universität duisburg-essen · 2019. 10. 15. · ulrich ammon sprache – varietät/...

35
Ulrich Ammon Sprache – Varietät/ Standardvarietät – Dialekt Series B: Applied & Interdisciplinary Papers ISSN 1435-6473 Essen: LAUD 1986 (2nd ed. with divergent page numbering 2011) Paper No. 147 Universität Duisburg-Essen

Upload: others

Post on 09-Feb-2021

6 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

  • Ulrich Ammon

    Sprache – Varietät/ Standardvarietät – Dialekt

    Series B: Applied & Interdisciplinary Papers ISSN 1435-6473 Essen: LAUD 1986 (2nd ed. with divergent page numbering 2011) Paper No. 147

    Universität Duisburg-Essen

  • ii

     

    Ulrich Ammon

    University of Duisburg (Germany)

    Sprache – Varietät/ Standardvarietät - Dialekt

    Copyright by the author Reproduced by LAUD 1986 (2nd ed. with divergent page numbering 2011) Linguistic Agency Series B University of Duisburg-Essen Applied & Interdisciplinary Papers FB Geisteswissenschaften Paper No. 147 Universitätsstr. 12 D- 45117 Essen

    Order LAUD-papers online: http://www.linse.uni-due.de/linse/laud/index.html Or contact: [email protected]

  • 1

    Ulrich Ammon

    Sprache – Varietät/Standardvarietät – Dialekt

    1. Begriffliche und Terminologische Vorklärung Zu den Topoi über den hier zur Diskussion stehenden Bereich gehören Klagen über die Unklarheit der Begriffe (Matinet [1954] 1976, 75) sowie Hinweise auf die außerordentliche Kompliziertheit der Gegenstände (Haugen 1966, 922). Bisweilen finden sich sogar radikale ontologisierende Behauptungen, dass die fraglichen Gegenstände überhaupt nicht existieren (Hudson 1980, 40). Vorsichtigere Feststellungen bezweifeln den Sinn, wenngleich nicht unbedingt die Möglichkeit allgemeingültiger präziser Definitionen (Bodmer [1943] 1976, 262; Ruhlen 1975, 1 – 4). So schreibt zum Beispiel Löffler (1980, 457) im Hinblick auf einen der hier thematischen Begriffe: "Eine internationale Dialektologie mit umfassendem Dialektbegriff müßte denn auch auf so hohem Abstraktionsniveau verbleiben, daß für die auf praktische Beobachtung und Beschreibung ausgerichtete Disziplin kein brauchbarer Begriff zustande käme (…), Dialekt ist immer nur einzelsprachlich zu definieren (…)". Gemeint ist wohl, dass Dialekte als Teile von Sprachen linguistisch, geographisch oder soziologisch zu beschreiben sind. Offenkundig kann man aber dennoch in allen Fällen von Dialekten sprechen. Die einzelsprachliche Besonderheit kann man auch dahingehend verstehen, dass jeweils die Bedeutung der Ausdrücke, die den hier interessierenden Bereich bezeichnen, für jede Sprache gesondert festgestellt wird. Dieser Ansatz findet sich beispielsweise bei Kloss (1952, 16), der versucht, sich "darüber klar zu werden, auf Grund welcher Kriterien man denn im Deutschen überhaupt ein Idiom als Sprache zu bezeichnen pflegt." Kloss wendet freilich den von hier aus gewonnenen Begriff letztlich weltweit an (vgl. Kloss/McConnell 1974 ff.). Alinei (1980) und Mattheier (1983, 141 – 145) betonen und belegen außer der sprachspezifischen die historische Relativität speziell des Begriffs 'Dialekt'. Auch wenn schließlich Definitionsvorschläge ohne derartige Einschränkungen unterbreitet werden, fehlt selten der Hinweis auf den sehr vorläufigen Charakter (Ferguson/Gumperz 1960, 1 – 14).

    In der Tat bietet sich dem Interessierten ein Dickicht von Termini und Begriffen. Hierfür einige Beispiele. Im Deutschen finden sich eine ganze Reihe von Ausdrücken, von denen schwer zu sagen ist, ob sie strikt synonym sind mit dem Ausdruck Standardvarietät oder davon partiell abweichende Bedeutungen haben: Standardsprache, Literatursprache, Kultursprache, Schriftsprache, Hochsprache, Ausbausprache, überdachte Varietät, ausgezeichnete Varietät und andere. Eine genauere Analyse zeigt, dass die meisten Ausdrücke mehrdeutig sind und jeweils nur in einer ihrer Bedeutungen übereinstimmen. So wird Schriftsprache bisweilen synonym mit Standardsprache, bisweilen in der spezielleren Bedeutung 'nur orthographisch, nicht orthographisch standardisiert' (Besch 1983, 977f. und

  • 2

    983). Daneben finden sich auch einigermaßen durchgängige Mehrdeutigkeiten, insbesondere bei den Komposita mit dem Grundwort –sprache. So kann man einerseits sagen: "Die deutsche Sprache ist eine Standardsprache" und andererseits "Die deutsche Sprache enthält eine Standardsprache (neben ihren Dialekten)". Derartige Synonymie und Polysemien finden sich nicht nur im Deutschen. Ein Beispiel ist die Verwendung von dialect im Englischen, dessen Extension bisweilen die Standardvarietäten einschließt (man spricht dann von standard dialect (Ferguson/Gumperz 1960, 6; Trudgill 1975, 18; Gregory/Caroll 1978, 8) und ein andermal ausschließt (Haugen 1966, 924f; Stewart 1968, 537; Fishman [1972] 1975, 27)). Die Bedeutungsvariante mit der weiteren Extension unterscheidet englisches dialect von deutschem Dialekt und französischem dialecte. Letztere werden – wenn man von den vereinzelten Transferenzen aus dem Englischen absieht – nie zur Bezeichnung von Standardvarietäten verwendet. Jedoch sind auch deutsches Dialekt und französisches dialecte nicht strikt synonym. Letzteres sieht oft Oppostion zu patois, wovon es sich entweder durch eine Schrifttradition oder eine größere Region, vielleicht sogar eine partielle Standardisierung unterscheidet (Dauzat 1927, 30f; Martinet [1954] 1976, 84f; Fourquet [1968] 1976, 182f; Wolf 1980). Man muss allerdings hier wie andernorts den Unterschied zwischen Alltagsbegriffen und wissenschaftlichen Begriffen beachten. Wir beziehen und hauptsächlich auf letztere. Im Alltag wird zwischen patois und dialecte nicht so deutlich unterschieden (Hinweis von Goebl). Im Deutschen gibt es zwar, vor allem im 18. Und 19. Jahrhundert eine ähnliche Unterscheidung zwischen Dialekt (auch geschrieben) und Mundart (nur gesprochen); oft wird der begriffliche Unterschied auch genetisch gesehen: Mundarten sind "Verzweigungen" von Dialekten; (Grimm [1848] 1868, 578; Schleicher [1859] 1874, 27); heutzutage werden beide Ausdrücke jedoch gewöhnlich synonym verwendet (Löffler 1974, 9; Goossens 1977, 18).

    In einer solchen Situation muss man sich auf bestimmte Termini festlegen und die damit bezeichneten Begriffe wenigstens soweit erläutern, dass die schlimmsten Verwechselungen vermieden werden. Wir haben uns für die beiden in der Überschrift genannten terminologischen Paare entschieden: Sprache – Varietät und Standardvarietät – Dialekt. Die Beziehungen zwischen den bezeichneten Begriffen sind in beiden Fällen keineswegs analog. Sprachen sind Mengen von Varietäten, Varietäten also Elemente von Sprachen; Standardvarietäten und Dialekte (= dialektale Varietäten) sind dagegen verschiedene Arten solcher Elemente (Varietäten). Eine Sprache kann also Dialekte und eine oder mehrere Standardvarietäten enthalten (wobei eine Varietät niemals Dialekt und Standardvarietät zugleich ist) sowie noch weitere Arten von Varietäten. Es ist offenkundig, dass bei dieser im Folgenden beibehaltenen makrosoziolinguistischen Sicht jeweils ganze sprachliche Systeme aufeinander bezogen werden.

    Unsere Festlegungen sind freilich nicht die einzigen Bedeutungen der vier Ausdrücke (Sprache, Varietät, Standardvarietät, Dialekt), vielleicht nicht einmal ihre gängigsten. Sprache wird in linguistischen Kontexten zumeist als 'langue/Kompetenz' im Gegensatz zu

  • 3

    'parole/Performanz' verstanden. Dieses Begriffspaar liegt auf einer ganz anderen Ebene als das hier interessierende 'Menge von Varietäten' - 'Einzelvarietät'. Nebenbei ist diese in der Linguistik gängige Differenzierung auf Einzelvarietäten unproblematischer anwendbar als auf Sprachen im Sinne von Mengen von Varietäten. Nur Einzelvarietäten können in Äußerungen (parole) realisiert werden, nicht aber Mengen von Varietäten (außer im Extremfall der Einermenge); und ebenso gibt es native Sprecher und Kompetenzen gewöhnlich nur von Einzelvarietäten (oder mehreren Einzelvarietäten), jedoch kaum von ganzen Sprachen im Sinne von Mengen von Varietäten. (Ideale Sprecher sind natürlich für jede beliebige Menge von Varietäten konstruierbar.) So dürfte es zum Beispiel kaum auch nur einen einzigen realen Sprecher der deutschen Sprache (im Sinne der Menge aller deutschen Varietäten) geben.

    Auch der Ausdruck Varietät ist mehrdeutig. Insbesondere im angelsächsischen Sprachgebiet wird variety als Oberbegriff gebraucht für register (variety according to use) und dialect (variety according to user). (Halliday/McIntosh/Strevens [1964] 1968, 141; Gregory/Caroll 1978, 4 verwenden diatype statt register.) Dialect bezeichnet dabei wieder den Oberbegriff von 'Dialekt' und 'Standardvarietät' (in unserem Sinn). wie aber ist die begriffliche Beziehung zwischen dialect und register beschaffen? Uns erscheint die Auffassung angemessen, dass ein derartiger dialect mehrere register umfassen kann. der solchermaßen verstandene Ausdruck dialect ist dann synonym mit unserem Ausdruck Varietät. Register sind Elemente Varietäten (in unserem Sinn), bzw. Varietäten sind Mengen von Registern. Diese Auffassung scheint z.B. vereinbar mit der Definition von Ferguson/Gumperz (1960, 3), für die eine "variety […] has a sufficiently large repertory of elements and thier arrangements or processes with broad enough semantic scope to function in all normal contexts of communications." Varietäten in diesem Sinn sind populationsspezifisch, Register dagegen situationsspezifisch. Wenn man Register, wie wir sie hier verstehen, als Elemente von Varietäten auffasst, so sind sie sowohl situations- als auch populationsspezifisch. Die Populationsspezifik von Varietäten schließt nicht aus, dass die Population einer Varietät a auch an anderen Varietäten b, c usw. teilhat. So hat die Population der Varietät schwäbischer Dialekt (ein Dialekt der deutschen Sprache) auch Teil an der Varietät Standarddeutsch, für die jedoch wiederum eine andere, größere Population spezifisch ist. Es ist also so, dass zwar Varietäten eindeutig auf Population abgebildet werden können, nicht aber umgekehrt Populationen eindeutig auf Varietäten.

    In diesem Sinn ist Varietät wohl auch synonym mit russ. forma suŝestvovaniâ jazyka bzw. dt. Existenzform (Ising/Kleinfeld/Schnerrer 1984, 20). Im Gegensatz zu den Ausdrücken Sprache und Varietät ist der Ausdruck Standardvarietät ziemlich eindeutig: Er bezeichnet ausschließlich standardisierte Varietäten. Den Ausdruck Dialekt müssen wir hingegen wieder auf eine von verschiedenen möglichen Bedeutungen festlegen. Wir entscheiden uns nicht für den eher angelsächsischen Sprachgebrauch (dialect als Oberbegriff von Standardvarietäten und Nonstandardvarietäten), sondern für den

  • 4

    kontinentaleuropäischen, wo sich die Bedeutung von dts. Dialekt, ndl. dialect, frz. dialecte, it. dialetto oder span. dialecto auf nichtstandardisierte Varietäten beschränkt. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass es noch andere nichtstandardisierte Varietäten gibt. Wichtig ist, dass Dialekte und Standardvarietäten disjunkt sind. Abbildung A veranschaulicht die Mengenbeziehung zwischen den bislang festgelegten Begriffen.

