vl pädagogik ‚theorien und forschungsmethoden der pädagogik ‚ss 2012 fau

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Zusammenfassung VL Pädagogik – Theorien und Forschungsmethoden der Pädagogik – SS 2012 1. Gliederung der Pädagogik/ Erziehungswissenschaft Verschiedene Einzeldisziplinen Keinen Konsens über fundamentale Begriffe und Methoden der Erziehungswissenschaft Begriffe Pädagogik: Sammelbegriff für alle Bezeichnungen der Erziehungspraxis/ Oberbegriff für Erziehungspraxis und Erziehungswissenschaft Erziehungswissenschaft: wissenschaftliche Erhellung der Erziehungswirklichkeit, Forschung; zur Abgrenzung von der Praxis Gegenstand: Vorstellungen über Erziehung, Beziehung zwischen Erziehern und Erziehendem, Ziele und Handlungen der Erziehung und Bildung, Voraussetzungen und Bedingungen der Erziehung, Einrichtungen der Erziehung Wege zur Erkenntnisgewinnung o Induktives Vorgehen – Induktion: Methode des Schlussfolgerns von Einzelfällen auf das Allgemeine und Gesetzmäßige; Einsatzbereich v.a. qualitative Forschung: Theoriegenerierung o Deduktives Vorgehen – Deduktion: Ableitung des Besonderen/ Einzelnen aus dem Allgemeinen; Einsatzbereich v.a. quantitative Forschung: Theorieprüfung (trifft das Allgemeine bei einem Einzelfall nicht zu, ist die Theorie widerlegt) Methodologie: als die Theorie der wissenschaftlichem Methode, die sich mit der Anwendung von Forschungsmethoden befasst Methodenlehre: Verfolgt den Sinn methodische Konzepte nachvollziehbar zu gestalten Wissenschaftstheorie: ist die Disziplin, die sich mit dem Begriff und der Einteilung von Wissenschaften, ihren Erkenntnisprinzipien und Methoden, sowie ihrer Sprache beschäftigt 2. Überblick über die pädagogischen Theorien 2.1 Geisteswissenschaftliche Pädagogik Im Anschluss an die Philosophie Wilhelm DILTHEYs in den 1920er Jahren Vertreter: Herman NOHL, Eduard SPRANGER, Theodor LITT, Erich WENIGER; später: Klaus MOLLENHAUER, Wolfgang KLAFKI Grundannahmen der geisteswiss. Päd. o Mensch als geschichtliches Wesen; Geschichte erforschen = menschlichen Geist erforschen (rationales Durchdringen der Geschichte [Quellenforschung] zeigt anthropologische Grundkonstanten, die auch heute noch gültig sind) Aber: zeitlos gültige Erziehungsprinzipien nicht möglich; Hermeneutische Methode (DILTHEY): Verstehen statt Erklären o Theorie-Praxis-Verhältnis: Erziehung als Lebenswirklichkeit, Primat der Praxis, aber schließt Theorien ein – Theorie als Bedingung des Handelns; Wissenschaft von der Praxis für die Praxis o Pädagogik relativ autonom, eigene Wissenschaft mit eigener Funktion, eigener Begrifflichkeit // Respekt für Eigenrecht und Eigenheit des Kindes Kritik o Grundsätzlich: Geisteswiss. Pädagogik stammt aus dem Bildungsbürgertum; nur der Teil der Gesellschaft wird berücksichtig, der Rest vernachlässigt Hermeneutik tradiert bildungsbürgerliche Innerlichkeit und konserviert die herrschende Kultur des Bürgertums Begrifflichkeiten und Sprache unpräzise o Kritik aus zwei Richtungen: von der empirisch-analytischen Erz-Wiss. Und von der gesell.krit. Er- Wiss. o Empirisch-analytische Erziehungswissenschaft: Zu wenig Wissenschaft erkennbar; Vernachlässigung wissenschaftstheoretischer Selbstreflexion; Irrationalität; zu wenig Objetivität Überliefertes wird als gegeben hingenommen o Gesellschaftskritische Erziehungswissenschaft: Keine Untersuchung der Erziehungswissenschaft im Rahmen gesellschaftlicher Praxis Unpolitische Haltung, zu wenig soziale Faktoren 1

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Zusammenfassung Pädagogik-VL Uni Erlangen

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Zusammenfassung VL Pädagogik – Theorien und Forschungsmethoden der Pädagogik – SS 2012

1. Gliederung der Pädagogik/ Erziehungswissenschaft

Verschiedene Einzeldisziplinen Keinen Konsens über fundamentale Begriffe und Methoden der Erziehungswissenschaft Begriffe

Pädagogik: Sammelbegriff für alle Bezeichnungen der Erziehungspraxis/ Oberbegriff für Erziehungspraxis und ErziehungswissenschaftErziehungswissenschaft: wissenschaftliche Erhellung der Erziehungswirklichkeit, Forschung; zur Abgrenzung von der Praxis

Gegenstand: Vorstellungen über Erziehung, Beziehung zwischen Erziehern und Erziehendem, Ziele und Handlungen der Erziehung und Bildung, Voraussetzungen und Bedingungen der Erziehung, Einrichtungen der Erziehung

Wege zur Erkenntnisgewinnungo Induktives Vorgehen – Induktion: Methode des Schlussfolgerns von Einzelfällen auf das Allgemeine

und Gesetzmäßige; Einsatzbereich v.a. qualitative Forschung: Theoriegenerierungo Deduktives Vorgehen – Deduktion: Ableitung des Besonderen/ Einzelnen aus dem Allgemeinen;

Einsatzbereich v.a. quantitative Forschung: Theorieprüfung (trifft das Allgemeine bei einem Einzelfall nicht zu, ist die Theorie widerlegt)

Methodologie: als die Theorie der wissenschaftlichem Methode, die sich mit der Anwendung von Forschungsmethoden befasst

Methodenlehre: Verfolgt den Sinn methodische Konzepte nachvollziehbar zu gestalten Wissenschaftstheorie: ist die Disziplin, die sich mit dem Begriff und der Einteilung von Wissenschaften,

ihren Erkenntnisprinzipien und Methoden, sowie ihrer Sprache beschäftigt

2. Überblick über die pädagogischen Theorien

2.1 Geisteswissenschaftliche Pädagogik Im Anschluss an die Philosophie Wilhelm DILTHEYs in den 1920er Jahren Vertreter: Herman NOHL, Eduard SPRANGER, Theodor LITT, Erich WENIGER; später: Klaus

MOLLENHAUER, Wolfgang KLAFKI Grundannahmen der geisteswiss. Päd.

o Mensch als geschichtliches Wesen; Geschichte erforschen = menschlichen Geist erforschen (rationales Durchdringen der Geschichte [Quellenforschung] zeigt anthropologische Grundkonstanten, die auch heute noch gültig sind)Aber: zeitlos gültige Erziehungsprinzipien nicht möglich; Hermeneutische Methode (DILTHEY): Verstehen statt Erklären

o Theorie-Praxis-Verhältnis: Erziehung als Lebenswirklichkeit, Primat der Praxis, aber schließt Theorien ein – Theorie als Bedingung des Handelns; Wissenschaft von der Praxis für die Praxis

o Pädagogik relativ autonom, eigene Wissenschaft mit eigener Funktion, eigener Begrifflichkeit // Respekt für Eigenrecht und Eigenheit des Kindes

Kritiko Grundsätzlich:

Geisteswiss. Pädagogik stammt aus dem Bildungsbürgertum; nur der Teil der Gesellschaft wird berücksichtig, der Rest vernachlässigt

Hermeneutik tradiert bildungsbürgerliche Innerlichkeit und konserviert die herrschende Kultur des Bürgertums

Begrifflichkeiten und Sprache unpräziseo Kritik aus zwei Richtungen: von der empirisch-analytischen Erz-Wiss. Und von der gesell.krit. Er-

Wiss.o Empirisch-analytische Erziehungswissenschaft:

Zu wenig Wissenschaft erkennbar; Vernachlässigung wissenschaftstheoretischer Selbstreflexion; Irrationalität; zu wenig Objetivität

Überliefertes wird als gegeben hingenommeno Gesellschaftskritische Erziehungswissenschaft:

Keine Untersuchung der Erziehungswissenschaft im Rahmen gesellschaftlicher Praxis Unpolitische Haltung, zu wenig soziale Faktoren

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Zusammenfassung VL Pädagogik – Theorien und Forschungsmethoden der Pädagogik – SS 2012

2.2 Empirisch-analytische Erziehungswissenschaft

Eine der wesentlichen päd. Strömungen des 20. Jahrhunderts Anfänge in der experimentellen Pädagogik, stark orientiert an der Psychologie (LAY, MEUMANN) Mittel

o Experimentelle Überprüfung von Hypotheseno Einsatz systematischer Beobachtungeno Statistische Auswertung des Festgestellten

Nachfolgero Aloys FISCHER (auch Begründer der deskriptiven Pädagogik)o Peter PETERSEN (auch Begründer der pädagogischen Tatsachenforschung)

Ausgangspunkto Pädagogische Tatsachenforschung (Lebenswirklichkeit)o Kausale und funktionale Zusammenhängeo Keine relative Eigenständigkeit der Pädagogiko Aus einzelnen Beobachtungen zum generellen Gesetz = Induktiono Gegenstand: alles was einer Erklärung, Beschreibung und Lösung bedarfo Intersubjektiv nachvollziehbare Erklärungen

Aufgabenbereicheo Umfassende Erklärungen und Prognoseno Information über Zweck-Mittel-Relation (Informationen zum Erreichen bestimmter Zwecke)o Gewinnung von Kenntnissen über Ziele und Normen der Erziehung und anschließender

Folgenabschätzung Ziele

o Gesetzmäßiges (= nomologisches) Wissen von der Erziehunsgwirklichkeito Aufstellen allgemeiner, möglichst einfacher, wahrer Gesetze oder Systeme solcher Gesetzen =

Theorien ( anders als Naturgesetz; eher Gesetzmäßigkeit) Information und Praxis

o Information, die aus kritischer Distanz gewonnen wird, steht im Vordergrund -> Ermöglichung von zweckrationalem Handeln in der Praxis

o Praxis = Umsetzung des in der Theorie Festgelegteno „Dignität der Praxis“ wird aufgegeben = Ergebnisse müssen nicht primär der Praxis helfen

Empirische Verfahren und Werturteilsfreiheito Erklären statt Sinnversteheno Möglichst genaues Erklären von einzelnen Elementen der Realität (vgl. Induktion vs. Deduktion???)o Methodenvielfalt (welche Methode benutzt werden soll, kann nicht festgelegt werden)o Keine Wert- und Normfragen zulässig – nur Deskription/ Erfassen von Ist-Zuständen

2.3 Kritisch-rationale Erziehungswissenschaft

Allgemeino Kritischer Rationalismus nach Karl R. POPPER als Basis; Buch: „Logik der Forschung“o Realistische Wende in der Erziehungswissenschaft als Reaktion auf die Rezeption von POPPERs Bucho Prinzip der Kritischen Prüfung (Falsifikation) – Gesetzte so lange wahr, bis widerlegto Ablehnung des Induktionsprinzipso Strenge Theorieorientierung (denn der Ausgangspunkt der Wissenschaft liegt in den Theorien)o Revision des Wertfreiheitspostulatso Generelle intersubjektive Überprüfbarkeit von Theorien; logische Widersprüchsfreiheito Theorien als Summe von Hypothesen; Theorien werden zu einem Netz mit dem die Wirklichkeit

erfasst werden kanno Theoriegeneriergung + Theorieüberprüfung (im Zentrum)o Wenn-dann-Hypotheseno Ziel: Erklärung von Sinnzusammenhängen

Vertreter:o Wolfgang BREZINKAo Lutz RÖSSNERo Hans ALBERT

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Kritik gegen den kritischen Rationalismuso Häufig fehlende Theorieorientierung der Forschungspraxiso Reduktionismus (Vereinfachung komplexer pädagogischer Probleme)o Verantwortungslosigkeit (v.a. wissenschaftliche Seite betont und wenig Bezug zur Praxis)o Deterministisches Eigenverständniso Fehlender kritischer Gesellschaftsbezug (zu sehr auf Wiss. Bezogen)

2.4 Kritische Erziehungswissenschaft

Grundannahmeno Kritische Theorie als Bezugshorizonto Verbindung von theoretischem Denken und praktischem Handelno Vernunft und gleichzeitig Emanzipation als Zielo Mündigkeit und politische Urteilsfähigkeit

Kritische Theorie Herkunft

o Kein homogenes Forschungsparadigmao Durch Abgrenzung zu anderen Theorien charakterisierto Frankfurter Schuleo Vertreter: Max HORKHEIMER, Theodor W. ADORNO, Erich FROMMo Zeitschrift: Zeitschrift für Sozialforschungo Jüngere Generation um Jürgen HABERMASo Neupositionierung durch linguistische, sprachphilosophische und phänomenologische Erkenntnisseo Auseinandersetzung zwischen POPPER und ADRONO: Positivismusstreit

Merkmale des Konzeptso Revolution statt Evolution (Es kommt nicht nur darauf an, die Welt zu interpretieren, sondern

Gesellschaft zu verändern!)o Kritik an: MARX/ ENGELS: Materialistische Gesellschaftstheorie (Entfremdung der Arbeit, Mensch

als Ware)o Kritische (Falsifikation) statt positivistischer Methode (Verifikation)o Zielo Überwindung der gesellschaftlichen Verhältnisseo Suche nach praktischen Möglichkeiten zur Realisierung von Freiheit, Gerechtigkeit und Vernunfto Wahrheitsgehalt der Forschung gebunden an reale gesellschaftliche Phänomene (ohne Rückbindung an

Realität keine Wissenschaft)o Kritische Reflexion von Wissenschafto Soziale Wirklichkeit konstituierend für die Wissenschafto Werturteilsfreiheit nicht möglich (da der Mensch ein entfremdetes Wesen ist)o Mensch ist durch Zwangsverhältnisse bestimmt – Sein und Bewusstsein als Nährboden für Ideologieno Ideologiekritik ist Aufgabe der Kritischen Theorie

Zusammenfassungo Aufdeckung der Realität – Selbstbild – Diskrepanzo Kollektive Emanzipationo Herrschaftsfreie Kommunikationo Gegen Subjekt-Objekt-Trennungo Gegen Reduktion der Realität auf Geistiges

Kritische Erziehungswissenschaft/ Emanzipatorische ~ Herkunft

o Ursprung Mitte der 60er Jahreo Nicht direkt aus der Kritischen Theorie ( ist dem Impuls auf die übermächtige geisteswissenschaftliche

Pädagogik gefolgt: Überwindung dieser)o Vertreter

Klaus MOLLENHAUER Herwig BLANKERTZ Wolfgang KLAFKI (alle drei Schüler von WENIGER = geisteswiss. Päd.)

o Kein geschlossenes Wissenschaftsparadigma – Unübersichtlichkeit der Konzepte z.B. kritisch-kommunikative

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Merkmale des Konzeptso Verbindung von Theorie und Praxiso Wesentliche Merkmale der kritischen Theorieo „Emanzipation“ als Schlüsselbegriff (vor allem aus den versklavten Gesellschaftsverhältnissen)o Begriffe der Kritischen Theorie pädagogisch interpretierto Selbstergreifung und Selbstbestimmungo Ideologiekritik (anders als bei Kritischer Theorie???)o Soziale Einzelphänomene nur im großen gesellschaftlichen Kontext verstehbar: Erziehung immer im

gesellschaftlichen Rahmeno Individuelle und gesellschaftliche Mündigkeit nicht trennbar (nur durch Verwirklichung

gesellschaftlicher Mündigkeit ist auch individuelle möglich) – Bildungsprozesse nur in mündiger Gesellschaft möglich – Wunsch: Reformierung überkommener Bildungsverhältnisse

o Förderung von Vernünftigkeit und Selbstbestimmung der Subjekteo Spannungsverhältnisse zwischen Selbstverständnis und gesellschaftlichen Verhältnissen ???o Aufdeckung von pädagogischen Widersprüchlichkeiten – Bildungsmöglichkeiten im Bildungswesen

hängen mit Erziehungsverhältnissen zusammen ??? Hauptthesen

o Abhängigkeit der Erziehung von gesellschaftlichen Verhältnisseno Emanzipatorisches Erkenntnisinteresseo Emanzipationspostulato Gleichrangigkeit von Theorie und Praxiso Ideologiekritik und Handlungsforschungo Gegenstandsverhältnis ???

Kritiko Kritische Erz.wiss. als Neuauflage des Marxismuso Begriffliche Präzisierung von Emanzipation fehlto Erziehungsproblem reduziert auf Herrschaftsnegation und Emanzipation aus Abhängigkeitsstrukturen

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3. Theorien und Diskurs interkultureller Pädagogik

Allgemeineso Keine einheitliche Theorieo Junge Disziplin: erst seit 1996 Empfehlung zu kultureller Erziehung und Bildung in der Schuleo Demokratische Bildung und Erziehung angesichts sprachlich-kultureller, nationaler und ethnischer

Heterogenitäto Zuerst Differenzhypothese, dann interkulturelles Lernen

Geschichte – Auffassung zu Beginno Ausländerpädagogik als Reaktion auf die steigende Zahl von Arbeitsmigranteno 1964 allgemeine Schulpflicht für Migratenkindero In Schulklasse nicht mehr als 25% Ausländero Streben nach Homogenitäto Gesellschaftlicher Pluralismusgedanke nicht berücksichtigo Migration eher temporär gesehen

Von der Ausländerpädagogik zur interkulturellen Pädagogiko Gleichwertigkeit der Kultureno Gegenseitiges Verständniso Multikulturalität als Chanceo Dialog zwischen den Kultureno Das Eigene und das Fremde sollen zum Interkulturellen werden – „Ich lerne vom Anderen, er von mir,

somit ergibt sich aus meiner Eigenkultur und seiner Fremdkultur das Interkulturelle“ (Kulturelle Überschneidungssituation fühlt zum Interkulturellen

o Ziele Interkulturalität als Bereicherung Bekämpfung von Ausländerfeindlichkeit Förderung von Verständnissen des Eigenen und des Fremden Abbau von Vorurteilen Stärkung der gegenseitigen Empathie Antinationalistisches Denken und Förderung gegenseitiger Solidarität

o interkultureller Kompetenzerwerb

W. NIEKE: Kulturtheoretische Begründungo Kultur als spezifische Lebensweise, die einem selbstverständlich erscheint

Lebenswelten und Bestandteile moderner Ausdifferenzierungsprozesseo Formen des Umgangs mit Zuwanderern: Assimilation – Vertreibung und Vernichtung – Segregation –

Änderung der eigenen Deutungsmuster und „interkulturelles Leben in der dauerhaft multikulturellen Gesellschaft“

o Keine Überlegenheit bestimmter kultureller Deutungsmustero Interkulturalität als Normalfallo 7 Schritte ???

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Kritik seitens der konstruktivistischen Erziehungswissenschaft und Antidiskriminierungspädagogiko Naiver Kulturbegirffo Differenzhypothese führt zu Diskriminierungo Konzeptlosigkeit

BUKOW/ LLARYORA: multiethnische Gesellschaft Differenzannahme hinderlich für fortschrittliche Gesellschaft – Kulturen benötigen kein Modell kulturellen

Zusammenlebens Vormoderne Gesellschaft (ausländerfeindlich) vs. Moderne Gesellschaft (interkulturell/ multiethnisch)

Institutionelle Diskriminierung Systemtheoretische Überlegungen von RADKE/ GOMOLLA Funktionen von Schule: Befähigung, Segregation, Legitimation, Allokation BOURDIEU: Reproduktion sozialer Ungleichheit

Zusammenfassung Entwicklung noch nicht abgeschlossen Erweiterung der anfänglich kargen Theorieebene Interkulturalität als Normalfall Das Eigene und das Fremde

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4. Integrationstheorien

Allgemeineso Terminologie vielschichtig, ungenau und verwirrendo Fülle an Deutungsmöglichkeiteno Vielfalt als Chance – Diversity als Programmo Integration als Herausforderung an die Gesellschaft

Klassische Integrationstheireno Ursprung Anfang des 20. Jhs.o Integration als wichtiger Faktor: Anpassung an die herrschende Kulturo USA als Ursprungsland

PARK, Robert Ezra: Race-Ralation-Circle - Chicagoer Schule (Soziologie)o Untersuchung darüber, wo Migranten wohnen (abgeleitet vom Burgess Model/ Concentric zone

-Zonenmodell oder Ringemodell der Stadtentwicklungmodel)o Wie vollziehen sich die Umzüge von Zone zu Zone?o Stufenmodell – laufen nacheinander ab – Ergebnis: melting pot; Integration geht von Migranten aus

1. Stufe: Kontakt: friedlich und informativ, basierend auf gegenseitiger Neugier 2. Stufe: Wettbewerb: Wettkampf um Ressourcen; Konkurrenz um Berufspositionen, Wohnungen

etc.; langwieriger Prozess der Anpassung unter Aufgabe einseitiger Ansprüche 3. Stufe Konflikt: bewusste Auseinandersetzung zur Statusgewinnung; räumliche Segregation und

Beschäftigungsnischen mit niedrigem Status; Unruhen und Diskriminierung 4. Stufe: Akkomodation: Akzeptanz der Strukturen der 2. Stufe; soziale Beziehungen passen sich

an neue Gegebenheiten an; ethnische Arbeitsteilung und differentielle Benachteiligung; Segregation und Diskriminierung

5. Stufe: Assimilation/ Integration: Vermischung mit Mehrheitsgesellschaft, Auflösung ethnischer Dimensionen; unbewusst und schrittweise, vollzieht sich vor allem in persönlichen Beziehungen

GORDON, Milton M.: Assimilationstheorie

Teilprozess der Assimilation Subprozess bzw. Bedingung Schritt 1:Kulturelle oder verhaltensmäßige Wandel der kulturellen Verhaltensmuster in RichtungAssimilation (Akkulturation) der Angleichung mit der Aufnahmegesellschaft

Strukturelle Assimilation Eintritt in Cliquen, Vereine und Institutionen des Aufnahmesystems auf der Basis von Primärbeziehungen

Verwandtschaftliche Assimilation Entstehen inter-ethnischer Heiratsmuster(Amalgamation)

Identifikatorische Assimilation Übernahme der Einstellungen; Entstehung des Zugehörigkeitsgefühls zur Aufnahmegesell.

1. Akzeptanz-Assimilation Verschwinden von Vorurteilen

2. „Gleichbehandlungs-Assimilation“ Verschwinden von Diskriminierungen

3. Zivile Assimilation Verschwinden von Wert- und Machtkonflikten

Ziele klassischer Integrationstheorieno Anpassung von Migranten an den Mainstreamo Kosten-Nutzen-Rechnungo Anmerkungen: Fokus noch stark auf Rasse, Ethnie, etc // Annahme, dass Nebeneinander nicht möglich

Theorien zu Integration im deutschsprachigen Raum – zwei Hauptströmungen (aber keine Einheitlichkeit innerhalb der Strömungen)o Integration durch Gleichgleichstellung in einer multikulturellen Gesellschaft

z.B. TAYLOR: Kommunitaristische: Individuum will in die Gesellschaft + Gesellschaft ist aufnahmewilligHABERMAS: Liberale Begründung des multikulturellen Integrationskonzepts Integrationsverständnis: vielfältiger und interaktiver Prozess Eingewanderte Menschen werden bereichsübergreifend (sozial, ökonomisch, rechtlich,..) in der

Aufnahmegesellschaft gleichgestellt

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o Integration durch Assimilation in der Aufnahmegesellschaft (an den Mainstream)z.B. ESSER, Hartmut: Handlungstheoretisch-individualistisches Modell Integrationsverständnis: Assimilation (als Leistung des Einzelnen/ Migranten) Zuwanderer sollen sich an die „Leitkultur“ der einheimischen Bevölkerung anpassen

ESSER, Hartmut: o Handlungstheoretisch-individualistisches Modell (Ausländerpädagogik)o Geht von einer homogenen und kohärenten Mehrheitskultur aus

Integration erfolgt in einem Dreischritt von Situationslogik, Wahllogik und AggregationslogikIntegration: „Zusammenhalt von Teilchen in einem „systematischen“ Ganzen, gleichgültig zunächst worauf dieser Zusammenhalt beruht“Markt spielt die größte Rolle bei der Systemintegration

