update ii: schizophrenie · 2019-10-28 · update ii: schizophrenie forschungs- und...
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UPDATE II: SchizophrenieForschungs- und Fortbildungskongress der Fachkliniken der
bayerischen Bezirke
Kloster Irsee
23./24.10.2019
Dr. M. Rentrop
kbo-Inn-Salzach-Klinikum
Gliederung
• Einführung
• Änderungen in der Nomenklatur – Ausblick ICD 11
• S3-Leitlinie schizophrene Psychosen – was sind die wichtigstenEmpfehlungen?
• Welches Medikament ist eigentlich das „Beste“?
• Stellenwert der Medikation – was wurde aus den Hinweisen, dassAntipsychotika mehr schaden als nutzen?
• Können / sollen wir Medikation auf ein Minimum reduzieren?
• Zusammenfassung
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
kbo-Inn-Salzach-Klinikum
Einleitung
kbo-Inn-Salzach-Klinikum
Einführung – Psychosen aus dem
schizophrenen Formenkreis
• Lebenszeitprävalenz kulturunabhängig ca.4,8–7,2/1000 Einwohner; Punktprävalenz ca. 4,6/1000
Einwohner, M und F gleich häufig betroffen
• Ersterkr. meist zwischen 15. und 35. Lj., 65% vor dem 30. Lj, M bei Ersterkr. 3–4 J. jünger als F, bei F
ein zweiter, niedrigerer Ersterkrankungspeak nach Menopause; < 15. Lj. etwa 3–4 %;
Erstauftreten > 40. Lj. = Spätschizophrenie, Anteil bis 33%
• Erhöhte Inzidenz in Städten 19/100.000 vs. 13,3/100.000.
• Sozioökonomischer Status und Bildungsstand der Betroffenen schlechter als Allgemeinbevölkerung
(sozialer Abstieg durch Erkr. vs. fehlender sozialer Aufstieg durch Prodromalsympt.)
• Komorbidität: hohe Rate somatischer und psychischer Begleiterkr., Unfälle und Suizide;
Lebenserwartung insg. ca. 15 J. unter dem Bevölkerungsdurchschnitt.
• Häufig komorbide psychische Störungen, v.a. Substanzmissbrauch, insbes. Tabak, Alkohol, Cannabis
(50–80%)
• Hohe direkte und indirekte Kosten (ca. 14.000 -18.000.- € Behandlungskosten pro Betroffenem und
Jahr)
Rentrop M, Müller R, Willner H (2019) Klinikleitfaden Psychiatrie / Psychotherapie, 7. Auflage Elsevier, München.
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
kbo-Inn-Salzach-Klinikum
Einführung
• Konzept der Diagnose
• Geht traditionell weiter zurück auf E. Kraepelin, E.Bleuler und K. Schneider.
1899 Dementia praecox
„...eine Reihe von Zustandsbildern, mit dem gemeinsamen Zeichen einer
eigenartigen Zerstörung des inneren Zusammenhanges der Psyche, mit
vorwiegender Schädigung des Gemütslebens und Willens...“.
• Verbunden mit schlechter Prognose und Verlust kognitiver Funktionen
- Paranoide Form
- Hebephrenie (Hecker 1871)
- Katatonie (Kahlbaum 1874)
- Dementia simplex (Diem 1903)
kbo-Inn-Salzach-Klinikum
Änderungen in der Nomenklatur – Ausblick ICD 11
kbo-Inn-Salzach-Klinikum
Änderungen in der Nomenklatur –
Vorausschau auf die ICD 11
• Diagnosevoraussetzungen: Ausschluss anderer (organischer/substanzbedingter)
Ursachen und
• Mindestens 2 Symptome aus Symptomgruppe a)–g),
• davon mind. 1 aus a)–d),
• über > 4 Wo. ständig oder fast ständig vorhanden (< 4 Wo. = akute
vorübergehende psychotische Störung):
• Symptome:
a. Persistierender Wahn
b. Persistierende Halluzinationen (meist akustisch)
c. Formale Denkstörungen (Umständlichkeit, Unverständlichkeit der Sprache,
assoziative Lockerung, Inkohärenz, Neologismen)
d. Erlebnisse der Beeinflussung, Passivität oder Fremdkontrolle
e. bis g.: nachgeordnete Symptome: Negativsymp., desorganisisertes Verhalten,
psychomotorische Störungen
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
kbo-Inn-Salzach-Klinikum
Änderungen in der Nomenklatur –
Vorausschau auf die ICD 11
• ICD 11- Kapitel: Schizophrenie oder andere primäre psychotische Störung
• Abschaffung der traditionellen Unterformen mit Ausnahme der schizoaffektiven
Störung
• stattdessen Spezifikation der Symptome in:
• Positiv-, Negativsymptome,
• Depression/Manie,
• Psychomotorik
• Kognition
• Klassifikation der Verlaufsform und Akuität (entsprechend DSM 5)
• erste Episode vs. multiple Episoden
• akute vs. teilremittierte vs. vollremittierte Erkrankung
• Zuordnung eines Schweregrades
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
kbo-Inn-Salzach-Klinikum
Schizophoaffektive Psychose in der ICD 11: 6A21.1
kbo-Inn-Salzach-Klinikum
S3 Leitlinie schizophrene Psychosen – was sind diewichtigsten Empfehlungen?