    A: Mengenbeziehung zwischen Varietäten (V), Dialekten (D) und Standardvarietäten (S)

    Eine weitere Bedeutung von Dialekt bzw. dialect findet sich wiederum bei Ferguson/Gumperz (1960, 7), nämlich als "any set of one or more varieties of a language […]". Im Sinne einer Menge von Varietäten (nichtstandardisierte Varietäten) wird der Ausdruck Dialekt in der Tat auch oft gebraucht. Deutsche Dialekte wie Schwäbisch, Bairisch usw. umfassen ja wiederum Subdialekte wie Ost-, Mittel- und Westschwäbisch usw. sowie zum Teil sogar spezifische Ortsdialekte. Die genauere Betrachtung ergibt also sehr viel kompliziertere ineinander geschachtelte Mengenbeziehungen. Wir können den sich damit eröffnenden Fragenkomplex hier jedoch nur andeuten. Er beinhaltet auch die heiklen Probleme, wie Varietäten empirisch zu präzisieren und abstraktere und konkretere Ebenen von Varietäten bzw. Varietätenmengen aufeinander zu beziehen sind. Eine stringente Beziehung zwischen strikt empirischer mikrosoziolinguistischer Varietätenforschung auf der einen Seite im Sinne von Labovs Variablenregeln, DeCampus Implikationsskalen oder Kleins Regelblöcken und unserer makrosoziologischen Diskussion der Begriffe 'Sprache' und 'Varietät' wurde unseres Wissens bislang nicht hergestellt.

    2. Sprache

    2.1. Allgemeines

    Vielleicht sollte man sich zunächst vergegenwärtigen, dass man sich um eine Klärung des Begriffs 'Sprache' von ganz unterschiedlichen Fragestellungen aus bemühen kann. Hierzu ein Beispiel. Der Slavist Bělič (1965, 107) kritisiert an einer "unrichtigen linguistischen Konzeption", dass sie "zu anderen Resultaten über die sprachliche und nationale Zugehörigkeit der Bevölkerung [gelangt U.A.], als es objektiv nach dem Bewußtsein der Bevölkerung der Fall" ist. Hiernach könnte man meinen, dass es vor allem darum geht, festzustellen, wie die Bevölkerung (mehrheitlich) Sprache voneinander abgrenzt (vgl. auch Wölck 1978). Genauer müsste man sagen, wie die Bevölkerung diejenigen Objekte voneinander abgrenzt, die sie dt. Sprache, engl. language, frz. langue, it. lingua, span. llengua, russ. jazyk, chin. yŭyán usw. Nennt, wobei von Linguisten mehr oder weniger

  • 5

    explizit vorausgesetzt wird, dass hiermit Gegenstände gleicher Art benannt werden. Von anderen Fragestellungen aus verbietet sich wiederum der einfache Nachvollzug der Auffassung der Bevölkerung (Bevölkerungsmehrheit). Dies wird z.B. deutlich an dem von Kloss (1978, 67 – 70) eingeführten Begriff 'scheindialektisierte Abstandsprache'. Es handelt sich dabei um eine nichtstandardisierte Varietät, die von der Bevölkerung einer Sprache zugeordnet wird, zu der sie aufgrund wissenschaftlicher Kriterien (bei Kloss: linguistischer Anstand) gar nicht gehört (Beispiel: Niederdeutsch im Verhältnis zu Hochdeutsch). Der bloße Nachvollzug der Bevölkerungsauffassung würde diesen Begriff überhaupt nicht erlauben. Hier liegt offenbar die Intention vor, einen von der Bevölkerungsauffassung unabhängigen wissenschaftlichen (objektiven) Begriff zu entwickeln, der unter anderem divergierende Bevölkerungsauffassung aufzudecken erlaubt. Die Fragestellungen sind in beiden Fällen offenkundig verschieden und führen zu verschiedenen Sprache-Begriffen. Mit einem objektiven Begriff muss man auch dort operieren, wo die Auffassung der Bevölkerung nicht eruiert werden kann, wofür es verschiedene Gründe geben mag. Aber selbst innerhalb der Bemühungen um einen objektiven Begriff wird die Begriffsfestlegung von Fall zu Fall je nach Fragestellung und Interesse divergieren, zum Beispiel bei vordergründig praktischen Problemstellungen (Zensus, Sprach-/Sprachenpolitik) gegenüber primär theoretischen Fragesätzen. Wir verweisen auf solche Unterschiede im Folgenden gelegentlich nebenbei. Im Großen und Ganzen aber befassen wir uns mit den häufigst genannten Merkmalen, die für die Definition von 'Sprache' eine Rolle spielen. Die unterschiedlichen Festlegungen, die je nach Interessenzusammenhang von Fall zu Fall getroffen werden, können sowohl überhaupt zu berücksichtigende Merkmale als auch deren einzelne Ausprägungen betreffen. Beispielweise ist in manchen Fällen die gegenseitige Verständlichkeit zwischen zwei Varietäten ein Kriterium für deren Zuordnung zu ein und derselben Sprache (z.B. von der Gabelentz [1891/1901] 1969, 55), in anderen Fällen dagegen nicht (z.B. Schleicher [1859] 1874, 27f.); des Weiteren wird dieses Kriterium bisweilen nur intuitiv gehandhabt (von der Gabelentz [1891/1901] 1969, 55), ein andermal dagegen an Hand von Verständlichkeitstests operationalisiert, wobei einerseits verschiedenartige Operationalisierungen vorliegen (z.B. Übersetzungstests oder Fragebeantwortung, vgl. Bendor-Samuel 1980, 327 – 330) und andererseits innerhalb einer bestimmten Operationalisierung unterschiedliche Diskriminationskriterien festgelegt werden können (z.B. Abgrenzung bei 60 % Verständlichkeit oder bei 80 % Verständlichkeit).

    Wenn man die Varietäten zu Ober- und Untermengen zusammengefasst sieht, womöglich im Sinne einer durchgängigen Taxomonie für alle Varietäten der Erde (vgl. zu diesem Begriff von Taxomonie Bunge 1967, 74 – 82), so kann man eine Sprache einmal als Teilmenge einer Obermenge, ein andermal als Obermenge von Teilmengen (oder – wie hier – vereinfacht, auch als Menge von Elementen) sehen. Derart unterschiedliche Blickrichtungen, die ohne weiteres miteinander vereinbar sind, führen dazu, dass einmal

  • 6

    von Einzelsprache (Element einer Sprachengruppe, z.B.: Italienisch (Romanische Sprachengruppe) und ein andermal von Gesamtsprache (Menge von Varietäten, z.B. Italienisch = {Toskanische Varietät, Lombardische Varietät ...}) die rede ist. Die Frage ist nun, nach welchen Kriterien Varietäten zu derartigen Mengen zusammengefasst werden, die wir Sprachen nennen (je nach Perspektive Einzelsprachen oder Gesamtsprachen). Diesen Kriterien liegt, wie es scheint, stets die Annahme ihrer (im weiteren Sinn) soziologischen Relevanz zugrunde. Es handelt sich vor allem um die gegenseitige Verständlichkeit (aufgrund geringer linguistischer Distanz) oder auch die jeweiligen Sprecher (im Falle ihrer Gewilltheit). Diese Beziehungen zwischen Varietäten bzw. zwischen den Sprechern (vermittels ihrer Varietäten) werden als wichtige Faktoren menschlicher Gruppenbildungen (Großgruppen) aufgefasst (Kloss 1929, 104), insbesondere bei der Herausbildung von Nationen oder Staaten (Deutsch [1942] 1968; Haugen [1966] 1976). Vorstellungen dieser Art scheinen dem Sprache-Begriff fast stets zugrunde zu liegen, auch wenn sie nicht expliziert werden. Hierdurch ist auch eine ganz bestimmte Stufe in der ansonsten sehr vielfältige ausdifferenzierbaren Hierarchie von Mengenbeziehungen zwischen Varietäten (allen insgesamt) fixiert. Wie viele Stufen nach oben hin (Sprachengruppen, Sprachenfamilien usw.) und nach unten hin (Teilmengen von Sprachen, also "Dialekte" im am Ende vom 1. Angedeuteten Sinn, Teilmengen dieser Teilmengen, also "Subdialekte" usw.) gebildet werden, ist dagegen vergleichsweise offen und von Fall zu Fall unterschiedlich.

    Eine besonders wichtige gruppenbildende Beziehung zwischen Varietäten bzw. zwischen ihren Sprechern, wenn nicht die wichtigste überhaupt, ist die gegenseitige Verständlichkeit (Interkomprehension). Für sie lassen sich – wie immer man sie auch operationalisiert – unterschiedliche Grade angeben, ohne dass eine scharfe Grenzziehung anders als willkürlich möglich wäre. Sie kann außerdem medienspezifisch (hinsichtlich der russ. "sposob suŝestrovaniâ jazyka" bzw. der dt. "Existenzweise" von Sprache), also mündlich oder schriftlich eingeschränkt sein. Beispielsweise wurden die verschiedenen chinesischen Varietäten durch das klassische Chinesisch (vor Herausbildung des modernen Standardchinesisch) nur schriftlich verbunden; mündlich waren sie nicht gegenseitig verständlich; jedoch genügte dies, sie zu ein und derselben Sprache zusammenzufassen. Dagegen sind Serbisch und Kroatisch, Moldauisch und Rumänisch oder Hindi und Urdu aufgrund verschiedner Schriften (Serbisch bzw. Moldauisch: Kyrillisch, Rumänisch bzw. Kroatisch: Lateinisch; Hindi: Devanagari, Udru: Persisch) nur mündlich verständlich. Allgemein lassen sich zwei Haupttypen von Sprachen unterscheiden, für die sich die Frage der Zuordnung von Varietäten unterschiedlich stellt: (1) Sprachen mit Standardvarietät(en), die man Standardsprachen nennen kann (Vorsicht: Standardsprache wird auch synonym gebraucht mit Standardvarietät), wie z.B. heutiges Slowakisch oder Italienisch mit der slowakischen bzw. italienischen Standardvarietät; (2) Sprachen ohne Standardvarietät(en), die man unverfänglich Nonstandardsprachen, aber auch Vernakulars nennen kann

  • 7

    (Vorsicht: Vernakular wird auch synonym mit Nonstandardvarietät gebraucht), wie z.B. einstiges Baskisch oder Albanisch jeweils ohne Standardvarietät. Die Sprachn vom Typ (1) ergeben sich nun so, dass den Standardvarietäten alle diejenigen Varietäten (als nur zur selben Sprache gehörig) zugeordnet werden, die ihnen gegenüber "herteronom" sind, d.h. – grob gesprochen – dass die Sprecher das eigene sowie das Sprachverhalten anderer in die Richtung der Standardvarietät korrigieren (Stewart 1968, 535; Chambers/Trudgill 1980, 10 – 14). In Sprachen vom Typ (2) (ohne Standardvarietäten) sind die einzelnen Varietäten hingegen "autonom". Für sie ist die Heteronomie also kein brauchbares Zuordnungskriterium. Auch mehrere nebeneinander bestehende Standardvarietäten in ein und derselben Sprache, wie z.B. das Standardbritisch und das Standardamerikanisch in der englischen Sprache, sind autonom. Sie werden – zumindest gewöhnlich von Wissenschaftlern – zu ein und derselben Sprache zusammengefasst aufgrund eines Kriterienbündels, das recht unterschiedliche Einzelkriterien umfasst: aufgrund geringer genetischer Distanz, geringer linguistischer Distanz oder leichter gegenseitiger Verständlichkeit. Wir wollen kurz vom "Distanzkriterium" sprechen. Ganz unabhängig von seiner Präzisierung und Operationalisierung (vgl. 2.2.) ist das Distanzkriterium nur dann einigermaßen problemlos anwendbar, wenn die Varietätenmengen nach diesem Kriterium überhaupt "natürliche Klassen" (vgl. hierzu Sodeur 1974, 14 – 17) bilden- dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Mengen vorliegen, deren sämtliche Elemente untereinander geringere Distanz als zu sämtlichen Elementen anderer Mengen aufweisen. Solche Verhältnisse sind Wunschträume aller mit empirischen Klassifikationen befassten Wissenschaftler. Sie lassen sich beispielsweise in der in Abbildung B dargestellten Form in einem 1-dimensionalen Merkmalraum repräsentieren (vgl. Sodeur 1974, Kapitel 1 und 2).

    B: Distanzmäßig klassifizierbare Varietätenmengen

    Der Pfeil repräsentiert die als linear angenommene Distanz zwischen Varietäten, die von einer beliebig als Fixpunkt gewählten Varietät aus gemessen wurde. Die Punkte repräsentieren die einzelnen Varietäten.

