vde-positionspapier · 2.2.2 betriebssicherheit („safety“) 26 2.2.3 verfügbarkeit, sicherheit...
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Energieinformationsnetze und -systeme
Bestandsaufnahme und Entwicklungstendenzen
VDE-Positionspapier
2 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
AutorenDr.-Ing. Jörg Benze, T-Systems Multimedia Solutions GmbH, Dresden
Prof. Dr.-Ing. Christian Diedrich, ifak e.V. Magdeburg, Magdeburg
Dipl.-Phys. Hans Honecker, Bundesamt für Sicherheit in der
Informationstechnik (BSI), Bonn
Dipl.-Inform. Christian Hübner, ifak e.V. Magdeburg, Magdeburg
Dipl.-Wirtsch.-Ing. Ullrich C.C. Jagstaidt, Institut für Wirtschaftsinformatik,
Georg-August-Universität Göttingen
Dipl.-Ing. Mariam Khattabi, MVV Energie AG, Mannheim
Dipl.-Phys. Andreas Kießling, MVV Energie AG, Mannheim
Dipl.-Ing. Dieter Kopp, Alcatel-Lucent Deutschland AG, Stuttgart
Dipl.-Ing. Holger Krings, FGH e.V., Mannheim
Jun.-Prof. Dr. Sebastian Lehnhoff, OFFIS – Institut für Informatik, Oldenburg
Dr.-Ing. Rainer M. Speh, Siemens AG, München
Prof. Dipl.-Ing. Erich Stein, Fachhochschule Jena, Jena
Dr.-Ing. Mathias Uslar, OFFIS – Institut für Informatik, Oldenburg
Dr.-Ing. Volker Wittpahl, Wittpahl Ingenieur- und Innovationsbüro, Oldenburg
Impressum
VDE VERBAND DER ELEKTROTECHNIK
ELEKTRONIK INFORMATIONSTECHNIK e.V.
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Fon 069 6308-0 · Fax 069 6312925
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Dezember 2010
3 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
Energieinformationsnetze und -systeme
Bestandsaufnahme und Entwicklungstendenzen
Ein Positionspapier der
Informationstechnischen Gesellschaft im VDE (ITG)
Die ITG engagiert sich mit 12.000 Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft
und Politik für die Förderung der Informationstechnik, ihrer Anwendun-
gen und für den technisch-wissenschaftlichen Nachwuchs. Der VDE
Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik ist mit 35.000
Mitgliedern, davon 1.300 Unternehmen, einer der großen technisch-
wissenschaftlichen Verbände Europas.
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Energieinformationsnetze und -systeme
Kurzfassung
Energieinformationsnetze und -systeme sind ein entscheidender
Bestandteil eines zukünftigen intelligenten Energie versorgungssystems
(Smart Grid). Die grundlegenden Ziele im Bereich der Umweltverträg-
lichkeit bestehen in der Reduzierung der CO2-Emmissionen, der Inte-
gration der erneuerbaren Energien und der Energieeinsparung durch
Erhöhung der Energieeffizienz. Diese Ziele müssen unter Beibehaltung
der Versorgungssicherheit und unter Berücksichtigung der Wirtschaft-
lichkeit durch Schaffung neuer Marktszenarien und Geschäftsmodelle
verfolgt werden.
Die Anforderungen an das zukünftige Energie versorgungssystem leiten
sich von den zuvor genannten Zielstellungen ab. Zur Gewährleistung
der Versorgungssicherheit muss die unverzichtbare Kernfunktionali-
tät der Versorgungssysteme in Krisenlagen („Graceful Degradation“)
aufrechterhalten und Mechanismen zur schnellstmöglichen Wieder-
herstellung nach Totalausfällen (Schwarzstartfähigkeit) berücksichtigt
werden. Dazu ist es notwendig, dass die einzelnen Teilstrukturen sehr
robust und resilient ausgelegt werden. Große Bedeutung kommt den
Sicherheitsanforderungen zu, die sowohl die Sicherheit vor Angriffen
(„Security“) als auch die Betriebssicherheit („Safety“), aber auch die
Datenschutzaspekte („Privacy“) umfassen. Neue Anforderungen an das
Energie versorgungssystem ergeben sich aus der zunehmenden Inte-
gration von dezentraler Einspeisung in die Versorgungsnetze, wodurch
es zur Umkehrung der Energieflüsse kommen kann und die Netzqualität
durch Spannungsbandverletzungen beeinträchtigt wird. Aus diesem
Grund muss die Anzahl aktiver schutz- und leittechnischer Komponen-
ten steigen, die auf Seiten der dezentralen Energiegewinnungsanlagen
(DEA), aber auch innerhalb der bestehenden Netzinfrastruktur installiert
werden, um notwendige Schutz- und Steuerungsfunktionen zu gewähr-
leisten. Auch die zunehmende Anzahl an Elektrofahrzeugen wird in
Zukunft die Energieverteilungsnetze belasten, so dass ein netzseitiges
Ladelastmanagement erforderlich werden wird. Mit Hilfe von Smart
Grids sollen zukünftig auch als Erzeuger auftretende Betreiber kleinerer
Energiegewinnungsanlagen sowie Energienutzer die Möglichkeit erhal-
ten, an der Koordination von angebotener und nachgefragter Leistung
teilzunehmen. Anreize zur Teilnahme sollen aus verschiedenen Optimie-
rungszielen anderer Marktakteure erwachsen. All diese Anforderungen
machen eine deutlich umfangreichere messtechnische Erfassung und
Überwachung des Energie versorgungssystems erforderlich.
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Energieinformationsnetze und -systeme
Energieinformationsnetze und -systeme sollen für das heutige und
zukünftige Energieversorgungssystem alle erforderlichen Daten für
Messung und Steuerung des Energieeinsatzes bereitstellen. Die Reali-
sierung eines Energieinformationsnetzes erfordert den interdisziplinären
Einsatz von Know-how aus den Fachdisziplinen Energieversorgung,
Telekommunikation und Automatisierungstechnik. Betrachtet man heu-
tige Energie versorgungsnetze und Telekommunikationsnetze in ihrem
Aufbau und ihrer Struktur (einschließlich der darin enthaltenen Automa-
tisierung), so lassen sich gewisse Parallelen erkennen. Verschiedene
Aspekte stehen hier auf unterschiedlichen Evolutionsstufen, so dass
Erfahrungen übertragen werden können. Dies gilt unter der Annahme,
dass sich aufgrund der zunehmenden dezentralen Energiegewinnung
ein Paradigmenwechsel in der Energieversorgung hin zu einer Peer-to-
Peer Architektur vollzieht. Für den Know-how Transfer zwischen den
Fachdisziplinen muss ein gemeinsames Verständnis gebildet werden,
z.B. mit Hilfe eines Klassifikationsschemas, das Begriffe aus verschie-
denen Domänen in Relation setzt.
Auf Basis des Klassifikationsschemas lässt sich ein generisches Modell
des Energieinformationsnetzes entwickeln mit dem Ziel einer weit-
gehend vollständigen Modellierung auf hoher Abstraktionsebene zur
Beschreibung des aktuellen Standes und zur Abschätzung der zukünf-
tigen Entwicklungen. Das generische Modell besteht aus den vier
Ebenen „Infrastruktur“, „Informationsobjekte und Dienstekommunika-
tion“, „Dienste“ und „Dienstenutzer“. Das Modell erlaubt die Integration
existierender Technologien und die Erfassung der virtuellen Welt der
Dienste unabhängig von der unterliegenden Infrastruktur.
Mit zunehmendem Einsatz dezentraler Energiegewinnungsanlagen und
deren weitgehend unkontrollierten Einspeisung in das Verteilungsnetz
wird ein aktives Management dieser Anlagen erforderlich. Aufgrund
der wachsenden Anzahl einzubeziehender dezentraler Elemente führen
zentrale Ansätze zu einer stark zunehmenden Komplexität der Steu-
erung. Folglich gewinnt die Entwicklung neuer Methoden zur dezent-
ralen und automatisierten Netzführung im Verteilungsnetz an Bedeu-
tung. Die Energiegewinnungsanlagen können im Rahmen neuartiger
Geschäftsmodelle Systemdienstleistungen (z.B. zur Blindleistungs- und
Spannungsregelung) anbieten und somit einen aktiven Beitrag zur
Verbesserung der Qualität und Stabilität der Verteilungsnetze leisten.
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Energieinformationsnetze und -systeme
Voraussetzung für die technisch und wirtschaftlich beherrschbare Steu-
erung der Verteilungsnetze ist die Verfügbarkeit und Anwendung von
durchgängigen Standards. Dazu gehören in erster Linie die IEC 61850
als umfassendes Kommunikations- und Informationsprotokoll für die
Automatisierungsebene sowie die IEC 61968 (CIM) für die IT-Ebene.
Aufgrund des verteilten Charakters des Energiesystems bietet sich die
funktionsbausteinbasierte IEC 61499 zur Implementierung der verteilten
Automatisierungsstrukturen an.
Für die Realisierung des zukünftigen intelligenten Energieversorgungs-
systems besteht Handlungsbedarf insbesondere im Bereich der Stan-
dardisierung zur Harmonisierung von IEC 61850 und CIM sowie zur
Sicherstellung von Interoperabilität und Konformität der Systemkom-
ponenten. Es wird empfohlen, die notwendigen Entwicklungen auf allen
Ebenen voranzutreiben und dabei die Voraussetzungen für die Erhaltung
der Versorgungssicherheit zu schaffen. Dazu müssen die fachlichen
Grenzen im Bereich der Energieversorgung, Telekommunikation und
Automatisierung überwunden und alle betroffenen Akteure eingebunden
werden. Ein Schritt in diese Richtung kann durch die Verfeinerung des
generischen Modells unternommen werden, um es zu einem einheitli-
chen Beschreibungsmodell für Energieinformationsnetze und -systeme
weiter zu entwickeln.
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Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung 11
1.1 Ziel und Struktur des Dokuments 15
1.2 Zielstellungen für das Energiesystem der Zukunft 16
1.2.1 Umweltverträglichkeit 18
1.2.2 Versorgungssicherheit 20
1.2.3 Wirtschaftlichkeit 21
2 Anforderungen 23
2.1 Allgemeine Anforderungen an das
Energieversorgungssystem 23
2.1.1 Versorgungssicherheit, Graceful Degradation
und Schwarzstartfähigkeit 23
2.1.2 Robustheit und Resilienz 24
2.2 Sicherheitsanforderungen 25
2.2.1 Sicherheit vor Angriffen („Security“) 25
2.2.2 Betriebssicherheit („Safety“) 26
2.2.3 Verfügbarkeit, Sicherheit vor technischem
und menschlichem Versagen 26
2.3 Neue Anforderungen aus Netzsicht 26
2.3.1 Starke Beeinflussung der Lastflüsse in
Verteilungsnetzen 29
2.3.2 Anforderungen an die Sekundärtechnik zur
Überwachung der Verteilungsnetze 30
2.4 Anforderungen an Informations- und
Kommunikations technologie (IKT) 33
2.5 Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit, Funktionssicherheit,
Fehlertoleranz 36
2.5.1 Definitionen 36
2.5.2 Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit der
elektrischen Energieversorgung in Deutschland 37
2.5.3 Mindestanforderungen an zukünftige
Entwicklungen 38
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Energieinformationsnetze und -systeme
2.6 Erforderliche Kenngrößen und Mengengerüst 41
2.6.1 Messwerte 41
2.6.2 Auslegungsdaten 41
2.6.3 Grenzwerte 42
2.6.4 Energiespeicher 42
2.6.5 Lastmanagement aus Sicht des Verbrauchers 42
2.6.6 Energiepreise aus Sicht des Verbrauchers 43
2.6.7 Zählerstände 43
2.6.8 Beispiele für Schutzparameter 43
3 Energieinformationsnetze als zukünftige Basis für ein
intelligentes Energiemanagement 44
3.1 Paradigmenwechsel in der Energieversorgung 46
3.2 Klassifikationsschema 47
4 Generisches Modell eines Energieinformationsnetzes 49
4.1 Vorteile des Modells 51
4.2 Anwendung des Modells 51
4.2.1 Funktionale Beschreibung 51
4.2.2 Funktionale Anforderungen 52
4.2.3 Formulierung der Sicherheitsanforderungen 53
5 Verteilte Automatisierung im Verteilungsnetz 56
5.1 Steigender Automatisierungsbedarf im Verteilungsnetz 56
5.2 Energiesystem-Modellierung 58
5.3 Systemmodell „Smart Energy System“ 61
5.4 Architekturen von Steuerungssystemen in
Verteilungsnetzen 65
5.4.1 Verteilte Steuerung im Smart Energy System
durch Agenten 65
5.4.2 Verteilte Steuerung von Schutzsystemen in der
Mittelspannung mit Funktionsbausteinen 68
9 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
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5.5 Szenarien und Use Cases für die Automatisierung im
Verteilungsnetz 70
5.5.1 Steuerung und Regelung von Erzeugung und
Verbrauch in den Niederspannungsnetzen 71
5.5.2 Systemdienstleistungen im Kontext E-Mobilität 73
5.5.3 Systemdienstleistungen als Geschäftsmodell
für An lagenbetreiber im Verteilungsnetz und in
Objekten 75
5.6 Standards für Protokolle und Datenmodelle 78
5.6.1 IEC 61850 79
5.6.2 IEC 61968 (CIM for DMS) 81
5.6.3 IEC 61499 (Funktionsbausteinsysteme) 84
6 Möglichkeiten und Limitierung bestehender Systeme 89
6.1 Advanced Metering 89
6.1.1 Advanced Meter Infrastructure / Smart Meter 89
6.1.2 Advanced Metering – Möglichkeiten der
Wertschöpfung 91
6.1.3 Derzeitige Limitierung des Advanced Metering 92
6.2 Klassische Fernwirktechnik 94
6.3 Endkundenschnittstelle auf Basis von Web-Technologien 95
10 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
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7 Herausforderungen 98
7.1 Handlungsbedarf zur Standardisierung 98
7.1.1 Harmonisierung und Erweiterung von 61850 & CIM 98
7.1.2 Abbildung von IEC 61850 auf IEC 61499 99
7.1.3 Sicherstellung von Interoperabilität / Konformität 100
7.2 Empfehlungen 102
7.2.1 Forcierung notwendiger Entwicklungen 102
7.2.2 Voraussetzungen für Erhaltung der
Versorgungs sicherheit schaffen 103
7.2.3 Überwindung fachlicher Grenzen 103
7.2.4 Einbindung der Informationstechnologie
für Smart Metering 104
7.2.5 Berücksichtigung der IKT-Anforderungen 105
7.2.6 Gewährleistung von Robustheit und Resilienz 105
7.2.7 Begrenzung der Abhängigkeiten von anderen
Infrastrukturen 105
7.2.8 Begrenzung der Komplexität 105
7.2.9 Beachtung der grundsätzlichen Anforderungen 106
7.2.10 Systemweite Interoperabilität durch Standards 106
7.2.11 Trennung betrieblicher und wirtschaftlicher Dienste 106
7.2.12 Weiterentwicklung unter Einbindung aller
Betroffenen 107
Literaturverzeichnis 108
Glossar 112
Abkürzungsverzeichnis 124
11 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
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1 Einleitung
Um den Ausstoß schädlicher Gase in die Umwelt zu verringern, sowie
dem begrenzten Angebot an fossilen Energieträgern zu begegnen,
wurde 1991 das erste Stromeinspeisegesetz in Kraft gesetzt. Über drei
Novellen hin zum Energie-Einspeisegesetz (EEG) in der Fassung von
2009 wurde und wird die Energiegewinnung aus erneuerbaren Ener-
giequellen (EE) gefördert und zeigte in der Vergangenheit besonders im
Bereich der Windenergie sowie der Photovoltaik zweistellige Wachs-
tumsraten [8]. Trotz der degressiven Einspeisevergütung deuten die
Prognosen auch in naher Zukunft auf einen deutlichen Zuwachs hin.
Neben einem klimaverträglichen Ersatz fossiler Energiequellen in Form
einer sukzessiven Substitution durch regenerative Quellen kann somit
zunehmend den Risiken der nuklearen Energiegewinnung sowie einer
ungeklärten Entsorgungsfrage radioaktiver Abfälle begegnet werden.
Das fluktuierende Dargebot von Energiequellen wie Wind und Photo-
voltaik, flankiert durch eine zunehmende dezentrale Erzeugung, fordert
neue Trans port- und Speichermöglichkeiten für Energie verbunden mit
einer intelligenten Steuerung und Regelung des gesamten Energie-
versorgungssystems (Smart Grid). Die Definition des Begriffes wurde
im deutschen Standardisierungs-Strategiekreis Smart Grid sowie im
Rahmen der deutschen Normungsroadmap E-Energy / Smart Grid wie
folgt vorgenommen:
Der Begriff „Smart Grid“ (Intelligentes Energieversorgungssystem)
umfasst die Vernetzung und Steuerung von intelligenten Erzeugern,
Speichern, Verbrauchern und Netzbetriebsmitteln in Energieübertra-
gungs- und -ver teilungsnetzen mit Hilfe von In formations- und Kommu-
nikationstechnik (IKT). Ziel ist es, auf Basis eines transparenten energie-
und kosteneffizienten sowie sicheren und zuverlässigen Systembetriebs
eine nachhaltige und umweltverträgliche Energieversorgung sicherzu-
stellen.
Durch das erfolgte Unbundling der ursprünglichen operierenden
Energie versorgungsunternehmen und die Aufteilung dieser in individu-
elle Gesellschaften besteht der Bedarf an Informationsaustausch und
Kommunikation zwischen diesen. Durch weitere Anforderungen und
Dienstleistungen wie z.B. eine kommende unterschiedliche Tarifierung
steigt der Bedarf an IKT zur Umsetzung ebenfalls an. Die Wirkungs-
matrix in Abbildung 1 visualisiert, wie die Domänen Erzeugung,
Verbrauch, Transport, Verteilung und Speicherung kommunikations-
technisch zu koppeln sind.
12 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
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Marktplatz Netzbetrieb
SmartGrid
Interdisziplinäre Technologien:Datensammlung, -verarbeitung und -vernetzung
SmartGeneration
SmartDistribution und
Transmission
SmartStorage
SmartConsumption
Kommunikationzwischen allen Systemkomponenten
Abbildung 1: Wirkungsmatrix des Smart Grids
Für eine optimale Netzführung werden Energienutzer zukünftig in die
Regelung des Gesamt-Systems mit Anreizen und vielfältigen neuen
Energiedienstleistungen eingebunden, die sie damit zur direkten Beein-
flussung der Energiekosten und der Energieeffizienz befähigen, sie zum
energetisch aktiv und eigenständig handelnden Teilnehmer im Energie-
markt entwickeln, sowie ihren Beitrag zum umweltfreundlichen Ener-
gieverbrauch durch direkten Einfluss auf Energiebezug und -angebot,
auf Herkunftsort und Herstellungseigenschaften der benötigten Energie
stärken.
Nachfolgend werden Thesen zu den grundlegenden Eigenschaften
eines intelligenten Energieversorgungssystems (Smart Grid) aufgeführt,
welche sich bei der Einführung eines intelligenten Systems vorteilhaft
gegenüber den jetzigen Strukturen darstellen sollen:
� Smart Grids können in effizienter Weise schwankende Erzeugung
und schwankenden Verbrauch in Einklang bringen. Neben Erzeu-
gungs- und Lastmanagement werden hierzu auch vorhandene und
neue Speichertechnologien genutzt. Hierdurch wird langfristig eine
Energieversorgung über vorwiegend erneuerbare Energien mit stetig
sinkendem Anteil fossiler und nuklearer Kapazitäten möglich. Smart
Grids ermöglichen einen breiten Ausbau der dezentralen Erzeugung.
Damit können Stromerzeugung und -verbrauch in geografischer
Nähe erfolgen und Transportverluste reduziert werden.
� Smart Grids können durch eine geringere Abhängigkeit von wenigen
zentralen und bei Ausfall nur schwer zu kompensierenden Energie-
quellen die Versorgungssicherheit erhöhen.
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� Smart Grids schaffen die Möglichkeit, Energielieferung und Energie-
dienstleistung stärker zu verbinden, womit vielfältige neue Energie-
dienste zur Verbindung mit anderen Lebensbereichen, insbesondere
zur Verbindung von Smart Grid mit Gebäuden für ein gesamthaftes
Gebäude-Energiemanagement entstehen.
� Smart Grids verbessern die Position von Endenergienutzern als
energetisch aktiv und eigenständig handelnde Teilnehmer im Ener-
giemarkt.
� Smart Grids bieten die Gelegenheit spartenübergreifend die Energie-
effizienz zu steigern, insbesondere in der Verbindung von Strom und
Wärme bzw. Kälte.
� Smart Grids können eine Antwort auf die zunehmende Komplexität
bei der Steuerung der Energieversorgungssysteme durch die wech-
selnden Stromflüsse bei hohem Anteil dezentraler Erzeugung sein.
Ziel ist dabei, die Versorgungssicherheit zu erhalten oder darüber
hinaus zu erhöhen, indem durch zellulare Ansätze und dezentral
verteilte Automatisierungslösungen Netzbereiche in ihrem Betrieb
aufrecht erhalten werden können, obwohl angrenzende Bereiche
ausgefallen sind.
Zusammengefasst weisen Smart Grids als intelligente Energieversor-
gungssysteme den Weg in eine energiewirtschaftliche Zukunft, die
nachhaltig und effizient ist, sowie regionale und zentrale Aspekte der
Erzeugung verbindet. Durch dezentrale Strukturen und die erfolgten
Entflechtungsmaßnahmen (Unbundling) ist ein komplexes System
in verschiedenen Wirkungsdomänen entstanden, welches mit einer
Vielzahl von Teilnehmern und Rollen im System und durch eine
um fangreiche Funktionsvielfalt zu modellieren ist.
Aus diesem Grund werden im Folgenden die Rollen im zukünftigen
intelligenten Energiesystem dargestellt. Auf der Grundlage der Bestim-
mung von Rollen und Verantwortlichkeiten, der Entwicklung eines
neuen legislativen und regulatorischen Rahmens, der Identifikation
neuer Marktszenarien und Geschäftsmodelle werden zunächst Anwen-
dungsszenarien und danach die übergeordneten Funktionalitäten des
zukünftigen Wertschöpfungsnetzwerkes beschrieben, die wie derum in
neuen Anwendungsfallbeschreibungen und neuen Prozessen münden.
Diese Anwendungsfallszenarien sind dann die Grundlage zur Definition
neuer Geschäftsmodelle und Produkte.
Rollen sind teilweise national oder regional durch unterschiedliche
regulatorische oder gesetzliche Bestimmungen definiert und geprägt.
Durch eine möglichst weitgehende Einteilung von theoretischen, granu-
laren Rollen kann versucht werden, Lösungen, Funktionalitäten, Module
oder Schnittstellenbeschreibungen, die auf ein Verständnis der ver-
schiedenen Rollen aufbauen, weitestgehend so zu beschreiben, dass
grundlegende Ergebnisse auch auf internationaler oder europäischer
Ebene übertragbar bleiben. Dies bedeutet, dass manche Rollen in der
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Praxis zusammenfallen bzw. manche Marktteilnehmer mehrere Rollen
ausüben.
Im europäischen Dokument der Task Force Smart Grid in der Expert
Group 3 werden die Systemrollen innerhalb von fünf Rollengruppen
zusammengefasst. Die Rollen im energetischen Wertschöpfungsnetz-
werk lassen sich dabei in zwei Ebenen mit Verantwortlichkeiten im
Energiemarkt und mit Verantwortlichkeiten zur Netzführung einordnen.
Die Rollengruppen im Netzbereich umfassen den Netzbetreiber und
den Netznutzer, während die Rollengruppen im Energiemarkt die Kate-
gorien des Energiemarktplatzes zum Austausch von Energie sowie der
Technologien und Dienstleistungen für den Betrieb des Energiesystems
umfassen. Eine weitere Kategorie wurde mit nicht direkt zum energeti-
schen Wertschöpfungsnetzwerk zurechenbaren Beeinflussern definiert,
die das legislative, regulatorische und Finanzierungsumfeld umfassen.
Folgende Systemrollen wurden auf Grundlage bisheriger und mit der
Entwicklung von Smart Grids neu entstehender Verantwortlichkeiten
identifiziert. Weitergehende begriffliche Erläuterungen zu den System-
rollen finden sich im Glossar.
Rollengruppe Netzbetreiber
� Übertragungsnetzbetreiber (en: Transmission Service Operator, TSO)
� Verteilungsnetzbetreiber (en: Distribution Service Operator, DSO)
Rollengruppe Netznutzer
� Erzeuger (en: Generator)
� Energienutzer (en: Consumer)
� Lieferant (en: Supplier)
Rollengruppe Energiemarktplatz
� Energiebörse (en: Energy Exchange)
� Bilanzkreisverantwortlicher (BKV, en: Balance Responsible Party)
� Bilanzkreiskoordinator (BKK, en: Balance Grid Coordinator, Balance
Responsible Party) analog zu Regelzonen-Verantwortlicher
(en: Control Area Manager)
� Abwicklungs- und Einigungsdienstleister (en: Clearing & Settlement)
� Energiehändler (en: Trader)
� Energielieferant (en: Supplier), im Sinne von Multi-Utility zu verstehen
(Strom, Wärme, Gas, Wasser)
Rollengruppe Technologien und Energiedienstleistungen
� Technologielieferant Elektrizitätsversorgungsanlagen
(en: Electric Power Grid Equipment)
� Technologielieferant Information- und Kommunikationstechnologie
(IKT) (en: Information Communication Technologies (ICT))
� Technologielieferant Haushaltsgeräte (en: Home Appliances)
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� Technologielieferant Gebäudeautomatisierung und Energie-
management (en: Building Automation / Energy Management)
� Technologielieferant elektrischer Transport und eMobile
(en: Electric Transport / Vehicle Solutions)
� Kommunikationsnetzbetreiber (en: Grid communications network
provider)
� Abrechnungsdienstleister (en: Metering and Billing)
� Systemrolle zur Erbringung von Zählerablese- und Abrechnungs-
dienstleistungen
� Messstellendienstleister (Abk: MDL; en: Metering point service
provider)
� Messstellenbetreiber (Abk: MSB; en: Metering point service operator)
� Energiedienstleister (en: Metering Energy service provider)
Rollengruppe Beeinflusser
Typ von Energierollen zur Gruppierung von weiteren den Energiemarkt
und das Energiesystem beeinflussenden Parteien wie Regulatoren,
Standardisierungskörperschaften, Regierungen und Finanzsektor
1.1 Ziel und Struktur des DokumentsDas Dokument soll Entscheidungsträgern sowie allen interessierten
Personen vor allem der drei betroffenen Sparten (Energieversorgung,
Automatisierung, Telekommunikation) als Grundlage für ein gemeinsa-
mes Verständnis dienen. Es soll bewusst machen, welche Anforderun-
gen aus der inzwischen dynamischen Entwicklung im Energiebereich
allgemein und im Besonderen für die beiden Sparten der Automati-
sierung und Telekommunikation er wachsen. Dazu werden neben dem
notwendigen Grundverständnis für das gegenwärtige und zukünftige
Energieversorgungssystem vor allem die Anforderungen adressiert, wie
sie aus den stattfindenden Veränderungen resultieren.
Im Kapitel Anforderungen werden sämtliche Aspekte thematisch grup-
piert angesprochen und im weiteren Verlauf anhand der abzusehenden
bzw. prognostizierten Entwicklungen und Veränderungen gespiegelt. Es
wurde ein generisches Modell aus den Analogien zwischen den Sparten
abgeleitet, um damit ein besseres, interdisziplinäres Verständnis zwi-
schen den funktional verschmelzenden Bereichen zu erreichen.
Anhand einer exemplarisch aufgezeigten Ausprägung einer Automa-
tisierung im Verteilungsnetz unter Berücksichtigung eines denkbaren
Architekturkonzepts wurde ein Modellierungsansatz auf Basis diverser
Use Cases skizziert. Ziel des Dokuments ist es nicht, eine bestimmte
Ausprägung herauszustellen oder gar einzufordern. Das Ziel ist die
Schärfung des Bewusstseins für die kommenden Herausforderungen
und das gemeinsame, prinzipielle Grundverständnis eines intelligenten
16 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
Energieversorgungs systems zu fördern – wie auch immer dieses letzt-
lich ausgeprägt sein mag.
Schließlich werden einige aussichtsreiche Protokolle diskutiert, welche
sich insbesondere für die Verwendung in intelligenten Netzen eignen,
ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Sicher ist, dass es
daneben weitere Protokolle peripherer Systeme geben wird, welche
zur Verknüpfung Gateways erforderlich machen. Exemplarisch werden
hierzu Möglichkeiten und Limitierungen bestehender Systeme erörtert
und anhand verschiedener Beispiele aufgezeigt.
Am Ende des Dokuments wird der Handlungsbedarf insbesondere im
Bereich der Standardisierung aufgegriffen und Empfehlungen werden
abgeleitet, um einen möglichst effizienten Weg zum Erreichen des
großen Ziels – eines effizienten, intelligenten, sicheren und hoch verfüg-
baren Gesamtsystems der Energieversorgung – zu gehen.
1.2 Zielstellungen für das Energiesystem der ZukunftDie aktuellen politischen Zielsetzungen wurden zuletzt im Energiekon-
zept der Bundesregierung am 28. September 2010 der Öffentlichkeit
vorgestellt und enthalten die Leitlinien [7], [11], [12], [13], [14]:
� Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke,
� Reserve- und Ausgleichskapazitäten durch Kohle- und Gaskraft-
werke,
� Offshore Windparks,
� Elektromobilität,
� Aus- und Umbau der Stromnetze sowie
� Reduzierung des Energieverbrauchs und Steigerung der Energieeffi-
zienz.
Die sehr kontroverse Diskussion zum Energiekonzept soll in diesem
Positionspapier nicht geführt werden, weshalb nachfolgend der aktu-
elle Inhalt nur zusammengefasst wird. Entscheidend für dieses Papier
ist der zukünftig hohe Anteil von Energiegewinnung aus erneuerbaren
Quellen sowie die zunehmend dezentrale Erzeugung, die mittels infor-
mationstechnischer Vernetzung und zunehmender Automatisierung
zu neuen Methoden der Netzführung im Verteilungsnetz und zu neuen
Marktmechanismen inklusive regionaler Prozesse und Leistungsange-
bote führt.
Die beschlossene Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken führt
zu folgender Situation. Verglichen mit den im Jahr 2000 vereinbarten
Betriebszeiten für Atomkraftwerke würden die Laufzeiten älterer Kraft-
werke um 8 Jahre und die der nach 1980 gebauten Kraftwerke um 14
Jahre verlängert. Damit würde der letzte Atommeiler statt 2021 erst
2035 vom Netz gehen. Diese Frist könnte sich nach Schätzungen um
weitere zwei bis fünf Jahre verlängern, da die Auslastung dieser Kraft-
werke wegen steigender Einspeisung regenerativer Energie ins Netz
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sinken würde und – da die Laufzeiten in Stromkontingente umgerech-
net werden – mehr Zeit verginge, bis diese Stromkontingente durch die
Atomkraftwerke produziert würden.
Insbesondere Gaskraftwerke und vielfältige Speichertechnologien
sollen dort flexibel eingesetzt werden, wo es gilt das schwankende
Angebot regenerativer Energien auszugleichen. Unklar ist momentan
unter welchen Bedingungen die CCS-Technologie und deren Einsatz
zur Abscheidung und Speicherung von in Kohlekraftwerken anfallen-
dem CO2 gefördert wird.
Der Anteil der erneuerbaren Energiequellen an der gesamten Energie-
versorgung soll sich laut Energiekonzept in den nächsten 10 Jahren auf
ungefähr 18% verdoppeln und bis 2050 auf 60% ansteigen. Die Strom-
erzeugung betreffend favorisiert die aktuelle Bundesregierung Off-
Shore Windparks vor der Küste (bis 2030 im Umfang von 25 Gigawatt,
welches ca. 10.000 Windrädern und einer Investitionssumme von 75
Milliarden Euro entspricht) [7]. Während für die Solarenergie nach 2020
nur noch ein langsamer Anstieg angenommen wird – wobei die ange-
setzte Wachstumsquote von vielen Fachleuten als zu pessimistisch
eingeschätzt wird – setzt die Bundesregierung verstärkt auf die Strom-
gewinnung durch Biomasse. Offen ist auch hier, in wieweit Land- und
Forstwirtschaft dies umsetzen können.
Während heute ein Neuwagen im Durchschnitt 160 Gramm CO2 pro
Kilometer produziert, fordert die Bundesregierung für 2040 die Redu-
zierung auf 35 Gramm. Der Weg dorthin soll über eine Million PKW mit
Elektroantrieb in 2020 und sechs Millionen in 2030 führen [7]. Rahmen-
bedingungen hierfür sind entsprechende Infrastrukturen der verteilten
Einspeisung von Energie, ihre Speicherung und Entnahme und die
damit verbundenen Abrechnungen.
Um die o.g Punkte umzusetzen, misst die Bundesregierung dem
Aus- und Umbau der Stromnetze höchste Bedeutung bei. Dazu gehö-
ren ein sicheres und leistungsstarkes Nord-Süd-(Overlay-)Netz, die
Entwicklung intelligenter Netze im Bereich der Verteilungsnetze, eine
verbesserte Anbindung an die Netze der europäischen Nachbarn und
der gebündelte Anschluss von Off-Shore Windparks. Für diese Vor-
haben können die Netzbetreiber mit finanzieller Unterstützung rech-
nen. Ein entscheidender Beitrag zur Netzstabilität ist die Entwicklung
neuer und die bessere Nutzung bestehender Speichertechnologien,
um Schwankungen in der regenerativen Stromerzeugung zu dämpfen.
Als erste Maßnahme werden bestehende Speicher vom doppelten
Netz nutzungs entgelt für den An- und Abtransport des Stromes beim
Zwischen speichern befreit.
Die größte Anstrengung ist jedoch mit dem Plan der Bundesregierung
verbunden, den Energieverbrauch bis 2050 auf 50% der Werte von
2008 zu reduzieren, wobei der Stromverbrauch – nicht zuletzt wegen
der Elektromobilität – um 25% reduziert werden soll. Damit folgt die
Bundesregierung der Empfehlung der Studie „Energieszenarien für ein
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Energiekonzept der Bundesregierung“ vorgelegt im September 2010
durch die Prognos AG, das EWI (Energiewirtschaftliches Institut an
der Universität zu Köln) und die GWS (Gesell schaft für Wirtschaftliche
Strukturforschung).
Abbildung 2 fasst die im weiteren beschriebenen Zielstellungen
zusammen.
Umwelt-verträglichkeit
Versorgungs-sicherheit
Wirtschaftlichkeit
Zukunftssäulen
• Reduzierung Kohlendioxidausstoß
• Wandel im Energiemix zu Erneuerbaren Energien (EE)
• Energieeinsparung und Erhöhung der Energieeffizienz
• Erhaltung der Versorgungssicherheit
VerteilteErzeugungmit EE und KWK
Energie-speicher
IntelligenteszellularesEnergie-system(Smart Grid)
DezentralesEnergie-managementund Energie-Marktplätze
• Neuer legislativer und regulatorischer Rahmen
• Neue Geschäftsmodelle mit neuen Dienstleistungen
• Anreizsysteme für Energiemarktakteure und Kunden
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versorgungssystem
1.2.1 UmweltverträglichkeitDas grundlegende Ziel besteht in der Verringerung des CO2-Ausstoßes,
im sorgsameren Umgang mit den begrenzten Ressourcen an fossi-
len Energieträgern sowie in vielfältigen Maßnahmen zur Erhöhung der
Energieeffizienz. Ein entsprechender Konsens hat sich weltweit entwi-
ckelt und wird mit entsprechenden politischen Rahmenbedingungen
versehen. Daraus ergibt sich als weitere Zielstellung der beschleunigte
Aufbau von Energiegewinnungsseinrichtungen zur Nutzung erneuer-
barer Energiequellen im neuen Energiemix. Dazu wird nachfolgend aus
dem „Position Paper on Smart Grids – An ERGEG Public Consultation
Paper“ [24] zitiert:
„In April 2009, EU adopted the Climate-Energy Legislative Package
(see references: [16] [17] [18] [19] [20] [21]) setting the following key
objectives to be achieved by 2020:
� Cutting greenhouse gas emissions by at least 20% with respect to
1990 (30% if other developed countries commit to comparable cuts);
� Increasing to 20% the share of renewable energies (wind, solar, bio-
mass, etc) in overall energy consumption (currently about 8.5%).
19 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
A third objective of the European energy policy was established by the
European Parliament in January 2008:
� Saving 20% of the projected energy consumption by improving
energy efficiency.
Consistently with these 20/20/20 objectives for 2020, more ambitious
objectives are being developed by the European Commission for
2050.“
Damit wird als erste Säule der zukünftigen Energiewirtschaft die Ener-
giegewinnung zur Nutzung aller Potentiale über einerseits zentrale und
verteilte Anlagen auf der Hochspannungsebene des Übertragungsnet-
zes (z.B. on-/off-shore Wind, großflächige Sonnenenergieanlagen), aber
anderseits auch über verteilte Anlagen auf der Mittelspannungsebene
des Verteilungsnetzes bis hin zur Kleinanlagen aus lokalen Energie-
potentialen auf Freiflächen und Gebäuden auf der Niederspannungs-
ebene im Verteilungsnetz definiert.
Die zunehmende verteilte Energiegewinnung aus erneuerbaren Energie-
quellen ist mit der Tatsache verbunden, dass das zukünftige Energie-
angebot schwankender und weniger steuerbar als bisher zur Verfügung
steht. Dies trifft insbesondere für Sonne und Wind zu, wobei bei Groß-
anlagen erschwerend die Tatsache hinzu kommt, dass deren Installa-
tionsort von den Lastzentren oft weit entfernt liegt. Um dem Energie-
versorgungssystem der Zukunft die Fähigkeit zu geben, mit diesem
schwankenden Angebot umgehen zu können, folgt als zweite Säule
der zukünftigen Energiewirtschaft der breite Aufbau von Anlagen zur
zentralen und dezentralen Speicherung von Energie mittels elektrischer,
elektrochemischer, mechanischer und thermischer Technologien.