kbo-Inn-Salzach-Klinikum
DGPPN
S3-Leitlinie Schizophrenie
• Herausgegeben 19.03.2019
• 162 Schlüsselempfehlungen aus einem strukturierten Konsensusprozess
• davon 31 A Empfehlungen
• bei unklarer Evidenz: Empfehlung als KKP (Klinischer Konsensus-Punkt)
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
kbo-Inn-Salzach-Klinikum
DGPPN
S3-Leitlinie Schizophrenie
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
A- Empfehlung Stichworte
Dosierung von Antipsychotika
Response-Status
Pharmakotherapie
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DGPPN
S3-Leitlinie Schizophrenie
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
A- Empfehlung Stichworte
Dosierung von Antipsychotika Niedrigst mögliche Dosierung
• Insbesondere bei Ersterkrankungen: Dosis im niedrigen
Bereich wählen
• Nutzen / Risiko-Analyse
• Reduktion von in der Akutbehandlung gegebener nicht
notwendiger hoher Dosierung in kleinen Schritten (5-20%)
• Reduktionsabstände 6-12 Wochen
• Korrektur einer Polypharmazie im Verlauf
• Dosisreduktion nach erfolgloser Eskalation
• Beachten von Absetzsymptomen (Kognitiv, vegetativ,
emotional, Bewegungen, psychotische und
Verhaltenssymptome) insbesondere bei Clozapin
Response-Status Kontrolle nach 2 bis 4 Wochen mit Hilfe einer Skala (BPRS,
PANSS, einfacher: CGI); bei fehlendem Ansprechen Wechsel
auf AP mit anderem Rezeptorprofil
Pharmakotherapie Monotherapie
• Begründung: alle Studien so konzipiert, Risiko von
Nebenwirkungen geringer
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DGPPN
S3-Leitlinie Schizophrenie
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
A- Empfehlung Stichworte
Antipsychotikum in Rezidivprophylaxe
Medikamentöse Behandlungsresistenz
Psychotherapeutische / Psychosoziale
Interventionen zur Prävention einer
Gewichtszunahme
Bei starker Gewichtszunahme
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DGPPN
S3-Leitlinie Schizophrenie
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
A- Empfehlung Stichworte
Antipsychotikum in Rezidivprophylaxe Die Substanz zur Rezidivprophylaxe anbieten, die zur
Remission geführt hat, wenn gut verträglich
Medikamentöse Behandlungsresistenz • Clozapin anbieten
• Augmentationen mit Valproat, Carbamazepin, Lithium,
Lamotrigin sollen nicht als Regelbehandlung angeboten
werden
• Bei anhaltenden depressiven Symptomen: Antipsychotikum
mit höherer antidepressiver Wirkkomponente ansetzen, erst
bei nicht ausreichender Wirkung Antidepressivum
Psychotherapeutische / Psychosoziale
Interventionen zur Prävention einer
Gewichtszunahme
• Zu Beginn einer AP Behandlung
• Spätestens bei > 7% Gewichtszunahme
Bei starker Gewichtszunahme • Behandlungsversuch (off label) mit Metformin
• Second line Topiramat
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DGPPN
S3-Leitlinie Schizophrenie
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
A- Empfehlung Stichworte
Psychoedukation (PE)
Kognitive Verhaltenstherapie (VT)
Training sozialer Fertigkeiten
Kognitive Remediation
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DGPPN
S3-Leitlinie Schizophrenie
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
A- Empfehlung Stichworte
Psychoedukation (PE) • Strukturierte PE, möglichst in Gruppen anbieten
• Angehörige / Vertrauenspersonen einbeziehen
Kognitive Verhaltenstherapie (VT) • Spezifische VT bei erster Episode und bei Rezidiv zur
Besserung von Positiv-und Negativsymptomen anbieten
• Alternativ: betroffenen Familien Familientherapie anbieten,
insbesondere bei akuter Exazerbation / Rezidiv, wenn Pat.