    Solche Verhältnisse mögen Kloss implizit vorgeschwebt haben, als er seinen Begriff' 'Abstandsprache' konzipierte (Kloss 1952, 15 – 24; Kloss 1929, 107: "automatische Sprache"). Abstandsprachen sind vorstellbar als solche Varietätenmengen ohne Standardvarietät(en) (bei Kloss 1978, 25: "Nur-Abstandsprache"), die allesamt unter sich geringere Distanz haben als nach außen hin. (Kloss differenziert allerdings nicht zwischen Elementen und Mengen, sondern spricht undifferenziert von "Idiomen", was – genau genommen – zu einer Aporie führt, da die Einheiten (Mengen mit der Eigenschaft, Sprache zu sein) bereits als konstituiert vorausgesetzt sind, die doch erst durch die Kriterien gebildet werden sollen). Analog lassen sich auch die in den "polyzentrischen Standardsprachen"

  • 8

    (Kloss 1976, 310 – 312. Der Ausdruck stammt vermutlich von Stewart 1968, 535; Ferguson 1962, 25, verwendet "multimodal") zusammengefassten Standardvarietäten vorstellen: Auch sie haben sämtlich untereinander geringe und nach außen hin, also zu den Standardvarietäten aller anderen Sprachen, große Distanz. Leider ist jedoch die Wirklichkeit nicht immer so klar strukturiert wie diese Ideen. Vielmehr sind dort die Verhältnisse oft eher so, wie es Abbildung C zeigt. Aber auch dabei sind die Verhältnisse noch in höchst problematischer Weise vereinfacht, insofern die Distanz als 1-dimensional angenommen ist.

    C: Distanzmäßig nicht klassifizierbare Varietätsmengen

    Solche Verhältnisse werden zumeist mit dem Ausdruck Dialektkontinuum bezeichnet (Hill [1958] 1976, 112. Auch Dialektkette/chain of dialects. Mc Elhanon 1971, 132), wobei man sich gewöhnlich auf die nicht-standardisierten Varietäten bezieht. Grundsätzlich sind derartige Verhältnisse aber auch auf der Ebene der Standardvarietäten möglich, was dann das Problem aufwirft, wie die betreffenden Standardvarietäten zu ein und derselben Sprache vom Typ einer polyzentrischen Standardsprache zusammengefasst bzw. verschiedenen Sprachen zugeordnet werden. Ein Beispiel bildet vielleicht, vor allem in Zukunft, die englische Sprache, der man sicher ohne Bedenken Standardvarietäten wie Standardamerikanisch, Standardbritisch oder Standardaustralisch zuordnen wird; etwas heikler ist schon die Zuordnung von aus dem Englischen entstandenen indischen oder nigeranischen Standardvarietäten (die allerdings derzeit nicht in einem strikten Sinn standardisiert sind, vgl. 3) und erst recht die Zuordnung von (allerdings erst ansatzweise) standardisierten einstigen Pidgins mit englischer Komponente wie z.B. das Neuguinea-Pidgin (Neo-Melanesisch) oder das Sranan (Taki-Taki) in Surinam. In solchen Fällen bzw. bei Dialektkontinuen müssen entweder willkürliche Grenzen gezogen oder andere Kriterien hinzugenommen werden, wenn (aus welchen Gründen auch immer, z.B. aus sprachpolitischen) disjunkte Sprachen gebildet werden sollen. Logisch gesehen sind diese Schwierigkeiten dadurch bedingt, dass jede(s) bestimmte Distanz(ausmaß), welcher Art von Distanz (genetischer, struktureller oder anderer) auch immer, keine transitive Relation ist: Sie mag noch klein sein zwischen a und b sowie zwischen b und c, aber schon nicht mehr zwischen a und c. sie ist damit auch keine Aquivalenzrelation (symmetrisch, transitiv, reflexiv), die für eine strenge Klasseneinteilung notwendig wäre. Wäre sie eine Äquivalenzrelation, so gäbe es keine grundsätzlichen Hindernisse von der Art der Dialektkontinuen beim Versuch, alle Elemente des Bereichs, also alle Varietäten, bereichserschöpfend zu nichtleeren, disjunkten Klassen, also Sprachen, zusammenzufassen. Dieses Problem lässt sich vorab unabhängig davon formulieren, um welche Art von Distanz es sich handelt oder wie große und geringe Distanz voneinander abgegrenzt sind. Diesen Fragen wollen wir uns jetzt zuwenden.

  • 9

    2.2 Distanzen: Art und Ausmaß

    2.2.1 Genetische Distanz (Verwandtschaft) In der historischen Sprachwissenschaft, die im 19. Jahrhundert aufgeblüht ist, werden Varietäten aufgrund der genetischen Beziehung gemeinsamer Abstammung zu Sprachen zusammengefasst. Das gängigste Beispiel ist die Sprache Latein, der die Varietäten Französisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Rumänisch usw. zugeordnet werden. Statt von Varietäten spricht man dabei allerdings zumeist von "Dialekten"; gemäß unserer eingangs getroffenen Festlegung des Ausdrucks Dialekt auf nichtstandardisierte Varietäten, dürfen wir dies jedoch nicht tun. Die Zuordnung von Varietäten ("Dialekten") zu Sprachen ist dabei, wie es scheint, durch eine prima vista sehr einfache Beziehung festgelegt; durch unmittelbare Abstammung. Eine Sprache besteht also aus der Menge all derjenigen Varietäten, die unmittelbar von ihr abstammen.

    Für den Nachweis der Abstammungsbeziehung wurden unterschiedliche Methoden entwickelt, die insbesondere auch dort Aufschluss lieferten, wo kein solcher Reichtum an historischen Quellen zur Verfügung steht wie für die Geschichte des Lateins. Am wichtigsten ist der systematische Vergleich zwischen den Varietäten bzw. deren linguistischen Systemen, der sich zunächst auf phonologische Korrespondenzen zwischen bedeutungsgleichen (oder ursprünglich bedeutungsgleichen) Wörtern konzentrierte, aber grundsätzlich auf alle grammatischen Ränge ausgedehnt werden kann. ergänzend hierzu kann zur Ermittlung älterer Sprachzustände die "interne Rekonstruktion" angewandt werden; wo vergleichbare Varietäten fehlen, bietet sie sogar die einzige Möglichkeit (Lehmann 1962, 6 – 11). Nachdem durch systematischen Vergleich Übereinstimmungen festgestellt worden sind, kann von deren Art und Anzahl auf den Verwandtschaftsgrad geschlossen werden. Die "Glottochronologie" ist die hierfür vielleicht bekannteste Methode. Sie arbeitet hauptsächlich mit Häufigkeiten von Wortentsprechungen (Wortübereinstimmungen), der sogenannten "Lexikostatistik" (Swadesh 1952, 1954, 1955, 1959; Gudschinsky 1956; Hymes 1960). Alle diese Methoden basieren auf bestimmten Hypothesen sprachlichen Wandels. Der Vergleich von Wortentsprechungen basiert beispielsweise auf der Hypothese, dass die verglichenen Wörter nicht entlehnt sind. Hierfür versucht man Bereiche des Lexikons auszugrenzen, wo Entlehnungen unwahrscheinlich sind, z.B. Bezeichnungen von elementaren, alltäglichen Eigenschaften und Beziehungen (Bodmer [1943] 1976, 167 f.). Es ist bekannt, dass hier im Einzelfall Vorsicht geboten ist. Auch bei den vermeintlich elementarsten Bezeichnungen sind Entlehnungen möglich; ein Beispiel ist die Entlehnung der Verwandtschaftsbezeichnungen aus dem Französischen ins Deutsche im 18. Jahrhundert. (Papa, Mama, Onkel, Tante u.a.). erst der breite Überblick und die Methodenkombination liefert eine gewisse Sicherheit gegen solche Fehlerquellen.

    Unabhängig von Fragen der Feststellungsmethoden sind die solchermaßen definierten Begriffe 'Sprache' und 'Varietät' strikt relativ zueinander hinsichtlich der Beziehung 'unmittelbare Abstammung': "es kann aber die Sprache wiederum, je höher ins Altherum

  • 10

    aufgestiegen wird, als Dialect ['Varietät' U.A.] [...] einer früheren weiter zurückliegenden erscheinen." (Grimm [1848] 1868, 574). Diese strikte Relativität wird in der historischen Sprachwissenschaft jedoch nicht immer konsequent durchgehalten, wie das folgende Zitat von Schleicher ([1859] 1874, 27. Sperrungen im Original) zeigt:

    "alle Sprachen nun, welche so beschaffen sind, daß sie, wenn auch durch mehrere Generationen hindurch, schließlich doch auf eine Grundsprache hinweisen, bilden eine Sprachsippe oder, wie man gewöhnlich sagt, einen Sprachstamm und sie sind verwandt. Innerhalb solcher Sprachsippe können wir oft Sprachfamilien scheiden, in diesen wieder einzelne Sprachen, welche abermals in Dialekte, Mundarten, u.s.f. zerfallen".

    Zwar besteht auch hier die unmittelbare Abstammungsbeziehung zwischen Varietäten ("Dialekte")und Sprachen, aber die Begriffe sind nicht mehr strikt relativ hinsichtlich dieser Beziehung. Vielmehr ist der Begriff 'Sprache' durch anderweitige – im Text nicht genannte – Kriterien festgelegt, wobei es darüber (davor) und darunter (danach) eine unbestimmte Anzahl von Abstammungsstufen gibt. (Beachte die Formulierungen "oft Sprachfamilien" bzw. "u.s.f." im Zitat von Schleicher!) Nur die "Grundsprache" (ansonsten zumeist "Ursprache") bzw. die in Bezug auf sie definierte "Sprachsippe" bildet einen weiteren absoluten Fixpunkt in dieser Hierarchie. In der tat müssten andernfalls die hier sogenannten Mundarten wiederum Varietäten ("Dialekte") der hier sogenannten Dialekte sein, die ihre Sprachen wären. Ostschwäbisch wäre beispielsweise eine Varietät ("Dialekt") von (Gesamt) Schwäbisch, das eine Sprache wäre. (Schwäbisch ist ein deutscher Dialekt, Ostschwäbisch ein Subdialekt davon.) Auch Grimm selber hat jene strikte Relativität seiner Begriffe nicht durchgehalten, indem er im gleichen Buch, aus dem obigen Zitat stammt, noch für seine Zeit das Germanische als "deutsche Sprache" ansetzt. Diese Konstruktion dient ihm zur Begründung der politischen Utopie, dass die Sprecher dieser "Sprache" einst ein einziges "Volk" werden (Grimm [1848] 1868, III. – VI.).

    Bei Grimm und Schleicher sowie in anderen Fällen werden offenbar verschiedene Begriffe von 'Sprache' und von 'Varietät' ("Dialekt") vermengt. Dies mag damit zusammenhängen, dass die das genetische Begriffspaar definierende Beziehung der unmittelbaren Abstammung grundsätzlich problematisch ist. Es handelt sich um eine Analogie zur Abstammungsbeziehung zwischen Individuen in einer Art (gelegentlich auch zur Abstammungsbeziehung zwischen Arten). Biologisch ist diese Beziehung ziemlich klar und eindeutig, im Bezug auf Varietäten ist dies jedoch nicht ohne weiteres der Fall. Es ist verschiedentlich darauf hingewiesen worden, dass Varietäten und Sprachen sich nicht nur divergierend, sondern auch konvergierend entwickeln können und schon deshalb ein Familienbaum der Abstammung kein adäquates Modell ihrer Verwandtschaftsbeziehungen ist (Hudson 1980, 38). Beispiele sind geplante Konvergenzen wie im Falle des Bahasa Indonesia (Omar 1979) oder ungeplante wie bei Pidgins und Kreols. Außerdem können Varietäten aufgrund von Kontakten ihrer Sprecher vielfältige Entlehnungen aufnehmen. Ein Beispiel dafür sind die "Sprachbünde" (Becker 1948; Haarmann 1976). Diese Entlehnungen

  • 11

    haben keine Analogie im biologischen Bereich. Wie immer man aber genetische Beziehungen zwischen Varietäten unter Berücksichtigung dieser und anderer Besonderheiten präzisiert, sie scheinen uns für den gängigen Begriff 'Sprache' nicht ausschlaggebend. Man sollte für rein genetisch begründete Zusammenfassungen von Varietäten besser einen anderen Terminus wählen. Zur Prüfung kontrastiere man die beiden (ausgedachten) Fälle eines sehr dramatischen und eines extrem langsamen Sprachwandels. Varietäten, die sich bis zur Unkenntlichkeit auseinander entwickelt haben, ordnet man nicht mehr derselben Sprache zu, auch wenn sie rein genetisch eng miteinander zusammenhängen, d.h. sich erst vor kurzer Zeit gespalten haben. Dagegen tut man dies bei sehr ähnlichen Varietäten auch dann, wenn sie schon sehr lange getrennt sind. In jedem Fall sind beide Beziehungen nicht ohne weiteres vereinbar. Und uns scheint, dass für den Begriff 'Sprache' in der Regel nicht die genetische Nähe (Verwandtschaft), sondern die systematische Nähe (Ähnlichkeit) ausschlaggebend ist. (Vgl. Hegers [1969] 1976, 234, "Postulat einer rein typologisch", nicht "diachronisch-genetisch" vorgehenden Festlegungen von Sprachen. In der Biologie wird die Verwandtschaft zwischen den Arten als "Homologie", ihre Ähnlichkeit als "Analogie" bezeichnet (Ax 1984., 63 und 166f.))

