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Verraten sich Lügner über ihre Mimik? _____________________________________________________________________________ Einfluss von Stress und Geschlechtsspezifität “Most often lies fail because some sign of an emotion being concealed leaks. The stronger the emotions involved in the lie, and the greater the number of different emotions, the more likely it is that the lie will be betrayed by some form of behavioral leakage.” Paul Ekman, Telling Lies: Clues to Deceit in the Marketplace, Politics, and Marriage Karl - Ziegler - Schule 2015/2016 Psychologie Grundkurs (Ps1) Frau Koschel Hana Alaj Abgabe: 15.02.2016

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Page 1: Verraten sich Lügner über ihre Mimik?...menschliche Lügendetektor Paul Ekman in seinem Werk „Telling Lies“ erklärt: “Lying is such a central characteristic of life that better

Verraten sich Lügner

über ihre Mimik?_____________________________________________________________________________

Einfluss von Stress und Geschlechtsspezifität

“Most often lies fail because some sign of an emotion being concealed leaks. The stronger the

emotions involved in the lie, and the greater the number of different emotions, the more likely

it is that the lie will be betrayed by some form of behavioral leakage.”

―Paul Ekman, Telling Lies: Clues to Deceit in the Marketplace, Politics, and Marriage

Karl - Ziegler - Schule

2015/2016

Psychologie Grundkurs (Ps1)

Frau Koschel

Hana Alaj

Abgabe: 15.02.2016

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Vorwort

Das Thema dieser Facharbeit lässt sich in den psychologischen Bereich der

Emotionspsychologie einordnen. Die Emotionspsychologie ist definiert als „das

Teilgebiet der wissenschaftlichen Psychologie, das sich mit den menschlichen

Emotionen [...] beschäftigt.“1

Im Zuge der Forschungen in der Emotionspsychologie stieß man auf den

Zusammenhang zwischen Mimik und Emotionen und hinterfragte diesen. Grundsätzlich

werden Emotionen als Verhalten eines psychophysischen Musters angesehen, die –

durch Reiz(-Situationen) hervorgerufen – aktivierend auf das Zentrale Nervensystem

und verändernd auf die Physiologie wirken, sowie in Form von einer bestimmten

Körperhaltung, Gestik und Mimik ausdrückt werden.

Das Prinzip der emotionalen Intelligenz, d.h. die Fähigkeit sowohl eigene als auch die

Gefühle und Emotionen des Gegenübers wahrzunehmen, richtig zu interpretieren und

dementsprechend zu handeln, besteht von Grund auf. Das Faszinierende ist, sich nun

dieses Prinzip zu Nutze zu machen. Die Forschung beschäftigt sich beispielsweise mit

der Erkennung von Lügen anhand der Mimikanalyse.

Die Frage, ob Lügner tatsächlich über eine Analyse ihrer Mimik entlarvt werden

können, ergab sich für mich bereits viel früher, als der deutsche Fernsehsender VOX

begonnen hatte, die amerikanische Crime- Serie „Lie To Me“ auszustrahlen. Nicht ohne

Grund schrieb Daniel Haas im Kulturteil von SPIEGEL ONLINE in seinem Artikel

„TV- Serie 'Lie To Me': Du hast ja Lügen im Gesicht“2, dass die Sendung nicht nur dem

Entertainment diene, sondern auch lehrreich sei, denn diese Methode, Lügner -

insbesondere potentielle Täter während eines Verhörs durch eine Analyse ihrer Mimik

„auffliegen zu lassen“, beruht auf den Erkenntnissen des US- Emotionspsychologen

Paul Ekman.

Auf Paul Ekman selbst wurde ich erst später aufmerksam. Mein Interesse an

Verhörmethoden, vor allem an denjenigen, deren Erklärungskonstrukt auf

psychologischen und medizinischen Theorien basiert, stieg umso mehr, sodass ich die

Thriller von Cody McFaddyan zu lesen begann. In den Romanen war des Öfteren von

der Methode des Neurolinguistischen - Programmierens (NLP) die Rede, was mich

neugierig machte und zu Eigenrecherchen anregte. Je mehr ich las, umso besser konnte

ich mir Zusammenhänge erschließen, worin diese psychophysischen Verhaltensweisen

1http://methoden.psychologie.uni-

greifswald.de/Frib2012/Folien/02_Emotionspsychologie_Emotionsdefinition.pdf (Stand: 27.12.2015)

2 http://www.spiegel.de/kultur/tv/tv-serie-lie-to-me-du-hast-ja-luegen-im-gesicht-a-682640.html (Stand:

27.12.2015)

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ihren Ursprung fanden. Als leidenschaftliche Sanitäterin, welche über den menschlichen

Körper und dessen Regulation und Mechanismusprozesse zu Staunen weiß, wurde mir

das Thema immer lieber.

Ein großes Dankeschön geht an den Technik- und Physiklehrer, sowie Dozenten des

Schulsanitätsdienstes Herrn Großkamp, welcher es mir ermöglichte, mein Experiment

in einem separaten Raum der Schule durchzuführen und mir das notwendige technische

Equipment zur Verfügung gestellt hat.

Auch ein Dankeschön geht an meine Psychologielehrerin Frau Koschel, welche mich in

jedem Schritt meines Vorhabens beraten und unterstützt hat.

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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung …................................................................................................ 5

2. Forschungsstand …......................................................................................6

2.1 Mimik und Emotionen: wissenschaftliche Grundlagen ….................... 6

2.1.1 Universalitätshypothese Darwins …...................................................6

2.1.2 Das limbische System ….................................................................... 7

2.1.3 Mikroexpressionen: Tomkins, Ekman, Haggard und Isaacs ….......... 7

2.1.4 Das Facial Action Coding System (FACS) nach Paul Ekman …....... 8

2.1.4.1 Hypothesen über die Kohärenz mimischen Ausdrucks

und Emotionen …............................................................................ 9

2.1.4.1.1 Probleme der Mimikforschung ….................................................10

3. Begriffserklärung ….................................................................................... 10

3.1 Mikroexpression, Makroexpression und subtile Expression …........... 10

3.2 Definition Lüge …................................................................................. 12

4. Was die Mimik über Lügner verrät …......................................................... 12

4.1 Die drei Meta – Emotionen nach Dirk W. Eilert …...............................12

4.2 Die Leakage Hierarchy …..................................................................... 13

5. Das Experiment: Was die Mimik über den Wahrheitsgehalt kund gibt ….. 13

5.1 Fragestellung und Hypothese …........................................................... 13

5.2 Methode …............................................................................................ 13

5.3 Festlegen der Variablen …..................................................................... 14

5.4 Versuchspersonen …..............................................................................15

5.5 Versuchsmaterial und -aufbau …........................................................... 15

5.6 Versuchsablauf ….................................................................................. 16

5.7 Beobachtung, Ergebnisse und Interpretation......................................... 16

6. Kritische Reflexion….................................................................................. 19

6.1 Bewertung des Experiments anhand der Testgütekriterien …............... 20

6.2 Fazit …...................................................................................................21

7. Literaturverzeichnis …................................................................................ 22

8. Anhang ….................................................................................................... 24

9. Schlusserklärung …..................................................................................... 31

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1. Einleitung

Das Ziel dieser Arbeit ist es, die entwickelte Fragestellung, ob Lügner entlarvt werden

können, experimentell zu untersuchen und die Ergebnisse fachgerecht unter

Hinzuziehung emotionspsychologischer Theorien und Annahmen zu interpretieren und

zu begründen.

Die Anwendung der Mimikanalyse erstreckt sich über ein breites Spektrum; so findet

sie sowohl im privaten als auch im beruflichen Alltag Verwendung. Dirk W. Eilert

definiert in seinem Buch „Mimikresonanz“ den Begriff der Mimikresonanz, als „ein

praxisorientiertes Konzept, um die Fähigkeit zu verbessern, in guten Kontakt mit

unseren Gesprächspartnern zu kommen und deren Gefühle und Wünsche noch besser

wahrzunehmen.“3 In dieser Definition bereits enthalten sind die verschiedenen

Anwendungszwecke: Mimikresonanz kann nicht nur den Kommunikationserfolg und

die Gesprächsdynamik begünstigen, sondern kann ebenso in der Kundenberatung

eingesetzt und beispielsweise den Verkaufserfolg fördern. Zudem kann Mimkresonanz

Schutz bieten, indem z.B. Lügen entlarvt werden. Dies dient nicht nur zum eigenen

Schutz, sondern auch Ärzte können so erkennen, ob der Patient, welcher vorgibt, keine

Schmerzen zu haben und auf eine Entlassung hofft, auch tatsächlich beschwerdefrei ist.

Dadurch, dass Emotionen – wie auch später besser deutlich wird – unser Leben prägen,

erklärt sich auch die Wichtigkeit dieser Problematik und die Nützlichkeit der

Errungenschaften von Forschungen auf dem Gebiet der Mimikresonanz; oder wie der

menschliche Lügendetektor Paul Ekman in seinem Werk „Telling Lies“ erklärt: “Lying

is such a central characteristic of life that better understanding of it is relevant to almost

all human affairs.”4

Auf die Mimik selbst verlassen sich Forscher nicht, wenn es beispielsweise um das

Aufspüren von Lügen geht; man betrachtet jede Veränderung, die nach außen erkennbar

wird. Für den Umfang einer schulischen Facharbeit ist bereits die Mimikanalyse sehr

umfassend, sodass auf andere Merkmale später nur kurz eingegangen wird.

Die folgende Arbeit ist so strukturiert, dass zunächst Auskunft über den

Forschungsstand gegeben und die wissenschaftlichen Grundlagen erläutert werden,

wesentliche Fachterminologie erklärt und mit dem eigenen Experiment abgeschlossen

wird.

3 EILERT, Dirk: Mimikresonanz: Gefühle lesen. Menschen verstehen, Paderborn 2013, S. 20

4 EKMAN, Paul: Telling Lies: Clues to Deceit in the Marketplace, Politics, and Marriage (Revised

Edition), printing place USA 2009³, S. 23

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2.Forschungsstand

Die Forschung ist bereits soweit, dass sie belegen kann, wie Emotionsverarbeitung und

Mimik miteinander korrespondieren und weshalb die Mimik bei der Erkennung von

menschlichen Gefühlen als das zuverlässigste Indiz gilt.

2.1 Mimik und Emotionen: wissenschaftliche Grundlagen

Um den Zusammenhang zwischen Mimik und Emotionen zunächst einfacher zu

verstehen, schaue man sich die wissenschaftliche Definition von Emotionen an; diese

sind als Verhalten eines psychophysischen Musters zu verstehen, welche in Form von

einer bestimmten Körperhaltung, Gestik und Mimik ausgedrückt werden. Dabei werden

Emotionen nicht ferner als im Gesicht am konkretesten deutlich.

2.1.1 Universalitätshypothese Darwins

Die Forschung reicht zurück bis zu Zeiten des Evolutionsbiologen Charles Darwin,

welcher als Erster erkannte, dass „[d]ie Bewegungen der Mimik [...] die Gedanken und

Absichten eines Menschen mehr als Worte [enthüllen].“5 Im 19. Jahrhundert hinterfragte

Darwin die Funktion, die der mimische Ausdruck erfüllt und stellte fest, dass der

„mimische Ausdruck […] das Ziel hat, unsere Mitmenschen darüber zu informieren,

wie es uns emotional geht.“6 Diese Annahme setzt das Vorhandensein von Emotionen

elementarer Form, welche nicht kulturell bedingt, sondern genetisch veranlagt sind,

voraus. Es folgte die Universalitätshypothese Darwins, welche besagt, dass eindeutig

differenzierbare Emotionen sich kulturübergreifend gleich im Gesicht ausdrücken.

Diese Hypothese Darwins wurde später von den Hauptvertretern Tomkins, Ekman und

Izard aufgegriffen. Aufbauend auf Darwins Hypothese führte Silvan Tomkins erstmals

den Begriff der Basisemotionen ein, mit welchem sich die künftige Forschung nun

ausgiebig auseinandersetzte. Unter den Basisemotionen verstanden die Forscher

diejenigen Emotionen, die „[...] als grundlegend angesehen und [...] kulturübergreifend

beobachtbare mimische Ausdrucksmuster postuliert [werden].“7

In diesem Zuge unternahm Ekman eine Forschungsreise und erarbeitete sieben

Basisemotionen heraus: Angst, Überraschung, Ärger, Ekel, Verachtung, Trauer und

Freude.

5 DARWIN, Charles: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren,

Stuttgart 1877³, Übersetzung von Victor Carus. Originaltitel: The Expression of the Emotions in Man and

Animals, 1872

6 EILERT, Dirk: Mimikresonanz: Gefühle lesen. Menschen verstehen, Paderborn 2013, S. 35

7 BRANDSTÄTTER, Veronika: Handbuch der Allgemeinen Psychologie – Motivation und Emotion,

2009, S. 424

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2.1.2 Das limbische System

Um jetzt das - durch den oberen Teil erlangte - Grundverständnis auszubauen und die

physiologische Ursache zu verstehen, weshalb sich Emotionen in der Mimik ausdrücken

und damit im Gesicht am zuverlässigsten erkennbar sind, soll ein kleiner Exkurs in die

Neurologie Einblicke in wesentliche Strukturen des menschlichen Gehirns und dessen

Funktionen verschaffen. Das Gehirn ist in verschiedenen Lappen unterteilt. Das in der

stammesgeschichtlichen Entwicklung sehr alte Teil des Gehirns, das limbische System,

befindet sich im Bereich der Temporallappen, umschließt das Mittelhirn ringförmig und

grenzt an den Thalamus und Hypothalamus. Dieses wird auch als Emotionszentrum

bezeichnet, denn neben der Steuerung des Antriebsverhaltens, Gedächtnisses usw. ist

die Steuerung von Emotionen durch das limbische System dessen Hauptfunktion. Das

Emotionszentrum bzw. das limbische System ist mit der mimischen Muskulatur, einer

Muskelgruppe in der Gesichtsregion, verknüpft. Eine ausgelöste Emotion, gesteuert von

unserem limbischen System, aktiviert unsere mimische Gesichtsmuskulatur, mit

welcher es gewissermaßen „verdrahtet“ ist. Dieser Zusammenhang belegt die Existenz

elementarer Emotionen bzw. Basisemotionen.

Bild 1 Bild 2

2.1.3 Mikroexpressionen: Tomkins, Ekman, Haggard und Isaacs

Wirft man einen flüchtigen Blick auf Bild 2, so erkennt man sehr kleine und große

Muskelgruppen des Gesichts. Der mimische (Gesichts-)Ausdruck entsteht dadurch, dass

einzelne Muskelgruppen aktiviert werden.

Vielmehr zufällig als beabsichtigt entdeckten die Psychologen Ernest A. Haggard und

Kenneth S. Isaacs beim Menschen äußerst schnelle Gesichtsausdrücke, von nur 125-200

Millisekunden Dauer; ihre Entdeckung veröffentlichten sie 1966. Haggard und Isaacs

stießen auf diese Entdeckung, als sie Videoaufzeichnungen von Psychotherapie-

Sitzungen in Zeitlupengeschwindigkeit auf nonverbale Kommunikation zwischen

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Therapeut und Patient untersuchten.

Aufgrund der Tatsache, dass Emotionen den mimischen Ausdruck bzw. eine Expression

herbeirufen und diese Expression von sehr kurzer Dauer ist, spricht man von

Mikroexpressionen. Folgerichtig sind diese Mikroexpressionen kongruent zu unserem

emotionalen Befinden, allerdings inkongruent zu dem „[...] verbalen Inhalt des

Gesagten der Botschaft“8; diese beiden widersprechen sich vorwiegend.

Unabhängig von Haggards und Issacs Entdeckung drei Jahre zuvor, trafen Paul Ekman

und Wallace Friesen durch den Fall Mary auf dieselbe Beobachtung. An einer

medizinischen Universität hielt Ekman ein Seminar für künftige Psychiater, in welchem

er die Ergebnisse seiner Forschung darlegte. Für die Mediziner von Interesse war jedoch

die Fragestellung, woran erkennbar ist, ob ein Patient, der von Beschwerden geplagt

und auf eine Entlassung hofft, die Wahrheit über sein Befinden kund gibt. Um dieser

Frage nachzugehen, nutzte Ekman seine Videoaufzeichnungen des letzten Jahres, als er

vor laufender Kamera mit psychiatrischen Patienten ein Gespräch führte. Ekman führte

das erste Gespräch mit den Patienten durch, als sie im Krankenhaus aufgenommen

wurden, das zweite Gespräch, als es ihnen besser ging und das dritte und letzte

Gespräch eine Woche vor ihrer Entlassung.

Der Fall Mary war Ekmans Schlüssel zum Erfolg. Von Patienten Mary war bereits

bekannt, dass sie in der Vergangenheit gelogen hatte. Sie gab vor, kurz nach ihrer

erhofften Entlassung ihre Familie besuchen zu wollen. Später beichtete sie, sie habe

vorgehabt, sich das Leben zu nehmen. Um Indizien solcher Täuschungen zu finden,

zerlegten Ekman und Friesen ein Video von zwölf Minuten Dauer, auf welchem ein

Gespräch mit Patientin Mary aufgezeichnet war, in 100 Stunden. Mikroexpressionen

von Angst, die nur 80 Millisekunden andauerten und auftraten, als Mary über ihre

Zukunftspläne befragt wurde, konnten eindeutig bestimmt werden.

2.1.4 Das Facial Action Coding System (FACS) nach Paul Ekman

Ekmans Forschungen zu den Basisemotionen und ihren kulturübergreifenden

Erkennungsmerkmalen, als auch die Entdeckung der Mikroexpressionen, ermöglichte

die Interpretation mimischer Gesichtsausdrücke.

Auf die Frage, wie Emotionen gemessen werden könnten, entwickelte er gemeinsam

mit Wallace Friesen das Facial Action Coding System (FACS), ein Kodierungssystem

für menschliche Gesichtsausdrücke, welches 1978 zuerst publiziert wurde.

Auch ist das FACS bekannt als die Enzyklopädie, das Alphabet oder der Atlas der

menschlichen Mimik. Bei seinem Vergleich verschiedener Messverfahren mimischer

8 EILERT, Dirk: Mimikresonanz: Gefühle lesen. Menschen verstehen, Paderborn 2013, S. 37

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Aktivitäten zieht Hager (1985) das FACS hinzu und beleuchtet dabei die Vorteile: Das

700 Seiten umfassende Buch des FACS ist gänzlich publiziert und im Kaufhandel

erwerbbar.

Weiter ist es „[...] insofern umfassend, als [dass] es eine genaue Beschreibung von Art

und Dauer praktisch aller mimischen Bewegungen (Aktionseinheiten – action units)

anhand eines differenzierten Klassifizierungssystems

ermöglicht.“9 Das FACS beruht auf allen mimischen Bewegungen, welche „anatomisch

möglich[...] und optisch differenzierbar[...]“10 sind. Eine „action unit“ oder

Aktionseinheit meint eine mimische Bewegungseinheit, bewirkt durch einen Muskel

oder mehrere Muskeln; in dem FACS wird eben dieser Muskel oder die Kombination

mehrerer Muskel der jeweiligen Aktionseinheit zugeordnet. Überdies, berücksichtigt

dieses Kodierungssystem, dass sich Aktionseinheiten reziprok beeinflussen können und

führt daher minimale Bedingungen auf, welche für die Kodierungen vieler oder

vereinzelter Aktionseinheiten gelten. Dadurch ist die Reliabilität des FACS gesichert

und bewiesen.

Die tabellarische Form (s. Anhang „Die wichtigsten Aktionseinheiten des FACS“) zeigt

die Struktur dieses Kodierungssystems: Jeder Aktionseinheit wird eine Nummer (z.B.

1), die Art der mimischen Bewegung (z.B. „Inner Brow Raiser“ - innere Augenbrauen

hochziehen) und die an der Bewegung beteiligten Muskel(-Gruppen) (z.B. frontalis,

pars medialis) zugeordnet.

Bei der Anwendung des FACS auf das eigene Experiment im weiteren Verlauf der

Arbeit findet für eine spezifische Aktionseinheit die Abkürzung „AU“, gefolgt von der

entsprechenden Nummer, Verwendung (bspw. AU 9 für „Nose Wrinkler“, Nase

rümpfen).

2.1.4.1 Hypothesen über die Kohärenz mimischen Ausdrucks und Emotionen

Der physiologische Zusammenhang zwischen Emotionen und Mimik wurde zuvor

bereits erläutert. Ekman und Friesen liefern auch zu diesem Zusammenhang Befunde

und formulierten Annahmen darüber, durch welche mimischen Bewegungen eine

Emotion ausgedrückt wird. Auch diese „mimischen Indikatoren von Emotionen“11

hielten Ekman und Friesen in tabellarischer Form fest. Dabei wird z.B. der Emotion

Freude, eine Kombination mehrerer Aktionseinheiten zugeordnet. Eine solche

Kombination von mindestens zwei zeitgleich erscheinenden Aktionseinheiten, wird als

9 KOHLHAAS, Armin: Mimisches Verhalten, kardiovaskuläre Reaktion und Emotionen von

Grenzwerthypertonikern im Interview, Hamburg 1991, S. 45

10 Siehe Fußnote 8

11 Siehe Fußnote 8, S.47

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mimisches Ereignis definiert. Dieses „[...] wird durch „AU“ gefolgt von den mit

[einem] „+“ verbundenen Nummern der Aktionseinheiten abgekürzt (z.B. AU 6+12 für

Lächeln).“12 Untersuchungen mittels Elektromyographie (EMG) - einem

neurophysiologischen Untersuchungsverfahren, bei welchem durch aufgeklebte

Elektroden (Oberflächen- EMG) oder kleine, in die Muskeln eingestochene Nadeln

(Nadel- EMG) die elektrische Spannung in einem Muskel gemessen wird - beweisen

einige der Annahmen von Ekman und Friesen.13 Kontrahiert ein Muskel, so ist diese

Aktivität in Form eines Ausschlags auf dem EMG erkennbar.

2.1.4.1.1 Probleme der Mimikforschung

Ein großes Problem, auf welches Dittman verweist, ist, dass mit nonverbaler

Kommunikation der Gehalt an zu übermittelnden Informationen gering ist. Die

nonverbalen Informationskanäle sind kapazitiv ähnlich gering.14 Weiter hebt Ellgring

die Schwierigkeit hervor, die sich ergibt, wenn zu entscheiden ist, ob ein mimischer

Ausdruck eine Emotion repräsentieren soll.15 Eine Eigenschaft von Verhalten ist die

Multifunktionalität, die diesem Problem zugrunde liegt.16 Dass eine Differenzierung

hinsichtlich der Funktion des Verhaltens erfolgen muss, erklärt auch Ekman17; dabei

zeigt er auf, dass eine Differenzierung nicht immer eindeutig erfolgen kann. Mit seinem

Organon-Modell bestätigt Bühler18 „[d]ie Multifunktionalität nonverbalen Verhaltens

[…] in Hinblick auf die Ausdrucks- und Appellfunktion“19. Hinsichtlich der Mimik sind

nach Motley und Camden auch individuelle Standards zu beachten; dieselbe Emotion ist

nicht bei jedem Menschen durch denselben mimischen Ausdruck gekennzeichnet.20

3. Begriffserklärung

3.1 Makroexpression, Mikroexpression und subtile Expression

Forscher unterscheiden zwischen drei Arten mimischer Ausdrücke, welche durch das

Auftreten von Emotionen bedingt sind.

12 Siehe Fußnote 10

13 SCHWARTZ et al. 1981, IZARD & FRIDLUND 1983, SCHWARTZ 1986

14 DITTMAN, Allen T: International messages of emotion, New York, 1972

15 ELLGRING, Heiner: Nonverbal communication in depression, Cambridge 1989

16 ELLGRING, Heiner & PLOOG, Detlev: Sozialkommunikatives Verhalten in klinischer Perspektive,

Berlin, 1985

17 EKMAN, Paul: About brows: Emotional and conversational signals, Cambridge 1979

18 BÜHLER, Karl: Sprachtheorie, Jena 1934

19 KOHLHAAS, Armin: Mimisches Verhalten, kardiovaskuläre Reaktion und Emotionen von

Grenzwerthypertonikern im Inteview, Hamburg 1991, S. 37

20 MOTLEY, Michael T. & CAMDEN, C.T. Facial Expression of emotion: A comparison of posed

expressions versus spontaneous expressions in an interpersonal communication setting. Western Jornal

of Speech Communication, 1988

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Makroexpressionen sind Ausdrücke, welche nach außen deutlich erkennbar sind und

eine Dauer von mehr als 500 Millisekunden aufweisen; gewöhnlich dauern sie 0,5 bis 4

Sekunden an. Anders als bei den Mikroexpressionen, welche von dem limbischen

System gesteuert werden, werden Makroexpressionen „willentlich beeinflussbar vom

pyramidalen System im Gehirn gesteuert.“21Anatomisch betrachtet sitzt das pyramidale

System im zerebralen motorischen Kortex (motorische Hirnrinde) und ist für die

willentliche Motorik verantwortlich. Diese Tatsache lässt zunächst vermuten, dass

Makroexpressionen vollständig kontrollierbar sind, jedoch haben Studien diese

Annahme widerlegt und gezeigt, dass Makroexpressionen nur theoretisch kontrollierbar

sind. Experimentelle Untersuchungen von Hurley und Frank (2011) zeigen, dass trotz

direkter Anweisung, die Bewegungen der Mimik zu unterbinden nicht in einer

vollständigen Unterdrückung der mimischen Bewegungen resultiert.

Mikroexpressionen hingegen entziehen sich gänzlich der bewussten Kontrolle. Wie

zuvor erwähnt, belegt die Forschung, dass Mikroexpressionen als Signale von Gefühlen

zu verstehen sind; sie werden schließlich von dem Emotionszentrum, dem limbischen

System, gesteuert. Die Steuerung der Mikroexpressionen durch das limbische System

ist ebenso der Grund, weshalb diese nicht willentlich beeinflussbar sind und eine sehr

kurze Dauer von 40 bis 500 Millisekunden aufweisen; die Reizverarbeitung des

limbischen Systems ist unserem Großhirn 500 Millisekunden voraus.

Laut dem bekanntesten, deutschen Gesichtsleser und Lügendetektor Dirk W. Eilert

handelt es sich sowohl bei Makro- als auch bei Mikroexpressionen um „Voll-

Expressionen, das heißt, [dass sich] die Emotion […] in ihrem vollen prototypischen

Erscheinungsbild im Gesicht [zeigt].“22

Subtile Expressionen hingegen sind als Teil-Expression definiert, da ihre Intensität eher

gering ist und sie nur als Teilausdruck auftreten. Sie treten dann auf, wenn ein Gefühl

bzw. eine Emotion gerade aufkommt, die Person eine Emotion verheimlichen und den

Ausdruck kontrollieren möchte oder die Intensität der Emotion selbst nur gering ist. Die

subtilen Expressionen „[...] können in zwei Geschwindigkeiten auftreten, neuronal

jeweils unterschiedlich gesteuert […].“23 Zum Einen kann sie schneller als 500

Millisekunden sichtbar werden, wobei sie unwillkürlich vom limbische System reguliert

wird und zum Anderen kann sie länger als 500 Millisekunden andauern, wohingegen sie

willkürlich über den zerebralen motorischen Kortex gesteuert wird.

21 EILERT, Dirk: Mimikresonanz: Gefühle lesen. Menschen verstehen, Paderborn 2013, S. 53

22 Siehe Fußnote 13

23 Siehe Fußnote 13, S. 58

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3.2 Definition Lüge

Paul Ekman gilt als menschlicher Lügendetektor und weltweit als Experte der

Aufdeckung von Lügen. Daher ist seine fachgerechte Definition einer Lüge geeignet,

um im Folgenden damit zu arbeiten. Paul Ekman schreibt: „In my definition of a lie or

deceit, then, one person intends to mislead another, doing so deliberately, without prior

notification of this purpose, and without having been explicitly asked to do so by the

target. There are two primary ways to lie: to conceal and to falsify. In concealing, the

liar withholds some information without actually saying anything untrue. In falsifying,

an additional step is taken. Not only does the liar withhold true information, but he

presents false information as if it were true.“24 Eine angemessene Übersetzung lautet:

„In meiner Definition einer Lüge oder Täuschung, beabsichtigt eine Person jemand

anderen irrezuführen, dabei vorsätzlich, ohne vorherige Ankündigung ihrer Absicht und

ohne ausdrücklich von der Zielperson darum gebetet worden zu sein. Es gibt zwei

primäre Arten des Lügens: zu verheimlichen und zu verfälschen. Beim Verheimlichen

behält der Lügner einige Informationen zurück ohne eigentlich etwas Falsches zu sagen.

Beim Verfälschen, wird ein zusätzlicher Schritt gemacht. Der Lügner verschweigt nicht

nur wahre Informationen, sondern er überbringt falsche Informationen, als wären sie

wahr.“25 Das heißt also, dass es keine Lüge ist, wenn jemand unbeabsichtigt, sondern

aufgrund von mangelndem oder fehlendem Wissen, etwas Falsches von sich gibt.

Zudem kann man nur dann von einer Lüge sprechen, wenn die Zielperson nicht

ausdrücklich darum gebeten hat, angelogen zu werden und wenn die Person nicht

vorher die Lüge angekündigt hat. Darüber hinaus unterscheidet Ekman zwei Arten des

Lügens: das Verheimlichen und die Verfälschung. Dirk W. Eilert geht weiter und

unterscheidet vier Typen des Lügens: Verheimlichen von Emotionen, Verfälschen von

Emotionen, Verheimlichen von Informationen und Verfälschen von Informationen.

Hinzu kommt der Aspekt des Inhaltes, sprich, ob es sich um Informationen oder

Emotionen handelt.

4. Was die Mimik über Lügner verrät

4.1 Die drei Meta – Emotionen nach Dirk W. Eilert

Im Zuge seiner Forschung hat Eilert die sogenannten drei Meta- Emotionen, sprich

„übergeordnete Gefühle“, herausgearbeitet. Zu den Meta- Emotionen schreibt er, dass

die „[...] durch den Akt des Lügens [auftreten] und […] sich nicht auf den Inhalt einer

24 EKMAN, Paul: Telling Lies: Clues to Deceit in the Marketplace, Politics, and Marriage (Revised

Edition), printing place USA 2009³, S. 28

25 Eigenständige Übersetzung

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Lüge [beziehen].“26 Die Meta- Emotionen sind bei allen vier Typen des Lügens zu

erkennen. Zu den Meta- Emotionen zählt Eilert „die Angst, erwischt zu werden oder als

Lügner dazustehen; ein schlechtes Gewissen (Schuld), die andere Person anzulügen

[und] die Freude darüber, dass man den anderen angelogen hat.“27 In Hinblick auf den

Inhalt können grundsätzlich alle Basisemotionen beobachtet werden.

4.2 Die Leakage Hierarchy

Ekman und Friesen nahmen 1969 an, dass die Angst beim Lügen im Verhalten

„durchsickert“ (engl. „to leak out“). Sie stellten die Hypothese auf, dass nonverbales

Kommunikationsverhalten weniger kontrollierbar ist als beispielsweise verbales

Verhalten. In einer Liste, der Leakage Hierarchy, sind hierarchisch nonverbale und

verbale Kommunikationskanäle gemäß ihrer Kontrollierbarkeit angeordnet.

Am willkürlichsten beeinflussbar sind Worte (der Inhalt), dann Makroexpressionen

(Gesicht), die Körpersprache, die Stimme und noch schwerer kontrollierbar

Mikroexpressionen.

Am schwierigsten kontrollierbar bzw. schon fast unmöglich zu kontrollieren ist die

Kongruenz zwischen den Kanälen. Das nach Eilert wohl zuverlässigste Indiz einer Lüge

ist die Unstimmigkeit bzw. Inkongruenz zwischen den Informationskanälen. Dies

erklärt sich dadurch, dass es Menschen „[a]bsolut unmöglich ist […] sich in jedem

Moment aller Signale bewusst zu sein, die man über Worte, Mimik, Stimme und

Körpersprache aussendet [, denn dafür] sind es einfach zu viele.“28

5. Das Experiment: Was die Mimik über den Wahrheitsgehalt kund gibt

5.1 Fragestellung und Hypothese

Zunächst werden die drei zu untersuchenden Hypothesen aufgestellt:

1. Wenn ein Mensch lügt, dann verändert sich der mimische Gesichtsausdruck.

2. Wenn Menschen lügen, dann ist ein geschlechtsspezifischer Unterschied

festzustellen.

3. Wenn die Anzahl an Stressfaktoren zunimmt, dann verstärkt sich die mimische

Expression beim Lügen.

5.2 Methode:

Es wird ein Interview mit vorbereiteten Fragen durchgeführt, um die Hypothesen zu

überprüfen.

26 EILERT, Dirk: Mimikresonanz: Gefühle lesen. Menschen verstehen, Paderborn 2013, S. 186

27 Siehe Fußpunkt 17

28 Siehe Fußpunkt 17, S. 192

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5.3 Festlegen der Variablen

Wie im Psychologieunterricht geläufig, werden die unabhängige Variable mit dessen

Bedingungen und die abhängige Variable bestimmt. Aus der ersten Hypothese ergibt

sich zunächst die unabhängige Variable UV1, welche den Wahrheitsgehalt des Gesagten

einer Testperson beschreibt; damit folgen die beiden Bedingungen „wahre Aussage“ und

„falsche Aussage“. Die abhängige Variable stellt die mimische Expression dar.

Allerdings werden für UV1 und die AV jeweils andere Begrifflichkeiten verwendet, da

sich aus den Hypothesen 2. und 3. sogenannte Moderatorvariablen ergeben.

Moderatorvariablen bilden eine Unterkategorie von Drittvariablen. In der Psychologie

versteht man unter Drittvariablen, einen Sammelbegriff aller Variablen, welche weder

als abhängige noch als unabhängige Variablen definiert sind. Moderatorvariablen sind

Variablen, welche „[...] die Verbindung zwischen den unabhängigen und der

abhängigen Variable erzeugt [...]“.29 Man spricht dann bei der UV von der

Prädikatorvariable (PV) und bei der AV von der Kriteriumsvariable (KV). Kurz gefasst:

eine Moderatorvariable moderiert den Zusammenhang zwischen Prädikatorvariable und

Kriteriumsvariable.30

Folgerichtig handelt es sich bei der UV1 (s.o.) um die PV und bei der AV, also der

mimischen Expression um die KV.

Aus den Hypothesen 2. und 3. folgen zwei Moderatorvariablen (MV) mit jeweils 2

Bedingungen: Die MV2 ist das Geschlecht, untergliedert in männlich und weiblich. Die

MV3 ist der Stress, wobei die beiden Bedingungen „Stressfaktor hinzugefügt“ und

„kein Stressfaktor“ gelten.

Werden die Variablen operationalisiert, so ergibt sich für die Bedingungen der PV, dass

eine wahre Aussage dann vorliegt, wenn der Proband auf eine Frage zu 100%

wahrheitsgemäß antwortet und eine falsche Aussage dann, wenn der Proband auf die

Frage mit einer Lüge antwortet. Welche Antworten wahr oder falsch waren, haben die

Probanden am Ende des Experiments angegeben. Die MV2 bedarf keiner weiteren

Untergliederung, als die in männlich und weiblich. Bei der MV3 wird der Stressfaktor

so hinzugefügt, indem das EKG-Gerät von dem Versuchsleiter (VL) so eingestellt wird,

dass es bereits bei einer Sauerstoffsättigung31 unter 97% zu alarmieren beginnt. Unter

der Bedingung „kein Stressfaktor“ wurde die Normeinstellung des EKG-Gerätes

beibehalten, d.h. erst bei einer Sauerstoffsättigung von unter 92% erfolgt eine

29 http://lexikon.stangl.eu/3472/moderatorvariable/ (Stand: 11.02.2016)

30 http://www.methoden-psychologie.de/drittvariablen.html (Stand: 11.02.2016)

31 Die Sauerstoffsättigung beschreibt den Gehalt an Sauerstoff im roten Blufarbstoff (Hämoglobin) in

Prozent. Die Normwerte liegen zwischen 95%-98%. Eine maximale Sättigung ist bei 100% erreicht.

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Alarmierung. Die Messung der AV ist gekennzeichnet durch die Anzahl an auftretenden

mimischen Expressionen.

5.4 Versuchspersonen

Die Einteilung der Versuchspersonen erfolgte in den beiden Geschlechterkategorien:

männlich und weiblich. Die Alterskategorie wurde vereinheitlicht, d.h. bei allen

Versuchspersonen handelt es sich um 17-jährige Jugendliche. Per Zufall wurden von

insgesamt 7 durchgeführten Interviews 4 Interviews ausgewählt, welche in die

Auswertung eingeflossen sind, damit beide Geschlechter von jeweils zwei jugendlichen

Probanden (<17) vertreten sind.

Andernfalls wäre eine gleichmäßige Verteilung der Probanden in den

Geschlechterkategorien nicht möglich gewesen.

5.5 Versuchsmaterial und -aufbau

Für die Beschaffung der Versuchspersonen wurde eine Cover-Story entwickelt: das

Experiment wurde den Schülern zunächst so erklärt, dass es sich um einen Dialog

handle, bei welchem sie zum Einen gefilmt und zum Anderen über engmaschiges

Monitoring (EKG und Pulsoxymetrie32) überwacht werden. Die Schüler konnten

demzufolge frei entscheiden, ob sie an diesem Experiment, das Video-, Ton- sowie

Fotomaterial erfordert, teilhaben wollen.

Die konkrete Anweisung an die Probanden war schriftlich protokolliert (s. Anhang

„Interview-Fragen“).

Die im Interview gestellten Fragen, waren ebenso schriftlich festgehalten, wobei dieser

Fragebogen (s. Anhang „Interview-Fragen“) nur dem VL vorbehalten war. Die Fragen

waren so ausgelegt, dass das Aufkommen der Emotionen Angst, Schuld und Freude

prinzipiell möglich war. Die Fragen 1)-3) bezogen sich dabei auf Urlaubserinnerungen

und Tagesgestaltungen, die Fragen 4)-7) hingegen spielten auf das moralische Verhalten

der Probanden an, Frage 8) erforderte eine Auseinandersetzung der Versuchspersonen

mit ihrer Zukunft und die Fragen 9)-12) wurden erneut hinsichtlich des Moralverhaltens

der Probanden gestellt.

Zudem wurde eine Einverständniserklärung im Sinne einer persönlichen Absicherung

entworfen, welche vor Beginn des Experiments von den Probanden zu unterschreiben

war (s. Anhang „Einverständniserklärung“). Die Notwendigkeit einer

Einverständniserklärung ergibt sich durch das Ton-, Video- und Fotomaterial, welches

zweckmäßig für die Facharbeit genutzt wird.

32 Die Pulsoxymetrie ist ein nicht- invasives Verfahren zur Ermittlung der Sauerstoffsättigung und der

Herzfrequenz

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Technisches Equipment, welches in Anspruch genommen werden musste, waren zwei

Kameras, ein Mikrofon, eine zentrale Lichtquelle (Scheinwerfer) und ein EKG- Gerät

incl. Pulsoxymetrie.33

5.6 Versuchsablauf

Bei ihrem Eintreffen, sprich zu Beginn des Experimentes, wurden die Versuchspersonen

in das Experiment eingewiesen: Ihnen würden im Folgenden Ja-oder-Nein Fragen und

solche, die zum Erzählen auffordern, gestellt werden. Die Probanden wurden daraufhin

gebeten, bei einigen Fragen zu lügen und bei anderen wahrheitsgetreu zu antworten.

Während des Interviews sollten die Versuchspersonen unentwegt in die vor ihnen

positionierte Kamera schauen. Bei welcher Frage sie lügen oder wahrheitsgemäß

antworten, war Ihnen vorbehalten. Zudem wurde erst nach Abschluss des Experiments

aufgelöst, bei welchen Fragen die Probanden gelogen haben; demnach wurde die Lüge

nicht vorzeitig angekündigt.

Bei der Gruppe der Versuchspersonen, bei welcher vor Eintreffen der Probanden, die

Einstellungen am EKG- Gerät verändert wurden, entschied der Zufall, wann und ob das

Gerät zu alarmieren beginnt. Da eine Sauerstoffsättigung von 97% sich allerdings im

Normbereich befindet, konnte so sichergestellt werden, dass mindestens eine

Alarmierung durch das Gerät erfolgt (wenn auch nur zeitweilig und unterschiedlich oft).

5.7 Beobachtung, Ergebnisse und Interpretation 34

Bei der Videoanalyse von der ersten Versuchsperson (VP1), weiblich, werden zunächst

mimische Ausdrücke betrachtet, während die VP1 nicht gelogen hat. Später können

Veränderungen des mimischen Ausdrucks so deutlich erkannt werden. Zudem ist dieser

Vergleich notwendig, da eine VP beispielsweise unentwegt und aus Gewohnheit die

Stirn runzelt, die Augenbrauen hebt o.ä.. VP1 hob häufig die Augenbrauen (AU 1+2)

und zeigte auch ein leichtes Hochheben der Augenlider (AU 5), während sie

wahrheitsgemäß antwortete, um das Gesagte dadurch zu bekräftigen. Während VP1

gelogen hat, sind andere Aktionseinheiten in Erscheinung getreten. Bei Frage 5), welche

das Moralverhalten der Person hinterfragt, gab die VP1 an, kein schlimmes

Partyerlebnis gehabt zu haben. Auffällig ist, dass kurz nachdem die Frage gestellt

wurde, die VP1 leicht nickte und zu einem „Ja“ ausholte, dann allerdings die Lippen

stürzte und zugleich zusammenpresste (AU 18+24) – bedingt durch das Anspannen des

Orbicularis oris (Ringmuskel des Mundes) – und die Frage doch verneinte. Die AU 18

33 Der komplette Aufbau findet sich im Anhang „Aufbau“

34 Zum Verständnis: Hinzuziehen des FACS und der Abbildungen s. Anhang „Die wichtigsten

Aktionseinheiten des FACS“

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tritt häufig bei der Interesse-Expression auf und AU 24 bei der Ärger-Expression; beide

allerdings können auch Indizien dafür sein, dass eine Person gerade einen Sachverhalt

abwägt bzw. nachdenkt. Dies deutet insofern auf eine Lüge hin, als dass die nonverbalen

und verbalen Informationskanäle inkongruent sind (was nach der Leakage Hierarchy am

schwierigsten zu kontrollieren war) und des Weiteren stellt sich die Frage, weshalb die

VP1, nachdem sie entschlossen antworten wollte, doch zögerte. Auch bei Frage 6), gab

VP1 am Ende des Experiments an, gelogen zu haben, als sie ihr Moralverhalten selbst

beurteilen sollte. Im sofortigen Anschluss der gestellten Frage, zeigte VP1 eine subtile

Expression von Verachtung bzw. Ablehnung. Das mimische Ereignis aus AU 1+10+14

legt nahe, dass VP1 die Frage für unpassend und unangenehm gehalten hat und daher

durch ihre Mimik die Frage abgelehnt oder gar verachtet hat. Als VP1 auf die Frage

antwortete erschien nach >2 Sekunden eine Mikroexpression, die als prototypische Voll-

Expression zu erkennen war. Das mimische Ereignis durch AU 1+5+7+24 kann sowohl

als eine Expression der Emotionen von Angst, Ärger als auch Schuld verstanden

werden. Die Tendenz liegt eher bei der Emotion Schuld und Angst, wobei sich die Frage

stellt, weshalb VP1 Schuld- und Angstexpressionen aufweist, wenn sie über ihr

Moralverhalten spricht. Hier liegt die Vermutung nahe, dass VP1 ihr Verhalten nicht

eindeutig als vorbildlich und moralisch beurteilt. Abschließend presste VP1 einseitig

ihren Mundwinkel an (U14), was gemäß des FACS ein Zeichen für Verachtung sein

kann, aber auch Unentschlossenheit und Zweifel reflektiert; in beiden Fällen wird der

Eindruck, dass die Antwort zuvor nicht 100 prozentig wahr ist, verstärkt. Auch bei

Frage 7) löste VP1 später auf, gelogen zu haben. An dieser Stelle konnte keine

signifikante Expression festgestellt werden. Bei der letzten Frage war es ebenso, dass

die VP1 eine subtile Expression durch das Anheben des Kinnbuckels (AU 17) gefolgt

von einem Lippenstürzer (AU 18) darlegte; dies lässt sich als Nachdenken der VP1

deuten. Auch hier können durch die Mimik keine konkreten Indizien der Lüge bestimmt

werden. VP1 gehörte zu der Gruppe, wo die Moderatorvariable „Stress“ gegeben war.

Zufällig alarmierte das EKG-Gerät, während die VP1 die Fragen 5)-7) beantwortete,

also genau diejenigen, bei welchen sie gelogen hatte. Interessanterweise wurde sie

dadurch nicht aus der Ruhe gebracht, d.h. dass auch der Effekt, die mimische

Expression von Angst könnte auftreten oder eine mimische Expression könnte verstärkt

werden, nicht auftrat.

VP2, weiblich, wies während sie auf die Interviewfragen wahrheitsgetreu antwortete,

ein bestimmtes Verhaltensmuster auf. Immerzu versuchte sie durch horizontale

Kopfbewegungen ihre vorderen Haarsträhnen aus dem Gesichtsareal zu entfernen und

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antwortete auf die Fragen stets mit Überzeugungskraft und formulierte ganze,

detaillierte Sätze. Nach ihrem Interview löste VP2 auf, bei den Fragen 4) und 12)

gelogen zu haben. Als VP2 auf die Frage 4) eine Lüge erwiderte, konnte zwar keine

mimische Expression festgestellt werden, allerdings antwortete sie rasch mit einem „Ja“

und zeigte dabei nicht dasselbe Verhalten wie zuvor, wie etwa eine Ausformulierung der

Antwort oder Überzeugungskraft beim Antworten. Gleich war das Resultat bei der

Frage 12); es war keine Mikroexpression zu beobachten. Allerdings berührte die VP2

ihren Hals und streichelte ihn leicht, was eine klassische Beruhigungsgeste, also ein

Adaptor ist. Da die Anzahl der Adaptoren mit der Stresszunahme ansteigt, wird der

Beobachter misstrauisch und stellt sich die Frage, weshalb VP2 sich zu beruhigen

versucht. Eine mögliche Erklärung ist, dass die VP2 gerade lügt. Das Streicheln des

Halses mündete in eine redebegleitende Geste, einen Illustrator: VP2 stützte nun ihren

Kopf mit dem Zeigefinger, wodurch sie einen Denkvorgang signalisierte. Die VP2 war

Teil der Gruppe, bei welcher kein Stressfaktor hinzugefügt wurde.

VP3, männlich, zeigte ebenfalls charakteristische mimische Bewegungen, während er

die Wahrheit sagte. Zunächst konnte festgestellt werden, dass VP3 typischerweise seine

Nase einseitig rümpfte (AU 9) und, da hierzu der Muskel Levator superioris alaeque

nasi kontrahiert, geht auch das einseitige Heben der Oberlippe (AU 10) mit dem

Nasenkräusler einher. Auch die Augenbrauen bewegte VP3 während er sprach, um z.B.

der Überzeugungskraft seines Gesagten beizusteuern. Umso schwieriger waren nun

Mikroexpressionen oder subtile Expressionen, die aufgrund einer Lüge auftauchten, zu

bestimmen. Nach dem Interview löste VP3 auf, bei den Fragen 2), 3), 9) sowie 10)

gelogen zu haben. Während die VP3 bei der Frage 2) gelogen hatte, konnte festgestellt

werden, dass die Auftretenshäufigkeit der AU 9+10 stieg; ein Anhaltspunkt, mittels

welchem auf eine Lüge geschlossen werden konnte. Dasselbe Ergebnis lies sich auch

bei der Frage 3) beobachten. Hier kam jedoch eine Voll- Expression zum Vorschein, und

zwar die der Freude, was sich gemäß des FACS im mimische Ereignis AU 6+12 äußert.

Diese Freude kann im Sinne einer Meta- Emotion verstanden werden, d.h. die Freude

daran das Gegenüber anzulügen. Bei der Frage 9) wurde dieselbe Beobachtung

angestellt, wie bereits bei Frage 2); die Auftretenshäufigkeit des mimischen Ereignisses

AU 9+10 nahm zu. Wiederholt trat dieses Ergebnis bei Frage 10) auf. VP3 gehörte zu

der Gruppe, bei welcher ein Stressfaktor hinzugefügt wurde. Auch bei VP3 sendete

zufällig das EKG- Gerät gerade dann einen Alarm, während die VP3 die Frage 10) mit

einer Lüge erwiderte. Die VP3 dachte fälschlicherweise, dass das EKG-Gerät einen

Alarm aussendete, weil er gelogen hatte und dachte daher entlarvt worden zu sein.

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Dennoch verspürte er Freude am Geschehen, was erneut durch das in Erscheinung

getretene mimische Ereignis AU 6+12 ersichtlich war; auch ein Hinweis darauf, dass

VP3 hierbei gelogen hat.

Bei der VP4, männlich, wurde auch wieder das Verhaltensmuster auf Expressionen

analysiert, während die VP4 die Wahrheit gesagt hat. Grundsätzlich war der

Gesichtsausdruck von VP4 neutral, ohne jegliche mimischen Bewegungen. Die VP4

wies unentwegt ein leichtes Zusammenpressen und Anspannen der Lippen auf (AU

23+24), für ihn jedoch typisch. Zum Teil sicherte er – ähnlich wie die anderen Probaten

– die Überzeugungskraft seiner Aussagen durch das Bewegen seiner Augenbrauen,

insbesondere durch das Heben seiner Augenbrauen (AU 1+2). Von VP4 angegeben

wurde, dass dieser bei den Fragen 2), 4) und 5) log. Auf eine Lüge bei der Frage 2)

konnte kaum geschlossen werden, zumal keine Expression zu beobachten war. Ähnlich

war es bei der Frage 4), wo kaum eine Expression zu erkennen war. Die Frage 5)

allerdings forderte auf, von dem schlimmsten Partyerlebnis zu erzählen, wenn es eins

gab. Offensichtlich war, dass VP4 die unteren Augenlider anspannte (AU 7), als er

gerade versuchte einen Zeitpunkt zu erfinden. Die AU 7 tritt meist bei der Ärger- oder

Angstexpression auf; hier kann das auch so interpretiert werden, dass die VP4

konzentriert und angestrengt nachdenkt oder Angst hat, seine Lüge könnte entlarvt

werden. Die zweite Mikroexpression bietet ein Indiz für die Lüge, denn es trat eine

Voll-Expression von Trauer und Schuld auf (AU 1+4+15+(17)). Nach dem Interview

wurde die VP4 hinsichtlich seines emotionalen Befindens an dieser Stelle befragt. Er

erklärte: er habe von sich behauptet, was sein Freund erlebte; demzufolge hatte er ein

Schuldgefühl, was er näher nicht erläutern konnte.

6. Kritische Reflexion

Nun soll eine kritische Auseinandersetzung mit dem durchgeführten Experiment

erfolgen. Zunächst war es fraglich, ob die Versuchsdurchführung einen Widerspruch zu

der Definition von Ekman, auf die sich der empirische Teil stützt, darstellt. Laut

Definition ist eine Lüge nur dann eine Lüge, wenn sie vorher nicht angekündigt wird

oder die Zielperson nicht um eine Lüge bittet. Die Anweisung an die Probanden lautete,

dass sie bei einigen Fragen lügen und bei anderen die Wahrheit sagen. Wichtig ist

jedoch, dass den Probanden selbst vorbehalten war, wann sie lügen, d.h. der VL überließ

ihnen selbst die Entscheidung, wann und ob sie lügen oder die Wahrheit sagen; es ist

also im dem Sinne keine Forderung gewesen. Dirk W. Eilert selbst erklärt, dass

Mikroexpressionen auch bei vorsätzlichem Lügen auftreten. Dadurch, dass erst nach

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Abschluss des Interviews die Lügen aufgedeckt wurden, konnte die Gültigkeit des

zweiten Teils der Definition nach Ekman sichergestellt werden. Eine Störvariable, die

sich im Nachhinein noch ergab und auch nicht hätte gänzlich eliminiert werden können,

sind Fehlfunktionen des technisch-automatisierten EKG-Gerätes. Bei VP2, welche Teil

der Gruppe ohne die Bedingung „Stress“ war, alarmierte das EKG-Gerät aufgrund einer

Fehlmessung der Pulsoxymetrie. Dies war nicht vorhersehbar und auch im Nachhinein

nicht kontrollierbar. Eine andere Störvariable, die hätte eliminiert werden können, ist,

dass VP1 z.B. praktische Erfahrung mit dem medizin-technischen EKG-Gerät hatte und

es für sie auch keinen richtigen Stressfaktor dargestellt hat. Ein Fragebogen zur Person

wäre in diesem Fall geeignet gewesen.

6.1 Bewertung des Experiments anhand der Testgütekriterien

Zu bestimmen ist, inwiefern das Experiment objektiv, reliabel und valide ist.

Die Durchführungsobjektivität wird erfüllt, indem jedem Probanden dieselbe

Anweisung vorgelesen wird und keine weiteren Kommentare zur Ablenkung,

Manipulation o.ä. abgegeben wurden. Die Interpretations- und Auswertungsobjektivität

ist nur ansatzweise erfüllt. Zwar bietet das FACS auch Interpretationsmöglichkeiten,

allerdings sind diese nicht auf jeden Menschen speziell angepasst und individuelle

Deutungen des VLs sind insbesondere auf dem Gebiet der Mimikanalyse

unvermeidlich. Die Auswertung ist insofern nur ansatzweise objektiv, als dass

Kodierungssysteme objektive Messmethoden mimischer Expressionen darstellen, aber

auch diese nicht auf jeden mimischen Ausdruck jedes Menschen übertragbar sind. Auch

ist die Interpretations- und Auswertungsmöglichkeit nur beschränkt gegeben, da zur

Lügenerkennung nur die Mimik analysiert wurde. Wie zuvor erwähnt, ist die

Gesamtheit aller erfassbaren Signale von Nöten. Es müssten demzufolge noch

zahlreiche Erklärungstheorien hinzugezogen werden.

Würde das Experiment in Form einer Feldstudie durchgeführt werden, so könnte die

Objektivität als Gütekriterium erfüllt werden.

Das Interview kann dem Gütekriterium der Reliabilität auch nur eingeschränkt gerecht

werden. Auf der eine Seite sind die Fragen präzise formuliert und beziehen sich auf

diejenigen Aspekte, welche eine der drei Emotionen Angst, Schuld und Freude auslösen

können. Auf der anderen Seite könnte es sein, dass eine Retest-Methode nicht dieselben

Ergebnisse liefert, da der Proband bei einem zweiten Durchlauf entweder bei anderen

Fragen lügt (schließlich ist es ihm vorbehalten) oder geübter darin ist zu lügen, indem er

z.B. dieselbe Antwort wie zuvor gibt. Ein Paralleltest würde wenig Sinn ergeben, da die

Fragen sehr persönlich orientiert sind.

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Eine unzureichende Reliabilität der Ergebnisse könnte sich auch dadurch ergeben, dass

die Probanden aus Scham einige der Lügen nicht aufdecken.

Die interne Validität war zu realisieren, indem für die Suche nach Versuchspersonen

eine Cover-Story entwickelt wurde, sodass die Probanden nicht erahnen konnten, dass

die mimischen Expressionen beim Lügen die zu messende Größe sind. Auch war die

interne Validität zu erzielen, da der Entwurf eines straffen Zeitplanes eine Interaktion

zwischen den Versuchspersonen unterbinden konnte. Eine externe Validität konnte

geringfügig erlangt werden, da die Situation äußerst künstlich geschaffen war und

Lügen, eine Alltagshandlung ist und erst im Alltag von Relevanz ist.

Hinzu kommt, dass eine Generalisierung der Ergebnisse dieses Experiments nicht

möglich ist. Eine höhere Anzahl sowohl an Versuchspersonen als auch an

Mimikanalytikern (Testauswertern) wäre unabdingbar, wenn das Experiment im

höchsten Maß repräsentativ sein soll. Im Rahmen einer schulischen Arbeit ist dies nicht

praktikabel.

6.2 Fazit

Die Hypothese 1 wurde größtenteils bestätigt. Bei allen vier Probanden trat beim Lügen,

mindestens eine mimische Expression auf. Der Stress hat nicht signifikant den

Zusammenhang zwischen Wahrheitsgehalt und Mimik beeinflusst. Im Schnitt war die

Anzahl an mimischen Expressionen, welche die Frauen aufwiesen, größer als die der

Männer. Ein geschlechtsspezifischer Unterschied konnte bewiesen werden, allerdings ist

es auch hier vom Typen abhängig.

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7. Literaturverzeichnis

Literaturquellen:

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Paderborn 2013

KOHLHAAS, Armin: Mimisches Verhalten, kardiovaskuläre Reaktion und

Emotionen von Grenzwerthyertonikern im Interview, Hamburg 1991

EKMAN, Paul: Gefühle lesen – Wie Sie Emotionen erkennen und richtig

interpretieren, Heidelberg 2010²

EKMAN, Paul: Ich weiß, dass du lügst. Was Gesichter verraten., Reinbek 2011

Google-Books: Telling Lies: Clues to Deceit in the Marketplace, Politics, and

Marriage (Revised Edition), Paul Ekman, W. W. Norton & Company, 26.01.2009

(Stand: 15.01.2016)

Google-Books: The American Jury on Trial: Psychological Perspectives , Saul

M. Kassin, Lawrence S. Wrightsman, Taylor & Francis, 1988 (Stand:

19.01.2016)

Google-Books: Social Psychology, 2nd Edition, Roger Brown, Simon and

Schuster, 27.02.2003 (Stand: 19.01.2016)

Internetquellen:

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dresden.de/die_tu_dresden/fakultaeten/fakultaet_mathematik_und_naturwissens

chaften/fachrichtung_psychologie/i1/allgpsy/lehre/lehreveranstaltungen/goschke

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https://www.dasgehirn.info/entdecken/anatomie/das-limbische-system (Stand:

15.01.2016)

http://karrierebibel.de/mimik-erkennen-was-ihr-gegenueber-verschweigt/ (Stand:

15.01.2016)

http://www.spektrum.de/lexikon/neurowissenschaft/pyramidales-system/10593

(Stand: 20.01.2016)

http://flexikon.doccheck.com/de/Pyramidenbahn (Stand: 20.01.2016)

Bildquellen:

Deckblattbild: http://www.mimikresonanz-dresden.de/wp-

content/uploads/koerner-konzept.jpg (Stand: 27.01.2016)

Bild 1: http://www.physiologie-online.com/ana_media/Hirn-Limbisches-

System.jpg (Stand: 15.01.2016)

Bild 2: http://gesichtsmuskeltraining.at/sites/gmt/pics/kopf-gross.jpg (Stand:

15.01.2016)

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8. Anhang

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Prototypische Erscheinungsbilder

Bild Emotion Mimisches Ereignis

(FACS-Code)

Angst AU 1+2+4+5+7+20+25+26

Ärger AU 4+5+7+24

Ekel Links:

AU 9

Rechts:

AU 10

Freude Links:

AU 12

Rechts:

AU 6+12

Schuld AU 1+(4)+15+(17)

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Trauer AU 1+(4)+15+(17)

Überraschung 1+2+5+25+26

Verachtung einseitig AU 14

Verlegenheit, Scham AU 1+15+17

Quelle: EILERT, Dirk W.: Mimikresonanz: Gefühle sehen. Menschen verstehen,

Paderborn 2013, 67-87

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Ergebnisse der experimentellen Untersuchung

Bild Aktionseinheiten nach FACS

AU (15)+17

AU (18)+23+24

AU 1+4+15+(17)

AU 1+5+7+24

AU 1+10+24

AU 6+12

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AU 6+(9)+13

AU 7

AU 9+10

AU 15+17

AU 18+24

Adaptor

Illustrator

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9. Schlusserklärung

Ich erkläre, dass ich die Facharbeit ohne fremde Hilfe angefertigt und nur die im

Literaturverzeichnis angeführten Quellen und Hilfsmittel benutzt habe.

Mülheim an der Ruhr, den 15.02.2016 ___________________________