und Familie in engem Kontakt stehen
• [Level B-Empfehlung: bei Ablehnung einer medikamentösen
Behandlung VT anbieten]
Training sozialer Fertigkeiten • Bei Vorliegen relevanter Einschränkungen oder anhaltender
Negativsymptomatik anbieten
Kognitive Remediation • Bei Vorliegen kognitiver Beeinträchtigungen anbieten
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DGPPN
S3-Leitlinie Schizophrenie
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
A- Empfehlung Stichworte
Ersterkrankte
Psychoseprävention
Behandlungssetting
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DGPPN
S3-Leitlinie Schizophrenie
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
A- Empfehlung Stichworte
Ersterkrankte • So früh wie möglich identifizieren, DUP so kurz wie möglich
halten
• Multiprofessionelle Behandlung einschließlich:
➢ Pharmakotherapie, VT, Familienintervention, psychosoziale
Intervention zur Integration auf dem ersten Arbeitsmarkt,
niederschwellige Behandlungsangebote
Psychoseprävention • Zunächst VT zur Verzögerung des Übergangs in
Erkrankung anbieten
Behandlungssetting Aufsuchende Behandlung insbes. bei
• Wohnungslosigkeit
• Drohendem Behandlungsabbruch
• Chronischen Erkrankungen
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Welches Medikament ist eigentlich das „Beste“?
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Welches Medikament ist das Beste?
Comparative efficacy and tolerability of 32 oral antipsychotics for
the acute treatment of adults with multi-episode schizophrenia: a
systematic review and network meta-analysisMaximilian Huhn, Adriani Nikolakopoulou, Johannes Schneider-Thoma, Marc Krause, Myrto Samara, Natalie Peter, Thomas Arndt, Lio
Bäckers, Philipp Rothe, Andrea Cipriani, John Davis, Georgia Salanti, Stefan Leucht
The Lancet: published online July 11, 2019 http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(19)31135-3
• Studiendesign: Metaanalyse aus 402 Studien mit 53463 Studienteilnehmern, Vergleichvon 32 Antipsychotika der ersten und zweiten Generation
• Ergebnisse:
• Alle Substanzen reduzieren die Symptome der Erkankung besser als Plazebo
• Wirksamkeitsunterschiede sind für viele Substanzen diskret
• Unterschiede finden sich vor allem in Nebenwirkungsprofil und in der Wirksamkeit auf Teilaspekte der Erkrankung, z.B. Depressivität, Minussymptomatik
kbo-Inn-Salzach-Klinikum
Huhn M, Nikolakopoulou A, Schneider-Thoma J et al. (2019) Comparative efficacy and tolerability of 32 oral antipsychotics for the acute treatment of adults with multi-episode schizophrenia:
a systematic review and network meta-analysis. The Lancet: http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(19)31135-3
kbo-Inn-Salzach-Klinikum
Huhn M, Nikolakopoulou A, Schneider-Thoma J et al. (2019) Comparative efficacy and tolerability of 32 oral antipsychotics for the acute treatment of adults with multi-episode schizophrenia:
a systematic review and network meta-analysis. The Lancet: http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(19)31135-3
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Huhn M, Nikolakopoulou A, Schneider-Thoma J et al. (2019) Comparative efficacy and tolerability of 32 oral antipsychotics for the acute treatment of adults with multi-episode schizophrenia:
a systematic review and network meta-analysis. The Lancet: http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(19)31135-3
kbo-Inn-Salzach-Klinikum
Stellenwert der Medikation – was wurde aus denHinweisen, dass Antipsychotika mehr schaden alsnutzen?
kbo-Inn-Salzach-Klinikum
Hinweise auf eine dosisabhängige Reduktion der Hirnvolumina
Ho et al. Arch Gen Psychiatry 2011;68:128-137: Studie über 7 Jahre mit jeweils 3 x MRT, n = 211 ; Einschränkung: Bias durch
Krankheitsverlauf: günstig ist gleichbedeutend mit Möglichkeit Medikation zu stoppen?. Schwere der Erkrankung assoziiert mit
Hirnvolumenänderung?
kbo-Inn-Salzach-Klinikum
Aber: längere Zeit in Exazerbation ist auch mit größerem
Verlust an Hirnvolumen assoziiert
Andreasen NC, Liu D, Ziebell S et al.(2013) Relapse duration, treatment intensity, and brain tissue loss in schizophrenia: a prospective longitudinal MRI study.
