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Vorstand VB 04 Leistungsgerechtigkeit und Leistungsentgelt Fachtagung „Leistungs- und erfolgsbezogene Entgelte“ 11./12. April 2012 in Frankfurt am Main Richard Rohnert Funktionsbereich Tarifpolitik

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VorstandVB 04

Leistungsgerechtigkeit und

Leistungsentgelt

Fachtagung „Leistungs- und erfolgsbezogene Entgelte“11./12. April 2012 in Frankfurt am Main

Richard RohnertFunktionsbereich Tarifpolitik

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Richard Rohnert, Funktionsbereich Tarifpolitik

„Nach gleicher oder gar gerechter Entlohnung auf Basis des Lohnsystems rufen, ist dasselbe, wie auf Basis des Systems der Sklaverei nach Freiheit zu rufen. Was ihr für recht oder gerecht erachtet, steht nicht in Frage. Die Frage ist: Was ist bei einem gegebnen Produktionssystem notwendig und unvermeidlich?“

Karl Marx, in Lohn, Preis und Profit,27. Juni 1865

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Ein gerechter Lohn für ein gerechtes Tagewerk?

„Entsprechend dem, was man gewöhnlich Gerechtigkeit nennt, müsste der Lohn des Arbeiters aus dem Produkt seiner Arbeit bestehen. Aber das würde nach der politischen Ökonomie nicht gerecht sein. Im Gegenteil, das Arbeitsprodukt des Arbeiters geht an den Kapitalisten, und der Arbeiter erhält davon nicht mehr als die bloßen Existenzmittel. Und das Ende dieses ungewöhnlich "gerechten" Wettlaufs der Konkurrenz ist somit, dass das Arbeitsprodukt derer, die arbeiten, unvermeidlich in den Händen derer angehäuft wird, die nicht arbeiten, und in ihren Händen zu dem mächtigsten Mittel wird, eben die Menschen zu versklaven, die es hervorgebracht haben.“Friedrich Engels am 1./2. Mai 1881

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Leistung und Gerechtigkeitsvorstellungen

Leistung • ist relativ• wird gesellschaftlich, (arbeits-) wissenschaftlich, tarifvertraglich,

betrieblich normiert• wird laufend verdichtet• ist auch eine Ideologie• …

Unterschiedliche, z. Teil sich widersprechende Gerechtigkeitsvorstellungen bei den Beschäftigten

• Anerkennung und Sichtbarkeit vs. Kontrolle und Transparenz (Verlust von Freiräumen)

• Wunsch nach verallgemeinerbaren Kriterien vs. Berücksichtigung von individuellen Stärken und Schwächen

• …

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Gute Arbeit = Würdevolles Arbeiten

selbst bestimmt

ganzheitlich

gut bezahlt

sicher

interessant

gesund

alter(n)sgerechtlernförderlich

sinnstiftend

anerkanntbeteiligt

solidarisch

anregend gleichgestellt

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Ausgangsthesen

Voraussetzung für „Leistungsgerechtigkeit“ ist die wirksame Berücksichtigung der Interessen der Beschäftigten

• in ihrer Verallgemeinerbarkeit und Gemeinsamkeit• in ihrer Vielfalt und Unterschiedlichkeit• durch aktive Beteiligung der Beschäftigten (-gruppen)• durch die direkte Mitbestimmung des Betriebsrates.

Das geht am ehesten in einem Leistungsentgeltsystem. Dort ist bzw. kann geregelt werden:

• die Bedingungen für die Leistungserbringung (Arbeitsgestaltung)• die Mitbestimmung über die abverlangte Leistung (Leistungsmaß)• Leitungsgestaltung und/oder Leistungsbegrenzung• Personalbemessung• Erhol- und Bedürfniszeiten• Verdienstchancen

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Leistungsentgelt statt Zeitentgelt

Zeitentgelt

Im Entgeltgrundsatz Zeitentgelt wird den Beschäftigten für die vereinbarte Arbeitszeit ein festes Entgelt gezahlt.

Das Verhältnis von Entgelt und Leistung ist nicht vereinbart.

Leistungsentgelt

Im Entgeltgrundsatz Leistungsentgelt wird den Beschäftigten für die, in der vereinbarten Arbeitszeit erbrachte Leistung, ein festes oder variables Entgelt gezahlt, das von der erbrachten Leistung abhängig ist.

Das Verhältnis von Entgelt und Leistung ist vereinbart.

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50,0%

50,00%

51,7%

39,80%

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23,20%

23,10%

0,0%

10,0%

20,0%

30,0%

40,0%

50,0%

60,0%

1955 1980 2000 2006

Beschäftigten-Struktur nach Entgeltmethoden (Produktion)

Zeitlohn Akkord PrämieQuelle: Gesamtmetall-Effektivverdienststatistik 2011

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Beschäftigten-Struktur nach Entgeltmethoden (gesamt) 2010

0,5 %26,5 %

73,0 %

Zeitentgelt Kennzahlenvergleich/Prämie/AkkordZielvereinbarung/Zielentgelt

Quelle: ERA-Verdiensterhebung von Gesamtmetall 2011

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„Den Druck der Finanzmärkte herunterzubrechen auf jeden einzelnen Mitarbeiter, das ist das Kunststück, das über das Überleben der Betriebe entscheiden wird.“

Martin Kannegießer, Präsident Gesamtmetall, November 2000

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Wandel des Leistungsbegriffs: Neue Maßlosigkeit von Arbeit

Aufwands-orientierter Leistungs-begriff

Ergebnis-orientierter Leistungs-begriff

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Was ist eine Bezugsleistung?

