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Vorkurs Mathematik Vorbereitung auf das Studium der Mathematik Herbst 2012 Skript Institut f¨ ur Analysis

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Vorkurs Mathematik

Vorbereitung auf das Studium derMathematik

Herbst 2012

Skript

Institut fur Analysis

Inhaltsverzeichnis

Einleitung 5

1 Grundlagen 61.1 Aussagen und logische Vernupfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61.2 Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81.3 Die Zahlenbereiche N,Z,Q,R . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101.4 Rechenregeln fur reelle Zahlen und Ordnungsrelationen . . . . . . . . . . 11

1.4.1 Rechenregeln fur reelle Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111.4.2 Ordnungsrelation auf R . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

1.5 Intervalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121.6 Mathematische Beweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

2 Reelle Funktionen I 162.1 Potenzen und Wurzeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

2.1.1 Ganzzahlige Potenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182.1.2 Die n-te Wurzel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182.1.3 Rationale Potenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192.1.4 Die rationale Potenzfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

2.2 Der Logarithmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212.2.1 Die Logarithmengesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

2.3 Der Betrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

3 Losungstechniken fur Gleichungen und Ungleichungen 253.1 Quadratische Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263.2 Quadratische Ungleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273.3 Wurzelgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283.4 Bruchungleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303.5 Betragsungleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

4 Reelle Funktionen II 334.1 Verkettung von Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334.2 Der Graph einer reellen Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354.3 Eigenschaften von reellen Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

4.3.1 Monotonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

3

Inhaltsverzeichnis

4.3.2 Gerade und ungerade Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424.4 Die Umkehrfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

5 Spezielle Funktionen 475.1 Allgemeine (affin-)lineare Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475.2 Trigonometrische Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

5.2.1 Sinus und Cosinus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495.2.2 Tangens und Cotangens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

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Einleitung

Dieser Kurs soll wichtige Bereiche Ihres Schulwissens moglichst konsistent aufbereiten.Er richtet sich insbesondere an Studierende, die Unsicherheiten im Umgang mit demmathematischen Schulstoff haben oder deren Mathematikunterricht langer zuruckliegt.Aber auch Studierende, denen der Schulstoff keine Schwierigkeiten mehr bereitet, konnenhier etwas mitnehmen, denn wir werden nicht nur das Rechnen uben, sondern auchdas prazise Formulieren mathematischer Sachverhalte, insbesondere von mathematischenBeweisen. Diese Fahigkeiten werden ab dem 1. Semester eine zentrale Rolle spielen.

Die dargestellten Inhalte sind vielerorts, sei es frei erhaltlich im Internet, oder auf demBuchermarkt in guten Darstellungen zu finden. In diesen Kurs fließen aber die speziellenErfahrungen des Lehrbetriebes an der Karlsruher mathematischen Fakultat ein. UberJahre konnten wir gravierende Lucken vieler Studienanfanger im Umgang mit elemen-taren Rechentechniken und Definitionen, wie Rechnen mit Betragen oder den sicherenUmgang mit Ungleichungen beobachten. Wenn solche Lucken nicht aufgearbeitet wer-den, kann daran leicht das erfolgreiche Studium scheitern. Auch beobachteten wir beivielen Studienanfangern und -anfangerinnen große Hemmungen, sich eigenstandig an dasLosen auch einfacherer Ubungsaufgaben zu machen. Das ist aber unumganglich um mitdem Fortschreiten des Stoffes Schritt zu halten und nicht irgendwann

”abgehangt“ zu

sein. Eine weitere Hurde fur das Studium stellt fur viele das Formulieren und Aufschrei-ben eines vollstandigen Beweises dar. Auch an diesen Aspekt des Mathematikstudiumswollen wir Sie in diesem Vorkurs schon heranfuhren.

Es handelt sich bei diesem Skriptum um eine uberarbeitete Version der Uberarbeitungdes Skriptes, daß von Frau Dr. Johanna Dettweiler im Jahr 2009 fur das Institut furAnalysis erstellt wurde.

Karlsruhe, im Herbst 2012 Andreas Bolleyer

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1 Grundlagen

1.1 Aussagen und logische Vernupfungen

Wenn man sich uber Mathematik verstandigen will, ist es unumganglich zu verstehen,was eine mathematische Aussage ist und wie sie verknupft werden kann. Erst dann kannman verstehen, was zum Beispiel ein mathematischer Beweis ist.

Definition 1.1.1 (Mathematische Aussage)Eine Aussage im mathematischen Sinn , ist eine Feststellung, deren Wahrheitsgehaltstets mit

”wahr“ oder

”falsch“ angegeben werden kann.

Beispiele:

(1) Mathematische Aussagen sind

• Dienstag ist ein Wochentag.

• Dienstag ist Montag.

• 2 ist eine gerade Zahl.

• 2 = 1

(2) Keine mathematischen Aussagen sind

• Ich denke, also bin ich.

• x2 + 2x+ 1.

• x+ 1 = 0

Wir benotigen naturlich die Moglichkeit mathematische Aussagen in eine Relation zuein-ander zu stellen oder zu verknupfen. Wir werden daher folgende logische Operationenfur Aussagen A,B verwenden:

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1.1 Aussagen und logische Vernupfungen

BezeichnungSymbol Bedeutung der Verknupfung

1. Negation ¬A nicht A

2. Konjunktion (und) A ∧ B A und B

3. Disjunktion (oder) A ∨ B A oder B

4. Implikation (Folgerung) A =⇒ B aus A folgt B

5. Aquivalenz (genau dann, wenn) A ⇐⇒ B A und B sind aquivalent, d.h. es gilt

A =⇒ B und B =⇒ A

Sie werden definiert uber Wahrheitstafeln (dabei steht”w“ fur wahr und

”f“ fur falsch):

A B ¬A A ∧ B A ∨ B A =⇒ B A ⇐⇒ B

w w f w w w w

w f f f w f f

f w w f w w f

f f w f f w w

Bemerkung:

(1) Das logische”oder“ ist nicht-ausschließend, also nicht zu verwechseln mit

”entweder

... oder“.

(2) Ist A falsch, so ist die Implikation A =⇒ B stets wahr (”ex falso quodlibet“)! Zum

Beispiel gilt 1 < 0 =⇒ 2 = 3.

(3) Es seien A und B zwei mathematische Aussagen und es gelte A =⇒ B. Dann heißtA hinreichende Bedingung fur B und B notwendige Bedingung fur A.

Definition 1.1.2 (Tautologische Aquivalenz)Es seien C und D Aussagen. Erzeugen C und D die gleiche Wahrheitstafel, so heißen Cund D tautologisch aquivalent und wir schreiben C =||= D.

Beispiele:

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1 Grundlagen

(1) ¬¬A := ¬(¬A) =||= A, (2) ¬(A ∨ B) =||=(¬A ∧ ¬B

),

(3) ¬(A ∧ B) =||=(¬A ∨ ¬B

), (4) (A =⇒ B) =||= (¬A ∨ B),

(5) (A =⇒ B) =||= (¬B =⇒ ¬A), (6) (A ⇐⇒ B) =||=((A ⇒ B)∧(B ⇒ A)

).

Diese tautologischen Aquivalenzen werden wir spater benotigen um zum Beispiel ma-thematische Beweise zu fuhren. Um diesen Begriff zumindest auf sprachlicher Ebene zuveranschaulichen, betrachten wir folgendes

Beispiel:

Die Aussage”Wenn es regnet, wird die Straße naß“ laßt sich als Implikation A =⇒ B

auffassen mit den Aussagen A : Es regnet und B : Die Straße wird naß. Wenn die Straßealso nicht naß wird, kann es nicht regnen, d.h. wir haben tautologische Aquivalenz zurAussage ¬B =⇒ ¬A, aber wenn die Straße (wie auch immer) naß wird, konnen wirddaraus nicht folgern, daß es auch regnet.

1.2 Mengen

”Naiver“ Mengenbegriff nach Cantor: Eine Menge ist eine Zusammenfassung be-

stimmter, wohlunterschiedener Objekte unserer Anschauung oder unseres Denkens zueinem Ganzen. Fur jedes Objekt muß eindeutig feststellbar sein, ob es zu der Mengegehort oder nicht.

Mengen werden ublicherweise mit Großbuchstaben A,B,C, ... und Objekte mit kleinenBuchstaben a, b, c, ... bezeichnet. Mit ∅ bezeichnen wir die leere Menge, d.h. die Menge,die keine Objekte enthalt.

Beispiele zur Darstellung von Mengen:

(1) Es seien a, b, c, d, e Objekte. Um diese Objekte zu einer Menge zusammenzufassenschreiben wir {a, b, c, d, e}.

Beispiel: Die Menge A der Buchstaben des Namens”Paula“, mit Unterscheidung

großer und kleiner Buchstaben, ist

A = {P, a, u, l, a} = {P, a, u, l} = {l, P, u, a},

(2) Es sei X eine Menge und fur x ∈ X sei E(x) eine mathematische Aussage. Nunkonnen wir die Menge E aller x ∈ X betrachten fur die E(x) wahr ist.

Notation: E = {x ∈ X | E(x) ist wahr } = {x ∈ X | E(x)}.

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1.2 Mengen

Beispiel: Es sei A wie im Beispiel aus (1).

B = {x ∈ A | x ist ein Großbuchstabe} = {P}

Dabei ist zu beachten, dass P und {P} sehr verschiedene Objekte sind. Bei P handeltes sich um einen Buchstaben und bei {P} um die Menge, die nur den BuchstabenP als Element enthalt.

Definition 1.2.1 (Element,Teil- und Obermenge)Es seien A und B Mengen.

(a) Es sei a ein Objekt. Ist a in A enhalten, nennen wir a ein Element von A.

Notation: a ∈ A.

Ist a nicht in A enthalten, schreiben wir a /∈ A.

(b) Gilt fur jedes a ∈ A, dass a ∈ B, sagen wir “A ist Teilmenge von B” und “B istObermenge von A”.

Notation: A ⊆ B.

Ist A keine Teilmenge von B schreiben wir A * B.

(c) Sei A ⊆ B. Gibt es ein b ∈ B, welches nicht in A enthalten ist, sagen wir “A isteine echte Teilmenge von B” und “B ist eine echte Obermenge von A”.

Notation: A ( B.

(d) Wir sagen, dass A und B gleich sind, wenn A ⊆ B und B ⊆ A gilt.

Notation: A = B.

Definition 1.2.2 (Vereinigung, Schnitt, Komplement und kartesisches Produkt)Es seien A und B Mengen. Wir definieren

(a) die Vereinigung von A und B durch

A ∪B := {x | x ∈ A ∨ x ∈ B},

(b) den Schnitt von A und B durch

A ∩B := {x | x ∈ A ∧ x ∈ B},

(c) das relative Komplement von B in A durch

A \B := {x | x ∈ A ∧ x /∈ B},

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1 Grundlagen

(d) das kartesisches Produkt von A und B durch

A×B := {(a, b) | a ∈ A ∧ b ∈ B}.

Beispiel: Es seien a, b, c, d Objekte und A = {a, b, c} sowie B = {a, c, d}. Dann gilt:

(1) A * B, B \ {d} ( A.

(2) A ∪B = {a, b, c, d}, A ∩B = {a, c}, A \B = {b}, B \ A = {d}.