Am J Psychiatry doi:10.1176/appi.ajp.2013.12050674.
kbo-Inn-Salzach-Klinikum
Bewirken Antipsychotika einen Verlust an
Nervenzellen?
Hinweise auf Neurotoxizität Hinweise gegen Neurotoxizität
• Langzeitstudien zeigen Verlust grauer Substanz
Bereiche: Vorderes Cingulum, Frontal und
Temporallappen, Hippocampus und Amygdala,
Thalamus und Inselregion (z. B. Shepherd et al.
2012)
• Hohe kumulative Dosen von Antipsychotika
scheinen eine globale Hirnvolumenminderung zu
verursachen (Torres et al. 2016)
• Assoziation von Nervenzellverlust mit
Lebenszeitdosis der Antipsychotika (z.B.
Moilanen et al. 2015)
Zunahme des Volumens grauer Substanz bei langen
Medikationspausen (Moilanen et al. 2015)
Veränderungen unter klassischen Antipsychotika
schwerer ausgeprägt, als unter Atypika
(Scherk & Falkai 2006, Lieberman et al. 2005)
kbo-Inn-Salzach-Klinikum
Bewirken Antipsychotika einen Verlust an
Nervenzellen?
Hinweise auf Neurotoxizität Hinweise gegen Neurotoxizität
• Langzeitstudien zeigen Verlust grauer Substanz
Bereiche: Vorderes Cingulum, Frontal und
Temporallappen, Hippocampus und Amygdala,
Thalamus und Inselregion (z. B. Shepherd et al.
2012)
• Hohe kumulative Dosen von Antipsychotika
scheinen eine globale Hirnvolumenminderung zu
verursachen (Torres et al. 2016)
• Assoziation von Nervenzellverlust mit
Lebenszeitdosis der Antipsychotika (z.B.
Moilanen et al. 2015)
Verlust an grauer Substanz lässt sich bei
Ersterkrankungen feststellen und schreitet im
Krankheitsverlauf besonders in präfrontalen Arealen
fort. Das Ausmaß ist abhängig von
Ersterkrankungsalter und Dauer der Erkrankung.
(Torres et al. 2016)
Zunahme des Volumens grauer Substanz bei langen
Medikationspausen (Moilanen et al. 2015)
Hirnvolumenveränderung bereits vor
Behandlungsbeginn (Haijma et al. 2013)
Veränderungen unter klassischen Antipsychotika
schwerer ausgeprägt, als unter Atypika
(Scherk & Falkai 2006, Lieberman et al. 2005))
Inflammationshypothese der Schizophrenie mit
zentraler Rolle der Mikroglia (z.B. Howes &
McCutcheon 2017)
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Antipsychotika und strukturelle Veränderungen des
Gehirns
• Befunde bleiben widersprüchlich
• Schizophrene Psychosen und deren Behandlung sind mit einem Verlust „grauer Substanz“ verbunden
• MRT Studien mit einer Risikopopulation belegen Volumenreduktion im präfrontalen und Schläfen-Areal von etwa 1% pro
Jahr, durchschnittlich bereits 2 ½ Jahre vor Diagnosestellung der Schizophrenie. Diese Veränderungen korrelieren mit der
Schwere der Symptome
• Studien zu den Substanzen der ersten Generation legen einen Verlust an Zellen der Basalganglien nahe, der reversibel ist
• Patienten mit zusätzlichem Cannabis Abusus haben einen größeren Verlust grauer Substanz überwiegend im Präfrontal-
Cortex, als solche ohne THC Konsum. Alkoholabusus hat ähnliche Folgen
• Die MESIFOS Studie legt nahe, dass Ersterkrankte nach 18 Monaten ein besseres Funktionsniveau und weniger
Rückfälle aufweisen, wenn sie kontinuierlich Medikation einnehmen; nach 5 bis 7 Jahren der Redukions- / Absetzarm der
Studie aber funktionell eine größere Rate sozialer Reintegration aufweist.
