ihre

Kollegen eine einzigartige Gesamtdarstellung

der seit 90 Jahren bestehenden Bewegung vor.

Als Anaïs Röschke 2006 ihr Diplom in Male-

rei und Kulturpädagogik in der Tasche hatte,

war ihr schnell klar, dass sie „auf die andere

Seite wechseln“ und an der „Schnittstelle von

Kultur und Wirtschaft“ arbeiten wollte. Schon

während des Studiums an der Alanus Hoch-

schule hatte sie gemeinsam mit Kommilitonen

ihre Arbeiten regelmäßig öffentlich präsentiert:

Ausstellungsorganisation und Öffentlichkeits-

arbeit gehörten zum Kunststudium dazu. Und

das fand Röschke irgendwann spannender als

die Kunst selbst. Sie sattelte ein Masterstu-

dium in Kulturmanagement oben auf und ar-

beitete parallel zum Studium für die Art Basel

und die Art Basel Miami Beach, danach für das

art forum berlin, wo sie für Veranstaltungs-

organisation und Sponsorenbetreuung zustän-

dig war. Im Oktober 2015 gründet Röschke

dann gemeinsam mit einem Partner in Berlin

die Agentur für Kultursponsoring „THE ART

OF BUSINESS“. Hier bringt sie Kulturinsti-

tutionen und Wirtschaftsunternehmen zu-

sammen. Künstler wüssten oft nicht, „was sie

Tolles anbieten können“, Unternehmen hin-

gegen fehle es oft an Ideen, wie sie Kunden

und Mitarbeitern etwas Außergewöhnliches

bieten können. Hier setzen Röschke und ihr

Partner an: Ein Atelierdinner oder ein Besuch

hinter den Kulissen des Opernhauses kann

man nicht kaufen. Ein Sponsoring ermögli-

che aber den Zugang zu solchen besonderen

Erlebnissen „die einem nur Künstler geben

können“. Die beiden Agenturgründer haben

ein Matching-Portal entwickelt, das Unter-

nehmen mit passenden Kulturinitiativen zu-

sammenbringt und erstellen individuelle

Kultur sponsoring-Konzepte. SSC/CZ

ABSOLVENTEN, DIE VERBINDUNGEN SCHAFFEN

Anaïs Röschke gründete eine Agentur für Kultursponsoring, Brigitte Kaldenberg ist Dozentin für Heilpädagogik. Während Röschke zwischen Kultur und Wirtschaft vermittelt, bringt Kaldenberg Anthroposophie und Heilpädagogik zusammen.

Anaïs Röschke Brigitte Kaldenberg

Page 39: UNIVERSALIS Nr. 07

39Der besondere Ort

„Panta rhei“ zu Deutsch „Alles fließt“ oder

auch „Man kann nicht zweimal in den selben

Fluss steigen“ – mit dieser Metapher sprach

der vorsokratische Philosoph Heraklit über Ver-

änderung und Vergänglichkeit. An der Alanus

Hochschule wird dieser Gedanke erlebbar.

Eine zehn Zentimeter tiefe und zwei Fuß brei-

te, gepflasterte Rinne erstreckt sich den Weg

entlang der Atelierhäuser über den Campus II.

Im Winter lagern sich Blätter und Schmutz in

ihr ab und von vorbei eilenden Studenten wird

die etwas Trist wirkende Steinfurche kaum

beachtet. Doch im Frühjahr ändert sich das:

Denn jedes Jahr, wenn die Temperaturen stei-

gen, beginnt glasklares Wasser durch diese

Rinne zu fließen und den Hochschulstandort

zu verzaubern.

„Das ganze wurde von den Architekten der

Freien Planungsgruppe 7 Stuttgart als – wie

sagt man so schön? – ‚Eye Catcher‘ geplant“,

berichtet Rolf-Dieter Böder, Leiter der Haus-

meisterei über den künstlich angelegten Bach-

lauf. Doch neben der ästhetischen Funktion

erfüllt dieser auch eine ganz praktische: Das

Bächlein ist in das Kühlungssystem des Ge-

bäudes integriert. Im Sommer wird über Brun-

nenpumpen in 30 Metern Tiefe Grundwasser

abgepumpt, in einen Wärmetauscher geleitet

und durch die Böden der Verwaltungs- und Se-

minarräume geschleust. Von dort aus gelangt

das kühle Nass nach außen, plätschert durch

den Bachlauf und erzeugt ein atmosphärisch-

idyllisches Erlebnis für alle Sinne, das nicht

nur die Kühlung des Gebäudes gewährleistet:

„Hier plantschen an heißen Tagen Nachbars-

kinder und manchmal auch Studenten“, erzählt

Böder. Schließlich wird das Wasser durch den

Fischteich vor der Mensa dem Grund zugeführt

und der Kreislauf schließt sich.