    2.2.2 Systematische Distanz (Ähnlichkeit) Vielleicht sollte zunächst darauf hingewiesen werden, dass es immer wieder scheinbare Patentrezepte gegeben hat, nach denen die Zuordnung von Varietäten zu einer Sprache ziemlich unproblematisch erschien. So postuliert z.B. Appolonios Dyskolos für die griechischen Dialekte, dass ihre Unterschiede "immer nur die äussere Wortform betreffen, nicht die Bedeutung". (Ausgabe Buttmann 1877, 319, ähnlich 275.) Zahlreiche Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass es sehr wohl Wortbedeutungsunterschiede zwischen Dialekten derseben Sprache gibt, allein schon deshalb, weil sich in den Gebieten verschiedener Dialekte verschiedenartige Dinge, z.B. unterschiedliche bäuerliche Arbeitsgeräte finden. Eine moderne Version jener antiken Auffassung ist das Postulat einer identischen Tiefenstruktur aller Varietäten einer Sprache. Nach Agard (1971, 15), einem Vertreter dieser Auffassung, beinhaltet z.B. eine identische morphologische Tiefenstruktur (als Teil einer identischen Gesamttiefenstruktur) einen identischen Bestand an grammatischen Kategorien. Danach gehörten beispielsweise sämtliche Dialekte südlich der Mainlinie (Bairisch, Schwäbisch usw.) nicht zur deutschen Sprache, da ihnen die Präteritum-Perfekt-Opposition fehlt (Veith 1977, 154). Dies widerspräche sämtlichen gängigen Einteilungen.

    Fragwürdig ist überdies, on in absehbarer Zeit ein Konsens darüber zu erziele ist, was denn genau zur Tiefenstruktur eines Sprachsystems gehört. Jedoch wäre selbst dann keineswegs a priori anzunehmen, dass sich Varietäten adäquat (in irgendeiner Bedeutung dieses Ausdrucks) "monothetisch", d.h. an Hand einer einzelnen übereinstimmenden Struktureigenschaft wie der Tiefenstruktur, zu Sprachen klassifizieren lassen. Vielmehr erscheint es weit plausibler, dass "polythetische" Klassifikationen notwendig sind

  • 12

    (Altmann/Lehfeldt 1973, 27). Diese Art der Klassifikation ist dadurch gekennzeichnet, dass es keine einzelnen Merkmalsausprägungen gibt, die notwendig allen Elementen zukommen (Sodeur 1974, 17 – 21). Dementsprechend verfahren auch modernere linguistische Distanzmessungen.

    Eine Vorform der Distanzmessung ist im Grunde schon die Isoglossenzälung und –bündelung der Dialektgeogrphie (vgl. Goebl 1984 a). als explizites Distanzmaß,d das verhältnismäßig einfach anzuwenden ist, kommt z.B. wieder die Lexikostatistik in Frage, wobei das Ausmaß der Übereinstimmung im Lexikon bzw. der als Vergleichsgrundlage dienenden Wortliste (gewöhnlich 100 oder 200 Wörter) nicht mehr genetisch, sondern systematisch als strukturelle Ähnlichkeit gedeutet wird. Die Methode behandelt eine Reihe von Problemen, die hier nicht im einzelnen behandelt werden können, insbesondere die Frage der als Vergleichsbasis dienenden Wortliste und das Problem, wann zwei Wörter aus verschiedenen Varietäten als übereinstimmend bewertet werden (gefordert ist nicht phonemische Identität, sondern lautgesetzliche Korrespondenz der Phoneme). Hinzu kommt das heikle Problem, bei welchem Ausmaß der Übereinstimmung zwei Varietäten derselben Sprache zugeordnet werden sollen. Swadesh`s (1952, 456) Festlegung, dass mindestens 81 % der Wörter aus seiner Wortliste übereinstimmen müssten, ist letztlich ebenso arbiträr wie jede andere Festlegung. Immerhin hat eine solche Festlegung den Vorteil der nachvollziehbaren Intersubjektivität. (Übrigens verstand Swadesh selber seine Festlegung als genetische Distanz, Kloss (z.B. 1976, 303f.) dagegen offenbar als systematische (synchrone) Distanz). Ein offenkundiges und häufig konstatiertes Manko dieses Maßes ist die Beschränkung auf die Lexik. Etwas weiter in die Richtung der Einbeziehung der Phonetik gehen schon die Versuche des Sommerinstituts für Linguistik (Zentralsitz in Dallas, Texas), den Grad der lautlichen Übereinstimmung zwischen den Wörtern mit zu berücksichtigen. Zwei Wörter gelten dann nicht einfach als identisch, wenn sie lautgesetzlich aufeinander bezogen werden, sondern es werden darüber verschiedene Grade der lautlichen Übereinstimmung zwischen beiden Wörtern berücksichtigt (vgl. Bendor-Samuel 1980, 325). Spezielle Maße für die lautliche Ähnlichkeit zwischen Varietäten haben J.E. Grimes und Agard (1959; Grimes 1964) und später Ladefoged 1970; Ladefoged/Glick/Creper 1972, 62 – 65) entwickelt. Greenberg`s (1960) Vorschläge für eine Typologie von Sprachen (nicht von Varietäten) an Hand der Morphologie lassen sich für ein morphologisches Ähnlichkeitsmaß verwerten. Bei all diesen Ansätzen ist das Problem der genaueren Abgrenzung entweder wegen ganz anderer Anwendungsintentionen gar nicht diskutiert worden oder aber sehr unbefriedigend gelöst. Dies gilt auch für das von Mackey (1971; 1975, 221 – 307) vorgeschlagene Maß, das sich nicht auf einen einzelnen grammatischen Rang beschränkt. Mackey differenziert zunächst zwischen Inhalts- und Ausdrucksunterschieden ("différences sémantiques", "différences formelles"). Die inhaltlichen oder semantischen Unterschiede unterteilt er weiter in Bedeutungen grammatischer Kategorien ("sens grammatical") und Wortbedeutungen ("sens lexical"). Bei

  • 13

    den Ausdrucksunterschieden differenziert er grammatische, lexikalische und phonetische Formen ("forme grammaticale", "forme lexicale", "forme phonétique"), wobei er letztere weiter unterteilt in prosodische und allophonische Unterschiede. Bei allem unbestreitbaren Verdienst Mackey`s, insbesondere um eine Distanzmessung, die sich auf alle grammatischen Ränge erstreckt, leider sein Ansatz unter einem grammatiktheoretischen Defizit. Seinem Vorschlag liegt eine strukturell-taxonomische Grammatiktheorie zugrunde, die jedoch nicht näher erläutert wird. Distanzmaße sind jedoch abhängig von der zugrunde gelegten grammatischen Beschreibungstheorie (Altmann/Lehfeld 1973, 71). So können sich beispielsweise zwischen zwei Mengen von Sätzen je nach grammatischer Beschreibungstheorie recht unterschiedliche systematische Distanzen ergeben (Klein 1974, 26 – 29). Allerdings schrumpfen die Divergenzen bei Einbeziehung jeweils einer großen Zahl von Merkmalen. In der Konsequenz des auf Einbeziehung aller grammatischen Ränge abzielenden Ansatzes von Mackey liegt eine Distanzmessung auf der Grundlage der "numerischen Taxomonie", deren in der Biologie (Sokal/Sneath 1963) entwickelte Methodologie von Altmann/Lehfeld (1973) auf die allgemeine Sprachtypologie angewandt wurde und von Goebl (1982; 1984 a) auf die Dialektgeographie (unter dem Terminus "Dialektometrie"). Im Sinne der numerischen Taxomonie würden Varietäten hinsichtlich möglichst vieler Merkmale auf Übereinstimmungen und Unterschiede verglichen und nach dem Grad ihrer Übereinstimmung (Ähnlichkeit) gruppiert. Ziel der numerischen Taxomonie ist bisweilen eine "natürliche" Klassifikation, d.h. die Feststellung der tatsächlichen Verteilung der Elemente (hier Varietäten) in einem Merkmalraum, der aus möglichst vielen, nicht vorab gewichteten oder selektierten Merkmalen aufgespannt ist (Sodeur 1974, 32 – 37). Die meisten Taxomonien gehen heutzutage freilich davon aus, dass Klassifizieren grundsätzlich künstlich und die Suche nach Natürlichkeit hoffnungslos ist (Hinweis von Goebl). Unabhängig hiervon ist es fraglich, ob Sprachen auf diesem Wege adäquat (re)konstruiert werden können. Die als natürlich oder als künstlich aufgefasste Gruppierung der Elemente liefert nämlich keine Kriterien für Abgrenzungen zwischen kontinuierlichen Übergängen. Wenn hierfür nicht zusätzliche Kriterien beigebracht werden, muss diese unterbleiben oder völlig arbiträr geschehen.

    2.2.3 (Gegenseitige) Verständlichkeit Die Verständlichkeit zwischen verschiedenen Varietäten ist oft als primäres Problem ihrer Zuordnung zu ein und derselben Sprache vorgeschlagen worden. Ein Beispiel liefert schon von der Gabelentz ([1891], [1901], 1969, 55): "Es lebt noch eine andere Betrachtungsweise, die noch naiver, noch volkstümlicher, und doch im Grunde die einzig richtige ist: Wen ich verstehe, der redet meine Sprache: wen ich nicht verstehe, der redet eine mir fremde Sprache. So urtheilte jener Tyroler, der vom Berliner sagte: 'Der Mann redet eine andere Sprache als ich', so wüsste ich nicht, was die Wissenschaft dagegen einwenden wollte." Man könnte geneigt sein, den Grad der Verständlichkeit als mathematische Funktion (oder sogar Bijektion) des Grades der systematischen linguistischen Ähnlichkeit aufzufassen.

