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Verformungsverhalten und Verformungskinetik von Titan
technischer Reinheit und der Titanlegierung TiAl6V4
im Bereich niedriger homologer Temperaturen
von 0,22 (150oC) bis 0,48 (650oC)
Der Technischen Fakultat der
Universitat Erlangen-Nurnberg
zur Erlangung des Grades
DOKTOR-INGENIEUR
vorgelegt von
Falk Breutinger
Erlangen - 2006
Als Dissertation genehmigt von
der Technischen Fakultat der
Universitat Erlangen-Nurnberg
Tag der Einreichung: 17. Januar 2006
Tag der Promotion: 22. Mai 2006
Dekan: Prof. Dr.-Ing. A. Leipertz
Berichterstatter: Prof. i.R. Dr.-Ing. W. Blum
Prof. i.R. Dr. rer. nat. H. Strunk
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung 1
2 Grundlagen 5
2.1 Kristallographie von Gleitung und Zwillingsbildung . . . . . . . . . . . . . 5
2.2 Verformungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
2.3 Modellierung der plastischen Verformung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
2.3.1 Einfaches Modell mit phanomenologischer Versetzungsstrukturevo-
lution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
2.3.2 Erweitertes Plastizitatsmodell mit detaillierter Versetzungsstruk-
turevolution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
3 Experimentelle Methoden 15
3.1 Untersuchte Legierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
3.2 Mikrostrukturelle Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
3.3 Versuchsdurchfuhrung und -auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
3.3.1 Korrektur der Reibungseinflusse im Druck . . . . . . . . . . . . . . 18
3.3.2 Spannungsrelaxation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
4 Kommerzielles Reintitan Ti-2 23
4.1 Mikrostruktur des Ausgangszustandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
4.2 Verformung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
4.2.1 Evolution des Verformungswiderstandes . . . . . . . . . . . . . . . . 26
4.2.2 Streckgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
4.2.3 Stationarer Zustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
4.2.4 Wechsel der Verformungsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
4.3 Mikrostruktur des verformten Zustands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
4.4 Spannungsrelaxation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
4.4.1 Spannungskontrollierte Versuchsfuhrung . . . . . . . . . . . . . . . 46
4.4.2 Dehnungskontrollierte Versuchsfuhrung . . . . . . . . . . . . . . . . 51
4.4.3 Vergleich der Relaxationsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
4.5 Kriechzeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
4.6 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
4.6.1 Einfluss der Zwillinge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
4.6.2 Versetzungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
4.6.3 Stationarer Zustand der Verformung . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
i
Inhaltsverzeichnis
4.6.4 Ubergangsverformung nach Beanspruchungswechsel . . . . . . . . . 69
4.6.5 Entwicklung des Verformungswiderstandes bei konstanter Verfor-
mungsgeschwindigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
4.6.6 Entwicklung des Verformungswiderstandes bei konstanter Spannung 76
4.6.7 Spannungsrelaxation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
5 TiAl6V4 79
5.1 Mikrostruktur des Ausgangszustandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
5.2 Verformung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
5.2.1 Evolution des Verformungswiderstandes . . . . . . . . . . . . . . . . 83
5.2.2 Beanspruchungswechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
5.2.3 Streckgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
5.2.4 Stationarer Zustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
5.3 Mikrostruktur des verformten Zustands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
5.4 Spannungsrelaxation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
5.4.1 Spannungskontrollierte Versuchsfuhrung . . . . . . . . . . . . . . . 102
5.4.2 Dehnungskontrollierte Versuchsfuhrung . . . . . . . . . . . . . . . . 108
5.4.3 Vergleich der Relaxationsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
5.5 Kriechzeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
5.6 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
5.6.1 Verfestigungsverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
5.6.2 Stationarer Zustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
5.6.3 Spannungsrelaxation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
6 Zusammenfassung - Summary 123
A Anwendung des erweiterten Plastizitatsmodells 127
A.1 Ergebnisse der Modellierung fur Ti-2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
A.2 Ergebnisse der Modellierung fur TiAl6V4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
A.3 Bewertung des Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
B Materialparameter 139
C Messkurven 141
C.1 ε − ε−Kurven von Ti-2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
C.2 σ − ε−Kurven von Ti-2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
C.3 ε − t−Kurven von Ti-2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
Literaturverzeichnis 145
Abbildungsverzeichnis 149
Symbolverzeichnis 155
ii
1 Einleitung
Titan und seine Legierungen zeichnen sich durch hohe Festigkeit bei gleichzeitig niedriger
Dichte (≈ 4.5 g/mm3), d.h. sehr hohe spezifische Festigkeit, und sehr gute Korrosions-
bestandigkeit aus. Aufgrund dieser hervorragenden Eigenschaften ist der Werkstoff Titan
attraktiv fur viele technische Anwendungen (z.B. in den Bereichen Luft- und Raumfahrt,
Chemischer Apparatebau und Medizintechnik). Die Anforderungen in der Automobilin-
dustrie wie Lebensdauergarantien, hohe Motordrehzahlen und Reduktion von Emissionen
und Gewicht haben dazu gefuhrt, dass mittlerweile viele Automobilhersteller und -zuliefe-
rer am großserienmaßigen Einsatz von Titan im Automobil arbeiten. Dabei kommt Ti-
tan uberall dort in Frage, wo es aufgrund seiner uberlegenen Werkstoffeigenschaften die
herkommlichen Materialien Stahl und Aluminium substituieren kann. Konkrete Anwen-
dungsbeispiele im Automobil sind die Abgasanlage sowie Federn, Kolben, Gehause, Ventile
und Dichtringe aus Titan.
Die vorliegende Arbeit entstand aus der Kooperation zwischen dem Institut fur Werk-
stoffwissenschaften der Universitat Erlangen-Nurnberg (IWW1) und der AUDI AG im
Rahmen des Teilprojektes II.3 ”Kriechen von Titan und TiAl6V4” des von der Bayerischen
Forschungsstiftung geforderten Projektes ”Leichtbau mit neuen Werkstoffen, Verfahren,
Fugetechniken und Berechnungsverfahren fur den Großserienbau” (AZ BFS 296/98) 1.
Ziel der Arbeit ist die Charakterisierung und Modellierung des Verformungsverhaltens
von TiAl6V4 und kommerziellem Reintitan Ti-2 im fur die Automobilindustrie relevan-
ten Temperaturbereich bis 650oC bei TiAl6V4 bzw. bis 450oC bei Ti-2.
Eine umfassende Beschreibung der plastischen Verformung eines Materials erfordert die
Verknupfung der makroskopischen Parameter der plastischen Verformung (Spannung σ,
Temperatur T , Verformungsgeschwindigkeit ε) mit den Parametern der Mikrostruktur
S⊥k (versetzungsstrukturelle Großen) und SR
l (andere Strukturparameter, z.B. Fremda-
tomgehalt, Phasenstruktur) und den Materialparametern Pm (z.B. Schmelzpunkt, elasti-
sche Konstanten) im Sinne der Formulierung der”mechanischen Zustandsgleichung“(vgl.
[2, 3]):
F (ε, σ, T, S⊥k , SR
l , Pm) = 0. k, l, m = 1, 2, ... (1.1)
Ejn(Sj
m, ε, σ, T, S⊥k , SR
l , Pm) = 0. k, l, m, n = 1, 2, ..., j = ⊥, R. (1.2)
Die als kinetisches Gesetz bekannte Gl. (1.1) stellt fur ein gegebenes Material (Pm) mit
1Teile der Arbeit wurden im Abschlussbericht dieses Projektes [1] vorab veroffentlicht.
1
1 Einleitung
einer bestimmten Mikrostruktur (S⊥k , SR
l ) die Beziehung zwischen der Verformungsge-
schwindigkeit ε 2 und der Spannung σ bei einer bestimmten Temperatur T her. In der
Strukturevolutionsgleichung (1.2) wird berucksichtigt, dass sich die Mikrostruktur norma-
lerweise mit der Verformung andert und dieser Prozess an die makroskopischen Parameter
gebunden sein kann. Kinetisches Gesetz und Strukturevolutionsgleichung beschreiben zu-
sammen die Entwicklung von Verformungswiderstand und Struktur wahrend plastischer
Verformung.
Eine derartige Beschreibung des plastischen Werkstoffverhaltens auf der Basis der verfor-
mungsrelevanten Mechanismen hat gegenuber phanomenologischen Beschreibungen den
Vorteil, dass Extrapolationen uber den untersuchten Anwendungsbereich hinaus moglich
sind und durch einfache Modellmodifikationen eine Ubertragung auf im Verformungs-
verhalten ahnliche Werkstoffe erreicht werden kann. Die Komplexitat der mikrostruk-
turellen Vorgange im Werkstoff und die Vielfalt moglicher Beanspruchungen erschweren
die Formulierung der mechanischen Zustandsgleichung und erzwingen in der Praxis die
Beschrankung auf vereinfachte Modelle, die idealerweise den konkreten technischen An-
wendungsfall beschreiben. Meist gestalten sich die Auswahl und Bestimmung der fur die
Verformung relevanten mikrostrukturellen Parameter schwierig.
In dieser Arbeit wird eine einfache mechanische Zustandsgleichung fur Ti-2 und TiAl6V4
aufgestellt. Grundlage dafur ist dabei das Verstandnis des Werkstoffverhaltens, welches
aus umfangreichen Messungen des Verformungsverhaltens und punktuellen licht- und elek-
tronenmikroskopischen Untersuchungen der Mikrostruktur gewonnen wurde. Das Verfor-
mungsverhalten wurde im anwendungsrelevanten Temperatur- und Spannungsbereich bei
konstanter Verformungsgeschwindigkeit ε (”zugiger” Versuch), konstanter Spannung σ
(Kriechversuch) und konstanter (Gesamt-)Dehnung εmech (Spannungsrelaxationsversuch)
charakterisiert (vgl. Abb. 1.1). Das gemessene Verformungsverhalten wird auf der Basis
der bei den untersuchten Legierungen vorliegenden Mikrostruktur diskutiert. Es wird in
der vorliegenden Arbeit gezeigt, dass die Wechselwirkung zwischen den die Verformung
tragenden Versetzungen und den Fremdatomen fur das Verstandnis des Verformungsver-
haltens von zentraler Bedeutung ist.
2In dieser Arbeit bedeuten ε und ε in der Regel die inelastische Verformung und Verformungsgeschwin-digkeit. Differenzierende Indizes werden nur verwendet, wenn die Notwendigkeit der Unterscheidungvon elastischer und mechanischer Verformung bzw. Verformungsgeschwindigkeit besteht.
2
Rp,max
Spa
nnun
gsre
laxa
tion K
riechen
Rate
konst.
σ
ε.log
log
Rp,ss
Rp
inel
Abbildung 1.1: Schematische Darstellung des Zusammenhangs zwischen inela-
stischer Verformungsgeschwindigkeit εinel und Spannung σ bei verschiedenen Ver-
suchsfuhrungen. Das Feld der inelastischen Verformung (graue Flache) wird be-
grenzt durch die Linien fur Rp (Beginn inelastischer Verformung) und Rp,max (ma-
ximaler Verformungswiderstand). Rp,ss kennzeichnet den Verformungswiderstand
am stationaren Zustand, der bei Materialien ohne Entfestigung Rp,max entspricht.
In der Versuchsfuhrung bei konstanter mechanischer Verformungsgeschwindigkeit
εmech (elastisch plus inelastisch) nahert sich die inelastische Verformungsgeschwin-
digkeit εinel dem Wert von εmech an, wahrend die Spannung dem Sattigungswert
zustrebt. Der Versuch bei konstanter Spannung σ beginnt ab dem Punkt (Kreis),
an dem der vorgegebene Wert von σ erreicht ist; im Laufe der Verfestigung sinkt
εinel in Richtung auf den stationaren Wert ab. Spannungsrelaxation bei konstantem
εmech resultiert aus der Zunahme von εinel bei gleichzeitiger Abnahme von εel ; mit
abnehmendem σ nimmt naturgemaß εinel ab.
3
1 Einleitung
4
2 Grundlagen
2.1 Kristallographie von Gleitung und Zwillingsbildung
Die plastische Verformung eines kristallinen Werkstoffes wird durch die Anzahl und Akti-
vierbarkeit seiner Gleitsysteme bestimmt. Bei den in dieser Arbeit untersuchten Tempera-
turen liegt Ti-2 in Form der hexagonal dicht gepackten (hcp) α-Phase vor. TiAl6V4 gehort
zur Klasse der α+β-Titanlegierungen und besteht aus der Al-reichen hcp-α-Phase und der
V-reichen kubisch raumzentrierten (krz) β-Phase (z.B. [4, 5]). Bei der krz β-Phase erfolgt
Gleitung auf den dichtest gepackten {110}-Ebenen mit Burgersvektor <111>; es existieren
12 unabhangige Gleitsysteme. Das c/a-Achsenverhaltnis von hcp-Ti ist mit 1,587 kleiner
als bei dichtester Kugelpackung (c/a = 1,633) [6]. Infolgedessen sind die Prismenebenen
{1010} und die Pyramidenebenen {1011} dichter gepackt als die Basisebenen {0001} und
als Gleitebenen bevorzugt. Abb. 2.1 zeigt mogliche Gleitsysteme fur die Burgersvektoren
�a bzw. �a + �c. Experimentell treten bei Titan bevorzugt die Gleitsysteme {1010} <1120>
und {1011} <1120> auf (z.B. [7]). Die Anzahl der unabhangigen Gleitsysteme in hcp-
Kristallen ist gering (z.B. existieren nur zwei unabhangige Gleitsysteme fur prismatisches
Gleiten [8]). Daraus folgt, dass mindestens zwei Klassen von Gleitsystemen fur homogene
plastische Verformung von Polykristallen notig sind [2].
Aufgrund der geringen Anzahl von moglichen Gleitsystemen und deren nicht symme-
trischer Verteilung in hcp-Metallen ist neben der Verformung durch Gleiten auch die
Verformung durch Zwillinge zu betrachten (z.B. [6]). Titan besitzt eine Vielzahl von
Zwillingssystemen (fur Details siehe z.B. [8]), die in unterschiedlichen Temperatur- und
Spannungsbereichen aktiv sind. Zwillingsbildung erfordert aufgrund der damit verbunde-
nen Gitterverzerrungen im Regelfall hohere Spannungen als Gleitung. Bei tiefen T kann
Zwillingsbildung dennoch gegenuber Gleitung bevorzugt sein, da fur das Gleiten wichtige
thermisch aktivierte Prozesse wie das Uberwinden von Spannungsfeldern der Fremdatome
eingeschrankt sind. Im Gegensatz zu den Gleitprozessen ist Zwillingsbildung infolge der
kristallographischen Beziehung der gestauchten und gedehnten Orientierungen vom Vor-
zeichen der Spannung abhangig [8]. Die Orientierungsanderung durch Zwillinge kann groß
sein. Der Anteil der Zwillingsverformung an der Gesamtverformung ist aber im Vergleich
zum Gleiten gering. Dies bestatigen Untersuchungen von [9, 10] fur Titan. Bei TiAl6V4
werden aufgrund der geringen vorliegenden Korngroße (vgl. 5.1) keine Zwillinge erwartet.
Stattdessen ist bei hohen T mit Beitragen der Korngrenzen zur Verformung zu rechnen.
5
2 Grundlagen
2.2 Verformungsmechanismen
Die Verformung von Titanlegierungen ist komplex: Es werden unterschiedliche primare
und sekundare Gleit- und Zwillingssysteme betatigt, die zudem bei unterschiedlichen
Schubspannungen aktiv werden konnen [6]. Im untersuchten ε - und T -Bereich ist fur
Ti-2 und TiAl6V4 davon auszugehen, dass die Verformung hauptsachlich durch Verset-
zungsbewegung getragen wird.
Damit lasst sich Gl. (1.1) konkretisieren: Die Verformung durch Versetzungen wird durch
die Orowan-Gleichung beschrieben, die die makroskopische Verformungsrate ε mit mi-
krostrukturellen Parametern verknupft und zwar der Dichte ρ von Versetzungen und ihrer
mittleren Gleitgeschwindigkeit vg (z.B. [2]):
ε = M−1 b ρ vg (2.1)
(b: Lange des Burgersvektors, M : Taylorfaktor).
Fur Versetzungsgleitung mit der Geschwindigkeit vg steht nicht die gesamte von außen
aufgebrachte Spannung σ zur Verfugung, sondern nur der als effektive Spannung oder
thermische Spannungskomponente σ∗ bezeichnete Teil:
σ� = σ − σi (2.2)
Fur σ� = 0 ist vg = 0.
Abbildung 2.1: Gleitsysteme bei hexagonaler Kristallstruktur. Links: Basale, pris-
matische und pyramidale Gleitsysteme mit Burgersvektor �a; rechts: vier mogliche
pyramidale Gleitsysteme mit Burgersvektor �a + �c (aus: [8]).
6
2.2 Verformungsmechanismen
Die athermische Spannungskomponente σi hangt in noch zu spezifizierender Weise von
der Versetzungsdichte ab.
Abb. 2.2 zeigt schematisch den Zusammenhang zwischen vg und σ∗ fur ein mischkri-
stallgehartetes Material wie Titan kommerzieller Reinheit (z.B. [11, 12]).
Es sind zwei Bereiche zu unterscheiden:
• Bereich I: Bei hohen ε und niedrigen T bilden die Fremdatome ortsfeste Hindernisse,
die von den gleitenden Versetzungen thermisch aktiviert uberwunden werden mussen
[13, 14]. Zwischen den Positionen, an denen thermische Aktivierung notig ist, erfolgt
die Versetzungsbewegung sprunghaft.
• Bereich II: Bei niedrigen ε und hohen T , wo die Diffusion der Fremdatome im
Vergleich zur Versetzungsgeschwindigkeit vg ausreichend schnell ist, reichern sich
Fremdatome an den Versetzungen in Form einer Fremdatomwolke an und wer-
den von den Versetzungen mitgeschleppt. Die Versetzungsbewegung erfolgt hierbei
gleichmaßig (viskos) mit vg ∝ σ�.
Der Ubergang von I auf II ist charakterisiert durch den Aufbau einer Fremdatomwolke an
den Versetzungen wahrend der Verformung. Dieser Vorgang wird als dynamische Reckal-
terung 1 bezeichnet. Es ist ein dynamischer Prozess aus Einfangen von Fremdatomen
und Verlust von Fremdatomen, die nicht schnell genug mit den Versetzungen diffundieren
konnen. Die Bildung der Fremdatomwolke fuhrt mit abnehmender Gleitgeschwindigkeit
vg zunachst zu einer Erhohung der effektiven Spannung σ∗ , bis sich die Fremdatomwol-
ke voll ausgebildet hat. Man spricht von negativer Spannungsempfindlichkeit von vg im
Ubergang zwischen den Bereichen I und II, wo σ� mit abnehmendem vg zunimmt.
Der in Abb. 2.2 gezeigte vg − σ∗−Verlauf beruht auf der vereinfachenden Annahme, dass
sich jeweils die Sattigungskonzentration an Fremdatomen im dynamischen Gleichgewicht
bei konstanter Versetzungsgleitgeschwindigkeit vg einstellt.
Das Verformungsverhalten von kommerziell reinem Titan bei erhohten Temperaturen ist
somit durch die Wechselwirkung zwischen den Versetzungen und den interstitiell gelosten
Fremdatomen (z.B. [7, 15, 16]) bestimmt. Diese außert sich u.a. im Auftreten von dy-
namischer Reckalterung und dem starken Einfluss der Fremdatomkonzentration auf die
mechanischen Eigenschaften (z.B. [7]). Die dynamische Reckalterung manifestiert sich
bei Titan u.a. durch das Auftreten von ausgepragten Streckgrenzen, Unabhangigkeit der
Streckgrenze von T und ε , gezackten σ − ε−Verlaufen, Anstieg der Fließspannung bei
steigender Temperatur T und Maxima der Verfestigungsrate θ = (dσ/dε)|ε als Funktion
der Temperatur (z.B. [7, 17, 18]).
1im Gegensatz zu statischer Reckalterung ohne gleichzeitige Verformung
7
2 Grundlagen
II
I
log
v g
log σ*
thermisch aktiviertesÜberwinden von fixenHindernissen
sprunghafte Versetzungs-bewegung
keine Fremdatomwolken
Wolkenbildung
viskoses Gleiten mitFremdatomwolke
1
1
Abbildung 2.2: Schematische Darstellung des Zusammenhangs zwischen Verset-
zungsgeschwindigkeit vg und effektiver Spannung σ∗ fur einen mischkristallgeharte-
ten Werkstoff mit den Bereichen I und II sowie dem Ubergang zwischen beiden.
8
2.3 Modellierung der plastischen Verformung
2.3 Modellierung der plastischen Verformung
Die in dieser Arbeit verwendeten Modelle der plastischen Verformung basieren hinsichtlich
der Gleitkinetik auf dem oben beschriebenen Konzept der effektiven Spannung (Gl. (2.1)
und (2.2)). Hinsichtlich der Versetzungsstrukturevolution werden zwei Ansatze unter-
schiedlicher Komplexitat benutzt.
2.3.1 Einfaches Modell mit phanomenologischer
Versetzungsstrukturevolution
Die athermische Spannungskomponente σi wird als Funktion der Gesamtversetzungsdichte
ρ ausgedruckt (z.b. [3]):
σi = α M G b√
ρ ; (2.3)
α ist die Versetzungswechselwirkungskonstante, G der Schubmodul.
Die Evolution der Versetzungsdichte wird uber die stationare Versetzungsdichte ρ∞ defi-
niert. Diese wird sowohl fur sprunghafte (j) als auch fur viskose (v) Versetzungsbewegung
auf der Basis inverser Proportionalitat zwischen Spannung σ und Versetzungsabstand
ρ−0.5 [3] als Funktion der Spannung angesetzt:
ρ∞,v = (σ/Gb)2 ∧ ρ∞,j = 2 · ρ∞,v . (2.4)
Die in (2.4) enthaltene Annahme, dass die stationare Versetzungsdichte bei sprunghaf-
ter Versetzungsbewegung bei gleicher Spannung doppelt so groß ist wie bei viskoser,
beruht darauf, dass die Anreicherung von Fremdatomen an den Versetzungen die Ver-
setzungserzeugungsrate ρ+ uber die Behinderung der Gleitung starker erschwert als die
Versetzungsvernichtungsrate ρ−, welche bezuglich der Stufenversetzungen von diffusiven
Prozessen getragen wird. Infolgedessen kommt es zur Absenkung der stationaren Verset-
zungsdichte im Fall viskoser Gleitung gegenuber dem Fall sprunghafter Gleitung.
Bei sprunghafter Anderung der Verformungsbedingungen wird angenommen, dass sich
die Versetzungsdichte kontinuierlich vom Anfangswert 1 zum Endwert 2 entwickelt ent-
sprechend:
ρ(ε) = ρ1 + (ρ2 − ρ1) · [1 − exp(−Δε/kρ)] (2.5)
mit Δε = ε2 − ε1. Die Evolutionsgeschwindigkeitskonstante kρ wird an die Versuchsergeb-
nisse angepasst.
9
2 Grundlagen
Abbildung 2.3: Schematische Darstellung der Versetzungsstrukturevolution:
’Singles’ konnen spontan annihilieren oder Dipole bilden. Dipole annihilieren spon-
tan oder losen sich durch Klettern oder Quergleiten auf (aus: [19]).
2.3.2 Erweitertes Plastizitatsmodell mit detaillierter
Versetzungsstrukturevolution
Ein Modell mit detaillierter, von der Kenntnis der stationaren Versetzungsdichten un-
abhangiger Versetzungsstrukturevolution wurde in [19] vorgestellt und in dieser Arbeit
angewendet. Im Folgenden wird es in seinen Grundzugen kurz erlautert.
Es wird zwischen zwei Arten von Versetzungen unterschieden, den ’Singles’ und den-
jenigen Versetzungen, die sich in Dipolkonfiguration befinden (Indizes ’sgl’ bzw. ’dip’):
ρ = ρsgl + ρdip. (2.6)
Die ’Versetzungsbehalter’ fur Singles und Dipole haben jeweils zwei Abflusse, einen fur
spontane Annihilation und einen fur Erzeugung bzw. Vernichtung von Dipolen (Abb. 2.3).
Spontane Annihilation erfolgt, wenn sich die Dipolpartner so nahe kommen, dass die Ver-
setzungslinienenergie ausreicht, um die Gitterfehler zu erzeugen, die nach Verschwinden
der Versetzungen ubrig bleiben. Die Modellgleichungen lauten:
ρsgl = ρ+sgl − ρ−
sgl (2.7)
ρ−sgl = ρ+
dip + ρ−sgl,spon (2.8)
ρdip = ρ+dip − ρ−
dip (2.9)
ρ−dip = ρ−
dip,c + ρ−dip,spon. (2.10)
10
2.3 Modellierung der plastischen Verformung
Versetzungserzeugung
Singles werden wahrend plastischer Verformung mit
ρ+sgl =
M
b
ε
Λ+(2.11)
erzeugt. 1/Λ+ ist die Versetzungslinienlange, die pro abgescherter Flache erzeugt wird.
In einem eindimensionalen Modell (mit parallelen Versetzungen) reprasentiert Λ+ die
Gesamtdistanz, die eine Versetzung wahrend ihrer Lebensdauer zurucklegt; Λ+ wird als
proportional zum mittleren Versetzungsabstand angenommen:
Λ+ = kΛ ρ−0.5 (2.12)
(kΛ: Konstante).
Vernichtung von Singles
Trifft eine Versetzung auf eine andere mit entgegengesetztem Vorzeichen, die auf einer
Gleitebene innerhalb einer kritischen Distanz ddip liegt, werden beide Versetzungen in
einer dipolaren Konfiguration festgehalten (Abb. 2.4). Die Rate, mit der Singles durch
Dipoleinfang vernichtet werden, ist
ρ−sgl = (M/b) ε 2ddip × 2 × ρsgl
ng
× (1 + kdip · vc
vg
) (2.13)
mit ng: Anzahl der aktiven Gleitsysteme, kdip: Konstante. Der Ausdruck in der Klammer
auf der rechten Seite berucksichtigt, dass sich im Fall mischkristallgeharteter Legierun-
gen der Dipoleinfangquerschnitt erhoht, wenn die Klettergeschwindigkeit vc nicht mehr
deutlich niedriger als die Gleitgeschwindigkeit vg ist. Wenn der Abstand der Dipolpartner
zwischen den Gleitebenen kleiner als dspon ist, annihilieren diese spontan:
ρ−sgl,spon =
dspon
ddip
ρ−sgl. (2.14)
Der Rest bleibt in Dipolkonfiguration, d.h. Dipole mit einem mittleren Gleitebenenab-
stand von (ddip + dspon)/2 werden mit der Geschwindigkeit ρ+dip = ρ−
sgl − ρ−sgl,spon erzeugt.
Vernichtung von Dipolen
Bei Gleitebenenabstanden zwischen dspon und ddip nahern sich die Dipolpartner einander
durch Klettern oder Quergleiten an, bis sich ihr Abstand auf dspon verringert hat. Die
entsprechende Vernichtungsrate ist
ρ−dip,c = ρdip νdip νdip =
2vc
(ddip − dspon)/2(2.15)
νdip ist die Frequenz, mit der sich Dipole mittleren Abstands durch Klettern mit der
Geschwindigkeit vc senkrecht zur Gleitebene auflosen. Der Dipoleinfangquerschnitt hangt
von der Spannung ab:
ddip =M
8π(1 − ν)
Gb
σ(2.16)
11
2 Grundlagen
(ν: Poisson’s Zahl). Zusatzlich zu diesem thermisch aktivierten Prozess der Dipolver-
nichtung gibt es einen athermischen Prozess in Form spontaner Annihilation. Dipol-
Versetzungen konnen mit Singles, die innerhalb dspon herangleiten, spontan annihilieren.
Die ankommende Single-Versetzung und einer der beiden Dipolpartner annihilieren, der
verbleibende Dipolpartner wird zum Single. Letztendlich andert sich die Dichte der Singles
nicht und der Dipol ist verschwunden. Die entsprechende Gleichung lautet:
ρ−dip,spon = (M/b) ε 2dspon × ρdip
ng. (2.17)
Versetzungskinetik
Die athermische Spannungskomponente σi hangt von den Dichten der Versetzungs-Singles
und -dipole in folgender Weise ab:
σi = α M G b√
ρsgl + cdipρdip ; (2.18)
cdip ist ein Gewichtungsfaktor.
Die Gleitgeschwindigkeit der Versetzungen wird als Potenzfunktion der effektiven Span-
nung mit einem temperaturabhangigen Proportionalitatsfaktor B beschrieben:
vg = B σ�m . (2.19)
Abbildung 2.4: Einfangen von ’Singles’ durch Dipolbildung innerhalb des Gleit-
ebenenabstandes ddip; innerhalb eines Gleitebenenabstands < dspon annihilieren die
Dipole spontan (aus: [19]).
12
2.3 Modellierung der plastischen Verformung
Diese Funktion erfullt die Bedingung vg = 0 bei σ� = 0.
Im Fall sprunghafter Versetzungsbewegung bei thermisch aktivierter Uberwindung fe-
ster, aus Mischkristallatomen gebildeter Hindernisse (Bereich I in Abb. 2.2) wird m � 1
und B(T ) = B0 · exp(−Q/RT ) angesetzt (B0: Konstante, Q: Aktivierungsenergie).
Im Fall viskoser Gleitung der Versetzungen mit Fremdatomwolke (Bereich II in Abb. 2.2)
gilt
m = 1 (2.20)
B = Bvisc =9b Ω Dsol kB T
M c0 G2 b8ε2a ln(r2/r1)
(2.21)
(Ω ≈ b3: Atomvolumen, Dsol: Diffusionskoeffizient des Fremdatoms in der Matrix, c0:
Fremdatomkonzentration, r2 ≈ ρsgl−0.5 und r1 ≈ b: außerer und innerer Abschneideradius
des Spannungsfeldes der Versetzung, εa: relativer Großenunterschied zwischen Mischkristall-
und Matrixatomen).
Die Geschwindigkeit vc, mit der sich Dipolversetzungen senkrecht zur Gleitebene bewegen,
wird mit der Klettergeschwindigkeit von Stufenversetzungen beschrieben als
vc =D Ω σc
b kB T(2.22)
σc +vc
Bvisc=
G b
2π (1 − ν)
2
dspon + ddip(2.23)
Dabei wird angenommen, dass sich Stufenversetzungen langsamer als Schraubenverset-
zungen bewegen und die Dipolannihilation bestimmen und Ω σc < kBT gilt. Der zweite
Term auf der linken Seite von (2.23) reprasentiert die Spannung, die fur das Mitschleppen
von Fremdatomwolken notig ist; die rechte Seite bezieht sich auf die Kraft, mit der sich
Dipole mittleren Abstands (ddip + dspon)/2 gegenseitig anziehen.
Die fur die Modellierung verwendeten Parameter sind in Tab. 2.1 aufgefuhrt. Im Fall der
ternaren Legierung TiAl6V4 fehlen Informationen uber den Diffusionskoeffizienten der
Legierung und den Beitrag der einzelnen Legierungselemente zur Mischkristallhartung.
Fur die Modellierung wurde die vereinfachende Annahme getroffen, dass die Mischkri-
stallhartung auf V zuruckzufuhren ist. Der Einfluss von Al auf das Gleiten und das Klet-
tern von Versetzungen wird vernachlassigt. Der Diffusionskoeffizient D fur das Klettern
wurde als 0.05 · DTi angenommen.
13
2 Grundlagen
Ti-2 TiAl6V4 [19]
b/nm 0.295 0.295
D DTi 0.05 DTi
Dsol DOinTi 0.045 DTi
α 0.2 0.2
cdip 0.2 0.2
kdip 1 0
ng 4 2
kΛ 10 4
c0 0.005 0.0418
εa 0.06 0.036
dspon 6b 6b
m (sprunghaft) 25 30
M 3.06 3.06
ν 0.34 0.34
ln(r2/r1) 8 8
Tabelle 2.1: Modellparameter.
14
3 Experimentelle Methoden
3.1 Untersuchte Legierungen
Die untersuchten Werkstoffe waren Titan kommerzieller Reinheit des Grades 2, kurz: Ti-
2, und die bekannte warmfeste Legierung TiAl6V4. Sie lagen in Form von Stangen mit
10 mm Durchmesser vor. Tab. 3.1 zeigt die Legierungszusammensetzung laut Abnahme-
prufzeugnis der Hersteller DYNAMET und TIMET UK. Wesentliches Legierungselement
in Ti-2 ist Sauerstoff. Daneben liegen mit N, C und H weitere interstitiell geloste Elemente
vor. Der Gehalt an Fe ist relativ niedrig. TiAl6V4 enthalt als wesentliche Legierungsele-
mente Al und V. Der Gehalt an interstitiell gelosten Elementen ist sehr niedrig 1.
Ti Al V Fe O2 C N2 H2
Ti-2 [20] Rest - - 0.025 0.145 0.01 0.0035 0.0015
TiAl6V4 [21] Rest 5.98 3.95 0.18 0.11 0.011 0.006 0.0026
Tabelle 3.1: Legierungszusammensetzung in Gew.%.
Das aus der hexagonalen α-Phase bestehende Ti-2 wurde durch mehrere Rundwalzpro-
zesse, gefolgt von einer abschließenden Warmebehandlung bei 675oC, d.h. unterhalb der
α-β-Umwandlungstemperatur von 880oC bei Reintitan [5], in Argon-Atmosphare herge-
stellt. Die Herstellung der TiAl6V4-Stabe erfolgte in mehreren Warmwalzschritten gefolgt
von einem Kaltwalzprozess mit einer starken Reduktion der Querschnittsflache um 48%
und einer abschließenden, der Phasenstabilisierung dienenden Warmauslagerung fur zwei
Stunden bei 704oC. Statische Rekristallisation kann dabei weitestgehend ausgeschlossen
werden [5]. Der α-β-Ubergang liegt bei 978oC [21]. TiAl6V4 ist eine α − β−Legierung,
d.h. ihr Gefuge besteht aus der hexagonalen α-Phase und der kubisch raumzentrierten
β-Phase.
1Die Legierung tragt den Zusatz ELI (Extra Low Interstitials).