1.3 Die Zahlenbereiche N,Z,Q,R

Wir gehen an dieser Stelle davon aus, daß die grundlegenden Zahlenbereiche N,Z,Q,Rbekannt sind und werden daher nur unformal an die wesentlichen Eigenschaften erin-nern. Im Rahmen von fortfuhrenden Vorlesungen werden Sie zumindest teilweise aucheine stringente Konstruktion dieser Zahlenbereiche und Herleitung der charakterisieren-den Eigenschaften kennenlernen.

Die naturlichen Zahlen N := {1, 2, 3, 4, . . .}: Es gibt eine kleinste naturliche Zahl, undjede Zahl n hat einen Nachfolger n + 1; es gibt also keine großte naturliche Zahl. In Nsind die Rechenoperationen + und · uneingeschrankt ausfuhrbar, d.h. fur a, b ∈ N gilta+ b, a · b ∈ N.Außerdem setzen wir N0 := N ∪ {0}.

Die ganzen Zahlen Z = {...,−3,−2,−1, 0, 1, 2, 3, ...}: In Z besitzt die Gleichungx+ b = a (a, b ∈ N, x unbekannt, a, b bekannt) in Z stets eine Losung. Es gilt N ⊆ Z. InZ gibt es im Gegensatz zu N keine kleinste Zahl. In Z sind die Rechenoperationen +,−und · uneingeschrankt ausfuhrbar.

Die rationalen Zahlen Q ={x∣∣ x =

a

bfur ein a ∈ Z und ein b ∈ N

}: Zwischen zwei

verschiedenen rationalen Zahlen liegen stets noch unendlich viele andere rationale Zah-len. Es gilt Z ⊆ Q. In Q sind die Rechenoperationen +,− und · sowie teilen durchElemente q ∈ Q\{0} uneingeschrankt ausfuhrbar.

Beispiel:1

3= 0, 3333.... ∈ Q \ Z.

Die reellen Zahlen Jede rationale Zahl laßt sich als endliche oder periodische Dezi-malzahl schreiben und umgekehrt stellt jede endliche oder periodische Dezimalzahl einerationale Zahl dar. In diesem Kontext soll es genugen, sich unter der Menge R der reellenZahlen alle moglichen Dezimalzahlen vorzustellen, also endliche, periodische und nichtendliche, nicht periodische Dezimalzahlen. Auch in R sind die Rechenoperationen +,−, ·sowie Division durch Elemente x ∈ R \ {0} uneingeschrankt ausfuhrbar.

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1.4 Rechenregeln fur reelle Zahlen und Ordnungsrelationen

Bemerkung: Es besteht folgender Zusammenhang zwischen den angegebenen Zahlenbe-reichen:

N ( N0 ( Z ( Q ( R.

Da wir nicht wirklich definiert haben, was reelle Zahlen sind (und dies in diesem Kursnicht sinnvoll ware), ist die letzte Inklusion mit Vorsicht zu genießen. Zur Veranschauli-chung dieser Inklusion kann man folgenden Sachverhalt heranziehen. Man kann zeigen,dass keine rationale Zahl q ∈ Q mit q2 = 2 existiert (siehe Aufgabe 6). Diese Gleichungwird allerdings von

√2 gelost und daher ist

√2 /∈ Q. Auch die Eulersche Zahl e und π

sind Elemente von R\Q. Diese reellen Zahlen werden in der Vorlesung Analysis I sauberdefiniert.

1.4 Rechenregeln fur reelle Zahlen undOrdnungsrelationen

1.4.1 Rechenregeln fur reelle Zahlen

Fur das Rechnen mit den reellen Zahlen a, b ∈ R gelten folgende Rechenregeln:

Kommutativgesetz derAddition

Multiplikation

a+ b = b+ a

ab = ba

Assoziativgesetz derAddition

Multiplikation

(a+ b) + c = a+ (b+ c)

(ab)c = a(bc)

Distributivgesetz a(b+ c) = ab+ ac

1. binomische Formel (a+ b)2 = a2 + 2ab+ b2

2. binomische Formel (a− b)2 = a2 − 2ab+ b2

3. binomische Formel (a+ b)(a− b) = a2 − b2

Vorzeichenregeln −(−a) = a

−(a+ b) = −a− b

−(a− b) = −a+ b

Die Regeln der Bruchrechnung werden als bekannt vorausgesetzt.

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1 Grundlagen

1.4.2 Ordnungsrelation auf R

Wir vereinbaren fur a, b ∈ R:

a = b steht fur”a ist gleich b“,

a < b steht fur”a ist echt kleiner als b“,

a ≤ b steht fur”a ist kleiner oder gleich b“,

a > b steht fur”a ist echt großer als b“,

a ≥ b steht fur”a ist großer oder gleich b“.

Beachte: Nach Definition impliziert a < b, dass a ≤ b, aber im allgemeinen implizierta ≤ b nicht, dass a < b!

Die reellen Zahlen konnen auf der Zahlengeraden veranschaulicht werden. Jeder reellenZahl entspricht genau ein Punkt auf der Zahlengeraden und umgekehrt. Fur zwei belie-bige reelle Zahlen x, y kann eindeutig entschieden werden, ob x < y, x = y oder x > ygilt. Auf der Menge der reellen Zahlen ist also eine Ordnungsstruktur gegeben. Fur diesegelten folgende Regeln: Seien a, b, c ∈ R. Dann gilt

Aus a < b und b < c folgt a < c.

Aus a < b und c > 0 folgt a · c < b · c

Aus a < b und c < 0 folgt a · c > b · c

Aus a < b folgt a+ c < b+ c

a · b > 0 gilt genau dann, wenn (a > 0 und b > 0) oder (a < 0 und b < 0)

a · b < 0 gilt genau dann, wenn (a > 0 und b < 0) oder (a < 0 und b > 0)

a · b = 0 gilt genau dann, wenn (a = 0 oder b = 0)

Entsprechende Aussagen gelten auch fur ≤ und ≥ anstelle von < bzw. >.

1.5 Intervalle

Definition 1.5.1 (Intervall)Seien a, b ∈ R mit a ≤ b. Das offene Intervall (a, b) ist die Menge

(a, b) := {x ∈ R | a < x < b}.

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1.6 Mathematische Beweise

Das abgeschlossene Intervall [a, b] ist die Menge

[a, b] := {x ∈ R | a ≤ x ≤ b}.

Die halboffenen Intervalle sind definiert als die Mengen

(a, b] := {x ∈ R | a < x ≤ b}, [a, b) := {x ∈ R | a ≤ x < b}

Außerdem definieren wir die (entarteten) Intervalle

[a, a] := {a} und [a, a) = (a, a] = (a, a) := ∅

sowie die unendlichen Intervalle

(−∞, a) := {x ∈ R | x < a} (−∞, a] := {x ∈ R | x ≤ a}(a,∞) := {x ∈ R | x > a} [a,∞) := {x ∈ R | x ≥ a}

(−∞,∞) := R.

Der Schnitt zweier Intervalle ist stets ein Intervall (evtl. die leere Menge). Die Vereini-gung zweier Intervalle kann ein Intervall sein, muß es aber nicht.

Beispiele:

(1) [3, 4] ∩ [1,∞) = [3, 4], (2) [−2, 0) ∩ (−1, 0] = (−1, 0),

(3) [4, 7] ∩ [8, 9) = ∅, (4) [7, 8] ∩ [8, 9) = [8, 8] = {8},

(5) [4, 5) ∪ (−3, 1] ist kein Intervall, (6) [4, 5] ∪ (−3, 4) = (−3, 5].

1.6 Mathematische Beweise

In diesem Abschnitt lernen Sie die grundlegende logische Beweisstrukturen kennen, dieIhnen wahrend ihres ganzen Mathematikstudiums begegnen werden.Wir betrachten folgende Situation: Es seien A und B Aussagen. Wir wollen unter derVoraussetzung A die Aussage B folgern. Wir finden daher die Struktur

Voraussetzung: A Behauptung: B.

und wollen A =⇒ B zeigen. Dazu haben wir außschließlich die folgenden Mittel zurVerfugung:

(i) Die Aussage A.

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1 Grundlagen

(ii) Axiome und bereits bewiesene Aussagen, insbesondere geltende Rechenregeln.

(iii) Die logischen Verknupfungen aus Abschnitt 1.1.

Man unterscheidet die folgenden Beweistechniken:

(1) Der direkte Beweis: Wir setzen die AussageA voraus und folgern unter Verwendungvon (i)-(iii) auf direktem Wege die Aussage B. Schematisch konnte das zum Beispielso aussehen:

A =⇒ C =⇒ B,

mit einer weiteren Aussage C.

(2) Die Kontraposition: Wir haben schon gesehen, dassA =⇒ B tautologisch aquivalentzur Aussage ¬B =⇒ ¬A ist. Also konnen wir auch so vorgehen: Wir setzen ¬B vor-aus und folgern unter Verwendung von (i)-(iii) die Aussage ¬A. Zum Beispiel:

¬B =⇒ D =⇒ ¬A,

mit einer weiteren Aussage D.

(3) Der Widerspruchsbeweis: Wir setzen A voraus und nehmen an, dass ¬B gilt. Alsogilt A∧¬B. Daraus folgert man nun C ∧¬C fur eine weitere Aussage C. Nun konnenaber C und ¬C nicht gleichzeitig gelten, woraus wir ¬(C∧¬C) folgern. Da wir aus A∧¬B die Aussage C∧¬C gefolgert haben, kann man mittels tautologischer Aquivalenzaus ¬(C ∧ ¬C) die Aussage A =⇒ B folgern. Schematisch sieht das so aus:

(A ∧ ¬B =⇒ C ∧ ¬C) =||= (¬(C ∧ ¬C) =⇒ ¬A∨ B)

wobei(¬A ∨ B) =||= (A =⇒ B).

Bemerkung: Ein Spezialfall der Kontraposition, den man haufig anwenden kann, ist derBeweis durch Gegenbeispiel. Sei zum Beispiel X eine Menge und A(x) und B(x) jeweilseine Aussage uber x ∈ X. Nehmen wir an wir wollen folgende Behauptung widerlegen:

Fur jedes x ∈ X gilt: A(x) =⇒ B(x).

Dazu benotigt man ein x ∈ X mit der Eigenschaft A(x)∧¬B(x). Dann ist x ein Gegen-beispiel fur die Behauptung.

Beispiele:

zu (1) Man beweise, dass das Quadrat einer geraden naturlichen Zahl gerade ist.Wir werden dieser Aufforderung nachkommen, indem wir einen direkten Beweisfuhren.

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1.6 Mathematische Beweise

Voraussetzung: n ∈ N ist gerade.

Behauptung: n2 ist gerade.

Beweis: Die Menge der geraden naturlichen Zahlen ist gegeben durch

G := {n ∈ N | es gibt ein k ∈ N mit n = 2k}.

Nach Voraussetzung ist n ∈ G. Also existiert ein k ∈ N mit n = 2k. Dann folgt

n2 = (2k)2 = 2 · 2k2.

Da k′ = 2k2 ∈ N, folgt, dass n2 ∈ G per Definition.

zu (2) Es sei n ∈ N. Man beweise, dass n ungerade ist, falls n2 ungerade ist.Wir werden einen Beweis durch Kontraposition fuhren.

Voraussetzung: n2 ist ungerade.

Behauptung: n ist ungerade.