  • 14

    Jedoch ist hier Vorsicht geboten. Während die linguistische Ähnlichkeit zwischen zwei Varietäten stets symmetrisch ist, ist dies bei der Verständlichkeit zwischen ihnen nicht immer der Fall (Grimes 1974, 260); sie ist nicht, zumindest nicht in gleichem Maße gegenseitig. Wolff (1959) hat dies in einer vielzitierten Untersuchung von Sprechern afrikanischer Stammessprachen gezeigt und mit unterschiedlichen Einstellungen der Sprecher gegenüber der jeweils anderen Varietät oder deren Sprechern begründet. Verstehen ist u.a. abhängig von der Verstehensbereitschaft der Rezipienten. Sie ist darüber hinaus naheliegender Weise abhängig von Vorkenntnissen der anderen Varietät, die keineswegs symmetrisch zu sein brauchen. Unabhängig davon kann aber auch eine Varietät, die in gewissem Sinne der eigenen weit ähnlicher ist als eine andere, viel schwieriger verständlich sein. Man denke beispielsweise an die Umkehrung der Phonemfolge in jedem Wort, die der junge Mozart in Milós Formans Film "Amadeus" (USA 1984) so virtuos handhabt, wohl um dem Zuschauer auf belustigende Weise sein musikalisches Genie zu demonstrieren. Diese Vertauschung basiert auf einer einzigen Umformungsregel, so dass man bestimmt von einer großen linguistischen Ähnlichkeit zwischen beiden Systemen sprechen kann, und bewirkt dennoch – bei normaler Redegeschwindigkeit – völlige Unverständlichkeit. Weitere Beispiele sind die zahlreichen Geheimsprachen von Schülern, die für Nichteingeweihte unverständlich sind, obwohl ihnen einfachste Umformungsregeln zugrunde liegen (z.B. in Duisburg und andernorts die "B-Sprache", in der jeder Vokal x durch folgende Regel erweitert wird: x xbx [`ʃu:le] 'Schule' wird dann zu [` ʃu:bu`lebe]. Ein ähnliches Beispiel ist "Pig Latin", Gumperz (1962, 35). Demgegenüber sind beispielsweise die Unterschiede zwischen verschiedenen britischen oder spanischen Dialekten aus linguistischer Sicht weit komplizierter, ohne dass die gegenseitige Verständlichkeit auch nur annähernd so stark beeinträchtigt wäre. Aus Überlegungen dieser Art zieht J.E. Grimes (1974, 261) die Konsequenz, in Bezug auf die Verständlichkeit gar nicht mehr von Varietäten oder Dialekten zu sprechen, da diese Begriffe linguistische Kriterien suggerieren, sondern von "Kommunikationsnetzwerken (communication networks)". Es ist allerdings fraglich, ob diese Konsequenz nicht zu radikal ist. Varietäten, die für die Zuordnung zu ein und derselben Sprache in Betracht kommen, unterscheiden sich gewöhnlich nicht nach Art jener künstlichen Geheimsprachen. Im Hinblick auf sie wäre es vielleicht durchaus zweckmäßig, die gegenseitige (nicht unbedingt gegenseitig gleich große) Verständlichkeit als Kriterium beizuziehen. Hierdurch könnte vielleicht die Arbitrarität einer rein linguistischen Abgrenzung reduziert werden. Dies trifft zu, obwohl die Verständlichkeit ihrerseits ein Kontinuum bildet, in dem bei einer dichotomen Einteilung (gute gegenüber schlechter Verständlichkeit) wiederum letztlich eine arbiträre Trennlinie gezogen werden müsste. Dessen ungeachtet könnte hierdurch die in jedem Fall inadäquate Lösung vermieden werden, dass gegenseitig gänzlich unverständliche Varietäten der gleichen oder gegenseitig sehr leicht verständliche Varietäten verschiedenen Sprachen zugeordnet würden. Denkbar wäre eine Festlegung durch Verständlichkeitstests an

  • 15

    "neutralen" Probanden, die weder negative Attitüden gegenüber der anderen Varietät noch Vorkenntnisse davon hätten (vgl. Ammon 1983, 47f.). dieser Gedanke, der derzeit wohl nur eine vage Forschungsperspektive eröffnet, entspricht durchaus dem intuitiven Begriff von 'Sprache', der z.B. von der Gabelentz vorschwebte.

    Tests, mit denen die Verständlichkeit einer Varietät a für die Sprecher von Varietät b gemessen werden kann, sind inzwischen sehr sorgfältig ausgearbeitet. Frühere Tests verlangten, dass eine von einem Sprecher der Varietät a erzählte und übersetzte Geschichte von Sprecher der Varietät b Satz um Satz oder Abschnitt um Abschnitt übersetzt wurde (Voegelin/Harris 1951, 327f.). In der Kritik dieser Testanordnung wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass Übersetzungsfähigkeit und Verstehen nicht gleichgesetzt werden können: Übersetzen ist eine komplexere Tätigkeit als Verstehen; wer gut versteht, braucht noch lange nicht gut übersetzen zu können (Wolff 1959, 34). Daher verlangen neuere Tests keine Übersetzungen mehr von den Probanden. Die vermutlich ausführlichste Darstellung von Verständlichkeitstests und –messungen findet sich bei Casad (1974). Dieser Text beruht auf den reichen Erfahrungen des Sommerinstituts für Linguistik und dient zugleich dessen Mitarbeitern als praktische Arbeitsgrundlage. Neben vielen anderen Differenzierungen wird unterschieden zwischen Texttest und Satztest (Casad 1974, Kap. 5 und 6). Statt einer Übersetzung müssen sie Probanden Fragen zum Text- und Satzinhalt beantworten, die unmittelbar nach der Präsentation der Textabschnitte bzw. Sätze gestellt werden. Die Verständlichkeit wird gemessen mach der Anzahl der richtig beantworteten Fragen. Die Vor- und Nachteile beider Testarten sowie die möglichen Störvariablen wurden sorgfältig untersucht. Wie es scheint, werden Satztests zumeist vorgezogen, teils weil sie Verstehensschwierigkeiten differenzierter aufzeigen (isolierte Sätze haben geringere Redundanz als kohärente Texte und sind daher schwerer verständlich), mehr aber noch wegen ihrer leichteren Herstellbarkeit.

    Die Verständlichkeitstests nach Casad dienen insbesondere den Mitarbeitern des Sommerinstituts für Linguistik dazu, verschiedene Varietäten zu ein und derselben "Sprache" zusammenzufassen. Gewöhnlich geschieht dies, wenn sich eine gegenseitige Verständlichkeit zwischen 75% und 85% ergibt (Casad 1974, 46), wobei die genaue Festlegung letztlich konventionell oder von zusätzlichen Kriterien, zumeist Praktikabilitätsgesichtspunkten bestimmt ist. Was von den Mitarbeitern des Sommerinstituts auf diese Weise gewöhnlich zusammengruppiert wird, könnte man mit guten Gründen auch als "potentielle" oder "zukünftige Sprachen" bezeichnen, bei gehöriger (Verständlichkeits)Distanz aller enthaltenen Varietäten von allen nicht enthaltenen eventuell auch als "Abstandsprache (aufgrund von Verständlichkeit)" in Anlehnung an Kloss. Derartige Varietätenmengen werden im Grunde von den Mitarbeitern des Sommerinstituts, bzw. deren Interaktion mit den Sprechern, erst zu gewissermaßen wirklichen, d.h. funktionell kohärenten Sprachen gemacht (vgl. zu diesem Begriff von 'Sprache' z.B.

  • 16

    Ineichen 1976, 16). Dies geschieht durch die gezielte Entwicklung einer Standardvarietät, die dann solche Varietätenmengen verbindet.

    2.3 Heteronomie gegenüber einer Standardvarietät

    Alle Varietäten, die gegenüber einer Standardvarietät heteronom sind, werden gewöhnlich zusammen mit dieser ein und derselben Sprache zusammengeordnet. Was die Heteronomie der Nonstandardvarietäten gegenüber der "autonomen" Standardvarietät genau bedeutet, scheint bislang nicht zufriedenstellend geklärt zu sein. Der Terminus Autonomie wird schon seit langem zur Kennzeichnung der Beziehung zwischen einer Standardvarietät und ihren Nonstandardvarietäten verwendet. Beispielsweise charakterisiert damit Jellinek ([1913] 1968, 362f.) schon zu Beginn des Jahrhunderts Adelungs Auffassung von der deutschen Standardvarietät:

    "Durch die Betonung der Autonomie schüttelt Adelung mit einem Ruck alle Erörterungen ab, welche die Sprachrichtigkeit durch Vergleichung der Mundarten [Dialekte! U.A.] nach innern Gründen feststellen wollte (...) Nicht von allem Anfang hat Adelung die Autonomie des Hochdeutschen so scharf erfaßt (...). Die Autonomie des Hochdeutschen gilt nicht nur für die Grammatik, sondern auch für den Wortschatz."

    Mit der Autonomie des "Hochdeutschen" (= deutsche Standardvarietät) ist hier gemeint, dass es nicht von sonstigen deutschen Varietäten abhängt, sondern ausschließlich vom Sprachgebrauch der oberen Sozialschichten im südlichen Kursachsen. Entwicklungsgeschichtlich befindet sich Adelung noch in der Phase der Festlegung und Rechtfertigung der Standardvarietät. Nach der stabilen Etablierung einer Standardvarietät wird diese gegenüber den übrigen Varietäten der betreffenden Sprache in folgender Weise autonom: Sie wird ausschließlich, oder zumindest in höherem Maße als alle anderen Varietäten, als korrekt bewertet, und die Sprecher werden bei der Verwendung anderer Varietäten in Richtung auf die Standardvarietät korrigiert (Stewart 1968, 535; Chambers/Trudgill 1980, 10 – 14). Solche Korrekturen werden allgemein akzeptiert (wenngleich mit kulturkreisspezifischen und anderen Unterschieden sowie gelegentlichen Ausnahmen), auch von den korrigierten Personen selber, die sie dazu gewissermaßen an sich selber aus eigenem Antrieb vollziehen. Dies ist ein wichtiger Aspekt der häufig betonten allgemeinen Akzeptiertheit einer Standardvarietät in einer Sprachgemeinschaft (Garvin/Mathiot 1960, 783; Garvin 1964, 522; Bartsch im Druck). Darüber hinaus gibt es auch Personen, die zu derartigen Korrekturen befugt sind, z.B. Lehrer (vgl. 3). Infolgedessen treten vermehrt Transferenzen und Entlehnungen aus der Standardvarietät in die Nonstandardvarietäten auf (Kremer 1983), so dass letztere sich allmählich in die Richtung der Standardvarietät wandeln.

    Die Heteronomie gegenüber einer Standardvarietät setzt die unter 2.2.2 und 2.2.3 erörterten Distanzkriterien nicht außer Kraft, vermag sie aber zu modifizieren. Bei allzu großer linguistischer (oder verstehensmäßiger) Distanz bleibt trotz einer Art

  • 17

    Heteronomiebeziehung die Verschiedenheit der Sprachen bestehen, beispielsweise bei den sorbischen Varietäten gegenüber der deutschen Standardvarietät (vor 1945) oder den alemannischen Varietäten im Elsaß gegenüber der französischen Standardvarietät (nach 1945). In solchen Fällen lassen sich die Nonstandardvarietäten nur schwer in Richtung auf die Standardvarietät korrigieren, sondern werden eher gänzlich durch sie ersetzt (code-switching); insofern handelt es sich nicht mehr ohne Weiteres um Heteronomie der Nonstandardvarietäten gegenüber der Standardvarietät. – Bei allzu großen Distanzen besteht weitgehend Konsens über die Zugehörigkeit zu verschiedenen Sprachen. Bei abnehmenden, aber immer noch verhältnismäßig großen Distanzen gehen die Ansichten oft auseinander: hier beginnen die Grenzfälle. Ein Beispiel liefern die niederdeutschen Varietäten im Verhältnis zum (weitgehend ober- und mitteldeutschen) Standarddeutsch. Diese Varietäten werden aufgrund von Heteronomie gegenüber dem Standarddeutsch von vielen, insbesondere den Sprechern selber, derselben Sprache zugeordnet wie das Standarddeutsch. Andere Beispiele sind Okzitanisch gegenüber Standardfranzösisch oder – zumindest vor dem seit kurzem erwachenden Autonomiebewusstsein – Katalanisch gegenüber Standardspanisch. Kloss (1978, 68) bewertet solche Varietäten dagegen beispielsweise anders als ihre Sprecher: als "scheindialektisierte Abstandsprachen", d.h. als im Grunde zugehörig zu einer anderen Sprache. Es ist offenkundig, dass im Grenzbereich je nach Interessenlage unterschiedliche Zuordnungen begründbar sind, je nachdem, wie die Kriterien (Distanz und Heteronomie) gewichtet und spezifiziert werden. – Entsprechende Grenzfälle gibt es nicht bei verhältnismäßig großer, sondern auch bei verhältnismäßig geringer Distanz. Es war wiederum Kloss (1952, 15 – 24), der hervorgehoben hat, dass Varietätenmengen (bei Kloss "Idiome") mit verhältnismäßig geringer Distanz von anderen Varietätenmengen aufgrund eigener Standardvarietäten zu Sprachen werden können. Als Beispiel nennt er die tschechischen und sie slowakischen Varietäten. Sie werden jeweils zu eigenen Sprachen aufgrund von "Ausbau" (wir sagen: aufgrund von Standardisierung, genauer: aufgrund einer jeweils eigenen Standardvarietät), nicht aufgrund von Distanz ("Nur-Ausbausprachen", Kloss 1978, 25). Jedoch muss nach Kloss auch hier eine Mindestdistanz (deren Größe freilich ungeklärt ist) gewährt sein; andernfalls entstehen keine eigenständigen Sprachen (bzw. nicht das Gefühl der Existenz eigenständiger Sprachen), sondern nur verschiedene Zentren einer polyzentrischen Standardsprache. Beispiele hierfür sind die staatenspezifischen Varietätenmengen der englischen Sprache (Großbritannien, USA, Australien usw.), der portugiesischen Sprache (Portugal, Brasilien) oder der deutschen Sprache (BRD, DDR, Österreich, Schweiz).

    Am Spannungsverhältnis zwischen den Kriterien Distanz und Heteronomie tritt die Interessengebundenheit und politische Brisanz des Begriffs 'Sprache' besonders deutlich zutage. Sie hängt zusammen mit dem weitverbreiteten Staatssprachengedanken (1 Sprache 1 Staat). Bei Bestrebungen nach staatlicher Unabhängigkeit wurden oft geringe Distanzen betont und zu vergrößern versucht. Ein Beispiel sind die – allerdings nur sehr

  • 18

    begrenzt erfolgreichen – Bemühungen von John Adams und Noah Webster um ein eigenständiges amerikanisches Englisch (Heath 1976). Umgekehrt wurden große Distanzen heruntergespielt, wo ein Interesse der Einverleibung oder der Legitimation früherer Einverleibung in den eigenen Staat bestand. Beispiele hierfür sind die Sprachenpolitik Italiens gegenüber Istrien und Dalmatien bzw. Frankreichs gegenüber den okzitanischen Provinzen. Auch an den "dachlosen Außendialekten" treten solche Interessengegensätze zutage. Dachlose Außendialekte sind nicht heteronom gegenüber derjenigen Standardvarietät, von der sie die geringste Distanz haben, da sie in einem anderen Staat liegen. Bei expansionistischen Bestrebungen (Beispiel: Sprachinselpolitik von NS-Deutschland), bei Abwehr solcher Bestrebungen oder umgekehrten Einverleibungsabsichten wird dagegen die fehlende Heteronomie akzentuiert (z.B. von Frankreich hinsichtlich der elsässischen Dialekte als Antwort auf frühere deutsche Ansprüche). Als Reaktion auf einstige deutsche Ansprüche wurde z.B. von französischer Seite die Zugehörigkeit der alemannischen Varietäten des Elsaß zur deutschen Sprache bestritten; übrigens auch von manchen Sprachwissenschaftlern, die vielleicht einen Schlussstrich unter diese leidvollen Querelen ziehen wollen (für Gossens (1967, 49) umfasst die deutsche Sprache außer dem Standarddeutsch nur die zum Standarddeutsch heteronomen Varietäten). – Politische oder ökonomische Interessen liegen auch zugrunde, wenn Varietäten mit sehr kleinen Sprecherpopulationen trotz großer linguistischer Distanz (d.h. bei einer Dichotomie der Distanzen jenseits kleiner Distanz) gerne zu ein und derselben Sprache zusammengefasst werden. Beispiele sind die Behandlung der verschiedenen rätoromanischen Varietäten in der Schweiz (Goebl hält allerdings die Distanzen für "gering". Brieflicher Hinweis) und früher der verschiedenen friesischen Varietäten auf deutschem und niederländischem Gebiet. Ein Beispiel für diese Neigung findet sich auch in dem Vorschlag Fergusons (1966, 313), bei überblickartigen Beschreibungen der sprachlichen Verhältnisse eines Staates verschiedene Sprachen mit sehr kleinen Sprecherzahlen zusammenzufassen. Für die Staaten sind sie ein wirtschaftliches Problem: Die Entwicklung separater Standardvarietäten, Literaturen, Mediensendungen und Lehrmaterialien ist kostspielig.

    Es ist ein überaus schwieriges Problem für die Soziolinguistik, in diesem politischen Zankfeld einen "neutralen" Begriff 'Sprache' zu entwickeln. Welche Festlegung des Begriffs auch immer getroffen wird, politische Interessen bleiben davon nicht unberührt (vgl. zu diesen politischen Implikationen auch Coulmas 1985; Goebl 1984b). – Im derzeitigen Umgang mit dem Begriff 'Sprache' kommen massive Operationalisierungsschwierigkeiten hinzu. Dies ist die Crux aller Versuche, die Sprachen dieser Erde zu zählen (Thümmel 1977) oder im Überblick darzustellen (der umfassendste Versuch ist wohl B.F. grimes 1984). Solche Versuche kommen nicht ohne Ad-Hoc-Festlegungen aus. Interessante Beispiele hierfür liefern die hauptsächlich von Kloss entwickelten Vorüberlegungen in Kloss/McConnell (1974; 1978; vor allem 1984, 20 – 28).

  • 19

    3. 'Standardvarietät' und 'Standardsprache' Es wurde schon erwähnt, dass der Ausdruck Standardsprache ambig gebraucht wird. Einerseits für eine Standardvarietät, andererseits für eine Sprache (im Sinne einer Menge von Varietäten), die mindestens eine Standardvarietät enthält. Es wäre der Disambiguierung dienlich, wenn man zu Bezeichnung der einzelnen standardisierten Varietät (z.B. Standarditalienisch) konsequent den Ausdruck Standardvarietät gebrauchte und die Verwendung des Ausdrucks Standardsprache einschränkte auf die Bezeichnung einer gesamten Sprache, also einer Menge von Varietäten, die mindestens eine Standardvarietät enthält (z.B. [Standarditalienisch, Lombardisch, Venetisch ...]). Was macht nun eine Varietät zu einer Standardvarietät? In 2.1.4 haben wir hierauf eine vorläufige Antwort gegeben: die Autonomie gegenüber allen anderen Varietäten derselben Sprache oder sogar gegenüber allen anderen Varietäten überhaupt. Eine mögliche Präzisierung dieses Begriffs 'Autonomie' ist normtheoretischer Art. Wir beziehen uns dabei auf vollentwickelte Standardvarietäten wie sie z.B. in den großen europäischen Nationalsprachen vorliegen, also nicht auf Übergangs- und Zwischenstufen. Derartige Standardvarietäten sind kodifiziert. Solche Kodifikationen sind nicht einfach linguistische Deskriptionen, die es bekanntlich auch für zahlreiche Nonstandardvarietäten gibt, sondern haben einen bestimmten normativen Status. Auf sie können sich die Mitglieder der Sprachgemeinschaft in ihren Urteilen über die Richtigkeit sprachlicher Äußerungen berufen. Für eine vollentwickelte Standardvarietät sind alle grammatischen Ränge kodifiziert: die Lautung, Schreibweise, Morphemik und Syntax sowie die Lexik, sogar die Register (Stile). In manchen Fällen liegen hierfür jeweils separate Bücher vor: Ein Aussprachewörterbuch, ein orthographisches Wörterbuch, eine Grammatik, ein Lexikon und eine Stilistik. Diese Bücher konzentrieren sich zwar auf bestimmte grammatische Ränge, beschränken sich aber nicht darauf: z.B. enthält das orthographische Wörterbuch auch Informationen zur Lexik, Morphologie und Syntax (Wortsyntax) oder das hauptsächlich als Bedeutungswörterbuch konzipierte Lexikon auch Informationen über die Orthographie. Das Bestimmungswort Ortho- (orthographisches Wörterbuch) verrät bisweilen den normativen Charakter solcher Werke. Es ist zwar nicht üblich, wäre aber durchaus angemessen, außer von Orthophonie (Orthoepie) und Orthographie auch Orthostilistik zu sprechen. Besonders streng, oft in Form ausdrücklicher Gesetzesbestimmungen, ist gewöhnlich die Orthographie geregelt. – Der Kodex ist zumeist nicht eindeutig abgegrenzt. Beispielsweise mag es mehrere Aussprachewörterbücher oder mehrere Grammatiken geben, die sich nicht nur ergänzen, sondern in Teilen sogar widersprechen. Die Gültigkeit einzelner Werke oder einzelner Teile daraus und damit ihre Zugehörigkeit zum derzeitigen Kodex mag sich erst im Konfliktfall, unter Umständen sogar in einem juristischen Verfahren klären. In den schon seit Generationen etablierten Standardvarietäten der technologisch hochentwickelten Staaten ist der Kodex außerdem für sehr unterschiedliche Anwendungsbereiche (Domänen) fast unüberschaubar vervielfacht (Bücher für die Hand des Lehrers, Schülerbücher,

  • 20

    Nachschlagewerke für verschiedene Ämter usw.). – Weiterhin ist es für vollentwickelte Standardvarietäten charakteristisch, dass es "Präskriptionsautoritäten" (Autoritätspersonen) gibt, die anderen Personen, den "Präskritionssubjekten" vorschreiben, in Übereinstimmung mit den Definitionen (Regeln) des Kodes zu schreiben oder zu sprechen (s. zu den normtheoretischen Begriffen von Wright 1963, 70 – 92). Sie sind hierzu direkt oder indirekt von der höchsten Autorität, nämlich dem Staat befugt. Die vielleicht wichtigste Gruppe dieser Autoritätspersonen sind die Lehrer, aber auch Vorgesetzte in den staatlichen Verwaltungen und andere gehören dazu. Für Standardvarietäten ist es also charakteristisch, dass ihre Verwendung durch Präskriptionen erzwungen wird. Dabei lassen sich alle wesentlichen Komponenten von Präskriptionen (von Wright 1963, 70 – 92) verhältnismäßig leicht ausmachen: der "Charakter der Präskription" (Modus des Sollens), ihr "Inhalt" (die durch die Regeln des Kodex definierten Sprachmuster), ihre "Anwendungsbedingungen" (der geeignete Kontext für die Äußerungen), die "Autoritäten der Präskription" (Lehrer, Amtsvorgesetzte), die "Subjekte der Präskription" (Schüler, Untergebene in den Ämtern) und die "Okkasionen der Präskription" (die Situationen oder Domänen ihrer Geltung: die Schulen, Ämter usw. – dagegen gewöhnlich nicht die private Lebenswelt) (vgl. Ammon 1986). Die Okkasionen lassen sich oft noch enger eingrenzen als auf Domänen (im üblichen soziolinguistischen Sinn), nämlich auf bestimmte Rollen in diesen Domänen. So hat z.B. die Präskription des Lehrers oft nur Gültigkeit für die Schülerrolle (gegenüber dem Lehrer), nicht aber für die Mitschülerrolle (gegenüber den anderen Schülern).

    Von Vertretern der Prager Schule ist zu Recht hervorgehoben worden, dass der Umfang einer Standardvarietät nicht einfach identisch ist mit den Definientia des Kodex (den dort definierten Sprachmustern). Einerseits mögen Teile davon veraltet und – wie sich im Konfliktfall erweist – gar nicht mehr gültig sein (Dokulil [1952] 1971), andererseits mag der Kodex Lücken haben. Zu den nicht kodifizierten Teilen der Standardvarietät gehört vor allem die "Konversationssprache" (tschech. hovorový jazyk. Jedlička [1974] 1978, 18, 29, 44, 47). Uns scheint, dass sich die zur Standardvarietät gehörenden Sprachmuster (Sprachformen) adäquat definieren lassen nach dem schon angedeuteten normtheoretischen Kriterium: ihre Präskription durch die Autoritätspersonen muss gültig sein (vgl. zum Begriff 'Gültigkeit' von Wright 1963, 194 – 198). Andernfalls sind sie auch dann nicht Bestandteil der derzeitigen Standardvarietät, wenn sie im Kodex stehen, bzw. sie sind im Falle dieser Gültigkeit auch dann Bestandteil der Standardvarietät, wenn sie nicht im Kodes stehen (vgl. Ammon 1986).

    Zwar scheint Konsens zu bestehen, dass eine voll entwickelte Standardvarietät voll kodifiziert zu sein hat (Garvin/Mathiot 1960, 783f; Garvin 1964, 522; Jedlička [1974] 1978, 45, 66; differenziert äußert sich dazu schon Paul 1880, 226f), d.h. zumindest größtenteils in einem Kodex definiert ist, der sich auf die verschiedenen grammatischen Ränge erstreckt; jedoch gibt es auch Vorstufen zu diesem vollentwickelten "Extremtyp" (vgl. typologietheoretische dazu Sodeur 1974, 25f). Hierzu gehören vor allem nichtkodifizierte

  • 21

    Prestigevarietäten, die zumindest ansatzweise ebenfalls präskriptiv gehandhabt werden können und insofern gegenüber den übrigen Varietäten ansatzweise autonom sind. Beispiele dafür sind – bei allen Unterschieden im einzelnen – die mittelalterlichen sogenannten Dichtersprachen, z.B. die provenzalischen oder mittelhochdeutschen Varietäten des Minnesangs und höfischen Epos, oder manche derzeitige, auch exonormative Varietäten der Entwicklungsländer, z.B. das "Educated English" in Indien oder Nigeria. Bisweilen wird der Begriff 'Standardvarietät' im Sinne solcher unkodifizierter Prestigevarietäten sehr weitgefasst (z.B. Aniche 1982; Kahane/Kahane 1979). Zweifellos nicht zu den Standardvarietäten gehören dagegen die überregionalen Varietäten ohne Prestige und ohne präskriptive Handhabung, die überregionalen Umgangssprachen (Vernakulare).

    Zur Spezifizierung des Begriffs erscheint es und zweckdienlich, davon auszugehen, dass die oberste Präskriptionsautorität einer voll entwickelten Standardvarietät der Staat (im weiteren Sinn einschließlich parastaatlicher Organisationen) ist bzw. seine Organe. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich dies sogar bei scheinbaren Gegenbeispielen. Ein solcher Fall ist die polnische Standardvarietät vor 1917, für die zumindest innerhalb der deutschen Grenzen der Staat unter anderem über einen, wenn auch noch so elementar gehaltenen Anteil an Muttersprachunterricht (bisweilen nur als Teil des Religionsunterrichts) als oberste Präskriptionsautorität wirkte (Glück 1979). Dieses Beispiel zeigt zugleich, dass das Merkmal 'oberste Präskritionsautorität ist der Staat' keinesfalls beinhaltet, dass die betreffende Standardvarietät Amtssprache oder ähnliches ist (vgl. Kloss 1977, 332). Sicher gibt es auch hinsichtlich der Präskriptionsautorität Grenzfälle und Vorstufen zu einer vollentwickelten Standardvarietät – infolge der genannten obersten Präskriptionsautorität sowie juristischen Autonomie der Staaten sind auch die staatenspezifischen Standardvarietäten innerhalb derselben Sprache (Zuordnung zur selben Sprache aufgrund des Distanzkriteriums) zueinander juristisch autonom. Dies ist die Grundlage der staatenspezifischen Polyzentrie von Standardsprachen. Beispielsweise hat jeder der verschiedenen deutschsprachigen Staaten (BRD, DDR, Österreich, Schweiz, sogar Luxemburg und Liechtenstein) zumindest theoretisch das Recht, die Differenzen zu den Standardvarietäten der anderen Zentren zu verringern oder zu vergrößern. Dies ist besonders evident in der Rechtschreibung, an deren Reform Vertreter und Kommission der verschiedenen deutschsprachigen Länder seit Jahren in staatlichem Auftrag laborieren. Ob die Differenzierung bzw. Angleichung aus ökonomischen, kulturellen und sonstigen politischen Gründen vorteilhaft ist und auch geschieht, ist eine andere Frage. In den meisten Fällen hat die Vergrößerung der linguistischen Distanz nur symbolischen Wert (staatliches Autonomiesymbol), während die Aufrechterhaltung einer geringen linguistischen Distanz kommunikative und wirtschaftliche Vorteile hat. Daher fällt in vielen Fällen die Entscheidung gegen ein deutlicheres Autonomiesymbol in Form größerer Distanz. Beispiele sind die trotz zeitweilig andersartiger Bestrebungen verhältnismäßig geringfügig gebliebenen Besonderheiten des amerikanischen gegenüber dem britischen

  • 22

    Standardenglisch oder der Misserfolg der "schwitzertütschen Sprachbewegig" (vgl. Zinsli 1956) in den 30-iger Jahren dieses Jahrhunderts. Andersartige Verhältnisse liegen vor, wo es sich nicht um wirklich autonome Staaten handelt wie bei kolonialen oder ansonsten stark abhängigen Ländern: Sie bilden keine autonomen Zentren einer Polyzentrie, sondern haben oft eine exoglossische heteronome Varietät der Sprache des sie beherrschenden Staates.

    Die Entstehung von Standardvarietäten ist verursacht durch politisch-ökonomische Entwicklungen: Herausbildung von Städten und großflächigen Zentralstaaten mit den ihnen eigentümlichen Formen der Arbeitsteilung (Handwerk, Handel, Industrie), des Verwaltungs- und Rechtswesens. Ansätze hierzu gibt es schon in der Antike auf der Basis einer Sklavenhaltergesellschaft wie – bei allen Unterschieden im einzelnen – das Beispiel der griechischen Koiné (auch gelegentliches Synonym von Standardvarietät) oder der klassischen chinesischen Schriftsprache zeigen. In den bürgerlichen (kapitalistischen), später auch sozialistischen Gesellschaften der Neuzeit haben sich noch viel weitergehende Veränderungen jener Art vollzogen (vgl. Guchmann [1958] 1961; [1960] 1968; Garvin/Mathiot 1960). Für das Funktionieren dieser Gesellschaften sind Standardvarietäten im Grunde unverzichtbar: sie sichern einerseits die überregionale Kommunikation ("Überdachung" der heteronomen Varietäten/Dialekte) und zum anderen aufgrund der Kodifikation von Syntax und Wortsemantik die größere sozioo-politische oder juristische Verbindlichkeit der Äußerungen (z.B. verbindliche Formulierung von Verträgen). – Die Standardvarietäten haben sich allerdings nicht überall auf gleichem Wege entwickelt. In manchen Staaten haben bei ihrer Herausbildung staatliche Akademien eine große Rolle gespielt (Academia de la Crusca in Florenz seit 1582, Académie Français in Paris seit 1634, die Real Academia Española seit 1713 und weitere). In anderen Staaten wurde deren Rolle teilweise von mit Autorität ausgestatteten Individuen übernommen (S. Johnson in England, N. Webster in den USA, Josef Dobrovsky in der Tschechei, Konrad Duden in Deutschland oder Pompeu Fabra in Katalonien). Im Unterschied zu den Akademien arbeiteten diese Individuen zumeist ohne staatlichen Auftrag; ihre Arbeiten fanden erst nachträglich offizielle Anerkennung. – Auch die Herausbildung der Standardvarietät aus den Nonstandardvarietäten war im Einzelfall unterschiedlich. In manchen Fällen erwuchs die Standardvarietät großenteils aus der Varietät (dem Dialekt) einer bestimmten Region, z.B. in Frankreich der Dialekt der Ile-de-France oder in Italien der toskanische. Joseph (1980, 50-61) spricht in solchen Fällen, die er offenbar eher für typisch hält, von "Synekdoche" einer Varietät, d.h. ihrer Erhebung zum pars pro toto. In anderen Fällen, z.B. bei der deutschen Standardvarietät, haben in höherem Maße die Varietäten aller Regionen zur Standardvarietät beigesteuert. Generell hat eine Varietät dann gute Voraussetzungen, zu großen Teilen in die Standardvarietät einzufließen, wenn sie die folgenden drei Eigenschaften (bzw. möglichst viele davon) erfüllt (Rayjashree 1980, nach Bartsch im Druck): (1) Sie wird in einem wirtschaftlichen und/oder politischen Zentrum von der herrschenden Klasse und/oder einer Bildungselite verwendet; (2) sie wurde/wird verwendet

  • 23

    in anerkannt bedeutsamer Literatur - Kloss (1952, 24 – 31) hat dabei auf die früh r oft übersehene Bedeutsamkeit der Sachliteratur hingewiesen; (3) sie ist eine durch Mischung entstandene Kompromissform aus Varietäten recht verschiedener Regionen (Beispiel: Ostmitteldeutsch). – Die möglichst genaue Kenntnis der Voraussetzungen und Bedingungen der Entstehung von Standardvarietäten ist von großem Wert für die Planung und Etablierung neuer Standardvarietäten, womit zahlreiche Entwicklungsländer seit geraumer Zeit befasst sind. - Im Unterschied zu den antiken Vorläufern sind moderne Standardvarietäten für die gesamte Population der betreffenden Sprache mindestens Zweitsprache (mit Ausnahme der dachlosen Außendialekte), d.h. jedes Mitglied der betreffenden Sprachgemeinschaft wird in bestimmten Okkasionen Subjekt von Präskriptionen des Inhalts: Verwende die Standardvarietät! (Schulpflicht, Kontakt zu Ämtern). Dennoch bestehen gewöhnlich auffällige domänenspezifische und - was oft verschwiegen wird - sozialschichtenspezifische Unterschiede. Die höheren Sozialschichten verwenden die Standardvarietät gewöhnlich häufiger und beherrschen sie besser. Die Verwendung der Standardvarietät ist in typischen Arbeitsfeldern der höheren Schichten erforderlich. Diese Schichten lernen sie in den auf diese Arbeitsfelder vorbereitenden Schulen und verwenden sie, teils aus Prestigegründen, teils aus Kenntnis der Vorteile auch eher in der Familie, so dass die Kinder dieser Schicht sie besser lernen. Unzureichende Kenntnisse der Standardvarietät sind für die unteren Sozialschichten ein zusätzlicher Nachteil (neben vielen anderen), der sich nicht durch die – vermutlich ohnehin aussichtslose – Aufwertung der Nonstandardvarietäten beheben lässt (Ammon 1978, 245 – 271).

    4. 'Dialekt' In der nominell zuständigen Disziplin, der Dialektologie, werden Dialekte traditionell oft verstanden als Varietäten, die (1) nicht standardisiert und (2) im Vergleich zur Standardvarietät oder zur gesamten Sprache regional begrenzt sind. Daneben werden bisweilen andere nichtstandardisierte Varietäten angenommen, die das Merkmal (2) nicht oder nicht im gleichen Maße erfüllen (dt. Umgangssprache). Sie dürfen nicht verwechselt werden mit einer lingua franca, die sich über verschiedene Sprachen erstreckt (treffender bezeichnet als language of wider communication. Fishman 1969). Man könnte allerdings terminologisch differenzieren zwischen binnensprachlicher lingua franca (= (überregionale) Umgangssprache/Vernakular) und zwischensprachlicher lingua france (= language of wider communication). Auf die regionale Beziehung zwischen Standardvarietät und Dialekten bezieht sich vor allem die metaphorische Ausdrucksweise, dass erste letzte überdacht (ein Dach darüber bildet). Offenkundig sind hier auch Mehrfachüberdachungen möglich, wie in Abbildung D dargestellt (vgl. dazu Heger [1969] 1976, besonders 220 – 229).

  • 24

    D: Mehrfachüberdachung

    D1 = Dialekt 1. Grades D2 = Dialekt 2. Grades Dn = Dialekt nten Grades S = Standardvarietät

    Je nach Position in einer solchen Überdachungshierarchie können dann unter Umständen verschiedene Arten von Dialekten unterschieden werden.

    Eine weitere wichtige Differenzierung ist die zwischen solchen Dialekten, die mit einer Standardvarietät koexistieren, und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist. Gelegentlich wirde der Dialektbegriff sogar ganz auf die erstere Art beschränkt (z.B. Goossens 1977, 21, 49). Letztere werden oft auch terminologisch von ersteren abgesetzt, z.B. als folk variety/folk language (dt. Volkssprache). Der Unterschied zwischen beiden Arten ist in der Tat beträchtlich: Erstere sind gegenüber einer Standardvarietät heteronom (z.B. die heutigen deutschen oder englischen Dialekte), letztere sind dagegen autonom (z.B. die deutschen oder englischen Dialekte des Mittelalters). Erstere sind zumeist überwiegend auf die unteren Sozialschichten verteilt, letztere erstrecken sich oft auf sämtliche Sozialschichten; erstere finden sich fast nur in vorindustriellen Gesellschaften, letztere zumeist in industriellen Gesellschaften. – Die mit einer Standardvarietät derselben Sprache koexistierenden Dialekte kann man (wie in 3. erwähnt) weiter differenzieren in "überdachte" und "dachlose" (Kloss 1978, 60 – 63). Diese Differenzierung impliziert allerdings, dass man die dachlosen Dialekte zur gleichen Sprache zählt. Unter den dachlosen Dialekten gibt es wiederum große Unterschiede, z.B. zwischen Sprachinseldialekten oder Isolaten (z.B. Amisch in der deutschen Sprache) gegenüber solchen Dialekten, die der Standardvarietät unmittelbar benachbart sind (im Falle der deutschen Sprache z.B. das Elsässische). Im letzteren Fall gibt es unter Umständen trotz fehlender Überdachung (was hier vermutlich dasselbe ist wie die fehlende Heteronomie) starke Einflüsse seitens der zur gleichen Sprache gehörenden Standardvarietät (Medien, Kontakte). – Einen Spezialfall bilden auch Dialekte in einer Diglossie (in Fergusons ursprünglicher Fassung des Begriffs). Wohlgemerkt sind gemäß Ferguson (1959, 325) die "low varieties (L)" durchaus Dialekte (im hier definierten Sinn), denn es handelt sich bei ihnen und den "high varieties (H)" um "two varieties of a language", wobei die L offenkundig (1) nicht standardisiert und – wie es scheint – (2) regional begrenzt sind. Allerdings unterscheidet Ferguson sie ausdrücklich von sonstigen "regional dialects". Ihre Besonderheit scheint einerseits in einer relativ großen

  • 25

    linguistischen Distanz von der Standardvarietät zu bestehen (ohne dass sie deshalb, wie man fälschlicherweise gelegentlich liest, einer anderen Sprach zuzuordnen wären), andererseits darin, dass sie von allen Gesellschaftsmitgliedern in Alltagssituationen gesprochen werden. Hierin unterscheiden sich tatsächlich die von Ferguson als Beispiel genannten schweizerdeutschen Dialekte von denen der BRD und DDR.

    Kloss (1978, 55 – 60) hebt an den schweizerdeutschen Dialekten noch eine weitere Besonderheit hervor, aufgrund deren er sie "Ausbaudialekte" nennt. Sie werden in manchen Situationen verwendet, die andernorts, z.B. in den übrigen deutschsprachigen Staaten, der Standardvarietät vorbehalten sind: in den kantonalen Parlamenten (natürlich der deutschsprachigen Kantone), in belehrenden (nicht nur unterhaltenden) Sendungen des Rundfunks und zum Teil, aber sehr begrenzt in Lese- und Schreiblehrmaterialien für Schulanfänger. Ausbaudialekte dieser Art stehen Standardvarietäten näher als Nichtausbaudialekte. Vielleicht entsprechen erstere annähernd dem, was französisch gewöhnlich dialecte, und letztere dem, was patois genant wird. Insbesondere aufgrund von Kodifikation sowie eigener Heteronomie gegenüber einer Standardvarietät (im vorliegenden Fall: schweizerisches Standarddeutsch) lassen sich aber auch Ausbaudialekte deutlich von Standardvarietäten unterscheiden.

    Zwischen Dialekten und ihrer Standardvarietät bestehen aus rein linguistischer Sicht sehr vielfältige Abstufungen, die gewöhnlich als Kontinuum aufgefasst werden. Sie können in Form von Variablenregeln, Implikationsskalen, Dialektniveaus (Art und Zahl von Transferenzen/Interferenzen. Ammon 1973, 61 – 87) beschrieben und gemessen werden. Wenn die Dialektformen sich auf die phonologische und phonetische Ebene beschränken, spricht man von einem Dialektakzent (Trudgill 1975, 20). In vielen Situationen, z.B. in der Öffentlichkeit oder im Schulunterricht, betrifft die Präskription der Standardvarietät im mündlichen Sprachgebrauch nur die Lexik und Grammatik (Morphologie und Syntax); ein Dialektakzent ist also – normtheoretisch gesprochen – erlaubt. Die Orthophonie ist nur in wenigen Okkasionen (Situationen) geboten (z.B. Theater, Berichterstattung im Fernsehen). Daher wird sie zum Teil selbst von den höheren Sozialschichten nicht beherrscht, obwohl hier von Land zu Land große Unterschiede bestehen (z.B. häufige Nichtbeherrschung in den deutschsprachigen Ländern im Unterschied zur fast durchgängigen Beherrschung in Italien, Frankreich und wohl auch England). – Der Dialektakzent darf nicht verwechselt werden mit einem regionalen Standard, der – noch innerhalb eines staatenspezifischen Zentrums einer polyzentrischen Standardsprache – regionale Spezifika als Bestandteile der Standardvarietät zulässt, z.B. innenhalb der westdeutschen Standardvarietät besondere bairische Handwerkerbezeichnungen (gemäß der föderalistischen Verfassung. Besch 1972).

    Die Soziologie von Dialekten und Standardvarietät hat im Verlauf des letzten Jahrhunderts eine enorme Bereicherung und Differenzierung erfahren (vgl. z.B. Mattheier 1980). Ein Desideratum sind aber nicht nur weitere Differenzierungen und empirische

  • 26

    Einzeluntersuchungen, sondern auch einzelsprachübergreifende Verallgemeinerungen auf der Grundlage fundierter allgemeiner Begriffe und soziologischer Kenntnisse.

  • 27

    Agard, Frederick B. (1971) "Language and dialect. Some tentative postulates", in Linguistics 65, 5 – 24.

    Alinei, Mario (1980) "Dialect. A dialectical approach", in: Dialekt und Dialektologie, Göschel, J./Ivic, P./Kehr, K., eds., Wiesbaden, 11 – 42.

    Altmann, Gabriel/Lehfeldt, Werner (1973) Allgemeine Sprachtypologie. Prinzipien und Meßverfahren, München.

    Ammon, Ulrich ([1972] 1973) Dialekt, soziale Ungleichheit und Schule, 2. überarbeitete Auflage, Weinheim/Basel.

    Ammon, Ulrich (1973) Dialekt und Einheitssprache in ihrer sozialen Verflechtung, Weinheim/Basel.

    Ammon, Ulrich (1978) Schulschwierigkeiten von Dialektsprechern, Weinheim/Basel. Ammon, Ulrich (1983) "Vorbereitung einer Explizit-Definition von `Dialekt` und

    benachbarten Begriffen mit Mitteln der formalen Logik", in: Aspekte der Dialekttheorie, Mattheier, K.J., ed., Tübingen, 27 – 68.

    Ammon, Ulrich (1986) "Explikation der Begriffe `Standardvarietät` und `Standardsprache` auf normtheoretischer Grundlage", in: Sprachlicher Substandard, Holtus, G./Radtke, E., eds., Tübingen, 1 – 63.

    Aniche, Godfrey C. (1982) "Standard Nigerian English and the educated user", in: Indian Journal of Applied Linguistics 8 (1), 71 – 81.

    Appollonios Dyskolos ([Greek 2nd century p.c.] 1877) Vier Bücher über die Syntax, übersetzt und erläutert von Buttmann, A., Berlin.

    Ax, Peter (1984) Das phylogenetische System. Systematisierung der lebenden Natur aufgrund ihrer Phylogenese, Stuttgart/New York.

    Bartsch, Renate (in print) "Norms of language in language planning and language development", in: Lingua.

    Becker, Henrik (1948) Der Sprachbund, Leipzig/Berlin. Bělič, Jeromĭr ([Czechoslovakian 1963] 1965) "Zur Problematik der Grenzen zwischen

    verwandten Sprachen (dargestellt am Material slawischer Sprachen)", in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Leipzig, Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe 14 (1), 105 – 110.

    Bendor-Samuel, John T. (1980) "Is a sociolinguistic profile necessary?", in: Linguistic Studies offered to Berthe Siertsema, Alkemade, D.J. van, et al., eds., Amsterdam, 323 – 334.

    Besch, Werner (1972) "Sprachnnorm-Kompetenz des Bundestages? Das Beispiel der Handwerkernamen", in: Studien zu Volkskultur, Sprache und Landesgeschichte. Festschrift für Matthias Zender, 2 Bde., Bonn, 993 – 1015.

  • 28

    Besch, Werner (1983) "Dialekt, Schreibdialekt, Schriftsprache, Standardsprache. Exemplarische Skizze ihrer historischen Ausprägungen im Deutschen", in: Dialektologie. Ein Handbuch zur deutschen und allgemeinen Dialektforschung, Besch, W./Knoop, U./Putschke, W./Wiegand, H.E., eds., 2 Bde., Berlin/New York, 961 – 990.

    Bodmer, Frederick ([English 1943] 1976) Die Sprachen der Welt. Geschichte – Grammatik – Wortschatz in vergleichender Darstellung, Köln/Berlin.

    Bunge, Mario (1967) Scientific research, 2 vols., Berlin/Heidelberg/New York. Casad, Eugene H. (1974) Dialect intelligibility testing, Oklahoma. Chambers, J. K./Trudgill, Peter (1980) Dialectology, Cambridge. Coulmas, Florian (1985) Sprache und Staat. Studien zur Sprachplanung und Sprachpolitik,

    Berlin/New York. Dauzat, Albert (1927) Les patois. Evolution, classification, étude, Paris. Deutsch, Karl W. ([1942] 1968) "The trend of European nationalism. The language aspect",

    in: Readings in the sociology of language, Fishman, J.A., ed., The Hague/Paris/New York, 598 – 606.

    Dokulil, Miloš ([Czechoslovakian 1952] 1971) "Zur Frage der Norm der Schriftsprache und ihrer Kodifizierung", in: Stilistik und Soziolinguistik, Beneš, E./Vachek, J., Berlin/München, 94 – 101.

    Ferguson, Charles A. (1959) "Diglossia", in: Word 15, 325 – 340. Ferguson, Charles A. (1962) "The language factor in national development", in:

    Anthropological Linguistics 4 (1), 23 – 27. Ferguson, Charles A. (1966) "National sociolinguistic rofile formulas", in: Sociolinguistics,

    Bright, W., ed., The Hague/Paris, 309 – 324. Ferguson, Charles A./Gumperz, John J. (1960) "Linguistics diversity in South Asia. Studies

    in regional, social and functional variation", in: International Journal of Applied Linguistics 26 (3), 1 – 118.

    Fishman, Joshua A. (1969) "National languages and languages of wider communication in the developing nations", in: Athropological Linguistics 11 (4), 111 – 135.

    Fishman, Joshua A. ([English 1972] 1975) Soziologie der Sprache. Eine interdisziplinäre sozialwissenschaftliche Betrachtung der Sprache in der Gesellschaft, München.

    Fourquet, Jean ([French 1968] 1976) "Sprache – Dialekt - Patois", in: Zur Theorie des Dialekts, Göschel, J./Nail, N./van der Elst, G., eds., Wiesbaden, 182 – 204.

    Gabelnetz, Georg von der ([1891/1901] 1969) Die Sprachwissenschaft, ihre Aufgabe, Methoden und bisherigen Ergebnisse, Tübingen.

  • 29

    Garvin, Paul L. (1964) The standard language problem – concepts and methods, in: Language in culture and society, Hymes, D., ed., New York, 521 – 526.

    Garvin, Paul L./Mathiot, Madeleine (1960) The urbanization of the Guarani language. A problem in language and culture, in: Men and cultures, Wallace, A.F.C., ed., Philadelphia, 783 – 790.

    Glück, Helmut (1979) Die preußisch-polnische Sprachenpolitik. Eine Studie zur Theorie und Methodologie der Forschung über Sprachenpolitik, Sprachbewußtsein und Sozialgeschichte am Beispiel der preußisch-deutschen Politik gegenüber der polnischen Minderheit von 1914, Hamburg.

    Goebl, Hans (1982) Dialektometrie. Prinzipien und Methoden des Einsatzes der Numerischen Taxomonie im Bereich der Dialektgeographie, Wien.

    Goebl, Hans (1984a) Dialektometrische Studien, 3 Bde., Tübingen. Goebl, Hans (1984b) "Sprachklassifikation im Spannungsfeld zwischen Politik und

    Wissenschaft", in: Das Romanische in den Ostalpen, Messner, D., ed., Wien, 207 – 244.

    Goossens, Jan (1977) Deutsche Dialektologie, Berlin /New York. Greenberg, Joseph H. (1960) "A quantitative approach to the morphological typology of

    language", in: International Journal of Amerikan Linguistics 26, 178 – 194. Gregory, Michael/Caroll, Susanne (1978) Language and situation. Language varieties and

    their social contexts, London/Boston. Grimes, Barbara F. ed., (1984) Language of the world. Ethnologue, 10th edition, Dallas,

    Tex. Grimes, Joseph E. (1964) "Measurements of linguistic divergence", in: Proceedings of the

    Ninth International Congress of Linguistics, Cambridge, Mass., 1962, 44 – 50. Grimes, Joseph E. (1974) "Dialects as optimal communication networks", in: Language 50,

    260 – 269. Grimes, Joseph E./Agard, Frederick B. (1959) "Linguistic Divergence in Romance", in:

    Language 35, 598 – 604. Grimm, Jacob ([1848] 1868) Geschichte der deutschen Sprache, 2 Bde., 3. Auflage,

    Leipzig.

    Guchmann, Mirra M. ([1958] 1961) "Über die Begriffe 'Literatursprache', 'Sprache der

    Volkschaft', 'Nationalsprache' ", in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache

    82 (3), 321 – 332.

    Gudschinsky, Sarah C. (1956) "The ABC`s of lexicostatistics (glottochronology)", in: Word

    12 (2), 175 – 210.

  • 30

    Gumperz, John J. (1962) "Types of linguistic communities", in: Anthropological Linguistics

    4, 28 – 40.

    Haarmann, Harald (1976) Aspekte der Arealtypologie: Die Problematik der europäischen

    Sprachbünde, Tübingen.

    Halliday, Michael A.K./McIntosh, Augus/Strevens, Peter ([1964] 1968) "The users and uses

    of language", in: Readings in the sociology of language, Fishman, J.A., ed., The

    Hague/Paris/New York, 139 – 169.

    Haugen, Einar (1966) "Dialect,