• Es gibt weiterhin keinen berechtigten Zweifel an Sinn und Wirksamkeit von Antipsychotika
• Review: Lawrie SM (2018) Are structural brain chages in schizophrenia related to antipsychotic medication? A narrative review of the evidence from
a clincial perspective. Ther Adv Psychopharmacol 8:319-326
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Stellenwert der Medikation
• Tihonen et al. 2018:
• 8738 Ersterkrankte Patienten in Finnland
• 20 Jahres Follow-up (1996-2014)
• Ergebnis:
• Kontinuierliche Behandlung: geringstes Risiko von Rehospitalisierung / Tod
• Selbst bei Absetzen nach mehrjähriger Therapie bleibt das Risiko
höher, als bei kont. Fortsetzung der Behandlung
• Tihonen J, Tanskanen A, Taipale H (2018) 20-year nationwide follow-up study on discontinuation of antipsychotic treatment in first-episode
schizophrenia. Am J Psychiatry
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Stellenwert der Medikation
• Empfehlungen:
• Nach Ersterkrankung:
• 12-22% der Patienten haben auch ohne Erhaltungstherapie kein Rezidiv
• Aber: Behandlung mit Plazebo nach einem Jahr Stabilität führt zu Verschlechterung
der Ausgangssymptomatik um 50%
• Minimal empfohlene Dauer der Behandlung: 6 Monate
• Risiko für Rezidiv bei Absetzen nach 1 Jahr: 65% versus 27% bei Weiterbehandlung
• Im Verlauf von 3-6 Jahren: Rezidiv in 63% bei Absetzen versus 22% bei
Weiterbehandlung• DGPPN: S-3-Leitlinie Schizophrenie 2019
• Leucht S, Davis JM (2017) Do antipsychotics lose their efficacy for relapse prevention over time? Br. J. Psychiatry 211: 127-129
• Takeuchi H, Kantor N, Sanches M et al. (2017) One-year symptom trajectories in patients with stabile schizophrenia mainitained on antipsychotics versus placebo: metaanalysis.
Bri J Psyciatry 211: 137-1143
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Können / sollen wir Medikation auf ein Minimumreduzieren?
kbo-Inn-Salzach-Klinikum
Rückfallprophylaxe: alle Studien
(im Mittel 11 Monate)
Study or Subgroup
Andrews 1976
Arato 2002
Baro 1970
Beasley 2003
Blackburn 1981
Boonstra 2010
Caffey 1964
Channabasavanna 1987
Chen 2010
Cheung 1981
Clark 1975
Cooper 2000
Crow 1986
Denijs 1973
Doddi 1979
Eklund 1991
Elie 1975
Freeman 1962
Gallant 1974
Gardos 1984
Garfield 1966
Goldberg 1981
Gross 1960
Gross 1974
Hershon 1972
Hirsch 1973
Hogarty 1973
Hough 2010
Kane 1979
Kane 1982
Keskiner 1968
Kramer 2007
Kurland 1975
Leff 1971
Levine 1980
Marjerrison 1964
McCreadie 1989
Melnyk 1966
Morton 1968
Nishikawa 1982
Nishikawa 1984
Odejide 1982
Olson 1962
Ota 1973
Peuskens 2007
Pfizer 2000
Pietzcker 1993
Pigott 2003
Prien 1968
Prien 1969
Rifkin 1979
Roelofs 1974
Ruskin 1991
Sampath 1992
Schering Plough 2010
Schiele 1961
Spohn 1986
Troshinsky 1962