Beweis: Wir sollen zeigen, dass n2 ungerade impliziert, dass n ungerade ist. PerKontraposition mussen wir also zeigen, dass n gerade, impliziert, dass n2 geradeist. Dies haben wir in (1) aber schon gezeigt.

zu (3) Man beweise, dass es unendlich viele Primzahlen gibt.Wir werden dies durch einen Widerspruchsbeweis zeigen.

Behauptung: Es gibt unendlich viele Primzahlen.

Beweis: Wir nehmen an es gabe nur endlich viele Primzahlen p1, ...., pn, wobeipn die großte Primzahl sei. Dann setzen wir

m := p1 · p2 · ... · pn

Dann istm+ 1 > m = p1 · ... · pn ≥ pn

und damit m+ 1 keine Primzahl. Ist nun p ein Primteiler von m+ 1, dann ist p ∈{p1, ..., pn} und es existiert ein j ∈ {1, ..., n} mit p = pj. Dann teilt p insbesonderem und m + 1 − m. Da nun m + 1 − m = 1 muss p = 1 gelten und da 1 keinePrimzahl ist gilt insgesamt “p ist eine Primzahl” und “p ist keine Primzahl” unddies ist ein Widerspruch.

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2 Reelle Funktionen I

In diesem Kapitel wenden wir uns dem Begriff der Funktion zu. Wir werden damitbeginnen abstrakt zu formulieren, was wir unter einer Funktion verstehen, und danachverschiedene Beispiele fur reellwertige Funktionen diskutieren, die aus der Schule gelaufigsein sollten. Im Rahmen dieser Beispiele behandeln wir insbesondere elementare Rechen-regeln fur Potenzen, Wurzeln und Logarithmen.Bei dem Funktionsbegriff beschranken wir uns vorerst auf die notigen Konzepte, diezum Beispiel im nachsten Kapitel zum Verstandins von Gleichungen und Ungleichungenbenotigt werden. In Kapitel 4 werden wir den Funktionsbegriff aufgreifen und weitereKonzepte und Beispiele kennenlernen.

Definition 2.0.1 (Funktion, Definitions-, Wertebereich, Bild)Es seien X, Y Mengen und x 7→ f(x) eine Zuordnungsvorschrift, die jedem x ∈ X genauein y ∈ Y zuordnet.

(a) Das Tripel (X, x 7→ f(x), Y ) nennt man Funktion und bezeichnet dieses kurz mitf : X → Y oder f , falls keine Verwechslungen moglich sind.

Notation: f : X → Y, x 7→ f(x).

Dabei bezeichnet man X als Definitionsbereich und Y als Wertebereich von f .

(b) Ist f : X → Y eine Funktion und A ⊆ X, so bezeichnet man

f(A) := {y ∈ Y | es existiert ein x ∈ A mit f(x) = y} = {f(x) | x ∈ A}

als Bild von A unter f . f(X) heißt Bild von f .

(c) Ist f : X → Y eine Funktion und X, Y ⊆ R so nennen wir f eine reelle Funktion.

Anhand dieser Definition ist ersichtlich, dass es sich bei einer Funktion nicht nur umeine Zuordnungsvorschrift handelt. Der Definitions- und Wertebereich von f ist ebenfallsvon Bedeutung, zum Beispiel wenn man sich genauer mit Eigenschaften von Funktionenauseinandersetzt. Insbesondere ist es nicht immer so, dass f(X) = Y , wie wir gleichsehen werden.

Merke: Schreiben wir f(x), so handelt es sich um einen konkreten (unter Umstandenunbestimmten) Funktionswert, aber niemals um die Funktion selbst!

Bemerkung:

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(1) Es gibt eine weitere sehr verbreitete Notation fur die Definition einer Funktion. DieFunktion

f : R→ R, x 7→ (x+ 1)(x− 2)

ließe sich auch vollig korrekt so definieren:

f : R→ R, f(x) := (x+ 1)(x− 2).

(2) Wir betrachten die zwei Funktion

f1 : N0 → R, n 7→ n+ 1 und f2 : N0 → N, n 7→ n+ 1.

Die Zuordnungsvorschriften von f1 und f2 sind gleich, namlich

f1(n) = f2(n) = n+ 1.

Aber die Funktion f2 hat eine Eigenschaft, die f1 nicht hat. Wir sehen ohne Muhe ein,dass f1(N0) = f2(N0) = N. Das bedeutet, dass das Bild von f2 mit dem Wertebereichder Funktion ubereinstimmt. Bei f1 ist das nicht der Fall, da N ( R. Wir habenalso einen qualitativen Unterschied zwischen f1 und f2 festgestellt. Das lasst daraufschließen, dass diese beiden Funktionen nicht “gleich” sind, obwohl sie die gleicheZuordnungsvorschrift besitzen.

Ein kleiner philosophischer Ausflug: Man konnte bei dem definierten Funktionsbe-griff aus Definition 2.0.1 (a) kritisieren, dass dies keine mathematisch prazise Definitionist, und dieser Kritik ware nichts entgegenzusetzen. Fur diesen Mangel an Prazisiongibt es aber ein sehr guten Grund. Definitionen ermoglichen die Kommunikation ubermathematische Themen, da man in Ihnen Konzepte, Vorstellungen oder Eigenschaftenvon bestimmten Objekten in einem Begriff zusammenfasst. Zum Beispiel haben wir inKapitel 1 mathematisch prazise den Begriff Teilmenge definiert, da alle auftretendenBegriffe in dieser Definition schon vorher definiert worden sind. Diese Objekte waren“Element” und “Menge” und genau hier ergibt sich ein Problem. Denn Wir haben denBegriff “Menge” nicht mathematisch prazise sondern auf eine abstrakte und sehr un-prazise Art definiert. Das hat den Grund, dass wir bei dem Begriff “Menge” an einemder elementarsten mathematischen Objekte angelangt sind, der sich nicht als Kombi-nation bisheriger Definition oder als Spezialfall einer solchen auffassen lasst. Vielmehrist dieser Begriff unserer eigenen Denkweise geschuldet und etwas provokant formuliert,einfach zu elementar um mathematisch prazise definiert zu werden.Bei dem Begriff “Funktion” handelt es sich ebenfalls um einen sehr elementaren Begriffund wir belassen es daher bei diesem Funktionsbegriff, der einerseits unprazise, aberandererseits einen fur die mathematische Praxis und die eigene Vorstellung mehr alsausreichendend ist.

Ab sofort werden wir uns nur noch mit reellen Funktionen beschaftigen, d.h. von jetztan betrachten wir ausschließlich f : X → Y mit X, Y ⊆ R.

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2 Reelle Funktionen I

In den folgenden Abschnitten werden wir diverse Rechenoperationen definieren, derenHandhabung absolutes Basiswissen darstellt. Trotzdem werden wir diese noch einmaldefinieren und die wichtigsten Rechenregeln auffuhren. Dabei definieren wir zu jederOperation eine Funktion, die wir mit einem geeigneten Definitionsbereich ausstatten.

2.1 Potenzen und Wurzeln

2.1.1 Ganzzahlige Potenzen

Definition 2.1.1 (Ganzzahlige Potenz)Es sei a ∈ R und m ∈ Z. Die m-te Potenz definieren wir als

am = 1, falls m = 0,

am = a · a · . . . · a︸ ︷︷ ︸m−mal

, falls m > 0,

am =1

a−m, falls a 6= 0 und m < 0.

Die Zahl a heißt Basis, m heißt Exponent.

Es gelten die folgenden Potenzgesetze: Fur jedes a, b ∈ R \ {0} und n,m ∈ Z gilt

(a) an · am = an+m, (b) an

am= an−m,

(c) an · bn = (a · b)n, (d) an

bn=(ab

)n,

(e) (am)n = am·n.

2.1.2 Die n-te Wurzel

Definition 2.1.2 (n-te Wurzel)Es sei a ∈ R und n ∈ N.

(a) Es sei a ∈ [0,∞). Die n-te Wurzel aus a ist die reelle Zahl x mit x ≥ 0, fur diexq = a gilt.

Notation: a1n oder n

√a.

(b) Ist n ungerade und a ∈ (−∞, 0) setzen wir

n√a := − n

√−a.

18

2.1 Potenzen und Wurzeln

Beispiele:

(1) Wir suchen jedes y ∈ R mit der Eigenschaft y2 = 4. Jedem wird klar sein, dass dieseGleichung nur von y = 2 und y = −2 gelost wird. Bilden wir aber

√4 so erhalten

wir nach obiger Definition 2. Allgemein kann man sagen, dass fur festes x ∈ [0,∞)die Quadratwurzel

√x die positive Losung der Gleichung y2 = x ist.

(2) x = −2 = − 3√

8 ist die Losung von x3 = −8, also 3√−8 = −2.

Es gelten die folgenden Wurzelgesetze: Es sei a ∈ [0,∞) und n, k ∈ N. Dann gilt:

(a) n√a · n√b = n√ab, (b)

n√ak = ( n

√a)k und n

√an = a,

(c)n√an√b

= n√

ab, (d) n

√k√a = nk

√a = k

√n√a.

Beispiele:

(1) 10√

1024 =10√

210 =(

10√

2)10

= 2. (2) 6 =√

4√

9 =√

4 · 9 =√

36 = 6.

(3)√64√4

=√

644

=√

16 = 4. (4)3√

2√

64 =2√

3√

64 = 6√

64 = 2.

(5)3√√

125 =√

3√

125 =√

5.

Achtung: Der Ausdruck√

5 im letzten Beispiel ist bereits als Endergebnis anzusehen.Die (zuweilen in der Schule verwendete) Notation

√5 = 2, 2361 ist hingegen nicht

zulassig! Gleichheit im mathematischen Sinn ist die (abstrakte) Gleichheit zweier Ob-jekte (vgl. Kapitel 1) und kann nicht durch irgendwelche Konventionen (wie

”Runden

nach der vierten Nachkommastelle“) relativiert werden. Die Schreibweise√

5 ≈ 2, 2361bedeutet hingegen soviel wie

√5 ist “ungefahr“ 2, 2361 und ist unter Umstanden ver-

tretbar, wenn z.B. nach der ungefahren Großenordnung eines Ausdrucks gefragt wird.Dies wird aber in diesem Vorkurs garnicht und im Studium wohl selten passieren.

2.1.3 Rationale Potenzen

Definition 2.1.3 (Die Rationale Potenz)Es sei a ∈ (0,∞) und r ∈ Q mit r = p

qwobei p ∈ Z, q ∈ N. Dann definieren wir die

rationale oder gebrochene Potenz ar durch

ar := ( q√a)p = (a

1q )p

Um diese Definition von ar mathematisch sauber zu rechtfertigen, muß man noch zeigen,daß die Potenz ar wohldefiniert ist, also unabhangig von der konkreten Darstellung derrationalen Zahl r als Bruch p

q. Wie wir wissen kann man dieselbe Zahl r auf verschiedene

19

2 Reelle Funktionen I

Arten als Bruch schreiben, zum Beispiel ist 39

= 26

= 13. Es ist also zu zeigen, daß durch die

a priori verschiedenen Ausdrucke(a

1q

)p, in diesem Beispiel

(a

19

)3,(a

16

)2, a

13 , jedesmal

dieselbe Zahl definiert wird. Das geht so:

Voraussetzung: Es sei a ∈ (0,∞), r ∈ Q mit r = pq

= mn

mit p,m ∈ Z und q, n ∈ N.