15
3 Experimentelle Methoden
3.2 Mikrostrukturelle Untersuchungen
Die Mikrostruktur wurde mittels Lichtmikroskopie (LM), Rasterelektronenmikroskopie
(REM) und Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) untersucht. Bei dem eingesetzten
Lichtmikroskop handelt es sich um ein Gerat der Fa. Leica (Typ DMRM) mit verschiede-
nen Kontrastmoglichkeiten und Vergroßerungen bis 1000-fach. Die Kornstruktur geatzter
Proben aus Ti-2 konnte besonders gut im polarisierten Licht sichtbar gemacht werden. Bei
TiAl6V4 war LM aufgrund der sehr feinen Struktur (vgl. Kap. 4.1) nicht sinnvoll. Zur Cha-
rakterisierung der Phasenstruktur wurde hier ein Rasterelektronenmikroskop der Fa. Jeol
(Typ JSM-6400) mit wahlweise Sekundarelektronen- oder Ruckstreuelektronendetektor
eingesetzt. Versetzungs- und (Sub-)Kornstruktur wurden im Transmissionselektronenmi-
kroskop (Fa. Philips; Typ CM-200) untersucht.
Bei der Probenpraparation kamen folgende Verfahren zum Einsatz:
• Schleifen: Die Proben wurden zunachst mit SiC-Schleifpapier in mehreren Schritten
bis Kornung 1200 geschliffen. Die TEM-Folien hatten nach dem Schleifen eine Dicke
von ≈ 80 μm.
• Mechanisches Polieren der LM-Proben aus Ti-2 mit einer 1:4-Mischung aus OP-S
und destilliertem Wasser fur 4×10 min bei 10 N Aufdruckkraft auf einem Poliertuch
(Typ MD Nap, Fa. Struers).
• Atzpolieren von Ti-2 fur 10 - 20 min auf OP-Chem mit 50 ml H2O, 50 ml OP-S,
10 g KOH und 10 ml H2O2 zur Sichtbarmachung der Kornstruktur im polarisierten
Licht.
• Elektrolytisches Polieren an einer Dusenstrahldunnungsapparatur der Fa. Struers
(Typ Tenupol). Ti-2: ca. 3 min bei 20 V und -30oC mit einem Elektrolyten der Fa.
Struers (Typ Struers-A3), TiAl6V4: ca. 1 min bei 12.5 V mit einem Elektrolyten
aus 600 ml Methanol, 340 ml Butanol und 60 ml H2O2.
3.3 Versuchsdurchfuhrung und -auswertung
Die Belastung bei den Verformungsversuchen erfolgte parallel zur Stabachse des Halb-
zeugs an zylindrischen Druckproben mit einem Ausgangsschlankheitsgrad κ0,RT ≈ 1.3 2
bei Ausgangsmesslangen l0,RT, die zwischen 3.3 und 4.7 mm variierten, bzw. an Zugpro-
ben mit l0,RT = 30 mm und einem Durchmesser von 4 mm. Die Indizes ”0” und ”RT”
kennzeichnen den unverformten Zustand bzw. Raumtemperatur. Die Herstellung der Pro-
ben erfolgte durch Abdrehen der Stabe auf den Probendurchmesser; die Probenhohe der
Druckproben wurde durch Schleifen eingestellt.
2κ ist das Verhaltnis von Probenhohe zu Wurzel der Querschnittsflache.
16
3.3 Versuchsdurchfuhrung und -auswertung
Druck- und Zugversuche wurden an Luft bei 150oC ≤ T ≤ 450oC an Ti-2 bzw. bei
150oC ≤ T ≤ 650oC an TiAl6V4 durchgefuhrt. Dies entspricht homologen Temperaturen
von 0.22 bis 0.37 bei Ti-2 bzw. von 0.22 bis 0.48 bei TiAl6V4. Dabei wurde entweder
die nominelle Spannung σnom oder die mechanische Dehnung εmech kontrolliert3. σnom
berechnet sich als Kraft F pro mittlerer Querschnittsflache S = S0 · l0/l bei Versuchs-
temperatur, wobei l und l0 die momentane und die anfangliche Probenlange sind. Die
Berechnung von S0 und l0 erfolgte unter Verwendung des linearen thermischen Ausdeh-
nungskoeffizienten von Titan, 1.0 · 10−5/K [5]. Die dehnungskontrollierten Versuche (bei
konstantem εmech oder bei konstantem εmech ) erfolgten in elektromechanischen Universal-
prufmaschinen (Fa. Instron, Typ 4505), die eine Regelung von εmech bzw. εmech erlauben.
Die spannungskontrollierten Versuche (Kriechversuche oder Spannungswechselversuche)
wurden in mehreren Druck- und Zugkriechapparaturen des Instituts durchgefuhrt4. Die
Belastung im Kriechversuch erfolgte entweder manuell oder unter Verwendung eines mo-
torgesteuerten mechanischen Hubtisches bei einem εmech , das zwischen 10−3/s und 10−1/s
variierte. Zur exakten Beschreibung der Versuchsdurchfuhrung und der Apparaturen wird
auf [22] verwiesen.
Die mechanische Dehnung berechnet sich mit εmech = | ln (l/l0) |. Sie setzt sich additiv
aus einem elastischen Anteil εel , der Beitrage von Probe εel,Pr und Messsystem εel,App
enthalt, und aus dem inelastischen Anteil εinel , der Summe aus plastischer Dehnung εpl
und anelastischer Dehnung εanel , zusammen:
εmech = εel + εinel = εel,Pr + εel,App + εpl + εanel . (3.1)
εel,App entsteht, da die Langenmessung in den Druckapparaturen nicht direkt an den
Proben erfolgte; das elastische Schließen von Spalten zwischen Druckprobe und Aufla-
geplatten ist die vermutliche Hauptursache. εel,App variiert von Versuch zu Versuch. Im
Folgenden wird εinel vereinfachend als ε bezeichnet, wenn der Unterschied zwischen εmech
und εinel unbedeutend ist und keine Gefahr der Verwechslung von Dehnungskomponenten
besteht. Das exakte Verfahren zur Bestimmung von ε wird in [22] ausfuhrlich beschrieben.
Die Wirkung kleiner Abweichungen der Versuchsspannung von der Sollspannung auf die
Verformungsgeschwindigkeit ε wurde unter Verwendung eines geeigneten Spannungsexpo-
nenten n = d log ε /d log σ korrigiert.
3Es wird von isothermen Versuchsbedingungen ausgegangen, d.h. die thermische Dehnungskomponenteεth ist 0.
4Es handelt sich dabei um die Kriechapparaturen mit den Bezeichnungen 3, 9 und 10 sowie die Zeit-standapparaturen 1 - 3.
17
3 Experimentelle Methoden
3.3.1 Korrektur der Reibungseinflusse im Druck
Der Kontakt zwischen Probe und Druckstempeln im Druckversuch fuhrt uber Haftreibung
zu einer Verformungsbehinderung, die sich in einem gegenuber reibungsfreien Versuchen
erhohten Kraftaufwand bei der Verformung außert. Weidinger et al. [23] erklaren diesen
Haftreibungseinfluss mit einer Abnahme der auf die Versetzung wirkenden Spannung σ
gegenuber der nominell anliegenden Spannung σnom5. Dabei zeigt sich ein mit abnehmen-
dem Schlankheitsgrad κ zunehmender Einfluss der Reibung auf das Verformungsverhalten.
Phanomenologisch lasst sich der Zusammenhang zwischen σ und σnom in Abhangigkeit von
κ beschreiben durch:
σ = σnom · [1 − exp (−κ/c)]p . (3.2)
c und p sind Anpassungsparameter mit Werten zwischen 0 und 1. Der Schlankheitsgrad
κ und damit der Reibungseinfluss ist eine eindeutige Funktion von Ausgangsschlankheits-
grad κ0 und Verformung ε. Um Zustande gleichen Schlankheitsgrades direkt zu verglei-
chen, bietet es sich an, die Dehnung ε durch
εκ = −(2/3) lnκ = ε − (2/3) lnκ0, (3.3)
zu ersetzen.
Abb. 3.1 zeigt die σ − εκ−Kurven von Ti-2-Proben unterschiedlicher Ausgangsschlank-
heitsgrade, die unter gleichen Bedingungen verformt wurden. Die an Proben mit unter-
schiedlichem κ0 erhaltenen Messkurven stimmen relativ gut uberein, was den Ansatz (3.2)
bestatigt. Die dicke Linie kennzeichnet σnom und wurde mit Gl. (3.2) unter Verwendung
von c = 0.25 und p = 1 angepasst. σnom steigt ab εκ >∼ 0, entsprechend κ <∼ 1, stark an.
Mit der Reibungskorrektur ergeben sich die gestrichelten Linien, die durch den gleichen
Sattigungszustand von σ gekennzeichnet sind.
Abb. 3.2 zeigt den so ermittelten Zusammenhang zwischen der auf σnom bezogenen Span-
nung σ als Funktion von εκ bzw. κ. Bei den Titanlegierungen tritt merklicher Reibungs-
einfluss erst bei κ < 1 auf, was bei κ0 = 1.3 einer Dehnung ε von etwa 0.4 entspricht.
Die Reibungskorrektur unter Verwendung von c = 0.25 und p = 1 fur Ti-2 und TiAl6V4
wurde bei allen Druckversuchen standardmaßig durchgefuhrt. Bei Kriechversuchen wurde
die Auswirkung der reibungsbedingten Abnahme der verformungswirksamen Spannung
auf die Kriechrate ε mit einem Potenzansatz ε ∝ σn unter Verwendung eines geeigneten
Spannungsexponenten n korrigiert.
5Diese einfache Vorstellung einer uber die ganze Probe homogen wirkenden Spannung σ < σnom steht imWiderspruch zu der allgemein angenommenen heterogenen Spannungsverteilung in Druckproben inForm von Reibungskegeln. Verformte Proben zeigen aber keine signifikanten Hinweise auf eine hetero-gen wirkende Spannung im großten Teil des verformten Volumens. Weidinger et al. erklarten dies miteiner Spannungsumverteilung, die so erfolgt, dass die meisten Volumenelemente sich mit annaherndgleicher Verformungsgeschwindigkeit verformen. Dazu ist es notwendig, dass die verformungswirksa-me Von-Mises-Vergleichsspannung sowohl in der Probenmitte als auch nahe der Endflachen ungefahrgleich groß ist [23].
18
3.3 Versuchsdurchfuhrung und -auswertung
3.3.2 Spannungsrelaxation
Die Relaxation der Spannung σ mit der Zeit t bei konstant gehaltener Probenverformung
εmech ist fur den praktischen Einsatz, u.a. in Verschraubungen, bedeutsam. Wahrend
der Spannungsrelaxation wird elastische Verformung in inelastische umgewandelt (vgl.
Gl. (3.1)), d.h. unter Annahme linearer Elastizitat gilt folgende Relaxationsbedingung:
Δεinel = −Δεel = −(Δεel,Pr + Δεel,App ) = −Δσ · (1/E + 1/Eapp ) = −Δσ/E∗ (3.4)
mit E: E-Modul der Probe, Eapp : wirksamer E-Modul der Apparatur und E∗ : effekti-
ver E-Modul des Systems Probe-Apparatur, wobei Δ jeweils die Differenz zwischen den
Messpunkten 0 am Beginn der Spannungsrelaxation und 1 an einem beliebigen Zeitpunkt
wahrend der Spannungsrelaxation bedeutet. Durch Differentiation von Gl. (3.4) nach der
Zeit t erhalt man
εinel (σ) = −σ(σ)/E∗ . (3.5)
-0.6 -0.3 0.0 0.3 0.6 0.9 1.2 1.50
100
200
300
400
500
600
450°C, 10-3s -1
Ti-2
σ / M
Pa
εκ
Fit-Kurve gemessen reibungskorrigiert
Abbildung 3.1: Zusammenhang zwischen σ und εκ bei Ti-2-Proben unterschied-
licher Ausgangsschlankheitsgrade, die unter gleichen Bedingungen (450oC, 10−3/s,
Druck) verformt wurden. Die dicke Kurve ist σnom aus Gl. (3.2). Die gestrichelten
Kurven sind reibungskorrigiert.
19
3 Experimentelle Methoden
-0.5 0.0 0.5 1.0 1.50.0
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0 2κ
0.20.51
σ / σ
nom
εκ
Al99,5 geschmiert NaCl X20CrMoV121 Ti-2
Abbildung 3.2: σ/σnom als Funktion von εκ bzw. κ. Die durchgezogene Linie kenn-
zeichnet den Reibungseinfluss bei Ti-2 und TiAl6V4. Zum Vergleich sind fur ver-
schiedene andere Werkstoffe ermittelte Kurven (aus [24]) dargestellt.
Gl. (3.5) bedeutet, dass die Spannungsrelaxation durch den εinel − σ−Zusammenhang
wahrend der Relaxation eindeutig beschrieben wird. Daraus folgt, dass die Spannungs-
relaxation nicht nur bei Versuchsfuhrung mit Regelung von εmech messbar ist, sondern
auch mit kontrollierten Spannungsreduktionen in Kriechapparaturen, indem man den Zu-
sammenhang zwischen inelastischer Verformungsgeschwindigkeit εinel und σ an Punkten
bestimmt, an denen Δεinel = −Δεel gilt [25].
Abb. 3.3 zeigt schematisch den Zusammenhang zwischen Spannung und Dehnung fur bei-
de Versuchsfuhrungen. Die Bestimmung der Spannungsrelaxation mittels Kontrolle von
σ hat gegenuber der konventionellen, dehnungsgeregelten Versuchsfuhrung den Vorteil,
dass regelungstechnische Probleme und thermische Spannungen vermieden werden. Zu-
dem lasst sich der fur die Relaxation gewahlte E-Modul gezielt einstellen, d.h. Beitrage
der Verformungsapparatur zum Relaxationsverhalten konnen vermieden oder explizit vor-
20
3.3 Versuchsdurchfuhrung und -auswertung
εmech
εmech,0
·>
0
ε mec
h
σ - kontrollierte Relaxation
E*
εmech,0
·
= 0
ε mec
h
·>
0
ε mec
h
ε - kontrollierte Relaxation
E
σ0
σ
εmech
*
Abbildung 3.3: Schematische Darstellung des Zusammenhangs zwischen σ und
εmech wahrend der Spannungsrelaxation (aus [25]). Links: Versuchsfuhrung mit
Kontrolle von εmech , rechts: kontrollierte σ-Reduktionen. Die schraffierten Flachen
zeigen den Aufbau von εinel wahrend der Relaxation. Die großen Kreise kennzeich-
nen den Startpunkt der Relaxationsmessung. Im σ-kontrollierten Versuch wird die
Relaxationsgeschwindigkeit εinel an den Punkten bestimmt, an denen die Relaxati-
onsbedingung Δεel = −Δεinel erfullt ist (kleine Kreise).
gegeben werden.
Das wahrend der Relaxation wirksame E∗ im dehnungskontrollierten Druckversuch ist
idealerweise bei der Dehnung des Relaxationsversuchs zu bestimmen6. Praktisch geht man
dazu so vor, dass man nach dem Relaxationsversuch wiederbelastet und E∗ als Steigung
der Tangente an den Wendepunkt der σ − εmech− Kurve nach Wiederbelastung bestimmt.
6Das aus der Steigung der σ − εmech− Kurve am Verformungsbeginn bestimmte E∗ ist aufgrund vonAnpassungsvorgangen im System Probe-Apparatur ublicherweise niedriger als nach einiger Verfor-mung.
21
3 Experimentelle Methoden
Δεel,App
Δεinel
E
*E
εmech,0
εinel
εelσ
0
σ
εmech
ohne Apparatureinflüsse
gemessen im Druck
tRel
Abbildung 3.4: Schematische Darstellung der Unterschiede bei ε−geregelter Span-
nungsrelaxationsmessung im Zug und im Druck. Der Kreis kennzeichnet den Start-
punkt der Relaxationsmessung bei σ0 und εmech,0. Dicke Linien: im Druck ge-
messene Kurven mit Apparaturbeitragen (E∗ < E). Die gestrichelte Linie im
σ− tRel−Teilbild zeigt die um Apparatureinflusse bereinigte Probenreaktion (E∗ =
E, bei gleichem εinel ).
Abb. 3.4 zeigt schematisch die Unterschiede zwischen dehnungsgeregelter Spannungsrela-
xationsmessung im Zug und im Druck. Im Druckversuch ist die elastische Gesamtdehnung
εel und damit Δεinel um Δεel,App = Δσ/Eapp großer als im idealen Zugversuch ohne Ap-
paraturbeitrag. Da εinel mit zunehmendem εinel abnimmt, sind die im Druck gemessenen
Relaxationszeiten tRel um den Faktor kR zu groß. Unter der Annahme eines eindeutigen
εinel − σ−Zusammenhangs, ergibt sich kR = E/E∗ .
Die im dehnungskontrollierten Versuch gemessenen Druckrelaxationskurven wurden ent-
sprechend korrigiert. Bei niedrigen Spannungen (Kraften) ist zu berucksichtigen, dass
dann die Annahme eines linearen Eapp nicht mehr gegeben ist und von einem kleine-
ren E∗ ausgegangen werden muss. Folglich sind die nach obigem Vorgehen bestimmten
Relaxationsgeschwindigkeiten im unteren Spannungsbereich etwas zu niedrig.
22
4 Kommerzielles Reintitan Ti-2
4.1 Mikrostruktur des Ausgangszustandes
Abb. 4.1 zeigt den Ausgangszustand von Ti-2. Die gleichachsige Kornstruktur aus hexa-
gonalem α-Titan unterscheidet sich nicht bei Quer- und Langsschliff. Als Quer- / Langs-
schliff wird im Folgenden immer ein Schliff senkrecht / parallel zur Stabachse bzw. der
Belastungsrichtung bezeichnet. Die mittlere Korngroße wurde mit dem Sehnenlangen-
verfahren zu (53.8 ± 2.9) μm bestimmt. Der angegebene Fehler resultiert aus dem 95%-
Vertrauensintervall der in Abb. 4.4 gezeigten Haufigkeitsverteilung der Mittelwerte meh-
rerer Stichproben. Die Gleichachsigkeit der Korner nach der starken Vorverformung bei
der Herstellung lasst darauf schließen, dass die abschließende Warmebehandlung zu einer
Rekristallisation des Gefuges gefuhrt hat. Deutlich erkennbar sind einige Zwillinge. Tex-
turmessungen mittels Electron Backscatter Diffraction (EBSD) zeigten eine nur schwache
Textur in Ti-2. Abb. 4.2 zeigt die {0001}-Polfigur.
Abb. 4.3 zeigt die Versetzungsstruktur des Ausgangszustandes von Ti-2 anhand von TEM-
Bildern. Anhand derartiger Bilder lasst sich die Versetzungsdichte ρ einer Stichprobe als
100 µm
Stabachse
Abbildung 4.1: Ausgangszustand von Ti-2 (LM). Links: Querschliff, rechts: Langs-
schliff.
23
4 Kommerzielles Reintitan Ti-2
Abbildung 4.2:
Mittels EBSD gemessene {0001}-Polfigur des Ausgangszustandes von
Ti-2. Beachte: RD und TD entsprechen
bei dem verwendeten Stangenmaterial
keiner bestimmten Probenorientierung.
1 μm
Abbildung 4.3: Versetzungsstruktur im Ausgangszustand von Ti-2 (TEM). Links:
Querschliff, rechts: Langsschliff.
Anzahl der Durchstoßpunkte pro untersuchter Flache berechnen. Aus der in Abb. 4.4 ge-
zeigten Verteilungsfunktion der Mittelwerte mehrerer Stichproben wurde der mittlere Ver-
setzungsabstand ρ−0.5 = (0.38 ± 0.10) μm bestimmt (Fehler aus 95%-Konfidenzintervall).
Dies entspricht einer mittleren Versetzungsdichte von 6.8 · 1012/m2. Teilchen oder Aus-
scheidungen liegen nicht vor.
24
4.1 Mikrostruktur des Ausgangszustandes
10-10,0
0,2
0,4
0,6
0,8
1,0
ρ-0.5 / μm
Ti-2Ausgangszustand
= 0.38 +− 0.10 μm
1
FC
um
ρ-0.5
100 101 102 1030,0
0,2
0,4
0,6
0,8
1,0
FC
um
d / μm
Ti-2Ausgangszustand
d = 53.8 +− 2.9 μm
Abbildung 4.4: Verteilungsfunktion der Stichprobenmittelwerte (dicke Linien) mi-
krostruktureller Kenngroßen im Ausgangszustand von Ti-2. Oben: Korngroße d
(zusatzlich eingetragen: Sehnenlangenverteilungen (dunne Linien)); unten: Verset-
zungsabstand ρ−0.5.
25
4 Kommerzielles Reintitan Ti-2
4.2 Verformung
Eine wichtige Kenngroße zur Charakterisierung des plastischen Verformungsverhaltens
eines Werkstoffes ist der Widerstand, den dieser einer aufgebrachten Beanspruchung ent-
gegensetzt. Dieser Verformungswiderstand wird durch den Zusammenhang zwischen Ver-
formungsgeschwindigkeit ε und Spannung σ bei gegebener Temperatur T beschrieben.
Zur Bestimmung des Verformungswiderstandes wurden in dieser Arbeit Druck- und Zug-
versuche bei konstanter, isothermer Beanspruchung (σ =konst. bzw. εmech =konst.) bei
150oC, 250oC, 350oC und 450oC durchgefuhrt. Beanspruchungswechsel (Wechsel von σ
bzw. εmech ) lieferten zusatzliche Informationen zur Verformungskinetik. Bei der Evolution
des Verformungswiderstandes sind die Streckgrenze Rp,0.2 (0.2%-inelastische Dehngrenze
zu Beginn der Verformung) sowie der stationare Zustand, bei dem sich der Verformungs-
widerstand mit zunehmender Verformung nicht mehr andert, von besonderem Interesse.
4.2.1 Evolution des Verformungswiderstandes
Verformung bei konstantem εmech
Abb. 4.5 und 4.6 zeigen die Entwicklung des Verformungswiderstandes (charakterisiert
durch die Fließspannung σ im Versuch bei konstantem T und ε ) als Funktion der Deh-
nung ε fur verschiedene εmech bei 150oC und 450oC 1. Zu Beginn der Verformung wachst
der Verformungswiderstand mit zunehmendem ε, d.h. das Material verfestigt; am Ende
der Verformung variiert σ nicht mehr mit ε, der stationare Zustand Rp,ss ist erreicht 2.
Der Weg, auf dem Rp,ss erreicht wird, hangt von T und ε ab: Bei 150oC (Abb. 4.5)
nimmt σ kontinuierlich zu, wenn man von einer leichten Entfestigung nach Durchlaufen
des Spannungsmaximums absieht. Dies gilt auch fur 250oC und 350oC (siehe Anhang).
Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen Druck- und Zugversuch: Nach Uber-
schreiten der Streckgrenze ist die Verfestigung im Zug zunachst starker und σ großer als
im vergleichbaren Druckversuch. Im weiteren Verlauf der Verformung nimmt die Verfesti-
gungsrate θ = (dσ/dε)|ε im Zug zu, bis sie fur ε >∼ 0.02 ihr Maximum erreicht. Die im
Druck gemessenen Kurven schneiden die im Zug gemessenen σ − ε−Kurven bei ε ≈ 0.05;
die Proben verfestigen im Bereich 0.1 <∼ ε <∼ 0.2 stark. Die stationare Fließspannung im
Druck ist um etwa einen Faktor 2 hoher als die im Zug erreichten Maximalwerte von σ.
Bei 450oC (Abb. 4.6) andert sich die Form der σ − ε−Kurven signifikant zwischen 10−5/s
und 10−4/s: Bis 10−5/s zeigt sich ein relatives Maximum der Fließspannung, wahrend fur
εmech ≥ 10−4/s Ti-2 kontinuierlich verfestigt. Die Verfestigungsrate θ zeigt fur ε <∼ 0.02 bei
εmech ≈ 10−5/s ein Maximum als Funktion von ε . Das hat zur Folge, dass fur ε ≤ 0.05 die
Fließspannung σ bei der mittleren Verformungsrate 10−5/s großer ist als bei den hohen
1Die σ − ε−Kurven bei 250oC (Abb. C.3) und 350oC (Abb. C.4) befinden sich im Anhang C.2Im Zugversuch wurde der stationare Zustand aufgrund vorzeitiger Schadigung nur bei niedrigem σ <∼
150 MPa erreicht.
26
4.2 Verformung
ε
σ
ε
Abbildung 4.5: σ − ε−Kurven von Ti-2 im Druck bzw. Zug bei 150oC.
Geschwindigkeiten 10−4/s und 10−3/s. Diese Abnahme der Fließspannung mit zunehmen-
der Geschwindigkeit deutet auf eine negative Geschwindigkeitsempfindlichkeit von σ als
Folge von dynamischer Reckalterung hin. Die beiden σ − ε−Kurven fur 10−3/s zeigen die
Streuung in den Experimenten 3. Die Kurve fur 10−4/s und eine Kurve fur 10−3/s laufen
bei großem ε>∼ 0.4 zusammen. Das bedeutet, dass auch die stationare Fließspannung nicht
mehr von der Verformungsgeschwindigkeit abhangt.
Verformung bei konstanter Spannung
Abb. 4.7 zeigt die σ − ε− und εmech − ε−Zusammenhange im Kriechversuch bei 150oC
bzw. 450oC 4. Der Kriechversuch besteht aus zwei Teilen: A) der Belastung auf die Kriech-
spannung und B) der Verformung bei konstanter Spannung. Dabei kann bereits beim
Aufbringen der Spannung eine nicht mehr vernachlassigbare inelastische Belastungsdeh-
nung εld auftreten. εld wird hier definiert als die Dehnung, bei der nach Lastaufbringung
im Kriechversuch εmech auf 10−3/s gefallen ist. Die Lastaufbringung erfolgte mit 10−1/s
≥ εmech ≥ 10−3/s. Im Falle, dass εmech = 10−3/s bei niedrigem σ nicht erreicht wurde,
wurde εld mit der Dehnung bei Anliegen der Kriechspannung gleichgesetzt. εld nimmt
nach Uberschreiten der Streckgrenze Rp,0.2 mit steigendem σ stark zu. Die gute Uber-
3Die Probenstreuung ist nur im Bereich ε >∼ 10−4/s so groß.4Die ε − ε−Kurven bei 250oC (Abb. C.1) und 350oC (Abb. C.2) befinden sich im Anhang C.
27
4 Kommerzielles Reintitan Ti-2
0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.50
100
200
300
Druck Zug
X
.ε
mech / s-1=
10 -4
3·10 -7
3·10 -6
10 -5
10 -3
10 -3
σ /
MP
a
ε
Ti-2450°C
X
X
Abbildung 4.6: σ − ε−Kurven von Ti-2 im Druck bzw. Zug bei 450oC.
einstimmung von εld (Kreise in Abb. 4.7) mit der bei εmech = 10−3/s gemessenen Kurve
zeigt, dass die Belastung im Kriechversuch im Grunde dem Versuch mit Regelung von
εmech entspricht.
Bei 150oC liegen die σ − ε−Kurven der Kriechbelastung aufgrund der hoheren εmech ober-
halb der bei εmech = 10−3/s gemessenen Kurve. Die ε − ε−Kurven im Anschluss an εld
lassen sich folgendermaßen charakterisieren: Bei Spannungen unterhalb der Streckgrenze
(≈ 240 MPa, vgl. Kap. 4.2.2), Versuche f und g, findet man eine starke Zunahme des Ver-
formungswiderstandes (Abnahme von ε im Versuch bei konstantem σ und T ) innerhalb
eines kleinen Dehnungsintervalls, d.h. Ti-2 verfestigt stark. Bei 251 MPa (Versuch e), d.h.
knapp oberhalb von Rp,0.2, nimmt log ε bis ε ≈ 0.07 nur relativ schwach ab und fallt erst
bei hoherem ε stark ab. Die Versuche b-d mit 0.1 <∼ εld <∼ 0.2 zeigen einen starken Abfall
von ε in einem kleinen Dehnungsintervall. Versuch a bei 650 MPa ist der einzige, bei dem
ein Minimum der Verformungsgeschwindigkeit εmin erreicht wurde.
28
4.2 Verformung
0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.510-10
10-9
10-8
10-7
10-6
10-5
10-4
10-3
10-2
10-1
100
X
b
cde
gf
a
Druck Zug
.
ε mec
h /
s-1
ε
XX
0
200
400
600
800
εld
150°CTi-2
σ /
MP
aε
mech= 10-3/s
c
d
e
fg
.a
b
ε
ε
ε
σ
ε
Abbildung 4.7: Zusammenhang zwischen σ bzw. εmech und ε im Kriechversuch an
Ti-2 bei 150oC (links) und 450oC (rechts). Kreise kennzeichnen die Belastungsdeh-
nung εld . Zusatzlich ist jeweils ein Versuch bei εmech = 10−3/s (siehe Abb. 4.5 und
4.6) eingetragen (gestrichelte Linien).
Bei 450oC zeigt sich kein signifikanter Unterschied zwischen den σ − ε−Kurven bei Be-
lastung mit εmech ≈ 10−1/s im Kriechversuch und bei εmech = 10−3/s. Dies bestatigt den
Befund aus Abb. 4.15, dass bei 450oC in diesem ε−Bereich die Verformungsgeschwindig-
keit kaum mehr von σ abhangt. Im Anschluss an εld fallt ε in einem kleinen Dehnungs-
intervall uber mehrere Großenordnungen ab. Alle Kurven zeigen ein deutliches relatives
Minimum der Kriechgeschwindigkeit, d.h. der stationare Bereich stellt sich erst jenseits
von εmin nach einem Bereich der Entfestigung (ε -Zunahme) ein. Signifikante Unterschie-
de zwischen Zug und Druck treten unter den gewahlten Versuchsbedingungen (niedrige
Zugspannungen) nicht auf.
29
4 Kommerzielles Reintitan Ti-2
0
200
400
600
800
X
X
XX
εld
150°CTi-2
σ /
MP
a1
2
34
5
6
a
b
c
d
e
f
g
0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.510-10
10-9
10-8
10-7
10-6
10-5
10-4
10-3
10-2
X
b
cde
g
f
a
Druck Zug
.
ε mec
h / s
-1
ε
1, 3, 4
5
2, 6
XX
Abbildung 4.8: Kombination der Versuche bei konstantem εmech (aus Abb. 4.5 und
4.6) und konstantem σ (aus Abb. 4.7). Oben: σ − ε−Kurven von Ti-2 , die bei den
durch die horizontalen Linien im unteren Teilbild gekennzeichneten εmech gemessen
wurden. Unten: εmech − ε−Kurven, die bei den durch die horizontalen Linien im
oberen Teilbild gekennzeichneten σ gemessen wurden. Kreise kennzeichnen εld als
Funktion von σ. Links: 150oC; rechts: 450oC.
Zusammenfuhrung der Versuche bei konstantem ε und konstantem σ
Die Evolution des Verformungswiderstands mit dem Verformungsgrad sollte unabhangig
von der Art der Versuchsfuhrung ahnlich sein. Um dies zu uberprufen, wurden in Abb. 4.8
die Ergebnisse bei Versuchsfuhrung mit konstantem εmech und konstantem σ einander
gegenubergestellt. Die Analogie zwischen der Belastung im Kriechversuch und der Verfor-
mung bei ahnlichem εmech im dehnungsgeregelten Versuch wurde zuvor schon dargelegt.
Aus Grunden der Ubersichtlichkeit der graphischen Darstellung wird daher auf die Dar-
stellung des Belastungsteils im Kriechversuch in Abb. 4.8 verzichtet.
30
4.2 Verformung
Im Vergleich beider Versuchsfuhrungen ergibt sich:
• 150oC:
– Die Rate der Zunahme des Verformungswiderstandes mit der Verformung, d.h.
die Verfestigungsrate, durchlauft in beiden Versuchsfuhrungen ein Maximum
bei 0.1 <∼ ε <∼ 0.2.
– Auf Rp,max (experimentell nur erreicht bei hohen σ) folgt leichte Entfestigung.
Dies gilt fur beide Versuchstypen.
– Die Evolution des Verformungswiderstandes stimmt in beiden Versuchsfuhrun-
gen auch quantitativ gut uberein. Beispiel: Die bei εmech = 10−6/s gemes-
sene σ − ε−Kurve 2 schneidet im oberen Teilbild die (horizontalen) Linien
der Kriechversuche c-e. Das ε der Kriechkurven bei den Dehnungen dieser
Schnittpunkte ist ≈ 10−6/s, d.h. der Verformungswiderstand ist bei beiden
Versuchsfuhrungen an diesen Stellen nahezu gleich.
• 450oC:
– In Versuchen mit stationaren Verformungsgeschwindigkeiten < 10−4/s tritt
unabhangig von der Art der Versuchsfuhrung ein relatives Maximum des Ver-
formungswiderstandes Rp,max auf.
– Zwischen Versuchen bei konstanter Geschwindigkeit und konstanter Spannung
besteht gute Ubereinstimmung hinsichtlich der Evolution des Verformungswi-
derstandes, was man an ahnlichen Rp,ss erkennen kann (vgl. z.B. die Kurven 5
und f bzw. 2 und a).
Eine vollstandige Beschreibung der Evolution des Verformungswiderstands erfordert die
Betrachtung des T -Einflusses. Der obere Teil von Abb. 4.9 zeigt den σ − ε−Verlauf bei
εmech = 10−3/s und unterschiedlichen 150oC ≤ T ≤ 550oC. Die stationare Fließspannung
nimmt mit abnehmendem T zu; die Verfestigung variiert stark mit ε und T . Der untere Teil
zeigt die fur 450oC zu erwartenden Verlaufe der Kriechgeschwindigkeit mit der Verformung
ε. Sie wurden unter Berucksichtigung der thermischen Aktivierung des Kriechens mit
der Aktivierungsenergie Q = 242 kJ/mol [2] ermittelt, indem die bei unterschiedlichen
Temperaturen T gemessenen Kriechgeschwindigkeiten ε mit dem Faktor
f450oC = exp{(Q/R) · [T−1 − (723 K)−1]}
(R = 8.31 J mol−1K−1: allgemeine Gaskonstante) multipliziert wurden. Diese T -Normie-
rung bringt viele Kurven, die bei ahnlichen σ, aber unterschiedlichen 150oC ≤ T ≤ 450oC
gemessen wurden, in passende Verbindung. Der besondere Vorteil dieser Auftragung liegt
darin, dass man durch Zusammenfuhrung der Kurven Beobachtungen machen kann, die
bei festem T nicht moglich sind.
31
4 Kommerzielles Reintitan Ti-2
0,0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5
100.
10-10
1015
1010
105
10-5
10-3/s atT / °C =
150
450
350
250
245
8456
137300133
149 300
390251
131
σ / MPa =
650
530
399
ε f 45
0°C /
s-1
ε
.
0
200
400
600
800
T / °C =
550
250
450
350
150
ε mec
h =
10
-3 /s
·
σ / M
Pa
Abbildung 4.9: Oben: σ − ε−Kurven von Ti-2 bei εmech = 10−3/s fur verschiede-
ne T . Kreise kennzeichnen εld als Funktion von σ. Unten: εmech − ε−Kurven, die
bei verschiedenen T und σ gemessen und unter Verwendung von f450oC auf 450oC
normiert wurden. Die Schnittpunkte der horizontalen Linien fur ε = 10−3/s mit
den ε − ε−Kurven geben εld fur die jeweilige Temperatur an.
32
4.2 Verformung
So legt der einheitliche Verlauf der beiden bei ≈ 390 MPa gemessenen Kurven nahe, dass
sich die bei 250oC gemessene Kurve bei kleinen Dehnungen ahnlich verhalten wurde wie
die bei 150oC gemessene. Um dies direkt zu messen, mussten bei 250oC Verformungsge-
schwindigkeiten von ≈ 10+3/s eingestellt werden, was experimentell nur schwer moglich
ist.
Gute Ubereinstimmung besteht hinsichtlich des stationaren Zustands (vgl. die Kurven
bei σ ≈ 135MPa und 350oC bzw. 450oC). Die Kriechkurven weisen als besondere Cha-
rakteristika einen Wendepunkt, der sich mit zunehmendem σ zu großeren ε und großeren
ε hin verschiebt, sowie ein ausgepragtes relatives Minimum von ε bei niedrigen σ und ε
auf. Die unterschiedlichen Kurvenkrummungen haben unerwartete Konsequenzen fur die
Kriechzeit (siehe Kap. 4.5). Die Belastungsdehnungen εld (Kreise) zeigen fur alle T gute
Ubereinstimmung mit den σ − ε−Kurven, d.h. die Belastungsphase im Kriechversuch ist
prinzipiell durch Versuche bei 10−3/s vorhersagbar und simulierbar.
4.2.2 Streckgrenze
Die Bestimmung der Streckgrenze Rp,0.2 hangt stark vom Vorgehen bei der Ermittlung
des plastischen Anteils an der Verformung ab (vgl. 3.3). Idealerweise bestimmt man Rp,0.2
durch direkte Messungen an Zugproben, da dies die systematischen Fehler bei der Separa-
tion von Apparatureinflussen vermeidet und aufgrund der im Zug gegenuber dem Druck
großeren Messlange eine hohere Messgenauigkeit ermoglicht. Im Folgenden werden daher
nur die im Zug ermittelten Streckgrenzen dargestellt.
Abb. 4.10 zeigt die Abhangigkeit der Streckgrenze von T und ε . Typischerweise nimmt
die Streckgrenze mit abnehmendem T und zunehmendem ε zu. Dies trifft im Falle von
Ti-2 nur fur niedrige T <∼ 350oC und hohe T >∼ 500oC zu. Im T -Bereich um 450oC ist die
Streckgrenze nahezu unabhangig von T und nur schwach abhangig von ε . Dieser Befund
bestatigt die Ergebnisse von [7, 18, 26]. Dieses Streckgrenzenphanomen ist typisch fur
dynamische Reckalterung und beruht auf der Wechselwirkung zwischen den Versetzungen
als Trager der plastischen Verformung und den interstitiell gelosten Fremdatomen (z.B.
[7]).
33
4 Kommerzielles Reintitan Ti-2
200 400 600 800 10000
50
100
150
200
250
300
350
400
450
3
3
10 -6
10 -5
10 -310 -4
10 -3.
.
.ε / s -1 =
dynamischeReckalterung
Rp,
0.2
/ MP
a
T / K
0 100 200 300 400 500 600 700T / °C
Abbildung 4.10: Rp,0.2 als Funktion von T und ε . Die Daten dieser Arbeit (aus-
gefullte Symbole) zeigen gute Ubereinstimmung mit Daten von Santhanam (offene
Symbole, ([18], zitiert in: [27]).
4.2.3 Stationarer Zustand
Abb. 4.11 zeigt den stationaren Zustand in einer Auftragung der normierten Verformungs-
geschwindigkeit ZD = ε kB T/(DGb) (kB : Boltzmann-Konstante; D = D0· exp(−Q/RT ) :
Koeffizient der Selbstdiffusion von Titan mit D0 = 0.013 m2/s, Q = 242 kJ/mol [2]) als
Funktion der mit dem elastischen Schubmodul [2]
G(T ) = 43.6 · (1 − 6.21 · 10−4(T/K − 300))
GPa
normierten Spannung σ/G. Durch die Temperaturnormierung fallen die Messpunkte auf
eine einheitliche Kurve. Gegenuber der ebenfalls dargestellten Kurve fur reines Al als
Reprasentant der reinen Stoffe ist diese zu hoheren Spannungen hin verschoben, eine
Folge der Mischkristallhartung des Ti-2.
34
4.2 Verformung
Abbildung 4.11: Stationarer Zusammenhang zwischen normierter Verformungsge-
schwindigkeit ε kB T/DGb und normierter Spannung σ/G. Die Kurve im Bildaus-
schnitt zeigt den normierten ε − σ−Zusammenhang des Versuches aus Abb. 4.14.
Zusatzlich ist der Kurvenverlauf fur reines Al dargestellt (aus [28]). Zur Orientie-
rung ist an der rechten Kante ε = 10−3/s fur die untersuchten T angegeben. Die
Werte fur 350oC unterhalb des Knicks wurden aus Daten fur Rp,max abgeleitet (vgl.
Abb. 4.13). Vorab veroffentlicht in [12].
Bei der stationaren ZD − σ/G−Kurve fallt ein scharfer Knick auf. Er liegt bei σ ≈9 · 10−3 G und ZD ≈ 2 · 10−6, was bei 450oC 260 MPa und 8 · 10−5/s entspricht. Dies
sind exakt diejenigen Verformungsbedingungen, bei denen sich die Charakteristika der in
Abb. 4.6 gezeigten σ − ε−Kurven bei 450oC andern.
35
4 Kommerzielles Reintitan Ti-2
Im einzelnen sieht man:
• Unterhalb des Knicks besteht gute Ubereinstimmung der Messdaten mit dem naturli-
chen Kriechgesetz ZD = (σ/G)3. Der Spannungsexponent n = d log ε /d log σ (d.h.
die Steigung der ZD − σ/G−Kurve) steigt von ≈ 3 in Knicknahe auf ≈ 4.2 bei
kleineren σ/G.
• Oberhalb des Knicks betragt der Spannungsexponent ≈ 30.
Es ist nahe liegend, diesen Kurvenverlauf auf den in Kap. 2 beschriebenen Ubergang
von sprunghafter Versetzungsbewegung ohne Fremdatomwolke bei hohen σ und niedrigen
T auf viskose Versetzungsbewegung mit Fremdatomwolke bei niedrigen σ und hohen T
zuruckzufuhren (siehe auch Abb. 2.2).
Abb. 4.12 zeigt bei 450oC neben den stationaren Verformungswiderstanden Rp,ss auch
die maximalen Verformungswiderstande Rp,max. Man erkennt, dass die Differenz zwischen
Rp,ss und Rp,max unterschiedlich ausfallt: Die Rp,max-Werte der Versuche bei konstantem
ε liegen nahe am zugehorigen stationaren Wert Rp,ss; dagegen zeigt Rp,max im Versuch
bei konstantem σ deutlich großere Abweichungen von Rp,ss. Bei Spannungen <∼ 70 MPa
nimmt der Unterschied zwischen Rp,max und Rp,ss mit abnehmender Spannung kontinu-
ierlich ab.
Der stationare Zustand wurde im Spannungsbereich unterhalb des Knicks nur bei 450oC
erreicht, was eine Bewertung der Qualitat der in Abb. 4.11 durchgefuhrten Normierung
erschwert. Fur den maximalen Verformungswiderstand ist jedoch ein Vergleich der Werte
bei 350oC und 450oC mit den experimentell verfugbaren Daten moglich. In Abb. 4.13 zeigt
sich eine sehr gute Ubereinstimmung der unter gleichen Versuchsbedingungen (konst. σ)
bestimmten Werte fur Rp,max bei 350oC und 450oC. Daraus kann geschlossen werden, dass
die fur die Aktivierungsenergie Q getroffene Wahl sinnvoll ist. Unter der Annahme, dass
die Große der zwischen Rp,max und Rp,ss erfolgenden Entfestigung bei 350oC und 450oC
gleich ist, ergeben sich die in Abb. 4.11 eingezeichneten stationaren Werte fur 350oC
unterhalb des Knicks. Die Ubereinstimmung mit bei 450oC gemessenen Werten ist her-
vorragend, was fur die Richtigkeit der fur 350oC konstruierten stationaren Werte spricht.
36
4.2 Verformung
Abbildung 4.12: Zusammenhang zwischen ε und σ bei 450oC. Offene Symbole:
Rp,ss; ausgefullte Symbole: Rp,max, differenziert nach Versuchen bei konst. σ bzw.
ε . Die Pfeile kennzeichnen die Entfestigung von Rp,max nach Rp,ss.
4.2.4 Wechsel der Verformungsbedingungen
Im vorangegangenen Abschnitt wurde vorgeschlagen, dass der Knick im stationaren ZD-
σ/G-Zusammenhang die Bereiche sprunghafter und viskoser Versetzungsbewegung trennt.
Dementprechend sollte es moglich sein, durch Wechsel der Beanspruchung zwischen Ver-
suchsbedingungen in der Nahe des Knicks und uber den Knick hinweg Aussagen uber
den Ubergang von sprunghafter zu viskoser Versetzungsbewegung, also den Aufbau der
Fremdatomwolke zu erhalten.
Kontinuierlicher Beanspruchungswechsel
Die Streuung der Ergebnisse der verschiedenen Versuche in Abb. 4.11 lasst zunachst un-
klar, ob der Knick wirklich so scharf ist wie eingezeichnet. Um die Natur des Knicks zu
verifizieren, wurde der in Abb. 4.14 gezeigte Kriechversuch durchgefuhrt. Dieser Versuch
wurde im Druck bei 450oC und 275 MPa gestartet. Bei diesen Versuchsparametern erwar-
tet man den stationaren Zustand mit sprunghafter Versetzungsbewegung oberhalb des
Knicks. Im Falle der in diesem Versuch erreichten hohen Dehnung ε > 1.1 ist der Einfluss
der Reibung auf die Verformung nicht mehr vernachlassigbar. Er fuhrt zu der im oberen
Teilbild gezeigten kontinuierlichen Abnahme der verformungswirksamen Spannung mit
der Dehnung (vgl. Kap. 3.3). Das untere Teilbild zeigt die gemessene ε − ε−Kurve. Bis
37
4 Kommerzielles Reintitan Ti-2
Abbildung 4.13: Zusammenhang zwischen normierter Verformungsgeschwindigkeit
ε kB T/DGb und normierter Spannung σ/G fur Rp,max (teilgefullte Symbole) und
Rp,ss (offene Symbole). Die Pfeile am rechten Bildrand markieren ε = 10−5/s fur
die verschiedenen T .
ε ≈ 0.5 liegt noch kein signifikanter Reibungseinfluss vor; σ und ε variieren nicht mit
ε, d.h. es hat sich ein stationarer Zustand eingestellt. Mit abnehmender Spannung bei
zunehmendem ε > 0.5 nimmt auch ε ab.
38
4.2 Verformung
0
50
100
150
200
250
300
σ / M
Pa
0.3 0.6 0.9 1.210-6
10-5
10-4
10-3
10-2
ε
.
ε / s
-1
15010-6
10-5
10-4
10-3
10-2
Ti-2450°CDruck
200 300
σ / MPa
.
ε /
s-1
Abbildung 4.14: Druckkriechversuch an Ti-2 bei 450oC und nomineller Span-
nung 275 MPa. Links: Variation von reibungskorrigiertem σ und gemessenem ε
mit ε. Rechts: ε − σ−Zusammenhang wahrend der Verformung. Der große Kreis
kennzeichnet den stationaren Zustand bei ε <∼ 0.5 (275 MPa, 6 · 10−3/s). Vorab
veroffentlicht in [12].
Den Zusammenhang zwischen ε und σ zeigt das rechte Teilbild von Abb. 4.14. Deutlich
erkennbar ist ein Knick in der ε − σ−Kurve, der Bereiche mit n = 3 bei niedriger Span-
nung und n > 20 bei hoher Spannung trennt. Da ausgehend von Stationaritat bei ε ≈ 0.3
die reibungsbedingte Abnahme der verformungswirksamen Spannung mit ε langsam und
kontinuierlich erfolgt, liegt die Vermutung nahe, dass die ε − σ−Kurve naherungsweise
stationare Zusammenhange wiedergibt. Die gute Ubereinstimmung der ε − σ−Kurve mit
den stationaren Daten aus individuellen Versuchen (siehe Bildausschnitt in Abb. 4.11)
bestatigt die Form des in Abb. 4.11 eingezeichneten scharfen Knicks.
39
4 Kommerzielles Reintitan Ti-2
Abbildung 4.15: σ − ε−Zusammenhang bei ε -Wechsel zwischen 10−4/s und 10−3/s
unter stationaren Bedingungen bei 450oC im Druck fur Ti-2.
Abrupte Beanspruchungswechsel
Abb. 4.15 zeigt anhand eines ε -Wechsels, dass die stationare Fließspannung knapp ober-
halb des Knicks der Kurve von Abb. 4.11 nicht mehr von der Verformungsgeschwindigkeit
abhangt. Der Spannungsexponent der stationaren Kriechrate geht hier also gegen unend-
lich; die Kurve in Abb. 4.11 mundet vertikal in den Knick ein.
Dieses Verhalten ist ungewohnlich; normalerweise sinkt der stationare Verformungswi-
derstand mit abnehmender Spannung. Es liegt die Vermutung nahe, dass das beobachtete
Verhalten mit der Anderung der Konfiguration der Fremdatome in der Nahe der Verset-
zungen zu tun hat. Diese Vermutung wird durch das mit den Spannungswechseln ver-
bundene Ubergangsverhalten bestatigt. Unmittelbar nach der ε -Absenkung ist die Fließ-
spannung zunachst verringert. Im Gegensatz zum normalen Materialverhalten, in dem die
Fließspannung nach ε -Reduktion mit der Dehnung in Richtung auf den neuen stationaren
Zustand abnimmt, ist hier eine Zunahme der Fließspannung zu beobachten. Diese kann
zwanglos damit erklart werden, dass sich unter den gewahlten Verformungsbedingungen
eine Fremdatomwolke aufbaut, welche beim Gleiten der Versetzungen mitgeschleppt wird,
40
4.2 Verformung
was erhohte effektive Spannung erfordert. Analog ist die Abnahme der Fließspannung im
Ubergang nach ε -Erhohung durch Ausdunnen der Fremdatomwolke zu erklaren.
Im vorangegangen Beispiel war die ε -Empfindlichkeit von σ kurz nach dem Wechsel noch
positiv, d.h. eine Erhohung/Erniedrigung von ε war mit einer Erhohung/Erniedrigung
von σ verbunden. Eine sogar negative ε -Empfindlichkeit der Fließspannung zeigt der
in Abb. 4.16 dargestellte Wechselversuch am Beginn der Verformung bei 450oC: Die
Erhohung von ε um den Faktor 100 bei ε = 0.04 fuhrt zu einer Abnahme von σ. Dies
kann durch Ausdunnung der Fremdatomwolke erklart werden. Der weitere σ − ε−Verlauf
nach dem Wechsel folgt der in Abb. 4.6 gezeigten Kurve fur 10−3/s.
Abbildung 4.16: σ − ε−Zusammenhang bei einem ε -Wechsel von 10−5/s auf
10−3/s (Symbole) bei 450oC im Druck fur Ti-2. Linien kennzeichnen Versuche ohne
Wechsel aus Abb. 4.6.
41
4 Kommerzielles Reintitan Ti-2
Abbildung 4.17: Verformungsverhalten bei Beanspruchungswechsel von stati-
onaren Bedingungen oberhalb des Knicks zu stationaren Bedingungen unterhalb
des Knicks. Links: Wechsel von εmech , rechts: Wechsel von σ. Vorab veroffentlicht
in [12].
Abb. 4.17 zeigt Beanspruchungswechsel von stationaren Punkten oberhalb des Knicks
(450oC, 10−3/s; ≈ 250 MPa) auf stationare Bedingungen unterhalb des Knicks. Sowohl der
ε− als auch der σ−Wechselversuch zeigen ausgepragte lokale Verformungswiderstandsma-
xima. Nach dem Wechsel auf niedrigeres ε bzw. σ dominiert zunachst starke Verfestigung,
die direkt auf die Bildung einer Fremdatomwolke um die Versetzungen hinweist.
42
4.3 Mikrostruktur des verformten Zustands
4.3 Mikrostruktur des verformten Zustands
Abb. 4.18 zeigt eine bei 450oC und ε = 10−3/s bis ε = 0.25 verformte Druckprobe
aus Ti-2. Bei diesen Verformungsbedingungen liegt man leicht oberhalb des Knicks in
Abb. 4.11, also nach dem Vorangegangenen vermutlich in dem Bereich, in dem die Ver-
setzungsbewegung nicht mehr rein viskos ist, sondern sprunghafte Versetzungsbewegung
ohne Fremdatomwolke maßgeblich mitbeteiligt ist. Die Verformungsbehinderung durch
Reibung fuhrt zu der Tonnenform der Probe. Deutlich erkennt man die Reibungskegel:
Die Kornstruktur im Bereich der Endflachen hat sich gegenuber dem Ausgangszustand
kaum geandert, wahrend in der Probenmitte deutlich Korndeformierungen zu erkennen
sind. Auch außerhalb der Druckkegel ist die Verformung heterogen. Dies zeigt auch die bei
450oC und 300 MPa stark deformierte (ε = 0.82) Druckprobe in Abb. 4.19. Man erkennt
Bereiche, in denen die Verformung besonders stark lokalisiert ist.
Abb. 4.20 zeigt die bei 450oC und 100 MPa bis ε = 0.23 verformte Zugprobe aus Abb. 4.7.
Unter diesen Verformungsbedingungen ist nach dem oben Gesagten viskose Versetzungs-
bewegung zu erwarten. Die Probe ist nicht gebrochen. Die Form des Querschliffs weist
auf Anisotropie hin. Der Langsschliff zeigt leichte Kornstreckung, was durch Abb. 4.21
bestatigt wird. Unterschiede zwischen Rand und Mitte der Zugprobe wurden ebenso wie
Verformungslokalisierungen nicht gefunden.
σ
0.5 mm
Abbildung 4.18: LM-Aufnahme einer bei 450oC und ε = 10−3/s bis ε = 0.25
verformten Druckprobe aus Ti-2.
43
4 Kommerzielles Reintitan Ti-2
σ
Abbildung 4.19: LM-Aufnahme der Probenmitte einer bei 450oC und 300 MPa
bis ε = 0.82 verformten Druckprobe aus Ti-2.
σ
500 μm
Abbildung 4.20: LM-Aufnahmen der in Abb. 4.7 gezeigten, bei 450oC und 100 MPa
bis ε = 0.23 verformten Zugprobe aus Ti-2. Links: Querschliff, rechts: Langsschliff.
44
4.3 Mikrostruktur des verformten Zustands
σ
Mitte
Rand
Längsrichtung Querrichtung200 μm
Abbildung 4.21: LM-Aufnahmen der in Abb. 4.7 gezeigten, bei 450oC und 100 MPa
bis ε = 0.23 verformten Zugprobe aus Ti-2. Links: Langsschliff, rechts: Querschliff,
oben: Probenmitte, unten: Randbereich der Probe.
Die in Kap. 4.2.1 bei 450oC gezeigten Kriechkurven wiesen als besonderes Charakteri-
stikum ein deutliches relatives Minimum von ε auf. Mit der in Abb. 4.22 dargestell-
ten Versuchsreihe sollten die mikrostrukturellen Ursachen fur diese Evolution des Ver-
formungswiderstandes geklart werden. Dazu wurden verschiedene Proben unter gleichen
Bedingungen (450oC, 100 MPa, Druck) bis zu unterschiedlichen ε verformt und die Mi-
krostruktur nach Versuchsende im TEM untersucht. Versuch A, der noch im Bereich der
starken Verfestigung vor Erreichen der minimalen Kriechrate abgebrochen wurde, zeigt
keine signifikanten Anderungen gegenuber dem Ausgangszustand bei RT (vgl. Abb. 4.3),
d.h. die Versetzungsdichte ist niedrig und zellulare Strukturen fehlen. Kurz nach dem
Minimum (Versuch B) erscheint die Versetzungsanordnung unregelmaßiger als in Versuch
A. Im stationaren Zustand (Versuch C) hat sich eine Subkornstruktur gebildet.
Die Versetzungsdichte hat im Verlauf des Versuchs zwischen A und C deutlich zuge-
nommen. Fur genauere Aussagen uber den Verlauf der Versetzungsdichte zwischen B und
C fehlen belastbare Daten.
45
4 Kommerzielles Reintitan Ti-2
0.00 0.05 0.10 0.15 0.20 0.2510-7
10-6
10-5
10-4
10-3
Ti-2450°C100 MPa
.
ε / s
-1
ε
1 μm
A
BA C
B C
Abbildung 4.22: Mikrostrukturevolution in Ti-2 bei 450oC und 100 MPa im Druck.
Unten: Kreise kennzeichnen die Enddehnung der Kriechversuche (A,B,C), oben:
Mikrostruktur der Versuche A, B und C (TEM).
4.4 Spannungsrelaxation
In diesem Abschnitt werden die Ergebnisse zum Spannungsrelaxationsverhalten von Ti-
2 getrennt nach σ- und ε-kontrollierter Versuchsfuhrung dargestellt. Dabei wurde der
Temperaturbereich zwischen 150oC und 450oC bei Relaxationsstartspannungen σ0 bis 300
MPa untersucht. Bis auf einen dehnungsgeregelten Zugversuch bei 150oC und σ0 = 100
MPa handelte es sich dabei um Druckversuche.
4.4.1 Spannungskontrollierte Versuchsfuhrung
Die Abb. 4.23 - 4.26 zeigen am Beispiel eines Versuchs bei 450oC und σ0 = 145 MPa die
Bestimmung des Spannungsrelaxtionsverhaltens bei kontrollierter Entlastung. Ausgehend
vom Relaxationsstartpunkt (σ0 = 145 MPa; εmech,0 = 0.068; siehe Abb. 4.23) wurde stu-
fenweise die Spannung reduziert. Die akkumulierten elastischen Ruckdehnungen wahrend
der Entlastungsschritte (siehe Abb. 4.24) sind aufgrund von (elastischen) Apparaturbei-
46
4.4 Spannungsrelaxation
0.00 0.02 0.04 0.06 0.08 0.1010
-6
10-5
10-4
10-3
10-2
10-1
.
ε mec
h / s
-1
εmech
0
50
100
150
Ti-2450°Cσ
0 = 145 MPa
σ /
MP
a
Abbildung 4.23: Zusammenhang zwischen σ bzw. εmech und εmech im spannungs-
kontrollierten Relaxationsversuch an Ti-2 bei 450oC. Der große Kreis markiert den
Startpunkt der Spannungsrelaxation.
tragen um etwa 50% großer als die reine Probenelastizitat |Δσ/E|. Die akkumulierten
inelastischen Vorwartsdehnungen nach den einzelnen Entlastungen liegen in der Großen-
ordnung der Probenelastizitat. Der Zusammenhang zwischen εmech bzw. σ und t fur den
dritten Entlastungsschritt ist im linken Teilbild von Abb. 4.25 dargestellt. Die inelasti-
sche Verformungsgeschwindigkeit εinel wahrend der Spannungsrelaxation wird fur diesen
Teilschritt bei der Dehnung bestimmt, bei der Δεinel = −Δεel,Pr gilt. Bei den anderen
47
4 Kommerzielles Reintitan Ti-2
X
X
0.0 0.5 1.0 1.5 2.00
30
60
90
120
150
X
X
E
Δεel
Δεinel
Ti-2450°C
σ /
MP
a
Δε / 10-3
Abbildung 4.24: Zusammenhang zwischen σ und akkumulierter elastischer
Ruckdehnung wahrend der Entlastung,∑
Δεel,i, bzw. akkumulierter inelastischer
Vorwartsverformung nach der Entlastung,∑
Δεinel,i, im in Abb. 4.23 gezeigten
Versuch. Die gestrichelte Linie zeigt die elastische Reaktion der Probe, −Δσ/E,
wahrend der Entlastung. Kreuze kennzeichnen die Punkte, an denen εinel bestimmt
wurde.
Entlastungen wurde εinel an Punkten bestimmt, die a) moglichst geringe Abweichung von
der Relaxationsbedingung aufweisen und b) deren εinel ausreichend gut bestimmbar ist,
was voraussetzt, dass die Vorwartsverformung mindestens einen Faktor 2 großer als der
Messfehler in der Dehnung, ≈ 10−4, ist.
Abb. 4.26 zeigt den so ermittelten εinel − σ−Zusammenhang. Er zeigt einen Knick bei
σKnick ≈ 110 MPa und liegt fur σ < σKnick leicht unterhalb von Rp,max bei ahnlichem n
von etwa 3-4.
48
4.4 Spannungsrelaxation
Abbildung 4.25: Zusammenhang zwischen εmech (oben) bzw. σ (unten) und t
im spannungskontrollierten Relaxationsversuch an Ti-2 bei 450oC. Links: lineare
Zeitachse, rechts: logarithmische Zeitachse. Kreuze markieren die Punkte, an denen
εinel bestimmt wurde.
49
4 Kommerzielles Reintitan Ti-2
Abbildung 4.26: εinel − σ−Zusammenhang des in Abb. 4.23 - 4.25 gezeigten
spannungskontrollierten Relaxationsversuchs bei 450oC (Symbole). Die schraffierte
Flache wird begrenzt durch die in Versuchen bei konstantem ε und σ ermittelten
Werte von Rp,ss und Rp,max bei 450oC.
50
4.4 Spannungsrelaxation
4.4.2 Dehnungskontrollierte Versuchsfuhrung
Abb. 4.27 zeigt die σ − εmech−Kurven bei Belastung mit εmech = 9 · 10−5/s auf die jewei-
ligen Relaxationsstartpunkte. Mit Ausnahme der Versuche D4 und D5 bei 450oC starten
die Versuche unterhalb bzw. nahe der Warmstreckgrenze. Der Zugversuch A1 zeigt ein
E∗ von 123 GPa, was im Bereich des Proben-E-Moduls E = 104.7 GPa liegt. Die E∗ aus
Druckversuchen sind aufgrund von Apparatureinflussen um etwa den Faktor 2-3 kleiner
als E.
Abb. 4.28 zeigt den wahrend der Spannungsrelaxation gemessenen Zusammenhang zwi-
schen σ und der Relaxationszeit tRel. Unabhangig von T ist bei den Versuchen bei T ≤350oC die Spannung nach etwa 106 s von σ0 ≈ 150 MPa auf ≈ 90 MPa gesunken. Die
beiden Relaxationsversuche bei 150oC, A1 und A2, erreichen nach langer Relaxation ein
konstantes Spannungsniveau. Der Vorteil der hoheren Startspannung bleibt bei diesen
Versuchen erhalten. Der σ − tRel−Verlauf bei 450oC unterscheidet sich signifikant von
dem bei niedrigeren T , insofern als unabhangig von den Relaxationsstartbedingungen (65
MPa ≤ σ0 ≤ 150 MPa und εmech,0 ≤ 0.0163) die σ − tRel−Kurven nach etwa 105 s einen
einheitlichen Verlauf mit kontinuierlich abnehmendem σ zeigen. Das Restspannungsni-
veau nach gleichen Zeiten ist deutlich niedriger als bei den Versuchen bei niedrigeren T .
Ein Plateaubereich tritt nicht auf.
Aus dem σ − tRel−Verlauf in Abb. 4.28 lasst sich der in Abb. 4.29 gezeigte σ − σ−Verlauf
bestimmen und unter Verwendung von Gl. (3.5) in den in Abb. 4.30 dargestellten εinel − σ−Zusammenhang umrechnen. Die εinel − σ−Kurven bei T ≤ 350oC sind gekennzeichnet
durch sehr hohe Spannungsexponenten > 20. Entsprechend dem Plateau in Abb. 4.28 zei-
gen die Versuche A1 und A2 nach einem Ubergangsbereich sogar einen vertikalen Verlauf.
Die Kurven bei 450oC zeigen einen Knick, der mit zunehmendem σ0 zu hoheren σ hin
verschoben ist und Bereiche mit n > 20 und n = 3 − 4 trennt. Im Spannungsbereich un-
terhalb des Knicks verlaufen die bei verschiedenen Relaxationsstartpunkten gemessenen
Kurven einheitlich auf einem Niveau unterhalb von Rp,max.
4.4.3 Vergleich der Relaxationsversuche
Abb. 4.31 zeigt fur 450oC im εinel − σ−Diagramm den Vergleich zwischen dem span-
nungskontrollierten Relaxationsversuch aus 4.4.1 und den dehnungsgeregelten Versuchen
aus 4.4.2. Die Kurve aus dem spannungskontrollierten Versuch liegt am oberen Rand des
Streubandes der dehnungskontrollierten Versuche. Beide Versuchsfuhrungen zeigen die
gleichen Verlaufe mit einem charakteristischen Knick.
Durch Integration der εinel − σ−Zusammenhange in den Abb. 4.26 und 4.30 wurden mit
Gl. (3.5) die um Apparatureinflusse bereinigten σ − tRel−Kurven in Abb. 4.32 berechnet.
Fur T ≥ 410oC fallt die Spannung kontinuierlich ab; bei T ≤ 350oC fallt die Span-
51
4 Kommerzielles Reintitan Ti-2
0.000 0.005 0.010 0.015 0.0200
20
40
60
80
100
120
140
160B1C1
A2
Druck
350°
C25
0°C
150°
C
9·10-5/s
Ti-2
σ /
MP
a
εmech
εmech
=.
Zug
150°
C
A1
0.000 0.005 0.010 0.015 0.0200
20
40
60
80
100
120
140
160
9·10-5/s
Ti-2
σ /
MP
a
εmech
εmech
=.450°C
D3
D4 D5
D2
D1
Abbildung 4.27: σ − εmech−Kurven von Ti-2 bei Belastung auf den Startpunkt
der (dehnungsgeregelten) Spannungsrelaxationsmessung. Oben: 150oC bis 350oC;
unten: 450oC. Die Pfeile markieren die Große des Spannungsabfalls wahrend der
Relaxation.
nung zunachst ab und bleibt bei etwa 90 MPa nahezu konstant. Unterschiede zwischen
spannungs- und dehnungskontrollierter Versuchsfuhrung werden nicht gefunden. In der
Auftragung der normierten Relaxationszeit tRel·exp(−Q/RT ) (mit Q = 242 kJ/mol) als
52
4.4 Spannungsrelaxation
100 101 102 103 104 105 106 1070
20
40
60
80
100
120
140
160
C1
B1
A2
.ε
mech,0 = 9·10-5/s
150 250 350
T / °C =Ti-2
σ /
MP
a
tRel
/ s
A1
100 101 102 103 104 105 106 1070
20
40
60
80
100
120
140
160D5
D3
D4
D2
.ε
mech,0 = 9·10-5/s
Ti-2
σ /
MP
a
tRel
/ s
450°C
D1
Abbildung 4.28: Gemessener Zusammenhang zwischen σ und tRel wahrend der
(dehnungsgeregelten) Spannungsrelaxation von Ti-2. Oben: 150oC bis 350oC; unten:
450oC. Die Kreise kennzeichnen die Startspannung.
Funktion von σ in Abb. 4.33 fallen die bei 350oC und 450oC gemessenen Kurven nach
einem Ubergangsbereich naherungsweise zusammen. Abb. 4.34 zeigt die T -normierte Re-
laxationszeit tRel·exp(−Q/RT ) als Funktion von σ/G. Die Kurven der Versuche, die bei
verschiedenen σ0 und T gestartet wurden, laufen mit abnehmender Spannung am Ende
zusammen.
53
4 Kommerzielles Reintitan Ti-2
16 64 112 16010-6
10-5
10-4
10-3
10-2
10-1
100
101
C1
B1
A2 150°C 250°C 350°C
Ti-2
.
σ /
MP
a s-1
σ / MPa
A1
16 64 112 16010-6
10-5
10-4
10-3
10-2
10-1
100
101
D4
D5D3D2
Druck450°CTi-2
.
σ /
MP
a s-1
σ / MPa
D1
Abbildung 4.29: Aus dem σ − tRel−Verlauf in Abb. 4.28 bestimmter
σ − σ−Zusammenhang wahrend der Spannungsrelaxation von Ti-2. Links: 150oC
bis 350oC; rechts: 450oC. Die großen Symbole kennzeichnen den jeweiligen Start-
punkt.
54
4.4 Spannungsrelaxation
10 100 100010-10
10-9
10-8
10-7
10-6
10-5
10-4
C1
B1A2
150°C 250°C 350°C
Ti-2
.
ε ine
l / s-1
σ / MPa
A1
10 100 100010-10
10-9
10-8
10-7
10-6
10-5
10-4
R p,m
ax
450°CTi-2
.
ε ine
l / s
-1
σ / MPa
D1
D2D3 D4
D5
R p,ss
Abbildung 4.30: Mit Gl. (3.5) berechneter εinel − σ−Zusammenhang wahrend
der (dehnungsgeregelten) Spannungsrelaxation von Ti-2. Links: 150oC bis 350oC;
rechts: 450oC. Die großen Symbole kennzeichnen den jeweiligen Startpunkt. Die
schraffierte Flache wird begrenzt durch Rp,max und Rp,ss.
55
4 Kommerzielles Reintitan Ti-2
10 100 100010-10
10-9
10-8
10-7
10-6
10-5
10-4
σ−kontr.
R p,m
ax
450°CTi-2
.
ε ine
l / s
-1
σ / MPa
D1
D2D3 D4
D5
R p,ss
ε−kontr.
Abbildung 4.31: εinel − σ−Zusammenhang bei der Spannungsrelaxation von Ti-
2 bei 450oC, gemessen in dehnungskontrollierter (offene Symbole) bzw. span-
nungskontrollierter (geschlossene Symbole) Versuchsfuhrung. Die schraffierte Flache
kennzeichnet die Entfestigung von Rp,max auf Rp,ss bei 450oC.
56
4.4 Spannungsrelaxation
100 101 102 103 104 105 106 1070
50
100
150
200
250
300
350
410°C
.ε
mech,0 = 9·10-5/s
150 250 350 450
T / °C =Ti-2
σ /
MP
a
tRel
/ s
450°C
Abbildung 4.32: T -Abhangigkeit des σ−tRel−Zusammenhangs wahrend der Span-
nungsrelaxation von Ti-2, gemessen in dehnungskontrollierter (Linien) bzw. span-
nungskontrollierter (Linien + Symbole) Versuchsfuhrung. Die Kurven wurden aus
den εinel − σ−Verlaufen in den Abb. 4.26 und 4.30 berechnet.
10-30 10-25 10-20 10-15 10-100
50
100
150
200
250
300
350450350250
.ε
mech,0 = 9·10-5/s
150 250 350 450
T / °C =Ti-2
σ /
MP
a
tRel
/ s · exp(-Q/RT)
150 1s bei T/°C=
Abbildung 4.33: Normierte Relaxationszeit tRel·exp(−Q/RT ) als Funktion von σ.
Die Symbole kennzeichnen Ergebnisse aus σ-kontrollierten Versuchen, die Linien
ε-kontrollierte Versuche. Die Pfeile markieren tRel = 1 s bei den verschiedenen T .
57
4 Kommerzielles Reintitan Ti-2
Abbildung 4.34: Mit Q = 242 kJ/mol normierte Relaxationszeit tRel·exp(−Q/RT )
als Funktion von σ/G. Die Symbole kennzeichnen Ergebnisse aus σ-kontrollierten
Versuchen, die Linien ε-kontrollierte Versuche. Die graue Flache verdeutlicht den
Verlauf einer moglichen Grenzkurve. Die Pfeile am rechten Rand markieren tRel =
1 s bei verschiedenen T . Man beachte die inverse Skalierung der Zeitachse.
58
4.5 Kriechzeiten
4.5 Kriechzeiten
Von besonderer Bedeutung fur den Konstrukteur sind Zeitdehn- und Zeitbruchlinien.
Diese geben an, nach welcher (Kriech-)Zeit eine bestimmte Dehnung bzw. der Bruch bei
vorgegebener Spannung und Temperatur erreicht wird. In der Regel muss bei der Bestim-
mung der Kriechzeiten auch die Belastungsverformung mit einbezogen werden. Es gibt
aber auch Falle, bei denen man sich nur fur die Dehnung nach der Belastung interessiert.
Deshalb wird im Folgenden unterschieden zwischen der Zeit tε, definiert als die Zeit fur die
plastische Gesamtdehnung ε, und der Zeit tΔε, definiert als die Zeit fur das Dehnungsin-
tervall Δε im Anschluss an die Belastungsdehnung εld . Zeitbruchlinien wurden hier nicht
ermittelt, da im Druck kein Bruch auftrat und Bruch im Rahmen der Zugkriechversuche
nur bei Spannungen deutlich oberhalb der Streckgrenze experimentell beobachtet wurde.
Abb. 4.35 und 4.36 zeigen das Vorgehen bei der Ermittlung der Kriechzeiten am Bei-
spiel von tε = 0.01 und tΔε = 0.05 anhand der bei verschiedenen Spannungen gemessenen
ε − t−Kurven bei 150oC 5. Die ε − t−Kurven fur die anderen Temperaturen sind im An-
hang aufgefuhrt. Als Zeitnullpunkt t = 0 wurde das Ende der Belastungsphase gewahlt,
d.h. der Zeitpunkt mit ε = εld . Die Wahl des Punktes mit t = 0 ist unkritisch, da
die Belastung schnell in meist einem einzigen Belastungsschritt aufgebracht wurde. tεerhalt man graphisch aus den Schnittpunkten zwischen der horizontalen Linie fur das
gewunschte ε und den gemessenen ε − t−Kurven (Abb. 4.35). tΔε erhalt man graphisch
aus dem Schnittpunkt zwischen der horizontalen Linie fur εld + Δε und der gemessenen
ε − t−Kurve (Abb. 4.36).
Abb. 4.37 zeigt den Zusammenhang zwischen tε = 0.01 und σ fur verschiedene T . Typi-
scherweise nimmt der Verformungswiderstand, ausgedruckt durch tε, mit abnehmenden T
und σ zu. Dies bestatigt sich auch bei Ti-2.
Abb. 4.38 zeigt die T -normierte Kriechzeit tε = 0.01·exp(−Q/RT ) mit Q = 242 kJ/mol (vgl.
Kap. 4.2.1) fur die Kriechdehnung 0.01 als Funktion der schubmodulnormierten Span-
nung. Man erhalt einen einheitlichen Kurvenverlauf, der einen Knick bei σ ≈ 4 · 10−3 G
aufweist6. Unterhalb dieses Knicks nimmt der Spannungsexponent der Kriechzeit nt =
|d log t/d log σ| Werte von ≈ 4 an, oberhalb des Knicks wird nt sehr groß. Die Verwandt-
schaft zum stationaren ε − σ−Zusammenhang (Abb. 4.11) ist unverkennbar. Die Knick-
spannung im Fall der Kriechzeit liegt im Bereich der Warmstreckgrenze (schattiertes Feld)
und ist etwa halb so groß wie die des stationaren ε − σ−Zusammenhanges (σ ≈ 9·10−3 G).
5Bei der graphischen Ermittlung von tε ist es vorteilhaft, die ε-Achse logarithmisch darzustellen, da soauch kleine ε gut aufgelost werden konnen; zur graphischen Bestimmung von tΔε ist dagegen einelineare ε-Auftragung notwendig. Die Zeitachse wurde in beiden Fallen logarithmisch gewahlt, umfaktorielle Unterschiede besser darzustellen.
6Anmerkung: Die quantitative Richtigkeit der Temperaturnormierung im Hinblick auf einen einheit-lichen Kurvenverlauf ist aufgrund des fehlenden experimentellen Uberlapps bei gleichen σ/G, aberverschiedenen T fraglich.
59
4 Kommerzielles Reintitan Ti-2
100 101 102 103 104 105 106 10710-3
10-2
10-1
100
Druck Zug
tε = 0.01
ε =
0.0
1
150°CTi-2
ε
t / s
533
390
251
164
131
650σ / MPa =
Abbildung 4.35: Darstellung der Ermittlung von tε = 0.01 am Beispiel der
ε − t−Kurven von Ti-2 bei 150oC.
100 101 102 103 104 105 106 1070.0
0.1
0.2
0.3
tΔε
tΔε
Δε
Δε
Δε = 5%
150°CTi-2
ε
t / s
533
390
251
164131
650σ / MPa =
Abbildung 4.36: Darstellung der Ermittlung von tΔε = 0.05 anhand der
ε − t−Kurven von Ti-2 bei 150oC.
60
4.5 Kriechzeiten
10 100 1000100
101
102
103
104
105
106
107
ε = 0.01
T / °C =
250
350
450
150
Ti-2
t ε /
s
σ / MPa
Abbildung 4.37: Kriechzeit tε = 0.01 als Funktion von σ und T . Die dicken vertikalen
Striche kennzeichnen die Streckgrenze bei εmech = 10−3/s.
Abb. 4.39 zeigt den Zusammenhang zwischen tΔε = 0.01 und σ fur verschiedene T . Es fallt
auf, dass dieser Zusammenhang nichtmonoton ist: a) Fur σ>∼ 130 MPa existiert ein Maxi-
mum der Kriechzeit tΔε als Funktion der Temperatur bei 250oC; b) fur 150oC existiert ein
Minimum der Kriechzeit als Funktion der Spannung bei σ ≈ 250 MPa. Dieses Verhalten
wird verstandlich, wenn man bedenkt, dass tΔε durch die Steigung der ε − ε−Kurven im
Anschluss an εld , also ε = 10−3/s, bestimmt wird. Diese ist z.B. bei 150oC und σ >∼100 MPa geringer als bei anderen T , d.h. tΔε ist hier am niedrigsten (siehe Abb. 4.9); bei
61
4 Kommerzielles Reintitan Ti-2
10-4 10-3 10-2 10-1
450
350
250
150
100000 sbei T/°C =
1
4
10-30
10-25
10-20
10-15
10-10
Ti-2
250°C
350°C
450°C
150°C
t ε =
0.0
1·ex
p(-Q
/RT
) / s
σ / G
Abbildung 4.38: T -normierte Kriechzeit tε = 0.01·exp(−Q/RT ) mit Q = 242 kJ/mol
als Funktion von σ/G. Das schattierte Feld kennzeichnet den Bereich der Warm-
streckgrenze bei ε = 10−3/s, die Pfeile am rechten Rand markieren die Zeit t = 105 s
bei den verschiedenen T . Man beachte die inverse Skalierung der Zeitachse.
250oC ist die Steigung am großten, hier tritt auch das großte tΔε auf. Die physikalischen
Ursachen fur das Ubergangsverhalten sind in der Evolution der Mikrostruktur, speziell in
der Zunahme der Versetzungsdichte, zu suchen. Eine T -normierte Auftragung von tΔε ist
angesichts seiner nichtmonotonen T -Abhangigkeit nicht sinnvoll.
62
4.5 Kriechzeiten
10 100 100010
0
101
102
103
104
105
106
107
T / °C =
250
350
150
450
t Δε =
0.0
1 / s
σ / MPa
Ti-2
Abbildung 4.39: Kriechzeit tΔε = 0.01 als Funktion von σ und T . Die dicken verti-
kalen Striche kennzeichnen die Streckgrenze bei εmech = 10−3/s.
Abb. 4.40 zeigt den Zusammenhang zwischen der normierten Kriechzeit tε·exp(−Q/RT )
und σ/G fur tε = 0.01 und tε = 0.05. Man erhalt fur beide tε einheitliche Kurven mit einem
Knick bei σ ≈ 4 · 10−3G − 6 · 10−3G, der Kurvenbereiche mit niedriger Steigung ≈ 4
bei niedrigen σ/G und hoher Steigung > 20 bei hohen σ/G trennt. Mit zunehmendem
ε verschiebt sich - entsprechend des großeren tε bei gleichem σ und T - die normierte
tε-Kurve zu hoheren Spannungen. Von praktischer Bedeutung ist der Spannungsbereich
unterhalb der Knickspannung σknick, da hier technisch relevante Kriechzeiten realisiert
63
4 Kommerzielles Reintitan Ti-2
werden. Dieser Kurvenbereich lasst sich durch
log [tε · exp (−Q/RT )] = A(ε) − 1
n· log
( σ
G
)∧ σ < σknick (4.1)
(Aktivierungsenergie Q = 242kJ/mol; Fitparameter A(ε)) beschreiben. Die in Abb. 4.40
gezeigten nach Gl. (4.1) bestimmten Fitkurven fur die normierten tε = 0.01 und tε = 0.05
zeigen gute Ubereinstimmung mit den Messwerten. Damit sind quantitative Vorhersagen
uber tε bei unterschiedlichen T und σ moglich.
Im Zusammenhang mit den Kriechzeiten muss auf die Bedeutung der Anelastizitat von
Titan hingewiesen werden. Diese fuhrt nach Entlastung zu einer zeitabhangigen Ruckver-
formung der Proben, d.h. die tatsachliche bleibende plastische Dehnung ist geringer als die
inelastische Dehnung, die in den gezeigten Verformungskurven dargestellt ist. Ergebnisse
von [29, 30] zeigten: a) Das Verhaltnis Ruckdehnung εanel zu εinel nimmt mit fallendem
T , fallendem σ und steigendem Verformungsgrad zu; b) mit zunehmender Belastungszeit
wird der Ruckdehnungsbetrag großer (bei sehr niedrigen σ und T kann der Anteil der
anelastischen Ruckverformung an der Dehnung bis zu 50% betragen). Die hier bestimm-
ten Kriechzeiten berucksichtigen diese Anelastizitatseffekte nicht, d.h. die tatsachlichen
Zeiten fur eine bestimmte plastische irreversible Dehnung sind großer als die in dieser Ar-
beit angegebenen. Bei den hier untersuchten Versuchsbedingungen ist dieser Effekt jedoch
vernachlassigbar.
64
4.5 Kriechzeiten
10-4 10-3 10-2 10-1
A(0.01) = -13.7567A(0.05) = -13.7518n = 4
ε = 0.
01
ε = 0.
05
450
350
250
150
100.000 sbei T/°C =
1
4
10-30
10-25
10-20
10-15
10-10
Ti-2
t ε·ex
p(-Q
/RT
) / s
σ / G
Abbildung 4.40: Mit Q = 242 kJ/mol normierte Kriechzeiten tε·exp(−Q/RT )
als Funktion von σ/G. Die Symbole kennzeichnen Messwerte fur ε = 0.01 bzw.
0.05. Die dicken Linien kennzeichnen die mit Gl. (4.1) berechneten Fitkurven fur
Spannungen unterhalb der Knickspannung. Die Pfeile am rechten Rand markieren
die Zeit t = 105 s bei den verschiedenen T . Man beachte die inverse Skalierung der
Zeitachse.
65
4 Kommerzielles Reintitan Ti-2
4.6 Diskussion
4.6.1 Einfluss der Zwillinge
Bei Ti-2 ist neben Verformung durch Versetzungen auch mit Beitragen von Zwillingen an
der Verformung zu rechnen (siehe Kap. 2). Auffallig ist die starke Verfestigung im Druck
bei T ≤250oC bei 0.1 <∼ ε <∼ 0.2, die sowohl im Versuch bei konstantem ε als auch im
Kriechversuch beobachtet wurde (Abb. 4.5 und 4.9). Verschiedene Autoren (z.B. [16, 31])
fanden bei ihren Druckkriechversuchen an Titan in bestimmten T - und ε - Bereichen (z.B.
ε ≥ 10−1/s und T um 200oC) das gleiche Verfestigungsphanomen. Mit der starken Verfe-
stigung verbunden ist eine Zunahme der Verformungszwillinge [10, 31]. Ein bedeutsamer
direkter Beitrag der Zwillinge zur plastischen Verformung von Titan ist im betrachte-
ten ε - und T -Bereich jedoch nicht zu erwarten (z.B. [9, 10]). Die Zwillinge beeinflussen
die Verformung indirekt uber ihren Einfluss auf die Evolution der Korn- und Versetzungs-
struktur, indem die Zwillingsgrenzen Hindernisse fur die Versetzungsbewegung darstellen,
was u. a. zu der von [7] berichteten hohen Versetzungsdichte an den Zwillingsgrenzen und
ihren Spitzen fuhrt. Dieser experimentelle Befund ist in Einklang mit dem Ergebnis theo-
retischer Betrachtungen, dass die Wechselwirkung zwischen Versetzungen und Zwillingen
zu einer lokalen Spannungskonzentration aufgrund von Versetzungsaufstaus an den Zwil-
lingsgrenzen fuhrt [8]. Salem et al. [31] erklarten die Wirkung der Zwillingsgrenzen auf die
Verformung im Sinne des Hall-Petch-Effekts: Die Zwillingsgrenzen sind Korngrenzen, die
den Laufweg der Versetzungen verringern und damit zu einer Erhohung des Verformungs-
widerstandes fuhren. Nemat-Nasser et al. [16] postulierten einen auf Schlauchdiffusion
basierenden Wechselwirkungsmechanismus zwischen Versetzungen und Fremdatomen als
Ursache fur die starke Verfestigung. Diese Annahme darf bezweifelt werden, da der Be-
reich starker Verfestigung im Druck verbunden mit der Zunahme der Zwillingsdichte auch
bei hochreinem (99.998%) Titan gefunden wird [31]. Die Zwillingsdichte hangt von T , ε ,
ε und dem Reinheitsgrad der Legierung ab (z.B. [10, 32]). Bei kommerziell reinem Titan
wird im T -Bereich zwischen RT und 450oC eine Zunahme der Zwillinge mit steigenden
T , ε und ε gefunden [32].
In den Experimenten mit konstantem ε bei T < 350oC zeigte sich ein ausgepragter
Unterschied zwischen Druck und Zug im Verfestigungsverhalten (vgl. Abb. 4.5). Damit
verbunden ist eine im Zug gegenuber dem Druck deutlich verringerte Zwillingsdichte (vgl.
Kap. 4.3). Schadigung im Zug als Ursache fur die Unterschiede zwischen Zug und Druck
kann angesichts der guten Ubereinstimmung der beiden Zugkurven bei 10−3/s in Abb. 4.5
fur ε <∼ 0.2 wohl ausgeschlossen werden. Unter Bedingungen geringer Zwillingsaktivitat,
d.h. bei niedrigen ε bzw. σ und hohen T , treten keine signifikanten Unterschiede zwischen
Zug und Druck auf (siehe Abb. 4.6 und 4.7). Das Auftreten starker Verfestigung unter Be-
dingungen von sowohl geringer Zwillingsdichte (Verformungsbeginn) als auch sehr hoher
Zwillingsdichte (0.1 <∼ ε <∼ 0.2) ist ein Indiz dafur, dass die Zwillinge nicht die Haupt-
ursache fur die starke Verfestigung sind, sondern den Verfestigungsprozess nur indirekt
66
4.6 Diskussion
uber ihren Einfluss auf die Versetzungsstrukturevolution unterstutzen. Erwartet wird da-
her ein Einfluss der Zwillinge auf das Ubergangsverhalten bei Verformung; der stationare
Zustand sollte sich zwischen Zug und Druck nicht signifikant unterscheiden. Allerdings
wird aufgrund vorzeitigen Bruchs im Zug der stationare Zustand nicht erreicht.
4.6.2 Versetzungsmechanismen
Ein bedeutendes Charakteristikum des Verformungsverhaltens von Ti-2 ist das Auftreten
eines Knicks in den normierten Auftragungen von σ/G und a) ε am stationaren Zustand
(Abb. 4.11), b) tRel bei Spannungsrelaxation (Abb. 4.34) und c) tε bei den Kriechzeiten
(Abb. 4.40). Dieser Knick tritt sowohl bei sehr kleinen ε (Kriechzeiten, Spannungsrelaxa-
tion, Streckgrenze) als auch bei großen ε (stationarer Zustand) auf. Die Knickspannung
wachst dabei mit zunehmender Verformung bis auf den Wert am stationaren Zustand.
Der genannte Knick wurde bereits bei der Darstellung der Ergebnisse mit dem Ubergang
zwischen viskoser Versetzungsbewegung mit Fremsatomwolke und sprunghafter Verset-
zungsbewegung ohne Fremdatomwolke in Verbindung gebracht. Diese Deutung soll im
Folgenden vertieft werden. In der schematischen Darstellung in Abb. 4.41 sind Bereiche
unterschiedlicher Verformungskinetiken gekennzeichnet. Bereich I beschreibt sprunghaf-
te Versetzungsbewegung, Bereich II viskose Versetzungsbewegung. Dazwischen liegt der
Ubergang zwischen diesen beiden Modi der Versetzungsbewegung (vgl. Abb. 2.2).
Auffallend ist der deutliche Unterschied in Lage und Ausdehnung von Bereich II zwischen
Verformungsbeginn und stationarem Zustand. Das ist die Folge der Strukturevolution:
Im Laufe der Verformung passt sich die Versetzungsstruktur an ihren neuen stationaren
Zustand an, Subkorner entstehen, die Zwillingsdichte nimmt bei niedrigen T zu und die
Fremdatomkonfiguration an den Versetzungen andert sich. Der Zusammenhang zwischen
Mikrostruktur und Kinetik wird im Folgenden detailliert diskutiert.
4.6.3 Stationarer Zustand der Verformung
Nach der gegebenen Interpretation des Knicks in der Kurve von Abb. 4.11 sollte die
Spannung am Knick mit der Spannung fur das Losreißen der Versetzungen von ihrer
Fremdatomwolke ubereinstimmen. Fur diese Spannung wird von [33] folgender Ausdruck
angegeben:σ
G=
W 2m c
5Gb3kB T, (4.2)
wobei Wm die Bindungsenergie zwischen Versetzung und Fremdatom und c die Fremd-
atomkonzentration ist. Unter Verwendung von Wm ≈ 1.7 eV [7] und c = 0.005 erhalt man
67
4 Kommerzielles Reintitan Ti-2
Abbildung 4.41: Schematische Zusammenfassung der Zusammenhange zwischen
σ, ε , T und den Kriech- bzw. Relaxationszeiten fur Ti-2 im untersuchten T -Bereich
fur Versuche mit geringen Verformungsgraden (Spannungsrelaxation, Kriechbeginn)
und am stationaren Zustand. Romische Ziffern kennzeichnen die Bereiche unter-
schiedlicher Verformungskinetik. Die Pfeile im Bild kennzeichnen die Kurvenver-
schiebung mit ε.
als Abschatzung fur die Losreißspannung σ = 8 · 10−3 G bei 450oC bzw. σ = 1.4 · 10−2 G
bei 150oC. Die gute Ubereinstimmung der Knickspannung σ ≈ 9 · 10−3 G in Abb. 4.11
mit der nach Gl. (4.2) abgeschatzten Losreißspannung stutzt die Interpretation des Knicks
als Ubergang zwischen viskoser (mit Wolke) und sprunghafter Versetzungsbewegung (oh-
ne Wolke) am Knick. Fur T ≤ 250oC konnte die T -Abhangigkeit der Losreißspannung
aufgrund der extrem niedrigen ε im Knickbereich experimentell nicht verifiziert werden.
Fur 350oC und 450oC liegen die Unterschiede zwischen berechneter und experimentell
bestimmter Losreißspannung im Bereich der Probenstreuung.
An dieser Stelle erscheint es angebracht, die Gultigkeit der Normierung von ε in Abb. 4.11
kurz zu kommentieren. Die gewahlte Normierung berucksichtigt nicht, dass der stationare
Zustand in stark mischkristallgeharteten Legierungen durch mindestens zwei unterschied-
lich thermisch aktivierte Prozesse, Gleitung der Versetzungen und Erholung der Verset-
zungsstruktur, bestimmt ist (z.B. [19, 34]). Der Erfolg der T -Normierung zeigt, dass die
Wahl von Q = 242 kJ/mol zumindest im Bereich viskoser Versetzungsbewegung vertret-
bar ist. Im Bereich sprunghafter Versetzungsbewegung ist die Verwendung dieses Wertes
fur Q nicht mehr begrundet, da andere thermisch aktivierte Prozesse die Verformung
68
4.6 Diskussion
bestimmen. Von Titan ist bekannt, dass fur T <∼ 300oC die Aktivierungsenergie mit fal-
lendem T abnimmt (z.B. [7, 35]). Insofern ist die vertikale Verschiebung der Werte fur hohe
σ oberhalb des Steilanstiegs problematisch7. Durch die einheitliche Wahl von Q = 242
kJ/mol sind die T -normierten Kurven im Bereich niedriger T starker auseinandergezogen
als es bei Wahl einer niedrigeren Aktivierungsenergie in diesem Bereich der Fall ware. Un-
abhangig davon ist die gewahlte Art der Normierung fur die Darstellung der Ergebnisse
geeignet.
4.6.4 Ubergangsverformung nach Beanspruchungswechsel
Wenn die obige Interpretation des Knicks richtig ist, muss es, wie bereits oben ausgefuhrt,
moglich sein, durch einen Wechsel der Verformungsbedingungen oberhalb des Knicks zu
solchen unterhalb den Einfluss der dynamischen Reckalterung, d.h. den Aufbau einer
Fremdatomwolke an den Versetzungen, auf den Verformungswiderstand zu studieren.
Im Folgenden wird das einfache Modell aus Abschnitt 2.3.1 dazu verwendet, die Ubergange
zwischen sprunghafter und viskoser Versetzungsbewegung quantitativ zu beschreiben. Der
langsame, kontinuierliche Ubergang aus Abb. 4.14 wird modelliert, indem fur den Verlauf
der Versetzungsdichte ρ als Funktion der Dehnung ε
• im ersten Teil des Ubergangs ρ(ε) = ρ∞,j, also die Einstellung stationarer Verset-
zungsdichten fur sprunghafte Gleitung und
• im zweiten Teil des Ubergangs ρ(ε) = ρ∞,v, also die Einstellung stationarer Verset-
zungsdichten fur viskose Gleitung angenommen wird und
• der ρ(ε)-Verlauf im Ubergang zwischen beiden Teilen geglattet wird.
Abb. 4.42 zeigt den resultierenden ρ(ε)-Verlauf. Damit lasst sich aus Gl. (2.1) die Gleit-
geschwindigkeit vg der Versetzungen und uber die athermische Spannungskomponente
(Gl. (2.3)) aus Gl. (2.2) die effektive Spannungskomponente σ� als Funktion der Deh-
nung ε bestimmen. Somit lasst sich der Zusammenhang vg (σ�) herstellen (rechter Teil der
Abb. 4.42). Er zeigt den fur dynamische Reckalterung typischen, nichtmonotonen Verlauf
aus Abb. 2.2. Der Exponent m = d log vg /d log σ∗ , der die Steigung der vg − σ∗−Kurve
angibt, nimmt in Bereich II den fur viskose Versetzungsbewegung typischen Wert 1 an.
Dieses Ergebnis der einfachen Modellierung ist sehr befriedigend. Es zeigt, dass das be-
obachtete Verformungsverhalten mit sinnvollen Annahmen auf der Basis der Fremdatom-
Versetzungswechselwirkung zwanglos beschreibbar ist.
7Die Bestimmung von Q im Bereich sprunghafter Versetzungsbewegung konnte im Prinzip durch Tem-peraturwechsel an einer Probe erfolgen. Aufgrund des hohen Spannungsexponenten ist allerdings dieBestimmung zu ungenau, um verlassliche Ergebnisse zu liefern.
69
4 Kommerzielles Reintitan Ti-2
Als Nachstes betrachten wir die Ubergange nach sprunghaftem Beanspruchungswech-
sel aus Abb. 4.17. Die Evolution der Versetzungsdichte im Ubergangsbereich nach dem
Wechsel wird mit Gl. (2.5) modelliert. Die Versetzungsdichten ρ1 am Beginn des Wechsels
ergeben sich aus Gl. (2.4) als stationare Versetzungsdichten fur sprunghafte Versetzungs-
bewegung bei der jeweils herrschenden Spannung. Entsprechend sind ρ2 die stationaren
Versetzungsdichten fur viskose Versetzungsbewegung am Ende des Ubergangsbereiches.
kρ wird zu 0.1 angenommen. Damit lassen sich in Analogie zum vorangegangenen Fall aus
Gl. (2.1) die Gleitgeschwindigkeit vg der Versetzungen und uber die athermische Span-
nungskomponente (Gl. (2.3)) aus Gl. (2.2) die effektive Spannungskomponente σ� als
Funktion der Dehnung ε bestimmen und der Zusammenhang vg (σ�) herstellen. Abb. 4.43
zeigt das Ergebnis der Modellierung (Verlaufe mit offenen Symbolen). Der anfangliche,
durch Bildung der Fremdatomwolke bedingte Verfestigungsbereich wird nur im rechten
Teilbild wiedergegeben. Der Grund ist, dass nur diesem Teilbild die Ubergangsfunktion
ε(ε) fur die Berechnung benutzt wird, wahrend im linken Teilbild die experimentell vor-
gegebene Sprungfunktion ε(ε) Grundlage der Rechnung ist.
Die Frage ist, ob der so berechnete vg (ε)-Verlauf mit dem vg − σ∗−Zusammenhang aus
Abb. 4.42 konsistent ist. Zur Beantwortung dieser Frage wird vg (ε) fur die Wechselversu-
che der Abb. 4.17 aus diesem Zusammenhang mit Hilfe von σ�(ε) aus Abb. 4.43 berechnet.
Die kontinuierlichen vg (ε)-Linien in Abb. 4.43 zeigen das Ergebnis. Der anfangliche An-
stieg von vg im linken Teilbild ist unrealistisch. Er entsteht daraus, dass die anfangliche
Verfestigung durch Ausbildung der Fremdatomwolke in die Berechnung von vg eingeht.
Dieser Vorgang ist in dem vg − σ∗−Zusammenhang von Abb. 4.42 nicht enthalten, denn
hier wird nur der stationare Zustand der Fremdatomkonfiguration der Versetzungen und
nicht der Ubergang in diese Konfiguration betrachtet. Dasselbe Argument erklart, warum
die im rechten Teilbild dargestellte anfangliche vg -Abnahme in der Punktsymbolkurve
durch die vg (ε)-Linie nicht erfasst wird. Abgesehen von den soeben begrundeten Unter-
schieden in den Anfangsteilen der vg (ε)-Kurven stimmen diese sehr gut uberein. Daraus
wird geschlossen, dass der die dynamische Reckalterung beschreibende vg − σ∗−Verlauf
der Abb. 4.42 den beobachteten Ubergang von sprunghafter zu viskoser Versetzungsbe-
wegung nach sprunghafter Beanspruchungsanderung befriedigend wiedergibt.
Das beobachtete Ubergangsverhalten nach Reduktion von σ oder ε lasst sich demnach
folgendermaßen erklaren: Die anfangliche Verfestigung ist auf den Aufbau der Fremd-
atomwolke an den Versetzungen beim Ubergang von sprunghafter zu viskoser Verset-
zungsbewegung zuruckzufuhren. Fur den spater folgenden entfestigenden Bereich wird
im Modell eine Reduktion der Versetzungsdichte angenommen. Diese Annahme basiert
darauf, dass die Verringerung der Geschwindigkeit des Versetzungsgleitens durch dyna-
mische Reckalterung keine Entsprechung bei der gleichzeitig ablaufenden Erholung der
Versetzungsstruktur findet. Die Versetzungsstrukturerholung ist ein langsam ablaufender
Prozess (diffusionskontrolliertes Klettern von Stufenversetzungen), der durch die dyna-
mische Reckalterung nicht wesentlich beeinflusst wird. Der unterschiedlich hemmende
70
4.6 Diskussion
Abbildung 4.42: Beschreibung des kontinuierlichen Wechselversuchs aus Abb. 4.14
mit dem Modell aus Kap. 2.3.1. Links: Gemessene ε − ε− bzw. σ − ε−Verlaufe
sowie die modellierte Evolution von σ∗ , σi, ρ und vg mit ε. Rechts: modellierter
Zusammenhang zwischen vg und σ∗ (Symbole). Vorab veroffentlicht in [12].
Einfluss der dynamischen Reckalterung auf Gleiten und Erholung der Versetzungen fuhrt
dazu, dass die Balance zwischen Versetzungserzeugung ρ+ durch Gleitung und Verset-
zungsabbau ρ− durch Erholung zugunsten der Erholung verschoben wird. Das fuhrt bei
den vorliegenden Ubergangen zu Verringerung der Versetzungsdichte, Anstieg der effekti-
ven Spannung fur Gleitung und - im Sinne normalen Ubergangsverhaltens - Anstieg der
Verformungsgeschwindigkeit.
71
4 Kommerzielles Reintitan Ti-2
Abbildung 4.43: Modellierung der Versuche aus Abb. 4.17: links) ε -Wechsel,
rechts) σ-Wechsel. Oben: Zusammenhang zwischen ε und ε. Mitte: Evolution von
σ, σi und σ∗ mit ε. Unten: fur die Modellierung angenommene Evolution von
ρ und daraus resultierender vg − ε−Verlauf (Symbole). Die Linien zeigen die
vg − ε−Verlaufe, die aus den σ∗ − ε−Verlaufen und dem in Abb. 4.42 gezeigten
vg − σ∗−Verlauf berechnet wurden. Vorab veroffentlicht in [12].
72
4.6 Diskussion
Bei dieser Erklarung werden die Heterogenitat der Versetzungsstruktur und die mogliche
Lokalisierung der Verformung nicht berucksichtigt. Es wird allerdings vermutet, dass es
sich dabei um Effekte zweiter Ordnung handelt, die die gegebene Erklarung im Sinne
homogener Versetzungsstruktur nicht qualitativ verandern.
4.6.5 Entwicklung des Verformungswiderstandes bei konstanter
Verformungsgeschwindigkeit
Bei Verformung mit konstanter Geschwindigkeit unter Bedingungen, bei denen der sta-
tionare Zustand bei Spannungen unterhalb des Knicks in Abb. 4.11 liegt, werden lokale
Fließspannungsmaxima beobachtet. Auch diese lassen sich mit dem einfachen Modell aus
Kap. 2.3.1 erklaren, das den Einfluss der Mischkristallatome sowohl auf den Gleitvorgang
als auch auf den stationaren Zustand der Versetzungsanordnung beinhaltet. Das wird bei-
spielhaft anhand zweier Falle gezeigt, in denen sich die Verformungsgeschwindigkeiten um
etwa den Faktor 30 unterscheiden. Dabei wird davon ausgegangen, dass sich die wenigen,
anfanglich vorhandenen Versetzungen am Beginn der Verformung unter der Einwirkung
relativ hoher effektiver Spannung von den durch statische Reckalterung gebildeten Fremd-
atomwolken losreißen und sprunghaft bewegen und im Laufe zunehmender Dehnung und
entsprechend zunehmender Versetzungsdichte und abnehmender effektiver Spannung in
die viskose Bewegungsform ubergehen. Die in Gl. (2.5) eingehende Ausgangsversetzungs-
dichte am Punkt 1 ist gleich dem gemessenen Wert ρ0 aus Abschnitt 4.1. Punkt 2 ist der
Endpunkt der Modellierung im stationaren Zustand bei viskoser Versetzungsbewegung.
Abb. 4.44 stellt das Ergebnis der Modellierung des Versuchs fur ε = 3 · 10−7/s bei
450oC (Abb. 4.6) dar. kρ wird zu 0.02 gesetzt. Aus dem modellierten Verlauf der Ver-
setzungsdichte ergibt sich der Anstieg von σi und die Abnahme der Gleitgeschwindigkeit
vg mit der Verformung. Geht man von dem gemessenen Verlauf der Fließspannung σ
aus, erhalt man den Verlauf der thermischen Spannungskomponente σ�. Die Korrelati-
on von vg und σ� fuhrt zu dem im rechten Teilbild von Abb. 4.44 gezeigten Ergebnis
(gefullte Punkte). Danach durchlauft σ� mit abnehmendem vg ein relatives Maximum.
Dies entspricht qualitativ dem σ�(vg )-Verlauf im dynamischen Gleichgewicht der Fremda-
tomwolke um die Versetzungen. Quantitativ ist es etwas schwacher ausgepragt. Das kann
entweder durch Abweichungen vom dynamischen Gleichgewichtszustand erklart werden.
Noch wahrscheinlicher ist, dass die Entwicklung der Versetzungskonfiguration lokal unter-
schiedlich verlauft, so dass das Maximum von σ� nicht an allen Orten gleichzeitig erreicht
wird und somit abgeschwacht wird.
Abb. 4.45 liefert ein zweites Beispiel bei hoherer Verformungsgeschwindigkeit ε = 10−5/s.
kρ wird zu 0.1 gesetzt. In diesem Fall ist die Ubereinstimmung zwischen dem stationaren
(offene Symbole) und dem im Verformungsverlauf ermittelten vg − σ∗−Zusammenhang
nahezu perfekt.
73
4 Kommerzielles Reintitan Ti-2
Abbildung 4.44: Beschreibung des Versuchs bei 450oC und ε = 3 · 10−7/s
aus Abb. 4.6 mit dem Modell aus Kap. 2.3.1. Links: Gemessene ε − ε− bzw.
σ − ε−Verlaufe sowie die modellierte Evolution von σ∗ , σi, ρ und vg mit ε. Rechts:
modellierter Zusammenhang zwischen vg und σ∗ (geschlossene Symbole). Zusatz-
lich ist der vg − σ∗−Verlauf aus Abb. 4.42 dargestellt (offene Symbole).
74
4.6 Diskussion
Abbildung 4.45: Beschreibung des Versuchs bei 450oC und ε = 10−5/s aus Abb. 4.6
mit dem Modell aus Kap. 2.3.1. Links: Gemessene ε − ε− bzw. σ − ε−Verlaufe
sowie die modellierte Evolution von σ∗ , σi, ρ und vg mit ε. Rechts: modellier-
ter Zusammenhang zwischen vg und σ∗ (geschlossene Symbole). Zusatzlich ist der
vg − σ∗−Verlauf aus Abb. 4.42 dargestellt (offene Symbole).
75
4 Kommerzielles Reintitan Ti-2
Aus dem Erfolg der modellmaßigen Beschreibung ergibt sich, dass auch der gemessene
Verlauf der Fließspannung am Beginn der Verformung in einfacher Weise als Ergebnis der
Wechselwirkung zwischen Fremdatomen und Versetzungen verstanden werden kann, wenn
kρ entsprechend angepasst wird. An dieser Stelle ist zu bemerken, dass die in Abb. 4.44
und 4.45 benutzten kρ-Werte deutlich unterschiedlich waren. Dieser Unterschied kann er-
klart werden. Das einfache Modell benutzt nur eine Gesamtversetzungsdichte ρ. In Wirk-
lichkeit liegen die Versetzungen in Form einzelner, freier Versetzungen und in Form in
(Kleinwinkel-)Subkorngrenzen gebundener Versetzungen vor. Die Entwicklungskonstan-
ten beider Typen von Versetzungen sind unterschiedlich groß. Die Dichte freier Verset-
zungen baut sich sehr viel schneller um als die der Subkorngrenzversetzungen [3]. Da
am Anfang der Verformung der Aufbau der Dichte freier Versetzungen die maßgebende
Anderung ist, muss hier ein kleineres kρ verwendet werden als im Ubergang nach Wechsel
der Beanspruchung ausgehend vom stationaren Zustand, wenn sich die Subkornstruktu-
ren bereits gebildet haben und umgebaut werden mussen. Der durch die Anpassung an
die Versuchsergebnisse erzwungene Unterschied in kρ erscheint also werkstoffphysikalisch
vernunftig.
4.6.6 Entwicklung des Verformungswiderstandes bei konstanter
Spannung
Im Versuch bei konstantem σ bewegen sich die relativ wenigen Versetzungen des Aus-
gangszustands wahrend der schnellen Lastaufbringung mit ε > 10−3/s ohne Wolken.
Sobald σ konstant gehalten wird, konnen sich bei ansteigender Versetzungsdichte und
dementsprechend abnehmender Gleitgeschwindigkeit vg Fremdatomwolken an den Ver-
setzungen bilden, die die Versetzungsgeschwindigkeit vg und damit auch ε drastisch
reduzieren. Wichtig ist zu bemerken, dass die Erholungsvorgange, z.B. die diffusions-
kontrollierte Annihilation existierender Stufenversetzungsdipole, durch die Anderung der
Fremdatomkonfiguration der Versetzungen wenig betroffen sind und dementprechend mit
unverminderter Geschwindigkeit weiterlaufen. Das fuhrt dazu, dass nun die Rate der Ver-
setzungsannihilation die der gleitkontrollierten Versetzungserzeugung ubertrifft. Dement-
sprechend nimmt die Versetzungsdichte ab. Das hat eine Erhohung von σ� zur Folge.
Daher nehmen vg und ε zu, bis sich das neue dynamische Gleichgewicht der Versetzungs-
dichte eingestellt hat. Damit ist das oft relativ scharf ausgepragte relative Minimum von
ε (siehe z.B. Abb. 4.7) erklart.
Das Auftreten eines ε -Minimums ist von anderen mischkristallgeharteten Legierungen
(z.B. einer Ni-Basis-Legierung [36] oder Cu-Basis-Legierung [37]) bekannt und durfte die-
selbe Erklarung haben wie die hier gegebene. Inverses Ubergangsverhalten (Zunahme von
ε mit ε bei zunehmender Versetzungsdichte) scheidet als Erklarung der Entfestigung nach
dem Minimum aus, da σ-Wechsel im Falle von Ti-2 normales Ubergangsverhalten zeigen.
76
4.6 Diskussion
4.6.7 Spannungsrelaxation
Die oben gegebene mikrostrukturelle Deutung des Verformungsverhaltens bei konstantem
ε und σ lasst sich auch auf das der Spannungsrelaxation zugrundeliegende Verformungs-
verhalten anwenden. Dazu betrachten wir die T -normierten ε -σ-Verlaufe bei Spannungsre-
laxation (kontinuierliche Linien in Abb. 4.46). Zum Vergleich enthalt Abb. 4.46 die Felder
der inelastischen Verformung, die zwischen den Kurven fur den Beginn der inelastischen
Verformung bei Rp,0.2 und dem Ende im stationaren Zustand bei Rp,ss aufgespannt sind.
Ahnlich der Rp,ss-Kurve bestehen die Spannungsrelaxationskurven aus Bereichen mit ho-
her und niedriger Steigung, die gegebenenfalls durch einen scharfen Knick getrennt sind.
Es wird vorgeschlagen, auch diese Knicke auf den Ubergang zwischen sprunghafter und
viskoser Versetzungsbewegung zuruckzufuhren. In den Steilbereichen der Relaxationskur-
ven nimmt ε stark mit abnehmendem σ ab, da das thermisch aktivierte Gleiten na-
turgemaß durch hohe Spannungsempfindlichkeit der Verformungsrate charakterisiert ist.
Hinzu kommen Effekte durch dynamische Reckalterung, also Ausbildung einer Fremda-
tomwolke, wenn die Verformungsgeschwindigkeit bei Spannungsrelaxation genugend stark
abgesunken ist, um den Fremdatomen das Anheften an die Versetzungen zu ermoglichen.
Hierbei ist zu beachten, dass die Verformungsgeschwindigkeiten bei Spannungsrelaxation
auf extrem niedrige Werte deutlich unterhalb der in sonstigen Versuchen vorliegenden
abfallen. Die Tatsache, dass einige Relaxationskurven außerhalb des grau markierten Pla-
stizitatsbereiches liegen, hat lediglich damit zu tun, dass die Relaxation bei Spannungen
unterhalb der Streckgrenze, wo auch bereits geringfugige inelastische Verformung statt-
findet, begann.
In den flachen Bereichen der Relaxationskurven mit Spannungsexponent von etwa 3 lie-
gen die beobachteten ε -Werte etwas unterhalb der stationaren Daten. Dies konnte damit
zusammenhangen, dass die Erholung der Versetzungsstruktur, insbesondere der Subkorn-
struktur, bei Spannungsrelaxation aufgrund der außerst geringen inelastischen Verformun-
gen gegenuber normaler Verformung bei kontrollierter Spannung oder Geschwindigkeit
behindert ist, so dass der athermische Anteil der Spannung vergleichsweise hoch und die
effektive Spannung dementsprechend vergleichsweise niedrig ausfallt. Dass die Knickpunk-
te, also die Ubergangspunkte zwischen sprunghafter und viskoser Versetzungsbewegung,
niedriger liegen als im stationaren Verformungszustand ist zu erwarten, denn am Beginn
der Spannungsrelaxation ist die athermische Spannungskomponente versuchsbedingt noch
weit vom stationaren Zustand entfernt, so dass die effektive Spannung zumindest lokal
relativ hoch ist, so dass sich Versetzungen zunachst sprunghaft ohne Fremdatomwolke
bewegen konnen, bevor sich dann im Laufe der Relaxation die Fremdatomwolke ausbildet
und die Relaxation damit stark gebremst wird.
77
4 Kommerzielles Reintitan Ti-2
10-4 10-3 10-2 10-110-13
10-11
10-9
10-7
10-5
10-3
10-1
101
103
105
107
109
450
410
350
250
T / °C =
150
650
550
450
350
250
150
10-3/sbei T/°C =
Ti-2
σ / MPa bei 450°C
(σ/G)3
.
εkBT
/ D
Gb
σ / G
10 100 1000
Rp,ss
Rp,0.2
Abbildung 4.46: Zusammenhang zwischen normierter Verformungsgeschwindigkeit
ε kB T/DGb und normierter Spannung σ/G fur Rp,0.2 und Rp,ss (Symbole) sowie
bei Spannungsrelaxation (dicke Linien). Die grauen Flachen werden begrenzt durch
Rp,0.2 und Rp,ss. Mit eingetragen ist das naturliche Kriechgesetz (gestrichelte Linie).
Die Pfeile am rechten Bildrand markieren ε = 10−3/s fur die verschiedenen T .
78
5 TiAl6V4
5.1 Mikrostruktur des Ausgangszustandes
Abb. 5.1 zeigt die Phasenstruktur des Ausgangszustandes. Die kubisch raumzentrierte β-
Phase (helle Bereiche) liegt eingebettet in die hexagonale α-Phase (dunkle Bereiche) vor
und zeigt eine leicht zeilige Anordnung parallel zur Stabachse. In Abb. 5.2 sieht man die
feine Kornstruktur des Ausgangszustandes in hoherer Auflosung. Signifikante Unterschie-
de zwischen Langs- und Querschliff bestehen nicht. Die Gefugeanteile der beiden Phasen
wurden zu ≈ 0.07 fur die β-Phase und ≈ 0.93 fur die α-Phase bestimmt [38].
Abb. 5.3 zeigt die quantitative Gefugeanalyse des Ausgangszustands fur zwei unterschied-
liche Probenstabe. Die β-Phase von Stab A zeigt mit 466 nm ± 109 nm deutlich kleinere
mittlere Grenzflachenabstande als die α-Phase des gleichen Stabs mit 856 nm ± 43 nm.
Als Fehler ist hier das 95%-Vertrauensintervall der Sehnenlangenverteilung einer einzelnen
Stichprobe angegeben. Dabei ist zu beachten, dass die Bestimmung der Großenverteilung
der β-Phase aufgrund des Herausatzens der β-Phase aus der TEM-Folie sehr ungenau ist.
Abbildung 5.1: Phasenstruktur des Ausgangszustandes von TiAl6V4 (REM, Stab
A, aus [38]). Links: Querschliff, rechts: Langsschliff. Die β-Phase (weiß) ist einge-
bettet in der α-Phase (dunkle Bereiche).
79
5 TiAl6V4
Abbildung 5.2: Kornstruktur des Ausgangszustandes von TiAl6V4 (STEM, Stab
A, aus [38]). Links: Querschliff, rechts: Langsschliff. Die weißen Bereiche sind
Locher, die durch das Herausatzen der β-Phase bei der Praparation der TEM-Folien
entstanden sind.
Bei Stab B war die Trennung der beiden Phasen nicht ohne großeren Aufwand moglich.
Aus diesem Grund ist hier der mittlere Grenzflachenabstand 557 nm± 46 nm beider Pha-
sen angegeben. Dieser Wert kann aufgrund des hohen Phasenanteils der α-Phase als
Naherungswert fur die Große der α-Phase betrachtet werden. Als Fehler ist das 95%-
Vertrauensintervall der Verteilung der Mittelwerte mehrerer Stichproben angegeben. Der
so ermittelte Wert fur Stab B ist etwa den Faktor 1.5 bis 2 kleiner als der fur Stab A
bestimmte Wert. Mogliche Ursachen fur diesen Befund sind Probenstreuungen und/oder
systematische Fehler bei der Bestimmung der Grenzflachen.
Um eine Aussage uber den Anteil von Kleinwinkelkorngrenzen an den Grenzflachen zu
erhalten, wurden von Hebner [38] Kikuchilinienmuster benachbarter (Sub-)Korner ver-
glichen. Damit ließ sich feststellen ob die mit den Grenzflachen verbundenen Disorien-
tierungen Θ kleiner oder großer als etwa 7◦ sind. Der Anteil der Grenzen mit Θ < 7◦
im Ausgangszustand erwies sich als vernachlassigbar klein. Das deutet darauf hin, dass
der uberwiegende Anteil der Grenzflachen Großwinkelcharakter hat. Da die Grenze zwi-
schen Klein- und Großwinkelkorngrenzen je nach Typ der Grenze zwischen 10◦ und 20◦
liegt, kann allerdings trotz des genannten experimentellen Ergebnisses ein gewisser An-
teil von Kleinwinkelkorngrenzen mit Θ > 7◦ nicht ausgeschlossen werden. Es ist aber
wahrscheinlich, dass die Ausgangskorngroße d0 des untersuchten Materials knapp unter
1 μm liegt, also als ultrafeinkorniges Material angesprochen werden kann. Vermutlich hat
es seine ultrafeinkornige Struktur durch die starke plastische Verformung (severe plastic
deformation) im Laufe des Herstellungsprozesses erworben.
80
5.1 Mikrostruktur des Ausgangszustandes
10-2 10-1 100 1010,0
0,2
0,4
0,6
0,8
1,0
Stab B:
β
α
β
wα + β
= 848 nm +- 43 nm
Stab A [Hebner 2000] Stab B [d.A.]
wα + β
= 557 nm +- 46 nm
wβ = 466 nm +- 109 nm
FC
um
wi / μm
TiAl6V4Ausgangszustand
wα = 856 nm +- 43 nm
α
+
Stab A:
Abbildung 5.3: Summenhaufigkeitsverteilung der Grenzlinienabstande wi von α−und β-Phase im Ausgangszustand (Daten fur Stab A aus [38]). Dicke Linien kenn-
zeichnen Sehnenlangenverteilung und zugehorige Verteilung der Mittelwerte mehre-
rer Stichproben aus Stab B, dunne Linien die Sehnenlangenverteilungen der Probe
aus Stab A. Die schraffierten Flachen geben den Messfehler an. Bei Stab B konnten
die beiden Phasen nicht getrennt werden.
Abb. 5.4 zeigt die Versetzungsstruktur des Ausgangszustandes. Die Versetzungsabstande
sind so klein, dass die Trennung der einzelnen Durchstoßpunkte sehr schwierig ist, was zu
Ungenauigkeiten bei der Auswertung fuhrt. Die Versetzungsdichte ρ in der α-Phase wurde
zu 1014 − 1015m−2 bestimmt [38]. Eine Bestimmung von ρ in der β-Phase war aufgrund
des bevorzugten Atzens dieser Phase im Vergleich zur α-Phase bei der Herstellung der
TEM-Folien nicht moglich. Die hohe Versetzungsdichte im Ausgangszustand von TiAl6V4
ist auf die starke Vorverformung beim Herstellungsprozess zuruckzufuhren.
81
5 TiAl6V4
Abbildung 5.4: Versetzungsstruktur des Ausgangszustandes (TEM, Stab A, aus
[38]).
82
5.2 Verformung
5.2 Verformung
5.2.1 Evolution des Verformungswiderstandes
Die Abb. 5.5 - 5.8 zeigen das bei konstantem εmech bzw. konstantem σ und 150oC ≤ T ≤650oC gemessene Verformungsverhalten von TiAl6V4. Bei niedrigen T ≤ 350oC zeigen die
σ − ε−Kurven bei εmech = 2 · 10−6/s und 10−3/s kontinuierliche Verfestigung auf ein Ni-
veau maximaler Spannung hin. Der Einfluss von ε auf die σ − ε−Kurven ist minimal, d.h.
die Fließspannung hangt nur schwach von ε ab. Bei 150oC, 250oC und 350oC wurde jeweils
ein Zugkriechversuch bei 300 MPa, d.h. deutlich unterhalb der Streckgrenze, durchgefuhrt.
Abb. 5.6 zeigt die ε − t−Kurven bei 300 MPa und 150oC bzw. 250oC. Auch nach mehr
als 300 h findet man keine signifikante Vorwartsverformung nach Belastung. Die Entla-
stung von 300 MPa auf 0 MPa bei 250oC zeigt, dass die Belastungsdehnung εmech ≈ 0.002
0.0 0.2 0.4 0.6 0.810
-8
10-7
10-6
10-5
10-4
10-3
10-2
2
1
.
εm
ech
/ s
-1
ε
0
200
400
600
800
1000
1200
1400
21
TiAl6V4150°C
σ /
MP
a
Druck
0.0 0.2 0.4 0.6 0.810
-8
10-7
10-6
10-5
10-4
10-3
10-2
2
1
.
εm
ech
/ s
-1
ε
0
200
400
600
800
1000
1200
1400
21
TiAl6V4250°C
σ /
MP
a
Druck
Abbildung 5.5: Oben: σ − ε−Kurven von TiAl6V4 , die bei den durch die horizon-
talen Linien im unteren Teilbild gekennzeichneten εmech gemessen wurden. Links:
150oC; rechts: 250oC.
83
5 TiAl6V4
0 100 200 300 400 5000.000
0.001
0.002
0.003
0 MPa
150°C
250°C
TiAl6V4
300 MPa
εm
ech
t / h
Abbildung 5.6: εmech − t−Kurven von TiAl6V4 im Zug bei 300 MPa und 150oC
bzw. 250oC.
vollstandig elastisch ist und sich der Nullpunkt der Dehnungsmessung wahrend des Ver-
suches nur unwesentlich verschoben hat. Bei 350oC und 300 MPa (Abb. 5.7) fallt ε auf
≈ 10−9/s bei ε ≈ 0.0024, d.h. auch bei 350oC findet bei σ ≤ 300 MPa kein praxisre-
levantes Kriechen statt. Da die erwarteten maximalen Spannungen bei Anwendung im
Automobil 300 MPa voraussichtlich nicht ubersteigen, wurde auf weitere Kriechversuche
bei T ≤ 350oC verzichtet.
Mit abnehmendem ε und zunehmendem T steigt der Einfluss von ε auf die σ − ε−Kurven.
Bei 450oC verfestigen die Kurven fur 10−3/s und 10−4/s und fallen aufeinander; bei
εmech ≤ 10−5/s dagegen sinkt die Fließspannung mit abnehmendem ε und die Kurven
zeigen ein lokales Maximum bei ε ≈ 0.1, das sich mit zunehmendem ε zu hoheren ε hin
verschiebt. Die Kriechkurven bei 450oC zeigen ebenfalls diesen Ubergang zwischen Ver-
und Entfestigung im Spannungsbereich um 700 MPa. Die Evolution des Verformungswi-
derstandes verlauft im Rahmen der Probenstreuung bei beiden Versuchsfuhrungen (kon-
stantes εmech bzw. konstantes σ) quantitativ gleich. Dies sieht man z.B. daran, dass sich
die Kurven 3 und b bzw. 4 und c in beiden Teilbildern bei ahnlichen ε schneiden. Ein
stationarer Zustand im Sinne von mit zunehmendem ε gleichbleibendem σ wird nicht er-
reicht.
84
5.2 Verformung
0.000 0.001 0.002 0.00310 - 10
10- 9
10- 8
10- 7
0.0 0.2 0.4 0.6 0.810
-8
10-7
10-6
10-5
10-4
10-3
10-2
2
1
a.
εm
ech /
s-1
ε
X
0
200
400
600
800
1000
1200
1400
a
21
T iAl6V4350°C
σ /
MP
a
X ZugDruck
0.0 0.2 0.4 0.6 0.810-8
10-7
10-6
10-5
10-4
10-3
10-2
X
hg
f
e
dc
b
5
4
3
2
1
a
.
εm
ech /
s-1
ε
X
0
200
400
600
800
1000
1200
1400
1
h
abcdefg
23
45
1
T iA l6V4450°C
σ /
MP
a
X ZugDruck
Abbildung 5.7: Oben: σ − ε−Kurven von TiAl6V4, die bei den durch die horizon-
talen Linien im unteren Teilbild gekennzeichneten εmech gemessen wurden. Unten:
εmech − ε−Kurven, die bei den durch die horizontalen Linien im oberen Teilbild
gekennzeichneten σ gemessen wurden. Links: 350oC; rechts: 450oC.
Bei 550oC zeigen die σ − ε− bzw. ε − ε−Kurven im Bereich niedriger ε bzw. σ Ent-
festigung; die σ − ε−Kurve bei εmech = 10−3/s verlauft horizontal. Bei 650oC existiert
unabhangig von der Versuchsfuhrung ein Ubergang von Entfestigung bei hohen ε bzw. σ
auf Verfestigung bei niedrigen ε bzw. σ. Tendenziell zeigen die Zugversuche bei allen T
etwas geringere Festigkeit als die Druckversuche. Die maximale Probenstreuung betragt
etwa eine Großenordnung in ε , was bei einer feinkornigen, mehrphasigen, technischen Le-
gierung nicht untypisch ist. Mit Ausnahme der Versuche bei 450oC und σ ≥ 654 MPa
zeigen alle Kriechkurven keine Belastungsdehnung εld . Dies liegt daran, dass die Versuchs-
spannungen hier unterhalb der Warmstreckgrenze liegen (vgl. 5.2.3).
85
5 TiAl6V4
0.0 0.2 0.4 0.6 0.810-8
10-7
10-6
10-5
10-4
10-3
10-2
dc
b
2
1
a.
εm
ech /
s-1
ε
X
0
100
200
300
400
500
600
a bc
d
2
1 TiAl6V4550°C
σ /
MP
a
X ZugDruck
0.0 0.2 0.4 0.6 0.810-8
10-7
10-6
10-5
10-4
10-3
10-2
e
d
cb
2
1
a
.
εm
ech
/ s
-1
ε
X
0
100
200
300
400
500
600
a
bcde2
1
TiAl6V4650°C
σ /
MP
a
X ZugDruck
Abbildung 5.8: Oben: σ − ε−Kurven von TiAl6V4, die bei den durch die horizon-
talen Linien im unteren Teilbild gekennzeichneten εmech gemessen wurden. Unten:
εmech − ε−Kurven, die bei den durch die horizontalen Linien im oberen Teilbild
gekennzeichneten σ gemessen wurden. Links: 550oC; rechts: 650oC.
Anhand der in Abb. 5.9 dargestellten Versuche bei 650oC wurde der Einfluss von Textur,
Reibung und Warmebehandlung auf das Verformungsverhalten untersucht. Proben, die
parallel und unter 45o zur Stabachse belastet wurden, zeigen keine signifikanten Unter-
schiede. Dies ist in Ubereinstimmung mit dem in [38] durch Feinbereichsbeugungsanalyse
einer entfestigenden Probe erhaltenen Befund einer nur schwachen Textur. Die Qualitat
der Reibungskorrektur (vgl. 3.3.1) wurde anhand von Proben unterschiedlicher κ0 gepruft.
Nach der Reibungskorrektur verlaufen die σ − ε−Kurven bei κ0 = 1.3 und κ0 = 2.0 paral-
lel, obwohl bei gleichem ε unterschiedlich starke Verformungsbehinderung durch Reibung
vorlag. Dies bestatigt die Wahl der Reibungsparameter.
86
5.2 Verformung
0.0 0.2 0.4 0.6 0.810
-8
10-7
10-6
10-5
10-4
10-3
10-2
2
1
.
εm
ech
/ s
-1
ε
10
100
1000
2118 h Glühung
κ0 = 1.3
κ0 = 2.0
Belastung 45° zur Stabachse
650°CDruck
σ /
MP
a1
Abbildung 5.9: Untersuchung des Einflusses von Textur, Reibung und Warme-
behandlung auf das Verformungsverhalten von TiAl6V4. Die σ − ε−Kurven im
oberen Teilbild wurden bei den durch die horizontalen Linien im unteren Teilbild
gekennzeichneten εmech gemessen.
Von Titan ist bekannt, dass es bei hohen T zur Verfestigung aufgrund von Randschicht-
aufhartung durch Aufnahme von Sauerstoff aus der Titanoxidschicht in die Randzone der
Probe kommen kann [5]. Dieser Prozess ist aufgrund der damit verbundenen Diffusions-
prozesse zeitabhangig. Abb. 5.9 legt nahe, dass die beobachtete Verfestigung bei 650oC
und niedrigen ε , d.h. hohen Zeiten, tatsachlich auf Oxidationseffekte zuruckzufuhren ist:
87
5 TiAl6V4
Eine Warmauslagerung vor Versuchsbeginn bei 650oC fur 118 h, was der Versuchsdauer
der verfestigenden Versuche ohne vorhergehende Warmebehandlung entspricht, fuhrt zu
einer Streckgrenzenerhohung auf das Endspannungsniveau des Versuches ohne vorherige
Gluhung. Die nachfolgende Verfestigung ist aufgrund der mit zunehmender Oxidation
langer werdenden Diffusionswege deutlich schwacher als im Fall ohne Warmebehandlung.
5.2.2 Beanspruchungswechsel
Abb. 5.10 zeigt εmech −Wechsel zwischen 10−3/s und 2 · 10−6/s fur 150oC ≤ T ≤ 450oC.
Bei 150oC und 350oC findet man im Bereich der Wechsel Spannungsexponenten bei kon-
stanter Mikrostruktur ncs > 100, d.h. σ ist nahezu unabhangig von εmech . Bei 250oC wird
ncs negativ, d.h. eine ε -Erniedrigung um den Faktor 500 von 10−3/s auf 2 · 10−6/s fuhrt
zu einer σ-Erhohung. Die σ − ε−Kurven fur T ≤ 350oC verlaufen nach dem Ruckwechsel
von 2 · 10−6/s auf 10−3/s auf einem niedrigeren Spannungsniveau als die bei konstan-
tem ε = 10−3/s gemessenen σ − ε−Kurven, d.h. die zwischenzeitliche Verformung bei
2 ·10−6/s fuhrt zu einer bleibenden Erweichung des Materials. Bei 450oC dagegen streben
die σ − ε−Kurven nach Beanspruchungswechseln den jeweiligen monotonen Verlauf an 1.
Die Abb. 5.11 - 5.13 zeigen ausgewahlte ε−Wechsel bei 250oC, 450oC und 650oC. Die
Auftragung von εinel hat gegenuber der Auftragung von εmech den Vorteil, dass die Kur-
ven um elastische Verformungsanteile bereinigt sind und Probleme bei der Regelung von
εmech irrelevant werden. In der Regel erfolgt der Wechsel von εmech sehr schnell, die An-
passung von σ und damit εinel langsam und kontinuierlich.
Mit der Reduktion von εinel verbunden ist bei allen Wechseln zunachst eine Abnahme
von σ. Bei 250oC und 450oC steigt σ wieder kontinuierlich an, nachdem εinel ein nahezu
konstantes Niveau erreicht hat. Bei 250oC stellt sich ein hoheres Spannungsniveau als
bei hoherem εinel ein. Bei 450oC tritt ein relatives Spannungsmaximum auf. Im Gegen-
satz dazu nimmt σ bei 650oC bestandig ab. Beim Ruckwechsel von εinel auf das fruhere
(hohere) Niveau nimmt bei allen Wechseln σ zunachst wieder zu und strebt anschließend
den neuen stationaren Zustand an. Da bei 250oC im Gegensatz zu 450oC und 650oC der
Kurvenverlauf bei hoherem εinel auf einem niedrigeren Spannungsniveau verlauft als bei
niedrigem εinel , findet man hier ein relatives σ−Maximum.
1Dabei erfolgt der Ubergang von σ nach dem εmech −Wechsel nicht sprunghaft, sondern kontinuierlich.Das hangt einfach damit zusammen, dass sich zwar εmech sprunghaft andert, nicht jedoch εinel , dasebenso wie σ kontinuierlich vom Ausgangswert auf den dem Wechsel entsprechenden neuen Wertabnimmt, indem d εel < 0 wird. Die Abnahme von σ bei konstantem εmech entspricht im Prinzip einemSpannungsrelaxationsversuch; in beiden Fallen wird unter der experimentell gegebenen Bedingungd εmech = 0 bzw. d εinel = −d εel elastische (Ruck-)Verformung in inelastische (Vorwarts-)Verformungumgewandelt.
88
5.2 Verformung
0.0 0.2 0.4 0.6 0.8
2
1
ε0.0 0.2 0.4 0.6 0.8
10-7
10-6
10-5
10-4
10-3
10-2
2
1
.
εm
ech
/ s
-1
ε
·
2
1
450°C
400
600
800
1000
1200
1
1
2
2
1
350°C
σ /
MP
a
600
800
1000
1200
1400
2
1
TiAl6V4150°C
σ /
MP
a
12
1
21
250°C
Abbildung 5.10: εmech −Wechsel an TiAl6V4 bei verschiedenen T . Oben und Mit-
te: σ − ε−Kurven, die bei den durch die horizontalen Linien im unteren Teilbild
gekennzeichneten εmech gemessen wurden. Symbole kennzeichnen Wechselversuche,
Linien die Versuche ohne Beanspruchungswechsel aus den Abb. 5.5 und 5.7.
89
5 TiAl6V4
0.1 0.2 0.3 0.410
- 7
10- 6
10- 5
10- 4
10- 3
10- 2
0.30 0.31 0.3210- 7
10- 6
10- 5
10- 4
10- 3
10- 2
0.17 0.18 0.1910-7
10-6
10-5
10-4
10-3
10-2
εin
el /
s-1
εinel
.
600
700
800
900
1000
1100
0.17 0.18 0.19900
950
1000
0.30 0.31 0.321000
1050
1100
TiAl6V4250 °CDruck
σ /
MP
a
Abbildung 5.11: ε−Wechsel an TiAl6V4 bei 250oC. Oben: σ − ε−Kurve, die bei
dem im unteren Teilbild gekennzeichneten εinel gemessen wurde. Die grauen Flachen
kennzeichnen den Bereich, in dem sich εinel stark andert.
90
5.2 Verformung
0.1 0.2 0.3 0.410- 7
10- 6
10- 5
10- 4
10- 3
10- 2
εin
el /
s-1
εinel
.
400
500
600
700
800
900
TiAl6V4450 °CDruck
σ /
MP
a
Abbildung 5.12: ε−Wechsel an TiAl6V4 bei 450oC. Oben: σ − ε−Kurve, die bei
dem im unteren Teilbild gekennzeichneten εinel gemessen wurde. Die grauen Flachen
kennzeichnen den Bereich, in dem sich εinel stark andert.
91
5 TiAl6V4
0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.810
- 7
10- 6
10- 5
10- 4
10- 3
10- 2
εin
el /
s-1
εinel
.
100
200
300
TiAl6V4650 °CDruc k
σ /
MP
a
n = 3.5
3.2
Abbildung 5.13: ε−Wechsel an TiAl6V4 bei 650oC. Oben: σ − ε−Kurve, die bei
dem im unteren Teilbild gekennzeichneten εinel gemessen wurde. Die grauen Flachen
kennzeichnen den Bereich, in dem sich εinel stark andert.
92
5.2 Verformung
0,0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,510-7
10-6
10-5
10-4
10-3
10-2
2.0550°C
650°C
70
55
140
100
2.0
95
50
ε
650°C
σ / MPa =
2.2n =
. ε inel /
s-1
0,0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,510-7
10-6
10-5
10-4
10-3
10-2
11 11 10
654
543
.
ε inel /
s-1
ε
450°Cσ / MPa =
12n =
Abbildung 5.14: σ−Wechsel an TiAl6V4 bei verschiedenen T . Oben: 450oC, unten:
550oC und 650oC.
93
5 TiAl6V4
In Abb. 5.14 werden σ−Wechsel bei verschiedenen T ≥ 450oC gezeigt. Das Ubergangsver-
halten ist normal, d.h. auf eine σ−Erhohung/Erniedrigung folgt Ver-/Entfestigung. Der
Spannungsexponent ncs nimmt dabei mit abnehmendem σ und zunehmendem T von ≈ 11
bei 450oC und ≈ 600 MPa auf den Wert 2 bei 650oC und σ < 100 MPa ab.
5.2.3 Streckgrenze
Die Streckgrenze von TiAl6V4 wurde aufgrund fehlender Zugversuche anhand von Druck-
versuchen bestimmt. Die Bestimmung der plastischen Verformung wird bei Langenmes-
sung mittels LVDT im Druckversuch durch Apparatureinflusse verfalscht. Dies fuhrt dazu,
dass die so ermittelte Streckgrenze systematisch zu hoch bestimmt wird [22]. Abb. 5.15
zeigt die Abhangigkeit der Streckgrenze von T und ε . Das typische Verhalten, dass die
Streckgrenze mit abnehmendem T und zunehmendem ε zunimmt, findet man bei Ti-
Al6V4 nur bei niedrigen T <∼ 150oC und hohen T >∼ 500oC. Im T -Bereich um 300oC
ist die Streckgrenze nahezu unabhangig von T und nur schwach abhangig von ε . Dieses
Verhalten wird typischerweise mit dynamischer Reckalterung erklart (z.B. [39]).
0 100 200 300 400 500 600 70010
100
1000 ·
2·10-6
ε / s-1 = 10-3 TiAl6V4
Rp
0.2
/ MP
a
T / °C
Abbildung 5.15: Rp,0.2 als Funktion von T und ε fur TiAl6V4.
94
5.2 Verformung
5.2.4 Stationarer Zustand
Ein mit zunehmender Verformung gleichbleibender Verformungswiderstand wurde in den
zuvor gezeigten Versuchen nur vereinzelt erreicht. Stattdessen zeigten die meisten Versu-
che auch bei hohen ε > 0.5 noch Verfestigung (bei hohen σ bzw. ε ) bzw. Entfestigung
(bei niedrigen σ bzw. ε ).
Als mikrostrukturelle Ursachen fur diesen ausgedehnten Ver-/Entfestigungsbereich kom-
men Anderungen der Dichten freier Versetzungen kaum in Frage, da diese nach allgemeiner
Erfahrung aufgrund der hohen Dynamik von Versetzungserzeugung und -annihilation in
relativ kurzen Dehnungsintervallen ablaufen. Das spricht fur Anderungen der Subkorn-
und Phasenstruktur, die relativ große Dehnungsintervalle benotigen [3].
Der stationare Zustand im Sinne einer sich mit zunehmender Verformung nicht mehr
andernden Versetzungsstruktur ist im vorliegenden Fall bei ε = 0.5 noch nicht erreicht.
Die Anderung des Verformungswiderstandes ist hier aber so gering, dass der Verformungs-
widerstand bei ε = 0.5 als nahezu stationar angesehen werden kann. Abb. 5.16 zeigt diesen
nahe-stationaren Zusammenhang zwischen ε und σ fur verschiedene T bei ε = 0.5. Mit
eingetragen sind auf ε = 0.5 extrapolierte Daten aus Versuchen, bei denen diese Verfor-
mung nicht erreicht wurde. Die Festigkeit nimmt mit zunehmendem ε und abnehmendem
T zu. Die Steigung der Kurven wachst von n ≈ 2 bei 650oC und σ <∼ 100 MPa auf n > 100
bei T ≤ 350oC und ε > 10−6/s extrem stark an.
Abb. 5.17 zeigt den nahe-stationaren Zustand aus Abb. 5.16 in einer Auftragung der
normierten Verformungsgeschwindigkeit ZD = ε kB T/(DGb) als Funktion der normierten
Spannung σ/G (mit G: Wert von Titan (siehe Kap. 4.2.3)). Die Wahl von D ist nicht
unkritisch. TiAl6V4 wird hier vereinfachend als binare Legierung aus Ti und V behan-
delt. D = DTi · DV/[DTi · cV + DV · (1 − cV)] (mit DV: Diffusionskoeffizient von V in Ti;
cV: V-Konzentration) entspricht dem Diffusionskoeffizienten fur Klettern in einer solchen
binaren Legierung [40, 41]. Das fur die Normierung gewahlte D = 0.05 DTi (aus [19]) ist
ein Naherungswert fur T>∼ 450oC.
Im Bereich niedriger T ist die Wahl eines Diffusionskoeffizienten zur Normierung nicht
mehr physikalisch begrundet, da hier andere thermisch aktivierte Prozesse (mit niedri-
gerem Q) als bei hohen T bestimmend sind. Die hier durchgefuhrte Normierung von
ε im Bereich niedriger T<∼ 350oC fuhrt daher wahrscheinlich zu einer ubertrieben star-
ken vertikalen Verschiebung der fur niedrige Temperaturen gemessenen Daten. Wegen der
Steilheit der Kurve in diesem Bereich macht sich dieser Fehler aber nicht stark bemerkbar.
Die Messpunkte liegen auf einem Streuband, das gegenuber der Kurve von Ti-2 zu hohe-
ren Spannungen hin verschoben ist und etwas unterhalb des naturlichen Kriechgesetzes
verlauft. Der stationare Spannungsexponent steigt kontinuierlich von n ≈ 2 bei σ <∼95
5 TiAl6V4
10 100 100010-8
10-7
10-6
10-5
10-4
10-3
10-2
350°
C /
250
°C /
150
°C
450°
C
550°
C
650°
C
.
ε = 0.50TiAl6V4
ε /
s-1
σ / MPa
3
10 100 1000
Abbildung 5.16: Nahe-stationarer Zusammenhang zwischen ε und σ, bestimmt
bei ε = 0.5. Die gestrichelten Linien deuten lose den Verlauf fur verschiedene T an.
Pfeile kennzeichnen Zugversuche.
4 ·10−3G auf n > 100 bei σ ≈ 3 ·10−2G. Bei ZD ≈ 102 ist der Spannungsexponent negativ
(ε -Wechselversuch bei 250oC in Abb. 5.11).
96
5.2 Verformung
10-4
10-3
10-2
10-1
10-13
10-11
10-9
10-7
10-5
10-3
10-1
101
103
105
107
109
TiAl6V4
450
250
350
150
10-3/s
bei T/°C =
. DG
b
Ti-2
Al
150 250 350 450 550 650 900 [Henes]
(σ/G)3
ε k
BT
σ / G
550
650
T / °C =
10 100 1000
σ / MPa bei 450°C
Abbildung 5.17: Zusammenhang zwischen normierter Verformungsgeschwindigkeit
ε kB T/DGb und normierter Spannung σ/G nahe dem stationaren Zustand. Mit
eingetragen sind Kurven fur reines Al (aus [3]) und Ti-2 (siehe Abb. 4.11). Fur
die Normierung wurde D = 0.05 DTi verwendet (aus [19]). Die Pfeile am Bildrand
kennzeichnen ε = 10−3/s fur TiAl6V4 bei verschiedenen T .
97
5 TiAl6V4
Abbildung 5.18: Langsschliff (REM) der bei 300 MPa und 450oC bis ε = 0.24
verformten Zugprobe aus Abb. 5.7 (aus [38]).
5.3 Mikrostruktur des verformten Zustands
Abb. 5.18 zeigt die Phasenstruktur der bei 300 MPa und 450oC bis ε = 0.24 verformten
Zugprobe aus TiAl6V4 aus Abb. 5.7. Eine bevorzugte Orientierung der Phasen oder sig-
nifikante Anderungen der Phasenstruktur im Vergleich zum Ausgangszustand (vgl. Kap.
5.1) sind nicht erkennbar.
Abb. 5.19 zeigt den Langsschliff der bei 10−3/s und 450oC bis ε = 0.80 verformten Druck-
probe aus Abb. 5.7. Diese Probe verfestigte stark auf eine Endspannung von 795 MPa. Die
Mikrostruktur weist neben großen (Sub-)Kornern auch sehr viele kleinere Bereiche (einige
10 nm) unterschiedlicher Orientierung auf. Durch den Vergleich der Kikuchilinienmuster
benachbarten Bereiche konnte in [38] gezeigt werden, dass die Orientierungsunterschie-
de teilweise nur wenige Grad betrugen, d.h. es sich hier um Subkorngrenzen handelt.
Die Versetzungsdichte in diesem Versuch ist gegenuber dem Ausgangszustand deutlich
angestiegen. Eine exakte quantitative Bestimmung von ρ ist nicht moglich, da die Ver-
setzungsdichte so hoch ist, dass die einzelnen Durchstoßpunkte großtenteils nicht mehr
getrennt werden konnen. Die Angabe von ρ ≈ 1016/m2 ist daher nur als Schatzwert zu
betrachten.
Abb. 5.20 zeigt den Langsschliff der bei 75 MPa und 550oC bis ε = 0.33 verformten
Druckprobe aus Abb. 5.8. Diese Probe entfestigte. Die (Sub-)Kornstruktur zeigt keine
Vorzugsrichtung. Hier sind die Bereiche unterschiedlicher Orientierungen deutlich großer
als bei der in Abb. 5.19 gezeigten Probe. Die quantitative Gefugeanalyse in Abb. 5.21
98
5.3 Mikrostruktur des verformten Zustands
Abbildung 5.19: Langsschliff (STEM) der bei 10−3/s und 450oC bis ε = 0.80 ver-
formten, Verfestigung zeigenden Druckprobe aus Abb. 5.7 (Stab B). Kreuze kenn-
zeichnen Punkte, an denen das Kikuchilinienmuster untersucht wurde (aus [38]).
bestatigt dies: Gegenuber dem Ausgangszustand (vgl. Abb. 5.3) hat sich der mittlere
Grenzflachenabstand der α-Phase im Versuch bei 75 MPa und 550oC um den Faktor 2-3
erhoht, wahrend der der β-Phase keine signifikanten Anderungen zeigt. Als Messfehler
ist hier das 95%-Konfidenzintervall der Verteilung der Mittelwerte mehrerer Stichproben
angegeben. Im Versuch bei 10−3/s und 450oC mit einer Endspannung von 795 MPa ist
die Gefugestruktur deutlich verfeinert. Der Grenzflachenabstand in der α-Phase hat um
etwa den Faktor 5 gegenuber dem unverformten Zustand abgenommen. Da hier nur eine
einzelne Stichprobe betrachtet wurde, ist das 95%-Konfidenzintervall der Sehnenlangen-
verteilung dieser Stichprobe als Fehler angegeben 2. Die Ermittlung der Großenverteilung
der β-Phase war bei diesem Versuch nicht moglich.
2Dieser Fehler ist systematisch kleiner als bei Betrachtung der Mittelwerte mehrerer Stichproben.
99
5 TiAl6V4
Abbildung 5.20: Langsschliff (STEM) der bei 75 MPa und 550oC bis ε = 0.33
verformten, Entfestigung zeigenden Druckprobe aus Abb. 5.8 (Stab B).
100
5.3 Mikrostruktur des verformten Zustands
0,0
0,2
0,4
0,6
0,8
1,010-2 10-1 100 101
unve
rform
t
w i = 1
188
nm +
- 140
nm
w i = 5
57 n
m +
- 46
nm
10-3 /s
, 450
°C
FC
um
TiAl6V4
75 M
Pa,
550
°C
w i = 1
02 n
m +
- 6.
6 nm
Stab B
α - Phase
10-2 10-1 100 1010,0
0,2
0,4
0,6
0,8
1,0
wi = 554 nm +- 114 nm
verformt:
unve
rfor
mt
β - Phase unverformt (Stab A) verformt (Stab B)
wi = 466 nm +- 105 nm
FC
um
wi / μm
TiAl6V4
75 MPa, 550°Cunverformt:
Abbildung 5.21: Summenhaufigkeitsverteilung der Grenzflachenabstande von Ti-
Al6V4 nach Verformung. Oben: α-Phase; unten: β-Phase. Dunne Linien kennzeich-
nen die Verteilung der Sehnenlangen, dicke Linien die Verteilung der Mittelwerte
mehrerer Stichproben. Die schraffierten Flachen geben den Messfehler an. Zum Ver-
gleich sind Kurven fur den Ausgangszustand eingetragen.
101
5 TiAl6V4
5.4 Spannungsrelaxation
Das Spannungsrelaxationsverhalten von TiAl6V4 wurde bei 450oC und 650oC anhand von
ε− und σ−kontrollierten Druckversuchen bei Relaxationsstartspannungen σ0 ≤ 650 MPa
unter Bedingungen unter- und oberhalb der Warmstreckgrenze untersucht.
5.4.1 Spannungskontrollierte Versuchsfuhrung
In den Abb. 5.22 - 5.25 wird die Bestimmung des Spannungsrelaxationsverhaltens von
TiAl6V4 am Beispiel eines σ−kontrollierten Versuchs bei 450oC gezeigt.
Abb. 5.22 zeigt den Zusammenhang zwischen σ bzw. εmech und εmech fur diesen Ver-
such wahrend der Belastung auf den Relaxationsstartpunkt (σ0 = 300 MPa, εmech,0 =
1.5 · 10−6/s) und der nachfolgenden kontrollierten σ−Reduktionen. σ0 liegt deutlich un-
terhalb der Warmstreckgrenze von ≈ 600 MPa (vgl. 5.2.3).
Abb. 5.23 zeigt, dass die Relaxationsbedingung Δεinel = −Δεel,Pr in diesem Versuch
gut erfullt ist und 20-30% der elastischen Ruckverformung wahrend der Entlastungen auf
Apparaturbeitrage εel,App zuruckzufuhren ist.
Der Zusammenhang zwischen εmech bzw. σ und t fur die Entlastungen ist in Abb. 5.24
dargestellt. Die inelastische Verformungsgeschwindigkeit εinel wahrend der Spannungsre-
laxation wurde fur jeden Teilschritt bei der Dehnung bestimmt, bei der Δεinel = −Δεel,Pr
gilt.
Abb. 5.25 zeigt den so ermittelten εinel − σ−Zusammenhang. Die Kurve des zuvor gezeig-
ten Versuchs bei 450oC lauft ausgehend vom Startpunkt auf das Streuband der Rp,ss−Werte
bei gleichem T zu und setzt im Bereich niedriger σ <∼ 200 MPa lose den Rp,ss−Verlauf
fort. Diese Ubereinstimmung zwischen den ε − σ−Zusammenhangen bei Relaxation und
am stationaren Zustand wird auch bei 650oC gefunden.
102
5.4 Spannungsrelaxation
0,000 0,001 0,002 0,003 0,004 0,005 0,006 0,00710-7
10-6
10-5
10-4
10-3
10-2
.
ε mec
h / s -
1
εmech
0
50
100
150
200
250
300
350
TiAl6V4450°Cσ
0 = 300 MPa
σ / M
Pa
Abbildung 5.22: Zusammenhang zwischen σ bzw. εmech und εmech im spannungs-
kontrollierten Relaxationsversuch an TiAl6V4 bei 450oC und σ0 = 300 MPa. Der
große Kreis markiert den Startpunkt der Spannungsrelaxation.
103
5 TiAl6V4
0.0 0.5 1.0 1.5 2.0 2.5 3.0 3.50
50
100
150
200
250
300
350
E
Δεel
Δεinel
TL4d310TiAl6V4450°C
σ /
MP
a
Δε / 10-3
Abbildung 5.23: Zusammenhang zwischen σ und akkumulierter elastischer
Ruckdehnung wahrend der Entlastung,∑
Δεel,i, bzw. akkumulierter inelastischer
Vorwartsverformung nach der Entlastung,∑
Δεinel,i, im Versuch aus Abb. 5.22. Die
gestrichelte Linie zeigt die elastische Reaktion der Probe.
104
5.4 Spannungsrelaxation
1000 11000 21000 310000
50
100
150
200
250
300
350
σ / M
Pa
t / s
0.0049
0.0054
0.0059
0.0064
ε me
ch
TL4D310TiAl6V4450°C
εinel
.
.ε
inel
101 102 103 104 105 106 1070
50
100
150
200
250
300
350
σ
/ MP
a
t / s
0.0049
0.0054
0.0059
0.0064
ε me
ch
TL4D310TiAl6V4450°C
Abbildung 5.24: Zusammenhang zwischen εmech (oben) bzw. σ (unten) und t im
spannungskontrollierten Relaxationsversuch an TiAl6V4 bei 450oC. Links: lineare
Zeitachse, rechts: logarithmische Zeitachse.
105
5 TiAl6V4
10 100 100010-10
10-9
10-8
10-7
10-6
10-5
10-4
10-3
Relaxation R
p,ss
650°
C
. ε ine
l / s-1
σ / MPa
TiAl6V4
450°
C
Abbildung 5.25: εinel − σ−Zusammenhang im σ−kontrollierten Relaxationsver-
such von TiAl6V4. Zusatzlich zu dem in den Abb. 5.22 - 5.24 gezeigten Versuch bei
450oC sind ein weiterer Versuch bei 650oC und Messpunkte fur Rp,ss eingetragen.
Die großen Symbole kennzeichnen den jeweiligen Relaxationsstartpunkt.
106
5.4 Spannungsrelaxation
0,00 0,01 0,02 0,03 0,04 0,050
100
200
300
400
500
600
700
εmech
TiAl6V4650°C
σ / M
Pa
εmech
= 10-4/s.
4E
0,00 0,01 0,02 0,03 0,04 0,050
100
200
300
400
500
600
7003
2
εmech
TiAl6V4450°C
σ / M
Pa
εmech
= 10-4/s.
1
E
Abbildung 5.26: σ − εmech−Kurven von TiAl6V4 bei Belastung auf die Start-
punkte der (dehnungsgeregelten) Spannungsrelaxationsmessung bei 450oC (oben)
und 650oC (unten). Die großen Symbole kennzeichnen den jeweiligen Relaxations-
startpunkt bzw. die Pfeile die Große des Spannungsabfalls wahrend der Relaxation.
107
5 TiAl6V4
5.4.2 Dehnungskontrollierte Versuchsfuhrung
Abb. 5.26 zeigt die σ − εmech−Kurven bei Belastung mit εmech = 10−4/s auf die jeweili-
gen Relaxationsstartpunkte bei 450oC und 650oC. Die Relaxationen 1 und 2 wurden an
der gleichen Probe bei σ0 unterhalb der Warmstreckgrenze durchgefuhrt. Die Relaxatio-
nen 3 und 4 wurden bei εmech ≈ 0.04 gestartet. Die E∗ dieser Druckversuche betragen
≈ 0.5−0.7 E bei 450oC bzw. 0.23 E bei 650oC. Der hohere Apparaturanteil an der Verfor-
mung bei 650oC ist auf die bei hoheren T erleichterte Probenanpassung zuruckzufuhren.
Abb. 5.27 zeigt die gemessene Abnahme von σ mit tRel. Ausgehend von unterschiedlichen
σ0 laufen die Kurven fur 450oC im Bereich hoher Zeiten zusammen. Bei 650oC ist die
Spannung nach 104 s fast vollstandig relaxiert.
Aus dem σ − tRel−Verlauf in Abb. 5.27 wurde der in Abb. 5.28 dargestellte σ − σ−Zusam-
menhang ermittelt, aus dem unter Verwendung von Gl. (3.5) der ε − σ−Verlauf in Abb. 5.29
folgt. Die Kurve von Versuch 2 lauft mit der Kurve von Versuch 3 zusammen. Inte-
ressanterweise verlauft die Relaxation 1 etwa 2-3 mal so schnell wie Relaxation 2, obwohl
es sich um die gleiche Probe handelt. Relaxation 4 bei 650oC ergibt eine Gerade im
doppeltlogarithmischen ε − σ−Diagramm mit n = 2.5. Die ε − σ−Zusammenhange bei
Spannungsrelaxation und am stationaren Zustand zeigen gute Ubereinstimmung.
100 101 102 103 104 105 106 1070
100
200
300
400
500
600
700
650°C
4
2
TiAl6V4
σ /
MP
a
tRel
/ s
1 450°C
3
Abbildung 5.27: Gemessener Zusammenhang zwischen σ und tRel wahrend der
(dehnungsgeregelten) Spannungsrelaxation von TiAl6V4 bei 450oC und 650oC. Die
großen Kreise kennzeichnen die Startspannung σ0.
108
5.4 Spannungsrelaxation
1 10 100 100010-6
10-5
10-4
10-3
10-2
10-1
100
101
650°
C
450°
C
TiAl6V4
.
σ
/ M
Pa
s-1
σ / MPa
1 2
4 3
Abbildung 5.28: Aus dem σ − tRel−Verlauf in Abb. 5.27 bestimmter
σ − σ−Zusammenhang wahrend der (dehnungsgeregelten) Spannungsrelaxation
von TiAl6V4. Die großen Symbole kennzeichnen den Relaxationsstartpunkt.
109
5 TiAl6V4
1 10 100 100010-10
10-9
10-8
10-7
10-6
10-5
10-4
10-3
ε−kontr. Rel. R
p,ss bei 450°C
Rp,ss
bei 650°C
650°
C
.
ε ine
l / s-1
σ / MPa
450°
C
TiAl6V44
1 2
3
Abbildung 5.29: Mit Gl. (3.5) berechneter εinel − σ−Zusammenhang wahrend
der dehnungsgeregelten Spannungsrelaxation von Ti-2 bei 450oC und 650oC. Die
großen Symbole kennzeichnen den jeweiligen Relaxationsstartpunkt. Zusatzlich sind
Messpunkte fur Rp,ss eingetragen.
110
5.4 Spannungsrelaxation
5.4.3 Vergleich der Relaxationsversuche
Abb. 5.30 fasst die ε − σ−Kurven der σ− und ε−kontrollierten Relaxationsversuche zu-
sammen. Im Rahmen der Streuung besteht kein Unterschied hinsichtlich der Versuchsfuh-
rung. Die Kurven der Relaxationsversuche stimmen mit den Rp,ss−Daten uberein und set-
zen deren Verlauf im Bereich niedriger σ fort. Aus den in Abb. 5.30 gezeigten ε − σ−Kur-
ven wurde durch Integration von Gl. (3.5) der in Abb. 5.31 gezeigte σ − log tRel−Verlauf
berechnet. Die Kurven der Relaxationsversuche bei gleichem T laufen unabhangig von σ0
und der Vorverformung zu Relaxationsbeginn (vgl. Abb. 5.22 und 5.26) im Langzeitbe-
reich zusammen und bilden ein schmales Streuband. Abb. 5.32 zeigt den Zusammenhang
zwischen σ und der normierten Relaxationszeit tRel · exp(−Q/RT ) fur die in Abb. 5.31
gezeigten Versuche. Diese Normierung bringt die bei verschiedenen T bestimmten Rela-
xationskurven nach einem Ubergangsbereich, der von den Relaxationsstartbedingungen
abhangt, in gute Ubereinstimmung. Mit dieser Masterkurve lasst sich das Relaxations-
verhalten auch bei anderen 450 ≤ T ≤ 650oC berechnen. Bei niedrigeren T ist die Wahl
von Q = 242 kJ/mol zweifelhaft, so dass in diesem T−Bereich erst absichernde Expe-
rimente notwendig sind. Das Relaxationsverhalten bei 650oC ist extrem schlecht, da die
Spannung bereits nach relativ kurzer Zeit auf sehr kleine Werte abfallt. Dieses Verhal-
ten entspricht der hohen Geschwindigkeitsempfindlichkeit der Fließspannung m = 1/n in
diesem Bereich.
111
5 TiAl6V4
1 10 100 100010-10
10-9
10-8
10-7
10-6
10-5
10-4
10-3
σ−kontr. Rel. ε−kontr. Rel. R
p,ss bei 450°C
Rp,ss
bei 650°C
650°
C
.
ε ine
l / s-1
σ / MPa
450°
C
TiAl6V44
1 2
3
Abbildung 5.30: Bei dehnungskontrollierter (offene Kreise) bzw. spannungs-
kontrollierter (Quadrate) Versuchsfuhrung gemessener εinel − σ−Zusammenhang
wahrend der Spannungsrelaxation von TiAl6V4 bei 450oC und 650oC. Die großen
Symbole kennzeichnen den jeweiligen Relaxationsstartpunkt. Zusatzlich sind Mess-
punkte fur Rp,ss eingetragen.
112
5.4 Spannungsrelaxation
100 101 102 103 104 105 106 1070
100
200
300
400
500
600
700
σ −kontr. Rel. ε −kontr. Rel.
650°C
TiAl6V4
σ /
MP
a
tRel
/ s
450°C
1
2
3
4
Abbildung 5.31: Zusammenhang zwischen σ und tRel wahrend der Spannungs-
relaxation von TiAl6V4 bei 450oC und 650oC. Die Kurven wurden aus dem
εinel − σ−Verlauf in Abb. 5.30 berechnet.
10-18 10-17 10-16 10-15 10-14 10-13 10-12 10-11 10-10 10-9 10-80
100
200
300
400
500
600
7001 s bei T/°C =
450°C 650°C
TiAl6V4
σ /
MP
a
tRel
/ s · exp(-Q/RT)
Q=242 kJ/mol
450 550 650
Abbildung 5.32: σ als Funktion der T -normierten Relaxationszeit tRel ·exp(−Q/RT ) der in Abb. 5.31 gezeigten Versuche an TiAl6V4. Zur Normierung
wurde Q = 242 kJ/mol verwendet.
113
5 TiAl6V4
5.5 Kriechzeiten
Die Kriechversuche an TiAl6V4 zeigten mit Ausnahme der Versuche bei σ ≥ 654MPa
und 450oC keine plastische Belastungsdehnung. Daher ist eine Unterscheidung zwischen
tε und tΔε nicht notig. Abb. 5.33 zeigt die Kriechzeiten tε = 0.003 und tε = 0.01 als Funk-
tion von σ und T . Abb. 5.34 zeigt die T -normierten Kriechzeiten tε·exp(−Q/RT ) mit
Q = 242 kJ/mol (vgl. Kap. 4.2.1) fur verschiedene 0.003 ≤ ε ≤ 0.05 als von σ/G. Man
erhalt einen einheitlichen Kurvenverlauf, der deutliche Verwandtschaft zum stationaren
ε − σ−Zusammenhang in Abb. 5.16 aufweist: Mit zunehmendem σ steigt der Spannungs-
exponent der normierten Kriechzeit von nt ≈ 2 bei σ ≈ 5 · 10−3 G auf nt > 20 bei
σ ≈ 1.5 · 10−2 G. Diese Evolution von nt entspricht der Evolution des Spannungsexponen-
ten der stationaren Verformungsgeschwindigkeit, wobei die normierte tε-Kurve gegenuber
der stationaren ε − σ−Kurve (Abb. 5.17) zu etwas kleineren σ/G verschoben ist.
50 500100
101
102
103
104
105
106
107
350°C
300200100
TiAl6V4
650°C
550°C
450°C
t ε =
0.0
03 /
s
σ / MPa
50 500100
101
102
103
104
105
106
107
300200100
TiAl6V4
650°C
550°C
450°C
t ε =
0.0
1 / s
σ / MPa
Abbildung 5.33: Kriechzeiten tε = 0.003 (links) und tε = 0.01 (rechts) als Funktion
von σ und T .
114
5.5 Kriechzeiten
10-4 10-3 10-2 10-110-9
10-10
10-11
10-12
10-13
10-14
10-15
10-16
2
1
= 0.3%
0.5%
1%
2%
5%
ε
TiAl6V4
t ε·ex
p(-Q
/kT
) / s
σ / G
Abbildung 5.34: T -normierte Kriechzeiten tε·exp(−Q/RT ) (mit Q = 242 kJ/mol)
als Funktion von σ/G. Man beachte die inverse Skalierung der Zeitachse.
115
5 TiAl6V4
5.6 Diskussion
Die mischkristallgehartete Legierung TiAl6V4 wurde wahrend des Herstellungsprozesses
stark vorverformt. Infolgedessen liegt eine hohe Versetzungsdichte und feine Subkornstruk-
tur mit hohem Anteil von Großwinkelkorngrenzen im Ausgangszustand vor, wie sie auch
in anderen, durch extreme plastische Verformung hergestellten ultrafeinkornigen Stoffen
gefunden wird. Die Phasenstruktur besteht aus der Al-reichen, hexagonalen α−Phase mit
einem Volumenanteil von 93% und der V-reichen, kubisch raumzentrierten β-Phase. Die
Verformung von TiAl6V4 wird durch diese Mikrostruktur bestimmt. Die Diskussion des
Verformungsverhaltens erfordert somit die Berucksichtigung von Phasen-, Versetzungs-,
Subkorn- und Kornstruktur sowie der (substitutionell) gelosten Fremdatome.
5.6.1 Verfestigungsverhalten
Ein Charakteristikum der Verformungskurven in 5.2 ist das Auftreten eines lokalen Ver-
formungswiderstandsmaximums verbunden mit nachfolgender Entfestigung fur σ <∼ 1.8 ·10−2G. Oberhalb dieser Spannung verfestigt TiAl6V4 kontinuierlich. Einzige Ausnahme
von diesem Befund ist die bei 650oC und niedrigen ε beobachtete Verfestigung. Diese
wurde in 5.2 mit Randschichtaufhartung aufgrund von Oxidation erklart. Dieser Effekt
ist aufgrund der beteiligten Diffusionsprozesse rein zeitabhangig und unterscheidet sich
von den dehnungsabhangigen Effekten, die auf die Evolution von Versetzungs-, Phasen-
und (Sub-)Kornstruktur wahrend der Verformung zuruckzufuhren sind.
Das Ubergangsverhalten bei Verformung wird durch die mikrostrukturellen Unterschiede
zwischen dem Ausgangszustand und dem verformten Zustand bestimmt. Neben Ande-
rungen der Versetzungs- und (Sub-)Kornstruktur mussen auch Anderungen in Phasen-
struktur und Textur als Ursache fur das Ubergangsverhalten in Betracht gezogen werden.
Eine Verfalschung des Ubergangsverhaltens aufgrund einer ungeeigneten Korrektur der
Reibungseinflusse im Druck kann aufgrund der in Abb. 5.9 gezeigten Versuche an Proben
unterschiedlicher κ0 ausgeschlossen werden. Da Versuche an unterschiedlich orientierten
Proben keine Unterschiede im Verformungsverhalten zeigten (Abb. 5.9), sind Textureffek-
te vernachlassigbar.
Die Versuchstemperaturen liegen unterhalb der abschließenden, phasenstabilisierenden
Warmauslagerung bei 704oC beim Herstellungsprozess. Der Ubergang zwischen dem α−und dem (α + β)−Gebiet liegt bei ≈ 600oC [42]. Oberhalb dieser Temperatur ist ei-
ne Zunahme des Volumenanteils der β-Phase nicht auszuschließen. Dies konnte entfe-
stigend wirken, da die β-Phase bei diesen T weicher als die α-Phase ist [5, 43]. Fur
T <∼ 600oC ist mit keinen signifikanten Anderungen der Phasenstruktur zu rechnen. Die
Ausscheidung neuer Phasen wie der geordneten α2- und der stark hartend wirkenden
hexagonalen ω−Zwischenphase ist aufgrund der vorliegenden Warmebehandlung unter
116
5.6 Diskussion
den gewahlten Versuchsbedingungen nicht zu erwarten [5] und wurde mikroskopisch auch
nicht beobachtet. Entfestigende Proben zeigten bei Versuchsunterbrechung und Warmaus-
lagerung bei 450oC fur mehrere Tage nach anschließender Wiederbelastung keine signi-
fikante Anderung gegenuber dem vorherigen Kurvenverlauf [38]. Zeitabhangige Prozesse
wie Ausscheidungsvorgange konnen damit nicht die Entfestigung erklaren. Der Einfluss
unterschiedlicher Phasenstrukturen auf das Verformungsverhalten ist im Vergleich zur
restlichen Mikrostruktur gering [5]. Als verformungsbestimmende Faktoren bleiben daher
die Versetzungs- und (Sub-)Kornstruktur ubrig. Dies wird im Folgenden diskutiert.
Abb. 5.35 zeigt die in 5.1 und 5.3 bestimmten charakteristischen mikrostrukturellen
Abstande als Funktion von σ/G. Im Versuch bei σ ≈ 3·10−2 G haben sich der mittlere Ver-
setzungsabstand ρ−0.5 und der mittlere Grenzflachenabstand der α-Phase gegenuber dem
Ausgangszustand signifikant verringert. Die Versuche bei σ <∼ 3 · 10−3 G dagegen zeigen
eine Vergroberung; eine signifikante Anderung von ρ−0.5 ist nicht nachweisbar. Die Span-
nungsabhangigkeit der Grenzflachenabstande der α-Phase lasst sich durch w = 10 bG/σ
beschreiben; der Versetzungsabstand folgt der fur die meisten Werkstoffe gultigen Bezie-
hung ρ−0.5 = bG/σ.
Es liegt nahe, diese spannungsabhangigen Anderungen der Subkornstruktur bei Verfor-
mung mit dem experimentell beobachteten Ubergang zwischen Ver- und Entfestigung in
Verbindung zu bringen. Bei Vergroberung der Subkornstruktur, z.B. durch Wanderung
von Kleinwinkelkorngrenzen bedingt, ist mit Entfestigung zu rechnen. Allerdings erklart
die Subkornvergroberung bei Spannungen unterhalb 3 · 10−3 G nicht, dass Entfestigung
bis zu Spannungen von 18 · 10−3 G beobachtet wird.
Das bedeutet, dass es neben der Subkornvergroberung noch weitere Ursachen fur ein re-
latives Maximum des Verformungswiderstandes geben sollte. Eine mogliche Ursache liegt
in der dynamischen Reckalterung, deren Existenz in TiAl6V4 klar nachgewiesen wurde.
Ahnlich wie im Fall des Ti-2 begrundet wurde (Abschn. 4.6), kann der Ubergang von
Versetzungen, die sich am Beginn der Verformung von ihren durch statische Reckalterung
gebildeten Fremdatomwolken losreißen, von zunachst sprunghafter in viskose Gleitbewe-
gung uber ein Maximum des Verformungswiderstandes fuhren. Kompliziert wird dieser
Ubergang noch dadurch, dass Gebiete sprunghafter und viskoser Versetzungsbewegung
nebeneinander vorliegen. In den Gebieten sprunghafter Versetzungsbewegung ist die sich
einstellende Versetzungsdichte relativ hoch (vgl. Gl. (2.4) und ihre Begrundung). Da-
durch entstehen im Material Bereiche, die gegenuber dem Endzustand viskoser Verset-
zungsbewegung verfestigt sind und eine entfestigende Abnahme der Versetzungsdichte
zur Erreichung ihres stationaren Zustands benotigen. Damit lasst sich das Verhalten von
TiAl6V4 im Prinzip aus der Uberlagerung von Subkornstrukturanderungen und dynami-
scher Reckalterung verstehen.
117
5 TiAl6V4
10-4 10-3 10-2 10-110-9
10-8
10-7
10-6
10-5
10-4
α-Phase β-Phase ρ-0.5
ρ-0.5
β
TiAl6V4 Messwerte
ρ -0.5 = bG / σ
w = 10 bG / σ
Abs
tand
/ m
σ / G
100 MPa bei 450°C
α
Abbildung 5.35: Mikrostrukturelle Abstande als Funktion von σ/G fur TiAl6V4.
Symbole kennzeichnen die Messwerte aus Verformungsversuchen, die schraffierten
Flachen die Grenzflachenabstande der unverformten α− und β−Phase sowie den
Versetzungsabstand im Ausgangszustand ρ−0.50 (mit Daten aus [38]). Mit eingetra-
gen sind Abschatzungen fur die Subkorngroße w und den Versetzungsabstand ρ−0.5
am stationaren Zustand.
118
5.6 Diskussion
5.6.2 Stationarer Zustand
Das Verformungsverhalten von TiAl6V4 nahe dem stationaren Zustand ist durch eine
Zunahme des Spannungsexponenten von n ≈ 2 bei σ <∼ 4 · 10−3 G auf n > 100 bei
σ ≈ 3 · 10−2 G (vgl. Abb. 5.17) charakterisiert. Die in Abb. 5.36 eingetragenen Bean-
spruchungswechsel aus 5.2.2 bestatigen diese Evolution des Spannungsexponenten auch
fur den Spannungsexponenten bei konstanter Struktur. Im Folgenden wird nicht mehr
zwischen n und ncs unterschieden.
Superplastizitat
Der bei σ <∼ 4 · 10−3G gefundene Spannungsexponent n ≈ 2 deutet auf eine dominante
Rolle der Korngrenzen bei der Verformung hin. Bei T ≥ 800oC wurde u.a. von [44, 45, 46]
das Auftreten von Superplastizitat in TiAl6V4 beobachtet. Im Bereich der Superplasti-
zitat wird die Verformung im Wesentlichen durch Korngrenzgleiten, das durch Akkomo-
dationsprozesse wie Versetzungsbewegung und Diffusion begleitet wird, bestimmt. Eine
notwendige Voraussetzung fur das Auftreten von Superplastizitat ist ein hoher Anteil von
Korngrenzflachen, d.h. sehr kleine Korngroßen wie im Fall des hier untersuchten TiAl6V4.
Das Auftreten von Superplastizitat bei relativ niedrigen T ist konsistent mit der feineren
Kornstruktur im Vergleich zu den von [44, 45, 46] untersuchten Zustanden. Das in [38]
berichtete Ausbleiben einer Probeneinschnurung der bei T ≥ 550oC bis ε > 0.3 verform-
ten Zugprobe aus Abb. 5.8 ist ein weiteres Indiz fur Superplastizitat.
Ungewohnlich ist die beobachtete Entfestigung im Bereich der Superplastizitat. Da die
Verformung bei Superplastizitat nicht durch Subkorngrenzen und Versetzungsstruktur,
sondern durch Korngrenzen bestimmt wird, erscheint Subkornvergroberung als Ursache
fur die Entfestigung hier unwahrscheinlich. Die mit Superplastizitat konsistentere Er-
klarung ist, dass der Anteil der Großwinkelkorngrenzen zunimmt. Das wurde bedeuten,
dass sich zwar der Anteil der Kleinwinkelkorngrenzen an den Grenzflachen verringert,
gleichzeitig aber durch Vergroßerung der Orientierungsunterschiede einige Subkorngren-
zen in Korngrenzen umwandeln.
Dynamische Reckalterung
Bei σ >∼ 4 · 10−3G wird die Verformung nicht mehr durch die Korngrenzen, sondern durch
Kinetik und Struktur der Subkorner und freien Versetzungen bestimmt. Die in 5.2.2 dar-
gestellten Beanspruchungswechsel bei niedrigen 4 · 10−3 <∼ σ/G<∼ 10−2 zeigten normales
Ubergangsverhalten mit n ≈ 3. Bei hoheren σ/G wird das Ubergangsverhalten kom-
plex: Die lokalen σ−Maxima nach ε−Reduktion in Abb. 5.11 sowie die hohen Werte des
Spannungsexponenten zeigen deutliche Analogie zu dem bei Ti-2 im Bereich des Knicks
(vgl. 4.6) gefundenen Verformungsverhalten, das auf dynamische Reckalterung zuruck-
gefuhrt wurde. Der Anstieg von n mit zunehmendem σ/G beschreibt demnach den mit
119
5 TiAl6V4
10-4 10-3 10-2 10-110-13
10-11
10-9
10-7
10-5
10-3
10-1
101
103
105
107
109
Entfestigung
TiAl6V4
450
250
350
150
10-3/sbei T/°C =
. DG
b
Ti-2
Al
150 250 350 450 550 650
(σ/G)3
ε k B
T
σ / G
550
650
T / °C =
Ver-festigung
10 100 1000
σ / MPa bei 450°C
Abbildung 5.36: Zusammenhang zwischen normierter Verformungsgeschwindigkeit
ε kB T/DGb und normierter Spannung σ/G. Mit eingetragen sind Kurven fur reines
Al (aus [3]) und Ti-2 (siehe Abb. 4.11). Fur die Normierung wurde D = 0.05 DTi
verwendet (aus [19]). Die mit Linien verbundenen Symbole kennzeichnen Beanspru-
chungswechsel (vgl. Kap. 5.2.2). Die Pfeile am Bildrand kennzeichnen ε = 10−3/s
fur TiAl6V4 bei verschiedenen T .
120
5.6 Diskussion
zunehmender Spannung schwacher werdenden Einfluss der Fremdatome auf die Verset-
zungsbewegung, d.h. die Abhangigkeit der Versetzungsgeschwindigkeit vg von der effekti-
ven Spannung σ∗ nimmt zu (vgl. Abb. 2.2). Bei ausreichend hoher Spannung schließlich
kommt es zu einem vollstandigen Losreißen der Versetzungen von den Fremdatomen. Der
Ubergang zwischen Versetzungsbewegung mit und ohne Wolke erfolgt im Bereich der dy-
namischen Reckalterung.
Dynamische Reckalterung erklart die fehlende bzw. schwache Abhangigkeit der Streck-
grenze von T und ε um 300oC (Abb. 5.15) sowie den negativen Spannungsexponenten des
in Abb. 5.11 gezeigten ε -Wechsels bei 250oC. Das lokale σ−Maximum nach ε−Reduktion
bei 450oC ist demnach auf die Uberlagerung von Verfestigung aufgrund von Wolkenbil-
dung und Entfestigung aufgrund von Vergroberung der Versetzungs- und Subkornstruktur
zuruckzufuhren. Signifikant ist die bei T ≤ 350oC in Abb. 5.10 nach εmech −Wechseln zwi-
schen 10−3/s und 2 ·10−6/s bleibende Erweichung im Vergleich zu monontonen Versuchen
bei 10−3/s. Dies ware als Folge der Ausbildung einer fur dynamische Reckalterung typi-
schen Verformungsinstabilitat erklarbar.
Power-Law-Breakdown und dynamische Reckalterung fallen bei σ ≈ 3 · 10−2 G zusam-
men. In diesem Spannungsbereich ist bei TiAl6V4 mit spontaner Versetzungsannihilation
zu rechnen, da hier die (stationaren) Versetzungsabstande so gering sind, dass die Ver-
setzungen spontan annihilieren konnen [19]. Spontane Annihilation erfolgt, wenn sich
die Dipolpartner so nahe kommen, dass die Versetzungslinienenergie ausreicht, um die
Gitterfehler zu erzeugen, die nach Verschwinden der Versetzungen ubrig bleiben. Inso-
fern existiert fur ρ ein Schwellenwert, der nicht uberschritten wird (siehe [19, 47]). Die
mikroskopisch beobachteten Versetzungsdichten im Bereich des Power-Law-Breakdown
sind bei TiAl6V4 mit � 1015 m−2 tatsachlich extrem hoch. Im Bereich der spontanen
Versetzungsannihilation wird ε nicht mehr durch ρ sondern durch die Gleitgeschwindig-
keit vg bestimmt, d.h. jede Anderung des Gleitwiderstands wirkt sich direkt auf ε aus.
Der negative Spannungsexponent nahe dem stationaren Zustand ist konsistent mit einer
starken Anderung des Gleitwiderstandes durch Fremdatome im Bereich der dynamischen
Reckalterung. Der Power-Law-Breakdown ist demnach die Folge einer Kombination aus
dynamischer Reckalterung und spontaner Versetzungsannihilation. Die im Anhang gezeig-
ten Ergebnisse der Modellierung mit dem erweitertes Plastizitatsmodell mit detaillierter
Versetzungsstrukturevolution aus 2.3.2 bestatigen dies (siehe Abb. A.6 und A.7 mit Er-
gebnissen aus [19]).
5.6.3 Spannungsrelaxation
Der Zusammenhang zwischen ε und σ bei Spannungsrelaxation unterscheidet sich bei den
untersuchten T ≥ 450oC nicht von dem am stationaren Zustand (Abb. 5.30). Dies gilt
fur Relaxationsstartbedingungen unterhalb der Streckgrenze und bei εmech ≈ 0.04. Die
Ubereinstimmung zwischen Relaxation und stationarem Zustand lasst auf ahnliche ver-
121
5 TiAl6V4
formungsbestimmende Mechanismen in beiden Fallen schließen. Das bedeutet, dass bei
650oC die Korngrenzen eine entscheidende Rolle auch fur das Spannungsrelaxationsver-
halten spielen.
Die Mikrostruktur am stationaren Zustand und zu Beginn der Relaxationsversuche un-
terscheidet sich hinsichtlich der Versetzungsdichte und der Subkorngroße. Es ware zu
erwarten, dass sich diese mikrostrukturellen Unterschiede auch auf die Relaxation aus-
wirken. Die Verformungsversuche sind durch eine extrem starke Verfestigung zu Ver-
formungsbeginn charakterisiert, d.h. es ist nur ein geringes εinel notig, um einen Ver-
formungswiderstand zu erreichen, der sich relativ wenig vom stationaren unterscheidet.
Die Ubereinstimmung von Relaxation und Rp,ss legt nahe, dass die wahrend der Span-
nungsrelaxation erfolgende kleine inelastische Verformung zu einer dem stationaren Zu-
stand nahen Versetzungsstruktur fuhrt. Die Mikrostruktur am stationaren Zustand und
bei Spannungsrelaxation unterscheidet sich daher hauptsachlich durch die Subkornstruk-
tur, die bei Relaxation im wesentlichen der des Ausgangszustands entspricht und am
stationaren Zustand σ−abhangig ist. Diese Unterschiede in der Subkornstruktur wirken
sich offenbar kaum auf das Relaxationsverhalten aus. Daraus kann geschlossen werden,
dass die Relaxation von TiAl6V4 nur schwach von der Subkornstruktur bestimmt wird.
Eine gute Ubereinstimmung zwischen dem ε − σ−Zusammenhang am stationaren Zu-
stand und bei Spannungsrelaxation (unabhangig von der Vorverformung zu Relaxations-
beginn) wurde auch bei anderen stark mischkristallgeharteten Legierungen, insbesondere
Mg-Legierungen [25, 48, 49, 50], gefunden.
122
6 Zusammenfassung - Summary
Das Verformungsverhalten von technisch reinem Titan (Ti-2) und der Titanlegierung
TiAl6V4 wurde im Temperaturbereich von 150oC bis 650oC (entsprechend niedrigen ho-
mologen Temperaturen von 0.22 bis 0.48) untersucht.
Ti-2 ist im Gegensatz zu TiAl6V4 rekristallisiert mit großen Kornern (≈ 50 μm) und
geringer Ausgangsversetzungsdichte. Der Gehalt an Fremdatomen ist sehr gering (≈ 0.5
at.%). Ti-2 zeigt je nach Temperaturbereich stark unterschiedliches Verfestigungsverhal-
ten, das bei niedrigen T ≤ 350oC von einer starken Zunahme von Verformungszwillingen
im Druck charakterisiert ist. Diese Zwillinge fuhren zu einem lokalen Anstieg der Ver-
setzungsdichte, was sich in der im Druck gegenuber dem Zug, in dem keine Zwillinge
beobachtet werden, deutlich hoheren Festigkeit ausdruckt. Wahrend der Verformung bil-
det sich eine Subkornstruktur aus; die Versetzungsdichte steigt.
TiAl6V4 ist (ultra-)feinkornig (< 1 μm) mit hoher Ausgangsversetzungsdichte und besteht
aus der hexagonalen α−Phase und der kubisch raumzentrierten β−Phase. Aufgrund der
starken Vorverformung besitzt TiAl6V4 das Potential zur Entfestigung. Der experimen-
tell beobachtete Ubergang zwischen Ver- und Entfestigung im Laufe der Verformung lasst
sich aber nicht allein mit den spannungsabhangigen Anderungen der Versetzungs- und
Subkornstruktur korrelieren; vielmehr mussen andere mikrostrukturelle Einflusse, insbe-
sondere dynamische Reckalterung mit berucksichtigt werden. Signifikante Einflusse von
Phasenstruktur und Textur auf die Verformung von TiAl6V4 sind nicht erkennbar. Die
feine Kornstruktur bei TiAl6V4 fuhrt im Bereich hoher T und niedriger σ zu superpla-
stischem Verformungsverhalten. Bei 650oC ist bei TiAl6V4 zusatzlich mit zeitabhangiger
Verfestigung aufgrund von Randschichtaufhartung durch Oxidation zu rechnen.
Beide Titanlegierungen zeigen als Gemeinsamkeit das Auftreten von dynamischer Reckal-
terung. Diese fuhrt zu einem ausgepragten Ubergang im stationaren ε − σ−Zusammen-
hang, der Bereiche unterschiedlicher Modi der Versetzungsbewegung (mit und ohne Fremd-
atomwolke), ausgedruckt durch niedrige und hohe Spannungsexponenten, trennt. Bei Ti-2
ist dies ein Knick bei σ ≈ 9 ·10−3 G, bei TiAl6V4 ein kontinuierlicher Ubergang auf einen
vertikalen ε − σ−Verlauf bei σ ≈ 3 · 10−2 G, dem Power-Law-Breakdown. Entlastun-
gen im Bereich der dynamischen Reckalterung zeigen bei beiden Legierungen ahnliches
Ubergangsverhalten mit lokalen Verformungswiderstandsmaxima, die auf Wolkenbildung
zuruckgefuhrt werden konnen. Der Power-Law-Breakdown bei TiAl6V4 ist als Kombinati-
on von dynamischer Reckalterung und spontaner Versetzungsannihilation interpretierbar.
123
6 Zusammenfassung - Summary
Aufgrund der starkeren Versetzungs- und Mischkristallhartung ist die Festigkeit von Ti-
Al6V4 deutlich hoher als bei Ti-2. Das Spannungsrelaxationsverhalten von TiAl6V4 lasst
sich durch den stationaren ε − σ−Zusammenhang beschreiben und wird auf Versetzungs-
aktivitat zuruckgefuhrt. Bei Ti-2 liegt die ε − σ−Kurve bei Relaxation unterhalb der bei
Rp,max, was mit niedriger Versetzungsdichte und Erholungsbehinderung durch reduzierte
Versetzungsquellenaktivitat erklart werden kann.
Das Verformungsverhalten von Ti-2 und TiAl6V4 kann mit den Modellen aus 2.3.1 und
2.3.2 zufriedenstellend beschrieben werden (siehe Anhang A und [1, 12, 19]). Eine erwei-
terte Modellierung ist anzustreben.
124
Summary
The deformation behaviour of the titanium alloys Ti-2 and TiAl6V4 was investigated
in the temperature range from 150oC to 650oC (meaning low homologous temperatures
from 0.22 to 0.48).
Ti-2 is recrystallized with large grains (≈ 50 μm) and small initial dislocation density.
The interstitial content is very small (≈ 0.5 at.%). Dependent on the temperature range
Ti-2 shows a distinct different work hardening behaviour characterized by increased num-
ber of deformation twins during compression at low temperatures. These twins lead to
a local increase of dislocation density resulting in a higher strength in compression com-
pared to tension, where no twins were found. During deformation a subgrain structure
builds up and the dislocation density increases.
TiAl6V4 is (ultra-)fine grained (< 1 μm) with high initial dislocation density and consists
of two phases (hcp α− and bcc β−phase). As a result of the strong predeformation during
manufacturing TiAl6V4 has the potential for work softening. The experimentally obser-
ved transition between work hardening and work softening during deformation can not
alone be explained by the stress-dependent changes of dislocation and subgrain structure;
in fact other microstructural factors, especially dynamic strain ageing, have to be consi-
dered. Significant influences of phase structure and texture on the deformation behaviour
of TiAl6V4 were not observed. The fine grain structure of TiAl6V4 leads to superplastic
deformation behaviour at high temperatures and low stresses. At 650oC additional time
dependent hardening due to edge layer oxidation is found in TiAl6V4.
Both titanium alloys show the occurrence of dynamic strain ageing leading to a distinct
transition in the stationary strain rate-stress-plot related to the regions of different mo-
des of dislocation movement (with and without clouds of solutes) expressed by low and
high stress exponents. For Ti-2 this is a sharp kink at σ ≈ 9 · 10−3 G, for TiAl6V4 a
continuous transition towards a vertical strain rate-stress-curve at σ ≈ 3 · 10−2 G, the
power-law-breakdown. In the range of dynamic strain ageing load reductions show similar
transition behaviour for both alloys with local maxima of deformation resistance related
to formation of clouds of solutes. The power-law-breakdown of TiAl6V4 can be interpre-
ted as a combination of dynamic strain ageing and spontaneous dislocation annihilation.
As a result of the strong dislocation and solid solution hardening the strength of TiAl6V4
is higher than for Ti-2.
The stress relaxation behaviour of TiAl6V4 can be described by the stationary strain
rate-stress-relationship and is explained by dislocation activity. For Ti-2 the strain rate-
stress-curve of stress relaxation lies under the curve for the maximal deformation resi-
stance. This can be explained by low dislocation density and restricted recovery due to
reduced activity of dislocation sources.
125
6 Zusammenfassung - Summary
The deformation behaviour of Ti-2 and TiAl6V4 can satisfactorily be calculated by using
the models of this work.
126
A Anwendung des erweiterten
Plastizitatsmodells
In dieser Arbeit wurde gezeigt, dass Ti-2 und TiAl6V4 mischkristall- und versetzungs-
gehartete Legierungen sind und das Verformungsverhalten im Wesentlichen auf Verset-
zungsbewegung und ihre Beeinflussung durch Fremdatome zuruckzufuhren ist. Zur Be-
schreibung des Verformungsverhaltens dieser Titanlegierungen wurde neben dem ein-
fachen Plastizitatsmodell mit phanomenologischer Versetzungsstrukturevolution (Kap.
2.3.1) auch das erweiterte Plastizitatsmodell mit detaillierter Versetzungsstrukturevoluti-
on aus 2.3.2 angewandt. Die Modellgleichungen letzteren Modells wurden in MATHCAD-
Arbeitsblatter integriert, die eine einfache Berechnung und problemlose Modellerweite-
rungen ermoglichen. Im Folgenden wird eine Auswahl von Ergebnissen der Modellierung
des Verformungsverhaltens von Ti-2 und TiAl6V4 mit dem erweiterten Plastizitatsmodell
vorgestellt (z.T. vorab veroffentlicht in [1, 19]).
A.1 Ergebnisse der Modellierung fur Ti-2
Von grundlegender Bedeutung fur eine versetzungsstrukturell begrundete Modellierung
ist die Kenntnis des vg − σ∗−Zusammenhangs. Abb. A.1 zeigt den Zusammenhang zwi-
schen vg und σ∗ unter stationaren Bedingungen fur Ti-2 bei 450oC (vgl. Abb. 4.42). Der
vg − σ∗−Kurvenverlauf ist prinzipiell in Abhangigkeit von Legierungscharakteristika und
T berechenbar [11]. Dabei ist zu beachten, dass er stark von der Fremdatomkonzentration
c an den Versetzungen abhangt. c ist aber nur im stationaren Zustand konstant; das Uber-
gangsverhalten z.B. bei Verformungsbeginn oder nach Beanspruchungswechseln ist aber
charakterisiert durch teilweise stark ausgepragte Anderungen der Fremdatomkonzentra-
tion an den Versetzungen. Dieser Einfluss ist im bestehenden Modell nicht berucksich-
tigt, was erwarten lasst, dass das Modell das Ubergangsverhalten bei Verformung nicht
adaquat beschreibt. Eine Beschreibung des stationaren Verformungsverhaltens sollte hin-
gegen gut moglich sein. Im Fall der hier dargestellten Modellierung wurde der komplexe
vg − σ∗−Zusammenhang in der durch die dicken Linien dargestellten Art vereinfacht.
Dies stellt keine große Einschrankung hinsichtlich des stationaren Zustandes dar und er-
laubt eine einfache numerische Losung. Die ausgefullten Kreise in Abb. A.1 kennzeichnen
die stationaren vg − σ∗−Zusammenhange der in Abb. A.2 modellierten Kriechkurven.
127
A Anwendung des erweiterten Plastizitatsmodells
10-11
10-10
10-9
10-8
10-7
10-6
10-5
Experiment Modell
II
I
σ / MPa =
300250200150100
50
Ti-2450°C
20020
v / m
s-1
σ* / MPa100
Abbildung A.1: Zusammenhang zwischen vg und σ∗ unter stationaren Bedin-
gungen fur Ti-2 bei 450oC. Die dicken Linien stellen den im Modell benutz-
ten vg − σ∗−Zusammenhang dar. Kleine Kreise: berechnet aus dem Versuch in
Abb. 4.14 (siehe [12]), große Kreise: modelliert fur verschiedene σ.
128
A.1 Ergebnisse der Modellierung fur Ti-2
10-7
10-6
10-5
10-4
10-3
0
50
100
150
200
0.0 0.1 0.2 0.30.001
0.01
0.1
1
10
100
1000
200
σ/MPa=
100
300250
200150100
50
450°CTi-2
. ε · s
σi
σ*
σ
Spa
nnun
g / M
Pa
ρdip-0.5
ρsgl-0.5
ε
Abs
tand
/ μm
Abbildung A.2: Variation von ε , σ, σi, σ∗ , ρ−0.5sgl und ρ−0.5
dip mit ε. Kreise: Ex-
periment, dunne Linien: modellierte Kriechkurven bei 450oC und 50 MPa ≤ σ ≤300 MPa. Die dicken Linien sind die Modellkurven fur 450oC und 200 MPa.
129
A Anwendung des erweiterten Plastizitatsmodells
Charakteristisch fur die gemessenen Kriechkurven sind die starke Verfestigung nach Bela-
stung sowie das Auftreten eines ε -Minimums bei Spannungen unterhalb des Knicks im sta-
tionaren ε − σ−Zusammenhangs. Der starke Abfall von ε zu Beginn des Kriechversuchs
wird im Modell gut beschrieben (Abb. A.2). Die Entfestigung wird auf Versetzungser-
holung zuruckgefuhrt, da das Ubergangsverhalten im entsprechenden Spannungsbereich
normal ist. Dieses Verhalten wird prinzipiell durch die Modellierung wiedergegeben: Fur
σ >∼ 100 MPa ergibt die Modellierung stationare σ∗ , die großer sind als unmittelbar nach
dem Wechsel von sprunghafter zu viskoser Versetzungsbewegung, d.h. die Versetzungs-
dichte hat nach dem Wechsel auf den viskosen Ast abgenommen.
Abb. A.2 zeigt fur den bei 200 MPa modellierten Versuch die Zunahme der effektiven
Spannung σ∗ und der mittleren Versetzungsabstande ρ−0.5sgl und ρ−0.5
dip mit der Dehnung
ε im Anschluss an die starke Verfestigung, d.h. nach Ubergang auf die Kurve fur viskose
Versetzungsbewegung in Abb. A.1. Die so modellierte ε -Zunahme fur σ >∼ 100 MPa ist ge-
ringer als die experimentell gemessene. Mit abnehmender Spannung nimmt die Große der
Entfestigung ab; bei 100 MPa ist faktisch keine Entfestigung mehr sichtbar. Das Fehlen
eines Entfestigungsbereichs bei der experimentellen Kurve bei 30 MPa unterstutzt das Er-
gebnis der Modellierung, dass mit abnehmender Spannung die Entfestigung verschwindet,
sobald sich σ∗ nach Wechsel auf den viskosen Ast nicht mehr wesentlich andert. Die mo-
dellierte Spannung fur diese qualitative Anderung der Kriechkurve liegt mit ≈ 100 MPa
oberhalb des experimentellen Wertes von ≈ 30 MPa, d.h. der Wechsel auf den visko-
sen Ast erfolgt experimentell bei niedrigerem σ∗ < 30 MPa als im Modell angenommen.
Die Spannung fur das Losreißen der Versetzungen von den Fremdatomen wird durch das
Modell gut beschrieben. Die berechnete Entfestigung bei 50 MPa ist auf inverses Uber-
gangsverhalten zuruckzufuhren, d.h. ε nimmt mit steigendem ρ zu. Ein experimenteller
Nachweis eines inversen Verhaltens bei niedrigen Spannungen unterhalb 30 MPa steht
noch aus. Die Belastungsdehnung εld wird im Modell nur maßig gut wiedergegeben. Dies
lasst sich prinzipiell durch die Simulation der Belastung im Kriechversuch durch einen
Versuch bei konstantem ε = 10−3/s verbessern.
Abb. A.3 zeigt die gute Ubereinstimmung zwischen Modell und Experiment im stati-
onaren Zustand anhand des normierten stationaren ε − σ−Zusammenhangs. In Abb. A.4
sind die modellierten stationaren Versetzungsabstande als Funktion von σ/G dargestellt.
Der Abstand der Single-Versetzungen ρ−0.5sgl liegt bei bG/σ, d.h. in der bei vielen Mate-
rialien gefundenen Großenordnung (z.B. Al-5at%Zn [3]). Der mittlere Abstand von Ver-
setzungen in dipolarer Konfiguration ρ−0.5dip ist etwa eine Großenordnung großer als ρ−0.5
sgl .
130
A.1 Ergebnisse der Modellierung fur Ti-2
10-4 10-3 10-2 10-110-13
10-11
10-9
10-7
10-5
10-3
10-1
101
103
105
107
109
m = 25
450
250
350
150
10-3/sbei T/°C =
. DG
b
Ti-2
T / °C
450 350 250 150
(σ/G)3ε k B
T
σ / G
m = 1
10 100 1000
σ / MPa bei 450°C
Abbildung A.3: Normierter stationarer ε − σ−Zusammenhang bei Ti-2. Offene
Symbole kennzeichnen die experimentellen Daten, die ausgefullten Symbole bzw.
die dicke Linie den modellierten stationaren Verlauf bei 450oC mit einem Wechsel
von sprunghafter (m = 25) zu viskoser Versetzungsbewegung (m = 1).
131
A Anwendung des erweiterten Plastizitatsmodells
10-4 10-3 10-2 10-110-2
10-1
100
101
102
103
Ti-2 100 MPabei 450°C450°C
ρdip-0.5
ρsgl-0.5
bG/σ
Abs
tand
/ μm
σ/GAbbildung A.4: Modellierte stationare Versetzungsabstande in Ti-2 als Funktion
von σ/G.
132
A.2 Ergebnisse der Modellierung fur TiAl6V4
A.2 Ergebnisse der Modellierung fur TiAl6V4
Bei der Modellierung von TiAl6V4 wurde die sprunghafte Versetzungsbewegung zu Beginn
des Kriechversuchs nicht berucksichtigt, d.h. es wurde im Bereich niedriger Spannungen
auch wahrend der Belastung von viskoser Versetzungsbewegung ausgegangen. Abb. A.5
zeigt die bei 450oC an TiAl6V4 modellierten Kriechkurven. Es besteht gute Uberein-
stimmung mit den experimentellen Kurven hinsichtlich des stationaren Zustands und der
Große des Ubergangsbereichs. Das modellierte Ubergangsverhalten ist invers im Gegen-
satz zum experimentell gefundenen normalen Ubergangsverhalten.
Abb. A.6 zeigt den modellierten, T -normierten, stationaren ε − σ−Zusammenhang fur
TiAl6V4. Die dunnen Kurven in Abb. A.6 wurden unter Verwendung von
ε = ADGb
kBT
( σ
G
)3
A =9
M2c0ε2a ln(r2/r1)
Dsol
D
(kBT
Gb3
)2
(A.1)
berechnet (siehe z.B. [34, 51]). Das Modell aus 2.3.2 gibt die von stark mischkristall-
geharteten Legierungen bekannte T -Abhangigkeit des normierten ε nach Gl. (A.1) wie-
der. Die unterschiedliche vertikale Lage der nach Gl. (A.1) und dem Modell aus 2.3.2
berechneten Kurven ist eine Folge der unterschiedlichen stationaren Versetzungsdichten
in den jeweiligen Modellen: Gl. (A.1) nimmt eine sich viskos bewegende Versetzungsdich-
te (σ/Gb)2 an; die sich nach 2.3.2 einstellende Versetzungsdichte ist jedoch geringfugig
niedriger (vgl. Abb. A.7).
Es besteht gute Ubereinstimmung zwischen Modellierung und experimentellen Daten im
Spannungsbereich bis σ <∼ 2 · 10−2 G. Der Ubergang von niedrigen zu hohen Spannungen
und der damit verbundene Wechsel von viskoser zu sprunghafter Versetzungsbewegung ist
im Modell noch nicht enthalten; beide Modi der Versetzungsbewegung werden individuell
berechnet. Betrachtet man die modellmaßige Berechnung mit viskoser Versetzungsbewe-
gung nach Gl. (2.20) mit m = 1, so sieht man, dass das Modell bei σ >∼ 2 · 10−2 G die
Realitat nicht mehr beschreiben kann. Abb. A.7 zeigt die modellierten stationaren Ver-
setzungsabstande als Funktion von σ/G. ρ−0.5sgl liegt nahe bG/σ und ist etwa eine Großen-
ordnungen kleiner als ρ−0.5dip . Oberhalb von σ ≈ 3 · 10−2 G bleibt ρ−0.5
sgl konstant und die
Dipole verschwinden. Dies ist der Bereich der spontanen Versetzungsannihilation, in dem
die Spannungsabhangigkeit von ε nur von der Spannungsabhangigkeit von vg und nicht
mehr von ρ abhangt. Im Bereich der spontanen Versetzungsannihilation ist also die sta-
tionare Verformung vollstandig gleitkontrolliert. Dies wird bestatigt durch die negative
ε -Abhangigkeit von σ beim Ubergang zwischen viskoser und sprunghafter Versetzungsbe-
wegung, wie bei den Beanspruchungswechseln bei 250oC gefunden (siehe Abb. 5.10), als
Folge des Einflusses der dynamischen Reckalterung auf die Versetzungsgleitung. Damit
erklart sich auch, warum die modellmaßige Beschreibung mit m = 1 nach Gl. (2.20) und
Gl. (2.21) in Abb. A.6 fur σ >∼ 2 · 10−2 G versagt und der modellierte Spannungsexponent
n = 1 dem Spannungsexponenten m = 1 fur die Abhangigkeit von vg von σ∗ entspricht.
133
A Anwendung des erweiterten Plastizitatsmodells
10-10
10-9
10-8
10-7
10-6
10-5
10-4
0
100
200
300
400
0,0 0,1 0,2 0,310-3
10-2
10-1
100
101
102
103
450
200
1000σ/MPa=
300
300
200
500
50
450°CTiAl6V4
.
ε · s
σi
σ*
σ
Spa
nnun
g / M
Pa
ρdip
-0.5
ρsgl
-0.5
ε
Abs
tand
/ μm
Abbildung A.5: Kriechkurven von TiAl6V4 bei 450oC. Symbole: Experiment, Li-
nien: Modell. Mitte: Modellierter Verlauf von σ, σi und σ∗ mit ε bei 300 MPa .
Unten: Evolution der Versetzungsabstande im Versuch bei 300 MPa.
Bei σ >∼ 2 ·10−2 G erfolgt die Versetzungsbewegung nicht mehr viskos, sondern sprunghaft
und eine entsprechend angepasste Beschreibung des vg − σ∗−Verlaufs ist notwendig. Die
Beschreibung von vg nach Gl. (2.19) mit m = 30 liefert entsprechend gute Ergebnisse.
134
A.2 Ergebnisse der Modellierung fur TiAl6V4
10-6 10-5 10-4 10-3 10-2 10-110-17
10-15
10-13
10-11
10-9
10-7
10-5
10-3
10-1
101
103
450°
C
650°
C
100 MPabei 450°C
1·10-6/sbei 450 °C
.
m = 30
m = 1
3
TiAl6V4T / °C =
250 350 450 550 650
εkBT
/ D
Gb
σ/G
Abbildung A.6: Normierter stationarer ε − σ−Zusammenhang bei TiAl6V4. Vor-
ab veroffentlicht in [19]. Symbole kennzeichnen die experimentellen Daten, die
dicken Linien die bei verschiedenen T modellierten stationaren Verlaufe bei vis-
koser (m = 1) bzw. sprunghafter (m = 30) Versetzungsbewegung. Dunne Linien:
mit Gl. (A.1) berechnete Kurven.
135
A Anwendung des erweiterten Plastizitatsmodells
10-6 10-5 10-4 10-3 10-2 10-110-2
10-1
100
101
102
103
104
100 MPabei 450°C
T / °C =
TiAl6V4
450 / 650
650
450
ρdip
-0.5
ρsgl
-0.5
bG/σ
A
bsta
nd /
μm
σ/G
Abbildung A.7: Modellierte stationare Versetzungsabstande in TiAl6V4 als Funk-
tion von σ/G. Vorab veroffentlicht in [19].
136
A.3 Bewertung des Modells
A.3 Bewertung des Modells
Das Modell berucksichtigt die konstitutiven Gleichungen der Verformung; die Struktur-
evolution wird nicht von außen vorgegeben, sondern anhand eines Systems von Differen-
tialgleichungen berechnet. Die Berechnung von Kriechkurven, σ − ε−Kurven und Wech-
selversuchen ist mit dem Modell moglich. Das Relaxationsverhalten wurde bisher nicht
modelliert; eine entsprechende Modellerweiterung sollte keine prinzipiellen Probleme ver-
ursachen. Die Implementierung der Modellgleichungen in MATHCAD-Arbeitsblatter er-
laubt eine Berechnung mit handelsublichen PCs und bietet die Moglichkeit, Modifikatio-
nen einfach durchzufuhren.
Das Modell liefert basierend auf physikalisch sinnvollen Annahmen zur Versetzungsstruk-
turevolution, bei der zwischen Single-Versetzungen und Dipolen unterschieden wird, in
wesentlichen Punkten eine gute Beschreibung des Verformungsverhaltens von Ti-2 und
TiAl6V4. So wird beispielsweise der stationare Zustand gut beschrieben.
Kriechkurven von Ti-2 konnten unter Verwendung eines vereinfachten vg − σ∗−Zusam-
menhangs, der den Ubergang zwischen sprunghafter und viskoser Versetzungsbewegung
beinhaltet, hinsichtlich Verfestigung und qualitativem Kurvenverlauf gut mit experimen-
tellen Kurven in Einklang gebracht werden. Die experimentell beobachtete Entfestigung
im Kriechversuch wurde im Modell als Folge der Erholung der Versetzungsstruktur be-
schrieben. Dies ist konsistent mit der Annahme, dass bei viskoser Versetzungsbewegung
die Versetzungserzeugung durch Gleitung starker behindert ist als die Versetzungserho-
lung durch Kletterprozesse.
Die modellierten Kriechkurven von TiAl6V4 zeigen hinsichtlich der Große des Ubergangs-
bereichs und des stationaren Zustands gute Ubereinstimmung mit den experimentell ge-
messenen. Das Ubergangsverhalten wird derzeit noch nicht richtig beschrieben (inverses
statt normales Ubergangsverhalten bei TiAl6V4). Dies resultiert daraus, dass fur TiAl6V4
nur mit viskoser Versetzungsbewegung gerechnet wurde. Eine modellmaßige Beschreibung
des Ubergangs zwischen den beiden Modi der Versetzungsbewegung analog zur Modellie-
rung von Ti-2 ist hier notwendig.
Das Modell ist sinnvoll auf Materialien anwendbar, bei denen das Verformungsverhal-
ten durch versetzungsstrukturelle Anderungen bestimmt wird. Das Modell berucksichtigt
nicht die Ausbildung einer Subkornstruktur, wie sie z.B. bei Ti-2 nachgewiesen wurde.
Dies ist fur Ti-2 akzeptabel, da hier ein deutlicher Einfluss der Subkornstruktur auf das
Verformungsverhalten nicht gegeben scheint. Das zeigt z.B. die Entfestigung wahrend der
Ausbildung einer Subkornstruktur in Abb. 4.22, d.h. die Effekte aufgrund von Subkornern
sind bei Ti-2 vernachlassigbar gegenuber dem Einfluss der Fremdatome auf die Verset-
zungsbewegung.
137
A Anwendung des erweiterten Plastizitatsmodells
Bei TiAl6V4 wurden bei hohen Spannungen Subkorner gefunden. Die Phasen- und Korn-
struktur oder Effekte wie die Randschichtaufhartung aufgrund von Oxidation bei hohen
T sind im Modell nicht enthalten. Daher kann das Modell auch nicht die Superplasti-
zitat und die Entfestigung bei hohen T und niedrigen σ, die vermutlich auf Anderungen
in der (Sub-)Kornstruktur zuruckzufuhren ist, fur TiAl6V4 erklaren. Da nicht bekannt
ist, welche Legierungselemente die Versetzungsbewegung in TiAl6V4 bestimmen, muss-
ten diesbezuglich Annahmen gemacht werden, die durch den Erfolg der Modellierung
sinnvoll erscheinen. Der bei TiAl6V4 experimentell beobachtete Power-Law-Breakdown
kann durch das Modell als Folge spontaner Versetzungsannihilation quantitativ berechnet
werden.
138
B Materialparameter
Neben den in den Tab. B.1 und B.2 dargestellten Werten fur G, E und die verschiedenen
Diffusionskoeffizienten wurden noch b = 0.295 nm (Lange des Burgersvektors von Ti [2])
und der lineare thermische Ausdehnungskoeffizient 1.0 · 10−5/K [5] verwendet.
T/oC 25 150 250 350 450 550 650
G(T )/GPa 43.6 40.3 37.6 34.9 32.2 29.4 26.7
E(T )/GPa 113.4 104.7 97.7 90.6 83.6 76.6 65.5
Tabelle B.1: Temperaturabhangigkeit der elastischen Moduli G und E von Titan
nach [2].
D0/m2s−1 Q/kJmol−1
DTi [2] 0.013 242
DV [52] 3.4 · 10−4 257.5
DO [53] 8.9 · 10−4 217
Tabelle B.2: Temperaturabhangigkeit der Diffusionskoeffizienten D = D0 ·exp(−Q/RT ).
139
B Materialparameter
140
C Messkurven
C.1 ε − ε−Kurven von Ti-2
0.0 0.1 0.2 0.3 0.410-10
10-9
10-8
10-7
10-6
10-5
10-4
10-3
Druck
399
149
198
300
250°Cσ / MPa =Ti-2
.
ε / s
-1
εAbbildung C.1: Zusammenhang zwischen ε und ε fur Ti-2 bei 250oC.
0.0 0.1 0.2 0.3 0.410-10
10-9
10-8
10-7
10-6
10-5
10-4
10-3
84
23797
133
300
Druck Zug
350°Cσ / MPa =Ti-2
.
ε / s
-1
εAbbildung C.2: Zusammenhang zwischen ε und ε fur Ti-2 bei 350oC.
141
C Messkurven
C.2 σ − ε−Kurven von Ti-2
Abbildung C.3: Zusammenhang zwischen σ und ε fur Ti-2 bei 250oC.
Abbildung C.4: Zusammenhang zwischen σ und ε fur Ti-2 bei 350oC.
142
C.3 ε − t−Kurven von Ti-2
C.3 ε − t−Kurven von Ti-2
100 101 102 103 104 105 106 10710-3
10-2
10-1
100
Druck Zug
150°CTi-2
ε
t / s
560 533
390
251
164
131
650σ / MPa =
Abbildung C.5: Zusammenhang zwischen ε und t fur Ti-2 bei 150oC.
100 101 102 103 104 105 106 10710-3
10-2
10-1
100
250°CDruck
Ti-2
ε
t / s
198
300
149
399σ / MPa =
Abbildung C.6: Zusammenhang zwischen ε und t fur Ti-2 bei 250oC.
143
C Messkurven
100 101 102 103 104 105 106 10710-3
10-2
10-1
100
Druck Zug
350°CTi-2
ε
t / s
300
237
84
133
97
σ / MPa =
Abbildung C.7: Zusammenhang zwischen ε und t fur Ti-2 bei 350oC.
100 101 102 103 104 105 106 10710-3
10-2
10-1
100
σ / MPa = 292
305670
Druck Zug
135
100
93
99
150
203221245
450°CTi-2
ε
t / s
Abbildung C.8: Zusammenhang zwischen ε und t fur Ti-2 bei 450oC.
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Abbildungsverzeichnis
1.1 Schematische Darstellung des Zusammenhangs zwischen inelastischer Ver-
formungsgeschwindigkeit εinel und Spannung σ bei verschiedenen Versuchsfuhrun-
gen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
2.1 Gleitsysteme bei hexagonaler Kristallstruktur. . . . . . . . . . . . . . . . . 6
2.2 Schematische Darstellung des Zusammenhangs zwischen Versetzungsge-
schwindigkeit vg und effektiver Spannung σ∗ fur einen mischkristallgeharte-
ten Werkstoff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
2.3 Schematische Darstellung der Versetzungsstrukturevolution. . . . . . . . . 10
2.4 Einfangen von ’Singles’ durch Dipolbildung. . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
3.1 Korrektur der Reibungseinflusse im Druck. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
3.2 Reibungseinfluss bei Ti-2 und TiAl6V4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
3.3 Schematische Darstellung des Zusammenhangs zwischen σ und εmech wahrend
der Spannungsrelaxation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
3.4 Schematische Darstellung der Unterschiede bei ε−geregelter Spannungsre-
laxationsmessung im Zug und im Druck. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
4.1 Ausgangszustand von Ti-2 (LM) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
4.2 {0001}-Polfigur des Ausgangszustandes von Ti-2. . . . . . . . . . . . . . . 24
4.3 Versetzungsstruktur im Ausgangszustand von Ti-2 (TEM). . . . . . . . . . 24
4.4 Verteilungsfunktion mikrostruktureller Kenngroßen im Ausgangszustand
von Ti-2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
4.5 σ − ε−Kurven von Ti-2 im Druck bzw. Zug bei 150oC. . . . . . . . . . . . 27
4.6 σ − ε−Kurven von Ti-2 im Druck bzw. Zug bei 450oC. . . . . . . . . . . . 28
4.7 Zusammenhang zwischen σ bzw. εmech und ε im Kriechversuch an Ti-2 bei
150oC und 450oC. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
4.8 Kombination der Versuche bei konstantem εmech und konstantem σ . . . . 30
4.9 Temperaturnormierte Darstellung der Verformungskurven von Ti-2. . . . . 32
4.10 Streckgrenze von Ti-2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
4.11 Stationarer Zusammenhang zwischen normierter Verformungsgeschwindig-
keit ε kB T/DGb und normierter Spannung σ/G bei Ti-2. . . . . . . . . . . 35
4.12 Zusammenhang zwischen ε und σ bei 450oC fur Ti-2. . . . . . . . . . . . . 37
4.13 Zusammenhang zwischen normierter Verformungsgeschwindigkeit ε kB T/DGb
und normierter Spannung σ/G fur Rp,max von Ti-2. . . . . . . . . . . . . . 38
149
Abbildungsverzeichnis
4.14 Druckkriechversuch an Ti-2 bei 450oC und nomineller Spannung 275 MPa.
Links: Variation von reibungskorrigiertem σ und gemessenem ε mit ε.
Rechts: ε − σ−Zusammenhang wahrend der Verformung. . . . . . . . . . . 39
4.15 σ − ε−Zusammenhang bei ε -Wechsel zwischen 10−4/s und 10−3/s unter
stationaren Bedingungen bei 450oC im Druck fur Ti-2. . . . . . . . . . . . 40
4.16 σ − ε−Zusammenhang bei einem ε -Wechsel von 10−5/s auf 10−3/s bei
450oC im Druck fur Ti-2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
4.17 Verformungsverhalten von Ti-2 bei Beanspruchungswechsel von stationaren
Bedingungen oberhalb des Knicks zu stationaren Bedingungen unterhalb
des Knicks. Links: Wechsel von εmech , rechts: Wechsel von σ. . . . . . . . . 42
4.18 LM-Aufnahme einer bei 450oC und ε = 10−3/s bis ε = 0.25 verformten
Druckprobe aus Ti-2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
4.19 LM-Aufnahme der Probenmitte einer bei 450oC und 300 MPa bis ε = 0.82
verformten Druckprobe aus Ti-2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
4.20 LM-Aufnahmen der in Abb. 4.7 gezeigten, bei 450oC und 100 MPa bis
ε = 0.23 verformten Zugprobe aus Ti-2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
4.21 LM-Aufnahmen der bei 450oC und 100 MPa bis ε = 0.23 verformten Zug-
probe aus Ti-2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
4.22 Mikrostrukturevolution in Ti-2 bei 450oC und 100 MPa im Druck. . . . . . 46
4.23 Zusammenhang zwischen σ bzw. εmech und εmech im spannungskontrollier-
ten Relaxationsversuch an Ti-2 bei 450oC. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
4.24 Zusammenhang zwischen σ und akkumulierter elastischer Ruckdehnung
wahrend der Entlastung,∑
Δεel,i, bzw. akkumulierter inelastischer Vorwarts-
verformung nach der Entlastung,∑
Δεinel,i, im in Abb. 4.23 gezeigten Ver-
such. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
4.25 Zusammenhang zwischen εmech (oben) bzw. σ (unten) und t im spannungs-
kontrollierten Relaxationsversuch an Ti-2 bei 450oC. Links: lineare Zeitach-
se, rechts: logarithmische Zeitachse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
4.26 εinel − σ−Zusammenhang des in Abb. 4.23-4.25 gezeigten spannungskon-
trollierten Relaxationsversuchs bei 450oC (Symbole). . . . . . . . . . . . . 50
4.27 σ − εmech−Kurven von Ti-2 bei Belastung auf den Startpunkt der (deh-
nungsgeregelten) Spannungsrelaxationsmessung. Oben: 150oC bis 350oC;
unten: 450oC. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
4.28 Gemessener Zusammenhang zwischen σ und tRel wahrend der (dehnungs-
geregelten) Spannungsrelaxation von Ti-2. Oben: 150oC bis 350oC; unten:
450oC. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
4.29 Aus dem σ−tRel−Verlauf in Abb. 4.28 bestimmter σ − σ−Zusammenhang
wahrend der Spannungsrelaxation von Ti-2. Links: 150oC bis 350oC; rechts:
450oC. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
4.30 berechneter εinel − σ−Zusammenhang wahrend der (dehnungsgeregelten)
Spannungsrelaxation von Ti-2. Links: 150oC bis 350oC; rechts: 450oC. . . . 55
150
Abbildungsverzeichnis
4.31 εinel − σ−Zusammenhang bei der Spannungsrelaxation von Ti-2 bei 450oC,
gemessen in dehnungskontrollierter (offene Symbole) bzw. spannungskon-
trollierter (geschlossene Symbole) Versuchsfuhrung. . . . . . . . . . . . . . 56
4.32 T -Abhangigkeit des σ − tRel−Zusammenhangs wahrend der Spannungsre-
laxation von Ti-2, gemessen in dehnungskontrollierter bzw. spannungskon-
trollierter Versuchsfuhrung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
4.33 Normierte Relaxationszeit tRel·exp(−Q/RT ) als Funktion von σ. . . . . . . 57
4.34 Mit Q = 242 kJ/mol normierte Relaxationszeit tRel·exp(−Q/RT ) als Funk-
tion von σ/G. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
4.35 Darstellung der Ermittlung von tε = 0.01 am Beispiel der ε − t−Kurven von
Ti-2 bei 150oC. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
4.36 Darstellung der Ermittlung von tΔε = 0.05 anhand der ε − t−Kurven von
Ti-2 bei 150oC. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
4.37 Kriechzeit tε = 0.01 als Funktion von σ und T . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
4.38 T -normierte Kriechzeit tε = 0.01·exp(−Q/RT ) mit Q = 242 kJ/mol als Funk-
tion von σ/G. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
4.39 Kriechzeit tΔε = 0.01 als Funktion von σ und T . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
4.40 Mit Q = 242 kJ/mol normierte Kriechzeiten tε·exp(−Q/RT ) von Ti-2 als
Funktion von σ/G. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
4.41 Schematische Zusammenfassung der Zusammenhange zwischen σ, ε , T und
den Kriech- bzw. Relaxationszeiten fur Ti-2 im untersuchten T -Bereich fur
Versuche mit geringen Verformungsgraden (Spannungsrelaxation, Kriech-
beginn) und am stationaren Zustand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
4.42 Beschreibung des kontinuierlichen Wechselversuchs aus Abb. 4.14 mit dem
Modell aus Kap. 2.3.1. Links: Gemessene ε − ε− bzw. σ − ε−Verlaufe so-
wie die modellierte Evolution von σ∗ , σi, ρ und vg mit ε. Rechts: model-
lierter Zusammenhang zwischen vg und σ∗ (Symbole). . . . . . . . . . . . 71
4.43 Modellierung der Versuche aus Abb. 4.17: links) ε -Wechsel, rechts) σ-
Wechsel. Oben: Zusammenhang zwischen ε und ε. Mitte: Evolution von
σ, σi und σ∗ mit ε. Unten: fur die Modellierung angenommene Evolution
von ρ und daraus resultierender vg − ε−Verlauf (Symbole). Die Linien zei-
gen die vg −ε−Verlaufe, die aus den σ∗ −ε−Verlaufen und dem in Abb. 4.42
gezeigten vg − σ∗−Verlauf berechnet wurden. . . . . . . . . . . . . . . . . 72
4.44 Beschreibung des Versuchs bei 450oC und ε = 3 · 10−7/s aus Abb. 4.6 mit
dem Modell aus Kap. 2.3.1. Links: Gemessene ε − ε− bzw. σ − ε−Verlaufe
sowie die modellierte Evolution von σ∗ , σi, ρ und vg mit ε. Rechts: model-
lierter Zusammenhang zwischen vg und σ∗ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
4.45 Beschreibung des Versuchs bei 450oC und ε = 10−5/s aus Abb. 4.6 mit
dem Modell aus Kap. 2.3.1. Links: Gemessene ε − ε− bzw. σ − ε−Verlaufe
sowie die modellierte Evolution von σ∗ , σi, ρ und vg mit ε. Rechts: model-
lierter Zusammenhang zwischen vg und σ∗ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
151
Abbildungsverzeichnis
4.46 Zusammenhang zwischen normierter Verformungsgeschwindigkeit ε kB T/DGb
und normierter Spannung σ/G fur Rp,0.2 und Rp,ss sowie bei Spannungsre-
laxation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
5.1 Phasenstruktur des Ausgangszustandes von TiAl6V4 (REM) . . . . . . . . 79
5.2 Kornstruktur des Ausgangszustandes von TiAl6V4 (STEM). . . . . . . . . 80
5.3 Summenhaufigkeitsverteilung der Grenzlinienabstande wi von α− und β-
Phase im Ausgangszustand von TiAl6V4. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
5.4 Versetzungsstruktur des Ausgangszustandes (TEM) von TiAl6V4. . . . . . 82
5.5 Evolution des Verformungswiderstands von TiAl6V4. Oben: σ − ε−Kurven,
die bei den durch die horizontalen Linien im unteren Teilbild gekennzeich-
neten εmech gemessen wurden. Links: 150oC; rechts: 250oC. . . . . . . . . . 83
5.6 εmech − t−Kurven von TiAl6V4 im Zug bei 300 MPa und 150oC bzw. 250oC. 84
5.7 Oben: σ − ε−Kurven von TiAl6V4, die bei den durch die horizontalen Li-
nien im unteren Teilbild gekennzeichneten εmech gemessen wurden. Unten:
εmech − ε−Kurven, die bei den durch die horizontalen Linien im oberen
Teilbild gekennzeichneten σ gemessen wurden. Links: 350oC; rechts: 450oC. 85
5.8 Oben: σ − ε−Kurven von TiAl6V4, die bei den durch die horizontalen Li-
nien im unteren Teilbild gekennzeichneten εmech gemessen wurden. Unten:
εmech − ε−Kurven, die bei den durch die horizontalen Linien im oberen
Teilbild gekennzeichneten σ gemessen wurden. Links: 550oC; rechts: 650oC. 86
5.9 Untersuchung des Einflusses von Textur, Reibung und Warmebehandlung
auf das Verformungsverhalten von TiAl6V4. . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
5.10 εmech −Wechsel an TiAl6V4 bei verschiedenen T . . . . . . . . . . . . . . . . 89
5.11 ε−Wechsel an TiAl6V4 bei 250oC. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
5.12 ε−Wechsel an TiAl6V4 bei 450oC. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
5.13 ε−Wechsel an TiAl6V4 bei 650oC. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
5.14 σ−Wechsel an TiAl6V4 bei verschiedenen T . Oben: 450oC, unten: 550oC
und 650oC. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
5.15 Streckgrenze von TiAl6V4. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
5.16 Nahe-stationarer Zusammenhang zwischen ε und σ von TiAl6V4; bestimmt
bei ε = 0.5. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
5.17 Zusammenhang zwischen normierter Verformungsgeschwindigkeit ε kB T/DGb
und normierter Spannung σ/G nahe dem stationaren Zustand von TiAl6V4. 97
5.18 Langsschliff (REM) der bei 300 MPa und 450oC bis ε = 0.24 verformten
Zugprobe aus Abb. 5.7. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
5.19 Langsschliff (STEM) der bei 10−3/s und 450oC bis ε = 0.80 verformten,
Verfestigung zeigenden TiAl6V4-Druckprobe aus Abb. 5.7 (Stab B). . . . . 99
5.20 Langsschliff (STEM) der bei 75 MPa und 550oC bis ε = 0.33 verformten,
Entfestigung zeigenden TiAl6V4-Druckprobe aus Abb. 5.8 (Stab B). . . . . 100
5.21 Summenhaufigkeitsverteilung der Grenzflachenabstande von TiAl6V4 nach
Verformung. Oben: α-Phase; unten: β-Phase. . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
152
Abbildungsverzeichnis
5.22 Zusammenhang zwischen σ bzw. εmech und εmech im spannungskontrollier-
ten Relaxationsversuch an TiAl6V4 bei 450oC und σ0 = 300 MPa. . . . . . 103
5.23 Zusammenhang zwischen σ und akkumulierter elastischer Ruckdehnung
wahrend der Entlastung,∑
Δεel,i, bzw. akkumulierter inelastischer Vorwarts-
verformung nach der Entlastung,∑
Δεinel,i, im Versuch an TiAl6V4 aus
Abb. 5.22. Die gestrichelte Linie zeigt die elastische Reaktion der Probe. . 104
5.24 Zusammenhang zwischen εmech (oben) bzw. σ (unten) und t im spannungs-
kontrollierten Relaxationsversuch an TiAl6V4 bei 450oC. . . . . . . . . . . 105
5.25 εinel − σ−Zusammenhang im σ−kontrollierten Relaxationsversuch von Ti-
Al6V4. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
5.26 σ − εmech−Kurven von TiAl6V4 bei Belastung auf die Startpunkte der
(dehnungsgeregelten) Spannungsrelaxationsmessung bei 450oC (oben) und
650oC (unten). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
5.27 Gemessener Zusammenhang zwischen σ und tRel wahrend der (dehnungs-
geregelten) Spannungsrelaxation von TiAl6V4 bei 450oC und 650oC. . . . . 108
5.28 Aus dem σ − tRel−Verlauf in Abb. 5.27 bestimmter σ − σ−Zusammenhang
wahrend der (dehnungsgeregelten) Spannungsrelaxation von TiAl6V4. . . . 109
5.29 Mit Gl. (3.5) berechneter εinel − σ−Zusammenhang wahrend der dehnungs-
geregelten Spannungsrelaxation von Ti-2 bei 450oC und 650oC. . . . . . . . 110
5.30 Bei dehnungskontrollierter (offene Kreise) bzw. spannungskontrollierter (Qua-
drate) Versuchsfuhrung gemessener εinel − σ−Zusammenhang wahrend der
Spannungsrelaxation von TiAl6V4 bei 450oC und 650oC. . . . . . . . . . . 112
5.31 Zusammenhang zwischen σ und tRel wahrend der Spannungsrelaxation von
TiAl6V4 bei 450oC und 650oC. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
5.32 σ als Funktion der T -normierten Relaxationszeit tRel · exp(−Q/RT ) der in
Abb. 5.31 gezeigten Versuche an TiAl6V4. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
5.33 Kriechzeiten tε = 0.003 (links) und tε = 0.01 (rechts) als Funktion von σ und T . 114
5.34 T -normierte Kriechzeiten tε·exp(−Q/RT ) (mit Q = 242 kJ/mol) von Ti-
Al6V4 als Funktion von σ/G. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
5.35 Mikrostrukturelle Abstande als Funktion von σ/G fur TiAl6V4. . . . . . . 118
5.36 Zusammenhang zwischen normierter Verformungsgeschwindigkeit ε kB T/DGb
und normierter Spannung σ/G. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
A.1 Zusammenhang zwischen vg und σ∗ unter stationaren Bedingungen fur
Ti-2 bei 450oC. Die dicken Linien stellen den im Modell benutzten vg-σ∗ -
Zusammenhang dar. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
A.2 Variation von ε , σ, σi, σ∗ , ρ−0.5sgl und ρ−0.5
dip mit ε. Kreise: Experiment, dunne
Linien: modellierte Kriechkurven von Ti-2 bei 450oC und 50 MPa ≤ σ ≤300 MPa. Die dicken Linien sind die Modellkurven fur 450oC und 200 MPa. 129
A.3 Normierter stationarer ε − σ−Zusammenhang bei Ti-2. . . . . . . . . . . . 131
A.4 Modellierte stationare Versetzungsabstande in Ti-2 als Funktion von σ/G. 132
A.5 Kriechkurven von TiAl6V4 bei 450oC. Symbole: Experiment, Linien: Modell.134
153
Abbildungsverzeichnis
A.6 Normierter stationarer ε − σ−Zusammenhang bei TiAl6V4 Symbole kenn-
zeichnen die experimentellen Daten, die dicken Linien die bei verschiedenen
T modellierten stationaren Verlaufe bei viskoser (m = 1) bzw. sprunghafter
(m = 30) Versetzungsbewegung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
A.7 Modellierte stationare Versetzungsabstande in TiAl6V4 als Funktion von
σ/G. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
C.1 Zusammenhang zwischen ε und ε fur Ti-2 bei 250oC. . . . . . . . . . . . . 141
C.2 Zusammenhang zwischen ε und ε fur Ti-2 bei 350oC. . . . . . . . . . . . . 141
C.3 Zusammenhang zwischen σ und ε fur Ti-2 bei 250oC. . . . . . . . . . . . . 142
C.4 Zusammenhang zwischen σ und ε fur Ti-2 bei 350oC. . . . . . . . . . . . . 142
C.5 Zusammenhang zwischen ε und t fur Ti-2 bei 150oC. . . . . . . . . . . . . 143
C.6 Zusammenhang zwischen ε und t fur Ti-2 bei 250oC. . . . . . . . . . . . . 143
C.7 Zusammenhang zwischen ε und t fur Ti-2 bei 350oC. . . . . . . . . . . . . 144
C.8 Zusammenhang zwischen ε und t fur Ti-2 bei 450oC. . . . . . . . . . . . . 144
154
Symbolverzeichnis
Symbol Beschreibung
α Versetzungswechselwirkungskonstante
A Faktor zur Anpassung der normierten Kriechzeiten
b Lange des Burgers Vektors
B temperaturabhangiger Proportionalitatsfaktor im vg − σ∗−Zusammenhang
B0 Proportionalitatskonstante im vg − σ∗−Zusammenhang
Bvisc temperaturabhangiger Proportionalitatsfaktor im viskosen vg − σ∗−Zusammenhang
c Fremdatomkonzentration
c0 Fremdatomkonzentration im Ausgangszustand
cdip Gewichtungsfaktor fur Dipole
cV Konzentration von Vanadium in TiAl6V4
c Anpassungsparameter fur Reibungskorrektur
d Korngroße
d0 Korngroße im Ausgangszustand
ddip kritischer Dipolabstand
dspon Versetzungsabstand fur spontane Annihilation
D Diffusionskoeffizient
DTi Koeffizient der Selbstdiffusion von Titan
DO Diffusionskoeffizient von Sauerstoff in Titan
DV Diffusionskoeffizient von Vanadium in Titan
Dsol Diffusionskoeffizient des Fremdatoms in der Matrix
ε Verformung / Dehnung
εa relativer Großenunterschied zwischen Mischkristall- und Matrixatom
εanel anelastische Dehnung
εel,App Beitrage der Verformungsapparatur zur elastischen Dehnung
εel,Pr elastische Dehnung der Probe
εel elastische Dehnung
εinel inelastische Dehnung
εκ geometriebereinigte Dehnung bei Reibungskorrektur
155
Symbolverzeichnis
εld Belastungsdehnung
εmech mechanische Dehnung
εpl plastische Dehnung
E Elastizitatsmodul
EApp Elastizitatsmodul der Apparatur
E∗ effektiver Elastizitatsmodul
ε (plastische) Verformungsgeschwindigkeit
εel elastische Verformungsgeschwindigkeit
εinel inelastische Verformungsgeschwindigkeit
εmech mechanische Verformungsgeschwindigkeit
f450oC Faktor zur Temperaturnormierung der Kriechkurven von Ti-2
FCum Summenhaufigkeit
G Schubmodul
kB Boltzmannkonstante
kdip Konstante (beeinflusst Dipoleinfangquerschnitt)
kλ Proportionalitatskonstante fur Gleitweg einer Versetzung
kρ Konstante der Versetzungsevolution
κ Schlankheitsgrad einer Probe
κ0 Schlankheitsgrad einer unverformten Probe bei Versuchstemperatur
κ0,RT Schlankheitsgrad einer unverformten Probe bei Raumtemperatur
l Probenlange
l0 Probenlange im unverformten Zustand bei Versuchstemperatur
l0,RT Probenlange im unverformten Zustand bei Raumtemperatur
Λ+ Versetzungslaufweg
m Spannungsexponent der Gleitgeschwindigkeit der Versetzungen
M Taylor-Faktor
n Spannungsexponent der makroskopischen Verformungsgeschwindigkeit
ncs Spannungsexponent bei konstanter Struktur
ng Anzahl der aktiven Gleitsysteme
nt Spannungsexponent der Kriechzeit
p Anpassungsparameter fur Reibungskorrektur
Pm Materialparamter
Q Aktivierungsenergie
R Allgemeine Gaskonstante
Rp Widerstand gegen plastische Verformung
Rp,0.2 Streckgrenze, 0,2%-Dehngrenze
Rp,max maximaler Verformungswiderstand
Rp,ss Verformungswiderstand am stationaren Zustand
156
r1 innerer Abschneideradius des Spannungsfelds einer Versetzung
r2 außerer Abschneideradius des Spannungsfelds einer Versetzung
ρ Versetzungsdichte
ρ0 Ausgangsversetzungsdichte
ρdip Dichte der Versetzungen in Dipolkonfiguration
ρsgl Dichte der Single-Versetzungen
ρsgl Dichte der Single-Versetzungen
ρ−0.5 Versetzungsabstand
ρ−0.5dip Abstand der Dipole
ρ−0.5sgl Abstand der Single-Versetzungen
ρ∞ stationare Versetzungsdichte
ρ∞,j stationare Versetzungsdichte bei sprunghafter Versetzungsbewegung
ρ∞,v stationare Versetzungsdichte bei viskoser Versetzungsbewegung
ρ Rate der Versetzungsdichtenanderung
ρdip Rate der Anderung der Dichte von Dipolen
ρ−dip,c Rate der Vernichtung von Dipolen durch Kletterprozesse
ρ−dip,spon Rate der Vernichtung von Dipolen durch spontane Annihilation
ρ+dip Dipolerzeugungsrate
ρ−dip Dipolvernichtungsrate
ρsgl Rate der Anderung der Dichte von Single-Versetzungen
ρ+sgl Rate der Erzeugung von Single-Versetzungen
ρ−sgl Rate der Vernichtung von Single-Versetzungen
ρ−sgl,spon Rate der Vernichtung von Single-Versetzungen durch spontane Annihilation
S Probenquerschnittsflache
S0 Probenquerschnittsflache im unverformten Zustand
S⊥k versetzungsstrukturelle Mikrostrukurgroßen
SRl nicht-versetzungsstrukturelle Mikrostrukturparameter
σ Spannung
σi athermische Spannungskomponente
σknick Spannung am Ubergang zwischen viskoser und sprunghafter Versetzungsbewegung
σnom verformungswirksamer Anteil der anliegenden Spannung
σ0 Startspannung bei Spannungsrelaxation
σ∗ effektive Spannung
σ Rate der Spannungsanderung wahrend der Spannungsrelaxation
Sjm Anderungsrate der Mikrostruktur
t (Kriech-)Zeit
T Temperatur
tε Kriechzeit bis zur Dehnung ε incl. Belastungsdehnung
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Symbolverzeichnis
tRel Relaxationszeit
tΔε Kriechzeit bis zur Dehnung Δε im Anschluss an die Belastung
Θ Orientierungsunterschied
θ Verfestigungsrate
vc Klettergeschwindigkeit einer Versetzung
vg Gleitgeschwindigkeit einer Versetzung
ν Poisson’s Zahl
w Subkorngroße
wi Sehnenlange
wα (Sub-)Korngroße der α-Phase in TiAl6V4
wβ (Sub-)Korngroße der β-Phase in TiAl6V4
Wm Bindungsenergie zwischen Versetzung und Fremdatom
ZD Zener-Hollomon-Parameter
Ω Atomvolumen
EBSD Electron Back Scatter Diffraction
LM Lichtmikroskopie
REM Rasterelektronenmikroskopie
RT Raumtemperatur
STEM Raster-Transmissionselektronenmikroskopie
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Danksagung
Ohne die Mitwirkung zahlreicher Personen ware die vorliegende Arbeit in dieser Form
sicherlich nicht moglich gewesen. Daher mochte ich hier die Gelegenheit nutzen und allen
danken, die mich in all den Jahren unterstutzt haben.
• Meinen allerbesten Dank an meinen Doktorvater Prof. W. Blum fur die Ubernah-
me der Betreuung dieser Arbeit, die vielen anregenden Diskussionen und die große
Unterstutzung sowohl im fachlichen als auch im menschlichen Bereich.
• Bei meinen ehemaligen Gruppenkollegen mochte ich mich fur die vielen interessanten
Diskussionen und das stets gute Arbeitsklima bedanken. Besonders hervorheben
mochte ich die Herren M. Weiße, P. Weidinger, B. Watzinger und P. Eisenlohr, die
auf unterschiedlichsten Gebieten inspirierend auf mich einwirkten.
• Dank auch an Frau Y. Li und Herrn F. Hebner, die meine Arbeit an Titan durch ihre
Forschungen erganzt und zum Verstandnis der Verformung von Titan maßgeblich
beigetragen haben.
• Besonderer Dank an unseren Gruppentechniker Herrn W. Maier, durch dessen Un-
terstutzung viele Experimente uberhaupt erst moglich wurden.
• An dieser Stelle mochte ich mich bei allen anderen Professoren, Assistenten, Kolle-
gen, Diplomanden und Technikern bedanken, die zur angenehmen Atmosphare am
Institut beigetragen haben und stets auch in kleinen und großen Dingen gerne ihre
Unterstutzung anboten. Insbesondere den Sekretarinnen Frau R. Graham und Frau
W. Kranzlein herzlichen Dank dafur, dass sie immer etwas Licht in den Dschungel
der Burokratie gebracht haben.
• Vielen Dank auch an die Bayerische Forschungsstiftung fur die finanzielle Unterstutzung
und die AUDI AG fur die stets fruchtbare Zusammenarbeit. Hier mochte ich vor
allem die Herren C. Haberling und B. von Großmann lobend erwahnen.
• Letztendlich gebuhrt großer Dank auch meinen Eltern, die mir uberhaupt erst das
Studium der Werkstoffwissenschaften ermoglicht haben.
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Danksagung
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Lebenslauf
Personliches
Name Falk Breutinger
Geburtsdatum 1. April 1967
Geburtsort Bamberg, Deutschland
Nationalitat deutsch
Schulausbildung
1973 – 1977 Volksschule Wunderburg, Bamberg
1977 – 1986 Dientzenhofer-Gymnasium, Bamberg
1986 Abitur
Zivildienst
1989 – 1991 Zivildienst beim Caritas-Verband fur den Landkreis Bamberg
im Bereich des Mobilen Sozialen Hilfsdienstes
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Lebenslauf
Universitare Ausbildung
1986 – 1989 Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universitat Bam-
berg; Vordiplom
1991 – 1997 Studium der Werkstoffwissenschaften an der Universitat
Erlangen-Nurnberg
Schwerpunkte:
- Allgemeine Werkstoffeigenschaften
- Werkstoffkunde und Technologie der Metalle
- Korrosion und Korrosionsschutz
1997 Diplom
Berufslaufbahn
1997 – 2003 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut fur Allgemeine
Werkstoffeigenschaften (IWW1) der Universitat Erlangen-
Nurnberg
seit 2003 Ingenieur im Bereich Versuch/Entwicklung (Lager- und Fahr-
zeugtechnik) bei INA-Schaeffler KG in Herzogenaurach
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