MTM-Normleistung• „Der mit MTM geplante Arbeitablauf entspricht der Arbeitsmethode, mit

der die Vorgabezeit erreicht werden kann. Die MTM-Normleistung stellt dabei sicher, dass diese Arbeitsintensität bei täglicher Wiederholung in einer Acht-Stunden-Schicht ein Arbeitsleben lang ohne gesundheitliche Beeinträchtigung möglich ist. Darüber hinaus stellt die MTM-Normleistung eine von den Tarifpartner anerkannte Norm (Bezugsleistung) dar.“ (Spanner-Ulmer, 2010)

REFA-Normalleistung• „ … wird eine Bewegungsausführung verstanden, die dem Beobachter

hinsichtlich der Einzelbewegungen, der Bewegungsfolge und ihrer Koordinierung besonders harmonisch, natürlich und ausgeglichen erscheint. Sie kann erfahrungsgemäß von jedem in erforderlichem Maße geeigneten, geübten und voll eingearbeiteten Arbeiter auf die Dauer und im Mittel der Schichtzeit erbracht werden, sofern er die für persönliche Bedürfnisse und gegebenenfalls auch für Erholung vorgegebenen Zeiten einhält und die freie Entfaltung seiner Fähigkeiten nicht behindert wird.“ (REFA Methodenlehre)

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REFA-Normalleistung im Wandel

… wird ein Arbeitsvollzug verstanden, der hinsichtlich der Intensität, der Wirksamkeit und der Koordinierung der Aktionen der handelnden Personen besonders flüssig, harmonisch, natürlich und ausgeglichen erscheint. Sie kann erfahrungsgemäß von jeder in erforderlichem Maß geeigneten, geübten und voll eingearbeiteten Person auf die Dauer erbracht werden, sofern die für persönliche Bedürfnisse und ggf. auch für Erholung vorgegebenen Zeiten eingehalten, die Erfordernisse des Arbeitschutzes, der optimalen Arbeitsplatzgestaltung gewährleistetund die freie Entfaltung ihrer Fähigkeiten nicht behindert wird.(REFA-Grundausbildung, neu 2012)

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Leistungsmaß: zumutbar, verträglich, mitbestimmt

„Bezugsleistung ist eine Leistung, die von durchschnittlich geeigneten Arbeitnehmern bei voller Übung und ausreichender Einarbeitung ohne Gesundheitsschädigung und ohne gesteigerte Anstrengung auf Dauer zu erreichen ist. Bei der Gestaltung der Arbeits- und Leistungsbedingungen sind die in § 13 MTV gewerbliche Arbeitnehmer und § 6a MTV-Angestellte geregelten Grundsätze einzuhalten.“ § 6. Ziffer 1, ERA-TV Bayern

MTM-Normleistung ist Leistungsobergrenze, sofern ausreichende Erholungszeit und persönliche Zeit gewährt werden. Auf Grundlagevon MTM-Zeiten wird die Prämienendleistung (Prämie) bzw. die Standardleistung (Standardentgelt) vereinbart.

Bei REFA-Zeitstudien kann im Rahmen von Prämienentgeltsystemen auf die Leistungsgradbeurteilung verzichtet werden. Die Ist-Zeit wird zur Sollzeit. Auf Grundlage dieser Zeit werden die Entgelt und Leistungsparameter vereinbart.

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Mit ERA Entgelt und Leistung gestalten

GrundentgeltEingruppierung nach Art und

Schwierigkeit der Arbeit„Was wird gearbeitet?“

LeistungsanteilKennzahlenvergleich/Prämie/Akkord

ZielvereinbarungZeitentgelt (Beurteilen)„Wie wird gearbeitet?“

mit ERA größer

mit ERA geringer

geführte Gruppenarbeit,flexible Standardisierung,

Rüstzeitoptimierung,Reduzierung sog. nicht

wertschöpfenderTätigkeiten

Kaizen und KVP,Gain-Sharing,Chaku-Chaku,

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Managementstrategien und Leistungspolitik

Variabilisierung des Entgeltes und Kombination von Entgeltmethoden

Kombination von Bezugsgrößen zum Messen und/oder Beurteilen der Leistung bzw. des Leistungsverhaltens

Unternehmenserfolg als Bestandteil des Entgelts

Ableitung von Leistungszielen, Pensen und Personalstärke aus unternehmerischen »Costtargets« bzw. »Benchmarks« (Preise, Qualität, Kosten, Fertigungszeiten, Produkteigenschaften usw.)

Umfassende Dynamisierung der Leistungsvorgaben

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Gewerkschaftlichen Leistungsbegriff weiterentwickeln

Die menschliche Leistungsfähigkeit über ein ganzes Arbeitsleben hinweg ist das Maß für die abgeforderte Leistung bei der Ausführung der Arbeit. Leistungsvorgaben müssen zumutbar und erreichbar sein. Für ihre Leistung haben die Beschäftigten einenAnspruch auf ein angemessenes Entgelt, das ihnen ein Leben in Würde auch im Alter möglich macht. Die Arbeitsbedingungen sind lern- und gesundheitsförderlich sowie alterns- und altersgerecht zu gestalten.

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Leistungspolitische Handlungsfelder: konkret

„Systempflege“ der klassischen Bemessungsgrundlagen von Leistung (MTM, REFA). Absichern, Einfordern vorhandener Schutzregeln

Beteiligung der Beschäftigten und systematische Verknüpfung von Ergonomie, Leistung, Arbeitsorganisation, Arbeitszeitgestaltung

Aktive Besetzung der Themen Optimierung/Planung durch gesicherteBeteiligungsrechte und Beteiligungsstrukturen (Beteiligungsformen/-zeiten, KVP-Werkstätten usw.)

Entgeltsysteme (ERA): qualitative, prozessrelevante Bezugsgrößen für Kennzahlenvergleich/Prämiensysteme und/oder Zielvereinbarungen

Themen bei Angestelltentätigkeiten: Arbeitsqualität/Arbeitsgüte,Kooperationsbedingungen und berufliche Situation. Perspektivisch: Aufbau von Arbeits-/Organisationsgestaltungskompetenz

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Arbeitsorganisation• erweiterte Gruppenarbeit (Gruppenselbstorganisation,

Aufgaben-/Funktionsintegration), flexible Standardisierung vs. rigide Standardisierung, forcierte Arbeitsteilung, Hierarchie

Prozessoptimierung• aktive Einbindung der Beschäftigten bei Planungen und

Prozessoptimierung vs. expertenbasierte, selektive, prozessfern zentralisierte Vorgehensweisen

Betriebsorganisation• prozessorientierte Dezentralisierung/Dehierarchisierung

vs. zentralistisch, bürokratisch, Funktionalorganisation

Ansatzpunkte betrieblicher Strategien (1/2)

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Betriebliche Führung• erweiterter Kompetenzzuschnitt der ersten Führungsebene,

Dehierarchisierung, entwicklungsorientierte Führung vs. Hierarchisierung, steuerungsorientierte Führung

Koordinations- und Steuerungsformen• prozessorientierte, vereinbarungsbasierte Steuerungs- und

Koordinationsformen vs. vorgabeorientierte, top-down Steuerungssysteme, Vermarktlichung

Entgeltsysteme/Leistungspolitik (ERA)• breites Set (und Mix) unterschiedlicher Entgeltbestandteile;

Leistungspolitik: integrativ, vereinbarungsbasiert, reguliert vs. marktbasiert, tayloristisch/bürokratisch

Ansatzpunkte betrieblicher Strategien (2/2)

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Herausforderung neuer Leistungsbegriff

„One size fits all“ geht immer weniger

Differenziertes Verständnis leistungspolitischer Problemlagen entwickeln

Leistung ist mehr als Bewegungslänge und Wirksamkeit. (Bsp. Selbststeuerung der Leistungsverausgabung ist Leistung)

Ausgangspunkt Mensch

Grundverständnis: Gestaltung leistungspolitischer Arrangements („differenzierter Werkzeugkoffer) statt Anwendung eines „richtigen“ Instruments

Verstetigte Auseinandersetzung mit den sich permanent verändernden Rahmenbedingungen der Leistungserbringung, also eine Prozessorientierung, die für alle Akteure jederzeit nachvollziehbar und transparent ist

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Zusammenfassung

Ganzheitliche und integrierte Perspektive auf Arbeitsorganisation/-gestaltung, Leistung und Arbeitszeit

Gesundheit, Lernförderlichkeit und alternsgerechtes Arbeiten alsPrinzipien der Arbeits-, Arbeitszeit und Leistungsgestaltung

Marktsteuerung begrenzen: Einflussnahme auf leistungspolitische Steuerungsgrößen

Leistungsentgelt statt Zeitentgelt. Mitbestimmung über Leistungsmaß und –bedingungen sichern und ausbauen.

Besser durch gute Arbeit statt billiger durch schlechte Arbeit

Gemeinsame Arbeit am neuen Leistungsbegriff

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DANKE FÜR DIE AUFMERKSAMKEIT!

DANKE FÜR DIE AUFMERKSAMKEIT!

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Kontakt:Wilhelm-Leuschner-Straße 7960329 Frankfurt am Main

phone: +49 (0) 69/66 93 24 64fax: +49 (0) 69/66 93 -80- 24 64mobile: +49 (0) 170/3333 935e-mail: [email protected]