Behauptung:(a

1q

)p=(a

1n

)m.

Beweis: Es gilt im Falle, dass r 6= 0

1 =r

r=

pqmn

=np

mq⇐⇒ np = mq.

Letzeres ist im Fall r = 0 trivial, da p = m = 0. Damit erhalten wir

(a

1q)p

=((

(a1n )n)p) 1

q=(

(a1n )np

) 1q

=(

(a1n )mq

) 1q

=((

(a1n )m)q) 1

q=(a

1n

)m.

Anhand der Rechnung in dem obigen Beweis wird es kaum uberraschen, dass auch furgebrochene Potenzen entsprechende Potenzgesetze gelten: Sei a, b ∈ (0,∞) und r, s ∈ Q.Dann gelten die folgenden Rechenregeln:

(a) ar · as = ar+s, (b) ar

as= ar−s,

(c) ar · br = (a · b)r, (d) ar

br=(ab

)r,

(e) (ar)s = ar·s.

Bisher haben wir fur a ∈ (0,∞) den Ausdruck ax nur fur x ∈ Q definiert. Im Rahmender Vorlesung Analysis 1 werden wir sehen, wie man die Definition auch auf beliebigex ∈ R ausdehnen kann.

Beispiel (Rationalmachen des Nenners):

(1) Es seien b ∈ R, a ∈ (0,∞) und n,mnN mit m < n. Terme der Form b

amn

kann man

durch Erweitern mit a1−mn in eine einfachere Form bringen. Zum Beispiel

13√

2=

1

21/3· 22/3

22/3=

3√

4

2.

(2) Es seien c ∈ R und a, b ∈ [0,∞) mit a 6= b. Terme der Form c√a±√b

lassen sich durch

Erweitern mit√a∓√b in eine einfachere Form bringen. Zum Beispiel

1√2 +√

3=

1√2 +√

3·√

2−√

3√2−√

3=

√2−√

3

2− 3=√

3−√

2.

20

2.2 Der Logarithmus

2.1.4 Die rationale Potenzfunktion

Definition 2.1.4 (Rationale Potenzfunktion)Es sei r ∈ Q. Die Funktion

f : X → R, x 7→ xr

heißt rationale Potenzfunktion, wobei

(a) X = R, falls r ∈ N0,

(b) X = R \ {0}, falls r ∈ Z und r ∈ (−∞,−1],

(c) X = [0,∞), falls r 6∈ N und r ∈ (0,∞),

(d) X = (0,∞), falls r 6∈ Z und r ∈ (−∞, 0).

Wir wollen noch auf die wichtigsten Spezialfalle eingehen:

(1) Es sei n ∈ N. Die Funktion

pn : R→ R, x 7→ xn

nennt man die n-te Potenzfunktion. Aus diesen Funktion lassen sich folgendegrundlegende Funktionen generieren. Es seien a0, ..., an ∈ R mit an 6= 0. Dannbezeichnet man eine Funktion der Form

p : R→ R, x 7→ a0 + a1x+ ...+ anxn

als Polynom n-ten Grades.

(2) Es sei n ∈ N \ {1}. Die Funktion

wn : [0,∞)→ R, x 7→ n√x = x

1n

nennt man n-te Wurzelfunktion.

2.2 Der Logarithmus

Definition 2.2.1 (Der Logarithmus)Es seien a, b ∈ R mit a, b > 0 und b 6= 1. Unter dem Logarithmus von a zur Basis bversteht man diejenige reelle Zahl c ∈ R fur die bc = a gilt.

Notation: c := logb(a).

Die Funktionlogb : (0,∞)→ R, x 7→ logb(x)

21

2 Reelle Funktionen I

nennt man Logarithmusfunktion zur Basis b. Die Funktion

expb : R→ R, x 7→ bx

nennt man Exponentialfunktion zur Basis b.

Beachte: Es handelt sich hierbei um die ubliche Definition fur Logarithmen, die Ihnenauch aus der Schule gelaufig sein sollte. Diese ist zum jetzigen Zeitpunkt in zweierleiHinsicht problematisch:

1. Wir nehmen, ohne es wirklich zu wissen, an, dass genau ein c ∈ R existiert, welchesbc = a erfullt. Dies wird in der Vorlesung Analysis I geklart.

2. Der Ausdruck bc ist fur irrationales c ∈ R\Q noch gar nicht definiert. Daherbeschranken wir uns bei konkreten Rechenbeispielen auf den Fall, dass c rationalist.

Die folgenden Tatsachen, kann man leicht selbst uberprufen: Fur a, b ∈ R mit a, b ∈(0,∞), r ∈ R und b 6= 1 gilt:

(1) a = blogb(a), (2) logb(1) = 0,

(3) logb(b) = 1, (4) ar = br·logb(a).

Zum Abschluss dieses Abschnittes wollen wir noch auf einen wichtigen Spezialfall hinwei-sen. Hierfur benotigt man allerdings die eulersche Zahl e, deren Definition wir hier nichtgeben wollen (und konnen). Dies wird ebenfalls in der Vorlesung Analysis 1 geschehen.

Definition 2.2.2 (Der naturliche Logarithmus)Es sei a ∈ (0,∞) und e die eulersche Zahl. Wahlt man in der obigen Definition dieBasis b = e so nennt man

ln(a) = log(a) := loge(a)

den naturlichen Logarithmus. Die Funktion

log : (0,∞)→ R, x 7→ log(x)

nennt man naturliche Logarithmusfunktion. Die Funktion

exp : R→ (0,∞), x 7→ ex

heißt Exponentialfunktion.

22

2.2 Der Logarithmus

2.2.1 Die Logarithmengesetze

Wir werden in diesem Abschnitt auf das Rechnen mit Logarithmen eingehen und hierfurdie wichtigsten Regeln wiederholen. Besondere Beachtung verdienen dabei die folgendenLogarithmengesetze : Es seien x, y, b ∈ (0,∞) mit b 6= 1, z ∈ R und n ∈ N. Dann gilt:

(a) logb(x · y) = logb(x) + logb(y),

(b) logb

(x

y

)= logb(x)− logb(y),

(c) logb(xz) = z · logb(x),

Beispiel: Es gilt

log(32) + log(18) + log(81) = log(25) + log(2 · 32) + log(34)

= 5 log(2) + log(2) + 2 log(3) + 4 log(3)

= 6 log(2) + 6 log(3).

Eine weiteres praktisches Hilfsmittel fur den Umgang mit dem Logarithmus ist die fol-gende Umrechenformel : Fur a, b, d ∈ (0,∞) und b, d 6= 1 gilt

logd a =logb a

logb d.

Es reicht also wenn man Logarithmen nur bezuglich einer bestimmten Basis b berechnenkann um Logarithmen bezuglich beliebiger Basen auszurechnen.Machen wir uns kurz klar warum dies korrekt ist. Es gilt

logb a = logb(dlogd a

)= (logd a)(logb d).

Bringt man logb d auf die linke Seite, erhalten wir besagte Umrechenformel.

Beispiele:

(1) 2x = 16 ⇐⇒ x = 4, (2) 3x = 19⇐⇒ x = −2,

(3) logx 36 = 2 ⇐⇒ x = 6, (4) logx164

= −6 ⇐⇒ x = 2,

(5) log5 125 = x ⇐⇒ x = 3, (6) log 12

116

= x ⇐⇒ x = 4,

(7) log3 x = 5 ⇐⇒ x = 243, (8) log2 x = −5 ⇐⇒ x = 132

.

23

2 Reelle Funktionen I

2.3 Der Betrag

Definition 2.3.1 (Der Betrag)Der Betrag von a ∈ R ist definiert durch

|a| :=

{a fur a ≥ 0

−a fur a < 0.

Außerdem nennen wir| · | : R→ [0,∞), x 7→ |x|

die Betragsfunktion.

Beispiele:

(1) | − 3| = −(−3) = 3 und |3| = 3, (2) |0| = 0.

Man kann sich den Betrag einer Zahl a ∈ R als den Abstand auf der Zahlengeraden vona und 0 vorstellen. Sind nun a, b ∈ R so ist |a− b| also der Abstand zwischen a− b und0, oder anders interpretiert der Abstand von a und b.Es seien a, b ∈ R. Dann gilt:

(a) |a| ≥ 0, und |a| = 0 ⇐⇒ a = 0, (b) |a · b| = |a| · |b|,

(c) |a+ b| ≤ |a|+ |b|, (d) |a| =√a2.

Die Abschatzung aus (c) nennt man die “Dreiecksungleichung”.

Beispiele:

Schreiben Sie jeweils die angegebenen Mengen als Vereinigung von Intervallen und skiz-zieren Sie diese.

(1) M1 := {x ∈ R | 1 < |x| ≤ 2}, (2) M2 := {x ∈ R | |x− 2| < 5}.

24

3 Losungstechniken fur Gleichungenund Ungleichungen

Ein zentrales Element des Mathematikstudiums ist das Losen von Gleichungen und Un-gleichungen. Wir werden daher in diesem Kapitel ihr Wissen uber Losungstechniken vonbestimmten Gleichungs- und Ungleichungstypen auffrischen.Wir haben im vorigen Kapitel den Begriff des Definitionsbereiches fur Funktionen ken-nengelernt. Dieses Konzept wird auch hier eine Rolle spielen. Wir betrachten folgendemodellhafte Aufgabenstellung:

Beispiel: Bestimmen Sie jedes x ∈ R \ {1}, welches die Gleichung

1

x− 1= 1 (3.1)

erfullt.Diese Aufgabenstellung enthalt zwei Elemente. Die Einschrankung der moglichen x-Werte x ∈ R \ {1} und den mathematischen Ausdruck 1

x−1 = 1. Letzteres fur sich ge-nommen, wurde keinen Sinn ergeben, denn es ist dort nicht spezifiziert was x uberhauptsein darf. Die Einschrankung x ∈ R\{1} geschieht, wie man vermutet, auch nicht grund-los. Schaut man sich die auftretenden Terme in dem Ausdruck 1

x−1 = 1 an, so stellt manfest, dass die rechte Seite fur jedes x ∈ R, die linke Seite aber nur fur x ∈ R \ {1}definiert ist. Schneidet man die Mengen R und R\{0} erhalt man die Menge der x ∈ R,fur die die linke und die rechte Seite definiert sind. Man konnte R∩ (R \ {1}) = R \ {1}daher als Definitionsbereich D der Gleichung (3.1) bezeichnen.Konkret berechnet man die Losungen der obigen Aufgabe durch die folgenden Umfor-mungen. Fur jedes x ∈ R \ {1} gilt

1

x− 1= 1 ⇐⇒ 1 = x− 1 ⇐⇒ 2 = x.

Die Menge aller x ∈ R \ {1} welche (3.1) erfullen ist also

L := {x ∈ R \ {1} | 1

x− 1= 1} = {2},

wobei wir L als Losungsmenge bezeichnen.

25

3 Losungstechniken fur Gleichungen und Ungleichungen

Merke: Eine Gleichung oder Ungleichung macht nur Sinn, wenn die moglichen x-Wertespezifiziert sind. Dies kann man als Analogie zu den Funktionen sehen, da auch dieseohne den Definitionsbereich X keinen Sinn ergeben!

Den obigen Aufgabentyp schreiben wir ab sofort auf folgende Weise:Bestimmen Sie die Losungsmenge der Gleichung

1

x− 1= 1, D = R \ {1}.

3.1 Quadratische Gleichungen

Es seien p, q ∈ R. Unter einer quadratischen Gleichung verstehen wir eine Gleichung derForm

x2 + px+ q = 0, D = R (3.2)

Die Losungsmenge L kann man leicht durch quadratische Erganzung bestimmen. Damitmeint man die folgende Umformung der linken Seite von Gleichung (3.2)

x2 + px+ q = x2 + 2 · p2· x+

p2

4− p2

4+ q =

(x+

p

2

)2 − p2

4+ q, (3.3)

wobei wir bei der letzten Gleichung die 1. binomische Formel verwendet haben.

Beispiel: Wir bestimmen die Losungsmenge von

x2 − x− 6 = 0, D = R.

Es gilt fur x ∈ R

x2 − x− 6 = (x− 1

2)2 − (

1

2)2 − 6 = (x− 1

2)2 − 25

4

und daher

x2 − x− 6 = 0 ⇐⇒ (x− 1

2)2 =

25

4⇐⇒ x− 1

2= ±

√25

4

⇐⇒ x =1

2± 5

2⇐⇒ x = −2 ∨ x = 3

Somit gilt L = {−2, 3}.

26

3.2 Quadratische Ungleichungen

Der soeben beschriebene Algorithmus liefert immer die Losungsmenge L einer quadra-tischen Gleichung der Form (3.2).Aber auch ohne die Losungsmenge explizit berechnet zu haben, hatten wir schon ei-ne qualitative Aussage uber die Losungsmenge L machen konnen. Definieren wir dasPolynom 2-ten Grades

f : R→ R, x 7→ x2 + px+ q,

so kann man die Losungsmenge L von (3.2) als die Nullstellenmenge von f auffassen. DasSchaubild von f liefert eine nach oben geoffnete Parabel und daher kann L allerhochstens2 Elemente besitzen. Dies verdeutlichen die folgenden Schaubilder:

(a) Bild 1 (b) Bild 2 (c) Bild 3

Diese 3 verschiedenen Falle lassen sich folgendermaßen charakterisieren:

L = ∅ ⇐⇒ p2

4− q < 0,

L hat genau ein Element ⇐⇒ p2

4− q = 0,

L hat genau zwei Elemente ⇐⇒ p2

4− q > 0.

3.2 Quadratische Ungleichungen

Es seien p, q ∈ R. Unter einer quadratische Ungleichung verstehen wir eine Ungleichungder Form

x2 + px+ q

>

<

0, D = R. (3.4)

27

3 Losungstechniken fur Gleichungen und Ungleichungen

Genau wie bei den quadratischen Gleichungen gibt es auch fur die Losungsmenge L von(3.4) nur 3 Moglichkeiten. L kann die leere Menge, ein Intervall oder die Vereinigung von2 disjunkten Intervallen sein. Das kann man sich wieder mit den obigen Schaubildernklarmachen, wobei wir die linke Seite der Ungleichung wieder als Funktion f : R → Rmit f(x) := x2 + px+ q interpretieren.

Beispiel: Wir bestimmen die Losungsmenge von

x2 − x− 6 > 0, D = R.

Zuerst bestimmt man jedes x ∈ R mit x2 − x − 6 = 0. Aus dem Beispiel im vorigenAbschnitt haben wir bereits die Losungsmenge dieser Gleichung, namlich L= := {−2, 3}.Insbesondere gilt mittels Faktorisierung fur jedes x ∈ R

x2 − x− 6 = (x+ 2)(x− 3).

Folglich gilt fur x ∈ R

x2 − x− 6 > 0 ⇐⇒ (x+ 2)(x− 3) > 0

⇐⇒ (x+ 2 < 0 ∧ x− 3 < 0) ∨ (x+ 2 > 0 ∧ x− 3 > 0)

⇐⇒ (x < −2 ∧ x < 3) ∨ (x > −2 ∧ x > 3)

⇐⇒ (x < −2) ∨ (x > 3).

Also gilt L = (−∞,−2) ∪ (3,∞).

Dieses Ergebnis lasst sich auch anschaulich begrunden. Wie in Bild 1 auf Seite 26 dar-gestellt, ist das Schaubild der Funktion

f : R→ R, x 7→ x2 − x− 6

eine nach oben geoffnete Parabel, welche die x-Achse in den Punkten −2 und 3 schneidet.Gesucht ist nun die Menge aller x ∈ R an welchen die Parabel echt oberhalb der x-Achseliegt. Das entspricht in Bild 1 der gestrichelten Menge. Man sieht:

L = (−∞,−2) ∪ (3,∞).

3.3 Wurzelgleichungen

Eine allgemeingultige Definition einer Wurzelgleichung wollen wir hier nicht geben. Statt-dessen zeigen wir das allgemeine Vorgehen bei solchen Gleichungen anhand zweier Bei-spiele auf. Dabei ist besonders auf den Definitionsbereich zu achten, der hier im allge-meinen nicht mehr R ist. Vorsicht ist auch bei den folgenden Umformungen geboten,

28

3.3 Wurzelgleichungen

denn es handelt sich nun nicht mehr unbedingt um Aquivalenzumformungen.

Beispiel:

(1) Wir bestimmen die Losungsmenge von

7 + 3√

2x+ 4 = 16, D = [−2,∞).

Fur x ∈ D gilt

7 + 3√

2x+ 4 = 16 ⇐⇒ 3√

2x+ 4 = 9 ⇐⇒√

2x+ 4 = 3

=⇒ 2x+ 4 = 9 ⇐⇒ x =5

2

Von der ersten auf die zweite Zeile haben wir nur einen Implikationspfeil. Da aber2x+ 4 ≥ 0 (wegen x ∈ [−2,∞)) gilt haben wir auch

2x+ 4 = 9 =⇒√

2x+ 4 = 3.

Insgesamt gilt daher

7 + 3√

2x+ 4 = 16 ⇐⇒ x =5

2

und damit L ={

52

}.

(2) Wir bestimmen die Losungsmenge von

√x−√x− 1 =

√2x− 1 auf D = [1,∞).

(i) Bei diesem Beispiel lohnt es sich uber die Wahl des Definitionsbereichs D nach-zudenken.

√x ist nur fur x ∈ [0,∞),

√x− 1 nur fur x ∈ [1,∞) und

√2x− 1

nur fur x ∈ [12,∞) definiert. Es gilt

[0,∞) ∩ [1,∞) ∩ [1

2,∞) = [1,∞),

und diese Menge wahlen wir als D. Fur x < 1 ist√x− 1 schon nicht mehr

definiert und daher konnen wir hier D als maximalen Definitionsbereich derGleichung interpretieren.

(ii) Fur x ∈ D gilt√x−√x− 1 =

√2x− 1 =⇒ (

√x−√x− 1)2 = 2x− 1

⇐⇒ x− 2√x√x− 1 + (x− 1) = 2x− 1

⇐⇒ 2√x(x− 1) = 0,

⇐⇒ x = 1 ∨ x = 0.

29

3 Losungstechniken fur Gleichungen und Ungleichungen

Da wir im ersten Schritt nur eine Implikation und keine Aquivalenz haben,ist der Ausdruck x = 1 ∨ x = 0 nur notwendige Bedingungen an x ∈ D eineLosung der Gleichung zu sein. Diese beiden Moglichkeiten mussen wir nun nochuberprufen. x = 0 kann keine Losung sein, da 0 /∈ D. Eine Probe fur x = 1liefert √

1−√

1− 1 = 1 =√

2 · 1− 1.

Folglich ist L = {1}.

3.4 Bruchungleichungen

Auch in diesem Abschnitt verzichten wir auf eine allgemeine Definition und lassen dasBeispiel fur sich sprechen. Wir werden nun die Technik der Fallunterscheidung kennen-lernen. Diese treten auf, da fur verschiedene Elemente des Defitionsbereichs der Unglei-chung unter Umstanden unterschiedliche Vorzeichen im Nenner auftreten. Beim Multi-plizieren einer Ungleichung mit einer Zahl spielt das Vorzeichen aber eine entscheidendeRolle.

Beispiel: Wir bestimmen die Losungsmenge von

2x+ 1

x− 3< 1, D = R \ {3}.

Fur x ∈ (−∞, 3) ist x − 3 < 0 und fur x ∈ (3,∞) ist x − 3 > 0. Daher unterscheidenwir die folgenden Falle:

Fall 1: Sei x ∈ (3,∞). Dann gilt

(2x+ 1

x− 3< 1) ∧ (x > 3) ⇐⇒ (2x+ 1 < x− 3) ∧ (x > 3)

⇐⇒ (x < −4) ∧ (x > 3)

Die Menge aller x ∈ R, welche die letzte Aussage erfullen ist offensichtlich L1 = ∅.

Fall 2: Sei x ∈ (−∞,−3). Dann gilt

(2x+ 1

x− 3< 1) ∧ (x < 3) ⇐⇒ (2x+ 1 > x− 3) ∧ (x < 3)

⇐⇒ (x > −4) ∧ (x < 3)

⇐⇒ x ∈ (−4, 3) =: L2.

30

3.5 Betragsungleichungen

Fur die Gesamtlosungsmenge L gilt nun

L = L ∩ D= (L ∩ (3,∞)) ∪ (L ∩ (−∞, 3))

= L1 ∪ L2 = (−4, 3).

3.5 Betragsungleichungen

Wir haben im vorigen Abschnitt die Fallunterscheidung kennengelernt. Mit diesem Hilfs-mittel lassen sich auch Ungleichungen in denen Betrage vorkommen bearbeiten.

Beispiel: Wir bestimmen die Losungsmenge von

|2x+ 1|x− 3

≤ 1, D = R \ {3}. (3.5)

Da wir aber nun in Abhangigkeit von x im Zahler und Nenner variierende Vorzeichenhaben, reichen 2 Fallunterscheidungen wie im vorigen Abschnitt nicht mehr aus. Es giltfur x ∈ R

2x+ 1 ≥ 0 ⇐⇒ x ≥ −1

2.

Daher bieten sich die folgenden Fallunterscheidungen an:

Fall 1: Sei x ∈ (−∞,−12). Dann gilt

(|2x+ 1|x− 3

≤ 1) ∧ (x < −1

2) ⇐⇒ (−2x− 1 ≥ x− 3) ∧ (x < −1

2)

⇐⇒ (x ≤ 2

3) ∧ (x < −1

2)

⇐⇒ x ∈ (−∞,−1

2) =: L1.

31

3 Losungstechniken fur Gleichungen und Ungleichungen

Fall 2: Sei x ∈ [−12, 3). Dann gilt

(|2x+ 1|x− 3

≤ 1) ∧ (x ∈ [−1

2, 3)) ⇐⇒ (2x+ 1 ≥ x− 3) ∧ (x ∈ [−1

2, 3))

⇐⇒ (x ≥ −4) ∧ (x ∈ [−1

2, 3))

⇐⇒ x ∈ [−1

2, 3) =: L2.

Fall 3: Sei x ∈ (3,∞). Dann gilt

(|2x+ 1|x− 3

≤ 1) ∧ (x > 3) ⇐⇒ (2x+ 1 ≤ x− 3) ∧ (x > 3)

⇐⇒ (x ≤ −4) ∧ (x > 3).

Die letzte Aussage wird von keiner reellen Zahl erfullt und damit L3 = ∅.

Insgesamt giltL = L1 ∪ L2 ∪ L3 = (−∞, 3).

32

4 Reelle Funktionen II

Wir haben am Anfang des zweiten Kapitels den Begriff der Funktion kennengelerntund erste grundlegende Konzepte und Definitionen eingefuhrt. Wir wolllen dies in die-sem Kapitel fortfuhren, beschranken uns aber auch hier auf die Behandlung von reellenFunktionen f : X → Y , also X, Y ⊆ R.

4.1 Verkettung von Funktionen

Definition 4.1.1 (Verkettung von Funktionen)Es seien f : X2 → Y2 und g : X1 → Y1. Dann wird die Verkettung oder Hintereinan-derausfuhrung von f und g definiert als

f ◦ g : D → Y2, x 7→ f(g(x)) mit D = {x ∈ X1 | g(x) ∈ X2} ⊆ X1.

Man sagt auch kurz “f nach g” oder “f Kringel g” .

Im Fall, dass g(X1) ∩X2 = ∅, ware D = ∅ und die Definition von f ◦ g daher sinnlos.

(1) Seienf : R→ R, x 7→ 4− x2 und g : [0,∞)→ R, x 7→

√x.

Wir bestimmen die Funktionen f ◦g und g◦f und ihre jeweiligen Definitionsbereiche.

(i) Wir behandeln zuerst f ◦ g. Es gilt

D = {x ∈ [0,∞) |√x ∈ R} = [0,∞),

und fur alle x ∈ [0,∞) gilt

(f ◦ g)(x) = f(g(x)) = f(√x) = 4− (

√x)2 = 4− x.

(ii) Fur g ◦ f giltD = {x ∈ R | 4− x2 ≥ 0} = [−2, 2],

und fur alle x ∈ [−2, 2] gilt

(g ◦ f)(x) = g(f(x)) = g(4− x2) =√

4− x2.

33

4 Reelle Funktionen II

(2) Es sei die Funktion

f : (−1, 2)→ R, x 7→ log(−x2 + x+ 2)

gegeben und wir wollen das Bild f((−1, 2)) bestimmen. Dazu ist es hilfreich dieFunktion f als Verkettung von zwei einfacheren Funktionen g und h zu schreiben.Diese wahlen wir als

g : (0,∞)→ R, x 7→ log(x) und h : (−1, 2)→ (0,∞), x 7→ −x2 + x+ 2.

Beachtung verdient hierbei, dass (−1, 2) genau das Intervall ist, auf dem die Funktionh echt großer als 0 ist, d.h. h((−1, 2)) ⊆ (0,∞). Die Hintereinanderausfuhrung istalso sinnvoll definiert.Per Definition gilt

f(D) = (g ◦ h)(D) = g(h(D)).

Daher bestimmen wir zuerst h(D). Mit quadratischer Erganzung erhalten wir jedesx ∈ R

h(x) = −x2 + x+ 2 = −(x2 − x− 2) = −[(x− 1/2)2 − 1/4− 2

]= 9/4− (x− 1/2)2

und hieraus konnen wir ablesen, dass

h(D) = {h(x) | x ∈ D} = {h(x) | x ∈ (−1, 2)} = (0,9

4].

Wir erhalten ferner, dass

g(h(D)) = g((0,

9

4])

=(−∞, log(

9

4)].

Um die letzte Gleichheit wirklich zu beweisen fehlen uns momentan schlichtweg dieMittel, bzw. die richtigen Konzepte. Anschaulich wird man durch einen Blick aufdas Schaubild des Logarithmus (siehe Seite 42) diese Gleichung allerdings sehr gutnachvollziehen konnen.

(3) Es sei X := (−∞,−1] ∪ (0,∞) und die Funktion

f : X → R, x 7→√

1 +1

x

gegeben. Wie zuvor werden wir durch geeignete Aufspaltung der Funktion f dasBild f(X) berechnen. Dazu seien

h : R \ {0}, x 7→ 1 +1

xund g : [0,∞)→ R, x 7→

√x.

34

4.2 Der Graph einer reellen Funktion

Dann gilt

D := {x ∈ R \ {0} | h(x) ∈ [0,∞)} = {x ∈ R \ {0} | 1

x≥ −1} = X

und fur x ∈ X gilt

(g ◦ h)(x) = g(h(x)) = g(1 +1

x) =

√1 +

1

x= f(x).

Also stimmt die Funktion g ◦ h : X → R mit f uberein. Insbesondere gilt daher

f(X) = (g ◦ h)(X) = g(h(X)).

Es gilt

h(X) = {h(x) | x ∈ (−∞,−1] ∪ (0,∞)}= {h(x) | x ∈ (−∞,−1]} ∪ {h(x) | x ∈ (0,∞)} = [0, 1) ∪ (1,∞)

und damit

f(X) = g([0, 1) ∪ (1,∞)) = g([0, 1)) ∪ g((1,∞))

= [0, 1) ∪ (1,∞)) = [0,∞) \ {1}.

4.2 Der Graph einer reellen Funktion

Definition 4.2.1 (Der Graph einer reellen Funktion)Es sei f : X → Y eine reelle Funktion. Dann nennt man die Menge

Graph(f) := {(x, y) ∈ R2 | x ∈ X, y = f(x)} ⊆ R2 (4.1)

den Graph von f .

Graph(f) ist also eine Teilmenge von R× R (kurz R2),deren Namen wohlverdient ist. Skizziert man namlichGraph(f), so konnte das zum Beispiel wie nebenstehendaussehen.Nun ist es nicht nur der Graph selbst, den wir in diesemAbschnitt weiter behandeln wollen, sondern (unter an-derem) bestimmte Teilmengen des R2 die strukturell De-finition (4.1) ahneln. Zum Beispiel konnte man in (4.1)die Bedingung y = f(x) durch y > f(x) ersetzen, also

G> := {(x, y) ∈ R2 | x ∈ X, y > f(x)}.

Anschaulich ist dies die Menge der Punkte (x, y) ∈ R2 die uber dem Graph von f liegen.

35

4 Reelle Funktionen II

Aus Grunden, die wir hier nicht weiter erlautern konnen, sind Mengen von der BauartG> besonders gut zu handhaben. Daher ist man bei einer beliebig gegebenen MengeM ⊆ R2 oft daran interessiert eine Definition dieser Art zu finden.Wir werden nun unter anderem verschiedene Mengen untersuchen und diese in eine Formbringen, die in Relation zum Graph einer reellen Funktion steht.

Beispiele:

(1) Wir haben in Kapitel 1 das kartesische Produkt zweier Mengen kennengelernt.

Bildet man das Kreuzprodukt von zwei Intervallen∅ 6= A,B ⊆ R, so ist

A×B = {(x, y) ∈ R2 | x ∈ A und y ∈ B}

unter der Voraussetzung, dass A und B nicht ent-artet sind, anschaulich gesprochen ein Quader.Skizziert man zum BeispielA×B furA = [1, 4] undB = [1, 2], erhalt man das nebenstehende Schau-bild.

(2) Die Mengen

S := {(x, y) ∈ R2 | x2 + y2 = 1} und K := {(x, y) ∈ R2 | x2 + y2 ≤ 1}

bezeichnet man als Kreisring bzw. Kreisscheibe mit Radius1 und Mittelpunkt (0, 0).Wir konnen naturlich auch Kreislinien bzw. Kreisscheibenmit beliebigem Mittelpunkt und Radius in dieser Form dar-stellen. Seien x0, y0 ∈ R und r > 0. Dann lautet die allge-meine Kreisgleichung

(x− x0)2 + (y − y0)2 = r2, x, y,∈ R

Die Losungsmenge dieser Gleichung, also die Menge

K := {(x, y) ∈ R2 | (x− x0)2 + (y − y0)2 = r2} ⊆ R2

beschreibt einen Kreis in R2 um (x0, y0) mit Radius r. Durch Umformung sieht man,daß der Kreis sich aus den Graphen der Funktionen

f1 : [x0 − r, x0 + r]→ R, x 7→√r2 − (x− x0)2 + y0 (oberer Halbkreis)

und

f2 : [x0 − r, x0 + r]→ R, x 7→ −√r2 − (x− x0)2 + y0 (unterer Halbkreis)

36

4.2 Der Graph einer reellen Funktion

zusammensetzt. Mit den obigen Uberlegungen er-kennt man, daß der resultierende Kreis aus einerVerschiebung um x0 ”

nach rechts“ und y0 ”nach

oben“ aus dem Kreis um (0, 0) mit Radius r her-vorgegangen ist.Rechts findet man eine Skizze der Funktion

f2 : [−1, 3]→ R, x 7→ −√

4− (x− 1)2.

(3) Skizziert man die Mengen

R := {(x, y) ∈ R2 | |x|+ |y| ≤ 1} und T := {(x, y) ∈ R2 | 0 ≤ y ≤ 1, x2 − y2 > 0}

erhalt man

(4) Skizziert man die Mengen

A := {(x, y) ∈ R2 | (y − 1)2 + x2 ≤ 1, x ≥ 0}

undB := {(x, y) ∈ R2 | (x− 1)2 + y2 ≤ 1, y ≥ 0}

erhalt man das Schaubild rechts. Wie man siehtentsteht B wenn man die Menge A an der Achsex = y spiegelt. Treten in der Definition einer Men-ge zwei Variablen auf wurde, so wurde sich dieserEffekt immer einstellen, wenn man in der Definiti-on die beiden Variablen vertauscht, wie wir es beiA und B getan haben.

(5) Es sei M := {(x, y) ∈ R2 | 2y − |x − 1| < 1} und wir sind an einer einfacherenDarstellung von M interessiert. Dazu mussen wir die Bedingung 2y − |x − 1| < 1

37

4 Reelle Funktionen II

genauer untersuchen. Diese lasst sich wie in Kapitel 3 durch auflosen des Betragsmittels einer Fallunterscheidung behandeln.

Fall 1: Es sei x ∈ [1,∞). Dann gilt

(2y − |x− 1| < 1) ∧ (x ≥ 1) ⇐⇒ (2y − (x− 1) < 1) ∧ (x ≥ 1)

⇐⇒ (y <x

2) ∧ (x ≥ 1)

und wir definieren L1 := {(x, y) ∈ R2 | x ≥ 1, y < x2}.

Fall 2: Es sei x ∈ (−∞, 1). Dann gilt

(2y − |x− 1| < 1) ∧ (x < 1) ⇐⇒ (2y + (x− 1) < 1) ∧ (x < 1)

⇐⇒ (y < 1− x

2) ∧ (x < 1)

und wir definieren L2 := {(x, y) ∈ R2 | x < 1, y < 1− x2}.

Insgesamt ist dann

M = L1 ∪ L2.

Bei diesem Beispiel konnte man auch obigeUberlegung uber das

”Vertauschen“ von x und y an-

wenden. Es gilt (nachrechnen)

2y − |x− 1| < 1 ⇐⇒ y <1

2+

1

2|x− 1|.

Vertauschen wir hier x und y, so erhalten wir

x <1

2+

1

2|y − 1|.

Die zugehorige Losungsmenge lasst sich wie nebenstehend skizzieren. Spiegeln an derGeraden x = y liefert dann die Skizze der ursprunglich gesuchten Menge.

Wir wollen uns nun verschiedenen Manipulationen von Graphen widmen, wie Verschie-ben, Spiegeln, Strecken oder Stauchen. Dieses wird durch besonders einfache Verkettun-gen bewirkt, auch wenn diese der Einfachheit halber nicht mehr explizit aufgeschriebenwerden. Die Betrachtung dieser Verkettungen erlaubt einem haufig, auf einfache Weiseden Graphen der resultierenden Funktion f zu zeichnen oder die Bildmenge zu bestim-men.

Beispiel: Es sei die Funktion

f : R→ R, x 7→ −x2 + x+ 2

38

4.2 Der Graph einer reellen Funktion

gegeben. Es gilt fur jedes x ∈ R

f(x) = −x2 + x+ 2 = −(x2 − x− 2) = −[(x− 1/2)2 − 1/4− 2

]= −

[(x− 1/2)2 − 9/4

].

Der Graph von f entsteht nun aus dem Graphen der Funktion

g : R→ R, x 7→ x2

durch Verschieben um 1/2 nach rechts, Verschieben um −9/4 nach unten und Spiegelungan der x-Achse. Genauer gilt f = f2 ◦ g ◦ f1 mit den Funktionen

f1 : R→ R, x 7→ x− 1/2 und f2 : R→ R, y 7→ −(y − 9/4).

Dann gilt

f(R) = f2(g(f1(D))) = f2(g(R)) = f2([0,∞)) = (−∞, 9

4].

Wir betrachten nun eine allgemeinere Situation: Esseien a, b, c, d ∈ R mit b, c ∈ R\{0} und g : R→ Rein Funktion. Wir definieren die Funktion

f : R→ R, x 7→ c · g(b(·x+ a)

)+ d.

Im Folgenden werden wir alle Schritte anhand derFunktion

g : R→ R, x 7→ x3

illustrieren welche man rechts skizziert findet. InBezug auf den Graphen von f bewirkt

39

4 Reelle Funktionen II

• a eine Verschiebung des Graphen von g um −a entlang der x-Achse,

• fur b > 0 eine 1/b-fache Streckung in Richtung der x-Achse (fur b > 1 wird derGraph also gestaucht),

• ein Vorzeichenwechsel bei b eine Spiegelung an der Achse x = −a,

(a) a = −1, b = c = 1,d = 0.

(b) a = −1, b = 12 ,

c = 1, d = 0.(c) a = −1, b = −1

2 ,c = 1, d = 0.

• c fur c > 0 eine c-fache Streckung in Richtung der y-Achse,

• ein Vorzeichenwechsel bei c eine Spiegelung an der x-Achse,

• d eine Verschiebung des Graphen um d in Richtung der y-Achse.

(d) a = −1, b = −12 ,

c = 3, d = 0.(e) a = −1, b = −1

2 ,c = −3, d = 0.

(f) a = −1, b = −12 ,

c = 3, d = 1.

40

4.3 Eigenschaften von reellen Funktionen

4.3 Eigenschaften von reellen Funktionen

4.3.1 Monotonie

Definition 4.3.1 (Monotonie)Es sei f : X → Y eine reelle Funktion.

(a) f heißt monoton wachsend (bzw. monoton fallend), falls fur alle x1, x2 ∈ X mitx1 < x2 gilt

f(x1) ≤ f(x2), bzw. f(x1) ≥ f(x2).

(b) f heißt streng monoton wachsend (bzw. streng monoton fallend), falls fur allex1, x2 ∈ X mit x1 < x2 gilt

f(x1) < f(x2), bzw. f(x1) > f(x2).

Beispiele:

(1) Es sei die Funktion

f : [0,∞)→ R, x 7→ x2

gegeben.

Behauptung: f ist streng monoton wachsend.

Beweis: Es seien x1, x2 ∈ [0,∞) mit x1 < x2. Dann gilt x2 − x1 > 0 und 0 <x2 ≤ x2 + x1. Folglich

f(x2)− f(x1) = x22 − x21 = (x2 − x1)︸ ︷︷ ︸>0

(x2 + x1)︸ ︷︷ ︸>0

> 0 ⇐⇒ f(x1) < f(x2).

(2) Es sei die Funktion

f : R→ R, x 7→ x2

gegeben.

Behauptung: f ist weder monoton wachsend noch monoton fallend.

Beweis: Es gilt −1 < 0 und

f(−1) = 1 > 0 = f(0),

41

4 Reelle Funktionen II

also ist f nicht monoton wachsend. Außerdem ist 0 < 1 und

f(0) = 0 < f(1)

und somit ist f auch nicht monoton fallend.

(3) Es sei die Wurzelfunktion

w2 : [0,∞)→ R, x 7→√x

gegeben.

Behauptung: w2 ist streng monoton wachsend.

Beweis: Es seien x1, x2 ∈ [0,∞) mit x1 < x2. Dann gilt

√x2 +

√x1 ≥

√x2 > 0

und damit

w2(x2)− w2(x1) =√x2 −

√x1 =

(√x2 −

√x1)(√x2 +

√x1)√

x2 +√x1

=x2 − x1√x2 +

√x1

> 0,

was aquivalent zu w2(x1) < w2(x2) ist.

(g) monoton wachsendeFunktion

(h) gerade Funktion (i) ungerade Funktion

4.3.2 Gerade und ungerade Funktionen

Definition 4.3.2 (Gerade und ungerade Funktion)Eine Funktion f : R → R heißt gerade (oder symmetrisch), bzw. ungerade (oderantisymmetrisch), wenn fur jedes x ∈ R gilt

f(−x) = f(x) bzw. f(−x) = −f(x).

42

4.4 Die Umkehrfunktion

Beispiele:

(1) Es sei n ∈ N gerade. Die Funktion f : R→ R, x 7→ xn ist eine gerade Funktion.

(2) Es sei n ∈ N ungerade. Die Funktion f : R→ R, x 7→ xn ist eine ungerade Funktion.

4.4 Die Umkehrfunktion

Dieser Abschnitt ist der Berechnung von Umkehrfunktionen gewidmet. Aber im allge-meinen hat nicht jede Funktion eine Umkehrfunktion. Die zentrale Eigenschaft um dieExistenz einer Umkehrfunktion sicherzustellen ist

Definition 4.4.1 (Injektivitat)Es sei f : X → Y eine reelle Funktion. Gilt fur jedes x1, x2 ∈ X, dass

f(x1) = f(x2) =⇒ x1 = x2,

so heißt die Funktion injektiv.

Anschaulich bedeutet Injektivitat einer Funktion, dass es zu jedem y ∈ f(X) genau einx ∈ X gibt mit f(x) = y. Es gibt also in X keine zwei Elemente, die durch die Funktionf auf das gleiche Element in f(X) abgebildet werden. Dies ermoglicht

Definition 4.4.2 (Umkehrfunktion)Sei f : X → Y eine injektive Funktion. Dann heißt

f−1 : f(X)→ X, y 7→ x,

wobei x das eindeutige Element aus X mit f(x) = y ist, die Umkehrfunktion von f .

Aus dieser Definition kann man leicht folgern, dass fur alle x ∈ X und y ∈ f(X) gilt

f−1(f(x)) = x und f(f−1(y)) = y.

Anhand einiger Beispiele werden wir weiter unten einsehen, dass die Graphen von f undf−1 symmetrisch zur Geraden y = x liegen.

Beispiele:

(1) Streng monotone Funktionen sind immer injektiv und besitzen somit auch immereine Umkehrfunktionen.

43

4 Reelle Funktionen II

(2) Die Funktion f : R→ R, x 7→ x2 ist nicht injektiv, denn es gilt

f(1) = 1 = (−1)2 = f(−1),

aber 1 6= −1.

(3) Es sei b > 0.

Die Umkehrfunktion der Exponentialabbildungzur Basis b

expb : R→ (0,∞), x 7→ bx

ist die Logarithmusfunktion zur Basis b

logb : (0,∞)→ R, x 7→ logb(x).

Die Skizze zeigt die Graphen der Funktionen derExponentialabbildung und der naturlichen Loga-rithmusfunktion.

(4) Es sei n ∈ N, n ≥ 2.

Dann ist die Funktion

f : [0,∞)→ R, x 7→ xn

injektiv und die Umkehrfunktion gegebendurch

f−1 : [0,∞)→ [0,∞), x 7→ n√x.

Beide Schaubilder rechts zeigen, dass derGraph der Umkehrfunktion f−1 durch Spie-gelung des Graphen von f an der Achsex = y entsteht.

(5) Wir zeigen, daß die Funktion

f : R\{−1} → R, x 7→ x− 1

x+ 1

injektiv ist, berechnen die Umkehrfunktion und skizzieren jeweils den Graphen.Es seien x1, x2 ∈ R\{−1} mit f(x1) = f(x2). Dann gilt

x1 − 1

x1 + 1= f(x1) = f(x2) =

x2 − 1

x2 + 1⇐⇒ (x1 − 1)(x2 + 1) = (x2 − 1)(x1 + 1).

44

4.4 Die Umkehrfunktion

Folglich

x1x2 − x2 + x1 − 1 = (x1 − 1)(x2 + 1) = (x2 − 1)(x1 + 1) = x2x1 − x1 + x2 − 1.

und daraus erhalten wir schließlich

−x2 + x1 = −x1 + x2 =⇒ 2x1 = 2x2 =⇒ x1 = x2.

Also ist f injektiv. Ferner ist f(R \ {−1}) = R \ {1}.Kommen wir nun zur Berechnung der Umkehrfunktion. Diese erhalt man durchAuflosen der Gleichung y = x−1

x+1fur y ∈ f(X) nach x. Fur x ∈ R \ {−1} gilt

y =x− 1

x+ 1⇐⇒ (x+ 1)y = x− 1 ⇐⇒ x(y − 1) = −1− y y 6=1⇐⇒ x = −

(y + 1

y − 1

).

Um die Umkehrfunktion f−1 zu bestimmen, muß man sich klarmachen, daß das obigey die Variable sein soll und man daher in der letzten Gleichung x und y vertauschenmuß. Wir erhalten also

f−1 : R\{1} → R\{−1}, x 7→ −(x+ 1

x− 1

).

Graph der Funktion f Graph der Funktion f−1

(6) Es sei a ∈ (0,∞), X = [0,∞) und die Funktion

f : X → R, x 7→ 1

a+√x

gegeben, wobei f([0,∞)) = (0, 1/a]. Wir zeigen zuerst wieder Injektivitat von f .Es sei x1, x2 ∈ X mit f(x1) = f(x2). Dann gilt

f(x1) = f(x2) ⇐⇒ a+√x1 = a+

√x2 ⇐⇒

√x1 =

√x2 =⇒ x1 = x2,

45

4 Reelle Funktionen II

wobei wir in der letzten Implikation die Injektivitat der Wurzelfunktion auf [0,∞)ausgenutzt haben. Die Umkehrfunktion berechnen wir wie zuvor. Fur x ∈ X gilt

y =1

a+√x⇐⇒ a+

√x =

1

y⇐⇒

√x =

1

y− a x≥0⇐⇒ x =

(1

y− a)2

Damit ergibt sich

f−1 : f(X)→ X, x 7→(

1

x− a)2

.

46

5 Spezielle Funktionen

5.1 Allgemeine (affin-)lineare Funktionen

Definition 5.1.1 (Linearitat)Eine Funktion f : R→ R heißt linear, wenn fur jedes x1, x2, c1, c2 ∈ R gilt

f(c1x1 + c2x2) = c1f(x1) + c2f(x2).

Beispiel: Es sei b ∈ R fest. Die Funktion f : R → R mit x 7→ bx ist linear und derGraph dieser Funktion ist eine Gerade mit Steigung b und enthalt den Punkt (0, 0). DieLinearitat wollen wir nun beweisen.

Behauptung: f ist linear.

Beweis: Es seien x1, x2, c1, c2 ∈ R. Dann gilt

f(c1x1 + c2x2) = b(c1x1 + c2x2) = bc1x1 + bc2x2 = c1bx1 + c2bx2 = c1f(x1) + c2f(x2).

Definition 5.1.2 (Allgemeine affin-lineare Funktion)Es seien a, b ∈ R. Eine Funktion der Form f : R→ R mit x 7→ a+ bx heißt affin-linearoder allgemein affin-lineare Funktion.

Bemerkung: Im Fall a 6= 0 ist die affin-lineare Funktion f : R → R mit x 7→ a + bxnicht linear, denn fur x1, x2 ∈ R gilt

f(x1 + x2) = a+ x1 + x2 6= a+ x1 + a+ x2 = f(x1) + f(x2).

Beispiel:

Skizzieren Sie den Graphen der Funktion f : R→ R mit x 7→ a+bx fur die angegebenenWerte von a, b ∈ R.

(1) a = 1, b = 0 (2) a = −1, b = −12

47

5 Spezielle Funktionen

Auch bei diesen Graphen handelt es sich jeweils um eine Gerade, aber jetzt schneidet derGraph die x-Achse nicht mehr in (0, 0), sondern jeweils in (0, a). Mit allgemeinen affin-linearen Funktionen lassen sich zum Beispiel Funktionen in denen Betrage vorkommenin eine einfachere Form bringen.

Beispiel: Wir schreiben die Funktion

f : R→ R, x 7→ 2− |1− x| − |x+ 2|

ohne Betrage, indem wir sie auf geeigneten Intervallen als affin-lineare Funktionen schrei-ben und skizzieren ihren Graphen.Wie in Kapitel 3 losen wir den Betrag durch Fallunterscheidungen auf.

Fall 1: Sei x ∈ (−∞,−2). Dann gilt

f(x) = 2− |1− x| − |x+ 2| = 2− (1− x) + (x+ 2) = 3 + 2x.

Fall 2: Sei x ∈ [−2, 1) Dann gilt

f(x) = 2− (1− x)− (x+ 2) = −1.

Fall 3: Sei x ∈ [1,∞). Dann gilt

f(x) = 2 + (1− x)− (x+ 2) = 1− 2x.

Insgesamt kann man f also auch so schreiben:

f : R→ R, f(x) :=

3 + 2x, x ∈ (−∞,−2),

−1, x ∈ [−2, 1),

1− 2x, x ∈ [1,∞).

.

Rechts ist der Graph von f skizziert.

5.2 Trigonometrische Funktionen

Fur ein rechtwinkliges Dreieck gelten die Definitionen

48

5.2 Trigonometrische Funktionen

sin(α) := Gegenkathete/Hypotenuse,

cos(α) := Ankathete/Hypotenuse,

tan(α) := Gegenkathete/Ankathete.

Diese Definition ist allerdings nur fur α < 90◦ moglich. Das Ziel der folgenden Abschnitteist die Definition des Sinus, Cosinus und Tangens als reelle Funktionen, insbesondere mitDefinitionbereich R. Dabei sollen diese Funktionen mit der obigen Definition auf einerbestimmten Teilmenge von R ubereinstimmen.

5.2.1 Sinus und Cosinus

Es bietet sich an, zuerst die Begriffe Gradmaß und Bogenmaß einzufuhren. Es sei

S := {(x, y) ∈ R2 | x2 + y2 = 1}

der Kreisring in R2 mit Radius 1 und Mittelpunkt (0, 0). Sei nun (x, y) ∈ S ein Punktauf dem Kreisring und L(x, y) die Strecke zwischen(x, y) und (0, 0). Den Winkel, den L(x, y) mit dempositiven Teil der x-Achse einschließt, bezeichenwir mit α und nennen dies das Gradmaß von(x, y). Messen wir nun die Strecke, welche durch-laufen wird, wenn man (1, 0) und (x, y) gegen denUhrzeigersinn auf dem Kreisring verbindet, so er-halten wir eine Zahl b ∈ [0, 2π) (der Kreisumfangist per Definition 2π), welche wir das Bogenmaßdes Punktes (x, y) nennen.Zum Beispiel ist fur (−1, 0) das Gradmaß α = 180◦ und das Bogenmaß b = π. Auf dieseWeise lasst sich jedes Element aus S durch Gradmaß und Bogenmaß ausdrucken. Dieslegt Nahe, dass wir auch Gradmaß und Bogenmaß ineinander umrechnen konnen. In derTat haben wir die Korrelationen

α =180

πb und b =

π

180α.

Wir werden ab sofort nur noch in Bogenmaß rechnen. Es sei b ∈ [0, 2π) und (x, y) derPunkt auf S mit Bogenmaß b. Wir setzen

cos(b) := x und sin(b) := y.

49

5 Spezielle Funktionen

und definieren die Funktionen ˜cos : [0, 2π)→ R und ˜sin : [0, 2π)→ R durch

b 7→ cos(b) und b 7→ sin(b)

wobei offensichtlich ˜sin([0, 2π)) = ˜cos([0, 2π)) ⊆ [−1, 1] gilt. Mit der Einsicht, dass b = 0mit b = 2π identifiziert werden kann, da in beiden Fallen der Punkt (x, y) = (1, 0)zugeordnet ist, setzen wir beide Funktionen auf die folgende Art periodisch fort: Es seib ∈ R \ [0, 2π). Dann existieren genau ein b ∈ [0, 2π) und k ∈ Z mit b = b+ 2πk und wirdefinieren

cos(b) := cos(b) und sin(b) = sin(b).

Insgesamt haben wir damit die Funktionen sin : R → [−1, 1] und cos : R → [−1, 1]definiert, welche wir Sinus und Cosinus nennen. Skizziert man den Graphen, erhaltman

Per Definition sind die Funktionen periodisch mit Periode 2π, d.h. fur jedes x ∈ R undk ∈ Z gilt

sin(x) = sin(x+ 2πk) und cos(x) = cos(x+ 2πk).

Weiterhin ist anhand der Definition und der obigen Skizzen zumindest anschaulich klar,dass fur jedes x ∈ R gilt

sin2(x) + cos2(x) = 1 und sin(x+π

2) = cos(x).

Um einiges uberraschender sind die uberaus praktischen Additionstheoreme, welche be-sagen, dass fur jedes x1, x2 ∈ R gilt:

(a) sin(x1 ± x2) = sin(x1) cos(x2)± cos(x1) sin(x2),

(b) cos(x1 ± x2) = cos(x1) cos(x2)∓ sin(x1) sin(x2).

Weiterhin interessant sind die Nullstellen des Sinus und Cosinus. Es gilt

sin(x) = 0 ⇐⇒ es existiert ein k ∈ Z mit x = πk

undcos(x) = 0 ⇐⇒ es existiert ein k ∈ Z mit x = πk +

π

2.

50

5.2 Trigonometrische Funktionen

Beispiel: Leiten Sie folgende spezielle Funktionswerte her.

x in ◦ x im Bogenmaß sin(x) cos(x) tan(x)

0◦

30◦

π4

5.2.2 Tangens und Cotangens

Die Funktion tan : X → R definiert durch

tan(x) :=sin(x)

cos(x)

mitX = R \ {x ∈ R | cos(x) = 0}

heißt Tangens. Analog definiert man den Cotangensdurch cot : X → R mit

cot(x) :=cos(x)

sin(x)

undX = R \ {x ∈ R | sin(x) = 0}.

Die Funktionen tan und cot sind ebenfalls periodisch, aber mit Periode π. Es gilt alsofur jedes x aus dem jeweiligen Definitionsbereich und k ∈ Z

tan(x) = tan(x+ kπ) und cot(x) = cot(x+ kπ).

51

Index

<, 12=, 12>, 12⇐⇒, 7N, 10Q, 10R, 10=⇒, 7Z, 10≥, 12≤, 12logb a, ln, 21¬, 7∨, 7∧, 7f(X), 16f ◦ g, 33f−1, 43Aquivalenz, 7

tautologisch, 7Graph(f), 35

Additionstheorem fur Sinus und Cosinus,50

Basis, 18, 21Betrag, 24

-sfunktion, 24Beweis

direkt, 14Gegenbeispiel, 14Kontraposition, 14Widerspruch, 14

binomische Formeln, 11

Bogenmaß, 49Bruchrechnung, 11Bruchungleichungen, 30

Cosinus, 50Cotangens, 51

Definitionsbereicheiner (Un)Gleichung, 25einer Funktion, 16

Disjunktion, 7Dreiecksungleichung, 24

Element, 9Exponent, 18Exponentialfunktion

naturlich, 22zur Basis ..., 22

Fallunterscheidung, 30Funktion

allgemein, 16allgemein affin-linear, 47Bild einer ..., 16gerade, 42Graph einer reellen ..., 35injektiv, 43linear, 47monoton, 41reell, 16streng monoton, 41symmetrische, 42trigonometrisch, 48Umkehr-, 43ungerade, 42

52

Index

GleichungQuadratisch, 26Wurzel-, 28

Gragmaß, 49

Implikation, 7Injektivitat, 43Intervall, 12

abgeschlossen, 13entartet, 13halboffen, 13offen, 12

kartesisches Produkt, 10Komplementmenge, 9Konjunktion, 7Kreisring, 36Kreisscheibe, 36

Losungsmengeeiner (un)Gleichung, 25

Logarithmengesetze, 23Logarithmus

-funktion, 22naturlich, 22zur Basis ..., 21

Logharithmus, 21logische Operationen, 6

mathematische Aussage, 6Menge, 8monoton, 41

fallend, 41wachsend, 41

Negation, 7

Obermenge, 9echt, 9

Ordnungsrelation, 12

Parabel, 28Polynom

n-ten Grades, 21

Potenz-funktion, 21-funktion, rational, 21ganzzahlig, 18rational, 19

Potenzgesetze, 18

Quadratische Erganzung, 26Quadratwurzel, 19

Rationalmachen des Nenners, 20Rechenregeln

fur ganzzahlige Potenzen, 18fur Logarithmen, 23fur reelle Zahlen, 11fur Wurzeln, 19

Schnittmenge, 9Sinus, 50Spiegelung eines Graphen, 40Streckung eines Graphen, 40streng monoton

fallend, 41wachsend, 41

symmetrisch, 42

Tangens, 51Teilmenge, 9

echt, 9Trigonometrische Funktionen, 48

Umkehrfunktion, 43Umrechenformel, 23Ungleichung

Betrags-, 31Bruch-, 30Quadratische ..., 27Rechenregeln fur ..., 12

Vereinigungsmenge, 9Verkettung von Funktionen, 33Verschiebung eines Graphen, 40

Warheitstafel, 7

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Index

Wertebereich einer Funktion, 16Wurzel

n-te, 18Wurzelfunktion, 21Wurzelgesetze, 19

Zahlganz, 10naturlich, 10rational, 10reell, 10

Zuordnungsvorschrift, 16

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