Der Energiehunger der Welt wächst kontinuierlich. Damit besteht das
weitere Ziel im Rahmen des Themenschwerpunktes Umweltverträglich-
keit im energiepolitischen Dreieck darin, Energie einzusparen und die
Energieeffizienz über die gesamte Wertschöpfungskette mit allen Rollen
im Energiemarkt und zum Betrieb der Energieversorgungsnetze bis hin
zum Netznutzer als Energienutzer und als Energieanbieter zu erhöhen.
Maßnahmen dafür streben einerseits Änderungen im Kundenverhalten
an. Anderseits sind dafür aber die Verluste bei der Energieumwandlung
sowie beim Transport zu verringern. Die Verringerung von Transport-
verlusten kann damit erreicht werden, dass Anreize gesetzt werden, die
dezentrale Generierung nahe am Verbrauchsort zu errichten und auch
durch preisliche Anreize umgewandelte Energie in Form von Strom und
Wärme nahe am Umwandlungsort zu verbrauchen. Als weitere Säule
der zukünftigen Energiewirtschaft wird deshalb das Energiemanage-
ment mit lokalen, aber auch erzeugungsart- und auf Lieferprodukte
bezogene Bilanzkreise definiert. In dieses dezentrale Energiemanage-
ment wird der Prosumer in Vereinigung der Rollen des Erzeugers und
des Energienutzers (Producer + Consumer) über auch lokal agierende
Energiemarktplätze eingebunden. Möglichkeiten zur stärkeren Verbin-
20 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
dung von Energielieferung und Energiedienstleistung werden damit
geschaffen. Dies eröffnet die Möglichkeit vielfältige neue Energiedienste
anzubieten, die in Verbindung von Smart Grid und dem Smart Home
ein gesamthaftes Gebäude-Energiemanagement umfassen sowie die
Verbindung mit anderen Lebensbereichen erlauben. Diese Entwicklung
ermöglicht es, den Energienutzer als energetisch aktiven und eigen-
ständig handelnden Teilnehmer im Energiemarkt zu etablieren. Die
intelligente Vernetzung aller physischen Komponenten im Energiever-
sorgungsnetzwerk zum Smart Grid bietet die Gelegenheit auch spar-
tenübergreifend die Energieeffizienz zu steigern, insbesondere in der
Verbindung von Strom und Wärme bzw. Kälte.
1.2.2 VersorgungssicherheitNicht zuletzt gilt es unter den neuen Bedingungen die Versorgungs-
sicherheit zu erhalten. Mit der fortschreitenden Nutzung erneuerbarer
Energien durch dezentrale Anlagen im Verteilungsnetz sowie Stromer-
zeugung in kleinen Erzeugungseinheiten auf der Seite des Netznutzers
im Niederspannungsbereich entwickelt sich ein bidirektionaler Ener-
giefluss zwischen Übertragungsnetz und Verteilungsnetz, aber auch
zwischen Verteilungsnetz und Netznutzerobjekten mit wechselnden
Lastflüssen. Die Einbeziehung der Anlagen und Verbraucher im Nie-
derspannungsbereich zur Steuerung dieser Lastflüsse führt zu einer
starken Zunahme von Komplexität. Zu hohe Komplexität kann zum
Verlust von Steuerbarkeit über zentrale Leitstände und zentral gesteu-
erte Bilanzkreise führen.
Die Reduktion von Komplexität kann durch autonomiefähige, selbst
organisierende, aber gleichzeitig zum Gesamtsystem verbundene
Strukturen, die intelligent und synergetisch handeln, erreicht werden.
Aktuell sind dabei hierarchische und netzwerkartige Verbindungsan-
sätze der autonomen Steuerungsstrukturen für ein dezentrales Ener-
giemanagement in selbst organisierenden Strukturen bekannt, die
im Sinne einer hohen Synergie im Gesamtsystem, aber immer von
Rahmenbedingungen aus zentralen Netzführungsinstanzen ausge-
hen. Gemeinsam ist den verschiedenen Ansätzen der Gedanke eines
dezentraleren Energiemanagements mit Regelkreisen in regionalen
Strukturen zur Ergänzung zentraler Steuerungsmaßnahmen. Damit
entsteht ein intelligentes Energieversorgungssystem (Smart Grid) als
weitere Säule der zukünftigen Energiewirtschaft (siehe Abbildung 2) auf
Grundlage einer verteilten und dezentralen Automatisierungslösung.
Die Beherrschung der zunehmenden Komplexität bei der Steuerung der
Niederspannungsebene durch die wechselnden Stromflüsse bei hohem
Anteil dezentraler Erzeugung mittels eigenständiger, aber verbundener
Regelkreise soll zusätzlich die Verfügbarkeit des Energiesystems bei
ausfallenden Teilbereichen erhöhen, im Gegensatz zu zentral geführten
Systemen mit großflächigen Ausfällen des Energiesystems bei Ausfäl-
len zentraler Erzeugungsanlagen oder Netzführungssystemen. Hier-
21 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
bei wird die Analogie zur Kommunikation mittels Internetinfrastruktur
im Vergleich zu zentral geführten Kommunikations systemen genutzt.
Damit soll ein Beitrag zur Erhöhung der Versorgungssicherheit geleistet
werden, da durch zellulare Ansätze in eigenständigen Regelkreisen und
dezentral verteilte Automatisierungslösungen Netzbereiche zumindest
temporär aufrecht erhalten werden sollen, wenn angrenzende Berei-
che ausgefallen sind. Die Versorgungssicherheit würde mit derartig
verteilten Strukturen unter Annahme einer hohen Funktionssicherheit
aber ebenso durch eine geringere Abhängigkeit von wenigen zentra-
len Energiequellen durch die oben ausgeführte verteilte Erzeugung auf
Grundlage vielfältiger Quellen erhöht werden können.
1.2.3 WirtschaftlichkeitDer zuvor begründete, notwendige Umbau des Energieversorgungs-
netzwerks kann nur gelingen, wenn volks- und betriebswirtschaftlich
erfolgreiche Marktszenarien geschaffen und abgebildet werden können.
Damit wird der dritte Themenbereich Wirtschaftlichkeit im energie-
politischen Dreieck angesprochen. Dies führt zu folgenden weiteren
Zielstellungen beim Umbau des Energieversorgungsnetzwerks. Erstens
besteht die Aufgabe, die notwendigen Veränderungen im legislati-
ven und regulatorischen Rahmen zu definieren, um die Einbeziehung
des Energienutzers in die Funktion des intelligenten Energiesystems
mit einer bidirektionalen Kommunikation zwischen den Akteuren im
Energie markt über den Energiemarktplatz und den Akteuren der Netz-
führung zu ermöglichen.
Neue Marktszenarien mit neuen Geschäftsfällen der Akteure der ener-
giewirtschaftlichen Wertschöpfungskette unter den Bedingungen eines
neuartigen intelligenten Energieversorgungssystems (Smart Grid) mit
dezentraler Energiegewinnung, Speicherung und dezentralem Energie-
management sind zu definieren. Dies führt zu neuen Geschäftsmodel-
len, Produkten und Anwendungs fällen als funktionale Bausteine. Für
diese Anwendungsfälle sind Systemrollen und Verantwortlichkeiten
festzulegen.
Um die Kommunikation zwischen den Anwendungsfällen im Umfeld
eines liberalisierten Marktes, eine Verbindung der dezentralen Auto-
matisierungsebene mit dem Energiemarktplatz, die Einbindung von
Geräten beim Energienutzer, sowie die diskriminierungsfreie Teilnahme
aller Marktteilnehmer zu ermöglichen, steigen die Anforderungen an die
standardisierte Kommunikation. Entsprechend stellt die Teilnahme an
den Prozessen zur Standardisierung einen Schwerpunkt in der Ent-
wicklung des Smart Grids dar.
Der Übergang zu einem neuen, intelligenten Energiesystem (Smart
energy system) als Verbindung vom intelligenten Energieversorgungs-
system und intelligenten Energiediensten erfordert die Beteiligung aller
Marktpartner. Insoweit ist diese Herausforderung nicht durch einen
Bereich der Wertschöpfungskette (z.B. Lieferant oder Verteilungsnetz-
22 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
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betreiber) allein zu bewältigen. Erforderlich sind weiterhin motivierende
Faktoren für den Energienutzer, sich in neuer Weise in das Energie-
versorgungssystem zu integrieren. Die Zielstellung besteht also darin,
Anreizsysteme für die Akteure im Energiemarkt und der Netzführung
bis hin zum Energienutzer zu definieren. Dies kann insbesondere bei
der Systemrolle Verteilungsnetzbetreiber auch mit der Veränderung des
regulatorischen Rahmens verbunden sein. Insbesondere bei Energie-
nutzern sind unterschiedlichste wirtschaftliche und psychologische
Anreize zu untersuchen.
Während die notwendigen legislativen und regulatorischen Verände-
rungen mehr aus Sicht der Schwerpunktthemen Umweltverträglichkeit
und Versorgungssicherheit heraus definiert werden, lenkt das Schwer-
punktthema Wirtschaftlichkeit die Aufmerksamkeit mehr auf Geschäfts-
modelle, aber insbesondere auch durch Anreizsysteme auf die kunden-
zentrische Sicht im Interessenumfeld eines mehr eigenverantwortlichen
und individuellen Umganges mit dem Thema Energie.
23 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
2 Anforderungen
Das Energieversorgungssystem muss aufgrund sich ändernder Rah-
menbedingungen stark angepasst werden. Der folgende Unterabschnitt
geht zuerst auf generelle Anforderungen ein, die sowohl für das beste-
hende als auch für zukünftige Versorgungssysteme gelten werden.
Gemeint sind hier insbesondere Anforderungen aus der Außensicht
auf die Versorgungssysteme – also solche Anforderungen, die Versor-
gungssysteme ihren Nutzern gegenüber erfüllen müssen.
Anschließend werden im Unterabschnitt 2.2 die Klassen von Sicher-
heitsanforderungen skizziert, die nur auf Grundlage der jeweiligen gene-
rellen Anforderungen abgeleitet werden können – aber auch müssen,
um die generellen Anforderungen tatsächlich einhalten zu können.
Unterabschnitt 2.3 „Neue Anforderungen aus Netzsicht“ geht anhand
wichtiger Beispielen auf die konkreten Anforderungen ein, die sich
innerhalb der neu zu gestaltenden Versorgungssysteme ergeben.
Aus den oben genannten Unterabschnitten werden allgemeine Anfor-
derungen an Informations- und Kommunikationstechnologie ab geleitet
(Unterabschnitt 2.4), bevor in den folgenden beiden Unterabschnitten
für die weitere Konkretisierung der Anforderungen notwendigen Begriffe
Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit, Funktionssicherheit, Fehlertoleranz ein-
geführt (Unterabschnitt 2.5) und Aussagen gemacht werden zu „Erfor-
derliche Kenngrößen und Mengengerüst“ (Unterabschnitt 2.6).
2.1 Allgemeine Anforderungen an das Energieversorgungssystem
Die Hintergründe für die Notwendigkeit zur Anpassung des Energiever-
sorgungssystems sind bekannt oder werden in diesem Positionspapier
erläutert. Unabhängig vom Anpassungszwang bestehen grundlegende
Anforderungen weiter, die bereits an das bestehende Energiever-
sorgungssystem gestellt werden, aber auch zu jedem Zeitpunkt des
Anpassungsprozesses weiter eingehalten werden müssen.
Diese Anforderungen gelten insbesondere aus der Außensicht auf
das Energieversorgungssystem – sind also solche Anforderungen, die
Nutzer an Versorgungssysteme stellen – sowohl für den Betrieb unter
Normalbedingungen als auch in Krisensituationen.
2.1.1 Versorgungssicherheit, Graceful Degradation und Schwarzstartfähigkeit
Weitgehend unabhängig von der Notwendigkeit zur Anpassung der
Energieversorgung bestehen diejenigen allgemeinen grundlegenden
Anforderungen an die Versorgungssysteme weiter, die sich aus deren
Bedeutung für Wirtschaft und Gemeinwesen ableiten.
24 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
Unmittelbar und wohl anderen allgemeinen Anforderungen übergeord-
net besteht die zwingende Notwendigkeit, die Versorgungssicherheit
der Versorgungssysteme auf dem heute gegebenen, sehr hohen Niveau
aufrecht zu erhalten. Je nach Entwicklung der Abhängigkeit anderer für
das Gemeinwesen kritischer Infrastrukturen von der Elektrizitätsversor-
gung – ggf. auch mittelbar über die Abhängigkeit von IKT-Diensten –
wird die zu fordernde Versorgungssicherheit sogar noch erhöht werden
müssen.
Konkretere Anforderungen an bestehende oder neu einzurichtende
(Teil-)Prozesse und (Teil-)Infrastrukturen leiten sich dabei einerseits
aus deren unmittelbarer Bedeutung für einzelne Nutzer, für Betreiber,
Wirtschaft oder auch das Gemeinwesen insgesamt ab. Andererseits
müssen für die Anforderungen an einzelne Prozesse und deren Infra-
strukturen auch deren Wechselwirkung mit anderen Prozessen und
Prozess-Infrastrukturen berücksichtigt werden.
Mechanismen zur Aufrechterhaltung der unverzichtbaren Kernfunktio-
nalität der Versorgungssysteme in Krisenlagen („Graceful Degradation“)
und zu deren schnellstmöglicher Wiederherstellung nach Totalausfällen
müssen hier zwingend berücksichtigt werden. Beispielsweise bleibt
die Schwarzstartfähigkeit der Elektrizitätsversorgung und die dazu
benötigte Schwarzfallfestigkeit der für den Schwarzstart notwendigen
Systeme und Kommunikationswege eine unverzichtbare Anforderung.
2.1.2 Robustheit und ResilienzDie Entwicklung hin zu intelligenten Versorgungssystemen wird
zwangsläufig zu deutlich komplexeren Infrastrukturen führen, als sie
heute bestehen. Allein aufgrund der zunehmenden Komplexität müssen
die einzelnen Teilinfrastrukturen ggf. sehr robust und resilient ausgelegt
werden, um die Robustheit des Gesamtsystems nicht zu gefährden.
Zumindest dürfen ggf. bewusst minder robust ausgelegte Teilsysteme
die notwendige Resilienz des Gesamtsystems nicht gefährden. Dies
kann z.B. durch eine geeignete Gestaltung der Abhängigkeiten und
Wechselwirkungsmöglichkeiten in der Gesamtarchitektur sichergestellt
werden.
Um die notwendige Versorgungssicherheit – also den robusten und
resili enten Betrieb der Versorgungssysteme – aufrecht erhalten zu
können, müssen insbesondere die notwendigen Sicherheitsanforde-
rungen für die jeweiligen Teilprozesse und -infrastrukturen sorgfältig
ermittelt und eingehalten werden. Dabei sind verschiedene Ebenen und
Blick winkel auf die Sicherheit zu berücksichtigen.
25 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
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2.2 SicherheitsanforderungenSicherheitsanforderungen sind kein Selbstzweck. Vielmehr ergeben
sich diese aus den allgemeinen Anforderungen an Prozesse, Infrastruk-
turen etc. Unglücklicherweise wird der Begriff „Sicherheit“ im Deut-
schen mit verschiedenen Bedeutungen verwendet. Grob zusammenge-
fasst wird der Begriff „Sicherheit“ häufig in den Bedeutungen „Sicher-
heit vor Angriffen“ (engl.: „Security“) und „Betriebssicherheit“ (engl.:
„Safety“) gebraucht. Datenschutzaspekte (engl: „Privacy“) werden ggf.
unter den Teilbegriff IT-Sicherheit eingeordnet – oder sind zusätzlich
eigenständig zu behandeln. Verfügbarkeitsaspekte sowie die Sicherheit
vor technischem und menschlichem Versagen werden zudem oft nur
aus einer der oben genannten spezifischen Perspektiven behandelt
und müssen für intelligente Versorgungssysteme daher ggf. gesondert
betrachtet werden.
Neben der Berücksichtigung der physischen und informationstech-
nischen Sicherheitsanforderungen müssen zudem Anforderungen an
die „prozessimmanente“ Sicherheit gestellt werden. Ein Prozess, der
schon von seiner fachlichen Anlage her in sich unsicher ist, ist durch
physische oder informationstechnische Sicherheitsmaßnahmen kaum
noch zu sichern.
2.2.1 Sicherheit vor Angriffen („Security“)Zu unterscheiden ist zwischen Sicherheit vor physischen Angriffen,
Angriffen auf der Prozessebene und auf der informationstechnischen
Ebene. Die Sicherheit vor physischen Angriffen darf gerade für Versor-
gungsnetze nicht vernachlässigt werden, wird aber im Rahmen dieses
Papiers nur berücksichtigt, wo Wechselwirkungen zwischen physischer
Sicherheit und eingesetzten informationstechnischen Systemen zu
beachten sind.
Sicherheitsanforderungen auf Prozessebene stellen sich insbesondere
beim Entwurf und der Implementierung neuer Prozesse und Prozess-
infrastrukturen. Insbesondere müssen Prozesse fachlich so angelegt
werden, dass auf der Prozessebene keine „prozessimmanenten“
Sicherheitslücken bestehen, da diese auf physischer oder informations-
technischer Ebene kaum wirtschaftlich vertretbar geschlossen werden
können.
Auch auf informationstechnischer Ebene muss die Sicherheit der
zukünftigen Versorgungsinfrastrukturen zu jeder Zeit gewährleistet
werden. Auch die zu stellenden IT-Sicherheitsanforderungen sind stark
vom jeweils betrachteten Prozess und dessen Prozessinfrastrukturen
abhängig. Einen ersten Ansatzpunkt zur Ermittlung informationstech-
nischer Sicherheitsanforderungen eines geplanten Prozesses können
ggf. die BSI-Standards 100-1 bis 100-4 zum IT-Grundschutz bieten.
Dabei sollten die Anforderungen des Prozesses an die Verfügbarkeit der
verwendeten Kommunikationsschicht frühzeitig berücksichtigt werden
– auch und gerade für den Weiterbetrieb in Krisensituationen.
26 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
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2.2.2 Betriebssicherheit („Safety“)Bei der Steuerung physischer Prozesse müssen Anforderungen der
Betriebssicherheit bzw. Safety mit berücksichtigt werden. Betriebs-
sicherheit – insbesondere unter dem Fachterminus Safety – dient zur
Beherrschung anlagenspezifischer Gefahren für Menschen, Umwelt
und Prozessinfrastrukturen. Dabei müssen diese Gefahren selbst dann
beherrscht werden, wenn steuerungstechnische Fehler auftreten oder
Anlagen gar bewusst fehlgesteuert werden. Den Safety-Anforderungen
ist aber unter Umständen schon genüge getan, wenn der betroffene
Prozess zum Halt kommt, ggf. sogar unter Inkaufnahme von Schäden
im Prozess und in Anlagen. Ein einfaches Beispiel für Safety-Einrichtun-
gen sind elektrische Sicherungen.
Auch im Kontext des Positionspapiers sind Safety-Aspekte von Bedeu-
tung. Einerseits dürfen unverzichtbare Funktionalitäten der immer mehr
auch informationstechnisch implementierten Safety-Mechanismen
nicht durch wie auch immer geartete informationstechnische Probleme
beeinträchtigt werden können. Zum anderen werden in den komplexer
werdenden Versorgungsinfrastrukturen ggf. auch zusätzliche, stark IKT-
gestützte und verteilte Safety-Mechanismen eingeführt werden müssen.
2.2.3 Verfügbarkeit, Sicherheit vor technischem und menschlichem Versagen
In der IT-Sicherheit gehört die (jeweils notwendige) Verfügbarkeit
grundsätzlich zu den übergeordneten Schutzzielen der IT-Sicherheit
(vgl. IT-Grundschutz, BSI). Bei den allgemeineren, oben angesproche-
nen Begriffsverwendungen („security“, „safety“) ist die vollumfängliche
Berücksichtigung von Verfügbarkeitsaspekten mit dem Primärziel der
Aufrechterhaltung des betroffenen Prozesses oft nicht oder nur am
Rande gemeint. Um das Risiko von Missverständnissen auszuschlie-
ßen, muss bei der Betrachtung der zukünftigen ganzheitlichen, intel-
ligenten Versorgungssysteme explizit sichergestellt werden, dass alle
relevanten Anforderungen an die Verfügbarkeit von Komponenten, Teil-
und Gesamtsystemen wie auch alle Aspekte der Sicherheit vor techni-
schem und menschlichem Versagen berücksichtigt werden.
2.3 Neue Anforderungen aus NetzsichtIn konventionellen Versorgungssystemen, bei denen Leistung auf den
oberen Spannungsebenen eingespeist, dort transportiert und dann zu
den Verbrauchern verteilt wird, sind Leistungsflüsse in der Regel von
oben nach unten gerichtet (von höheren zu niedrigeren Spannungsebe-
nen). Die Leitungskapazitäten der zumeist strahlenförmig betriebenen
Niederspannungsnetze (und der teilvermaschten Mittelspannungsnetze)
sind entsprechend für eine Worst-Case-Auslastung ausgelegt, die sich
an einem gleichzeitigen Maximalverbrauch aller angeschlossenen Ver-
27 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
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braucher mit ihrer Nennanschlussleistung unter Berücksichtigung von
Gleichzeitigkeitsfaktoren1 (oder auch Bedarfsfaktoren) [50] orientiert.
Durch diese Dimensionierung auf maximal zu erwartende Belastungs-
situationen (Planungsgrundlage) konventioneller Verteilungsnetze war
es bislang nicht erforderlich, derart ausgelegte Netzabschnitte aktiv
zu beobachten und entsprechende Netzebenen messtechnisch zu
überwachen. Während der Netzzustand in den Hoch- und Höchstspan-
nungsnetzen durchgängig erfasst wird, werden die Niederspannungs-
netze praktisch nicht in die Überwachung mit einbezogen (siehe Abbil-
dung 3) [34].
Mit der zunehmenden Integration von dezentraler Einspeisung in die
Versorgungsnetze treten jedoch vermehrt Einflüsse auf, die den bishe-
rigen Flussrichtungen entgegen gerichtet sind und diese im Extremfall
sogar umkehren können. Damit können bislang vor Überlast sichere
Leitungen überlastet werden. Diese Überlasten bleiben in den bisher
unüberwachten Netzen unerkannt und können so zu Fehlverhalten und
Schäden an der Primär- und Sekundärtechnik2 sowie den versorgten
Lasten führen. Für einen stabilen Betrieb dezentraler Energiegewin-
nungsanlagen sind daher geeignete Verfahren und Methoden zu entwi-
ckeln, mit denen solche betrieblichen sowie die Stabilität betreffenden
Probleme vermieden werden können.
Übliche mathematische Verfahren wie die State Estimation, mit denen
in den Hoch- und Höchstspannungsnetzen aus den überwachten Netz-
eigenschaften der Betriebszustand berechnet wird, können aufgrund
der fehlenden Durchdringung und Art der messtechnischen Erfassung
in den Verteilungsnetzen der Mittel- und Niederspannungsebene nicht
angewendet werden. Es ist darüber hinaus aufgrund der hohen hiermit
verbundenen Kosten auch nicht zu erwarten, dass in naher Zukunft in
den Verteilungsnetzen eine ähnliche Dichte an vergleichbaren mess-
technischen Einrichtungen verfügbar sein wird.
1 Der Gleichzeitigkeitsfaktor berücksichtigt die Tatsache, dass Anschlüsse eines elektrischen Netzes nie gleichzeitig mit ihrer Maxi-malleistung verwendet werden. Der Gleichzeitigkeits-faktor stützt sich dabei auf empirische Werte und gilt lediglich als Richtwert [50]. Es gilt: Pmax = g · Pinst, hierbei ist Pmax die erwartete maximale Leistung, Pinst die installierte Anschlussleistung und g der Gleich-zeitigkeitsfaktor.
2 Im Umfeld elektrischer Energieversorgungssysteme wird zwischen Primärtechnik (Transfor-matoren, Kabel, Schalter etc.) und Sekundärtechnik unterschieden. Die Sekundärtechnik umfasst das Messen, Steuern und den Betrieb von Energieversorgungssystemen bis hin zu Funktionen, die den Energiemarkt betreffen.
28 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
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i.d.R nichtMesstechnischerfasst
messtechnischerfasst
380kV
220kV
110kV
10/20kV
400V
Abbildung 3: Hierarchische Struktur des elektrischen �nergieversorgungsnet�es
Eine mögliche Messinfrastruktur in den Netzen der Niederspannungs-
ebene bilden Smart Meter, die Wirk- und Blindleistung sowie ggf.
weitere Größen an den Messstellen erfassen. Eine Betriebszustands-
überwachung der Verteilungsnetze auf Basis von Smart Metern muss
in der Lage sein, die erfassten Werte je nach Priorität nahe Echtzeit
in zustandsrelevante Betriebsgrößen umzuwandeln, die z.B. für eine
Bewertung von verfügbaren Leitungskapazitäten notwendig sind. Zu
den Betriebsgrößen mit hoher Priorität gehören Frequenz, Ströme
und Spannungen, während die Erfassung von Flicker, Harmonischen,
THD (Total Harmonic Distortion) zu den Betriebsgrößen mit gerin-
gerer Priorität zählen. Für letztere weniger zeitkritische Effekte sind
aktuelle Werte im Minutenbereich i.d.R. ausreichend. Darüber hinaus
muss die Betriebszustandsüberwachung eine Vielzahl unterschiedli-
cher elektrotechnischer Größen einbeziehen können, sich einfach an
eine geänderte Konfiguration der Messpunkte anpassen lassen sowie
möglichst robust auch im Fall eines, aufgrund zu weniger Information,
nicht eindeutig bestimmbaren Netzzustandes zuverlässig funktionieren.
Die Robustheit lässt sich im Vorfeld teilweise dadurch erreichen, dass
für fehlende Größen Defaultwerte oder die letzten bekannten, regulären
Werte gesetzt werden und so den Algorithmen einer Netzzustands-
überwachung weitere Berechnungen ermöglichen. Für Komponenten
wie dezentrale Energiegewinnungsanlagen oder energienutzende
Geräte kann dies bedeuten, dass sie ein vorab festgelegtes Limit nicht
29 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
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überschreiten dürfen oder eine autarke Regelung in Abhängigkeit der
vorherrschenden Frequenz und Spannung einsetzen müssen.
2.3.1 Starke Beeinflussung der Lastflüsse in VerteilungsnetzenNeben möglichen Überlastungen von Freileitungen und Kabeln durch
Lastverschiebungen kommt es zu Netzrückwirkungen wie Spannungs-
bandverletzung, Flicker und Harmonische bzw. THD, wobei der Haltung
des Spannungsbands hierunter die wichtigste Bedeutung zukommt.
Für den Bereich der Spannungsbandverletzung sind primär die typisch
sternförmig ausgeprägten Niederspannungsnetze in Kombination hoher
Lasten bzw. Einspeisung ursächlich.
Bezüglich der Ausprägung von einzelnen Harmonischen sowie des
THD ist festzustellen: Die Tendenz, vorwiegend im dezentralen Bereich
Leistungen statt mit Generatoren nun mit Hilfe der Leistungselektronik
einzuspeisen sowie die Abnahme von konventionellen Glühlampen zu
Gunsten ebenfalls leistungselektronisch basierter Leuchtmittel, führt
vermehrt zur Einbringung von Harmonischen in das Netz und kann
somit zur Überschreitung tolerierter Schwellwerte beitragen. Während
inzwischen für neue Produkte ein quasi neutrales Netzverhalten einge-
fordert wird, sind viele ältere Komponenten weiterhin in Betrieb. Zudem
sinkt durch den Wegfall von Generatoren und konventionellen Glühlam-
pen sukzessive die Dämpfung.
Inzwischen sind moderne Wechselrichter und Umrichter in der Lage
innerhalb ihrer Betriebsgrenzen beinahe jeden gewünschten Span-
nungs- und Stromverlauf zu fahren. Gelingt es, durch moderne IKT die
betriebsrelevanten Parameter an den verschiedenen Orten zu erfassen,
auszuwerten und geeigneten Komponenten als Steuerungs- und Rege-
lungsinformationen zeitnah zur Verfügung zu stellen, so ließe sich ein
Teil der unvermeidlichen oder zugelassenen Netzrückwirkungen weiter
kompensieren. Insbesondere was die Blindleistung im Netz angeht,
besteht ein großes Potenzial darin, die angeschlossenen Wechselrichter
oder Umrichter dahingehend zu verwenden, dass sie das gewünschte
Maß an Blindleistung bereit stellen und auf diesem Wege der Span-
nungshaltung dienen. Dies stellt gegenwärtig in den Niederspannungs-
strängen des Öfteren eine Herausforderung dar. Die gesamte Kom-
munikation muss dabei nicht in Echtzeit erfolgen. Es reicht in aller
Regel ein Bereich von einigen Sekunden bis zu wenigen Minuten aus,
um eine vorhandene quasi-stationäre Grundbelastung reduzieren zu
können. Ebenso verhält es sich bei den Harmonischen und THD. Die
Summe der Beiträge zu den einzelnen Harmonischen ist ebenfalls in
den meisten Fällen nur mit einer geringen Dynamik veränderlich. Somit
bietet sich auch hier die Möglichkeit durch eine gezielte Beeinflussung
intelligenter leistungselektronischer Komponenten dämpfend auf den
vorhandenen Gesamtbeitrag einzuwirken. Für Flicker ist diese Möglich-
keit nicht gegeben, da hier der gegenphasig zu fahrende Signalverlauf
individuell ist und somit eine dem Effekt folgende Echtzeitführungs-
30 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
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größe notwendig wäre. In die Zukunft gerichtet ist es sinnvoll, die
bestehenden Netzrückwirkungspegel dem Stand der Technik und den
Möglichkeiten entsprechend weiter zu reduzieren und von solchen
Komponenten, welche aktiv zur Reduzierung von Netzrückwirkungen
beitragen können, eine Schnittstelle zur Kommunikation einzufordern,
welche ab einer noch zu definierenden Leistungsklasse die aktive
Verbesserung der Spannungsqualität erlaubt. Teilweise können die
Komponenten auch autark arbeiten, sofern eine geeignete Mess- und
Auswerteeinheit zum Erkennen der Netzrückwirkungen vorhanden ist.
Stabiler ist jedoch sicherlich die von einem intelligenten Netz-Controller
aufbereitete Führungsgröße, die von den Komponenten für die aktive
Steuerung berücksichtigt wird. Wichtig ist für die Umsetzung der auf-
gezeigten Synergieeffekte, dass Anforderungen frühzeitig in die tech-
nischen Anschlussbedingungen zum Anschluss von Komponenten an
das Netz Einzug finden.
2.3.2 Anforderungen an die Sekundärtechnik zur Überwachung der Verteilungsnetze
Die Prozesse der Schutz- und Leittechnik, die den Systembetrieb
wirtschaftlich-technisch optimieren und insbesondere störungssicher
machen sollen, bilden einen zentralen Bestandteil der Sekundär-
technik. Besondere Anforderungen an die Schutz- und Leittechnik
sind dabei die systemweite Überwachung von Netzen großer räumli-
cher Ausdehnung (z.B. das europäische (Verbund-) Netzgebiet) oder
Reaktionen und Prozessabläufe in kürzesten zeitlichen Intervallen
(im Millisekunden bereich) bei auftretenden Störungen. Wesentlich ist
hierbei die Forderung nach größtmöglicher Selektivität, was bedeutet,
dass der Schutz eine Störung durch eine möglichst minimale, lokal
beschränkte Versorgungsunterbrechung unter Berücksichtigung des
n-1 Planungsprinzips beseitigt. Während in den Verteilungsnetzen der
Mittelspannungsebene bereits dezentrale Schutz- und Leittechnik auf
Basis von IEC 61850 oder IEC 80670-5 zum Einsatz kommt, wird in den
Niederspannungsnetzen bislang – wenn überhaupt – mit proprietären
(zumeist nicht interoperablen) und auf einzelne spezielle Anwendungs-
fälle hin entwickelten teuren Lösungen gearbeitet.
Mit steigender Zahl dezentraler Energiegewinnungsanlagen (DEA) muss
zwangsläufig die Anzahl aktiver schutz- und leittechnischer Komponen-
ten steigen, die auf Seiten der DEA, aber auch innerhalb der bestehen-
den Netzinfrastruktur installiert werden, um notwendige Schutz- und
Steuerungsfunktionen für die Versorgungssicherheit in den Netzen
weiterhin auf dem derzeitigen Niveau zu gewährleisten.
DEA in Niederspannungsverteilungsnetzen – in erster Linie Photo-
voltaikanlagen – müssen zurzeit Schutzfunktionen einsetzen, die mit
Prüfströmen bestimmte Eigenschaften des Netzes bestimmen (z.B. die
Impedanzüberwachung zur Inselnetzerkennung). Diese aktiven Funktio-
nen führen jedoch zu erheblichen Netzrückwirkungen. Folglich können
31 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
sich benachbarte Anlagen dabei gegenseitig derart stören, dass die
Fehler nicht mehr korrekt erfasst werden und es sowohl zu Schutzüber-
als auch -unterfunktionen kommen kann. Damit diese Problemstellung
nicht zu einem Engpass bei dem Ausbau regenerativer Energien wird,
müssen neue Schutzfunktionen realisiert werden, die einer sicheren,
performanten und skalierbaren Kommunikationsinfrastruktur bedürfen.
In den Verteilungsnetzen der Mittelspannung erfordert der Zuwachs an
DEA, deren Einspeisung oftmals fluktuierend und nur mit begrenzter
Genauigkeit prognostizierbar ist, eine kontinuierliche Neubewertung der
Prozesssteuerung und Schutztechnik zugrunde liegenden Netzmodelle
und -parameter. Getrieben werden diese Änderungen im Wesentlichen
durch den Ausbau von Photovoltaikanlagen, aber auch durch den Zu-
bzw. Ausbau von Windkraftanlagen und Blockheizkraftwerken größerer
Leistung. Einen ebenfalls wesentlichen Einfluss wird die zu erwartende
Integration von Elektromobilität haben. Ein weiterer zu beachtender
Punkt ist die Entwicklung der Kurzschlussleistungen in den Verteilungs-
netzen. Während in der Vergangenheit eine nahezu konstante Kurz-
schlussleistung und ein gerichteter Lastfluss von den höheren zu den
niedrigeren Spannungsebenen als Berechnungsgrundlage für die Para-
metrierung der Schutzgeräte in den Schaltanlagen (z.B. Überstrom-
Zeit-Schutz) dienten, müssen neuartige Schutzfunktionen angepasst
auf hochdynamische Betriebssituationen reagieren. Eine Kommunika-
tion und Koordination zwischen sekundärtechnischen Komponenten
ist hier unbedingt erforderlich, um eine größtmögliche Selektivität zu
gewährleisten und somit ein hohes Maß an Versorgungssicherheit zu
erreichen.
Die Anzahl an Elektrofahrzeugen in Deutschland ist derzeit noch gering
und stellt keine nennenswerte Belastung des elektrischen Versorgungs-
netzes dar. Es ist aber davon auszugehen, dass diese Fahrzeuge mit-
telfristig einen nennenswerten Teil des Fahrzeugbestandes ausmachen
und damit eine hohe zusätzliche Belastung der Verteilungsnetze verur-
sachen werden [49] [34]. Die Auswirkungen von Elektrofahrzeugen auf
den Betriebszustand des Energieversorgungsnetzes sind in der VDE-
Studie „Elektrofahrzeuge“ [49] abgeschätzt worden. Dabei wurde ein
Fahrzeugbestand von 1 Mio. Elektrofahrzeuge zugrunde gelegt, für den
eine unkoordinierte Steuerung der Ladevorgänge durch fahrzeugeigene
Batterie-/Lademanagementsysteme angenommen wurde. Auf Basis
der vom Ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS)
in Auftrag gegebenen Studie „Mobilität in Deutschland“ aus dem Jahr
2002 [9] lässt sich der durchschnittliche tägliche Energiebedarf pro
Fahrzeug bei einer durchschnittlichen Tagesfahrstrecke von 30 km und
einem Verbrauch von 20 kWh pro 100 km, mit 6 kWh abschätzen [44]
[45] [46]. Bei einem Bestand von 1 Mio. Elektrofahrzeuge entspricht
dies einem Jahresverbrauch von ca. 1,4 TWh oder etwa 0,25 % der in
Deutschland pro Jahr genutzten elektrischen Energie [49]. Da die lade-
lastgangabhängigen Einflüsse auf die Verteilungsnetze abhängig von
32 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
den zu verwendenden Ladekonzepten und der Ladeinfrastruktur sind,
wurden zur Erbringung der notwendigen Leistung in der VDE-Studie
unterschiedliche Szenarien betrachtet:
� Laden der Fahrzeuge ausschließlich am heimischen Hausanschluss
� Laden der Fahrzeuge am Arbeitsplatz und am heimischen Haus-
anschluss
� Laden der Fahrzeuge flächendeckend unter Verwendung einer stark
ausgebauten Ladeinfrastruktur
Während die letzten beiden Szenarien für die Netzbelastung unkritisch
sind, ergibt sich für das erste Szenario eine deutliche Erhöhung der
Maximallast pro Haushalt, da das abendliche Aufladen von Elektrofahr-
zeugen nach Rückkehr vom Arbeitsplatz zu Ladelastspitzen führt, die
sich erwartungsgemäß im Bereich der Abendspitze eines Haushaltspro-
fils, wie in Abbildung 4 vom VDEW ermittelt (Werktag, Übergangszeit),
befinden.
Abbildung 4: Vergleich eines Haushaltspro�ils mit einem �lektro�ahr�eug�Heimlade�
s�enario [49]
Hierbei wird eine konstante Ladeleistung von 3,7 kW (einphasig, bei
230V und mit 16 A abgesichert) zugrunde gelegt. Beim Übergang zu
höheren Ladeleistungen sowie Mehrfachmotorisierungen mit Elektro-
fahrzeugen würde sich dieser Wert pro Haushalt weiter erhöhen. Bei
einer entsprechend hohen Konzentration und Durchdringung wäre so
eine Überlastung von Verteilungsnetzen möglich und in diesem Fall
ein netzseitiges Ladelastmanagement unumgänglich. Da ein Großteil
der Fahrzeuge in den betrachteten Szenarien bereits um Mitternacht
vollgeladen ist, könnte ein Lastmanagement auch dazu genutzt werden,
abendliche Lastspitzen durch die Ausdehnung der Ladezeiten auf die
eher lastschwachen Nachtstunden zu verringern sowie die Fahrzeuge
gezielt zur Speicherung von Windenergie zu verwenden. Dadurch ließe
33 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
sich auch der Effekt verringern, dass konventionelle Grundlastkraft-
werke durch den starken Zubau von Windenergie in den Nachtstunden
weiter in den Teillastbereich gedrängt werden. Bei der Laststeuerung
der Elektrofahrzeuge ist generell darauf zu achten, dass der Gleichzei-
tigkeitsfaktor der Lasten im Verteilungsnetz nicht nennenswert erhöht
wird. Andernfalls besteht das Risiko einer Überlastung der Hoch-
Mittelspannungstransformatoren sowie der Mittelspannungskabel. Bei
weiterer Erhöhung des Gleichzeitigkeitsfaktors drohen hierüber hinaus
auch Überlastungen der Ortsnetztransformatoren und der Niederspan-
nungskabel. In einem netzorientierten Lastmanagement ist eine geeig-
nete Abstimmung zwischen Netzmanagement, dezentralen Anlagen
und Fahrzeugen zu implementieren. Ansätze hierzu werden bereits
erforscht [34] [39] [35].