Vandecasteele 1974
Whittaker 1963
Wistedt 1981
Zissis 1982
Total (95% CI)
Total events
Heterogeneity: Tau² = 0.20; Chi² = 235.63, df = 60 (P < 0.00001); I² = 75%
Test for overall effect: Z = 12.90 (P < 0.00001)
Events
1
73
0
12
4
4
4
2
27
2
7
4
31
3
1
2
0
6
7
0
1
0
6
14
2
3
92
45
1
0
3
33
0
7
4
4
0
0
5
17
35
5
0
13
18
24
37
52
27
46
5
2
1
4
25
2
5
1
3
1
6
5
744
Total
15
207
13
224
30
9
88
15
89
15
30
63
54
20
10
20
7
48
25
9
9
14
46
41
31
41
192
206
8
11
13
105
18
20
17
54
8
20
20
20
74
35
30
33
94
71
122
155
208
230
51
7
11
12
194
60
36
24
10
13
24
16
3395
Events
6
50
13
56
9
10
77
12
56
8
7
21
46
17
4
16
1
13
11
8
3
0
50
13
9
25
146
130
7
7
8
82
12
12
23
2
4
10
14
10
13
15
4
11
70
43
95
88
85
62
15
2
5
9
91
12
44
12
8
3
10
13
1718
Total
17
71
13
102
15
11
171
15
89
15
10
58
66
20
10
23
7
48
25
27
9
17
98
20
32
40
182
204
8
17
11
102
17
15
50
34
7
20
20
10
13
35
30
16
103
75
115
155
212
111
22
8
12
12
192
20
64
19
11
13
17
16
2997
Weight
0.5%
3.1%
0.3%
2.3%
1.5%
1.9%
1.5%
1.0%
2.9%
1.0%
1.9%
1.5%
3.0%
1.4%
0.5%
1.0%
0.3%
1.7%
1.9%
0.3%
0.5%
1.9%
2.5%
0.9%
1.3%
3.2%
3.0%
0.6%
0.3%
1.4%
3.0%
0.3%
2.2%
1.6%
0.7%
0.3%
0.3%
1.8%
3.1%
3.1%
1.6%
0.3%
2.4%
2.7%
2.8%
3.0%
3.1%
2.8%
3.0%
1.7%
0.7%
0.6%
1.7%
2.8%
0.9%
1.8%
0.6%
1.4%
0.5%
1.8%
1.9%
100.0%
M-H, Random, 95% CI
0.19 [0.03, 1.40]
0.50 [0.39, 0.64]
0.04 [0.00, 0.56]
0.10 [0.05, 0.17]
0.22 [0.08, 0.60]
0.49 [0.23, 1.04]
0.10 [0.04, 0.27]
0.17 [0.04, 0.62]
0.48 [0.34, 0.69]
0.25 [0.06, 0.99]
0.33 [0.16, 0.72]
0.18 [0.06, 0.48]
0.82 [0.62, 1.09]
0.18 [0.06, 0.51]
0.25 [0.03, 1.86]
0.14 [0.04, 0.55]
0.33 [0.02, 7.02]
0.46 [0.19, 1.11]
0.64 [0.30, 1.37]
0.16 [0.01, 2.60]
0.33 [0.04, 2.63]
Not estimable
0.26 [0.12, 0.55]
0.53 [0.31, 0.90]
0.23 [0.05, 0.98]
0.12 [0.04, 0.36]
0.60 [0.51, 0.70]
0.34 [0.26, 0.45]
0.14 [0.02, 0.91]
0.10 [0.01, 1.59]
0.32 [0.11, 0.91]
0.39 [0.29, 0.53]
0.04 [0.00, 0.59]
0.44 [0.23, 0.84]
0.51 [0.21, 1.27]
1.26 [0.24, 6.51]
0.10 [0.01, 1.56]
0.05 [0.00, 0.76]
0.36 [0.16, 0.80]
0.87 [0.69, 1.10]
0.49 [0.38, 0.64]
0.33 [0.14, 0.82]
0.11 [0.01, 1.98]
0.57 [0.33, 0.98]
0.28 [0.18, 0.44]
0.59 [0.40, 0.86]
0.37 [0.28, 0.49]
0.59 [0.46, 0.77]
0.32 [0.22, 0.48]
0.36 [0.26, 0.49]
0.14 [0.06, 0.35]
1.14 [0.21, 6.11]
0.22 [0.03, 1.59]
0.44 [0.19, 1.05]
0.27 [0.18, 0.40]
0.06 [0.01, 0.23]
0.20 [0.09, 0.46]
0.07 [0.01, 0.46]
0.41 [0.15, 1.14]
0.33 [0.04, 2.80]
0.42 [0.19, 0.94]
0.38 [0.18, 0.83]
0.35 [0.29, 0.41]
Experimental Control Risk Ratio Risk Ratio
M-H, Random, 95% CI
0.005 0.1 1 10 200
Favours experimental Favours control
Leucht et al. Lancet 2012;379:2063–2071; Leucht et al. Cochrane Database
Syst Rev 2012;5:CD008016; S Leucht. Personal Communication
RCT, randomized controlled trial; DB, double blind;