Wenn es kälter wird, versiegt der Bachlauf

wieder, da sich das Kühlungssystem mit Inbe-

triebnahme der Heizung abschaltet. Doch wer

das Aufblühen und die volle Pracht des Bäch-

leins einmal erlebt hat, wird es nur schwer

passieren, ohne sich an Heraklits „Panta

rhei“ zu erinnern und zu verstehen: Alles fließt.

SSC

DER BACHLAUFDER BESONDERE ORT:

Page 40: UNIVERSALIS Nr. 07

40 Kurz & Knapp

STUDENTEN UNTERSTÜTZEN SICH GEGENSEITIG

Viele Studenten kennen den schmalen Grat

zwischen einer intensiven Auseinandersetzung

mit Studieninhalten und der Notwendigkeit das

eigene Leben finanzieren zu können. Die meis-

ten gehen daher neben ihren Vorlesungen noch

einem Job nach. Um besonders engagierte und

finanziell schlecht gestellte Kommilitonen in

dieser schwierigen Situation zu unterstützen,

haben Studenten der Alanus Hochschule den

Studien.Kunst.Fonds gegründet. Die Förderung

beträgt maximal 250 Euro pro Monat und be-

steht je zur Hälfte aus einer Schenkung und

aus einem zinslosen Darlehen. Die Unterstüt-

zer sind insbesondere die Alanus Stiftung, Pri-

vatpersonen und ehemalige Stipendiaten, die

ihre Darlehen zurück zahlen. Die engagierten

Studenten sind immer auf der Suche nach wei-

teren Förderern. Weitere Informationen unter:

[email protected].

UNTERSTÜTZUNG FÜR WALDORF-BERUFS-KOLLEGSDie Forschungsstelle für Waldorf-Arbeitspäda-

gogik/Berufsbildung hat ihre Arbeit aufgenom-

men. Die Einrichtung berät Waldorf-Berufskol-

legs von Beginn der Gründung und begleitet

diese auch wissenschaftlich. Bei arbeits- und

berufspädagogischen Fragen stehen die Mitar-

beiter der Forschungsstelle als Ansprechpart-

ner zur Verfügung, unterstützen bei der Aus-

wertung von Praktika und Betriebseinsätzen

und bieten wissenschaftliche Weiterbildun-

gen an. Das Waldorf-Berufskolleg verbindet

betriebliche Praxis und berufliche Qualifizie-

rung mit kreativem und theoretischem Lernen.

Die Auszubildenden erlangen die Allgemeine

Fachhochschulreife und eine Grundqualifika-

tion in einem Berufsfeld. Jedes der inzwischen

bundesweit sieben Waldorf-Berufskollegs hat

einen eigenen Schwerpunkt. Angeboten wer-

den die Fachrichtungen Gestaltung, Gesund-

heit und Soziales, Technik sowie Wirtschaft

und Verwaltung.

Die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universi-

tät Bonn und die Alanus Hochschule arbeiten

schon seit längerem in verschiedenen akade-

mischen und administrativen Belangen zusam-

men. Nun haben sie einen Kooperationsvertrag

geschlossen, der diesen bisherigen regen Aus-

tausch auf eine neue vertragliche Grundlage

stellt und zusätzlich vertiefen wird. So wirkt

die Alanus Hochschule beispielsweise regel-

mäßig bei der Bonner Wissenschaftsnacht und

anderen kulturellen Veranstaltungen aktiv mit,

während die Universität Bonn unter anderem

der Nachbarhochschule ihre Hilfe beim Ausbau

der wissenschaftlichen Fächer und der Lehrer-

bildung im Rahmen der Fakultät für Human-

und Gesellschaftswissenschaften zugesagt

hat. „Wir gehen mit erfolgreichem Beispiel für

gelebte Bildungsvielfalt in der Region voran“,

sagte Prof. Dr. Marcelo da Veiga, Rektor der

Alanus Hochschule. Uni-Rektor Prof. Dr. Micha-

el Hoch betonte weiterhin: „Für die Zukunft der

Wissenschaftsregion Bonn/Rhein-Sieg wird es

essentiell sein, bestehende Interaktionen aus-

zubauen.“

NEUER MASTERSTUDIEN-GANG MIT SOZIALÄSTHE-TISCHEM SCHWERPUNKTDas Institut für Philosophische und Ästheti-