2.4 Anforderungen an Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT)
IKT spielt eine zentrale Rolle im Aufbau eines funktionierenden, dezen-
tralisierten Energieversorgungssystems und stellt den Schlüssel zum
Erfolg dar. Sie ist Mittel zum Zweck, um eine möglichst optimierte
Lösung im skizzierten energiepolitischen Dreieck zwischen Umweltver-
träglichkeit, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit zu erreichen.
Keinesfalls stellt eine zunehmende Integration und Einbeziehung von
notwendiger IKT per se eine Verbesserung z.B. der Versorgungssicher-
heit dar. Gewissenhaft muss geprüft werden, welche Anforderungen
an die IKT gestellt werden. Dies kann in einem Klassifizierungsschema
münden, aus welchem durch zugeordnete Prioritäten die technischen
Anforderungen in Bezug auf ihre zugehörige Ausfallsicherheit der
Kompo nenten sowie die Security-Anforderungen abgeleitet werden.
Die Herausforderung besteht vor allem darin, rechtzeitig zu erkennen,
welcher Bedarf an Informationsaustausch unter den Aspekten Daten-
volumina, Performanz und stellenweiser (Quasi-)Echtzeitfähigkeit sowie
einer notwendigen Rechenleistung für die geforderten Steuerungs- und
Regelungsstrategien entsteht. Aufgrund einer Vielzahl von Akteuren und
gleichzeitig aufzubauenden, intelligenten Teilnetzbereichen ist es kaum
vorstellbar, einen durchgehend völlig homogenen Ansatz zu verfolgen.
Soweit kann eine Standardisierung nicht erfolgen, da sie anderenfalls
die Flexibilität zur Anpassung und sukzessiven Optimierung verhindern
würde. Vielmehr ist es wichtig, typische, entscheidende Schnittstel-
len zwischen den einzelnen Systemen und den Systemkomponenten
untereinander zu identifizieren und diese genau zu spezifizieren. Als
Beispiel kann hier das Mobilfunknetz betrachtet werden, welches sich
trotz unterschiedlicher Akteure und Technologien in Form von verschie-
denen Frequenzen sowie Protokollen (GMS, UMTS) dennoch zu einem
34 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
interoperablen System zusammenfügt und das Telefonieren sowie den
Datenaustausch über verschiedenste Endgeräte hinweg ermöglicht.
Es zeigt eine hohe Interoperabilität, welche so für ein Energieinforma-
tionsnetz ebenso einzufordern ist und aufgebaut werden muss. Vom
Energieinformationsnetz wird an dieser Stelle gesprochen, wenn es
um die notwendige informations- und telekommunikationstechnische
Infrastruktur unter Einbeziehung sämtlicher Gateways und intelligen-
ten Geräte geht, ohne die das avisierte, intelligente Gesamtsystem der
Energieversorgung nicht möglich wäre.
Fraglos entscheidet die Anzahl der unterschiedlichen Protokolle sowie
Kommunikationsmedien, welche für den Aufbau in Erwägung gezogen
werden, darüber, welche zusätzliche Komplexität adressiert wird. Es
ist anschaulich, dass eine disziplinierte Konzentration auf möglichst
wenige, sehr gut standardisierte Protokolle und technisch ausgereifte
Kommunikationsmedien die Komplexität verringert. Daher gilt es für alle
Entscheidungen stets mit dem gebotenen Weit blick darauf zu achten,
dass die angestrebten Lösungen langfristig Bestand haben, aber
dennoch interoperabel sind. Der in Teilen erkennbare Konflikt zwischen
einer einerseits sehr rigiden Definition in einer Standardisierung, aber
andererseits hohen Flexibilität angesichts der Integration zukünftiger
Entwicklungen kann vor allem dadurch gelöst werden, dass die Daten-
modellierung in informationstechnischer Sicht abstrakt und losgelöst
von der eigentlichen Kommunikationstechnologie und den dort verwen-
deten spezifischen Kommunikations-Protokollen ist. Wird die gesamte
Funktionalität auf einer langfristigen Bestandslösung aufgesetzt und
dort die Datenmodellierung und gekoppelte Applikationen beschrieben,
so kann prinzipiell jede geeignete Art von Kommunikationstechnologie
eingesetzt werden, sofern sie die erforderlichen Kommunikations-
dienste mitbringt.
Über die Konformität der zu einem gegebenen Zeitpunkt identifizierten
Protokolle hinaus ist die Interoperabilität eine absolut unverzichtbare,
essentielle Größe für eine ungehinderte und störungsfreie Kommunika-
tion. Während sich im Bereich des Stromtransports und seiner Vertei-
lung inzwischen ein weltweit standardisiertes Protokoll etabliert hat
und insbesondere Schaltanlagen schon überwiegend mit dieser neuen
Technologie ausgestattet werden, fehlen in anderen Bereichen noch
einheitliche Lösungen. Der Bereich der sogenannten Smart Meter zeigt
derzeit noch den Konflikt einer Reihe von unterschiedlichen Protokol-
len auf, welche gegeneinander in den Markt gebracht werden. Es ist
äußerst wünschenswert, dass sich Hersteller und Anwender auf eine
technisch geeignete, aber einheitliche Lösung verständigen, welche
sich sowohl unter Kostengesichtspunkten sowie hinsichtlich der Kom-
plexität des Gesamtsystems günstig niederschlagen würde.
Einmal mehr zeigt diese Situation die wichtige Anforderung an die
Politik auf, einheitliche Standards national, sowie auf europäischer und
internationaler Ebene zu forcieren. Dazu gehört auch das Augenmerk,
35 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
Anforderungen in Form von Richtlinien und Regularien an den Markt
eine ausreichend zeitig vorgeschaltete Stufe der Standardisierung
voranzustellen. Diese kann je nach Existenz oder neu zu entwickelnder
Lösung unterschiedliche Zeiträume beanspruchen, hilft aber dem Markt
insgesamt in großem Maße und beugt Investitionen in Produktlösun-
gen vor, welche kurze Zeit später durch einen anderen Lösungsan-
satz ersetzt werden. Dabei ist zu sehen, dass trotz Festlegung auf ein
einheitliches Protokoll dennoch unterschiedlichste Produkte mit unter-
schiedlicher Funktionalität entwickelt werden können und Hersteller
im freien Wettbewerb keinesfalls eingeschränkt werden. Im Gegenteil
eröffnet eine solche Festlegung auf ein einheitliches Protokoll erst den
Wettbewerb.
Welche Lösungen letztlich zum Ziel führen und ob solche agentenba-
siert oder allein auf Basis hierarchisch aufgebauter Kontrollstrukturen
realisiert werden, kann heute noch nicht vorhergesagt werden. Dies
wird sich erst durch eine größere Anzahl von Piloten und exempla-
rischen Lösungen zeigen. Ob zusätzlich zu den heute bestehenden
Kommunikationsmedien und -technologien weitere erforderlich sind
oder bereits mit der bestehenden Infrastruktur weitgehend den kom-
menden Anforderungen begegnet werden kann, ist ebenfalls ungewiss.
Ratsam ist jedoch, die bestehenden Lösungen auf ihre Tauglichkeit hin
zu untersuchen, den überlegten Lösungsansätzen gerecht zu werden.
Dabei sollte vor allem auch darauf geachtet werden, solche Lösungen
zu entwickeln, welche so wenig wie möglich an Kommunikationstech-
nologie und zeitkritischem Informationsaustausch erfordern. Bereits
durch geschickte Anforderungen in den Anschlussbedingungen von
Anlagen am Netz hinsichtlich ihres teilautonomen Verhaltens gegen-
über bestimmten Netzbetriebszuständen kann womöglich der Bedarf
an Kommunikationstechnologie verhindert oder zumindest reduziert
werden. Reagiert zum Beispiel ein Gerät autark auf eine sinkende oder
steigende Netzfrequenz bedarf es keiner (de)zentralen Steuerung und
Echtzeitkommunikation, um einen Beitrag zur Netzstützung zu liefern.
Durch die Vermeidung von hohen Dynamiken bezüglich Einspeisung
oder Lasten, wo immer möglich, kann eine ansonsten notwendige hoch
performante Kommunikation womöglich zu großen Teilen vermieden
werden. Dieser Aspekt sollte bei der Konzeption und Implementierung
von Lösungen stets beachtet werden.
36 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
2.5 Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit, Funktionssicherheit, Fehlertoleranz
2.5.1 DefinitionenDie Zuverlässigkeit eines technischen Geräts oder eines Systems
ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass in einer gegebenen Zeitspanne
kein Ausfall der aus dem Anwendungszweck abgeleiteten Anforde-
rungen auftritt. Sie kann qualitativ oder auch quantitativ beschrieben
werden, ist jedoch nicht unmittelbar messbar. Die Zuverlässigkeit eines
Geräts oder Systems kann entweder empirisch, durch die Ermittlung
der Ausfallhäufigkeit, oder analytisch, aus der Kombination der Zuver-
lässigkeitswerte von Teilkomponenten, ermittelt werden. So bedeutet
eine hohe Zuverlässigkeit weniger Ausfälle, eine geringere Notwendig-
keit von (regelnden/korrigierenden) Eingriffen und wird allgemein zur
Bestimmung der Performanz herangezogen.
Die Verfügbarkeit lässt sich anhand der Zeit, in der ein System verfüg-
bar ist, definieren (in Prozent):
itBetriebszetAusfallzeiitBetriebsze
eitVerfügbark−
=
Bei der Angabe innerhalb vereinbarter begrenzter Zeiträume werden nur
ungeplant auftretende Ausfallzeiten berücksichtigt. Reguläre wartungs-
bedingte Ausfälle eines Geräts fließen in diese Verfügbarkeitsangaben
nicht mit ein. Wenn eine vollständige 24/7-Verfügbarkeit vereinbart
ist, bedeutet das, dass es keine geplanten Ausfallzeiten gibt. Jegliche
Betriebsunterbrechung wird dann als Ausfallzeit betrachtet. Wartungs-
arbeiten müssen bei solchen Systemen on-line während des laufenden
Betriebes ausgeführt werden.
Unter der Funktionssicherheit eines Systems versteht man die Eigen-
schaft, dass die realisierte Ist-Funktionalität der Komponenten mit der
spezifizierten Soll-Funktionalität übereinstimmt, das System also keine
funktional unzulässigen Zustände annimmt.
Unter Fehlertoleranz versteht man die Fähigkeit eines Systems, auch
mit einer begrenzten Zahl fehlerhafter Subsysteme seine spezifizierte
Funktion zu erfüllen. Man unterscheidet verschiedene Fehlerarten:
� Zufällige, physikalische Fehler
� Verschleißfehler, z.B. durch Alterung von Bauteilen
� Störungsbedingte Fehler aufgrund äußerer physikalischer Einflüsse
� Bedienungsfehler
� Wartungsfehler: fehlerhafte Systemeingriffe während eines Wartungs-
intervalls
� Sabotage, Vandalismus
Bei der Korrektur von Fehlern unterscheidet man zwischen Vorwärts-
und Rückwärtsfehlerkorrektur. Bei der Vorwärtsfehlerkorrektur versucht
das System, den Betrieb aufrecht zu erhalten als ob ein Fehler nicht
aufgetreten wäre, indem es z.B. fehlerhafte Inputs durch Default- oder
37 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
Erfahrungswerte aus der Vergangenheit oder durch korrekt funktionie-
rende Inputs ausgleicht oder im Moment des Auftretens eines Fehlers
mit Ersatzsystemen weiterarbeitet. Ziel der Vorwärtsfehlerkorrektur ist
das Sicherstellen der vereinbarten Verfügbarkeit.
Bei der Rückwärtsfehlerkorrektur versucht das System bei Auftreten
eines Fehlers in einen Zustand vor diesem Auftreten zurückzukehren
(Roll-back), z.B. in den Zustand direkt vor einer fehlerhaften Berech-
nung/Ausführung, um diese dann erneut auszuführen. Genauso ist
aber auch ein Zustandswechsel in einen Notbetrieb möglich. Kann eine
fehlerhafte Berechnung/Ausführung erfolgreich wiederholt werden,
bleibt auch bei der Rückwärtsfehlerkorrektur der Fehler für den Anwen-
der unsichtbar. Oft ist aber nur ein Weiterbetrieb mit Leistungseinbu-
ßen oder eingeschränkter Funktionalität möglich und der Fehler somit
sichtbar.
Die Fähigkeit eines Systems, seine Funktionssicherheit auch bei
Schwankung der Umgebungsbedingungen und Nichtverfügbarkeit von
bzw. trotz fehlerhafter Eingangsdaten aufrecht zu erhalten, wird als
Robustheit bezeichnet. Bei Verwendung dieses Begriffes wird i.d.R.
angegeben, wogegen das System robust ist.
2.5.2 Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit der elektrischen Energieversorgung in Deutschland
Für das Jahr 2007 lag die Nichtverfügbarkeit von Strom in Deutschland
bei durchschnittlich 19,25 Minuten je Endverbraucher. Das ergibt sich
aus den Berichten, die die Bundesnetzagentur gemäß § 52 EnWG für
das Berichtsjahr 2007 von jedem Betreiber eines Stromversorgungs-
netzes in Deutschland über alle in seinem Netz aufgetretenen Versor-
gungsunterbrechungen erhalten hat. Dieser Bericht muss mindestens
Zeitpunkt, Dauer, Ausmaß und Ursache der einzelnen Versorgungsun-
terbrechung enthalten. Insgesamt haben 858 Netzbetreiber ca. 236.000
Versorgungsunterbrechungen übermittel. Die Bundesnetzagentur hat
die Daten einer Plausibilisierung und Prüfung unterzogen. Danach
verblieben 825 Unternehmen, aus deren Daten nach international aner-
kannten Methoden der Wert für die Versorgungsqualität in Deutschland
errechnet werden konnte. Dieser sog. SAIDI-Wert (System Average
Interruption Duration Index) gibt die „durchschnittliche Versorgungs-
unterbrechung in Minuten je angeschlossenem Letztverbraucher“ an.
Während im Jahr 2006 die durchschnittliche Nichtverfügbarkeit noch
21,53 Minuten je Endverbraucher betrug, ist der Wert für 2007 auf
19,25 Minuten gesunken. In die Berechnung gehen dabei jedoch nur
die ungeplanten Unterbrechungen ein, die länger als drei Minuten
dauern und deren Ursache atmosphärische Einwirkungen, Einwir-
kungen Dritter, Rückwirkungsstörungen aus anderen Netzen oder
andere Störungen sind, die in die Zuständigkeit des Netzbetreibers
fallen. Unterbrechungen mit der Ursache „Höhere Gewalt“ werden
nicht berücksichtigt. Bezieht man die nach Angaben der Netzbetreiber
38 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
durch die Ursache „Höhere Gewalt“ verursachten Unterbrechungen
mit ein, so lag die Nichtverfügbarkeit je Endverbraucher im Jahr 2007
bei 35,67 Minuten (Vorjahr 23,25 Minuten). Die Erhöhung im Vergleich
zum Vorjahr ist insbesondere auf die vom Orkan „Kyrill“ im Januar 2007
verursachten Schäden an den Übertragungs- und Verteilungsnetzen
zurückzuführen.
Der ermittelte Wert von 19,25 Minuten bestätigt die hohe Verfügbarkeit
und Zuverlässigkeit der elektrischen Energieversorgung in Deutsch-
land auch im Vergleich mit den europäischen Nachbarn (2007: Nieder-
lande 33,1 Minuten, Österreich 45,47 Minuten).
Für das Jahr 2008 haben 846 Netzbetreiber für 871 Netze 208.100 Ver-
sorgungsunterbrechungen übermittelt. Nach der erneuten Plausibili-
tätskontrolle und -prüfung wurden die Daten von 813 Unternehmen mit
834 Netzen bei der Berechnung des SAIDI berücksichtigt. Für das Jahr
2008 ergibt sich danach für Deutschland eine Nichtverfügbarkeit von
16,89 Minuten je Endverbraucher. Im Gegensatz zum Vorjahr lag der
Wert für Ausfälle durch „Höhere Gewalt“ in 2008 bei nur 1,2 Minuten.
Der ermittelte Wert von 16,89 Minuten ist erneut eine Verbesserung im
Vergleich zum Vorjahr und zeigt die hohe Versorgungszuverlässigkeit in
Deutschland wieder auch im direkten Vergleich mit den europäischen
Nachbarn (Österreich 2008: 43,69 Minuten).
Allgemeindaten Niederspannung Mittelspannung SAIDI
Berichts-
jahr
Anzahl
Netzbetrei-
ber/Netze
Endver-
braucher
(in Mio.)
Anzahl
Unterbre-
chungen
(insg. in
Tsd)
SAIDI
(Minuten)
Anzahl
Unterbre-
chungen
(insg. in
Tsd)
SAIDI
(Minuten)
SAIDI
(Minuten)
2008 813/834 48,4 171,5 �,57 36,6 14,3� 16,89
2007 8�5 48,5 196,3 �,75 39,5 16,50 19,�5
2006 781 48,5 193,6 �,86 34,4 18,67 �1,53
Tabelle 1: Gesamt�bersicht der mittleren Nichtver��gbarkeit je �ndverbraucher und
Jahr (SAIDI = System Average Interruption Duration Index)
2.5.3 Mindestanforderungen an zukünftige EntwicklungenIn der derzeitigen Netzbetriebsführung findet eine Koordination der
Nutzung des öffentlichen Energieversorgungsnetzes praktisch nur auf
der Seite großer, zentraler Energiegewinnungsanlagen statt. Für einen
Ausgleich von elektrischem Energiebedarf werden Einspeiseleistungen
– abgesehen vom kurzfristigen Ausgleich kurzfristiger Ungleichgewichte
durch den Einsatz von Reserveleistung – über verschiedene Mecha-
nismen (z.B. an den Energiebörsen) an die jeweilige Nachfrage nach
Energie angepasst. Mit Hilfe von Smart Grids sollen zukünftig auch klei-
nere Energiegewinnungsanlagen sowie Energienutzer die Möglichkeit
erhalten, an dieser Koordination teilzunehmen. Anreize zur Teilnahme
39 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
sollen aus verschiedenen Optimierungszielen anderer Marktakteure
erwachsen. Optimierungsziele können hierbei z.B. die möglichen Ein-
sparungen beim Energiebezug in Niedrigpreisphasen sein und in Form
von günstigeren Nacht- oder Nebenzeittarifen durch den jeweiligen
Energiehändler an den Energienutzer als Anreiz weitergegeben werden.
Für Netzbetreiber kann die Möglichkeit der Beeinflussung des Energie-
bedarfs eine Option zur Optimierung der Auslastung des Netzes bzw.
zur Vermeidung von Netzengpässen sein.
In all diesen Szenarien ist eine deutlich umfangreichere messtechni-
sche Erfassung und Überwachung des Systems erforderlich. Durch die
geplante und mit Smart Metern z.T. bereits umgesetzte direkte Ver-
netzung von Erzeugern und Verbrauchern werden Informationen über
Netze und Versorgungssituationen ausgetauscht.
Mit dem Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (EnWG) gilt
seit Anfang 2010 eine geänderte Rechtslage, die den Einsatz von Smart
Metern und damit eine Einführung von Smart Grids vorbereitet. So sind
Messstellenbetreiber seit 01.01.2010 verpflichtet, bei Neubauten und
Sanierungen Messeinrichtungen einzubauen, die den tatsächlichen
Energieverbrauch und die Nutzungsdauer anzeigen (soweit technisch
machbar und wirtschaftlich zumutbar; § 21 b Absatz 3a EnWG). Wei-
terhin muss der Netzbetreiber allen Strom- und Gasverbrauchern
auf Wunsch die Umstellung auf einen Smart Meter anbieten (§ 21 b
Absatz 3b EnWG). Energieversorger müssen last- oder tageszeitvaria-
ble Stromtarife anbieten (soweit technisch machbar und wirtschaftlich
zumutbar; § 40 Absatz 3 EnWG). In Verbindung mit dem Recht, eine
monatliche, viertel- oder halbjährliche Abrechnung für Strom- und
Gaslieferungen einzufordern (§ 40 Absatz 2 EnWG), hält so die Informa-
tionstechnologie verpflichtend Einzug in die Energieversorgungsnetze.
Bewährte Methodik, Verfahren und Best Practices aus den Bereichen
IT-Safety (Funktionssicherheit) und -Security (Datensicherheit) sind
daher auf die spezifischen Gegebenheiten eines Smart Grids zu über-
tragen und sollten bereits beim Design und vor der Inbetriebnahme
eines Smart Grids Berücksichtigung finden.
Während bestimmte Use Cases und Szenarien in Smart Grids – wie
u.a. die zuvor genannte dynamische Tarifierung von elektrischer Leis-
tung – nicht sicherheitskritisch sind, dabei jedoch bestimmte Dienst-
güten garantieren und einhalten müssen, sind andere Anwendungsfälle
speziell in der Netzüberwachung und Steuerung und Koordination von
Ver brauchern und Erzeugern system- und daher zeitkritisch. Hieraus
ergibt sich die Notwendigkeit Dienste im Hinblick auf ihre Bedeutung
für die Stabilität und Zuverlässigkeit des Netzbetriebs zu unterscheiden
und getrennt zu behandeln und zu priorisieren. Auch werden verschie-
dene Kommunikationskanäle mit unterschiedlicher Zuverlässigkeit
zum Einsatz kommen. So verbietet sich z.B. die Verwendung privater
öffentlicher, paketorientierter Datennetze im Bereich der Schutz technik,
wohingegen sie zur Verbreitung von Preissignalen oder der Kommuni-
40 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
kation weniger kritischer Daten über weite Entfernungen durchaus in
Betracht gezogen werden.
Mit der zunehmenden Umstellung von der Nutzung fossiler Energieträ-
ger, deren Einsatz direkt beeinflussbar und deren Verfügbarkeit planbar
ist, auf die Nutzung erneuerbarer Energieträger, deren Verfügbarkeit nur
in engen Grenzen vorhersagbar ist, besitzt das zukünftige Energiever-
sorgungsnetz ohne eine geeignete Erschließung zusätzlicher Flexibilität
weniger Leistungs- und Sicherheitsreserven. Verbleibende Flexibilitäts-
reserven bestehen zu einem großen Teil in der zeitlichen Verschiebbar-
keit des Energiebezugs kleiner und mittlerer Anlagen. Eine Erschließung
setzt eine geeignete kommunikationstechnische Anbindung zwingend
voraus.
Darüber hinaus erhöht sich die Komplexität des Prozesses der Netzpla-
nung, was bei weiterer Anwendung aktueller Auslegungsstrategien und
einer tendenziell erhöhten Gleichzeitigkeit angeschlossener Verbrau-
cher zu einer erhöhten Planungsunsicherheit führt. Dieser Entwicklung
kann z.B. durch vermehrten Einsatz von Messtechnik zur Verbesserung
der Datenbasis über den Netzbetriebszustand und somit der Entschei-
dungsbasis entgegengewirkt werden. Vor diesem Hintergrund wird es
einen erhöhten Forschungsbedarf zur Entwicklung neuer Planungsstra-
tegien geben.
Mit der festen Integration von IKT-Technologien in Smart Grids wird
das sicherheitskritische System der elektrischen Energieversorgung
um eine weitere potenziell fehleranfällige Komponente erweitert. Da die
Zuverlässigkeit des elektrischen Energieversorgungssystems von der
Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit seiner Teilkomponenten abhängig ist,
muss unter Verwendung bestehender betrieblicher Konzepte für Smart
Grids zunächst von einer, verglichen mit den Daten des vorangegan-
genen Abschnitts, geringeren Verfügbarkeit ausgegangen werden. Die
Verfügbarkeit elektrischer Energie gehört zu den Grundversorgungs-
aufgaben und ist von besonderer gesellschaftlicher Bedeutung. Um die
Verfügbarkeit hier auf einem ähnlichen oder höheren Niveau zu halten
wie heute, ist eine Differenzierung der Verfügbarkeitsanforderungen für
verschiedene Energieanwendungen erforderlich. Um durch die Einbrin-
gung der IKT die Verfügbarkeit elektrischer Energie nicht negativ zu
beeinflussen, müssen elektrische Energiesysteme grundsätzlich robust
gegenüber der (kurzfristigen) Nichtverfügbarkeit von IKT-Systemen sein.
Für IKT-gestützte Netzarchitekturen und Technologien für Smart Grid
Energieinformationsnetze, die auf diesen aufbauen, sind daher erwei-
terte und neuartige Ansätze zur Fehlertoleranz und -korrektur zu entwi-
ckeln, die die Zuverlässigkeit und Funktionssicherheit des Systems –
vergleichbar mit den Eigenschaften bisheriger elektrischer Energieüber-
tragungssysteme – gewährleisten oder die Funktionssicherheit unter
Berücksichtigung unvorhersehbarer Versorgungssituationen sogar noch
zu verbessern in der Lage sind. Robuste Smart Grids mit verteilt operie-
renden weitestgehend autonomen Akteuren und Komponenten müssen
41 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
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in der Lage sein, Fehler zu erkennen, hierauf für den Nutzer transparent
zu reagieren und den Netzbetrieb weitgehend selbst zu stabilisieren.
2.6 Erforderliche Kenngrößen und MengengerüstFür alle Betriebsmittel bzw. alle Marktbeteiligten muss grundsätzlich
zwischen allgemeinen bzw. verwaltungs technischen Kenngrößen und
Daten sowie (elektro-) technischen Kenngrößen unterschieden werden.
Unter die allgemei nen und verwaltungstechnischen Daten fallen u.a.
die eindeutige Kennzeichnung des Betriebsmittels oder des Markt -
teilnehmers, geografische Daten, Anschriften sowie bei elektronischen
Geschäfts abläufen auch digitale Signaturen.
Bei den technischen Kenngrößen selbst wird zwischen den betrieb-
lichen und den energiewirtschaftlichen Kenngrößen unterschieden.
Für die mögliche Realisierung neuartiger Schutz- und Überwachungs-
konzepte müssen die betrieblichen Kenngrößen zwischen den Betriebs-
zuständen „Normalbetrieb“ und „gestörter Betrieb“ unterscheiden. Der
Zustand „gestörter Betrieb“ beinhaltet dabei nicht nur Überlastungen
und Instabilitäten des Netzes oder Netzabschnitts bzw. Kurz schlüsse
sondern auch die Phase des Netzwiederaufbaus nach einem möglichen
Blackout.
Für alle einzelnen technischen Betriebsmittel, aber auch für Gruppen
wie z.B. ein Niederspannungsabschnitt eines Verteilungsnetz trans-
formators sind folgende Angaben notwendig, wobei hier nur die bei-
spielhafte Betrachtung für die Sparte Strom in den Energieversorgungs-
netzen erfolgt.
2.6.1 MesswerteSpannung V Am Übergabepunkt, dreiphasig
Strom A Am Übergabepunkt, dreiphasig,
vorzeichenbehaftet
Wirkleistung kW Vorzeichenbehaftet
Blindleistung kvar Vorzeichenbehaftet
Phasenwinkel ° Vorzeichenbehaftet
Alle Messwerte werden als Effektivwerte angegeben. Zur eindeutigen
Zuordnung der Energierichtung wird das Verbraucherzählpfeilsystem zu
Grunde gelegt.
2.6.2 AuslegungsdatenMaximale Last kW Maximal bekannte Last
Nennleistung kW Typische Leistung während
des Betriebs (eine oder mehrere EE)
Maximale Erzeugungs- kW Maximale Nettoleistung (eine oder
leistung mehrere EE)
42 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
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Maximale kWh Maximale Speicherkapazität
Speicherkapazität (eine oder mehrere Speicher-
einheiten)
2.6.3 GrenzwerteGrenzverbrauchsleistung kW Maximal erlaubte Last als aktuelle
Vorgabe der Betriebsführung
Grenzerzeugungsleistung kW Maximal erlaubte Erzeugung als
aktuelle Vorgabe der Betriebsführung
2.6.4 EnergiespeicherStrom-Verbrauch (Laden) kWh Bedarf an elektrischer Arbeit
Strom-Erzeugung kWh Bereitstellung an elektrischer
(Rückspeisung) Arbeit
Lade-Leistung kW Grenzleistung für Ladevorgang des
Speichers
Rück-Speiseleistung kW Grenzleistung für Rückspeisevorgang
aus dem Speicher
2.6.5 Lastmanagement aus Sicht des VerbrauchersAktuelle Last kW Momentaner tatsächlicher Verbrauch
Minimale Last kW Momentan möglicher minimaler
Verbrauch
Maximale Last kW Momentan möglicher maximaler
Verbrauch
Zusatzlast kW Mögliche – aktuelle Last;
vorzeichenbehaftet
Hier gilt es zu beachten, dass die letztgenannte Zusatzlast auch negativ
sein kann. Man spricht dann auch von „Nega-Watt“ und meint damit
die Leistung, die durch Energiesparen und Energieeffizienz verringert
werden kann.
Beim Lastmanagement muss bei den möglichen Lasten eventuell
auch eine Angabe der elektrischen Arbeit erfolgen, um eine Bewertung
der Wirksamkeit über die Zeit vornehmen zu können. Die Angaben
würden sich dabei auf den jeweils festgelegten Beobachtungszeitraum
beziehen und werden daher zyklisch aktualisiert. Prinzipiell können
auch mehrere, zeitlich gestaffelte Beobachtungszeiträume betrachtet
werden. In jedem Fall muss das Mengengerüst pro Beobachtungszeit-
raum um die folgenden Daten ergänzt werden:
Minimale Arbeit kWh Minimal benötigte Arbeit im nächsten
Zyklus
Maximal Arbeit kWh Maximal benötigte Arbeit im
nächsten Zyklus
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2.6.6 Energiepreise aus Sicht des VerbrauchersVerbrauch ct/kWh Hier zunächst nur Wirkleistung
Erzeugung ct/kWh Nur Wirkleistung
Beim Lastmanagement bzw. bei den Energiepreisen können die geliste-
ten Kenngrößen mehrfach auftreten und dabei unterschiedliche Last-
gruppen, gegliedert nach der mindestens benötigten Benutzungs- bzw.
Erzeugungsdauer, unterscheiden. Somit kann hier beispielsweise zwi-
schen fest zugesicherter Lieferung und beliebig unterbrechbarer Liefe-
rung oder Verbrauch unterschieden werden. Die Anzahl der Gruppen ist
u.a. vom Verbraucher, aber auch von den Grundregeln der Netzführung
abhängig und ist fallweise festzulegen. Den verschiedenen Lastgruppen
können auch unter schiedliche Preise vom Netzbetreiber bzw. Energie-
dienstleister zugeordnet sein. Damit lassen sich dann wirtschaftliche
Optimierungen in den Verbrauchseinheiten realisieren.
Die hier gelisteten Daten zu Lastmanagement und Energiepreisen
betreffen den Normalbetrieb des Netzes. Für den Netzwiederaufbau
nach einem Blackout können diese Kenngrößen ebenfalls benutzt
werden. Es ist aber auch denkbar, gesondert gekennzeichnete Kenn-
größen für diesen abnormalen Betriebszustand zu definieren.
2.6.7 ZählerständeZählerstand 1 kWh Aktueller Zählerstand – Tarif 1. . .
Zählerstand n kWh Aktueller Zählerstand – Tarif n
Die Anzahl der Zählerstände ist je Verbrauchs- bzw. Erzeugerstelle fest-
zulegen und damit zusätzlich anlagen- und vertragsabhängig. Es ist auf
jeden Fall vorzusehen je Tarifart, Verbrauch, Erzeugung und Speicher-
nutzung getrennt zu erfassen und auszulesen, da eine unterschiedliche
Vergütung erfolgen kann.
2.6.8 Beispiele für SchutzparameterSpannungseinbruch % Relativ zur Nennspannung
Verzögerungszeit ms Wirkzeit für die Absteuerung
max. KS-Leistung kW Maximale Kurzschlussleistung
Durch den zukünftigen Einsatz dezentraler Erzeugungseinrichtungen
im Nieder- und Mittelspannungsnetz kommt es im Kurzschlussfall zu
Rückspeisungen. Diese sind nicht oder nur bedingt durch die heute
üblichen gestaffelten Schmelzsicherungs konzepte zu beherrschen.
Geht man vom großflächigen Einsatz von Leistungselek tronik-
komponenten aus, so müssen diese für den Fehlerfall oder andere
abnormale Zustände entsprechend parametriert werden. Diese Para-
meter können erst nach Vorliegen von neuartigen Schutzkonzepten
weiter spezifiziert werden und müssen bis dahin pauschal angenom-
men werden. Ihre Einstellung nicht aber ihre Anwendung ist dabei
zeitunkritisch.
44 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
3 Energieinformationsnetze als zukünftige Basis für ein intelligentes Energiemanagement
Nachdem im letzten Abschnitt die Anforderungen an das zukünftige
Energieversorgungssystem beschrieben wurden, wird hiervon ausge-
hend das Thema Energieinformationsnetze in diesem Abschnitt grund-
legend betrachtet. Die Energiebranche befindet sich im Wandel. Der
zunehmende Anteil dezentraler Erzeugung regenerativer Energie und
das Streben nach Ressourcenschonung und hoher Energieeffizienz
stellen das heutige Energieversorgungssystem vor große Herausforde-
rungen. Um diesen Anforderungen in Zukunft gerecht zu werden, zeigt
sich ein Trend weg von einem zentral gesteuerten System, hin zu einem
dezentralen, intelligenten System bestehend aus Erzeugern (zentral und
dezentral), Energieverteilung, Automatisierung, Kommunikation und
Informationsverarbeitung – ein Energieinformationsnetz.
Dieses Energieinformationsnetz soll für die heutigen und künftigen
Elektrizitätsnetze alle erforderlichen Daten für Messung, Verbrauch und
Steuerung des Energieeinsatzes vom Einzelhaushalt, einem kommu-
nalen bis hin zu regionalen Versorgungsgebieten bereitstellen, so wie
es heute bereits in der Übertragungsnetzebene typisch ist. Weiterhin
werden inzwischen aggregierte Daten zu Erzeugungs-Prognosen aus
den dezentralen Netzstrukturen auch auf Ebene der Übertragungsnetze
gewünscht, um die zentrale Erzeugung im Rahmen der Möglichkeiten
an die erwarteten Verhältnisse anpassen zu können. Hierbei sollen die
Energieinformationsnetze helfen, die Netzqualität auch in dezentralen
Netzarchitekturen aufrecht zu erhalten. Der Einsatz von Informations-
und Kommunikationstechnologien im Zuge eines „Smart Grid“ soll
analog zum Übertragungsnetz auch in den niedrigeren Spannungs-
ebenen und insbesondere dezentralisierten Netzstrukturen unterbre-
chungsfreie Stromversorgung unter gleichzeitiger Berücksichtigung
einer hohen Netzqualität sicherstellen.
45 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
Energie-informations-
netz
Energie-versorgung
Telekom-munikation
Automati-sierung
Know-how-Fluss
Abbildung 5: �r�orderliches interdis�iplin�res Know�how �ur Realisierung eines
�nergiein�ormationsnet�es
Die Realisierung eines Energieinformationsnetzes erfordert den interdis-
ziplinären Einsatz von Know-how aus den Fachdisziplinen Energiever-
sorgung, Telekommunikation und Automatisierung (siehe Abbildung 5).
Hierbei ist festzustellen, dass mit den Energieinformationsnetzen eine
neue Fachdisziplin entsteht, die in ihrer Anfangsphase auf das inte-
grierte Know-how bestehender Fachdisziplinen aufsetzen wird und sich
von diesem Punkt an selbstständig entwickeln wird. Bildlich gespro-
chen ist die gegenwärtige Situation hier beispielsweise vergleichbar mit
dem Ende des 19. Jahrhunderts, als der erste Verbrennungsmotor auf
einer Kutsche montiert wurde und dies praktisch die Automobilindus-
trie begründet hat (bzw. sind wir jenseits der Niederspannungsebene
schon beim Ford T-Modell und der Fließbandproduktion angekommen).
Sicherlich waren sich die damaligen Akteure nicht der Tragweite ihres
Handelns bewusst, dass sie damit eine wesentliche Voraussetzung für
die spätere Entwicklung der Just-in-time Produktionstechnik geschaf-
fen haben. Eine vergleichbare Entwicklungsgeschichte zeichnet sich bei
den Energieinformationsnetzen ab.
Vor dem Hintergrund, dass mit den Energieinformationsnetzen eine
neue Fachdisziplin entsteht, die in ihrer Frühphase auf die interdiszipli-
näre Nutzung des Know-hows der angrenzenden Fachgebiete ange-
wiesen ist und sich von diesem Punkt an selbst weiterentwickeln wird,
erfolgt in diesem Abschnitt der Versuch einer weitgehend vollständigen
Modellierung eines Energieinformationsnetzes auf hoher Abstraktions-
ebene. Das hier entstehende, generische Modell eines Energieinforma-
46 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
tionsnetzes, welches in Abschnitt 4 beschrieben wird, soll einerseits
den aktuellen Stand in dieser neuen interdisziplinären Fachdisziplin
beschreiben und andererseits eine Abschätzung der zukünftigen
Entwick lungen ermöglichen. Notwendig ist eine Modellbildung, die
die Darstellung aller Aspekte in einem (!) Modell erlaubt.
3.1 Paradigmenwechsel in der EnergieversorgungBetrachtet man heute Energieversorgungsnetze und Telekommunika-
tionsnetze in ihrem Aufbau und ihrer Struktur (einschließlich der darin
enthaltenen Automatisierungen), so lassen sich gewisse Parallelen
erkennen. Verschiedene Aspekte stehen hier auf unterschiedlichen Evo-
lutionsstufen, was es ermöglicht, Erfahrungen aus einer Domäne mit
entsprechenden Anpassungen in anderen Domänen zu nutzen.
Für Energieversorgungsnetze und Telekommunikationsnetze existieren
heute noch verschiedene Modelle, die sich gegenwärtig nur bedingt zu
einem Modell für „Energieinformationsnetze“ zusammenführen lassen.
Auf dem Weg zu einer Entwicklung eines gemeinsamen Modells bzw.
eines gemeinsamen Verständnisses für ein Energieinformationsnetz ist
als erster Schritt die Zusammenführung der verschiedenen Begriffs-
welten der Domänen „Energieversorgung“, „Telekommunikation“ und
„Automatisierung“ erforderlich, um eine gemeinsame Sprache zur
Beschreibung eines Energieinformationsnetzes zu entwickeln.
Der erste Ansatz zur Beschreibung eines Energieinformationsnet-
zes ist die Schaffung einer gemeinsamen Sichtweise für Begriffe aus
dem Bereich der Energieversorgung, der Telekommunikation und der
Automatisierung, welche von der Annahme eines sich abzeichnenden
Paradigmenwechsels im Bereich der Energieversorgung ausgeht (siehe
Abbildung 6).
„Telefon-Vermittlung“
„Telefon-Teilnehmer“
Energieverteilung / (Energie-) Netzbetreiber
(Energie-)Netzteilnehmer
(Energie-)Netzteilnehmer
Klassische Architektur Peer-to-Peer Architektur
Einspeisung Leistungsbezug
Energieerzeugung
Energietransport
Energieverteilung
Energieverbrauch
Abbildung 6: Paradigmenwechsel im �nergieversorgungsbereich
47 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
Die klassische Architekturvierteilung eines Energieversorgungsnetzes
in Energieerzeugung, Energietransport, Energieverteilung und Energie-
verbrauch (Top-Down-Architektur) wird sich durch die steigende Anzahl
der dezentralen Energieerzeuger (z.B. Windkraft, Blockheizkraftwerke,
Solaranlagen, usw.) zu einer Peer-to-Peer Architektur wandeln, bzw.
wird eine Peer-to-Peer Architektur parallel zu der bestehenden (teil)zen-
tralen entstehen. In dieser könnte man Energieerzeuger und Energiever-
braucher zu „Energie-Netzteilnehmern“ zusammenfassen. Ebenso kann
man Energietransport und Energieverteilung zum „Energie-Netzbetrei-
ber“ zusammenfassen. Das hieraus ableitbare Peer-to-Peer Modell
eines Energieversorgungsnetzes, welches nur noch aus den Kompo-
nenten „Energie-Netzteilnehmer“ und „Energie-Netzbetreiber“ besteht,
weist nun große Ähnlichkeiten zu einem Telefonnetz auf, welches aus
Telefonteilnehmern und einer Telefonvermittlung besteht (siehe Abbil-
dung 6).
3.2 KlassifikationsschemaWenn man Begriffe aus mehreren Domänen in Relation setzen will, um
ein gemeinsames Verständnis zu erreichen, wird ein Klassifikations-
schema benötigt, an dem sich ähnliche Begriffe identifizieren lassen.
Als Klassifikationsschema würde sich hier ein Ebenenmodell eignen,
welches an das Inventarisierungsmodell einer Telekommunikations-
infrastruktur angelehnt ist. Das für diesen Zweck abgewandelte
Ebenen modell besteht aus den folgenden sechs Ebenen:
� Dienstanschlussnehmer
Jemand (Rolle), der die Produkte des Portfolios (bzw. die angebote-
nen Dienste; auch in Kombination) nutzt und mit dem Energie-Netz-
betreiber (d.h. technischer Netzbetreiber bzw. Energiedienstleister)
das hierfür vereinbarte Entgelt verrechnet (Verkauf/Einkauf).
� Portfolio
Satz von Leistungsbausteinen (Diensten), die dem Dienstanschluss-
nehmer angeboten werden (marktgetriebene Dienste) und die er
(auch in Kombination) nutzen kann.
� Technische Dienste
Technische Dienste, die vom Energie-Netzbetreiber zum Netzbetrieb
benötigt werden, für den Dienstanschluss nehmer jedoch nicht sicht-
bar sind (netzgetriebene Dienste).
� Knoten
Aktive Netzwerkkomponenten, mit deren Hilfe das Verhalten des
Netzes gesteuert werden kann.
Hinweis: Die Definition hier lehnt sich an dem allgemeinen Verständ-
nis des Begriffs in der Terminologie der Telekommunikationstechnik
an und steht damit im Gegensatz zum allgemeinen Verständnis des
Begriffs in der Terminologie der Energieversorgung, die einen Knoten
48 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
als eine passive Verbindung von Leitungen auffasst, welche zur elekt-
rischen Leistungsübertragung dienen.
� Kommunikations-/Transportkanal
Passive Verbindungen zur Übertragung von elektrischer Leistung bzw.
zur Übertragung von Nachrichten signalen.
� Betriebsmittel
Aktive Komponente an einem Anschlusspunkt des Netzes, welche die
Dienste (Portfolio) des Netzes nutzt (bzw. technischer Akteur oder Ele-
ment im intelligenten Energieversorgungssystem nach Abschnitt 5.3).
Wendet man dieses Klassifikationsschema exemplarisch auf diverse
Begriffe aus den Domänen Telekommunikation, Energieversorgung
und Automatisierung an (wobei dies immer einen Kompromiss dar-
stellen wird), ergibt sich die Darstellung in Tabelle 2. Das entwickelte
Klassifikationsschema erlaubt es einerseits, Begriffe aus den verschie-
denen Domänen in Relation zueinander zu setzen, was andererseits
den benachbarten Fachdisziplinen wiederum den Zugang zur Domäne
Energieinformationsnetze in ihrer Sprache ermöglicht. Dieses Relations-
schema bildet die Basis zur Entwicklung des generischen Modells eines
Energieversorgungsnetzes, welches in der Anfangsphase auf das inte-
grierte Know-how der Fachdisziplinen Energie versorgung, Telekommuni-
kation und Automatisierung aufsetzt.
Ebene Telekommunikation Energieversorgung Automatisierung
Dienstanschlussnehmer
(Anschlussinhaber): Nut�t die Pro�
dukte des Port�olios
Privatkunde,
Firmenkunde
Privatkunde,
Firmenkunde
Anlagen�Betreiber
Port�olio: Leistungsbausteine, die
dem Dienstanschluss nehmer
angeboten werden
�.B. ��Mail,
Web�Hosting
�.B. Be�ug und Lie�erung
elektrischer �nergie
F�hrung und Regelung
von Pro�essgrößen
Technische Dienste: Nötig ��r
Net�betrieb; unsichtbar ��r die
Kunden
Triple�A�System,
Billing�System,
��Mail Server, Net�werk�
Management
Systemdienst leistungen,
�.B. Frequen�haltung
Net�werkkon�iguration,
Parametrierung,
Inbetriebnahme,
Dokumenten server,
BD��Server
Knoten: Aktive Net�werk�Kompo�
nenten ��r Steuerung
Router, Switch, Proxy Leistungsschalter,
Trenner, Stu�enschalter
Koppler, Link, Barrieren,
Switch, Router
Kommunikationskanal /
Transportkanal
Lichtwellenleiter, Kup�er�
doppelader, Funkverbin�
dung
Freileitung, Kabel,
Trans�ormator
Lichtwellenleiter,
Kup�erdoppelader
Betriebsmittel: Aktive Komponen�
ten, an einem Anschlusspunkt
Tele�on, PC, Notebook,
SetTopBox (IPTV)
�r�eugungseinheit,
Speicher, Verbraucher,
Mess� und Stelleinrich�
tung
Pro�essleitsystem,
Feld ger�te, Antrieb,
Steuerung, Roboter,
Messum�ormer
Tabelle �: Klassi�ikationsschema mit exemplarisch klassi�i�ierten Begri��en aus den
Dom�nen
49 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
4 Generisches Modell eines Energieinformationsnetzes
Ausgehend vom Klassifikationsschema mit seinen sechs Ebenen (siehe
Tabelle 2) wird das generische Modell eines Energieinformationsnetzes
(siehe Abbildung 7) bestehend aus den folgenden vier Ebenen aufge-
baut:
� Infrastruktur (Physische Welt)
Die Infrastruktur-Ebene beinhaltet das technische Equipment, wel-
ches zum Betrieb eines Energie informationsnetzes erforderlich ist.
Es beinhaltet damit die Ebenen „Betriebsmittel“, „Kommunikations-/
Trans port kanal“ und „Knoten“ des Klassifikationsschemas.
Ferner beinhaltet er die „Service Production Elemente“, welches die
Rechner sind, die zur Ausführung von Diensten benötigt werden.
Die „Gateways“ sind die Infrastrukturkomponenten, die in mindes-
tens zwei Teiltechnologien (z.B. Telekommunikation und Energiever-
sorgung) eingebunden sind und damit als Verbindungselement im
Infrastrukturbereich zwischen Teiltechnologien des Energieinforma-
tionsnetzes dienen. Die Infrastruktur-Ebene ist als eine Menge von
Funktionsbausteinen anzusehen; beispielweise ist in diesem Zusam-
menhang ein Smart Meter sowohl ein Gateway Element (hat Verbin-
dung zur Telekommunikation und zur Energieversorgung) als auch
ein Service Production Element (enthält eine Ausführungsumgebung
für Dienste).
Beispiele: Trans�ormator, Mess� und Stelleinrichtung, Feldger�te
Abbildung 7: Generisches Modell eines �nergiein�ormationsnet�es
50 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
� Informationsobjekte und Dienstekommunikation
Die Ebene der Informationsobjekte und Dienstekommunikation (auch
Dienstgenerierungsebene genannt) ermöglicht den softwaretech-
nischen Zugang zu Komponenten der Infrastruktur-Ebene über
proprietä re oder standardisierte Schnittstellen und stellt somit eine
Middle ware dar, mit deren Hilfe die Komponenten der Infrastruktur-
Ebene „anprogrammiert“ werden können und der Zugriff auf Daten
der Infrastruktur erfolgt. Es kann hier auch eine leichte Vorverarbei-
tung der Roh daten erfolgen.
Beispiele: Kommunikations� und In�ormationsmodelle (IC� 61850),
OG�MA�Framework (Modellstadt Mann heim)
� Dienste (Virtuelle Welt)
Diese Ebene beinhaltet beliebige Dienste, virtuelle Objekte und
virtuelle Strukturen (bzw. die „Virtuelle Welt“) unabhängig von der
unterliegenden physischen Infrastruktur. Die Ebene der Dienste dient
dazu, beliebige „Overlay-Strukturen“ auf Basis der Schnittstellen
in der Ebene der Informationsobjekte und Dienste kommunikation
unabhängig von der verwendeten Infrastruktur zu definieren, zu
implementieren und zu betreiben. Es beinhaltet damit die Ebenen
„Portfolio“ und „Technische Dienste“ des Klassifikationsschemas.
Beispiele: Virtuelle Kra�twerke, Marktpl�t�e, Tari�modelle, Billing�Systeme,
Systemdienstleistungen, �nergie dienstleistungen, Net���hrungsdienste
� Dienstenutzer
Diese Ebene beinhaltet die „Dienstanschlussnehmer“ (Rollen im
Smart Energy System) des Klassifikations modells, welche die
Dienste nutzen und dafür ein Entgelt entrichten oder bekommen.
Beispiele: Privatkunden, Firmenkunden, Anlagenbetreiber, �r�euger, �nergienut�er,
Anbieter und Nut�er von �nergiedienstleistungen, Lie�eranten, H�ndler, usw. (siehe
auch Rollen im Glossar)
Der Sicherheitsaspekt im generischen Modell des Energieinformati-
onsnetzes wird als vertikale Funktion implementiert. Die Zuordnung
des Sicherheitsaspekts zu einer oder mehreren Ebenen wird hier nicht
als sinnvoll angesehen, da die Sicherheit des Gesamtsystems von der
Sicherheit des schwächsten Teils der Sicherheitsarchitektur abhängt.
Insofern muss jede Komponente, die Bestandteil eines Leistungsbau-
steins mit einem definierten Sicherheitslevel ist, für sich selbst und im
Zusammenspiel mit dem Gesamtsystem ein für den Zweck (Leistungs-
baustein) notwendigen Sicherheitslevel aufweisen. Das Sicherheits-
konzept ist hier gesondert für den beabsichtigten Zweck zu planen und
hieraus sind dann die entsprechenden Maßnahmen für die involvierten
Komponenten auf den diversen Ebenen im Modell abzuleiten.
51 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
4.1 Vorteile des ModellsMit der Entwicklung des generischen Modells eines Energieinformati-
onsnetzes wird das Ziel einer weitgehend vollständigen Modellierung
auf hoher Abstraktionsebene verfolgt. Die hier erarbeitete „Landkarte“
der Domäne Energieinformationsnetze ermöglicht eine Beschreibung
des aktuellen Standes und eine Abschätzung der zukünftigen Entwick-
lungen. Ferner kann das Modell rekursiv bzw. hierarchisch angewendet
werden, um die Interaktion von verschiedenen Playern zu beschrei-
ben. Die Vorteile des hier erarbeiteten Modells bestehen darin, dass
heute existierende Technologien in das Modell integrierbar sind (ggf.
durch zukünftige Erweiterungen des Modells) und die Dienste bzw. die
„Virtuelle Welt“ von der unterliegenden Infrastruktur unabhängig ist.
Diese Open-Innovation-Fähigkeit des Modells stellt ein ausgewogenes
Verhältnis zwischen der notwendigen Strukturierung (der „Landkarte“)
der neuen Domäne Energieinformationsnetze einerseits und der erfor-
derlichen Freiheit zur Entwicklung von neuen (virtuellen) Strukturen und
neuen Diensten andererseits dar. Letzteres ist besonders wichtig, da
nur so Fortschritt und Weiterentwicklung in der Domäne Energieinfor-
mationsnetze möglich werden. Dieser Aspekt stellt den eigentlichen
Mehrwert des generischen Modells dar.
4.2 Anwendung des ModellsDer beschriebene Modellierungsansatz soll insbesondere in der rekur-
siven bzw. hierarchischen Verwendung dazu dienen – quasi in Form
spezifischer (Teil-)Sichten auf das gesamte Versorgungssystem – Teilin-
frastrukturen, spezifische Dienste, Anwendungen, Einzelprozesse oder
Prozessuntergruppen zukünftiger intelligenter Versorgungs systeme
beschreiben zu können.
Wenn der Modellierungsansatz in dieser Form genutzt wird, sollte dem
modellierten Gegenstand eine funktionale Beschreibung beigefügt
werden. Aus dieser sollten idealerweise – auf hohem Abstraktionsni-
veau – auch funktionale Anforderungen sowie Anforderungen an die
Sicherheit des modellierten Gegenstands abgeleitet und beschrieben
werden.
4.2.1 Funktionale BeschreibungUnabhängig davon, ob eine Anwendung, ein Verfahren, ein Dienst oder
darunterliegende Architekturen modelliert werden, sollte für den jeweils
modellierten Gegenstand eine erläuternde funktionale Beschreibung
erstellt werden. Diese sollte sowohl die Funktion des modellierten
Gegenstands und seine Integration in die zukünftige Energieversorgung
beschreiben, als auch seinen internen funktionalen Aufbau darstel-
len. Dabei sollte auch die unmittelbare Bedeutung des modellierten
Gegenstands für Wirtschaft und Gemeinweisen wie auch für andere
52 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
Anwendungen, Verfahren etc. der zukünftigen Versorgungssysteme
beschrieben werden. Auch die – zu erwartenden – Interdependenzen,
also die Abhängigkeiten anderer Prozesse und Prozessinfrastrukturen
vom beschriebenen Gegenstand wie auch dessen Abhängigkeiten
von anderen Prozessen und Infrastrukturen, sollte dargestellt werden.
Insbesondere sollte dabei beschrieben werden, ob der modellierte
Gegenstand nur in Normallagen benötigt wird, ob bzw. welche Kern-
funktionalität auch in – ggf. schweren – Krisenlagen aufrechterhalten
werden sollte, ob die Funktionalität gerade zur Bewältigung von Krisen-
lagen benötigt wird, und ob Funktionalität sogar für den Wiederanlauf
nach lange anhaltenden, großflächigen Ausfällen benötigt wird (z.B.
Schwarzstart).
4.2.2 Funktionale AnforderungenAuf Basis der funktionalen Beschreibung sollten die funktionalen Anfor-
derungen an den modellierten Gegenstand abgeleitet werden. Unmit-
telbar offensichtlich ist die Ableitung der allgemeinen Anforderungen
an die Verfügbarkeit des modellierten Gegenstandes. Hier sollte deut-
lich kenntlich gemacht werden, ob die Anforderungen nur für normale
Betriebssituationen gelten sollen. Ggf. müssen für die Aufrechterhal-
tung des Betriebs in Krisenlagen gesonderte Anforderungen aufgestellt
werden.
Ggf. sollte sogar ausformuliert werden, ob bzw. welche „Notbetriebs-
modi“ für welche Ausfall- und Krisenszenarien implementiert werden
müssen und wie mit Störungen und Beeinträchtigungen umgegangen
werden soll. Ist eine Verfügbarkeit in Krisenlagen z.B. nicht zwingend
erforderlich, so sollte in der Regel zumindest gefordert werden, dass
eine problemlose Wiederinbetriebnahme nach Ende der Beeinträch-
tigungen möglich ist. Dazu müssten dann – je nach modelliertem
Gegenstand – z.B. für den Fall der Unterbrechung benötigter Kom-
munikationswege Mechanismen für einen sauberen Halt oder einen
geeigneten Rückfall auf einen rein lokalen Betrieb implementiert
werden. Nach Ende der Beeinträchtigung müsste dann die Rückkehr
in den Normalbetrieb problemlos erfolgen und Daten ggf. nachträglich
sauber abgeglichen werden können. Wichtig ist auch die Beschreibung
der Anforderungen bzgl. des erforderlichen zeitlichen Verhaltens, der
notwendigen Fehlerfreiheit, Integrität und Transaktionssicherheit der an
den Schnittstellen bereitgestellten Informationen. Ebenso müssen die
Anforderungen an den Datenschutz beschrieben werden.
Die funktionalen Anforderungen sollen primär an den modellierten
Gegenstand gestellt werden. Abstrakte Anforderungen, die sich z.B.
aus gesetzlichen Rahmenbedingungen ergeben, sollten an dieser Stelle
ggf. schon erwähnt werden. Im graphischen Modell werden die funktio-
nalen Anforderungen daher nicht an einer konkreten Stelle angeordnet,
sondern umfassen alle Ebenen und Bereiche. Funktionale Anforderun-
gen an einzelne oder gar alle modellierten Teilkomponenten würden
53 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
diesen Modellierungsansatz überfordern. An welcher Stelle im Modell
und auf welche Weise die funktionalen Anforderungen erfüllt werden
können, sollte in der Regel im Rahmen der konkreten Auslegung und
Implementierung des modellierten Gegenstandes festgelegt werden.
4.2.3 Formulierung der SicherheitsanforderungenAuf der Grundlage sowohl der funktionalen Beschreibung als auch
der daraus abgeleiteten funktionalen Anforderungen sollten auch die
Sicherheitsanforderungen an den modellierten Gegenstand formuliert
werden. Abstrakt muss sicher immer gefordert werden, dass allgemeine
Sicherheit wie auch IT-Sicherheit im notwendigen Umfang imple-
mentiert wird. Analog den funktionalen Anforderungen sollten bei der
Modellierung eines Gegenstandes die Sicherheits anforderungen für den
Gesamtgegenstand formuliert werden.
Wegen der primären Ausrichtung des Modellierungsansatzes auf die
informationstechnische Sicht besteht kein Anspruch, alle physischen
Sicherheitsanforderungen im Model beschreiben zu können. Wo dies
aber mit vertretbarem Aufwand möglich ist, sollte dies – geeignet
abstrakt und zumindest in Textform – bei der Beschreibung der Sicher-
heitsanforderungen erfolgen. Dies gilt insbesondere, falls die Erfüllung
der physischen/physikalischen Sicherheitsanforderungen beim model-
lierten Gegenstand durch dort modellierte ggf. informationstechnische
Teilkomponenten erleichtert oder gar nur durch solche sichergestellt
werden kann.
Informationstechnische Sicherheit bzw. IT-Sicherheit ist ebenso wie
die zuvor beschriebenen funktionalen Anfor derungen in der graphi-
schen Darstellung des Modellansatzes ganz bewusst als Rahmen
über alle Ebenen und Teilbereiche des Modells dargestellt. Auch hier
gilt, dass die IT-Sicherheit in der Regel im ersten Modellierungsschritt
nicht durchgängig in die Teilkomponenten herunter gebrochen werden
kann. Wenn allerdings schon im ersten Modellierungsschritt IT-Sicher-
heitsmaßnahmen bzw. die sie stützenden Komponenten mit modelliert
werden sollen, sollte dies auch innerhalb dieses Modells geschehen.
Liegen funktionale Beschreibung und funktionale Anforderungen sowie
eine diese erfüllende Architekturbeschreibung vor, können zur Ermitt-
lung der notwendigen Sicherheitsmaßnahmen ggf. etablierte Methoden
zur Einführung von IT-Sicherheit angewendet werden (z.B. analog den
IT-Sicherheitsstandards 100-1 bis 100-4 des BSI). Bei dem technisch
ggf. sehr hohen Abstraktionsgrad der Modellierung nach der in diesem
Dokument beschriebenen Methodik werden die ableitbaren Aussa-
gen zur IT-Sicherheit in der Regel ebenfalls abstrakt. Die konkretere
Behandlung der IT-Sicherheit muss mit der weiteren Konkretisierung
des erstellten Modells erfolgen. Je nach modelliertem Gegenstand
werden dann auch andere Em pfehlungen relevant wie z.B. das White-
paper von BDEW bzw. FNN zu „Anforderungen an sichere Steuerungs-
und Telekommunikationssysteme“.
54 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
Einige wichtige, bzgl. der Sicherheitsüberlegungen je nach Betrach-
tungsgegenstand zu berücksichtigende, konkretere Punkte sind im
Folgenden beispielhaft aufgeführt.
Das Thema Sicherheit hat mehrere Aspekte. Zwischen Verbrauchern
und Versorgern dürfen nur eingeschränkte Kommunikationsmöglichkei-
ten zugelassen werden. Die Gefahren des Internets sind inzwischen in
weiten Kreisen bekannt. Ein Versorger mit seiner kritischen Infrastruk-
tur muss auf jeden Fall solche Zustände verhindern. Also werden dem
Verbraucher keine Schalt- und Steuerfunktionen im Netz ermöglicht;
der Kommunikationspfad zum Versorger dient hauptsächlich zur Über-
mittlung der Messdaten. Diese sind insoweit kritisch, als einerseits der
Versorger sie zur Rechnungsstellung nutzt, eine Verfälschung somit zu
falscher Abrechnung führt. Andererseits sollen diese Daten nur dem
Versorger zur Verfügung stehen, denn aus diesen Daten lassen sich
Rückschlüsse z.B. auf die Lebensgewohnheiten, Urlaubszeiten usw.
ziehen (Datenschutz). Aber auch zwischen den Versorgern im Verbund-
netz werden sicher nur die notwendigsten Informationen ausgetauscht
– schließlich sind diese Versorger auch Wettbewerber, und jedes Aus-
lesen von internen Daten könnte einen Wettbewerbsvorteil nach sich
ziehen. Somit sind nur Daten zwischen Knoten eines Versorgers unbe-
schränkt, wobei es sicher auch hier sinnvoll ist, wenn sich die Knoten
gegen seitig authentisieren und den Datenaustausch verschlüsseln, um
einen unerwünschten Dritten von der Kommunikation auszuschließen.
Formal lassen sich die Sicherheitsbedürfnisse in die folgenden drei
Stufen einteilen:
� Versorgungskritisch/Sicherheitskritisch, z.B. ein fehlerhafter Schalt-
vorgang könnte zu Netzausfällen führen. Die Kommunikation muss
zuverlässig und sicher sein. Dies betrifft haupt sächlich Funktionen
innerhalb der Netze bzw. zwischen Netzen. Auf der Schnitt stelle
zwischen Kunden und Versorger werden keine so kritischen Daten
ausgetauscht.
� Geschäftskritisch/Abrechungskritisch, z.B. fehlerhafte Messdaten
oder Tarifinformationen könnten zu einem finanziellen Schaden
eines Marktteilnehmers führen, d.h. auch hier muss eine maximale
Sicherheit ge währ leistet sein. Dieses Sicherheitsbedürfnis kann dazu
führen, dass solche Daten über dedizierte Netze geführt werden.
� Normale Information, z.B. wenn der Versorger dem Kunden allge-
meine Informationen zukommen lassen will. Das kann ungeschützt
über das Internet erfolgen.
Nur die beiden letzten Fälle treten zwischen Kunde und Versorger auf.
Ganz generell kann festgestellt werden, dass aus Daten schutzgründen
nur solche Daten erfasst werden sollten, die auch wirklich benötigt
werden und die Daten nur dort vorliegen sollten, wo sie wirklich benö-
tigt werden. Auch sollte der Einsatz von Funktechniken immer kritisch
hinterfragt werden und wenn Funktechnik zum Einsatz kommen muss,
55 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
ist den Maßnahmen zur Datensicherheit und dem Datenschutz beson-
dere Aufmerksamkeit zu widmen.
Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt in diesem Zusammenhang ist die
Haftungsfrage. Sobald der Versorger in die Infra struktur des Kunden
eingreift, z.B. durch Ein- und Ausschalten von Geräten, wäre er für evtl.
dadurch entstehende Schäden haftbar. Daher wird der Versorger immer
nur eine „Empfehlung“ geben, die Ausführung aber dem Nutzer über-
lassen, der damit das Haftungsrisiko trägt. Dieser Ansatz wird in der
Automobilindustrie verfolgt: Fahrerassistenzsysteme geben dem Fahrer
Unterstützung und Entscheidungshilfe, die Entscheidung selbst bleibt
aber beim Fahrer [42].
56 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
5 Verteilte Automatisierung im Verteilungsnetz
5.1 Steigender Automatisierungsbedarf im VerteilungsnetzDas aufgezeigte generische Architekturmodell ist zur Abbildung in
verschiedenen Wirkungsdomänen des intelligenten Energieversor-
gungssystems geeignet. Nachfolgend soll aber auf die besonderen
Anforderungen durch den fortschreitenden Ausbau von dezentralen
Erzeugungsanlagen im Verteilungsnetz Bezug genommen werden. Mit
zunehmendem Einsatz dieser Anlagen, insbesondere auch auf der Seite
der Netznutzerobjekte, entwickelt sich ein bidirektionaler Energiefluss
zwischen Übertragungsnetz und Verteilungsnetz sowie zwischen Vertei-
lungsnetz und Netznutzerobjekten. Der Einfluss dieses bidirektionalen
Flusses im Netz wird so relevant, dass ein aktives Management dezen-
traler Anlagen erforderlich wird. Die aktuell unkontrollierte Einspeisung
im dezentralen Bereich ist durch ein dezentrales Energiemanagement
zu überwinden. Erste Ansätze dazu wurden mit der Bündelung von ver-
teilten Erzeugungskapazitäten in virtuellen Kraftwerken geschaffen. Die
Netzsteuerung erfolgt aber weiterhin durch zentrale Operationen in den
Leitwarten der Übertragungs- und Verteilungsnetze, mit der Folge einer
stark zunehmenden Komplexität der Steuerung durch die wachsende
Anzahl einzubeziehender dezentraler Elemente. Damit steigt aber auch
die Komplexität des bisherigen Bilanzkreismanagements mittels über-
regionalen Regelzonen auf Übertragungsnetzebene. Die Entwicklungen
hin zum intelligenten Energieversorgungssystem widmen sich deshalb
insbesondere neuer Methoden zur dezentralen und automatisierten
Netzführung im Verteilungsnetz sowie virtuellen Bilanzkreisen, die lokale
Situationen ebenso berücksichtigen können wie die Schaffung neuer
erzeugungsbezogener oder auf bestimmte Verbraucher ausgerichtete
Produktgruppen.
Der Komplexitätsbegriff ist durch die Merkmale Vielfalt, Organisiertheit
und Verbundenheit definiert. Ein höherer Komplexitätsgrad zeichnet
sich zuerst durch höhere Vielfalt aus. Dies bedeutet die Steigerung der
Anzahl von zu steuernden Elemente verschiedenster Art im System.
Komplexität führt zu wachsender Organisiertheit. Die vielen Elemente
sind zu diversen in Interaktion stehenden Strukturen zu organisieren.
Als weiteres Merkmal der Komplexität gilt die Verbundenheit. Die
Elemente sind durch physische Glieder, Energieaustausch oder irgend-
eine Form von Kommunikation miteinander verbunden. Forschungen
auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz, insbesondere im Bereich
der Robotik, führten zu der Erkenntnis, dass zentrale Steuerungen bei
steigender Komplexität ab einem bestimmten Grade unbeherrschbar
werden. Die Grenzen von Steuerbarkeit und Kontrolle werden über-
57 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
schritten [32]. Komplexität ist dann wieder zu reduzieren. Die Reduktion
von Komplexität kann durch autonomiefähige, selbst organisierende,
aber gleichzeitig zum Gesamtsystem verbundene Strukturen, die intelli-
gent und synergetisch handeln, erreicht werden.
Aktuell sind dabei hierarchische und netzwerkartige Verbindungs-
ansätze der autonomen Steuerungsstrukturen für ein dezentrales
Energiemanagement in selbst organisierenden Strukturen bekannt,
die im Sinne einer hohen Synergie im Gesamtsystem aber immer von
Rahmenbedingungen aus zentralen Netzführungsinstanzen ausgehen.
Gemeinsam ist den verschiedenen Ansätzen der Gedanke eines dezen-
traleren Energiemanagements mit Regelkreisen in regionalen Strukturen
zur Ergänzung zentraler Steuerungsmaßnahmen. Damit entsteht ein
intelligentes Energieversorgungssystem auf Grundlage einer verteilten
und dezentralen Automatisierungslösung.
Ein individueller Regelkreis kann damit als eigenständige Zelle im Ener-
giesystem mit allen notwendigen Elementen im Energieversorgungssys-
tem aufgefasst werden. Alle Regelkreis besitzen als selbstoptimierende
Microgridzellen eine analoge Ausstattung mit den Elementen eines
Energieversorgungssystems (Erzeuger, Verbraucher, Speicher, Netzbe-
triebsmittel), verfügen über die Fähigkeit zur autonomen Handlung und
stellen sich in der Außensicht als Quelle für Energieeinspeisung sowie
auch als Senke für Energiebezug zu benachbarten Regelkreisen dar.
Eine derartige verteile Steuerungsstruktur mit autonomiefähigen, aber
synergetisch zusammen arbeitenden Regelkreisen (Zellen), besitzt
gegenüber einer zentralen Steuerung folgende vier Merkmale. Es
existiert eine Verbindung zur zentralen Steuerung, aber die Formen
der aufgezwungenen Zentralsteuerung werden minimiert. Entspre-
chende Geschäftsmodelle und Anreizsysteme für alle Marktbeteiligten
im Umfeld der beschriebenen Architektur sind zu definieren. Zweitens
besitzen die Untereinheiten in der beschriebenen Weise eine autonome
Natur. Drittens ist eine hochgradige Vernetzung der Untereinheiten
notwendig. Das vierte Merkmal besteht darin, dass die hochgradige
Vernetzung und die Rückkopplung in den Regelschleifen innerhalb der
Zellen zu einer nichtlinearen Kausalität der Beeinflussung unter Glei-
chen führt [32]. Da die Zellen derartig geregelt werden, dass ein hohes
Maß an Autonomie entsteht, kann der Energiefluss zwischen den Zellen
reduziert werden. Damit werden im Verteilungsnetz Kostenersparnisse
durch vermiedenen Netzausbau bei steigendem Anteil der schwanken-
den Erzeugung mit erneuerbaren Energien mit dem intensiven IKT-
Einsatz erreicht.
Nicht zuletzt führt die wachsende Bedeutung der dezentralen Erzeu-
gung und des dezentralen Energiemanagements in der Netzführung
und in lokalen Marktmodellen zu einer höheren Robustheit, sogar zur
Selbstheilung im Falle von Unfällen, Angriffen oder von Naturkatastro-
phen analog zum Internet der Information [3].
58 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
Dezentrale Entscheidungen werden nach diesem neuen Konzept auf
Grundlage von Informationen des Energiehandels, des Netzzustandes
und von Umgebungsinformationen getroffen. Dabei soll ein autono-
mes und intelligentes Handeln von Energieverbrauchern, -speichern
und DEA in zellularen Netzstrukturen bei Minimierung des Grades an
zentraler Steuerung erreicht werden. Die Herausforderung hierbei ist,
trotz autonomen Handelns durch Anreiz-Informationen verschiedener
Marktplatzpartner ein sinnvolles Verhalten der Gesamtheit der Energie-
managementsysteme für einen stabilen Netzzustand zu erreichen.
5.2 Energiesystem-Modellierung Das intelligente Energiesystem (Smart energy system; auch beschrie-
ben mit der Metapher Internet der Energie) wird in Abbildung 8 ver-8 ver- ver-
anschaulicht. Es entspricht der Summe aus intelligentem Energiever-
sorgungssystem als physische Ebene (Smart Grid; auch beschrieben
durch die IP-basierte physische Vernetzung von Energiesystemelemen-
ten und damit ein Bereich im Internet der Dinge) und einer virtuellen
Ebene der Energiedienste für den Energiemarkt und für die Energienetz-
führung (Smart energy services; auch beschrieben durch eine elektro-
nische Dienstekommunikation über das IP-Protokoll und damit ein
Bereich im Internet der Dienste). Das intelligente Energieversorgungs-
system (Smart Grid) wiederum entspricht der Summe aus passivem
Energieversorgungssystem (bestehend aus den Energiesystemelemen-
ten Erzeuger, Speicher, Verbraucher und Netzbetriebsmittel) und dem
Energieinformationssystem aus Telekommunikationssystem und Auto-
matisierungssystem
Intelligentes Energiesystem
Energiedienste (virtuell)
Smart Grid (physisch)
Intelligentes Energieversorgungssystem
Energieinformationssystem
Passives Energieversorgungssystem
=
+
=
=
+
InternetderDinge
Internet der Dienste
InternetderEnergie
Abbildung 8: Das intelligente �nergiesystem (Smart energy system)
59 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
Das zukünftige intelligente Energiesystem besteht also einerseits aus
einem Netzwerk physischer Objekte (Energiesystemelemente in vier
Kategorien) wie Anlagen zur Energiegewinnung, Speicherung und zur
Energienutzung sowie Einrichtungen zum Transport von Energie mit
zugehörigen Betriebsmitteln, die über Telekommunikationstechnik und
Automatisierungstechnik miteinander kommunikativ und informations-
technisch verbunden sind. Es besteht aber andererseits auch aus einer
virtuellen Diensteebene für den Energiemarkt und die Energienetz-
führung zur Abwicklung des Austausches von Energie. Mit E-Energy
(Energiesystem der Zukunft im Kontext des gleichnamigen Förderpro-
gramms der Bundesregierung) soll die kommunikative Verbindung der
physischen Komponenten sowie der Dienstekommunikation mittels
elektronischer Geschäftsprozesse unter Nutzung der Internetprotokolle
sowie Telekommunikations- und Automatisierungseinrichtungen imple-
mentiert werden.
Die Energiediensteumgebung als Bestandteil von E-Energy im Internet
als rein virtueller Raum für Geschäftsprozesse, bezeichnet als Inter-
net der Dienste, kann nur in Verbindung mit den physischen Kompo-
nenten der Energieversorgung existieren. Dazu gilt es die physische
Umgebung der Elektrizitätswirtschaft als Energieversorgungssystem
(Netz der Energie) mit dem Internet als Telekommunikationsnetz (Netz
der Information) sowie zusätzlichen Automatisierungseinrichtungen zu
einem intelligenten Energieversorgungssystem (Smart Grid in Analogie
zum Internet der Dinge) zu verbinden. Weiterhin gilt es, die Prozesses
des Energiemarktes und der Energienetzführung im Rahmen der Ener-
gieversorgung als zukünftig elektronische Prozesse mit den physischen
Energieflüssen in Einklang zu bringen, sowie die Sicherheit der Ener-
gieversorgung als kritische Infrastruktur und die Einhaltung der Daten-
schutzbedürfnisse der Energienutzer trotz zunehmender Vernetzung zu
gewährleisten. Dies sollte immer wieder hervorgehoben werden, um die
Grenzen reiner Marktansätze bei der Entfaltung der zukünftigen Ener-
giewirtschaft zu erkennen, sowie die Netz- und Energienutzer immer im
Auge zu behalten.
Zu Betrachtung dieser zwei Seiten werden die Begriffe intelligente
Energiedienste (Smart energy services) für Energiemarkt und Energie-
netzführung sowie intelligentes Energieversorgungssystem (Smart Grid)
genutzt, die im Rahmen eines ganzheitlichen intelligenten Energiesys-
tems (Smart energy system, E-Energy oder Internet der Dinge) wirken.
Hier wird bewusst vom allgemein benutzten Begriff E-Energy-Markt
abgewichen, da dieser die bezeichneten zwei Seiten der ganzheitli-
chen Struktur von physischen Energie ver sor gungs netzwerk und Ener-
giedienstebene im Markt und regulierter Netzführung nicht genügend
betont.
Nachfolgende zwei Abbildungen verdeutlichen diese Ausführungen.
Dabei wird die Abbildung zur Smart Grid-Definition in der deutschen
60 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
Normungsroadmap auf das generische Modell in Abbildung 7 dieses
Dokumentes angewendet.
SmartGrid
Diensteproduktionsebene:Middleware Technologien
Erzeugung Netz
SpeicherVerbrauch
Telekommunikationssystem
Energieversorgungssystem
Messen – Stellen – Steuern -Regeln
Automatisierungssystem
=Intelligentes
Energie-versorgungs-
system
Netzwerk – Gateway - Dienstgenerierung
Infrastruktur-ebene:
Kommunikationsprotokolle –Informationsmodelle -Diensteschnittstellen
Diensteebene:
Marktdienste Netzdienste
Dienstenutzerebene:Natürliche und juristische Personen in
Funktionen definierter Rollen
Smart Energy System = E-Energy
Abbildung 9: Modellierung des intelligenten �nergiesystems (Smart energy system) als
Smart Grid in Verbindung vom �nergieversorgungssystem mit dem �nergiein�ormati�
onssystem aus Telekommunikationssystem und Automatisierungssystem �u��glich
Smarter �nergiedienste in neuen Markt� und Net���hrungssystemen
Auf der Diensteebene agieren als Dienstenehmer die verantwortlichen
Systemrollen einerseits im Energiemarkt wettbewerblich, während
andererseits die Dienste der zuständigen Systemrollen zum Betrieb der
Energienetze reguliert werden. Das Energieversorgungssystem aus phy-
sischen Komponenten, den Energieversorgungselementen als techni-
sche Akteure in vier Kategorien mit Erzeugern, Speichern, Verbrauchern
und Netzbetriebsmitteln (Knoten und Leitungen des Energieversor-
gungsnetzes), wird über ein Energieinformationssystem aus Telekom-
61 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
munikationssystem und Automatisierungssystem miteinander vernetzt.
Bei einer zellularen Ausgestaltung des Energieversorgungsystems
bilden Kommunikations-Gateways die bidirektionalen Energiemanage-
ment-Interfaces zwischen den Zellen. Das Automatisierungssystem
führt zusätzlich zu den Energieversorgungselementen weitere Automa-
tisierungselemente wie Mess-, Stell-, Steuer- und Regeleinrichtungen
ein. Die Einführung elektronischer Geschäftsprozesse im Energiemarkt
und bei der Netzführung sowie die kommunikative Verbindung der
physischen Komponenten im Energieversorgungssystem mit Automati-
sierungsdiensten führen zum Aufbau eines intelligenten Energiesystems
(Smart energy system).
Die Verbindung zwischen der Diensteebene und der physischen Ebene
im Bereich des Energieinformationssystems und des Energieversor-
gungssystems erfolgt durch eine Dienstegenerierungsebene, die das
Internet der Dinge mit dem Internet der Dienste zum Internet der Ener-
gie verbindet.
Die beschriebenen Ebenen werden in Abschnitt 4 und Abbildung 7
verdeutlicht.
5.3 Systemmodell „Smart Energy System“Das im letzten Abschnitt eingeführte Begriffsmodell wird nachfolgend
bezüglich der Anwendung auf eigenständige Regelkreise im intelligen-
ten Energieversorgungssystem als sogenannte Zellen mit Energiesyste-
melementen und Automatisierungselementen vertieft ausgeführt.
Die Infrastrukturebene aus Abbildung 7 und Abbildung 9 bildet in der
Verbindung von Energieversorgungssystem, Telekommunikationssys-
tem und Automatisierungssystem das intelligente Energieversorgungs-
system. Als Energiesystemelemente wurden die vier Kategorien Erzeu-
ger, Verbraucher, Speicher und Netzbetriebsmittel definiert.
Folgende Energiesystemelemente und Funktionalitäten dienen der
Defini tion des Energieversorgungssystems:
� Energiegewinnungseinrichtungen (im folgenden als Erzeuger
bezeichnet) und Erzeugerfunktionen
� Energienutzungseinrichtungen (im folgenden als Verbraucher
bezeichnet) und Verbraucherfunktionen
� Energiespeicher (im folgenden als Speicher bezeichnet) und
Speicher funktionen
� Netzbetriebsmittel und Netzbetriebsfunktionen
Hier besteht nicht der Fokus, auf die Funktionen der genannten
Energie systemelemente einzugehen. Als abgeschlossene Systeme
sind diese Elemente Teil eines elektrischen Gesamtsystems, aber nicht
immer kommunikativ und damit nicht Teil eines informationstechni-
schen Gesamtsystems. Um das intelligente Energieversorgungssystem
zu schaffen, sind jedoch alle Energiesystemelemente für den Zweck
62 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
des Informationsaustausches und der Informationsverarbeitung sowie
zur Interaktion im Umfeld einer verteilten Automatisierung mit einem
informations- und kommunikationstechnischen Interface zu versehen.
Mit dieser bidirektionalen Schnittstelle wird das Energiesystemelement
zum Teilnehmer eines Telekommunikationssystems. Während das
heutige Energiesystem eine zentral geführte und gesamthaft geregelte
Struktur bildet, verweisen die in diesem Dokument enthaltenen Kom-
plexitätsausführungen auf zukünftig regionale Strukturen und eigen-
ständige Regelkreise, die aber trotzdem zum Gesamtsystem verbunden
sind. Für diese verbundenen Regelkreise wird das Bild des zellularen
Energiesystems benutzt. Die Zelle besitzt als eigenständiger Regelkreis
einen vollständigen Satz an Energiesystemelementen, die als Teilneh-
mer eines Telekommunikationssystems vernetzt werden. Dazu besitzt
jedes Energiesystemelement ein Kommunikations-Gateway. Zusätzlich
erhält jedes Energiesystemelement, aber auch einen Dienstgenerie-
rungspunkt und wird damit Teil eines Automatisierungssystems. Diese
Schnittstelle kann als eingebettetes System aber auch als gesondertes
Gateway und Dienstgenerierungspunkt ausgeprägt sein und dabei je
Energiesystemelement über verschiedene logische Strukturen reichen.
Zur Definition dieser logischen Strukturen sind entsprechende Vorarbei-
ten erfolgt. Einen umfänglichen Ansatz bietet die Schichtenarchitektur
im IGS-Stack (IGS: Integrierte Gebäudesysteme) [10]. Hierbei werden
folgende logische Schichten für ein System definiert, das ein Gerät und
die zugehörigen Gerätefunktionen um eine IKT-Schnittstelle erweitert,
wobei Erläuterungen zu den Schichten aus der genannten Quelle sinn-
gemäß zitiert werden:
� Informationsverarbeitende Bausteine (Sensoren als Quellen und
Aktoren als Senken für Informationsflüsse, die durch Steuerungen
und Regelungen beeinflusst werden und damit die Ankopplung der
IKT-Funktionen an die Umwelt zur Entwicklung des Internets der
Energie ermöglichen)
� Plattformen (elektronische Hardware und Firmware als Basissystem-
software)
� Ausführungsumgebung (Betriebssystem zur Abstraktion von herstel-
lerabhängiger Hardware und Firmware)
� Kommunikation (ermöglicht den Nachrichtenaustausch zwischen den
IGS-Komponenten mit gerätespezifischer Implementierung unter-
schiedlicher Ebenen des OSI-Stacks)
� Middleware (erforderlich, damit Anwendungen transparent, d.h. ohne
Kenntnis der Implementierung auf Technologien zugreifen können)
� Basisdienste (Funktionen auf Basis der Middleware, die vorrangig
Steuerungscharakter haben und somit eine Schnittstelle zur Defini-
tion von Mehrwertdiensten, beispielsweise in Form von Energiema-
nagementfunktionen bieten)
63 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
� System (Anwendungen, die die IKT-Funktionalitäten und die originä-
ren Geräte-, Anlagen- und Betriebsmittelfunktionen von Energiesys-
temelementen integrieren)
Wie im letzten Punkt des Stacks beschrieben, wird durch das System
die Gesamtfunktionalität von Gerät, Anlage, Betriebsmittel und den IKT-
Funktionen abgebildet. Der Stack ist nun in analoger Weise anwendbar
auf die oben definierten vier Kategorien von Energiesystemelementen
(Erzeuger, Verbraucher, Speicher, Netzbetriebsmittel). Auf dieser Grund-
lage lässt sich das System analog zu [10] generisch auf alle vier Geräte-
und Anlagenkategorien abbilden.
Abbildung 10: Generalisiertes, bidirektionales �nergiesystemelement nach IGS�Stack
[10]
Abbildung 10 wird in der nachfolgenden Darstellung auf den Begriff des
Energiesystemelementes unter Nutzung der generischen Architektur
nach Abbildung 7 und Abbildung 9 angewendet. Die informationsver-7 und Abbildung 9 angewendet. Die informationsver- und Abbildung 9 angewendet. Die informationsver-9 angewendet. Die informationsver- angewendet. Die informationsver-
arbeitenden Bausteine bilden als Teilnehmer des Kommunikationssys-
tems die Automatisierungselemente auf der Infrastrukturebene. Die
Plattform sowie die Bausteine der Kommunikation und der Ausfüh-
rungsumgebung bilden das Gateway und den Dienstgenerierungspunkt
auf der Infrastrukturebene. Die Middleware und die Basisdienste bilden
auf der Dienstproduktionsebene die Schichten der Kommunikations-
protokolle, der Informationsmodelle und der Dienstevermittlung. Die
Dienstebene wird durch die Systemoberfläche abgebildet, womit der
Zugriff aus der Ebene der Dienstenutzer über die Dienste auf die Ele-
mente des Energieversorgungs- und Automatisierungssystems möglich
wird.
64 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
Abbildung 11: Generalisiertes, bidirektionale �nergiesystemelement
Das bidirektionale Energiesystemelement in den vier Kategorien Erzeu-
ger, Verbraucher, Speicher und Netzbetriebsmittel existiert in n-facher
Ausfertigung innerhalb einer Netzzelle. Der Begriff der Zelle lässt sich
nun bei Vorhandensein eines vollständigen Satzes von Energiesyste-
melementen auf das Objekt des Netznutzers sowie auf Regionen der
Energieversorgungsnetze anwenden. Innerhalb einer jeden Netzzelle
werden alle Energiesystemelemente des gesamthaften Energieversor-
gungssystems erweitert, um die Kommunikationsfähigkeit und die Ver-
bindung mit Automatisierungselementen als eigenständige Regelkreise
eingeführt, d.h. die Architektur jeder Netzzelle ist durch Abbildung 7
und Abbildung 9 erfassbar.
Auf Grundlage der vollständigen Ausstattung in der Infrastrukturebene
� mit Energiesystemelementen,
� mit Automatisierungselementen,
� mit kommunikativer Vernetzung durch das Telekommunikationssys-
tem innerhalb der Zelle,
� mit Gateways zur Verbindung von Zellen und
� mit Dienstgenerierungspunkten als Träger von Ausführungsumge-
bungen für Dienste
wird die Verbindung eines jeden physischen Akteurs vermittelt über die
Dienstproduktionsebene mit der durch Dienstnutzer entfernt von der
Zelle anwendbaren Dienstebene möglich, ebenso wie eine vollstän-
dige Abbildung eines eigenständigen Regelkreises in der Zelle durch
Implementierung einer Dienstegenerierungsebene und der Dienstebene
innerhalb der Zelle auf Automatenstrukturen möglich wird, mit denen
Dienstenutzer direkt in der Zelle interagieren können. Dies ermög-
licht die Reduktion der Komplexität durch Zellbildung in der Regelung
des Energieversorgungssystems entsprechend den Ausführungen im
65 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
obigen Abschnitt. Die gesamthafte Regelung einer Vielzahl von Ener-
giesystemelementen im Übertragungsnetz oder im Verteilungsnetz
durch vorrangig zentrale Netzführungsmethoden wird in eine weniger
komplexe Regelung in einer Energieversorgungssystemzelle mit einer
Teilmenge der Energiesystemelemente eines Stromnetzes überführt.
Die Regelkreise zur dezentralen Netzführung in Zellen werden wiede-
rum durch Mechanismen externer Randbedingungen aus der zentralen
Netzführung und Anreizen zum Zusammenwirken der Netzzellen zu
einem gesamthaften Stromnetz verbunden. Die Zellen sollen nur im
Falle von Störungen als Microgrids wirken, die die Fähigkeit zur Insel-
bildung und zum Selbststart besitzen, sich aber nach Störungsbeseiti-
gung wieder verbinden.
5.4 Architekturen von Steuerungssystemen in Verteilungsnetzen
5.4.1 Verteilte Steuerung im Smart Energy System durch AgentenEine mögliche Steuerungsstruktur für das im vorangegangenen
Abschnitt vorgestellte Systemmodell des Smart Energy Systems ist in
Abbildung 12 dargestellt. Demnach bildet die Objektnetzzelle (ONZ) die
kleinste zu steuernde Einheit im System und umfasst jeden Netznutzer,
sowohl Energienutzer als auch DEA in der Nieder- und Mittelspan-
nungsebene. Die Steuerung der einzelnen Lasten, Speicher und Erzeu-
geranlagen innerhalb einer Objekt netzzelle sowie die IKT-Einbindung in
das Verteilungsnetz werden durch den ONZ-Agenten realisiert.
Die einzelnen Objektnetzzellen in einem Strang der Niederspannungs-
ebene werden zu einer Verteilungsnetzzelle (VNZ) zusammengefasst,
deren Steuerung und IKT-Einbindung in die höhere Spannungsebene
wiederum durch einen VNZ-Agenten bewirkt wird. Zu diesem Zweck
besteht zu jedem der zugeordneten ONZ-Agenten ein bidirektionaler
Kommunikationskanal, der zum Transport von Steuersignalen und
Messwerten dient. Zusätzliche Messungen relevanter Kenngrößen
der Netzqualität ermöglichen dem VNZ-Agenten den Netzzustand in
seinem Zuständig keits bereich zu bestimmen. Während der VNZ-Agent
aus Entflechtungsgründen nur für die Netzführung in dezentralen Struk-
turen des Verteilungsnetzes zuständig sein kann, lassen sich dezentrale
Marktfunktionen als Bestandteil des Marktplatzes der Energie automati-
siert durch einen Markt-Agenten umsetzen. Markt-Agenten und Netz-
Agenten interagieren automatisiert zur Abbildung der entflechteten
energiewirtschaftlichen Prozesse in regionalen Strukturen. Im E-Energy-
Projekt Modellstadt Mannheim (moma) wird diese Agentenstruktur zur
Abbildung der zwecks Komplexitätsbeherrschung zellularen Struk-
tur des Energiesystems aus Objektnetzzellen (Gebäude und mobile
66 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
Objekte der Netznutzer), Verteilungsnetzzellen (regionale Netzgebiete)
und Marktzellen (regionale Energiemärkte) konzipiert und in ersten
Feldversuchen errichtet. Die Agenten bilden Teilnehmer (Elemente) im
intelligenten Energieversorgungssystem.
Die VNZ-Agenten sind kommunikativ verbunden und verhalten sich
kooperativ, um gemeinsam zur Netzstabilität beizutragen. Darüber
hinaus besteht eine Kommunikationsverbindung zum VNZ-Agenten der
Mittelspannungsebene, der die Verteilungsnetzzellen der Niederspan-
nung zusammenfasst und auch die Steuerung von Objektnetzzellen
übernimmt, welche direkt an die Mittelspannung angeschlossen sind
(z.B. Industriebetriebe und Windkraftanlagen). Auch auf dieser Ebene
werden zusätzliche Messungen vorgenommen, um den Netzzustand
erfassen zu können. Wie in Abbildung 12 angedeutet, ist auch der
VNZ-Agent der Mittelspannungsebene mit benachbarten VNZ-Agenten
verbunden und in die höhere Steuerungsebene (Leitwarte des Vertei-
lungsnetzbetreibers) integriert.
Abbildung 1�: Agenten�orientierte �ellstruktur im Smart �nergy System
Kommunikationsmittel
Für den Informationsaustausch zwischen dem VNZ-Agenten und seinen
zugeordneten ONZ-Agenten ist eine auf TCP/IP basierende Kommuni-
kationstechnologie wünschenswert. Aus diesem Grund kommen im
Wesentlichen nur zwei grundsätzliche Übertragungsmöglichkeiten
in Frage. Zum einen die Übertragung direkt über das Stromnetz mit
Hilfe von breitbandiger Power Line Carrier-Kommunikation (BPL), zum
anderen die Nutzung der öffentlichen Telekommunikationsinfrastruktur
über DSL, Breitbandkabel, Glasfasernetz oder GSM/UMTS. Die Ver-
wendung von Breitband-BPL hat den Vorteil, dass die Signale überall
67 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
verfügbar sind, wo auch ein Anschluss an das Stromnetz vorhanden
ist, und sich damit eine kostengünstige Kommunikationsinfrastruktur
herstellen lässt. Die Nutzung aller anderen öffentlichen Telekommunika-
tionsmedien bietet sich natürlich genauso an, da immer mehr Haushalte
über einen Breitbandinternetanschluss mit Flatrate-Tarif verfügen und
die bislang unerschlossenen Gebiete in Zukunft durch den Einsatz des
Mobilfunkstandards LTE (UMTS-Nachfolger) mit Breitband versorgt
werden sollen. Da diese Kommunikationswege nicht garantiert verfüg-
bar sind, werden zukünftig neue Partnerschaften zwischen Energie-
netzbetreibern und Telekommunikationsanbietern notwendig. Zudem
müssen besonders hohe Ansprüche an Sicherheit und Integrität der zu
übertragenden Daten gestellt werden, d.h. es muss eine entsprechende
Sicherheits infrastruktur für die kritische Energieinfrastruktur betrieben
werden (siehe Abschnitt 2). Für die Kommunikation zwischen den VNZ-
Agenten untereinander kommen ebenfalls alle genannten verfügbaren
Telekommunikationsmittel für eine IP-basierte Kommunikation in Frage.
Aufgrund der im Vergleich zu den ONZ-Agenten sehr geringen Zahl der
VNZ-Agenten können mehrere Kommunikationswege parallel genutzt
werden. Wichtig ist, dass mehrere physische Netze zu einem beson-
ders abgesicherten virtuellen Netz zusammengeführt werden.
Ausführungsumgebung
Die ONZ-Agenten können als Teil eines Energie-Management-Gate-
ways im Hoheitsbereich der Netznutzer betrachtet werden. Die Open
Gateway Energy Management Alliance (OGEMA) entwickelt eine offene
Software-Plattform, die als „Betriebssystem für das Energy-Manage-
ment“ bezeichnet wird und die Einbindung von beliebigen Kommu-
nikationssystemen erlaubt [41]. Konkrete Applikationen und Dienste
können für diese Plattform in Java entwickelt werden. Somit kann die
softwaretechnische Umsetzung des ONZ-Agenten als ein Dienst auf
Grundlage von OGEMA erfolgen.
Die VNZ-Agenten sind dem Verteilungsnetzbetreiber zugeordnet und
können daher in den Ortsnetzstationen untergebracht werden, die zu
diesem Zweck mit Kommunikationseinrichtungen und einem entspre-
chenden Rechner (Industrie-PC) ausgestattet werden müssen. Da sich
die Aufgaben von VNZ-Agenten und ONZ-Agenten ähneln, liegt es
nahe, hierfür auch die gleiche Ausführungsumgebung bereitzustellen.
Somit bietet es sich an, auch für den VNZ-Agenten die OGEMA-Platt-
form zu verwenden und diese ggf. zu erweitern.
Aufgrund der Agenten-orientierten Sichtweise auf die Verteilungsnetz-
automation sollte auch der Einsatz spezieller Agenten-Technologien
erwogen werden. Die „Foundation for Intelligent Physical Agents“ (FIPA)
ist ein Standardisierungsgremium in der IEEE Computer Society mit
dem Ziel eine Kommunikationsgrundlage für heterogene, interagierende
Agentensysteme zu schaffen [25]. Dies schließt sowohl die Standardi-
sierung von Agenten-Plattformen als auch die Spezifikation der Inter-
68 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
aktionen der Agenten ein. Mehrere offene und kommerzielle Imple-
mentierungen dieser Spezifikationen sind verfügbar, die überwiegend
in Java realisiert sind. Anstelle der Verwendung eines vollständigen
Agenten-Frameworks kann bereits die Nutzung einzelner Standards
(z.B. FIPA Agent Management Specification oder FIPA Agent Communi-
cation Language) vorteilhaft sein.
Eine alternative Implementierungsform der VNZ-Agenten stellen die im
nächsten Abschnitt betrachteten Funktionsbausteine nach IEC 61499
dar, die als Weiterentwicklung der klassischen SPS-Programmierkon-
zepte nach IEC 61131-3 zu verstehen sind. Ihr Einsatz ist besonders
bei der Steuerung von heterogenen und vergleichsweise statischen
Strukturen sinnvoll, wie sie bei der Schutztechnik in der Mittelspannung
zu finden sind, und weniger für die homogene Gemeinschaft von VNZ-
Agenten.
Schnittstellen
Für die von den ONZ-Agenten bereitgestellte Schnittstelle ist eine Stan-
dardisierung unerlässlich, da die VNZ-Agenten eine Vielzahl von Objekt-
netzzellen einbinden müssen und der Aufwand zur Integration proprie-
tärer Lösungen zu groß wäre. Diese Schnittstelle wird im Systemmodell
Smart Energy System (Abschnitt 5.3) auch als bidirektionales Energie-
management-Interface (BEMI) bezeichnet. Dabei ist zu beachten, dass
es verschiedene Klassen von Objektnetzzellen bzw. Netznutzern gibt
(z.B. direkt steuerbare Erzeugeranlagen/indirekt steuerbare Haushalte),
die ggf. unterschiedliche Ausprägungen der Schnittstelle erfordern.
Im Gegensatz dazu muss die funktionale Schnittstelle zwischen den
VNZ-Agenten sowie deren Steuerungsalgorithmen nicht notwendiger-
weise vollständig standardisiert werden, da angenommen werden kann,
dass alle VNZ-Agenten innerhalb eines konkreten Verteilungsnetzberei-
ches vom selben Anbieter stammen. Eine zu große Abhängigkeit von
einzelnen Anbietern kann vermieden werden, indem die Plattform bzw.
Ausführungsumgebung standardisiert und somit von der softwaretech-
nischen Implementierung der VNZ-Agenten getrennt wird. Ein Wechsel
zu einem anderen Anbieter von VNZ-Agenten kann dann durch ein
Software-Update vollzogen werden, ohne dass Hardware ausgetauscht
werden muss.
5.4.2 Verteilte Steuerung von Schutzsystemen in der Mittelspannung mit Funktionsbausteinen
Die von deutscher Seite maßgeblich miterarbeitete Normenreihe
IEC 61499 definiert ein generisches Modell für verteilte Steuerungssys-
teme. Sie stellt eine Weiterentwicklung der IEC 61131 dar, die sich im
allgemeinen Automatisierungsbereich für zentrale Programme durch-
gesetzt hat und eignet sich besonders für die Steuerung heterogener
Systeme. Aus diesem Grund empfiehlt sich der Einsatz der Normen-
reihe IEC 61499 für die verteilte Steuerung von Schutzsystemen in der
69 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
Mittelspannung. Ein Überblick zur verteilten Steuerung mit Funktions-
bausteinen nach IEC 61499 wird in Abschnitt 5.6.3 gegeben.
Die Vorteile von Funktionsbausteinen nach IEC 61499 für die Steuerung
von Schutzgeräten in Energienetzen wurden in [30] und [53] heraus-
gearbeitet. Die Steuergeräte werden durch den Einsatz von IEC 61499
offen programmierbar und leicht rekonfigurierbar. Sie könne einfach
miteinander gekoppelt werden, so dass die Steuerungsaufgaben auf
verschiedene Geräte verteilt werden können. Durch die Simulierung der
aus Funktionsbausteinen aufgebauten Programme ist eine Validierung
der verteilten Automatisierungsfunktionen möglich. Die Möglichkeiten
zur Wiederverwendbarkeit, Simulierbarkeit und Flexibilität bei der Ver-
teilung sind bei der gegenwärtigen SPS-Technik nicht vorhanden.
Das Konzept der Funktionsbausteine kann genutzt werden, um logi-
sche Knoten und Geräte in Energieversorgungssystemen herstellerun-
abhängig zu implementieren, einschließlich der Funktionen zum Erzeu-
gen und Verarbeiten der Datenstrukturen der logischen Knoten. In [51]
wurden logische Knoten mit IEC 61499 realisiert, indem die Dienste auf
Ereignisse und die Dienst-Parameter auf Eingabedaten des zugehöri-
gen Funktionsblocks abgebildet wurden.
Eine genaue Untersuchung des Konzeptes der dezentralen Steuerung
durch verteilte Funktionsbausteine wurde in [51] und [52] vorgenom-
men. Hierbei werden die einzelnen Geräte mit Steuerungslogik aus-
gestattet (siehe Abbildung 13), so dass sie nicht einfach nur alle Infor-13), so dass sie nicht einfach nur alle Infor-), so dass sie nicht einfach nur alle Infor-
mationen an die höhere Ebene in der Hierarchie weiterleiten, sondern
selbstständig Entscheidungen treffen, sofern die erforderlichen Infor-
mationen verfügbar sind. Durch diesen Ansatz vereinfachen sich die
Steuerungsalgorithmen, die dadurch zuverlässiger werden. Die einzel-
nen Geräte werden unabhängiger und das Gesamtsystem kann leichter
rekonfiguriert werden. Das Konzept der verteilten Steuerung mit Funk-
tionsbausteinen wurde in [51] erfolgreich an einem einfachen FLISR-
Szenario (fault location, isolation and supply restoration) angewendet.
70 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
Abbildung 13: Steuerung in der Mittelspannungsebene durch ein Net�werk von
Funktionsblöcken [53]
Die beschriebenen Ansätze haben den Vorteil, dass Lösungskonzepte
der Automatisierungstechnik aus den Bereichen Fertigungs- und Ver-
fahrenstechnik auf die Steuerung von Verteilungsnetzen in den unteren
Spannungsbereichen angewendet werden können. Dadurch können die
existierenden Erfahrungen vor allem auf dem Gebiet dezentraler und
verteilter Steuerungssysteme mit IEC 61499 in verhältnismäßig kurzem
Zeitraum zu zuverlässigen und tragfähigen Lösungen führen. Zuvor
muss jedoch noch tiefer untersucht werden wie die Normenreihen IEC
61850 und IEC 61400-25 erweitert werden können, um die Anwendung
von IEC 61499 für Automatisierung in elektrischen Netzen zu definieren
(siehe Abschnitt 7.1.2).
5.5 Szenarien und Use Cases für die Automatisierung im Verteilungsnetz
Nachdem in den vorausgegangenen Abschnitten die prinzipielle Not-
wendigkeit für den Ausbau der verteilten Automatisierung auch im Nie-
derspannungsbereich der Verteilungsnetze dargestellt, die Begriffe der
Energiesystem-Modellierung eingeführt und mögliche Architekturen von
Steuerungssystemen erläutert wurden, sollen im Folgenden konkrete
Anwendungen für die Automatisierung präsentiert werden. Der Schwer-
punkt liegt hierbei auf Anwendungen zur Erbringung von Systemdienst-
leistungen durch dezentrale Energiegewinnungsanlagen.
71 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
5.5.1 Steuerung und Regelung von Erzeugung und Verbrauch in den Niederspannungsnetzen
Systemdienstleistungen zur Erhöhung der Netzstabilität in Verteilungs-
netzen erfordern – wie bereits motiviert – das Monitoring betriebsrele-
vanter Kenngrößen in Echtzeit, um neuartige Versorgungskonfiguratio-
nen – hervorgerufen durch dezentrale Energiegewinnungsanlagen mit
stochastischem Verhalten und zusätzliche Lasten wie z.B. Elektrofahr-
zeuge – auf das Einhalten betrieblicher Grenzwerte hin zu überprüfen.
Die Verteilungsnetze auf der Niederspannungsebene werden, wie
bereits in Abbildung 3 angedeutet, zumeist strahlenförmig betrieben.
An einem solchen Leitungsstrang befinden sich mehrere Anschlüsse
hintereinander (siehe Abbildung 14). Bei dieser Betriebsweise ist neben
den Leistungsflüssen das Spannungsprofil entlang der Leitung als
kapazitätsbegrenzende Größe von großer Bedeutung.
Die Netzspannung in den Verteilungsnetzen hat eine Soll- oder Bemes-
sungsspannung von UN = 0,4 kV und darf nur innerhalb eines engen
Spannungsbandes Umin ≤ UN ≤ Umax schwanken (in der Regel um
±10%). Eine Einspeisung hebt typischerweise lokal das Spannungs-
niveau, während eine Leistungsentnahme lokal das Spannungsniveau
senkt. Abbildung 14 zeigt schematisch einen Abfall des Spannungs-14 zeigt schematisch einen Abfall des Spannungs- zeigt schematisch einen Abfall des Spannungs-
niveaus entlang des dargestellten Leitungsstrangs. In diesem Beispiel
bewirkt die Leistungsentnahme der einzelnen Haushalte (bei maximaler
Anschlussleistung) einen Abfall des Spannungsniveaus auf UN = Umin
am vierten Knoten. Der Leitungsstrang wäre in diesem Beispiel also
exakt auf eine Worst-Case-Belastung ausgelegt und unterschreitet
nicht die untere Grenze des erlaubten Spannungsbands Umin.
NU
maxU
minU
1 2 3 4
Abbildung 14: Ab�all des Spannungsniveaus entlang eines Leitungsstrangs
Abbildung 15 zeigt den entgegengesetzten Fall bei gleichzeitiger maxi-15 zeigt den entgegengesetzten Fall bei gleichzeitiger maxi- zeigt den entgegengesetzten Fall bei gleichzeitiger maxi-
maler Einspeisung entlang des Leitungsstrangs an den Knoten 1 – 4.
Die Einspeisung der Einzelhaushalte mit maximaler Anschlussleistung
bewirkt einen lokalen Anstieg der jeweiligen Spannungsniveaus. Das
maximale Spannungsniveau Umax wird entlang des Leitungsstrangs
dabei nicht überschritten (Worst-Case-Auslegung der Leitung).
72 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
NU
maxU
minU
1 2 3 4
Abbildung 15: Anstieg des Spannungsniveaus entlang eines Leitungsstrangs
In Verteilungsnetzen mit einer hohen Dichte an dezentraler Stromer-
zeugung kommt es entlang eines Leitungsstrangs typischerweise zu
wechselnden Einspeise- und Entnahmekonfigurationen. Abbildung 16
zeigt das resultierende Spannungsniveau bei wechselnder Einspeisung
und Leistungsentnahme (zum Vergleich sind die Spannungsprofile aus
Abbildung 14 und Abbildung 15 mit eingezeichnet). Das resultierende
Spannungsprofil ergibt sich bei einer maximalen Einspeisung an den
Knoten 1 und 3, während an den Knoten 2 und 4 maximale Leistung
entnommen wird. Die Änderungen im Spannungsniveau kompensieren
sich derart, dass das resultierende Profil entlang des Leitungsstrangs
nur minimal um die Nennspannung UN schwankt.
NU
maxU
minU
1 2 3 4
Abbildung 16: Spannungspro�il entlang eines Leitungsstrangs bei wechselnden
�inspeisekon�igurationen
Unter wechselnden Einspeise- und Entnahmekonfigurationen ist es
daher denkbar, einzelne Anschlüsse über ihre maximale – durch Worst-
Case-Abschätzungen bestimmte – Anschlussleistung hinaus (unter
Berücksichtigung der maximalen Leitungsströme) zu betreiben und
ggf. drohende Spannungsbandverletzungen durch Eingriffe in das
Verhalten ausgewählter Einspeiser und Lasten (entsprechend kom-
plementäre Einspeise- und Verbrauchskonfigurationen) zu verhindern.
Da solche Situationen nur Ausnahmefälle darstellen, werden auf diese
Weise bei einem koordinierten Betrieb deutlich höhere Einzelanschluss-
leistungen als bisher möglich und damit eine effizientere Ausnutzung
73 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
bereits existierender Verteilungsnetze. Eine derartige Erhöhung von
Einzelanschlussleistungen ist für Szenarien mit vermehrtem Einsatz von
Elektrofahrzeugen interessant. Bei dem Betrieb von Elektrofahrzeugen
steigt der Bedarf an höheren Anschlussleistungen, um die Ladezeiten
für die Elektrofahrzeuge zu reduzieren. Die Effizienz von Verfahren zum
kurzfristigen Ausgleich und zur Verstetigung von Lastgangkurven (DSM,
V2G) ließe sich hierdurch ebenfalls deutlich erhöhen, da die Geräte
bei Bedarf deutlich mehr Leistung verschieben und damit stärkere
Leistungsspitzen ausgleichen könnten. Mit der Nutzung koordinierter
Last- und Lademanagementverfahren lässt sich ein kostenintensiver
Netzausbau zur Erhöhung der Worst-Case-Übertragungskapazitäten
umgehen, bei gleichzeitiger Erhöhung einzelner individueller Anschluss-
leistungen. Dies stellt eine kostengünstige Alternative dar, bei der die
bestehende Netztopologie weiterhin – aber deutlich effizienter – genutzt
wird [34] [35] [36] [39].
5.5.2 Systemdienstleistungen im Kontext E-MobilitätElektrofahrzeuge, die zu einem Großteil des Tages parken, besitzen
theoretisch das Potential, ihre gespeicherte Energie und die Anschluss-
leistung für Netzdienstleistungen bereitzustellen. In diesem Zusammen-
hang wird häufig diskutiert, dass die Speicher von Elektrofahrzeugen
zum Ausgleich schwankender Wind- und Solarenergie genutzt werden
könnten. Dies muss nicht unbedingt mit einer Rückspeisung von
Energie aus dem Speicher ans Netz einhergehen. Bereits das Lastver-
schiebepotenzial, also ein Verschieben des Ladezyklus der Batterie
in Abhängigkeit des Netzzustandes – unter Einhaltung des Ziels, zu
einer bestimmten Zeit eine vollgeladene Batterie zu haben – können
wesentliche Effekte erzielt werden. Tarifliche Anreize für solche oder
andere Netzdienstleistungen können durch flexible Abrechnungskon-
zepte realisiert werden. Zur gesicherten Erbringung von Sekundär- oder
Minutenreserve wäre eine durchgängige Kommunikationsverbindung
zwischen einer sehr großen Zahl von Elektrofahrzeugen erforderlich
[44]. Es würde hierbei jedoch ein Abruf der Leistung mit einer hohen
Gleichzeitigkeit notwendig sein, die sich aus Gründen des Netzbetriebs
nur in Verbindung mit einer zusätzlichen Koordination zwischen betei-
ligten Akteuren realisieren ließe (siehe auch Kapitel 2.3.2).
Die VDE-Studie „Elektrofahrzeuge“ [49] stellt fest, dass für eine trans-
parente Aufteilung von Kosten auf mehrere Nutzer in einer Ladeinfra-
struktur (Betriebsparkplätze, Mehrfamilienhäuser etc.) zur Verrechnung
der Ladestrommengen eine durchgängige Kommunikationsinfrastruktur
für ein Abrechnungssystem notwendig ist, welches eine einfache und
fahrzeugbezogene Abrechnung erlaubt. Für eine bargeldlose, automa-
tisierte Abrechnung des bezogenen Ladestromes ist eine gesicherte
Kommunikationsverbindung zwischen Fahrzeug bzw. Ladestation
und einem Abrechnungssystem notwendig. Die Umsetzung dieser
Kommunikation sollte mit Blick auf zukünftige Anwendungen nicht nur
74 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
heutigen, sondern bereits zukünftigen Anforderungen gerecht werden.
Dies erfordert frühzeitige Vereinheitlichung und Standardisierung, nicht
zuletzt um der Zulieferindustrie auf Netz- und Fahrzeugseite ein zeitna-
hes Reagieren auf die Entwicklung des Fahrzeugmarktes zu ermögli-
chen und somit die Einführung der Elektrofahrzeuge zu beschleunigen.
Es existieren bereits verschiedene Lade- und Abrechnungskonzepte
für Elektrofahrzeuge [6] [22] [23]. Dabei werden hauptsächlich zwei
Kommunikationskonzepte verfolgt, mit denen eine fahrzeugbezogene
Abrechnung der Ladestrommengen möglich ist. Die Konzepte unter-
scheiden sich im Wesentlichen durch die Anbindung der Fahrzeuge an
das Abrechnungssystem. Es wird zwischen einer direkten und einer
indirekten Abrechnungsvariante unterschieden.
Ladestation/Zähler
AbrechnungssystemPLC, WLAN, RFID GSM/GPRSFahrzeug
Ladestation/Zähler
AbrechnungssystemPLC, WLAN
PLC, GSM/GPRS, DSLFahrzeug
a)
b)
Abbildung 17: a) indirekte und b) direkt Kommunikationsanbindung des Fahr�euges an
das Abrechnungssystem [49]
Bei der indirekten Variante in Abbildung 17 a) kommuniziert das Fahr-17 a) kommuniziert das Fahr- a) kommuniziert das Fahr-
zeug z. B. via Power-Line-Communication (PLC) oder WLAN mit der
Kommunikationseinheit der stationären Messeinrichtung. Die Verbin-
dung zum Abrechnungssystem könnte über PLC, GSM/GPRS oder bei
Haushalten auch über eine übliche DSL-Internetverbindung hergestellt
werden. Bei der direkten Variante in Abbildung 17 b) bieten sich für die
Kommunikation zwischen Fahrzeug und Abrechnungssystem Mobil-
funklösungen an. Die Kommunikationsverbindung zwischen Fahrzeug
und Messeinrichtung kann wiederum über PLC oder WLAN realisiert
werden. Alternativ könnte auch ein RFID-System eingesetzt werden,
bei dem das Fahrzeug über einen Chip am Ladeanschluss die Identifi-
kationsnummer des Anschlusszählers sowie laderelevante Parameter,
wie z. B. den maximal zulässigen Ladestrom, auslesen kann. Hier muss
der stationäre Zähler keine Kommunikationsverbindung mit dem Fahr-
zeugabrechnungssystem haben (in diesem Fall muss ein abrechnungs-
relevanter Zähler im Fahrzeug installiert werden). Dieses Konzept bietet
die flexibelste Möglichkeit, den Fahrzeugstrom individuell, fahrzeugbe-
zogen abzurechnen, unabhängig davon, ob das Fahrzeug im privaten,
halböffentlichen oder öffentlichen Raum geladen wird. Aus pragmati-
schen Gründen der klaren Trennung zwischen Fahrzeug und Lade- bzw.
Abrechnungsinfrastruktur wird heute zumeist noch das Konzept a)
realisiert.
75 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
Sammel-stationszähler
Lade-station
Lade-station
Lade-station
ZählerLadegerätBatterie ZählerLadegerätBatterieZählerLadegerätBatterie
Abrechnungs-system
ID
ID ID
ID + Zählerstand
ID + Zählerstand
ID + Zählerstand
Abbildung 18: ��entliche Ladestationen mit Sammelstations��hler [49]
Die Abrechnungsmodelle sind insbesondere abhängig vom jeweiligen
Ladebereich (öffentlich oder privat). Die Anforderungen nähern sich
aber bei zunehmender Marktdurchdringung von Elektrofahrzeugen
einander an. Beim Laden im öffentlichen Bereich sind verschiedene
Zahlungsarten denkbar wie z. B. Barzahlung oder bargeldlose Varianten
per Chip-Karte, Mobiltelefon oder mit mobilfunkähnlichen Verträgen.
Hier kann auf eine Kommunikationsverbindung zum Fahrzeug verzich-
tet werden. Öffentliche und private Ladestationen könnten auch wie in
Abbildung 18 an einem gemeinsamen Anschluss mit Sammelstations-18 an einem gemeinsamen Anschluss mit Sammelstations- an einem gemeinsamen Anschluss mit Sammelstations-
zähler angeschlossen werden. Voraussetzung für dieses Konzept ist ein
Zähler im Fahrzeug. Dieser fahrzeugseitige Zähler liest die Nummer des
Sammelstationszählers über eine Kommunikationsverbindung aus und
übermittelt diese zusammen mit dem aktuellen Stand an das Abrech-
nungssystem. Der Strombezug wird automatisch vom Abrechnungs-
system zwischen Fahrzeug und dem Anschluss des Sammelzählers
verrechnet (indirekte Verrechnung). Diese Ladestationen könnten vor-
aussichtlich einfacher und kostengünstiger installiert und problemlos in
Straßenlaternen, Parkuhren, sonstige Automaten etc. integriert werden.
Mit diesem Konzept können Lademöglichkeiten auch für die Fahrzeuge
bereitgestellt werden, die überwiegend am Straßenrand parken.
5.5.3 Systemdienstleistungen als Geschäftsmodell für Anlagenbetreiber im Verteilungsnetz und in Objekten
Derzeit werden sowohl dezentrale Energiegewinnungsanlagen (DEA)
auf Basis erneuerbarer Energiequellen als auch konventionelle Anlagen
vorrangig in Form von KWK-Anlagen an das Verteilungsnetz im Nieder-
und Mittelspannungsbereich angeschlossen, wobei in der Regel die
elektrische Energie in maximal möglicher Leistung in das Netz einge-
speist wird. Mit der rasanten Zunahme von DEA, z.B. Photovoltaik-(PV)
und Kraftwärmekopplungs- (KWK) Anlagen sowie kleinen Windkraft-
anlagen, nimmt die installierte Leistung zunehmend Einfluss auf die
Netzsituation. Die noch in der industriellen Erprobung befindlichen
Brennstoffzellen und Mikrogasturbinen werden zukünftig diesen Anteil
76 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
noch erhöhen. Zu welchem Zeitpunkt und in welcher Höhe derzeit die
Einspeisung erfolgt, bleibt letztlich dem Betreiber überlassen. Wegen
der aktuell fehlenden Beobachtbar- und Steuerbarkeit der DEA ist das
Verteilungsnetz „blind“ bezüglich der Einspeisung auf der Niederspan-
nungsseite. Zukünftig müssen diese Anlagen in die Netzbeobachtung
einbezogen werden. Weiterhin können Systemdienstleistungen durch
die DEA erbracht werden. Auf dieser Grundlage werden neue Use
Cases für das Netzlastmanagement entwickelt. Ziel eines kombinierten
Erzeugungs- und Lastmanagements unter zusätzlichem Einsatz dezent-
raler Energiespeichermethoden ist die Abstimmung von Erzeugung und
Verbrauch u.a. durch einen gezielten Speichereinsatz unter Berücksich-
tigung der Last- und Erzeugungsprognosen.
Aus wirtschaftlicher Sicht ist die direkte Regelung von Photovoltaik-
anlagen nicht sinnvoll, da die variablen Kosten für die Erzeugung Null
sind. Eine Abregelung ist allenfalls dann sinnvoll, wenn anders kein
Leistungsgleichgewicht im Netz hergestellt werden kann.
Anderseits sind in der Objektdomäne der Netznutzer (Wohnobjekte,
gewerbliche Objekte, Industrieobjekte, mobile Objekte) zunehmend
mehrere Anlagen der Mikroerzeugung (PV-Anlage, Mikro-KWK, Klein-
Windanlagen), intelligente Wechselrichter, die inselfähige Objektnetze
mit Synchronisationsfähigkeit ermöglichen, sowie Speicher (therm.
Speicher, stationäre Batterie, Batterie des E-Mobils, Brennstoffzelle)
vorhanden. Insoweit kann ein Energiemanager im Objekt, der gleich-
zeitig die bidirektionale Kommunikationsschnittstelle in die Außenwelt
zu verschiedensten markt- und netzseitigen Rollen des Energiesystems
darstellt, Entscheidungsalgorithmen für Eigeneinsatz und verschiedene
Vermarktungsmechanismen zu virtuellen Kraftwerken, zu Händlern, zu
Netzsystemen besitzen. Damit kann durch automatisierte Entscheidun-
gen zwischen Eigenbedarf und verschiedenen Vermarktungsmechanis-
men gewechselt werden, womit Wirk- und Blindleistungsbeeinflussung
des Objektes als Energiesenke und Energiequelle möglich werden,
ohne direkt mit einer einzelnen Anlage im Objekt kommunizieren zu
müssen.
Weiteres Potenzial zur Regelung der Erzeugung in der Niederspannung
besitzt die zunehmende Anzahl an KWK-Anlagen. Voraussetzung für
einen wirtschaftlichen Betrieb dieser Anlagen ist zum einen die Kennt-
nis des Leistungsbedarfes im Netz, zum anderen die Kenntnis über die
entsprechenden Preisangebote. Strombetriebene Wärmepumpen mit
Pufferspeicher haben unter geeigneten Bedingungen zusätzliche Poten-
ziale für das Lastmanagement (positive wie negative Ausgleichsenergie)
und sind – anders als z.B. Elektrofahrzeuge – bereits in erheblicher und
wachsender Zahl im Markt vertreten. Zum Einsatz von KWK-Anlagen
sowie der Wärmepumpen mit Wärmespeichern sind in weiteren Arbei-
ten noch Technologielinien, Anlagengrößen und Auslegungen zu bewer-
ten – einschließlich der Wechselwirkungen zwischen Anlageneffizienz
und der Speichereffizienz. Dabei sind sowohl positive als auch negative
77 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
Ausgleichsenergie auf verschiedenen Spannungs- und Netzebenen
detailliert zu betrachten und auf technische Optimierungsmöglichkeiten
zu untersuchen.
Sowohl das Erzeugungs- als auch das Lastmanagement setzen in
Zukunft variable Tarife für den DEA-Betreiber und den Stromverbrau-
cher voraus. Dazu ist die Übermittlung von aktuellen Preisen oder
zumindest von festgeschriebenen Preisverläufen über den Tag notwen-
dig.
Folgende Systemdienstleistungen im Rahmen neuartiger Geschäfts-
modell für DEA-Betreiber können erbracht werden.
Blindleistungsregelung
Der Anschlussnehmer im Niederspannungsnetz muss unter Berück-
sichtigung des zulässigen Spannungsbandes einen Leistungsfaktor =
0,9 kapazitiv und 0,8 induktiv einhalten. Zur Erfüllung dieser Vorgaben
nimmt der Anschlussnehmer gegebenenfalls eine Messung und Rege-
lung der Blindleistung am Netzanschlusspunkt vor. Vorgeschlagen wird,
zukünftig eine Blindleistungskompensation durch DEA mit Wechselrich-
ter als wirtschaftlich interessante Alternative zu klassischen Blindleis-
tungskompensationsanlagen einzusetzen. Wird die Blindleistungskom-
pensation rund um die Uhr benötigt, ist der Einsatz von DEA wirtschaft-
lich uninteressant, da die bei der Blindleistungskompensation auftreten-
den Verluste in den Leistungshalbleitern eine Verdopplung der Leistung
der DEA erfordern. Die Kosten für die in den Wechselrichter integrierte
Blindleistungskompensation liegen etwa 45% über einer konventionel-
len Lösung. Dabei sind die Kosten der erforderlichen Regeleinheit noch
nicht enthalten. Wird die Blindleistung nicht zum Zeitpunkt des Leis-
tungsmaximums des Wechselrichters benötigt, ist die Blindleistungs-
kompensation durch DEA unter Umständen wirtschaftlich interessant.
Diesbezügliche Untersuchungen werden derzeit durchgeführt.
Spannungsregelung
Die Netzbetreiber sind verpflichtet, die Netzspannung innerhalb des
zulässigen Bereiches zu halten. Derzeit wird untersucht, ob DEA durch
die gezielte Erhöhung oder Reduzierung der Wirkleistungs- oder Blind-
leistungseinspeisung die Spannungshaltung unterstützen können.
Dabei wird insbesondere bei Mikroerzeugungsanlagen in den Objekten
der Netznutzer ein intelligentes Gateway mit einem Energiemanager
benötigt, der auf Grundlage variabler Liefer- und Erzeugungspreise
in der Lage ist, automatisiert zu entscheiden, ob erzeugter Strom im
Objekt selbst verbraucht oder gespeichert wird, oder ob der Strom
als Alternative dem Netz zur Spannungsregelung durch Wirkleistungs-
beeinflussung zur Verfügung gestellt wird.
78 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
5.6 Standards für Protokolle und DatenmodelleStandards in der Energiewirtschaft werden auf verschiedenen Ebenen
und in unterschiedlichen Gremien und Organisationen erarbeitet. Die
IEC ist ein internationales Normierungsgremium im Bereich der Elektro-
technik. Neben der „International Organization for Standardization“
(ISO) und der „International Telecommunication Union“ (ITU) ist die IEC
das wichtigste Gremium für Standardisierung im Umfeld der elektri-
schen und elektronischen Anlagen und Geräte.
Bei der IEC TC 57 handelt es sich um ein Systemkomitee, zu dessen
Aufgabenbereich neben den einzelnen Komponenten, wie z.B. Schal-
tern und Schutzfunktionen, auch die übergeordneten Ebenen der Sys-
temvernetzung, Überwachung, Steuerung, interner Informationsaus-
tausch und externe Schnittstellen gehören. Innerhalb dieses Bereiches
wurden bisher 63 Normen veröffentlicht, unter anderen das CIM und
die IEC 61850.
Auf nationaler Ebene werden in Deutschland die relevanten Standards
im VDE (Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik)
genormt bzw. die Arbeiten der IEC gespiegelt. Die DKE 952 Gruppe
Netzleittechnik ist das deutsche Spiegelgremium zur IEC TC 57 und
bildet deren Arbeit in der nationalen Normung ab.
Abbildung 19: I�C TC 57 Seamless Integration Architecture 6�357
79 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
5.6.1 IEC 61850Wichtigste Voraussetzung für die Vernetzung einer Vielzahl von Kompo-
nenten in einem System ist eine eindeutig definierte Art der Kommuni-
kation. Hierzu sollte nach Möglichkeit eine einzige allen Komponenten
gemeine Sprache (Protokoll) verwendet werden, zumindest aber eine
sinnvolle Beschränkung auf wenige etablierte Sprachen stattfinden. Nur
so lässt sich ein Informationsaustausch zwischen den Komponenten
langfristig erfolgreich und kosteneffektiv nutzen. Erst die Verwendung
eindeutig definierter Protokolle, welche die Informationsobjekte und
deren Manipulation durch entsprechende Services beschreiben, erlaubt
den Aufbau mitunter komplexer, aber dennoch interoperabler Systeme.
Somit ist die Grundlage für ein langfristig funktionierendes Gesamtsys-
tem gegeben. Dabei bedeutet dies keineswegs, ein statisches System
aufzubauen, sondern erlaubt es sehr wohl, das System in der Zukunft
flexibel zu erweitern und neue Funktionalitäten hinzuzufügen. Diese
Leitgedanken begleiteten den Entwurf der IEC 61850 und spiegeln sich
daher konsequent in der Objektorientierung des Informationsmodells
sowie einer strikten Trennung zwischen Datenmodell und Kommunika-
tion wider. Hierdurch wird eine langfristig unabhängige Beschreibung
eines Systems mitsamt seiner zugeordneten Funktionen gewährleistet
und behält auch bei Änderung der Kommunikation prinzipiell seine Gül-
tigkeit bei. Das heißt, es können die einmal erstellten und aufgebauten
Funktionen zukünftig auch auf einen anderen oder weiterentwickelten
Kommunikationsstandard neu abgebildet werden. Dies ist insbeson-
dere vor dem Hintergrund einer sich sehr dynamisch entwickelnden
Energieversorgung mit zunehmender Konzentration auf regenerative
Energien wichtig, zumal sich ähnlich dynamische Entwicklungen im
Bereich der Telekommunikation vollziehen.
Eine wesentliche Anforderung für die Energieversorgung der Zukunft,
wie bereits in Kapitel 2 erläutert, ist sowohl die Erfassung der Werte
von Komponenten im elektrischen Netz als auch die Möglichkeit Steu-
erungs- bzw. Regelungshandlungen auszuführen. Was die elektrischen
Netze mitsamt ihren Prozessdaten der Primär- und Sekundärtechnik
angeht, bietet die IEC 61850 inzwischen ein weltweit akzeptiertes,
einheitliches Protokoll. Es ist Basis für die Mehrzahl neu aufzubauender
Schaltanlagen-Projekte und wird auch für die Erneuerung bzw. Erwei-
terung von Bestandsanlagen genutzt. Nach deutlichen Restriktionen im
Bereich der Schaltanlagen sowie Leittechnik der weltweit zuvor hete-
rogenen Protokollwelt in diesem Bereich bietet die IEC 61850 nunmehr
die Möglichkeit eines nahtlosen Informationsdurchgriffs in vertikaler
(versch. Spannungsebenen) als auch horizontaler (Komponenten auf
einer Spannungsebene) Richtung, ohne dass auf verschiedene Proto-
kolle zwischen den Komponenten verschiedener Hersteller Rücksicht
genommen werden muss. Durch die Unterstützung eines einheitlichen
Protokolls können nun prinzipiell sämtliche Komponenten für den
Aufbau eines Systems genutzt werden, wobei bestimmte Voraussetzun-
80 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
gen an die jeweilige Funktionalität selbstverständlich beachtet werden
müssen.
Zentrale Anwendung der IEC 61850 sind automatisierte Funktionen der
Überwachung, Steuerung und Regelung im Bereich der elektrischen
Netze. Ursprünglich mit dem Ziel entwickelt, eine langfristig verlässliche
Schaltanlagenautomatisierung zu ermöglichen, wurden der Normen-
reihe bereits weitere Normen hinzugefügt, um periphere Bereiche wie
z.B. dezentralisierte Energieversorgung einzubinden (IEC 61850-7-420).
Die Anwendung der Normenreihe fokussiert insgesamt den techni-
schen, nicht aber den geschäftlichen Bereich, wenngleich durch die
gemeinsame Grundlage auf Basis des CIM auch eine gute Vorausset-
zung gegeben ist, Informationen auch anderen Bereichen zugänglich zu
machen und für eine ganzheitliche System-Betrachtung und Interaktion
zu verwenden [37]. Die Kopplung zu den Back-Office Bereichen von
der Betriebsführung über SCADA-Funktionalitäten bis hin zu Funktio-
nen des Asset- und Life-Managements [54] ist daher generell möglich
und erschließt ein umfangreiches Portfolio systemweiter- und über-
greifender Funktionalitäten. Prinzipiell ist bereits mit den bestehenden
Normenteilen die Kommunikation von der Leitstelle bis in den Prozess
auf Ebene der Niederspannung hinein gegeben. Selbstverständlich ist
ein solcher, bis in das Niederspanungssystem greifender Informations-
austausch in aller Regel nicht im Interesse des Bedienpersonals einer
Leitwarte auf Ebene des Übertragungsnetzes, dessen Aufmerksamkeit
vorwiegend den heutigen Prozessen auf den oberen Spannungsebe-
nen gewidmet bleiben werden. Für regionale Netzbetreiber jedoch
eröffnen sich Möglichkeiten, bestimmte, aggregierte Daten aus einer
lokalen Überwachung von Niederspannungsnetzen automatisiert in die
Leitwarten und die Back-Office Prozesse zu übertragen. Zu den denk-
baren Use-Cases zählen z.B. das Abrufen von Grenzwertverletzungen
hinsichtlich Spannungsqualitätsanforderung, welche an zentraler Stelle
ausgewertet, archiviert und für statistische Zwecke oder für das Asset-
bzw. Life-Management Verwendung finden können (Abbildung 20).
Ebenso ist eine temporäre, gezielte Überwachung von lokalen Netzbe-
reichen denkbar.
81 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
Abbildung �0: Vertikaler In�ormationsdurchgri�� aus dem Back�O��ice Bereich bis in
den Pro�ess
Für die Beschreibung von Systemen auf Basis der IEC 61850 dient die
eigens dafür geschaffene XML-basierte Beschreibungssprache SCL
(System Configuration Language). Es ist in naher Zukunft zu erwarten,
dass Engineeringtools in der Lage sein werden, die standardisierten
Daten für den Informationsaustausch sowohl im SCL-Format als auch
im CIM-Format anzubieten [47]. Somit könnte im Engineering der
gesamte Workflow von der Datenakquise bis hin zu abgeleiteten Hand-
lungen entworfen und dokumentiert werden.
5.6.2 IEC 61968 (CIM for DMS)Oberhalb der Automatisierungsebene, die durch die IEC 61850 adres-
siert wird, liegen die SCADA-Systeme sowie sekundäre und primäre
IT-Systeme. Diese Ebene wird durch den stark IT-fokussierten IEC
61970 bzw. 61968 Teil der IEC Referenzarchitektur (SIA) adressiert und
normiert. Eine Übersicht über die Ebenen der SIA bietet Abbildung 19.
Im Bereich der Standardisierung von Systemschnittstellen und Daten-
modellen für die Netzführung sowie der Integration von Anwendungen
in die IT-Systemlandschaft eines EVU hat die IEC seit 1996 das soge-
nannte Common Information Model (CIM) als Basis für die Normenrei-
hen IEC 61968 und IEC 61970 vom Electric Power Research Institute in
den USA übernommen und führt diese Arbeiten seitdem auf internatio-
naler Ebene fort. Diese Normenreihen werden im IEC/TC 57 „Datenmo-
delle, Schnittstellen und Informationsaustausch für Planung und Betrieb
von Energieversorgungssystemen“ hauptsächlich in der WG 13 („EMS
Application Interfaces“) und WG 14 („System Interfaces for Distribution
Management“) gepflegt und von den Tätigkeiten anderer Arbeitsgrup-
pen flankiert. CIM wird im allgemeinen Sprachgebrauch oft als gemein-
82 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
samer Name für die beiden Normenreihen IEC 61968 und IEC 61970
verstanden.
Ziel des CIM ist es, Zeitaufwände und Kosten zu reduzieren, die bei
einer Integration von Anwendungen in einem Energiemanagement-
system (EMS) anfallen, sowie durch die Normung einen gewissen
Investitionsschutz in Systeme zu bieten und den effektiven Betrieb
dieser Systeme sicherzustellen. Das CIM ist dabei als eine Art Integra-
tionsframework aufzufassen. Um die nahtlose (engl.: seamless) Inte-
gration auf vertikaler Wertschöpfungskette zu erreichen, wurden sowohl
verschiedene Schnittstellen und Datenmodelle für EMS als auch das
Verteilungsnetzmanagement (DMS - Distribution Management System)
definiert und standardisiert. Am Markt existieren erste Implementie-
rungen zu den diversen Teilen der Normenreihen. Die Vision bei der
Erstellung des CIM war es, den Herstellern von Systemkomponenten
die Möglichkeit zu bieten, einzelne EMS Komponenten individuell zu
verkaufen und bei den Versorgern die Produkte verschiedener Herstel-
ler kombinieren zu können. In der Tat war die Situation am Markt eher
so, dass EMS-Hersteller die Versorger in eine Abhängigkeit zwangen,
indem sie ihre Systeme eher monolithisch mit proprietären Datenban-
ken und Inter-Application Nachrichten kommunizieren ließen. Diese
Abhängigkeit vom Hersteller sorgte dafür, dass Versorger nicht die
besten, sondern lediglich die für ihre Infrastruktur kompatibelsten Kom-
ponenten auswählen konnten. Ein Austausch einzelner Komponenten
war nicht möglich. Häufig konnte nur ein Austausch bzw. Update des
gesamten Systems durchgeführt werden.
Das EPRI wollte daher standardisierte Schnittstellen schaffen, die defi-
niert und technologieunabhängig für die einzelnen Funktionen (wie im
61968 Teil definiert) angeboten werden sollten. Es ist jedoch klar, dass
nicht nur die Schnittstellen standardisiert werden müssen, sondern vor
allem auch ein gemeinsames Vokabular von besonderer Bedeutung
für eine erfolgreiche Integration ist. Das Konzept eines gemeinsamen
Informationsmodells (engl.: Common Information Model) wurde daher
in die Entwicklung der Norm mit aufgenommen und als erster Schritt
gesehen. Neben dem gemeinsamen Modell, dem eigentlichen CIM (IEC
61970-301 und IEC 61968-11), wurden in der Normfamilie auch zwei
weitere Schnittstellenstandards entwickelt: die sogenannte GID (Gene-
ric Interface Definition), welche eine technologieunabhängige Schnitt-
stelle für bestimmte Klassen von Daten bietet, sowie die SIDMS-Familie
(System Interfaces for Distribution Management Systems), welche
basierend auf den IRM (Interface Reference Model) Funktionsblöcken
der IEC 61968 Familie spezifische Schnittstellen samt XML-basierten
Nachrichten und Use Cases definiert.
Für das CIM existieren vor allem die drei folgenden großen Anwen-
dungsfälle [48]:
� Austausch von Topologiedaten: Das CIM definiert zwei sogenannte
Profile, d.h. eine Untermenge von Objekten und Relationen aus dem
83 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
gesamten CIM-Modell, welche zur Modellierung von Übertragungs-
(CPSM – Common Power System Model) und Verteilungsnetzen
(CDPSM – Common Distribution Power System Model) genutzt
werden können. Zusätzlich wird neben den Objekten auch eine Seri-
alisierung in XML bzw. RDF (Resource Description Framework) durch
die Standards definiert. Dadurch können statische und dynamische
Daten über Stromnetze und ihren Zustand standardisiert zwischen
den betroffenen Systemen in einem EVU, beispielsweise dem
SCADA (Supervisory Control and Data Acquisition), GIS (Geographi-
sche Informationssysteme) oder Asset Management ausgetauscht
werden.
� Kopplung von Systemen: Unter Zuhilfenahme der beiden Schnitt-
stellenfamilien können auf Basis der technologieunabhängigen
Schnittstellen direkte standardkonforme Implementierungen erstellt
werden. Diese Interfaces können zur Kopplung der verschiedenen
Systeme direkt genutzt werden. Ein EVU als Käufer eines Systems
weiß so, welche Funktionen das entsprechende Produkt wie und mit
welchem Verhalten an Daten zur Verfügung stellt und kann die Kom-
ponente besser in seine Systemlandschaft integrieren.
� XML-basierter Nachrichtenaustausch mit CIM-Semantik:
Neben den Interfaces GID und SIDMS kann die CIM-Semantik aus
dem Datenmodell natürlich auch für eigene Nachrichten genutzt
werden. Es existiert die Möglichkeit, mit den CIM-Objekten eigene
XML-Schemata zu erstellen und somit Nachrichten mit standar di-
sierter Semantik zur Kopplung individueller Systeme über eine
SOA zu nutzen. Ein Werkzeug hierfür ist beispielsweise das
sogenannte CIMTool von Langdale Consultants, welches unter
http://www.cimtool.org verfügbar ist.
Das CIM ist vor allem eine formal definierte und abstrakte Darstellung
und Definition von Objekten und ihrer Relationen zueinander im Bereich
der elektrischen Energieversorgung. Dabei handelt es sich sowohl um
konkrete physische Objekte wie einen Leistungsschalter, aber auch um
abstrakte Objekte in einem Informationssystem wie einen Messwert
einer Zeitreihe. Diese Beschreibung ist dabei grundsätzlich plattform-
unabhängig.
Das CIM ist keine konkrete Datenbankumsetzung, d.h. es definiert nicht
eine Umsetzung des Modells in einer physischen Datenbank, sondern
dient zur Integration mit externen Systemen, d.h. Schnittstellen werden
standardisiert und „sollen CIM sprechen“. Ein CIM-kompatibles System
hat lediglich nach außen konforme Schnittstellen zu leisten, die interne
Datenorganisation und auch -speicherung ist durch den Standard
nicht geregelt und somit komplett freigestellt – solange korrekte Daten
nach außen publiziert werden. Ferner ist das CIM nicht „abgeschlos-
sen“. Erweiterungen und Verbesserungen sind sogar ausdrücklich
gewünscht. Dafür existieren verschiedene Erweiterungsmechanismen in
84 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
UML und XML. Das CIM ist auch nicht technologieplattformspezifisch
– es existiert unter Windows, Linux, OS X, C++, C-Sharp, Java, Oracle
oder IBM DB2 – d.h. sowohl Betriebssystem, Programmiersprache als
auch Datenbanken sind frei wählbar.
Abbildung �1: Überblick �ber den Au�bau der CIM�Normen�amilie
5.6.3 IEC 61499 (Funktionsbausteinsysteme)Die Funktionsbausteintechnik wird seit langer Zeit in der Automati-
sierungstechnik zum Entwurf und zur Implementierung von steuerungs-
und prozessleittechnischen Aufgaben verwendet. Neben herstellerspe-
zifischen Lösungen hat sich für die Steuerungsprogrammierung (SPS)
die IEC 61131-3 durchgesetzt. Eine der fünf Programmiersprachen
ist der sogenannte Funktionsplan (FUP). Auch zur Beschreibung von
Gerätefunktionen in der Mess- und Stelltechnik in Zusammenhang mit
den industriellen Feldbussen hat sich das Funktionsbausteinmodell
eingebürgert. Damit sind Anforderungen wie Wiederverwendbarkeit,
Portierbarkeit, Interoperabilität von Geräten und flexible Rekonfigu-
rierbarkeit praxistauglich umsetzbar. Der IEC 61131-3 Standard [26]
ist zwar hervorragend zur SPS-Programmierung geeignet, kann aber
nur für genau eine Steuerung angewendet werden. Sollen mehrere
Steuerungen zusammenarbeiten oder mehrere Automatisierungs-
85 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
geräte, die über ein digitales Kommunikationssystem vernetzt sind,
bietet die IEC 61131-3 keine Beschreibungsmöglichkeiten. Sie ist nur
für zentral organisierte Automatisierungsstrukturen geeignet. Verteilte
Automatisierungsarchitekturen werden nicht abgedeckt. Sind solche
Lösungen gefordert, müssen Speziallösungen zur Kopplung der Geräte
zumeist mit herstellerspezifischen Mitteln umgesetzt werden. Das ist
zeitaufwendig und fehlerbehaftet. Deshalb wurde, basierend auf der
Funktionsbausteinsprache des IEC 61131-3 Standards, der IEC 61499
Standard [27] für verteilte, funktionsbausteinbasierte Automatisierungs-
systeme entwickelt. Die IEC 61499 ist als semi-formales Modell spezifi-
ziert und hat zusätzlich ein definiertes Austauschformat auf XML-Basis.
Ausdrückliches Ziel ist es, Anwendungsprogramme (Applications) auf
mehrere Geräte (Devices in Abbildung 22) zu verteilen, die über Kom-22) zu verteilen, die über Kom-) zu verteilen, die über Kom-
munikationsnetzwerke miteinander verbunden sind.
Communication network
Controlled process
Device 2 Device 3 Device 4 Device 1
Application A
Appl. C
Application B
segment
link
Abbildung ��: Verteilte Anwendungen au� mehreren Ger�ten [�1]
Innerhalb eines Gerätes bietet der IEC 61499 Standard ein modulares
Konzept an, indem Ressourcen (Resource in Abbildung 23) die Anwen-23) die Anwen-) die Anwen-
dungen gemeinschaftlich abarbeiten können. Das Konzept der Vertei-
lung gilt sowohl zwischen als auch innerhalb von Geräten. Die Ressour-
cen der Geräte können mit zwei Schnittstellen (Interface) ausgerüstet
sein. Über die Kommunikationsschnittstelle werden die Daten und
Ereignisse zwischen den Geräten ausgetauscht. Die Prozessschnitt-
stelle setzt den Signalaustausch über die Geräteelektronik zu den
Prozessgrößen um.
86 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
Communication link(s)
Resource x
Controlled process
Resource z Resource y
Application B Application C
Application A
Device boundary
Communication interface(s)
Process interface(s)
= Data & event flow
Abbildung �3: Ressourcen mit Schnittstellen ��r Kommunikation und Pro�ess [�1]
Die IEC 61499 trennt zwischen Ereignis- und Datenfluss zwischen den
Funktionsbausteinen (FB). Der Datenfluss entspricht den bekannten
Datenverbindungen zwischen den Ein- und Ausgängen der Funktions-
bausteine. Der Ereignisfluss steuert die Abarbeitungsreihenfolge der
Algorithmen in den Funktionsbausteinen. Dieses Konzept wird im Funk-
tionsbaustein umgesetzt, indem ein zusätzliches Segment des Funkti-
onsbausteins die Ereignisse aufnimmt und mit Hilfe eines sogenannten
Execution Control Charts (ECC – zustandsmaschinenähnliche Steue-
rung) die verschiedenen Algorithmen aufruft, welche die Eingangs- in
Ausgangsvariablen umsetzen (siehe Abbildung 24). Dazu können auch
zusätzlich FB-interne Variablen vorhanden sein.
(Scheduling, communication mapping, process mapping)
Algorithms
Type name
(hidden)
Internal data
(hidden)
Resource capabilities
Data outputs Data inputs
Event outputs Event inputs
Instance name
Control Execution
(hidden)
Data flow
Event flow Event flow
Data flow
Abbildung �4: Allgemeine Darstellung eines I�C 61499 Funktionsblockes [�1]
87 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
Die Daten, welche am Eingang des FBs anliegen, werden immer nur
dann eingelesen, wenn das entsprechende Eingangsevent auftritt und
mit diesem der Dateneingang verknüpft ist. Ebenso verhält es sich mit
den Ausgangsdaten. Sie werden nur aktualisiert, wenn das entspre-
chend verknüpfte Ausgangsevent erzeugt wird. Dies gilt für alle Funk-
tionsblöcke. Es besteht die Möglichkeit, die ECC als Petri-Netzmodell
darzustellen. Daraus ergibt sich die Verifikationsfähigkeit von IEC
61499-Anwendungsentwürfen.
In der IEC 61499 gibt es drei Typen von FBs. Die eben beschriebenen
Basic-FB, die Serviceinterface-FB (SIFB) und die Composite-FB. Die
SIFB enthalten statt einem ECC verschiedene Services. Ein Service
kann durch ein Eingangsevent ausgelöst werden und dabei die anlie-
genden Eingangsdaten als Service-Parameter übernehmen oder – was
der Hauptanwendungsfall ist – die Daten über die Kommunikations-
oder die Prozessschnittstelle beziehen oder absetzen (siehe Abbildung
25). So trennen die SIFBs die Anwendungsfunktionen von den Funk-). So trennen die SIFBs die Anwendungsfunktionen von den Funk-
tionen der Geräte und Kommunikationsplattform. Diese Trennung der
Anwendung von den gerätespezifischen Gegebenheiten bildet das
Basiskonzept für einen verteilten Entwurfsansatz von Automatisierungs-
anwendungen. Die Anwendung kann zunächst als Funktionsbaustein-
netzwerk unverteilt entworfen werden. In einem zweiten Schritt werden
dann die Funktionsbausteine auf den Ressourcen der Geräte platziert.
Müssen die Daten über Gerätegrenzen hinweg transportiert werden,
werden die SIFB an diesen Schnittstellen eingefügt. Auch die Prozess-
kopplung erfolgt über Einfügen, meist gerätespezifischer SIFB.
Function
Block
Local application
(or local part of distributed application)Communication mapping
Communication functions
Process I/O functions
Process mapping
Data
Events
Service
Algorithm
Scheduling Function
Interface
Function
Block
ServiceInterface
Abbildung �5: Serviceinter�ace�Funktionsblöcke [�1]
88 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
Die Composite-Funktionsblöcke sind zusammengesetzte Funktions-
blöcke und beinhalten ein Funktionsblocknetzwerk anstelle des ECC,
welches aus einer Verschaltung von Instanzen verschiedener Basic-
Funktionsblöcke, SIFBs oder auch anderen Composite-Funktions-
blöcken besteht. Sie werden eingesetzt, um komplexe Funktionen,
welche sich aus mehreren einfachen Funktionen zusammensetzen, zu
realisieren und um eine Strukturierung in das Funktionsblocknetzwerk
der Applikation zu bringen. Dies ermöglicht eine Hierarchisierung der
Anwendungen und führt so zu Modularisierung und damit zu einer bes-
seren Übersicht.
Zusammenfassend lassen sich die charakteristischen Merkmale von
IEC 61499 hinsichtlich eines potentiellen Einsatzes in der Verteilungs-
netzsteuerung wie folgt zusammenfassen:
� Standardisiertes Entwurfs- und Implementierungsmodell für verteilte
Steuerungssysteme
� Getrennter Ereignis und Datenfluss im FB-Netzwerk
� Hohe Plattformflexibilität durch Trennung von funktionaler Anwen-
dung und kommunikations- und gerätetechnischer Einbindung
� Semi-formales FB-Modell
� Formales Abarbeitungsmodell, was eine Verifikation von FB-Anwen-
dungen zulässt
89 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
6 Möglichkeiten und Limitierung bestehender Systeme
6.1 Advanced Metering
6.1.1 Advanced Meter Infrastructure / Smart MeterDie intelligente Energie-Verbrauchs-Messung „Smart Metering“ und die
aktive Steuerung im intelligenten Energieversorgungsnetz „Smart Grid“
ist in Deutschland noch in der Pilotphase. Durch gesetzliche Vorgaben
der EU und den Umsetzungsvorschriften im Energie-Wirtschaft-Gesetz
sind die rechtlichen Rahmenbedingen für einen bundesweiten Rollout
gegeben. Dennoch zögern viele Energie-Versorgungs-Unternehmen
(EVU) bei der Planung und Gestaltung mit dieser neuen Technologie.
Ursachen hierfür sind Entscheidungsrisiken, die neben den regulatori-
schen Aspekten auch in den neuen Rollen und Markteilnehmern, in der
vielfältigen Produkt- und Lösungspalette sowie in der stark steigenden
Komplexität im Zusammenwirken von Geschäftsmodell und Technolo-
gie zu sehen sind [2].
Die Smart Metering Systemlandschaft ist in Abbildung 26 schematisch
dargestellt. Die Smart Meter und die zugehörige Kommunikations-
technik bilden die Infrastruktur-Ebene des generischen Modells aus
Abschnitt 4. Das Smart Metering Daten- und Informations-Management
umfasst alle erforderlichen Informationsobjekte und Applikationen
auf der Dienst-Kommunikations-Ebene und bildet die Grundlage für
die darauf aufbauende Dienst-System-Integration. Sowohl das Smart
Metering Daten- und Informations-Management als auch die über eine
System-Integration angebunden Business Support und Operational
Support Systeme (BSS & OSS) können auf der Ebene der Dienstnutzer
von verschiedenen Akteuren verwendet werden. Der Zusammenhang
über die drei Ebenen – Infrastruktur, Dienste- & Informations-Manage-
ment sowie System-Integration – bildet die Advanced Meter Infrastruc-
ture (AMI).
90 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
Kommunikations-Infrastruktur
Smart Metering Daten- und Informations-Management
System-Integration Backendsystemeu.a. Last-Management, CRM, Billing, SAP
Netzbetreiber-Rolle
Markt - Rolle Dienstleister-Rolle
� Nutzung für unterschiedliche Rollen u.a. zurSteuerung der Verteilnetze, für das Portfolio-und Kunden-Management und viele Dienst-leistungs-Angebote
� Integration der Smart Metering Daten- undInformationswelt in die Business Systeme derVersorger/ServiceProvider
� Daten- und Informationsverarbeitung mitmodularen, interoperablen und skalier-barenFunktionalitäten für unterschiedliche Ge-schäftsanforderungen
� Kommunikations-Technologien (z.B. PLC,GPRS, UMTS, DSL) zur sicheren bidirek-tionalen Übertragung der Daten
� Smart Meter Park für die Ablesung vonEnergie-, Gas-, Wasser-Verbrauch (Multi-Utility) mit unterschiedlichen Funktionalitätenzur Energie-Effizienz Steuerung für Privat- &Industrie-Kunden
Smart MeterInfrastruktur
Abbildung �6: �benenmodell der Advanced Meter In�rastructure (AMI) [�8]
Im Rahmen der gesamten AMI-Systemlandschaft sind die Smart Meter
ein wichtiger Baustein. Diese Endgeräte sammeln die Verbauchs-/Nut-
zungs-Daten und führen Diagnosen von z.B. Stromqualität, Betriebs-
zustand in Echtzeit durch. Diese Daten können in einer Granularität
von 15 Minuten Intervallen gemessen und im gleichen Intervall weiter-
geleitet werden. Die Funktionalität des Auslesens der Meter-Daten für
intelligente Anwendungen wird mit Advanced Meter Reading (AMR)
bezeichnet.
Für Smart Metering ist die Kommunikationsfähigkeit des Endgerätes
eine weitere wichtige Eigenschaft. Die Steuerung wird bidirektional
durch Senden und Empfangen über unterschiedlichste Telekommunika-
tions-Technologie unterstützt.
Den Kern der Informationsverarbeitung bildet das Advanced Meter
Management (AMM). Dieses umfasst
� MOS (Meter Operating System) – das Betriebssystem für die opera-
tive Steuerung der Smart Meter im Netz ver bund und deren Schnitt-
stellen,
� MM (Meter Management) – die Administration der im System vorhan-
den Smart Meter/Endgeräte und
� MDM (Meter Data Management) – die Informations-Verarbeitung zur
Evaluierung, Konsolidierung und Validierung der durch die Smart
Meter und inner halb des Systems gelieferten Daten [31].
Die weitere Verarbeitung der Smart Metering Daten erfolgt in den
jeweils nachgelagerten Backendsystemen. Diese umfassen einerseits
Netzsteuerungssysteme für z.B. das Last-Management und anderseits
Business-Systeme für z.B. Kunden-Daten-Management, das Asset
Management und natürlich auch das Billing. Durch weiterführende
Schnittstellen, wie z.B. MDUS (Meter Data Unification and Synchroniza-
tion) erfolgt die Integration zu ERP-Systemen z.B. SAP-ISU [29].
91 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
6.1.2 Advanced Metering – Möglichkeiten der WertschöpfungFür alle Akteure hat die Nutzung weiterer Wertschöpfungs-Potentiale
einen hohen Stellenwert. Mit der zusätzlichen Verfügbarkeit und Quali-
tät der Daten aus dem Advanced Metering wächst auch die Möglichkeit
für durchgängige und automatisierte Prozesse. Denn erst Prozessda-
ten schaffen die Grundlage für geeignete Steuerungsmechanismen,
Kunden pflege, Angebotsplanung und Verrechnung der erbrachten
Leistungen [1].
Die Zählerdaten werden zum Schlüssel für eine optimale Netzsteue-
rung, die Erarbeitung kundenspezifischer Angebote, sowie für inno-
vative Tarifierung. Aber erst der durch gängige Prozess, der z.B. auch
via Internet den Rechner des End kunden einschließt, schafft die volle
Transparenz und steigert die Wettbewerbsfähigkeit.
Die AMI liefert mit ihrer Anwendungs-Plattform die nötigen Module zur
automatisierten Datenerfassung und Verarbeitung. Anwenderfreundli-
che Daten-Verwaltungsanwendungen sichern die erforderliche Daten-
qualität im richtigen Format und zur richtigen Zeit und erhalten einen
nahtlosen Informationsfluss. Eine offene Systemarchitektur ermöglicht
die Anbindung weiterer Lösungen für die Analyse und Simulation von
Verbrauchsverhalten oder zur Verrechnung des Energieverbrauchs und
schafft somit die Grundlage für ein leistungsstarkes Data-Warehouse-
System. Daraus resultieren unterschiedliche Möglichkeiten der Wert-
schöpfung für alle Akteure und zusätzliche Vorteile für den Nutzer.
Aktueller Netzstatus im Verteilungsnetz
Die „Smart Grid“-Funktionalität schafft ein Bewusstsein des aktuellen
Netzstatus im Verteilungsnetz, indem identifiziert wird, an welchen
Messpunkten Stromunterbrechungen und Spannungsänderungen
auftreten. Diese Information kann ver wendet werden, um die Effizienz
durch Optimieren der Elektrizitätsnetzkapazität zu steigern.
Profilberechnung zur flexiblen Prognose
Die Profilberechnung produziert eine Datenserie, die verschiedene
Rechenvorschriften verwendet, basierend auf vorhandenen Informati-
onen. Die Profilberechnung ist ein hoch flexibles und effizientes Werk-
zeug zur Aufbereitung der Daten für den Bilanzausgleich und das Last-
profil. Durch das Periodizitäts- und Abgrenzungsprofilmessen können
verschiedene Zeitprofile und weitere Prognosen berechnet werden.
Transparentes Verbrauchsverhalten
Informationen zum Verbrauchsverhalten schaffen verlässlichere Vor-
aussagen zum Stromverbrauch. Durch erweiterte Steuerungsmethoden
können Lastspitzen einfacher und besser ausgeglichen werden. So ist
eine direkte, feinere Steuerung möglich oder eine indirekte Steuerung
durch flexiblere Tarife (siehe DR, TOU, CPP). Dies eröffnet die Gestal-
tung völlig neuer Service-Angebote.
92 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
Freiheit bei der Tarifberechnung
AMM liefert verfeinerte und zuverlässige Daten für mehrere Zwecke zur
Gestaltung und bei der Berechnung neuer Tarifmodelle. Die Tarifberech-
nung kann verwendet werden, um verschiedene Tariftypen zu simulieren
und genauer vorauszuberechnen. Da die Kalkulation mehrere Multiener-
gielösungen abdeckt, sind mehrere Systeme überflüssig.
Zuverlässige Datenprüfung
Die Qualität der Abrechnung wird durch die Zuverlässigkeit der Informa-
tionen erhöht. Messinformationen können in einem Frühstadium abge-
lesen werden, so dass sofort auf Abnormitäten reagiert werden kann.
Dadurch ist es möglich auf Bedingungen wie Verbrauchsabgrenzungen
oder ungültige Fakten frühzeitig zu reagieren und sie zu überwachen.
Demand Response (DR), Time of Use (TOU) und Critical Peak
Pricing (CPP)
Mit DR kann der Kunde seine Energienutzung innerhalb eines vorge-
gebenen Zeitrasters und zu real-time Tarifen freiwillig einschränken.
Dadurch kann, als Folge unterschiedlicher Bedingungen der Energie-
Produktion, eine dynamische Anpassung des Lastverhaltens erfolgen.
TOU und CPP sind Komponenten der Preisbildung von DR; TOU Preise
repräsentieren eine geplante vorgegebene Abweichung von Handelsta-
rifen; während CPP Kosten der zusätzlichen Energie-Generierung u/o
Preis-Abweichungen aufgrund der zusätzlichen Energie-Nachfrage sind.
6.1.3 Derzeitige Limitierung des Advanced MeteringEinige wichtige Hindernisse behindern die breite Einführung von Smart
Metering und Smart Grids. Dazu gehören wirtschaftliche Faktoren,
Regulierungsfragen und begrenzt wahrgenommene Vorteile unter den
Key Playern innerhalb der Energie wirtschaft. Die Bereitstellung der AMR,
AMI und AMM Technologie ist im Allgemeinen kein Problem. Dennoch
können die Marktbarrieren folgendermaßen zusammengefasst werden
[43]:
� Mangel an gemeinsamer Vision und Definition für Smart Grid Erweite-
rungen
� Mangel an Technologie- und Betriebs-Standards für Smart Grid Auf-
und Ausbau
� Derzeitige Geschäftsmodelle sind durch regulatorische Bedingungen
eher auf höhere Kapazitäten der Energieproduktion ausgerichtet als
auf Belohnung von mehr Energie-Effizienz
� Hoher Kapitalbedarf für den Aufbau der Infrastruktur, besonders bei
unklarer Lage der Finanzierung
� Geringe Kenntnis der Vorteile innerhalb der breiten Öffentlichkeit
sowie auch in einigen Fällen zwischen den Regulierungsbehörden
und Branchenführern
� Smart Grid Sicherheit
93 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
Aus Sicht der Informationssysteme bestehen weitere Anforderungen
hinsichtlich der Flexibilität, Interoperabilität und Skalierbarkeit von AMI-
Lösungen [33].
Flexibilität
In einem AMI-System müssen in Zukunft Tausende oder Millionen von
Messpunkten im Rahmen einer Lösung zusammengeführt werden. Eine
große Herausforderung an die Flexibilität besteht darin, Endgeräte, Sys-
tem-Komponenten und Technologien von unterschiedlichen Herstellern
mit möglicherweise unterschiedlichen Industrie standards einzusetzen,
einzubinden und zu wechseln. Die Anstrengungen zur Standardisierung
der unterschiedlichen Schnittstellen haben daher eine hohe Bedeutung
für die zukünftige Flexibilität eines Systems.
Interoperabilität
Interoperabilität der Systeme und System-Komponenten mit der Anfor-
derung an End2End-Durchgängigkeit vom Meter bis zur Rechnung ist
nicht allein durch Standardisierung erreichbar. Hierbei müssen Inte-
grationsadapter und APIs in Echtzeit automatisierten Datentransfer im
richtigen Format zwischen dem AMM-System und externen Informati-
onsverwaltungssystemen ermöglichen. Entsprechend der geforderten
Logik und den gemeinsamen Transaktions-Punkten, durch die alle
Prozess information fließt, ist Systemintegration mit entsprechendem
Experten-Know-how erforderlich.
Skalierbarkeit
Eine AMI-Systemarchitektur besteht aus verschiedenen Hierarchien /
Ebenen, in denen eine Vielzahl von Einzelmodulen eingebettet ist.
Insbesondere für einen kontinuierlichen Auf- und Ausbau des Systems
ist eine vollständig skalierbare AMM-Lösung für eine oder mehrere
AMR-Zentren erforderlich, die je nach Bedarf und den Bedürfnissen des
Versorgungsunternehmens angepasst werden kann. Dies stellt Anfor-
derungen an eine skalierbare Modular struktur, die eine Optimierung
des Systems und Anpassung der Leistungsfähigkeit an verschiedene
Umgebungen und Erfordernisse ermöglicht.
Der wachsende Druck zu mehr Energie-Effizienz, das zunehmende
Energie-Bewusstsein der Nutzer und der steigende Anteil der dezen-
tralen Stromerzeugung werden die Einführung der Smart Metering
Technologie fördern. Die derzeitigen Limitierungen der AMI-System-
landschaft sind Herausforderungen, die zusammen mit der Darstellung
der zukünftigen neuen Geschäftsmodelle aktiv herausgearbeitet werden
müssen [40].
94 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
6.2 Klassische FernwirktechnikDie klassische Fernwirktechnik dient heute ausschließlich der techni-
schen Betriebsführung eines elektrischen Netzes. Prinzipiell wird dabei
zwischen der Betriebsführung von Hoch- und Höchstspannungsnet-
zen einerseits und Mittel- bzw. Niederspannungsnetzen andererseits
unterschieden. Man spricht hier auch von der Betriebsführung von
Transportnetzen bzw. Verteilungsnetzen und adressiert damit direkt die
eigentliche Aufgabe der Betriebsmittel.
Während in Hoch- und Höchstspannungsnetzen weitgehend alle
Betriebsmittel fern überwacht und fern gesteuert werden können,
findet dies in Mittelspannungsnetzen nur noch bedingt statt. Hier wird
die überwiegende Zahl der Betriebsmittel manuell bedient und in der
Datenbasis der Netzleitstelle per Handnachführung aktualisiert.
Um eine hohe Verfügbarkeit der Kommunikationswege und damit der
Betriebsführung sicherzustellen, betreiben die Energieversorgungsun-
ternehmen ihre eigenen Kommunikationsnetze. Zur Lastmanipulation
überwiegend im Niederspannungsnetz kommt die Rundsteuertechnik
zum Einsatz. Sie zählt als eigenständige Disziplin nicht zur Fernwirk-
technik. Per Rundsteuerbefehlen können Verbraucher durch die jeweils
zuständige Netzleitstelle ein- und ausgeschaltet werden. Als Übertra-
gungsweg für die Steuerbefehle wird das vorhandene Stromversor-
gungsnetz verwendet. Dabei werden die Daten mit niedriger Datenrate
unidirektional als Broadcast über eine Trägerfrequenzanlage versen-
det. Die Anzahl verfügbarer Tonfrequenzen und ihre Abbildung auf die
verschiedenen Verbrauchergruppen stellt eine nicht unwesentliche
Beschränkung dar. Auch ist eine direkte Rückmeldung der Lasten nicht
möglich. Nur über das geänderte und zeitlich verzögerte Verbrauchs-
verhalten kann die Wirksamkeit der Rundsteuerbefehle überprüft
werden.
Sowohl die Fernwirktechnik für die technische Betriebsführung als
auch die Rundsteuertechnik zur Lastmanipulation wird auch in Zukunft
eine Bedeutung haben. Beiden gemeinsam ist, dass sie sich nicht zur
Führung intelligenter Stromnetze der Zukunft geeignet sind. In Nieder-
spannungsnetzen ist die Fernwirktechnik heute weitgehend unbekannt.
Insbesondere existieren keine bidirektionalen Übertragungsnetze mit
entsprechender Bandbreite, um u.a. intelligente Stromzähler auszule-
sen bzw. Lasten zeitnah zu beeinflussen.
Intelligente Stromnetze mit neuen Betriebsführungsprinzipien und
verbunden mit geänderten Geschäftsmodellen stellen zusätzliche
Anforderungen an Kommunikationsnetze. Diese zu erfüllen wird unter
Kosten/Nutzen-Gesichtspunkten nicht durch eine Ertüchtigung der
vorhandenen Infrastruktur gelingen bzw. möglich sein. Die Nutzung des
flächendeckenden Internets ist die kostengünstigste und praktikabelste
Alternative.
95 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
6.3 Endkundenschnittstelle auf Basis von Web-TechnologienDas generische Modell zukünftiger Energieinformationsnetze (siehe
Abbildung 7) stellt auf der „Dienstenutzer-Ebene“ Daten, Dienste und
Leistungsbausteine bereit, welche durch Drittanbieter in der „Dienste-
Ebene“ kontextspezifisch strukturiert, ausgewertet und dargestellt
werden können. Die „Dienstenutzer-Ebene“ bildet somit gleichzeitig
die Brücke zwischen den Marktteilnehmern (Haushalts- und Gewer-
bekunden) und den Energiedienstleistungen. Die Realisierung dieser
Schnittstelle erfolgt durch moderne Webtechnologien wie Webservices,
HTML/XML, Adobe Flash oder Microsoft Silverlight. Aufbauend auf dem
Energieinformationsnetz sind durch den Einsatz von Web-Technologien
folgende Aspekte implementierbar:
Visualisierung
Auf Basis von hochperformanten Webplattformen erfolgt eine service-
orientierte Aufarbeitung von Verbrauchsdaten (siehe Abbildung 27).
Die vielfältigen Visualisierungsmöglichkeiten schaffen Transparenz
und leisten damit einen aktiven Beitrag zur Energieeinsparung. Als
potentielle Anzeigegeräte können das Zählerdisplay, ein Webportal,
mobile Applikationen oder ein Home Display in Form einer Smart-Box
dienen. Das Interpretations- und Visualisierungsportal stellt somit eine
umfassende Web-Lösung dar, die als Energiecockpit private und in
Form eines Energiemanagementportals gewerbliche Marktteilnehmer
adressiert. Grafische Vergleiche und Analysen, Dokumentenverwaltung
sowie Tarifsimulation inklusive der Möglichkeit des Vertragsabschlus-
ses ermöglichen eine objektive und effiziente Entscheidung. Je nach
Anwendungsbereich lassen sich vielfältige Funktionen wie Asset-Life-
cycle-Management (Einbau, Entstörung und Turnuswechsel von intelli-
genten Zählern) integrieren.
Abbildung �7: Kon�eptstudie – Widget „Verbrauchsvisualisierung“
96 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
Transparenz
Die umfangreichen Visualisierungsmöglichkeiten erhöhen signifikant
die Transparenz im Umgang mit Energie. Weiterhin werden die Daten
bestandsführender Systeme wie beispielsweise Energiedatenmana-
gement (EDM), Kundenbeziehungsmanagement (CRM), oder Abrech-
nung vollständig integriert, womit parallel zur Darstellung energetischer
Messzahlen ebenso monetäre, personenbezogene Kennzahlen abgebil-
det werden können. Auf Basis eines betriebswirtschaftlichen Kennzah-
lensystems ist die Darstellung sowohl energetischer als auch monetärer
Einheiten spezifischer Aggregationsebenen, wie beispielsweise Stand-
ort-, Raum-, Abteilungs- und Geräteebene umsetzbar. Eine derartige
Sensibilität gewinnt zunehmend an Bedeutung, sobald der Anteil von
Marktteilnehmern steigt, der beide Rollen, Konsument und Produzent
(Prosumer), inne hat. Die Tatsache der Einführung dynamischer Tarife
bei rückläufiger Einspeisevergütung verstärkt die Notwendigkeit geeig-
neter, nahezu echtzeitfähiger Anzeigeinstrumente, wie Web- und Mobil-
applikationen.
Einflussnahme
Die Endkundenschnittstelle erlaubt zudem vielfältige Einflussmöglich-
keiten bezüglich der Identifikation und Reaktion auf Anomalien bei
Verbrauchs- und Lastmengen. Anhand der Darstellung von last- oder
tageszeitabhängigen Tarifen wird eine Lastverschiebung im Verteilungs-
netz ermöglicht. Durch eine aktive Verhaltensänderung auf Basis der
Energieverbrauchsvisualisierung ergibt sich ein signifikantes Energieein-
sparpotential. Mit Hilfe eines ausgefeilten Berechtigungs- und Rollen-
konzeptes ergeben sich innerhalb eines originären Webportals vielfäl-
tige Interaktionsmöglichkeiten für unterschiedliche Mandanten oder
Gruppen mit abweichenden Funktionen. Weiterhin ergeben sich durch
den zunehmenden Einsatz von online Self-Service-Werkzeugen wie
Vertragswechsel online, Generierung unterjähriger Onlinerechnungen,
Störungsmeldung online u.v.m. neue Produktmöglichkeiten im Strom-
vertrieb und innovative Lösungen für einen effizienten Kundenservice.
Mehrwert
Aufgrund der oben beschriebenen Merkmale bildet die Verwendung
von Web-Technologien ein erhebliches Potential für die Generierung
von Mehrwerten innerhalb von Energieinformationsnetzen. Demnach
führen Bündelprodukte, innovative Tarifstrukturen und flexible Up- und
Cross-Selling-Möglichkeiten zu neuen Geschäftsmodellen mit ener-
gienahen Mehrwertdiensten. Weiterhin bietet die Identifizierung und
Reduzierung von besonders energieintensiven Prozessen sowie die
Realisierung einer energieeffizienten Produktion Möglichkeiten zur
Diversifikation vom Wettbewerb. Dokumentierte und nachhaltig ausge-
führte Energieeffizienzmaßnahmen (DIN ISO 16001) können zudem zur
Imagestärkung und Steuervergünstigung beitragen.
97 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
Fazit:
Der Einsatz von Web-Technologien zur Realisierung der Endkunden-
schnittstelle in Energieinformationsnetzen stellt eine Grundlage für
vielfältige Visualisierungsmöglichkeiten dar, anhand derer die Transpa-
renz signifikant gesteigert werden kann. Hieraus ergeben sich für den
Endkunden neue Möglichkeiten zur aktiven Veränderung und Steuerung
seines Energieverbrauchsverhaltens. Web-Technologien leisten daher
einen signifikanten Beitrag zum energiepolitischen Dreieck bezüglich
der Umweltverträglichkeit durch Einsparpotentiale, Erhöhung der Wirt-
schaftlichkeit durch vielfältige Möglichkeiten der Einflussnahme sowie
Gewährleistung der Versorgungssicherheit durch Transparenz auch im
Verteilungsnetz. Schließlich ermöglichen Web-Technologien ein Port-
folio von energienahem Mehrwert für Endkunden und sind damit für
Energieinformationsnetze von konstitutivem Charakter.
98 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
7 Herausforderungen
7.1 Handlungsbedarf zur Standardisierung
7.1.1 Harmonisierung und Erweiterung von 61850 & CIMDie IEC 61850 und die IEC 61970 Familie sind bislang in sämtlichen
wichtigen Standardisierungsroadmaps als relevante Standards für das
künftige Energieinformationsnetz identifiziert worden. Durch das benö-
tigte Zusammenwirken von IT und Automation in der SIA müssen die
beiden Standards jedoch für eine operative Umsetzung besser harmo-
nisiert werden. Dabei sind vor allem die folgenden drei Anwendungs-
fälle zu unterscheiden [48].
Harmonisierung der semantischen Modelle: Bei den Arbeiten zur
Harmonisierung der statischen Modelle sollte vermieden werden, neue
konkrete Klassen bei jeweiligen Standards in ihren Metamodellen zur
Harmonisierung hinzuzufügen. Stattdessen sollten Assoziationen zwi-
schen den Klassen hergestellt werden. Die UML-Modelle der Standards
sollten um Assoziationen zwischen dem CIM IEC 61970-301 Modell
und der IEC 61850-7-2 erweitert werden.
Zur Modellierung der Beziehungen zwischen den Standards soll OWL
genutzt werden. Zusätzlich sollte das überarbeitete CIM-Modell auf
jeden Fall eine Möglichkeit bieten, die Datenattribute Name, Qualität,
Skalierung, Einheiten und Beschreibung aus der IEC 61850 abzubilden.
Harmonisierung der Konfigurationsmodelle: Als nötige Arbeiten im
Bereich der Harmonisierung von Konfigurationsdaten und -dateien
werden die folgenden Anforderungen gesehen. Für jedes Projekt sollte
das genutzte Schaltanlagenmodell im SCD-Format (Substation Auto-
mation System Description) und die Netztopologie als Single-Line-
Diagramm in CIM mittels CIM/XML beschrieben werden. Im Fall einer
Konvertierung zwischen den Modellen wird ein vordefiniertes Mapping
in Form einer OWL-Mappingbeschreibung genutzt, um die Konfigurati-
onsdaten in ihr Zielformat umzuwandeln.
Harmonisierung der Laufzeitdaten: In Bezug auf die Harmonisierung
von Laufzeitdaten, d.h. Datenpunkten aus der Leittechnik, gelten
folgende Empfehlungen. Um die Kopplung zu verbessern, sollten die
Field Device Communication Interfaces gemäß ACSI implementiert und
mit dem GID bzw. der OPC UA harmonisiert werden, um eine IEC TC57
Physical View aus der –40Xer Familie des CIM dazu zu nutzen, die
Daten aus der Schaltanlage bzw. dem verteilten Erzeuger standardkon-
form darstellen zu können.
99 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
7.1.2 Abbildung von IEC 61850 auf IEC 61499Die verteilten Informationsmodelle (IEC 61850 und IEC 61400-25)
lassen sich vorteilhaft mit dem Ansatz der Beschreibung von verteilten
Automatisierungsaufgaben nach IEC 61499 verknüpfen. Beide Normen
würden sich an den Stellen ergänzen, wo die Lücken der jeweils ande-
ren sichtbar werden. IEC 61850 enthält kein Modell für interoperable
Funktionen, definiert jedoch Informationsmodelle, stellt zudem eine
Konfigurationssprache bereit und beschreibt den Informationsaus-
tausch für verteilte Prozesse. Die IEC 61499 definiert ein Modell zur
Beschreibung interoperabler Funktionen, bietet aber keine konkrete
Kommunikationslösung und keine konkreten Modelle wie Spannungen
und Ströme in einem Drehstromnetz. Die wesentlichen Aspekte der
dezentralen Automatisierung in der Netzleittechnik können durch die
beiden aufeinander abgestimmten Normen abgedeckt werden. Die
Stärken beider Normen kommen in der Kombination zur Entfaltung,
indem sie die nachhaltige funktionale Interoperabilität der großen Fülle
von intelligenten Automatisierungs-Komponenten zukünftiger verteilter
Energieversorgungssysteme befördern.
Erste Arbeiten und Demonstratoren der kombinierten Anwendung
von IEC 61499 und IEC 61850 finden bereits Anklang in der Indust-
rie: Der Verteilungsnetzbetreiber ENERGEX (Brisbane, Australien) und
die Universität Auckland (Neuseeland) implementieren beispielsweise
einfache Verteilungsnetz-Automa tisierungs aufgaben mit IEC 61850 und
IEC 61499. Das Ziel besteht darin, die Potentiale bei der integrierten
Anwendung der beiden Normen festzustellen.
In [51] wurde die Machbarkeit der verteilten Steuerung von Energie-
verteilungsnetzen mit IEC 61499 und den Informationsmodellen von
IEC 61850 untersucht. Die einzelnen Elemente eines Verteilungs netzes
können durch jeweils einen (zusammengesetzten) Funktionsblock
repräsentiert werden. Das Netzwerk der Funktions blöcke bildet dann
das verteilte Steuerungsprogramm.
Ein Ansatz zur Modellierung von logischen Knoten der IEC 61850 als
Funktionsblöcke besteht darin, jeden logischen Knoten durch einen
Composite-Funktionsblock darzustellen, der aus drei Hauptblöcken
zusammengesetzt ist:
� DataBase: Enthält die Daten und Dienste des modellierten logischen
Knoten
� ServiceInterpreter: Ist für die Umsetzung der Dienstaufrufe der
IEC 61850 zuständig
� Intelligence: Umfasst die Logik für Entscheidungsfindung und
Verständi gung mit anderen logischen Knoten
Die Abbildung von IEC 61850 auf IEC 61499 kann in einem weiteren
Teil der Normenreihe IEC 61850 definiert werden. Dazu gehören Festle-
gungen, wie die in einem Informationsmodell nach IEC 61850 bzw. IEC
61400-25 (hier in einem logischen Knoten) beschriebenen Eingangs-
100 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
und Ausgangswerte (Data Objects) auf die Eingangs- und Ausgangs-
variablen eines Funktionsbausteins nach IEC 61499 abgebildet werden
und wie der Ereignisfluss zwischen Funktionsbausteinen, die logische
Knoten implementieren, in einem IEC-61499-Netzwerk auf die Kom-
munikationslösungen nach IEC 61850 (GOOSE, Sampled Values und
Client-Server) übertragen werden.
7.1.3 Sicherstellung von Interoperabilität / KonformitätAuf Grund der zunehmenden Vernetzung von Komponenten in den
Energieversorgungsnetzen untereinander als auch mit der Leittechnik
bzw. intelligenten, dezentralen Steuerungs- und Regelungseinheiten, ist
die Interoperabilität der Komponenten zueinander und im System eine
unerlässliche Notwendigkeit. Nur durch eine durchgängige Interopera-
bilität kann ein funktionierendes Gesamtsystem aufgebaut und betrie-
ben werden, ohne dass häufige Ausfälle oder Fehler einen solchen
Betrieb stören. Prinzipiell ist zwischen einer Interoperabilität auf Kom-
munikationsebene und Applikationsebene zu unterscheiden. Während
für die Applikationsebene vor allem durch sinnvolle Profilierungen Inte-
roperabilität zu gewährleisten ist, so ist dies für die Kommunikations-
ebene nicht in dieser Weise erforderlich. Grund dafür ist, dass sich die
Kommunikation als solche vollständig und eindeutig beschreiben lässt.
Der Bereich der Applikationen ist in der Regel ungleich größer, sehr viel
schwieriger konkret zu beschreiben und eindeutig zu definieren. Grund
hierfür ist, dass Standards oftmals ausreichend Freiheiten und Flexibili-
täten zugestehen, um Anwendern individuelle Lösungen für ihren spezi-
ellen Bedarf zu ermöglichen. Für die Interoperabilität ist die Konformität
eine notwendige aber keineswegs hinreichende Voraussetzung. Von
Konformität spricht man in diesem Zusammenhang bei einer Überein-
stimmung des Verhaltens einer Komponente entsprechend einer Norm
und der Erfüllung dort festgelegter Forderungen. Weitergehend ist die
Definition von Interoperabilität. Diese wird definiert als Fähigkeit von
zwei oder mehr nicht identischen Komponenten, Informationen auszu-
tauschen und diese Informationen für eine korrekte Zusammenarbeit zu
verwenden, ohne dazu weitere Absprachen treffen zu müssen.
Letztlich können Konformität und Interoperabilität nicht analytisch
nachgewiesen, sondern nur durch entsprechende Testverfahren geprüft
werden, die jedoch prinzipiell keinen Anspruch auf Vollständigkeit
haben. Bei allen Bemühungen, solche Eigenschaften festzustellen,
verbleibt schließlich stets ein gewisses Restrisiko, dass sich eine Kom-
ponente trotz vorheriger erfolgreicher Überprüfung in einer bestimmten
Situation als nicht konform bzw. nicht interoperabel erweist. Ziel muss
es daher stets sein, das verbleibende Restrisiko auf ein Minimum zu
beschränken.
Um diesem Ziel möglichst nahe zu kommen, ist ein bewährter Ansatz,
sowohl das positive als auch negative Verhalten einer Komponente zu
testen. In Positivtests soll eine Komponente dabei genau das Verhalten
101 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
zeigen, was der zugedachten Funktionalität entspricht. Bei Negativtests
wird dagegen das definierte Fehlerverhalten abgefragt, indem eine
gezielt fehlerbehaftete Situation eingestellt wird.
Ein nicht interoperables Verhalten kann insbesondere auf folgende
Ursachen zurückgeführt werden [38]:
1. Der Standard ist nicht eindeutig genug und lässt einen Interpretati-
onsspielraum
2. Fehlerhafte (bzw. nicht weit genug reichende) Implementierung in der
Komponente
3. Restriktionen durch einen Hersteller einer Komponente gegenüber
dem Standard
4. Nicht vollständig interoperabler Engineering-Ansatz unterschiedlicher
Tools im Systemdesign
Im Zusammenhang mit Interoperabilität und entsprechenden Tests ist
es wichtig, diese systemweit zu testen. Alle miteinander auf Basis eines
oder mehrerer Protokolle kommunizierenden Komponenten müssen in
Interoperabilitätstests einbezogen werden. Auch hier sind Positiv- und
Negativtests ein sinnvoller Ansatz. Im Gegensatz zur deutlich über-
schaubareren reinen Kommunikation ist allerdings die Applikations-
ebene in der Regel individuell ausgeprägt. Dies macht die Verwendung
standardisierter Tests, wie es sie für den Konformitätsnachweis gibt,
unmöglich. Vielmehr müssen diese Tests dem jeweiligen System, seiner
Komponenten und Funktionsbeziehungen Rechnung tragen. Sie sind
daher sehr aufwendig. Die beste Absicherung ist die Nutzung ausge-
reifter Produkte und die Verwendung von Profilen, welche die große
Flexibilität eines Standards auf das Notwendige eingrenzen. Ferner
trägt die Beschränkung auf möglichst wenige Typen potenziell mög-
licher Komponenten eines Systems dazu bei, die Interoperabilität zu
unterstützen.
Berücksichtigt man die Aspekte zur Erreichung eines hohen Grads an
Interoperabilität, so kommt man dem meist ebenso verfolgten Ziel einer
Austauschbarkeit näher. Austauschbarkeit bedeutet die Möglichkeit,
zwei Komponenten gegeneinander auszutauschen ohne Änderungen
am System vornehmen zu müssen, wobei die ursprüngliche system-
weite Gesamt-Funktionalität gewahrt bleibt.
Die wichtigste Grundlage für die Entwicklung und den Einsatz konfor-
mer, interoperabler und möglichst austauschbarer Komponenten ist ein
geeigneter Standard, welcher klar definiert ist und Ambivalenzen ver-
meidet. Erfahrungsgemäß führt der Prozess der Standardisierung dann
schnell zu einer ausgereiften und erfolgreichen Norm, wenn dieser von
Editoren mit unterschiedlichen Perspektiven entwickelt wurde. Daher ist
es höchst empfehlenswert, Normen gemeinsam durch Hersteller und
Anwender von Produkten zu erarbeiten.
Nicht zuletzt ist es sinnvoll, sich auf zukunftsweisende Normen zu
stützen, also solche, die möglichst internationale Akzeptanz finden.
102 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
Zudem ist es vorteilhaft, nur die Protokolle zu verwenden, welche für
den Einsatz und Aufbau eines Systems notwendig sind. Ungünstig ist
dagegen, wenn sich verschiedene Protokolle mit der gleichen Intension
und Anwendungsspektrum parallel etablieren, so wie es z.B. derzeit im
Bereich des Smart Metering der Fall ist. Dies erhöht das notwendige
Maß an Gateways zur Protokollumsetzung, sofern Informationen zwi-
schen Systemen ausgetauscht bzw. von anderen Instanzen verwendet
werden sollen. Parallele Protokolle behindern den Informationsaus-
tausch, machen Systeme aufgrund notwendiger Gateways anfälliger
und führen insgesamt zu höheren Kosten. Eine zukunftsweisende Fest-
legung auf ein gemeinsam akzeptiertes, unterstütztes Protokoll macht
sowohl im Kreis von Herstellern wie auch Anwendern Sinn und fördert
systemweite Interoperabilität.
7.2 Empfehlungen
7.2.1 Forcierung notwendiger EntwicklungenUm das Ziel eines ganzheitlichen intelligenten Energieversorgungssys-
tems zu erreichen, das allen zu stellenden Anforderungen gerecht wird,
ist eine Vielzahl von Entwicklungen notwendig.
� Auf allen Ebenen von der fachlichen Gesamtarchitektur der Ver-
sorgungssysteme über konkrete technische Prozessarchitekturen,
unterstützenden IT-Architekturen bis hin zu physischen und infor-
mationstechnischen Sicherheitsarchitekturen müssen angemessen
robuste und resiliente Architekturkonzepte entwickelt werden.
� Diese werden in konkrete Infrastrukturen implementiert werden
müssen, wozu je nach Betrachtungsgegen stand oder angedachter
Lösung der Problemstellung gegebenenfalls
� neue elektrophysikalische, Steuerungs- und/oder Kommunikations-
technologien einschließlich evtl. benötigter Protokolle und Interfaces
weiter- oder neu entwickelt und durch die Neuentwicklung konkreter
� technischer Komponenten unterlegt werden müssen.
Entwicklungsbedarf wurde im Rahmen des Diskussionsprozesses in
vielen Bereichen deutlich. Anstatt an dieser Stelle einzelne Punkte her-
auszugreifen, soll hier noch einmal zur Berücksichtigung der allgemei-
nen Anforderungen an die zukünftigen Versorgungssysteme aufgerufen
werden. Für Protokolle und Schnittstellen könnte das z.B. bedeuten,
dass zumindest für unverzichtbare Funktionen und Prozesse die jeweils
notwendigen Kommunikationsabläufe für den Fall der Bewältigung
von Krisenlagen (z.B. zur gezielten „Graceful Degradation“) und zum
Wiederanlauf (z.B. nach großflächigen Ausfällen) mit modelliert werden
sollten.
103 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
7.2.2 Voraussetzungen für Erhaltung der Versorgungssicherheit schaffen
Die Entwicklung der Gesamtarchitektur der zukünftigen intelligenten
Versorgungssysteme sollte immer auch als Ganzes betrachtet werden.
Dabei muss sichergestellt werden, dass bei der unvermeidbaren konti-
nuierlichen Fortentwicklung die Versorgungssicherheit nicht gefährdet
wird. Alle Bedrohungskategorien müssen als Ursache für Störungen
betrachtet werden – von prozesstechnischem, infrastrukturellem,
betrieblichem, menschlichem oder komponentenbezogenem techni-
schem Versagen über höhere Gewalt, Naturphänomene und -katast-
rophen bis hin zu ungezielten oder gezielten Angriffen prozesstechni-
scher, physischer oder informationstechnischer Art.
Unverzichtbare Kernfunktionen und -prozesse der intelligenten Ener-
gieversorgung dürfen nicht von (zeitweise) verzichtbaren Funktionen
und Prozessen abhängen und nicht von Letzteren gefährdet werden
können. Zeitweise verzichtbare Funktionen der zukünftigen Versor-
gungssysteme sollten so gestaltet werden, dass eine problemlose
Wiederinbetriebnahme nach Ende der Beeinträchtigungen möglich ist.
Dazu müssten dann – je nach modelliertem Gegenstand – z.B. für den
Fall der Unterbrechung benötigter Kommunikationswege Mechanis-
men für einen sauberen Halt oder ein geeigneter Rückfall auf einen rein
lokalen Betrieb implementiert werden. Nach Ende der Beeinträchtigung
müsste dann die Rückkehr in den Normalbetrieb problemlos erfolgen
und Daten ggf. nachträglich sauber abgeglichen werden können.
7.2.3 Überwindung fachlicher GrenzenDie Digitalisierung der „letzten Meile“ im Energieversorgungsnetz hat
begonnen und hierdurch werden Automatisierungssystem und Tele-
kommunikationsnetze als Energieinformationssystem zusammen mit
dem Energieversorgungssystem zu einem Smart Grid zusammen-
wachsen (müssen). Die Fach spezialisten der Energieversorgungsnetze
werden die Erfahrung machen, dass Telekommunikationsnetze auf-
grund der Komplexität eine größere Störungsanfälligkeit aufweisen und
mehr Wartung und Pflege für einen reibungsfreien Betrieb erfordern,
als sie dies von Energieversorgungsnetzen gewohnt sind. Die Fachspe-
zialisten der Telekommunikationsnetze werden lernen müssen, dass
zeitliche Abstände von Releasewechseln (bspw. bzgl. der Infrastruk-
turkomponenten im Feld) in der Energieversorgung eher in Dekaden
gerechnet wird, als in Monaten und Jahren. Damit die Energieversor-
gung in der Zukunft mit der erforderlichen Zuverlässigkeit und Sicher-
heit funktioniert, müssen Energieversorgungssysteme zusammen mit
den Energieinformationssystemen als ganzheitliche Einheit aufgefasst
werden. Insofern müssen heute noch bestehende gedankliche Grenzen
zwischen Energieversorgung, Telekommunikation und Automatisierung
überwunden werden. Ein Schritt in diese Richtung ist die weitere Detail-
lierung des in Abschnitt 4 beschriebenen generischen Modells, um es
104 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
zu einem einheitlichen Beschreibungsmodell für Energieinformations-
netze weiter zu entwickeln. Ein solches Modell bildet dann die Basis zur
Entwicklung von Inventarisierungssystemen, Operation-Support-Sys-
temen, Business-Support-Systemen und Netzführungssystemen, die
speziell auf die Anforderungen von Energieinformationsnetzen zuge-
schnitten sind und eine optimale Unterstützung für den zuverlässigen
und sicheren Betrieb bieten
7.2.4 Einbindung der Informationstechnologie für Smart MeteringDie aus dem Paradigmenwechsel entstehenden Veränderungen der
Energie-Verteilung und der Verteilungsmodelle durch den Übergang von
lastabhängigen Nachfrage-Modellen zu hoch dynamischen Prozessen
erfordert die verstärkte Einbindung der Informationstechnologie. Das
Internet der Energie als Drehscheibe für Energiedaten und die Energie-
Informations-Verarbeitung werden durch „Smart Metering“ erst möglich
und schaffen dadurch eine neue Dimension für das Daten- und Infor-
mations-Management.
Alle Veränderungen werden einen erheblichen Einfluss auf zukünftige
Geschäftsprozesse, die Gestaltung der hierzu erforderlichen IT-Systeme
und des darauf ausgelegten Informations-Managements ausüben.
Die Hauptmotivation für den Einsatz von „Smart Metering“ besteht in
den folgenden Aspekten:
� Verbesserung der Energie-Verbrauchs-Steuerung insbesondere im
aktiven Verteilungsnetz
� Einbindung zusätzlicher Marktteilnehmer und Rollen im Gesamtkon-
text Multi-Utility und Smart Home
� Gestaltung und Optimierung der internen Geschäftsprozesse mit
Potential zur Reduktion der Betriebskosten
� Erweiterung des Leistungs- und Service-Portfolios sowie Einführung
neuer Tariffierungs-Modelle für ein pro-aktives Kunden-Management
(CRM)
� Umsetzung neuer Geschäftsmodelle zur Optimierung der Laststeue-
rung, Demand Response sowie E-Mobility.
Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass durch Smart Metering ein hohes
Volumen an Daten verfügbar wird, die möglichst zeitnah verarbeitet
werden müssen. Hinzu kommen die Themen Daten-Konsistenz, Plausi-
bilität, Korrektheit und natürlich auch Daten-Sicherheit. Es werden Ana-
logien zur IT-Entwicklung in der Telekommunikations-Branche deutlich.
In diesem Zusammenhang wird die hohe Bedeutung der Wirtschafts-
informatik im Rahmen der Analytik, der Modellierung und Gestaltung
der IT-Prozesse und -Systeme ersichtlich [28].
105 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
7.2.5 Berücksichtigung der IKT-AnforderungenInsbesondere die in Abschnitt 2.4 eingeführten „Anforderungen an
Informations- und Kommunikationstechnologie“ sollten im Rahmen
der weiteren Entwicklung der Energieinformationsnetze und -systeme
für die nachhaltigen intelligenten Energieversorgungssysteme berück-
sichtigt werden. Gleichzeitig sollten diese Anforderungen selbst gezielt
breiter diskutiert und gegebenenfalls fortentwickelt oder um bisher
nicht berücksichtigte Punkte erweitert werden.
7.2.6 Gewährleistung von Robustheit und ResilienzAnwendungen, Verfahren, Dienste und die darunterliegenden Architek-
turen sollten schon auf fachlicher Ebene robust und resilient geplant
und aufgesetzt werden. Dazu gehört, bereits beim Design auch die für
die Bewältigung von Störungen und Krisenlagen notwendigen System-
eigenschaften zu berücksichtigen. Inwieweit der jeweils betrachtete
Gegenstand dabei auch beziehungsweise gerade bei Störungen oder
Krisenlagen zuverlässig verfügbar sein muss oder nur nach Beendigung
der Beeinträchtigungen möglichst problemlos wieder in den Betrieb
zurückkehren muss, hängt von der jeweiligen Bedeutung im Gesamt-
system der Versorgung ab.
7.2.7 Begrenzung der Abhängigkeiten von anderen InfrastrukturenBezüglich der Abhängigkeiten von anderen Infrastrukturen außerhalb
der Energieversorgungssysteme muss auf eine ausreichend hohe
Robustheit gegen Interdependenzprobleme geachtet werden. Bei-
spielsweise kann kein Verlass auf die Verfügbarkeit des Internets weder
als Gesamtinfrastruktur noch einzelner Kommunikationsknoten sein.
Auch muss mit über das Internet wirkenden Gefährdungen gerechnet
werden. Mit Einschränkungen besteht diese Problematik ggf. auch für
halboffene, IP-basierte Netze mit vielen Teilnehmern. Problematisch
sind aber ggf. auch kritische Abhängigkeiten von anderen Kommu-
nikationsinfrastrukturen. Wie kritisch Abhängigkeiten z.B. von GSM/
Mobil kommu nikations diensten oder festnetzbasierten Standard-
IKT-Infra struk turen sein dürfen, muss im Einzel fall qualifiziert geprüft
werden. Bei Nutzung solcher externen Infrastrukturen müssen ggf.
Notbetriebsmodi und Krisenüberwindungsmechanismen für den Zeit-
raum der Nichtverfügbarkeit oder schwerwiegender Beeinträchtigungen
der Kommunikations infrastrukturen implementiert werden. Der Wieder-
anlauf von Versorgungssystemen (insbesondere der Elektrizitätsver-
sorgung) nach lange anhaltenden, großflächigen Ausfällen muss auch
ohne solch externe Kommunikationsinfrastrukturen möglich sein.
7.2.8 Begrenzung der KomplexitätEine stark ansteigende Komplexität der Energieversorgungssysteme als
Gesamtinfrastrukturen ist unausweichlich. Um die Versorgungssysteme
dennoch im Griff zu behalten, muss die Komplexität gezielt beobachtet
106 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
und auf das notwendige, sowohl technisch als auch wirtschaftlich noch
kontrollierbare Maß beschränkt werden. Deshalb wird eine verteilte
Automatisierung von Netzführung und von Marktmechanismen in regio-
nal agierenden, aber überregional verbundenen energetischen Regel-
kreisen empfohlen. Dabei sollte auch sichergestellt werden, dass das
notwendige Betriebswissen für die immer komplexeren Infrastrukturen
dauerhaft verfügbar bleiben muss und eine ausreichende Betriebsper-
sonaldecke aufrecht erhalten werden kann.
7.2.9 Beachtung der grundsätzlichen AnforderungenDie kontinuierliche Entwicklung hin zu intelligenten Versorgungssyste-
men der Zukunft kann nur erfolgreich sein, wenn alle Beteiligten sich
über die grundsätzlichen Anforderungen im Klaren sind. Aufgrund der
überragenden Bedeutung der Versorgungssysteme steht dabei die Ver-
sorgungssicherheit zweifellos an erster Stelle. Andere Anforderungen
z.B. bzgl. Wirtschaftlichkeit oder Offenheit für die Weiterentwicklung
dürfen dabei aber nicht vernachlässigt werden. Hersteller, Integratoren,
Betreiber, Großnutzer, aber auch Regulatoren und ggf. selbst kleinere
Nutzer müssen hier entsprechend eingebunden werden.
7.2.10 Systemweite Interoperabilität durch StandardsSystemweite Interoperabilität ist eine zwingende Voraussetzung für
Aufbau, Betrieb und Wartung großer Systeme. Im Bereich der Energie-
versorgung steigen die Anforderungen an den Informationsaustausch
gegenwärtig an und bedingen teils komplexe Kommunikationsbezie-
hungen. Alle verwendeten Protokolle für die Kommunikation in einem
solchen Energieinformationsnetz müssen zukunftsweisend sein [15].
Es sollte stets international akzeptierten Normen der Vorzug vor pro-
prietären Protokollen gegeben werden. Gleichzeitig sollte die Anzahl
der verschiedenen Protokolle auf das Notwendigste beschränkt und so
die Anzahl von Gateways so gering wie möglich gehalten werden, um
eine weitreichende Interoperabilität zu fördern. Konformitäts nachweise
und Interoperabilitätstests sollten insbesondere in kritischen Bereichen
eingefordert werden.
7.2.11 Trennung betrieblicher und wirtschaftlicher DiensteWo immer möglich sollte eine saubere Trennung betrieblicher und
energiewirtschaftlicher Dienstanteile erfolgen. Schädliche Rückwirkun-
gen aus den energiewirtschaftlichen Funktionalitäten auf betriebliche
Funktionalitäten sollten bestmöglich vermieden werden. Wo schädliche
Rückwirkungen nicht ausgeschlossen werden können, muss sicher-
gestellt werden, dass negative Effekte auf ein beherrschbares Maß
beschränkt bleiben.
Negative Auswirkungen betrieblicher Störungen auf energiewirtschaft-
liche Funktionalitäten werden sich naturgemäß nicht vermeiden lassen.
Hier sollten die energiewirtschaftlichen Funktionalitäten so implemen-
107 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
tiert werden, dass sie mit möglichen betrieblichen Störungen umgehen
können. Wo dafür notwendige, geeignete und anwendungs orientierte
Regelungen oder Vorgaben fehlen, müssen diese geschaffen werden
und durch die Politik festgeschrieben werden, um Investitionssicherheit
zu gewährleisten.
7.2.12 Weiterentwicklung unter Einbindung aller BetroffenenDas Positionspapier der ITG-Fokusgruppe ist bewusst als Beitrag für
einen Einstieg in einen konsequenten, systematisch geführten fach-
übergreifenden Entwicklungsprozess hin zu einer zukunftsfähigen,
ganzheitlichen intelligenten Energieversorgung gedacht. Diese Syste-
matisierung sollte dringend erfolgen und bestehende vielversprechende
Ansätze wie die E-Energy-Initiative und die Einrichtung des Kompetenz-
zentrums E-Energy / Smart Grid in der DKE sollten weiter verfolgt und
unterstützt werden.
Der Entwicklungsprozess muss alle Betroffenen einbinden, von den
jetzigen und zukünftigen Großbetreibern der Energieversorgungssys-
teme und der fachlichen und technischen Aufsicht (und ggf. darüber
hinausgehende Vertretung der gesamtgesellschaftlichen Interessen)
über Technologie-Entwickler, Hersteller und Integratoren bis hin zu einer
geeigneter Einbindung zukünftiger Dienstleister und der Vertretung der
Interessen mittlerer, kleiner und kleinster dezentraler Anbieter wie auch
der Nutzer allgemein.
108 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
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GlossarAbwicklungs- und Einigungsdienstleister
(en: Clearing & Settlement):
Systemrolle zur Übernahme der Haftung zum Abdecken der zukünfti-
gen Vertragseinigungen zwischen Marktpartnern und Beistellung des
Vertragspartners bei Handelsgeschäften an der Energiebörse
Akteur:
Natürliche oder juristische Person als Dienstenehmer in Verantwortlich-
keit einer Systemrolle in der virtuellen Diensteebene des intelligenten
Energiesystems sowohl als auch technisches Element in Form eines
physischen Gerätes (siehe auch Begriff Element) in einer Wirkungsdo-
mäne des intelligenten Energieversorgungssystems als Infrastrukture-
bene, das als Teilnehmer des intelligenten Energieversorgungssystems
mit Elementen für Erzeugung (Energiequellen), Verbrauch (Energiesen-
ken), Speicherung (Energiesenken und -quellen) und Netzbetrieb, als
Teilnehmer des Automatisierungssystems mit Elementen zur Messung,
Schaltung, Steuerung und Regelung sowie als Teilnehmer des Telekom-
munikationssystem mit den Elementen Gateway und Dienstegenerie-
rungspunkt eingesetzt wird.
Aktivität:
Ablauf im Anwendungsfall innerhalb einer Wirkungsdomäne im intelli-
genten Energiesystem mit Definition einer Eingabe über einen Sender-
Akteur sowie einer Ausgabe über einen Empfänger-Akteur
Anlagen:
Wirkungsdomäne für die energienutzenden Anlagen im gewerblichen
und industriellen Bereich
Anwendungsfall (en: Use Case):
Struktur zur Bündelung von Aktivitäten, die von einem Akteur benutzt
werden, um mit Diensten auf Informationsobjekte einzuwirken, wobei
die innere Struktur soweit zu vereinbaren ist, dass Objektmodelle und
Dienste-Schnittstellen Bestandteil der Normung werden.
Anwendungsfallszenario:
Anwendungsfall-Gruppierung für Teilprozesse zum Einsatz in verschie-
denen Geschäftskonzepten übergreifend über mehrere Hauptfunktions-
gruppen
Automatisierungssystem:
Summe der Teilnehmer zur Automatisierung im intelligenten Energie-
versorgungssystem (Smart Grid)
113 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
Beeinflusser:
Rollengruppe zur Gruppierung von weiteren den Energiemarkt und das
Energiesystem beeinflussenden Stakeholdern
Bilanzkreis (en: Balancing area):
Bilanzkreis Definition nach EnWG § 3, 10a: im Elektrizitätsbereich die
Zusammenfassung von Einspeise- und Entnahmestellen, die dem
Zweck dient, Abweichungen zwischen Einspeisungen und Entnahmen
durch ihre Durchmischung zu minimieren und die Abwicklung von Han-
delstransaktionen zu ermöglichen
Bilanzkreiskoordinator (Abk.: BKK; en: Balance Grid Coordinator),
analog zu Regelzonen-Verantwortlicher (en: Control Area
Manager):
Systemrolle, die in einer Regelzone alle relevanten Daten von den
Bilanzkreisverantwortlichen zusammenführt, Bilanzabweichungen
ermittelt und für den finanziellen Ausgleich zwischen den Bilanzkreis-
verantwortlichen für zuviel oder zu wenig gelieferte Energie in der
Bilanzkreisabrechung sorgt
Bilanzkreisverantwortlicher (Abk.: BKV; en: Balance Responsible
Party):
Systemrolle mit der wirtschaftlichen und energetischen Verantwortung
für eine ausgeglichene Bilanz von Entnahmen und Einspeisungen in
seinem Bilanzkreis (BK), der die Fahrpläne seines Bilanzkreises an
den Bilanzkreiskoordinator sendet und vom Bilanzkreiskoordinator die
genutzte Ausgleichsenergie berechnet bekommt.
Bündelrolle:
Rechtsgeschäftsfähige Instanzen zur Bündelung von granularen Sys-
temrollen im Wertschöpfungsnetzwerk des intelligenten Energiesystems
Dienstenehmer:
Organisatorische Ausprägung in Form einer natürlichen Person oder
juristischen Person, die Verantwortlichkeiten von Systemrollen über-
nimmt
Domänengruppe:
Gruppe von Systembereichen mit definierten Grenzen und innerhalb
der Gruppe mit ähnlichen Strukturen, mit denen eine grobe Einteilung
des gesamthaften intelligenten Energieversorgungssystems anhand des
physischen Stromflusses bzw. der informationstechnischen Verbindun-
gen vorgenommen werden kann.
114 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
E-Energy (Leuchtturmprojekt „E-Energy: IKT-basiertes
Energiesystem der Zukunft“):
Förderprogramm der Bundesregierung, das mit hoher Breitenwirksam-
keit in sechs Modellregionen neue Ansätze zur Optimierung der Strom-
versorgung durch den Einsatz moderner Informations- und Kommuni-
kationstechnologien (IKT) entwickelt und erprobt
Anmerkung: In dem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Tech-
nologie (BMWi) initiierten Programm werden in ressortübergreifender
Partnerschaft mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit (BMU) entsprechende FuE-Aktivitäten mit ins-
gesamt etwa 60 Mio. € gefördert. Damit wird ein Gesamtvolumen von
rund 140 Mio. € mobilisiert. E-Energy soll das Optimierungspotenzial
der IKT mit der Entwicklung des Internets der Energie und des zukünf-
tigen Marktplatzes der Energie erschließen, um mehr Wirtschaftlich-
keit, Versorgungssicherheit sowie Klima- und Umweltverträglichkeit in
der Stromversorgung zu erreichen. So sichert E-Energy substantielle
Innovations-, Wachstums- und Beschäftigungspotenziale am Standort
Deutschland und vermindert nachhaltig die Abhängigkeit von Energie-
importen.
Elektrizitätsversorgungssystem:
Gesamtheit der Energieversorgungselemente zur Erzeugung, Verbrauch
und Speicherung von elektrischer Energie sowie des Elektrizitätsversor-
gungsnetzes
Elektrizitätsversorgungsnetz:
Gesamtheit aller Energieversorgungselemente zum Netzbetrieb mit
Leitungen und Knoten zur Übertragung und Verteilung von elektrischer
Energie,
Elektrofahrzeuge:
Wirkungsdomäne für die energienutzenden elektrisch betriebenen
Fahrzeuge
Energiebörse (en: Energy exchange):
Systemrolle, die einen Großhandelsplatz für Energie und energienahe
Produkte betreibt
Energiedienste, intelligente (en: Smart energy services):
Bündel von Softwarediensten für den Energiemarkt und für die Energie-
netzführung; auch beschrieben durch eine elektronische Dienstekom-
munikation über das IP-Protokoll und damit ein Bereich im Internet der
Dienste
115 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
Energiedienstleister (en: Energy service provider):
Systemrolle für Energiedienstleistungen wie beispielsweise Energiebera-
ter, Energiedatenverarbeitung, Contracting und Systemdienstleistungen
Energiedienstleistungsmarkt:
Wirkungsdomäne für die Zusammenführung von Energiedienstleitungen
und Leistungsnehmern
Energiegewinnung (en: Energy generation):
Erzeugung von elektrischer Energie und Wärmeenergie durch
Umwandlungs prozesse aus anderen Energieformen
Energiegroßhandelsmarkt:
Wirkungsdomäne für den zentralen Energiemarkt in Verbindung mit
überregionalen Energiebörsen
Energiehändler (en: Energy trader):
Systemrolle, die durch aktives Portfolio- und Risikomanagement
gewinnbringenden Handel mit Energie betreibt, wobei alle Möglichkeiten
für Kauf-, Verkaufs- und Tauschgeschäfte von Energie und energie-
bezogenen Leistungen einschließlich ihrer Derivate genutzt werden
Energieinformationsnetze und -systeme:
Summe der Knoten für Informationstransport im Telekommunikations-
system und Teilnehmern bzw. Betriebsmittel des Automatisierungssys-
tems als Erweiterung des weitgehend passiven Energieversorgungssys-
tems zur Bildung des intelligenten Energieversorgungssystems
Energieinformationssystem:
Dieser Begriff wird in diesem Dokument synonym zu „Energie-
informationsnetze und -systeme“ verwendet.
Energielieferant (en: supplier):
Systemrolle zur Beschaffung von Energie in Form von Elektrizität,
Wärme und Gas sowie zur vertraglichen Lieferung von Energie an
Energie nutzer als Anschlussnehmer im Rahmen eines Energieliefer-
vertrags unter Nutzung des Verteilungsnetzes über einen Lieferanten-
rahmenvertrag
Energiemanagement-Gateway (EMG):
Physisches Gerät, bestehend aus Hardware eines Rechnersystem
zuzüglich eines Betriebssystems, einer virtuellen Laufzeit-Maschine,
einer hardwareunabhängigen dynamischen Softwareplattform als
Programmiergerüst, sowie einem Applikations- und Kommunikations-
Framework zur Abbildung von Kommunikationsstacks, Ressourcen-
beschreibung und Basisfunktionen
116 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
Energiemanager (EM):
Softwarelösung, bestehend aus gerätespezifischen Energieservices,
die auf das Applikations- und Kommunikations-Framework des Ener-
giemanagement-Gateways zugreifen, sowie weiterhin bestehend aus
Energieautomatisierungs-Services, die einerseits die gerätespezifi-
schen Services und die Geräteressourcen zur Inhouse-Kommunikation
nutzen, aber auch anderseits die Schnittstelle zum aktiven Verteilungs-
netz darstellen
Energienetzführung:
Dienste für die Führung von Energieversorgungsnetzen als Elektrizi-
tätsnetze und Wärmenetze in den Leitwarten sowie in der dezentralen
Automatisierungsebene
Energienutzer (en: consumer):
Systemrolle, die der energiebeziehende Verbraucher einsetzt und damit
am Netz als Energiesenke partizipiert, wobei die Rolle im allgemeinen
in die vier Kategorien der Rolle Energienutzer in Wohnobjekten (en:
Consumer Residential), Energienutzer in kommerziellen Objekten (en:
Consumer Commercial), Energienutzer in der Industrie (Consumer
Industrial), sowie Energienutzer im Transportbereich (Consumer Trans-
portation) unterteilt wird.
Energienutzungseinrichtung:
Domänengruppe für Geräte und Anlagen in Objekten der Netznutzer
und Ausstattungen in mobilen Objekten zur Nutzung von elektrischer
Energie und Wärmeenergie
Energiemarkt (en: Energy market):
Domänengruppe für die Teilmärkte der Energiewirtschaft
Energiemarktplatz (en: Energy marketplace):
Akteur als Drehscheibe und Träger von Diensten für regionale
Geschäfte bezüglich Energiehandel, Energielieferung und Energie-
dienstleistung inklusive des Angebotes von regionaler Reserveenergie
und von Systemdienstleistungen zwischen den Rollen im Energiesys-
tem nach definierten Regeln, unter Beachtung von Unbundling und
Mandatentrennung, mit Bereitstellung einer Anreizstruktur und einer
Informationsplattform für Verbrauch, Erzeugung und Netz sowie einer
echtzeitfähigen Kopplung zu den Systemrollen als Dienstenehmer und
den Elementen im intelligenten Energieversorgungssystem
Energiesenken:
Domänengruppe für die energienutzenden Geräte, Anlagen und Fahr-
zeuge des Netznutzers
117 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
Energiesystem:
Gesamtsystem bestehend aus Energieversorgungssystem und den
Prozessen im Energiemarkt und bei der Netzführung
Energieversorgungselement (ESE, en: ESE):
Element im Energieversorgungssystem auf der physischen Infrastruktu-
rebene in Form einer Anlage zur Energiegewinnung, einem energienut-
zenden technischen Akteur, eines Energiespeichers zu Aufnahme und
Lieferung von Energie sowie einem Betriebsmittel zum Energietransport
in Transportnetzen und in Netzen der Netznutzerobjekte; ausgestattet
mit einer bidirektionalen IKT-Schnittstelle aus informationsverarbeiten-
den Bausteinen des Automatisierungssystems, Plattform und Ausfüh-
rungsumgebung als Dienstgenerierungspunkte, Kommunikation und
Middleware, Basisdiensten, Sicherheitsdiensten und Systemdiensten,
wobei die IKT-Schnittstelle als eingebettetes System aber auch als
gesondertes Kommunikations-Gateway und Diensteplattform ausge-
prägt sein kann
Energieversorgungssystem (en: Energy grid):
Gesamtheit der Energieversorgungselemente zur Gewinnung, Nutzung
und Speicherung von Energie sowie des Energieversorgungsnetzes
Energieversorgungsnetz:
Gesamtheit aller Energieversorgungselemente zum Netzbetrieb mit
Leitungen und Knoten zum Transport von Energie
Erneuerbare Energiequellen (en: Renewable energy sources):
Energiegewinnung aus Quellen, die sich entweder kurzfristig von selbst
erneuern oder deren Nutzung nicht zur Erschöpfung der Quelle beiträgt
Erzeuger (en: Generator):
Systemrolle für eine juristische und natürliche Person, die als Produzent
Elektrizitäts- oder Wärmeenergie aus anderen Energieformen gewinnt
und diese in entsprechende Transportnetze einspeist.
Geräte:
Wirkungsdomäne für die energienutzenden Geräte im Wohn- und kom-
merziellen Bereich
Gewerbeobjekt:
Wirkungsdomäne für das Objektnetz im kommerziellen und gewerbli-
chen Gebäudebereich eines Netznutzers als Energienutzer und/oder
Erzeuger, wobei die Objekte durch Anlagen für Strom und Wärme als
Abschlüsse des Verteilungsnetzes sowie ein Kommunikations-Gateway
hin zum Objektnetz in Hoheit des Netznutzers abgegrenzt sind
118 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
Hauptfunktionsgruppe (en: High level function):
Anwendungsfall-Gruppierung für fachliche ähnliche Anwendungsfälle
Industrieobjekt:
Wirkungsdomäne für das Objektnetz im Industriebereich eines Netz-
nutzers als Energienutzer und/oder Erzeuger, wobei die Objekte durch
Anlagen für Strom und Wärme als Abschlüsse des Verteilungsnetzes
sowie ein Kommunikations-Gateway hin zum Objektnetz in Hoheit des
Netznutzers abgegrenzt sind
Intelligentes Energiesystem (en: Smart energy system; kurz auch
Smart energy):
Summe aus intelligentem Energieversorgungssystem (Smart grid) als
physische Ebene, einer Dienste-Middleware, einer virtuellen Ebene der
Energiedienste für den Energiemarkt und für die Energienetz führung
sowie den Dienstenutzern mit Verantwortlichkeiten für definierte
System rollen
Intelligentes Energieversorgungssystem (en: Smart grid):
Verbindung von passivem Energieversorgungssystem und Energiein-
formationssystem, auch beschrieben durch die IP-basierte physische
Vernetzung von Energiesystemelementen und damit ein Bereich im
Internet der Dinge
Internet der Dinge:
auf dem IP-Protokoll basierte Vernetzung physischer Komponenten,
wobei ein intelligentes Energieversorgungssystem auf physischer
Ebene die Energiesystemelemente mit einem Telekommunikations-
system und einem Automatisierungssystem vernetzt und damit das
Smart Grid abbildet
Internet der Dienste:
Energiedienste auf einer virtuellen Diensteebene, für den Energiemarkt-
platz sowie die Energienetzführung, wobei die Dienste durch eine elek-
tronische Dienstekommunikation über das IP-Protokoll verbunden sind
Internet der Energie:
Metapher für das intelligente Energiesystem als Verbindung von Inter-
net der Dinge mit dem Internet der Dienste
Kleinenergiegewinnungsanlage (en: Micro generation):
Wirkungsdomäne für einen Erzeuger von Elektrizitäts- oder Wärme-
energie in Form Kleinanlagen und Kleinkraftwerken, die im Objektnetz
des Netznutzers einspeisen
119 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
Knoten:
Element zum Energietransport im Energieversorgungssystem sowie
zum Informationstransport im Telekommunikationssystem
Kommunikationsnetzbetreiber (en: Grid communications network
operator):
Systemrolle zur Planung, zum Bau und zur Instandhaltung aller Kom-
munikationssysteme, die die Übertragung erforderlicher Daten zur
Netzstabilität, zur Lastbilanzierung, zum Betrieb von Fehlerschutzsys-
temen, zur Erzeugungs- und Verbrauchsmessung, sowie zur Markt-
kommunikation der Geräte und Anlagen des Netznutzers mit anderen
Systemrollen ermöglicht
Kraft-Wärme-Kopplung – KWK (en: Combined heat and power -
CHP):
Aufgabe einer Systemrolle bestimmte Aufgaben zu übernehmen und
für die darauf basierenden Maßnahmen und Handlungen Rechenschaft
abzulegen, um damit eine bestimmte Arbeit oder rechtliche Wirkung zu
übernehmen
Logischer Knoten:
Gruppierung von Objektressourcen eines Energiesystemelementes
Messstellendienstleister (Abk: MDL; en: Metering service provider):
Systemrolle zur Fernauslesung von digitalen, kumulierenden Messgerä-
ten im Auftrag des Anschlussnutzers zur Verbrauchsbestimmung einer
vom Lieferanten über das Netz des Netzbetreibers gelieferten Energie-
menge.
Messstellenbetreiber (en: Metering point operator):
Systemrolle zur Übernahme des Messstellenbetriebs für Einbau,
Betrieb und Wartung der Messeinrichtung
Meter Gateway:
Kommunikationskomponente zwischen den Verbrauchsmesseinrich-
tungen in den Objekten der Netznutzer und auch zum Energiemanage-
ment-Gateway
Netzbetreiber:
Kategorie für Systemrollen, die als Übertragungsnetzbetreiber oder
Verteilungsnetzbetreiber für den sicheren und zuverlässigen Betrieb des
jeweiligen Netzes und für die Verbindungen mit anderen Netzen verant-
wortlich sind
Netznutzer:
Rollengruppe für die Systemrollen der Erzeuger und Energienutzer
120 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
Netznutzerobjekte:
Domänengruppe für die Objekte der Netznutzer als Energienutzer und/
oder Erzeuger, wobei die Objekte durch Anlagen für Strom und Wärme
als Abschlüsse des Verteilungsnetzes sowie ein Kommunikations-Gate-
way hin zum Objektnetz in Hoheit des Netznutzers abgegrenzt sind
Netzzelle (en: Grid cell):
Netzbezirke mit einem vollständigen Satz von mittels Telekommunikati-
onssystem vernetzten Energiesystemelementen und Automatisierungs-
elementen zur Schaffung von eigenständigen Regelkreisen mit Diensten
für Automatenstrukturen zur Ausbildung autonomen Handelns in diesen
Zellen
Objektgerät:
Domänengruppe für die Objekte der Netznutzer als Energienutzer und/
oder Erzeuger, wobei die Objekte durch Anlagen für Strom und Wärme
als Abschlüsse des Verteilungsnetzes sowie ein Kommunikations-Gate-
way hin zum Objektnetz in Hoheit des Netznutzers abgegrenzt sind
Objektnetzzelle (ONZ):
Elektrotechnisch und informationstechnisch eigenständige Netzzelle
bestehend in den Objekten der Netznutzer und Nutzer des Energie-
marktes als Stromerzeuger und als Verbraucher (Prosumer).
Produkt:
innerhalb eines Geschäftskonzeptes angebotene materielle, stoffliche
oder energetische Leistung sowie Dienstleistung
Prosumer (en: Prosumer):
innerhalb eines Geschäftskonzeptes angebotene materielle, stoffliche
oder energetische Leistung sowie Dienstleistung
Prozess:
Tätigkeitsablauf zur Aufgabenabwicklung eines Geschäftsfalles, dar-
stellbar als Anwendungsfall-Abfolge
Regelenergiemarkt:
Wirkungsdomäne für den zentralen Energiemarkt zur Beschaffung von
Regelenergie
Rollengruppe:
Gruppierung von Systemrollen
Smart Grid (Quelle: DKE-Fokusgruppe Smart Grid):
Intelligentes Energieversorgungsnetzwerk mit Vernetzung und Steue-
rung von intelligenten Erzeugern, Speichern, Verbrauchern und Netz-
121 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
betriebsmitteln in Energieübertragungs- und -verteilungsnetzen mit
Hilfe von Informations- und Kommunikationstechnik (IKT)
Systemdienstleistungen:
Dienstleistungen der Elektrizitätsversorgung für die Funktionstüchtig-
keit des Energiesystems, die Netzbetreiber für die Netznutzer oder mit
Unterstützung der Netznutzer als Systemdienstleister zusätzlich zur
Übertragung und Verteilung elektrischer Energie erbringen und damit
die Qualität der Stromversorgung wie Frequenzhaltung, Spannungshal-
tung, Versorgungswiederaufbau, Betriebsführung bestimmen
Systemrolle:
Rechtsgeschäftsfähige granulare Instanzen im Wertschöpfungsnetz-
werk des Energiesystems, deren Verantwortlichkeit über die Definition
von Zielen, Anforderungen und Maßnahmen zur Definition von Funkti-
onsgruppen und zur granularen Ebene des Anwendungsfalles führt
Technologielieferant Elektrizitätsversorgungsanlagen:
Systemrolle zur Lieferung von Anlagen und Ausstattungen an Strom-
netzbetreiber
Technologielieferant elektrischer Transport und eMobile (en:
Electric Transport / Vehicle Solutions):
Systemrolle zur Lieferung von elektrisch betriebenen Transporteinrich-
tungen und Fahrzeugen
Technologielieferant Gebäudeautomatisierung und
Energiemanagement (en: Building Automation / Energy
Management):
Systemrolle zur Lieferung von Gebäudeautomations- und Energiema-
nagementsystemen an den Energienutzer im kommerziellen Gebäude-
bereich und Wohngebäudebereich
Technologielieferant Haushaltsgeräte (en: Home Appliances):
Systemrolle zur Lieferung von Haushaltsgeräten an den Energienutzer
im Wohngebäudebereich
Technologielieferant Informations- und
Kommunikationstechnologie (IKT) (en: Information Communication
Technologies (ICT)):
Systemrolle zur Lieferung und zum Betrieb von Informations- und Kom-
munikationstechnologie an die Rollen des energetischen Wertschöp-
fungsnetzwerkes insbesondere zur Abbildung einer Integrationsinfra-
struktur zur Marktkommunikation und zur Verbindung von Energiemarkt
und Energiesystem über ein Marktplatzsystem
122 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
Teilnehmer:
durch Telekommunikationssystem vernetztes Element im Automati-
sierungssystem sowie Energieversorgungselement im Energieversor-
gungssystem
Telekommunikationssystem:
Summe der Knoten für Transport und Verteilung von Information
Übertragungsnetz (en: Transmission grid):
Elektrizitätsversorgungsnetz als Wirkungsdomäne im Energiesystem
zum überregionalen Transport von großen Mengen elektrischer Ener-
gie und Leistung von zentralen, großen Kraftwerken über Hoch- und
Höchstspannungsnetze mit Wechselstrom und/oder Gleichstrom hin zu
den Verteilungsnetzen
Übertragungsnetzbetreiber (Abk: ÜNB; en: Transmission System
Operator – TSO):
Systemrolle in Form einer natürlichen oder juristischen Person, die
überregionale Übertragungsnetze der Elektrizitätsversorgung unterhält
Verantwortlichkeit einer Systemrolle:
Aufgabe einer Systemrolle bestimmte Aufgaben zu übernehmen und
für die darauf basierenden Maßnahmen und Handlungen Rechenschaft
abzulegen, um damit eine bestimmte Arbeit oder rechtliche Wirkung zu
übernehmen
Verbraucher:
Geräte und Anlagen, die Energie aufnehmen und durch Reaktionen in
andere Energieformen umwandeln
Verteilte Energiegewinnungsanlage:
Wirkungsdomäne für einen Erzeuger von Elektrizitäts- oder Wärmeener-
gie in Form von regionalen Anlagen und Kraftwerken, die in das Über-
tragungsnetz aber auch in das Verteilungsnetz einspeisen
Verteilungsnetz (en: Distribution grid):
Elektrizitätsversorgungsnetz als Wirkungsdomäne im Energiesystem
zur Weiterleitung von elektrischer Energie und Leistung innerhalb eines
begrenzten Verbrauchsgebietes zur Speisung von Stationen oder Anla-
gen von Endabnehmern
123 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
Verteilungsnetzbetreiber – VNB (en: Distribution system operator –
DSO):
Systemrolle, die Elektrizitätsversorgungsnetze im Niederspannungs-
und Mittelspannungsbereich im regionalen Bereich der Versorgung mit
Elektrizität unterhält und den Netzanschluss zur Verfügung stellt, über
den der Anschlussnutzer mit Lieferungen des Elektrizitätslieferanten
versorgt wird
Verteilungsnetzzelle (VNZ):
Elektrotechnisch und informationstechnisch eigenständige Netzzelle
des Verteilungsnetzbetreibers
Virtueller Bilanzkreis (en: virtual Balancing area):
Unterbilanzkreis, der vom Energielieferant für die Bilanzierung eines
Produktes, eine Kundengruppe oder eine Region innerhalb seines Lie-
ferantenbilanzkreises gebildet wird
Wirkungsdomäne:
Systembereich mit definierten Grenzen, mit dem eine grobe Einteilung
des gesamthaften intelligenten Energiesystems anhand des physischen
Energie- und Leistungsflusses bzw. der informationstechnischen Ver-
bindungen vorgenommen werden kann
Wohnobjekt:
Wirkungsdomäne für das Objektnetz im Wohnhausbereich eines Netz-
nutzers als Energienutzer und/oder Erzeuger, wobei die Objekte durch
Anlagen für Strom und Wärme als Abschlüsse des Verteilungsnetzes
sowie ein Kommunikations-Gateway hin zum Objektnetz in Hoheit des
Netznutzers abgegrenzt sind
Zentrale Energiegewinnungsanlagen
Wirkungsdomäne für einen Erzeuger von Elektrizitäts- oder Wärme-
energie in Form von zentralen Großanlagen und Kraftwerken, die
im Übertragungsnetz in das Hochspannungsnetz und das Höchst-
spannungsnetz einspeisen
124 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
AbkürzungsverzeichnisAMI Advanced Meter Infrastructure
AMM Advanced Meter Management
AMR Advanced Meter Reading (vgl. ZFA)
BEMI Bidirektionales Energiemanagement Interface
BK Bilanzkreis
BKK Bilanzkreiskoordinator
BKV Bilanzkreisverantwortlicher
BSS Business Support Systems
CCS Carbon Dioxide Capture and Storage
CIM Common Information Model
CPP Critical Peak Pricing
CRM Customer Relationship Management
DEA Dezentrale Energiegewinnungsanlagen
DG Distributed Generation
DIN EN 16001 Energiemanagementsysteme – Anforderungen mit Anlei-
tung zur Anwendung
DMS Distribution Management System
DR Demand Response
DSL Digital Subscriber Line
DSM Demand Side Management
DSO Distribution System Operator (vgl. VNB)
ECC Execution Control Chart
EM Energie-Manager
EMG Energiemanagement-Gateway
EMS Energiemanagement-System
EnWG Energiewirtschaftsgesetz
ERP Enterprise Resource Planning
ESE Energiesystemelement
EVU Energie-Versorgungs-Unternehmen
FB Funktionsbaustein
FIPA Foundation for Intelligent Physical Agents
FLISR Fault Location, Isolation, and Supply Restoration
FUP Funktionsplan
GID Generic Interface Definition
GIS Geographisches Informationssystem
GOOSE Generic Object Oriented Substation Events
GSM Global System for Mobile Communications
ICT Information and Communication Technologies
IEC International Electrotechnical Commission
IEC 61131 Programmable Controllers
IEC 61400-25 Wind Turbines – Part 25: Communications for Monitoring
and Control of Wind Power Plants
IEC 61499 Function Blocks
IEC 61850 Communication Networks and Systems for Power Utility
Automation
125 © Informationstechnische Gesellschaft im VDE
Energieinformationsnetze und -systeme
IEC 61970 Energy Management System Application Program
Interface (EMS-API)
IGS Integrierte Gebäudesysteme
IKT Informations- und Kommunikationstechnik
IP Internet Protocol
IRM Interface Reference Model
ISO International Organization for Standards
ITU International Telecommunication Union
KWK Kraft-Wärme-Kopplung
LTE Long Term Evolution
MDL Messstellendienstleister
MSB Messstellenbetreiber
MDM Meter Data Management
MDUS Meter Data Unification and Synchronization
MM Meter Management
MOS Meter Operating System
MUC Multi Utility Controller
OGEMA Open Gateway Energy Management Alliance
ONZ Objektnetzzelle
OSI Open Systems Interconnection
OSS Operational Support Systems
OWL Web Ontology Language
PLC Powerline Communication
RDF Resource Description Framework
RFID Radio-Frequency Identification
SAIDI System Average Interruption Duration Index
SCADA Supervisory Control and Data Acquisition
SIDMS System Interfaces for Distribution Management Systems
SIFB Service Interface Funktionsblock
SOA Service-Oriented Architecture
SPS Speicherprogrammierbare Steuerung
SZ Systemzelle
TCP/IP Transmission Control Protocol / Internet Protocol
THD Total Harmonic Distortion
TSO Transmission System Operator (vgl. ÜNB)
TOU Time of Use
UMTS Universal Mobile Telecommunications System
UOZ Unterobjektzelle
VNB Verteilungsnetzbetreiber
VNZ Verteilungsnetzzelle
ÜNB Übertragungsnetzbetreiber
V2G Vehicle to Grid
WLAN Wireless Local Area Network
XML eXtensible Markup Language
ZFA Zählerfernauslese (vgl. AMR)
VERBAND DER ELEKTROTECHNIK ELEKTRONIK INFORMATIONSTECHNIK e.V.
Stresemannallee 1560596 Frankfurt am Main
Telefon 069 6308-0Telefax 069 6312925http://www.vde.comE-Mail [email protected]