M-H, Mantel–Haenszel; Random, random effects model;
CI, confidence interval
Reproduced with permission
• Rückfallprophylaxe mit Antipsychotika ist sehr
wirksam
• Metaanalyse von 65 eingeschlossenen
Studien mit 6493 Patienten
• Publiziert über einen Zeitraum von 1959–
2011
• Irgendein Antipsychotikum versus Placebo
(Absetzen des Antipsychotikums)
• 63 DB, 2 offene randomisierte Studien
Rückfall nach 7–12 Monaten
• Medikament 27%
• Placebo 64%
kbo-Inn-Salzach-Klinikum
Study or Subgroup
2.4.1 Abrupt withdrawal
Andrews 1976
Arato 2002
Cheung 1981
Hogarty 1973
Hough 2010
Kane 1982
Kramer 2007
Leff 1971
Marjerrison 1964
McCreadie 1989
Nishikawa 1982
Nishikawa 1984
Odejide 1982
Pfizer 2000
Rifkin 1979
Troshinsky 1962Subtotal (95% CI)
Total events
Heterogeneity: Tau² = 0.10; Chi² = 51.47, df = 15 (P < 0.00001); I² = 71%
Test for overall effect: Z = 7.21 (P < 0.00001)
2.4.2 Taper
Boonstra 2010
Chen 2010
Crow 1986
Doddi 1979
Eklund 1991
Hirsch 1973
Pietzcker 1993
Sampath 1992Subtotal (95% CI)
Total events
Heterogeneity: Tau² = 0.15; Chi² = 17.27, df = 7 (P = 0.02); I² = 59%
Test for overall effect: Z = 5.40 (P < 0.00001)
Test for subgroup differences: Chi² = 1.05, df = 1 (P = 0.31), I² = 4.9%
Events
1
73
2
62
45
0
33
7
4
0
16
35
5
24
5
1
313
2
27
20
1
2
3
20
4
79
Total
15
207
15
192
206
11
105
20
54
8
20
74
35
71
51
241108
9
89
54
10
20
41
122
12357
Events
6
50
8
131
130
7
82
12
2
4
10
13
15
43
15
12
540
10
56
42
3
16
25
72
9
233
Total
17
71
15
182
204
17
102
15
34
7
10
13
35
75
22
19838
11
89
66
10
23
40
115
12366
Weight
1.2%
11.5%
2.3%
11.7%
11.0%
0.7%
10.7%
6.4%
1.7%
0.7%
11.2%
11.2%
4.4%
9.6%
4.5%
1.3%100.0%
7.3%
21.9%
21.0%
3.1%
6.5%
8.4%
20.2%
11.6%100.0%
M-H, Random, 95% CI
0.19 [0.03, 1.40]
0.50 [0.39, 0.64]
0.25 [0.06, 0.99]
0.45 [0.36, 0.56]
0.34 [0.26, 0.45]
0.10 [0.01, 1.59]
0.39 [0.29, 0.53]
0.44 [0.23, 0.84]
1.26 [0.24, 6.51]
0.10 [0.01, 1.56]
0.82 [0.64, 1.07]
0.49 [0.38, 0.64]
0.33 [0.14, 0.82]
0.59 [0.40, 0.86]
0.14 [0.06, 0.35]
0.07 [0.01, 0.46]0.43 [0.34, 0.54]
0.24 [0.07, 0.84]
0.48 [0.34, 0.69]
0.58 [0.39, 0.86]
0.33 [0.04, 2.69]
0.14 [0.04, 0.55]
0.12 [0.04, 0.36]
0.26 [0.17, 0.40]
0.44 [0.19, 1.05]0.34 [0.23, 0.50]
Experimental Control Risk Ratio Risk Ratio
M-H, Random, 95% CI
0.01 0.1 1 10 100Favours experimental Favours control
1. Leucht et al. Lancet 2012;379:2063–2071; 2. Leucht et al. Cochrane Database Syst Rev 2012;5:CD008016; 3. S Leucht. Personal Communication; 4. Viguera et al. Arch Gen Psych 1997;54:49–55
Metaanalytischer Nachweis von Rebound
Phänomenen (abruptes vs graduelles Absetzen)
Ergebnis:
Kein Unterschied zwischen abruptem und langsamem Absetzen
Einschränkungen:
Kurze Dauer des Absetzprozesses (nur 3 Wochen!!!)