sche Bildung bietet seit dem Herbstsemester

2015 den Masterstudiengang „Philosophy of

Social Innovation“ an. Der erste englischspra-

chige Studiengang der Hochschule wird in Ko-

operation mit dem Crossfields Institute durch-

geführt. Als dreijähriger Teilzeit-Studiengang

in Form des „Blended Learning“, das heißt in

der Verknüpfung von E-Learning mit Block-

veranstaltungen als Präsenzphasen, ist der

Studiengang besonders geeignet für Berufs-

tätige. Die Studenten des Masterstudiengangs

können sich abhängig von ihrem Hintergrund

und ihren Qualifizierungszielen für einen der

beiden Studienschwerpunkte „Organisational

Analysis and Leadership“ oder „Reflective So-

cial Practice“ entscheiden. Der Studiengang

bietet die Gelegenheit, verantwortliches ge-

sellschaftliches und wirtschaftliches Handeln

auf Grundlage kultureller Bildung zu entwi-

ckeln.

CHANCEN SCHENKEN – MIT DEM DEUTSCH-LANDSTIPENDIUMUnterstützen Sie mit nur 150 Euro monat-

lich Studenten der Alanus Hochschule.

Sprechen Sie uns an: Véronique Chalvet

Tel. 0 22 22 . 93 21-17 41

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Die Rektoren bei der Unterzeichnung des Vertrags

KOOPERATIONSVERTRAG MIT DER UNIVERSITÄT BONN

Page 41: UNIVERSALIS Nr. 07

setzung des Qualitätsmanagements auf allen

Ebenen. „Das Qualitätsmanagement des Bil-

dungswerks ruht auf sicheren Säulen und die

Mitarbeitenden arbeiten auf einem sehr hohen

Qualitätsniveau. Die Anforderungen der DIN

EN ISO 9001 und AZAV

werden voll und ganz er-

füllt“, so die CERTQUA-

Auditorin.

41Kurz & Knapp

HOHES QUALITÄTSNIVEAU ATTESTIERTDas Weiterbildungszentrum Alanus Werkhaus

ist erfolgreich durch die CERTQUA (Gesell-

schaft der deutschen Wirtschaft zur Förderung

und Zertifizierung von Qualitätssicherungssys-

temen in der beruflichen Bildung) rezertifiziert.

Einen ganzen Tag lang stand das Qualitätsma-

nagement des Weiterbildungszentrums gründ-

lich auf dem Prüfstand. Dabei wurden alle ge-

lenkten Prozesse, Dokumente und Formulare

genau unter die Lupe genommen, ausführli-

che Interviews mit den Mitarbeitern geführt

sowie eine ausgiebige Begehung vor Ort unter-

nommen. CERTQUA bescheinigt dem staatlich

anerkannten Bildungswerk Alanus Werkhaus

sowie dessen Mitarbeitern eine starke Kun-

denorientierung sowie eine hohe Identifikati-

on mit der Sache und eine überzeugende Um-

SCHAUSPIELSTUDENTEN BEIM SOMMERBLUT FESTIVAL

Das Stück „Mirandolina“ wurde nun zum Köl-

ner Kulturfestival Sommerblut eingeladen,

nachdem 2015 bereits Schauspielstuden-

ten der Alanus Hochschule mit Commedia

dell’arte-Inszenierungen beim Bajazzo Zelt-

festival in Hamburg und dem Fusion Festi-

val in Lärz Erfolge feiern konnten. Mit der

Wiederaufnahme des Stückes präsentiert die

Schauspielklasse unter Leitung von Micha-

el Schwarzmann und Diana-Maria Breuer die

Komödie über einen Wettstreit um das Herz der

selbstbewussten Wirtin Mirandolina. Das Fes-

tival findet vom 29. April bis zum 16. Mai statt.

An der Alanus Hochschule wird außerdem aus

dem aktuellen Commedia dell’arte-Repertoire

der Schauspielstudenten das Stück „Campiel-

lo“ präsentiert, welches bereits Ende Februar

seine Premiere feierte.

DAAD-PREIS VERLIEHENDie 25-jährige Taiwa-

nesin Yi-An Chien nahm

im Rahmen der letzten

Deutschlandstipendien-

feier den Preis des Deutschen Akademischen

Austauschdienstes (DAAD) für hervorragen-

de Leistungen ausländischer Studenten ent-

gegen. Überreicht wurde der Preis von Diana

Martínez-Fredriksson vom International Of-

fice der Hochschule sowie Ulrika Eller-Rüter,

Professorin für Kunst im gesellschaftlichen

Kontext. „Frau Chien ist sehr zielstrebig und

wissbegierig. Sie nutzt jede Gelegenheit, sich

weiter zu qualifizieren und Neues zu entde-

cken“, erklärte die Professorin. Derzeit absol-

viert die Preisträgerin den Masterstudiengang

Bildende Kunst an der Alanus Hochschule.

Der DAAD-Preis ist mit 1.000 Euro dotiert. Die

Bewerber mussten von einem Dozenten vorge-

schlagen werden.

PÄDAGOGIK-RING- VORLESUNG IM FRÜHJAHRSSEMESTERErziehung und Bildung stellen Eltern und Päd-

agogen immer wieder vor Herausforderungen.

Interessierte können sich hierzu Anregungen

bei der öffentlichen Ringvorlesung „Erzie-

hungsfragen und pädagogische Herausforde-

rungen der Gegenwart“ der Alanus Hochschule

in Zusammenarbeit mit dem Bonner General-

Anzeiger holen. Professoren der Hochschule

greifen zentrale pädagogische Fragestellun-

gen der Gegenwart auf und beleuchten sie vor

dem Hintergrund der erziehungswissenschaft-

lichen Forschung mit einem klaren Fokus auf

die Herausforderungen der Praxis. So beschäf-

tigt sich der Auftaktvortrag von Jost Schieren

am 5. April mit dem Thema „Wie ich das Kind

sehe, so erziehe ich es. Keine Pädagogik ohne

Menschenbild!“. Die Veranstaltungen finden

jeweils dienstagsabends am Campus II statt.

Weitere Informationen unter: www.alanus.edu/

veranstaltungen.

Page 42: UNIVERSALIS Nr. 07

42 Termine

TERMINVORSCHAU19. März und 21. MaiTag des Waldorflehrers g Veranstaltung für Waldorflehrer und alle, die es werden möchten, Campus II

21. bis 24. MärzOsterwerkstatt g Ferienkurse für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, Alanus Werkhaus

22. März, 7. und 28. April, 17. Mai und 9. JuniHospitationstermine BWL g Der Fachbereich Wirtschaft stellt sich vor, Campus II

1. und 2. AprilEinige Nachrichten an das All g Diplom-inszenierung der Schauspielstudenten, Theater im Bauturm Köln

1. April bis 25. NovemberKunsttherapie, Medizin, Psychologie g Vortragsreihe im Rahmen der Fachfortbildungen des Fachbereichs Künstlerische Therapien, Campus II

5. April bis 28. JuniKinder, Kinder! Erziehungsfragen und pädagogische Herausforderungen der Gegenwart g Ringvorlesung des Fachbereichs Bildungswissen-schaft, Campus II

6. AprilStart von „Kunst to go“ g Offenes wöchent liches Malatelier, Alanus Werkhaus

8. AprilKomponistensymposium g Konzert und Eurythmieaufführung mit der dänischen Kom-ponistin Louise Alenius, Campus I

8. AprilTopografie der Freiheit g Ausstellungs-beteiligung von Studenten der Malerei-Klasse Eller-Rüter beim Kafka-Projekt in Kooperation mit der Kunstakademie Krakau, Kattowitz/Polen

8. und 9. AprilEinige Nachrichten an das All g Diplom-inszenierung der Schauspielstudenten, Campus I

9. AprilStudieninformationstag Mannheim g Informationen zu allen Bachelor- und Master-studiengängen, Studienzentrum Mannheim

bis 10. AprilSteinskulpturen g Ausstellung von Studenten der Bildhauerei, Baumschule Mohr Köln

16. AprilCampiello g Commedia de’ll arte-Aufführung von Schauspielstudenten, Campus I

20. AprilStart „Speakers‘ Corner“ g Offene wöchent liche Werkstatt für Stimme & Präsenz, Alanus Werkhaus

28. AprilCampiello g Commedia de’ll arte-Aufführung von Schauspielstudenten, Pantheon Theater Bonn

30. April bis 5. Junitestbetrieb g Veranstaltungsmonat verschie-dener Nutzungsformate begleitet durch den Fachbereich Architektur, Volkshaus Rotthausen Gelsenkirchen

5. Mai Kunstausstellung g Vernissage mit Arbeiten von Studenten der Malerei-Klasse Eller-Rüter, Istanbul/Türkei

7. und 8. MaiWeiterbildungsmesse Köln g Messestand des Alanus Werkhauses, Gürzenich Köln

10. MaiNachhaltigkeit und Stakeholder-Management in der ING-DiBA AG g Vortrag in der Reihe

"Social Banking", Campus II

13.MaiEs ist des Lernens kein Ende g Vortrag des Fachbereichs Bildungswissenschaft, Campus II

17. bis 20. MaiHospitationswoche g In den Studienalltag ein-tauchen, das Studium und den Campus kennen-lernen, Campus I und II

20. und 21. MaiWhat is Thinking? g Internationale, transdiszi-plinäre Konferenz des Instituts für philosophische und ästhetische Bildung, Campus II

20., 21., 24. und 25. MaiThe Beatles „Das weiße Album“ g Ein musi-kalischer Theaterabend mit Schauspielstudenten, Brotfabrik Bonn

24. MaiGelebte Nachhaltigkeit am Beispiel der DKM Darlehnskasse Münster eG g Vortrag in der Reihe "Social Banking", Campus II

27. bis 28. Mai Wahrnehmen – Verwandeln g Symposium für Eurythmie in sozialen Arbeitsfeldern, Berlin

30. Mai bis 5. JuniDeutsche Aktionstage Nachhaltigkeit g Betei-ligung des Fachbereichs Wirtschaft, Campus II

3. JuniBonner Wissenschaftsnacht g Die Alanus Hochschule präsentiert verschiedene Beiträge auf dem Gelände der Universität Bonn

9. und 10. Juni Werkstatt-Symposium g Die Arbeitsgemein-schaft „Baukultur konkret“ mit Professoren des Fachbereichs Architektur stellt die Forschungs-ergebnisse des Projekts zur Diskussion, Kloster Helfta Eisleben

9. und 10. Juni Woher will ich wissen, was ich will? g Berufs-orientierung für Jugendliche, Alanus Werkhaus

Page 43: UNIVERSALIS Nr. 07

IMPRESSUM

Herausgeber Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft

Anschrift Villestraße 3 — 53347 Alfter Tel. 0 22 22 . 93 21-0 — [email protected] www.alanus.edu

Träger Alanus Hochschule gemeinnützige GmbH

Geschäftsführung Prof. Dr. Marcelo da Veiga, Dirk Vianden

V.i.S.d.P Dr. Julia Wedel

Idee und Konzept Dr. Julia Wedel, Elisabeth Höhnen, steinrücke+ich

Redaktionsleitung Dr. Julia Wedel, Elisabeth Höhnen

Redaktion Tatjana Fuchs (TF), Nina Kep (NK), Susanne Krause (SK), Karin Scherer (KS), Sandra Stempel (SST), Dr. Julia Wedel (JWD), Claudia Zanker (CZ)

Weitere Autoren dieser Ausgabe Prof. Dr. Axel Föller-Mancini, Prof. Dr. Stefan Reichelt, Svenja Schimmelpfennig (SSC)

Lektorat Barbara Milde-Schulz

Gestaltung Dirk Drevermann

Anzeigen Bettina Vogel

Werknachweise"Die Träume im Frühling" (Ausschnitt), 2015, Chong Zhang (Titelseite) -Rauminstallation, Studierende aus dem Bachelorstudiengang Architektur (S. 30)

Fotos und AbbildungenAlanus Hochschule (S. 5 re., 26, 28, 29, 36, 37, 39) — Bastian Böhm (S. 24 re., 25 o.) — Nola Bunke (S. 3, 21, 30, 40) — Thomas Fedra (S. 13 o.) — Charlotte Fischer (S. 4, 10, 11) — René Harder (S. 41 li.) — Helmut Hergarten (S. 24 li.) — Angelika Kehlenbach (S. 19) — Nikolai Knackmuss (S. 16 u., 17) — Daryan Raphael Knoblauch und Felix Dehn (S. 22) — Volker Lannert (S. 40 u.) — Katrin Marder (S. 4 li., 16 o.) — Ramona Metje (S. 23) — Lorena Mordhorst und Patrizia Falk (S. 18, S. 20) — Pujan Shakupa (S. 38 re.) — Diemut Schilling (S. 4 re., 27) — Britta Schüßling (Titelseite, S. 6-7, 15, 34, 35, 41 mi., 41 re.) — Niklas Stahlhammar (S. 25 u.) — Esther Kaiser (S. 38 li.)

Erscheinungsweise 2-mal jährlich

Druck und Auflage Media Cologne GmbH, Hürth — 5.000 Exemplare

In diesem Magazin wird aus Gründen der einfacheren Les-barkeit auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachform verzichtet. Sämtliche Bezeichnun-gen von Personengruppen gelten gleichgestellt sowohl für die männliche als auch für die weibliche Form. Für den Inhalt der einzelnen Artikel sind die jeweils benannten Autoren verantwortlich. Nachdruck – auch auszugsweise – nur mit Genehmigung der Alanus Hochschule.

Alfter, März 2016

www.alanus.edu/veranstaltungenwww.alanus.edu/weiterbildung

ALANUS HOCHSCHULE FÜR KUNST UND GESELLSCHAFT

Campus I: Johannishof — Campus II: Villestraße 3 — 53347 Alfter

ALANUS HOCHSCHULE – INSTITUT FÜR WALDORFPÄDAGOGIK, INKLUSION UND INTERKULTURALITÄTAm Exerzierplatz 21 — 68167 Mannheim

WEITERBILDUNGSZENTRUM ALANUS WERKHAUSJohannishof — 53347 Alfter

17. bis 18. JuniBachelor-Abschluss Eurythmie g Aufführungen, Campus I

22. JuniKunstausstellung g Vernissage mit Arbeiten von Studenten der Malerei-Klasse Eller-Rüter, Kunstbunker Köln

25. Juni bis 3. JuliAbschlussausstellung g Bachelorstudenten der Bildenden Kunst präsentieren ihre Werke, Altes Pfandhaus Köln

1. bis 3. Juli Rundgang g Ausstellung in allen Ateliers des Fachbereichs Bildende Kunst

9. Juli bis 23. AugustMalereiausstellung g Studenten der Malerei-Klasse Eller-Rüter präsentieren ihre Werke, Kunstverein Wesseling

11. Juli bis 22. JuliSommerwerkstatt g Ferienkurse für Kinder und Jugendliche, Alanus Werkhaus

Anfang SeptemberFrei-Räume g Kunstaktion in Kooperation mit der Kunstakademie Krakau, Justizvollzugsanstalt Siegburg

16. bis 17. SeptemberEurythmiepädagogik g Symposium, Campus I

19. September10 Jahre Wirtschaft neu denken g Feier zum 10-jährigen Geburtstag des Fachbereichs Wirtschaft, Campus II

19. September bis 30. NovemberTeamleitung in sozialen Einrichtungen undSchulen g Berufliche Fortbildung, Alanus Werkhaus

19. September bis 24. März 2017Socially Responsible Finance g Berufliche Fortbildung, Alanus Werkhaus

17. bis 29. Oktober Wie wir leben g Kunstausstellungen und Inter-ventionen im öffentlichen Raum zum Jubiläum „20 Jahre UNO-Stadt Bonn“, an verschiedenen Plätzen in Bonn

20. bis 22. OktoberWaldorfpädagogik und Erziehungswissen-schaft. Standortbestimmung und Entwick-lungsperspektiven g Tagung des Fachbereichs Bildungswissenschaft, Campus II

Page 44: UNIVERSALIS Nr. 07

D A S A L A N U S M A G A Z I N

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Johannishof — 53347 Alfter Tel. 0 22 22 . 93 21-17 13 — [email protected] www.alanus.edu/werkhaus

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Alanus [aːlaːnʊs]: Die Alanus Hochschu-

le und das Alanus Werkhaus beziehen sich

in ihrem Namen auf den Universalgelehrten

Alanus ab Insulis (ca. 1120 bis 1202), der den

Beinamen „doctor universalis“ trug. Er lehrte

die Sieben Freien Künste in Paris und Montpel-

lier. Alanus ab Insulis vertrat die Vorstellung,

dass Studieren die Bildung des Menschen zum

Menschen durch Interdisziplinarität bedeutet

und über ein reines Fachstudium hinausgeht.

Angelehnt an Alanus ab Insulis ist ein wichti-

ger Teil des Konzepts der Alanus Hochschule

und des Werkhauses die Gemeinschaft und

Begegnung von Kunst und Wissenschaft.