ESSERs Theorie bringt Makro- und Mikromechanismen zusammenVersucht Integration unter verschiedenen Bedingungen zu erklären

Sozialintegration von Einwanderern entlang vier verschiedener Dimensionen Kognitive Assimilation (Kulturation) (Spracherwerb, kulturelles Wissen z.B. Kenntnis von

Normen, Standards) = Basis des Assimilationsprozesses (v.a. Spracherwerb) Strukturelle Assimilation (Platzierung) (Position in Schule/ Beruf) Soziale Assimilation (Interaktion) (Partizipation an Organisationen, Vereinen und Kontakt zu

Mitgliedern (Ehe, Freundschaft)) Emotionale Assimilation (Identifikation) (Entwicklung einer neuen Identität; emotionale

Beziehung zum Aufnahmeland; sieht sich selbst nicht mehr als Ausländer)

o Formen der Sozial-Integration von Einwanderern nach ESSERMehrfachintegration = Bikulturalismus nicht möglich!!

o ESSER: Erwünscht ist nur Assimilation (Aufgabe der ursprünglichen Identität)o Marginalität und Segmentation unerwünscht

Fazit: Klassische Integrationstheorieno Kulturelle Anpassung und sozioökonomischer Fortschritt sind miteinander verschränkt = Kulturelle

Adaption als Vorbedingung für strukturelle Integrationo Das Beibehalten kultureller Traditionen verhindert sozioökonomischen Aufstiego Bikulturalismus (außer in wenigen Einzelfällen) funktioniert nichto Der gesellschaftliche „Mainstream“ ist relativ homogen hinsichtlich sozioökonomischer und kultureller

Faktoreno Integration = überwiegend einseitiger Prozess -> Zuwanderer erfüllen die Bedingungen des

Mainstreams

Multikulturelle Integrationstheorieno Synchrone Identifikation -> Multikulturalismus (Mehrfachidentifikation ist möglich!)o Integration als komplexer, gegenseitiger Prozesso Buch von GUTMANN/TAYLOR: „Politik der Anerkennung“, da alle Kulturen von gleichem Wert;

ethnozentristische Sichtweise soll beseitigt werdenRassismus ist Hindernis

o HABERMAS: jeder hat Menschenrechte -> Integration in die Weltgesellschaft, Kulturen sollen um ihrer selbst willen respektiert werden und kein ethnischer Artenschutz betrieben werden

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Neoklassische Integrationstheorien: NEE/ ALBA 2003 (Modifikation der klass. Integrationstheorien)o Sozioökonomisches Umfeld als Indiz für Integration (höheres Bildungsniveau steht für bessere

Integration)o Gegenseitige Beeinflussung von Akteureno Soziale Grenzen werden schwammig (dadurch wird es für Ausländer einfacher sich zu integrieren)o Staat kann günstige Bedingungen für Integration schaffen: Überwindung des Rassismus über

kollektive Strategien z.B. Bildungsmaßnahmeno Integration auch in der zweite Generation nicht abgeschlosseno Kulturelle Integration ist nicht einmalige und willentliche Entscheidung, sondern ein Nebenprodukt,

das dabei entsteht, wenn die Einzelnen versuchen Chancen zu nutzen, um ihr Leben zu verbessern. Viele kleine Schritte führen zum Großen, zur Integration. Läuft unbewusst ab

o Autonomer Migrant: Integration als individueller Prozess; der Familie wird in diesem Zusammenhang keine große Bedeutung begemessen

o Zunächst hauptsächlich Veränderungen bei den Migranten, mittelfristig ist jedoch ein Verwischen der Grenzen seitens der Dominanzbevölkerung notwendig

Vorteile der „neuen“ Integrationstheorieno Integration ist nicht linear gedachto Heterogenität der „Dominanzbevölkerung“ wird anerkannto Integration gilt als gegenseitiger Prozesso Kein Ausschluss unterschiedlicher Kulturen

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5. Transnationalisierung

Soziologie Ludger PRIES prägt den Begriff Raumbezüge: Nationalgesellschaften sind weiterhin von Bedeutung, aber Vergesellschaftungsmodus geht

über Grenzen hinweg Transnationalisierung:

o Grenzüberschreitendes Phänomen, das lokal verankert bleibto unterstützt durch moderne Kommunikationsmöglichkeiten/ Medien im Allgemeinen; Austausch über

Lebenswelten in Echtzeit mittels moderner Kommunikationstechnologien o regelmäßiger direkter und persönlicher Kontakt o im Vordergrund: Sozialphänomene und soziale Beziehungen, die sich über mehrere lokale Einheiten in

unterschiedlichen Nationalgesellschaften erstrecken o die modernen Verhältnisse relativieren die Raumbezügeo extrem dichte Interaktionsbeziehungen können über langen Zeitraum besteheno intensive Sozialkontakte zwischen Akteuren, die über verschiedene Orte in mehreren Nationalstaaten

lebeno Bezieht sich auf gesellschaftliche Phänomene als Ganzes: ökonomisch, politisch, kulturell, technisch,

ökologisch,… Vorwurf des methodologischen Nationalismus‘: Nationalstaaten und Nationalgesellschaften als

Bezugspunkt, Leugnung des Pluralitätsgedankens; demgegenüber: LUHMANN Weltgesellschaft als Bezugseinheit sozilogischer Analysen; Gesellschaft als Ergebnis individueller Aushandlungsprozesse (Grenze immer da wo Kommunikation endet) vs. Transnationalismus: Beziehungen und Sozialphänomene, die sich über mehrere lokale Einheiten in unterschiedlichen Nationalgesellschaften erstrecken und relativ dauerhaft sind + dichte Interaktion

Ziel von PRIES: Weltgesellschaft

Internationalisierungstypeno Internationalisierung: Organisationen, in denen verschiedene Nationen auf Verträgen basierend

zusammenarbeiten (UNO) aber auch Schüleraustausch; zwischen völkerrechtlich souveränen Nationalstaaten und ihren Gesellschaften bestehende Austauschprozesse, Übereinkommen und historische Bezüge;

o Supra-Nationalisierung: Zuständigkeiten werden auf höherer Ebene (europäische Ebene) verhandelt (Europäisches Parlament)

o Globalisierung: (in der Regel methodologischer Nationalismus) Globale Gesellschaft als maßgeblicher sozialräumlicher Zusammenhang; Nationalgesellschaft und nationale Grenzen verlieren an BedeutungGlobale Gesellschaft als maßgeblicher sozialräumlicher Verflechtungszusammenhang; Verschachtelung von Flächenraum und Sozialraum

o Glokalisierung (ROBERTSON): Herstellung und Stärkung der Wechselbeziehungen zwischen lokalen und globalen Wirkungsfaktoren und Sozialräumen als Bezugseinheit

o VS. Transnationalisierung: Verflechtungen und keine klare Heimat; fortdauernde Prägekraft von Raumbezügen und Nationalgesellschaften; keine Auflösung derer, kein de-lokalisiertes EreignisTransnationale Beziehung innerhalb einer Familie: regelmäßige Telefongespräche, wechselseitige finanzielle Hilfeleistungen; gemeinsame Feierlichkeiten,…Keine „De-Lokalisierung“, sondern Pluri-Lokalisierung: Aufteilung der alltäglichen Lebensvollzüge auf Plätze in mehreren Nationalgesellschaften

Lebenswelten (Alfred SCHÜTZ): tausendfach verknotetes Fischernetz als Metaphero Gesellschaftliches Wissen von der Umwelt konstituiert Lebenswelt, Sinnzusammenhänge der

Lebenswelten ergeben sich erst im Vergleich von Handlungssituationen mit dem angesammelten und kontextbedeutsamen Wissensbeständen (was ist typisch/ atypisch)

o Transnationalisierung als Globalisierung von unten (Individuen nicht Organisationen stehen im Vordergrund)

o Positionierung innerhalb der Gesellschafto V.a. in den letzten zwei Jahrzehnten haben sich die von den Menschen wahrgenommenen Bezugsräume

erheblich erweitert und ausdifferenziertOrt treten geographisch weit entfernte Plätze in den direkten Aufmerksamkeitsfokus

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Neue Forschungsperspektive transnationale Familieo Familien als Migrationsnetzwerke (Wechselprozesse zwischen Integration – Familie – Prozess der

Migration) auch zu beachten: wichtige familiäre Bezüge und Kontakte aus dem Herkunftsland = Migranten sind keine unabhängige Variable für den Integrationsprozess

o Integrations- bzw. Assimilationsprozesse vorwiegend nicht individuelle, sondern kollektiv, v.. in der alltäglichen Lebenswelt von Familien

o Großfamilie in Migrationsprozessen (Großfamilie und Verwandtschaft als Bezugseinheit – internationale Migration oft in großfamiliären Strukturen – Nuklearfamilie als Teil einer Großfamilie und eines familiären Netzwerks)

o Generationaler Verlauf von Migrationsanalysen (Betrachtung der Migration über mehrere Generationen hinweg, mind. 3 Generationen – Rückwanderung vs. Nachzug – Assimilation ist nicht klarer Schlusspunkt der Migration – Komplexität von Migrationsprozessen)

Ausprägung familiärer Migration (macht knapp 60% aus; wirtschaftliche Gründe wesentlich geringer)o Individuelle Migration aus familiären Gründen: Einzelne wandern, um Geld für die Familie zu

verdieneno Familienzusammenführung: Familie des Einwanderer zieht nach ca. 1/3 (bei nachreisenden Kindern:

„dreifache“ Krise: Adoleszenzkrise, Elternbeziehungskrise und kulturelle Identitätskrise)o Mitreißende Familienangehörige: „Mitwandern“ zur Verbesserung der Lebensqualitäto Migration zur Familiengründung: Wanderung, um in einem bestimmten Gebiet zu heirateno Migration unterstützter Verwandter: Bereits angesiedelte Einwanderer unterstützen Verwandte bei der

Migration

Folgewirkungen familiärer Migrationo Transnationale Lebenswelten (Telefongespräche über Ländergrenzen hinweg)o Moderne Kommunikationsmittel als Unterstützung / Medien geben Infos über alle Ländero Transnationalisierte Zugehörigkeitsempfindungeno Herausbildung transnationaler Räume: dichtes Netz von grenzüberschreitenden Gewohnheiten,

Konsummustern, Kommunikationsstrukturen und Lebensstrategieno Es können sich soziale Probleme und Spannungen in der Ankunftsregion der Familie z.B. bei Nachzug

von Familienmitgliedern ergebene (unterschiedliche Kulturen, Erfahrungswelten und Lebensstile treffen aufeinander – Veränderungen der Rollen- und Machtstrukturen)

o Entscheidende Veränderungen im lokalen Gefüge sozialer Rollen und Positionen im Herkunftsland 4 Idealtypen der Migration

o Emigration/Immigration: Rückbezug/ Abschied nehmen von der Herkunftsregion; Integration in neue Heimat; wirtschaftliche und sozial-kulturelle Faktoren als typischer Migrationskontext; unbefristeter oder längerfristiger Zeithorizont // Assimilation vorhanden vgl. ESSER

o Rückkehrmigration: Dauerbezug/ Identität zum Herkunftslang wahren; Differenz zum Ankunfstlang, Sicht als Gastland; wirtschaftliche Beweggründe; befristeter, kürzerer Prozess // z.B. Gastarbeiter

o Diasphora-Migration: Dauerbezug auf Herkunftsland als gelobtes Land; Ankunftsland als Erleidensrauf, Differenzgefühl; Migration aus religiösen, politischen Gründen, (entsendete Organisation???), kurzfristig

o Transmigration: Ambivalentes Verhältnis sowohl zu Herkunfts- als auch Ankunftsland, jegliche Beweggründe; unbestimmter Zeitraum, sequenziell; nicht mehr lokal ausgerichtet

Altern in transnationalen Netzwerken vgl. PRIES S. 48 - 57

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Zusammenfassung VL Pädagogik – Theorien und Forschungsmethoden der Pädagogik – SS 2012

6. Theorien des Arbeitsmarkts

Zwei Ansätze: ökonomisch vs. Soziologischo Ökonomie: alle Märkte sind gleich; untersucht Makrophänomene z.B. Erklärung von Arbeitslosigkeito Soziologie: AM als Subsystem der Gesellschaft, da die angebotenen Waren (=Leistungen) nicht von

den anbietenden Personen und deren Bedürfnissen und Fähigkeiten trennbar sindEs entstehen WechselbeziehungenMikrosoziologische Ansätze, z.B. Ungleichheiten auf dem AM werden untersucht

Konkurrenz und Marktmechanismeno Markt als Ort des Tausches von Waren und Dienstleistungeno Physischer vs. Abstrakter Markt (z.B. AM oder Markt im Internet)o Zentrales Merkmal: Konkurrenz sowohl zwischen Arbeitnehmern, als auch zwischen Arbeitgebern;

müssen sich auf dem Arbeitsmarkt positioniereno Marktmechanismen

Arbeit wird nicht getauscht, sondern die Verfügung darüber Rechtliche Absicherung durch Verträge

Neoklassisches Modell (aus der Ökonomie): sehr ideal gedachto Rationale Akteure (vollständig informiert)o Perfekter Markt (Angebot und Nachfrage genau gleich groß)o Arbeit ist homogen (hat je gleiche Charakteristika, beliebig teilbar???)o Preise/ Löhne flexibel (Arbeitgeber hat dadurch gewisse Macht)o Keine Präferenzen für bestimmte Tauschpartnero Keine Beschränkungen (institutionell oder kulturell// Größe des Marktes)o Probleme/ Kritik:

Gesellschaftliche Zusammenhänge bleiben außer Acht Nur Makrophänomene werden betrachtet Fehlschluss wegen des hohen Abstraktionsniveaus möglich

o Modifikation wegen der Probleme Nicht jeder Mensch hat gleiche Ressourcen Unterschiedliche Informationen und Präferenzen Shirking-Problem: wer bessere Ressourcen hat, will sich besser positionieren

o Such- und Matchingtheorie (Abweichen von der Annahme, dass Arbeitnehmer und –geber ohne Zeitverzögerung tauschen können): zur Analyse der Mobilität auf dem Arbeitsmarkt Suchtheorie: aus höheren Kosten (Zeit) folgt eine kürzere Suche, weil man sich eher auf eine

Stelle einlässt, wenn man viel in die Suche investiert hat; daraus kann aber niedrigerer Lohn folgenSuche ist in der Arbeitslosigkeit am effektivesten, da mehr Zeit für SucheGewisses Maß an Arbeitslosigkeit ist effizient für den Markt: Schafft Konkurrenz

Matchingtheorie: perfektes Matching nicht möglich; matching als gegenseitiger Prozess

Humankapitaltheorie (soziologisch geprägt) BECKERo Arbeit ist nicht homogeno Unterschiede bei Produktivität, Wissen und Präferenzen, Investition in Humankapitalo Wert des Einzelnen bestimmt durch Humankapitalo Kosten = Zeitlicher Aufwando Allgemeinbildung und Berufsqualifikation werden zu Kapitalgütern o Grundannahmen: Rationalität, Kosten, Abhängigkeit vom Humankapital, Perfekter Markto Humankapital führt zu höherem Lebenseinkommen( = Rendite für Humankapitalinvesition)

Segmentationstheoretische Ansätze o Geprägt von institutionellem Denkeno Ökonomische Prozesse können nicht adäquat analysiert werden, wenn sie isoliert von sozialer Umwelt

stehen (Ökonomie und Soziologie verschränkt)o Berücksichtigung von ökonomischen aber auch soziologischen, rechtlichen, historischen und

politischen Aspekteno Es gibt verschiedene Segmente auf dem Arbeitsmarkt, Arbeitnehmer werden aufgrund verschiedener

Merkmale Arbeitsmarktsegmenten zugeteilto Segmentationsmerkmale/ Arbeitsmarktpartizipation je nach:

Qualifikation Herkunftsmilieu

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Zusammenfassung VL Pädagogik – Theorien und Forschungsmethoden der Pädagogik – SS 2012

Geschlecht Alter…

o Keine Gleichstellung der Arbeiter, es gibt Barriere in andere Segmente zu wechselno Grundidee: Beschäftigungsverläufe und Löhne sowie Weiterbildungsbeteiligung hängen von der

Firmenposition im Wirtschaftsgefüge ab (Höherer Lohn = größerer Wille zur Weiterbildung; niedrigerer Lohn = höherer Zwang zur Weiterbildung)

o Primärer (qualifizierte Arbeiter) und sekundärer Markt (unqualifizierte Arbeiter) Institutionalistischer Ansatz (DOERINGER und PIORE)

o Arbeitsmarkt aus drei Segmenten Berufsfachliche Teilarbeitsmarkt mit hohen Investitionen in Fachqualifikationen Betriebsinterner Arbeitsmarkt mit Arbeitnehmern aus der Stammbelegschaft Unstrukturierter Arbeitsmarkt mit Arbeitern mit niedrigen Qualifikationen (Weiterbildungsquote

am niedrigsten) Betriebsinterner Segmentationsansatz (LUTZ und SENGENBERGER): Anpassung auf deutschen

Arbeitsmarkto Markt für unspezifische Qualifikation: Jedermanns-Arbeitsmarkto Markt für fachspezifische Qualifikation: berufsfachlicher Teilarbeitsmarkto Markt für betriebsspezifische Qualifikation: betrieblicher Teilarbeitsmarkt

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7. Forschungsmethoden

Begriffeo Methode ist das Verfahren, das einem bestimmten Weg aufzeigt, um ein gesetztes Ziel zu erreichen;

qualitativ vs. Quantitativ; z.B. Leitfadeninterviewo Forschungsdesign: Instrument z.B. Leitfaden, Experiment, Feldforschung, Aktions-/Praxisforschung,

Survey, Panel, Einzelfallanalyseo Methodischer Dreischritt in der Forschung: Erhebung – Aufarbeitung - Auswertung

Phasen eines Forschungsprozesses1. Entdeckungszusammenhang: theoretischer Teil

Anlass der Untersuchung Auswahl eines Forschungsproblems: Fokus setzen Formulierung und Präzisierung des Forschungsproblems Theoriebildung Personelle und materielle Faktoren Stand der Forschung, aktueller Forschungsdiskurs

2. Begründungszusammenhang: empirischer Teil Methodologisches Vorgehen (abgeleitet aus dem theoretischen Teil) Forschungsdesign Auswahl der Untersuchungsobjekte Datenerhebung – Datenerfassung – Datenanalyse

3. Verwertungszusammenhang: praktischer Teil Auswirkungen der Untersuchung Beträge zu einer Verbesserung sozialer Wirklichkeit, zur Erweiterung des theoretischen Wissens Formulierung von Problemlösungen Publikation der Ergebnisse

Quantitativer Forschungsprozess in der Übersicht

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Theoriebildung• Was bietet die vorhandene Literatur? Verwertung?• Wichtig für die Operationalisierung• Hypothesenbildung

Forschungsdesign – Gütekriterien• Reliabilität (Zuverlässigkeit des Forschungsinstruments)• Objektivität (Reproduzierbarkeit unabhängig vom Forscher)• Validität (Gültigkeit; Messinstrumente müssen zur Bildung von Indikatoren fähig sein)• Repräsentativität (Übereinstimmung von statistischen Merkmalen einer Teilgruppe mit denen der

Gesamtgruppe)

Operationalisierung• Umsetzung der relevanten Begriffe in Untersuchungsoperationen• Definition der relevanten Begriffe und Konzepte; Auswahl der Indikatoren, Entwicklung der

Messinstrumente• Variablen

eine Größe, die von Merkmalsträger zu Merkmalsträger unterschiedliche Merkmalsausprägungen (mögliche Werte) annehmen kann (Merkmalswert= tatsächlich zutreffende Merkmalsausprägung)◦ Dichotome (Binäre) Variablen ( haben nur zwei Ausprägungen: Geschlecht)◦ Diskrete Variablen (genaue Anzahl von Werten: Ampelfarben)◦ Stetige Variablen (können jeden Wert annehmen: Körpergewicht, -größe)◦ manifeste Variablen (direkt beobachtbare/ messbare: Gewicht, Körpergröße)◦ latente Variablen (nicht direkt messbar: Religiosität → Indikatoren müssen gefunden werden)

Messen und Skalenniveaus

Nominalskala: Einteilung in Kategorien, die sich gegenseitig ausschließen; Zentralwert: Modus• Der Modus oder Modalwert ist

◦ bei einer empirischen Häufigkeitsverteilung der häufigste Wert,◦ bei einer diskreten Zufallsvariable die Ausprägung mit der größten Wahrscheinlichkeit und◦ bei einer stetigen Zufallsvariable die Maximumstelle der Dichtefunktion

• Beispiele für nominalskalierte Merkmale eines Menschen:◦ Geschlecht: männlich, weiblich ◦ Geburtsort: Hamburg, Berlin, Heidenheim◦ Religionszugehörigkeit: evangelisch, katholisch, muslimisch

Ordinalskala: Einteilung in Kategorien mit Rangordnung; Abstände zwischen den Werten nicht messbar; Zentralwert: Median

• Der Median oder Zentralwert ist ein Mittelwert für Verteilungen in der Statistik. Der Median einer Anzahl von Werten ist die Zahl, welche an der mittleren Stelle steht, wenn man die Werte nach Größe sortiert. Zum Beispiel ist für die Werte 4, 1, 37, 2, 1 der Median 2, nämlich die mittlere Zahl in 1, 1, 2, 4, 37. Allgemein teilt ein Median eine Stichprobe, eine Anzahl von Werten oder eine Verteilung in zwei Hälften, so dass die Werte in der einen Hälfte kleiner als der Medianwert sind, in der anderen größer.

• Beispiele◦ Schulische Leistung2 sehr gut > gut > befriedigend > ausreichend > mangelhaft > ungenügend◦ Dienstrang beim Militär General > Major > Leutnant > Feldwebel > Unteroffizier > Gefreiter

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Berufliche Weiterbildungsbeteiligung• im Jedermanns-Arbeitsmarkt sehr niedrig• im Fachspezifischen Arbeitsmarkt höher• im berufsspezifischen AM am höchsten

Hypothesen • sollen aus der Problemstellung logisch abgeleitet und möglichst genau formuliert sein• müssen prinzipiell empirisch überprüfbar sein (falsifizierbar)• die Nullhypothese wird gegenüber einer Alternativhypothese mittels eines statistischen Signifikanztests

geprüft

Datenanalyse: Lagemaße• Modus = Modalwert: Wert der bei der Verteilung am häufigsten vorkommt• Median = Zentralwert: teilt die geordnete Reihe in die oberen und unteren 50%• Arithmetisches Mittel = Durchschnitts- / Mittelwert (setzt metrische Skalenniveaus voraus)

Qualitative Forschung

Prinzipien der qualitativen Forschung • Offenheit (im Vorfeld keine Hypothesen)• Kommunikation (Forschungssituation soll sich an

Alltagssituation orientieren)• Prozess (auf das Subjekt gerichtet, Prozess zur

Wirklichkeitsabbildung)• Reflexivität und Subjektivität (Reflexion des

Verhältnisses zwischen Forscher und Erforschtem)

1. Forschungsproblem2. Untersuchungsplanung (Erhebungsmethode und Forschungsdesign)

• Interviewverfahren z.B. Narratives Interview, Leitfadeninterview• Gruppendiskussion, Fokusgruppen• Teilnehmende Beobachtung

Dilemmata nach HOPF bei qualitativen Interviews• Dilemma der Vagheit• Dilemma der Fairness• Dilemma der Selbstpräsentation

3. Datenerhebung/ -aufarbeitung4. Auswertung und Interpretation

• Transkription → Vergleichbarkeit• Verschiedene Methoden der Datenauswertung

◦ Grounded Theory◦ Dokumentarische Methode◦ Computergestützte Analyse

3 Grundformen der qualitativen Inhaltsanalyse nach Philipp A. E. MAYRING• Zusammenfassung (in einem ersten Schritt wird das Datenmaterial reduziert, sodass wichtige Inhalte

erhalten bleiben)• Explikation (in einem weiteren Schritt werden zu unterschiedlichen Teststellen zusätzliche Textstellen

gesucht, die Erklärungen möglich machen)• Strukturierung (nachdem Kategorien erstellt wurden werden bestimmte Aspekte herausgefiltert z.B.

durch das Bilden von Codes)

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Zusammenfassung VL Pädagogik – Theorien und Forschungsmethoden der Pädagogik – SS 2012

Vor-/ Nachteile quantitativer / qualitativer Methoden

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