Randomisierte Studien, in denen langsames Absetzen mit Fortsetzen der Medikation verglichen wird, wären aussagekräftiger
Reproduced with permission
Subgruppen Vergleich p-Wert = 0.31
kbo-Inn-Salzach-Klinikum
Carpenter et
al (1987)
Carpenter et
al (1990)
Herz et al
(1991)
Jolley et al
(1990)
Pietzcker et
al (1993)
Schooler et
al (1997)
Gaebel et al
(2010)
Relapse rates
60
50
40
30
20
10
0
* = significant difference
Continuous/maintenance Intermittent/targeted
45
16
12*
23*
36*
25*
52 53
30
5049
46
19*
0*
Intermitterende Behandlung ist weniger wirksam als Dauertherapie, allerdings wurde in den alten Studien die Medikation immer komplett abgesetzt und erst bei Auftretenvon Frühwarnzeichen wieder begonnen
kbo-Inn-Salzach-Klinikum
Eine Studie zur Evaluation der Notwendigkeit einer antipsychotischen Erhaltungstherapie zur
Rückfallprophylaxe bei langfristig stabilen Patienten
Eine Pilotstudie
kbo-Inn-Salzach-Klinikum
Reduce Studie: Design
• Randomisierte Studie• Kontrollgruppe: Medikation weitergeführt• Interventionsgruppe: Reduktion der AP nach klinischem Ermessen ca. 1/6 alle 2
Wochen• Frauen und Männer im Alter von 18-65 Jahren
• Diagnose: Schizophrenie oder schizoaffektive Störung• Regelmäßige Einnahme eines Antipsychotikums (mit der Ausnahme von Clozapin)• Depotmedikation möglich• Seit 3 Jahren klinisch stabil (kein Rückfall oder stationäre Behandlung auf Grund
der Erkrankung) • Keine oder nur wenige Positivsymptome wie Halluzinationen
• Dauer: 26 Wochen, mit Visiten alle 2 Wochen
• 3 Monate Reduktion, 3 Monate Nachbeobachtung
kbo-Inn-Salzach-Klinikum
Reduce Studie
• Bislang noch nicht publiziert
• Vorläufige Ergebnisse legen nahe, dass eine erhebliche Reduktion der Medikation möglich ist, wenn
• keine radikalen Reduktionsschritte erfolgen (Gefahr des Rebound / Auftreten von Absetzphänomenen)
• eine enge Frequenz der Wiedervorstellung erfolgt
• sich anbahnende Rückfälle rasch medikamentös aufgefangen werden
• Krisentelefonkontakte möglich sind
• Angehörige einbezogen werden
• „vernünftige“ Patienten ausgewählt werden
kbo-Inn-Salzach-Klinikum
Reduce Studie
• Bislang noch nicht publiziert
• Vorläufige Ergebnisse legen nahe, dass eine erhebliche Reduktion der Medikation möglich ist, wenn
• keine radikalen Reduktionsschritte erfolgen (Gefahr des Rebound / Auftreten von Absetzphänomenen)
• eine enge Frequenz der Wiedervorstellung erfolgt
• sich anbahnende Rückfälle rasch medikamentös aufgefangen werden
• Krisentelefonkontakte möglich sind
• Angehörige einbezogen werden
• „vernünftige“ Patienten ausgewählt werden
kbo-Inn-Salzach-Klinikum
Zusammenfassung
kbo-Inn-Salzach-Klinikum
Zusammenfassung
• Die ICD 11 wird große Veränderungen in Nomenklatur und Codierung mit sich bringen
• Die neuen „S3 Leitlinien Schizophrenie“ weisen eine Fülle alltagsrelevanter Empfehlungen auf - gleichzeitig finden sich eine Fülle von Hinweisen für weiteren klinischen Forschungsbedarf
• Das „beste Medikament“ ist weiterhin nicht in Sicht – wir haben aber mehr Evidenz für diskrete Wirkunterschiede, die uns bei Therapieentscheidungen helfen können
• Therapieentscheidung für ein Antisychotikum sollte auch von den zu erwartenden –oder vielmehr den zu umgehenden Nebenwirkungen bestimmt werden
• Antipsychotika scheinen bei dauerhafter Anwendung Volumenverluste grauer Substanz zu begünstigen – bleiben aber unverzichtbar
• Wir brauchen mehr individualisierte Behandlungskonzepte und neue Strategien bei der Reduktion von Medikamenten
kbo-Inn-Salzach-Klinikum
• Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Dr. M. Rentrop
Kbo-Inn-Salzach-Klinikum Wasserburg
Gabersee 7
83512 Wasserburg / Inn
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie