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64. Jahrgang Zeitung “Erziehung und Wissenschaft im Saarland” des Landesverbandes der GEW im DGB Bildu g. Weiter de ke ! n n n WAS IST DIE WAHRHEIT?

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Page 1: Was ist die Wahrheit? · 2018. 3. 27. · ges aussagt über die politische Kultur im Land, aber auch über die Frage, ob die Wahrheit auch im saarland Wahrheit ist. aufgedeckt haben

64. Jahrgang

Zeitung “erziehung und Wissenschaft im saarland” des Landesverbandes der GeW im dGB

Bildu g. Weiter de ke !n n n

Was ist die Wahrheit?

Page 2: Was ist die Wahrheit? · 2018. 3. 27. · ges aussagt über die politische Kultur im Land, aber auch über die Frage, ob die Wahrheit auch im saarland Wahrheit ist. aufgedeckt haben

inhaLt editOriaL

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

angesichts einer Welt, in der krude Lügender Mächtigen einfach als alternative Faktenschön geredet werden, in der gefühlte Wahr-heiten zu Faktenresistenz führen oder ge-schickt lancierte Desinformation Zorn undHass gegen ganze Bevölkerungsgruppen oderengagierte Bürger befeuert, geraten wir Päda-gogen schon in Bedrängnis, wenn es darumgeht, Kindern und Jugendlichen beizubringen,dass Vertrauen Ehrlichkeit bedingt und dassbeide für ein friedliches Zusammenlebenunabdingbar sind. Denn: Wir können sie nochso sehr erziehen, sie machen uns ja eh allesnach.

Aus verschiedenen Perspektiven will dieseAusgabe einen Fokus legen auf den Umgangmit der Wahrheit. Obschon die Wahrheit zu

allen Zeiten ein dehnbarer Begriff war –Beispiele für dreiste Lügen als Rechtfertigungfragwürdigen politischen Handelns mit jeweilskatastrophalen Folgen lassen sich in allenEpochen der Menschheitsgeschichte finden –so ist sie doch im Digitalzeitalter unter beson-ders harten Beschuss geraten.

In seinem Artikel Historiker im Dienste derVertuschung nimmt der Journalist Julian Bern-stein die geschichtsklitternde Aufarbeitungder NS-Vergangenheit des langjährigen Minis-terpräsidenten (und Kultusministers) FranzJosef Röder unter die Lupe. Aus dem Ge-spräch mit dem Historiker Rainer Gries erfah-ren wir, was uns für Propaganda so empfäng-lich macht, aber auch wie wir stark bleiben,um ihr zu widerstehen. Anna Haßdenteufelbeleuchtet die Bedrohungen, die im „Zeitalterdes Postfaktischen“ auf unsere Demokratieeinwirken. Matthias Römer richtet den Blickauf die jüngsten Unachtsamkeiten im Umgangmit der Wahrheit in unserem politischen Nah-feld und warnt vor den damit einhergehendenGlaubwürdigkeitsverlusten der Politik und wiedadurch dem Populismus weiterer Bodenbereitet wird.

Zu den am besten verdrängten Wahrheitenin unserem Land gehört mit Sicherheit diekatastrophale Unterfinanzierung des gesam-ten Bildungsbereichs. Für den Bereich derfrühkindlichen Bildung wird dies in der Aus-wertung unserer Umfrage zur Arbeitsbelas-tung im Bereich KITA sehr greifbar und für denBereich Schule sprechen die zahlreichenÜberlastungsanzeigen verschiedener Schulensowohl im Primar- als auch im Sekundarbe-reich eine eindeutige Sprache.

Eine mögliche Erklärung dafür, dass Politi-ker der Wahrheit oft so verhalten begegnen,könnte laut George Bernard Shaw darin be-gründet liegen, dass es für einen Politiker ge-fährlich ist, die Wahrheit zu sagen. Die Leutekönnten sich daran gewöhnen, die Wahrheithören zu wollen. n

Eine interessante Lektüre wünscht euchthomas Bock

17 a.o. Gewerkschaftstag 2018 Terminankündigung

17 Erste Warnstreiks im Saarland

18 Auf ein Neues ... Klausurwochenende der Fachgruppe Sozialpädagogische Berufe

19 Die Überlastungsanzeige - Rechtliche Wirkung und notwendiger Inhalt Personalräteschulung

20 Zentrale 1. Mai-Kundgebung im Saarland

Bücher & Medien 21 21 So spannend kann ein Buch über Schule sein

21 Kitainklusion Wege zur gelingenden Umsetzung

22 Depression überwinden Peter Brills „Kompass“

22 Die Lehrer-Challenge

Geburtstage & Jubiläen 23 23 April 2018

23 Schlusswort

Öffnungszeiten derGeschäftsstelle

Mo. - Do.: 09.00 - 12.00 Uhr | 13.00 - 16.00 UhrFr.: 09.00 - 12.00 Uhr | 13.00 - 15.00 Uhr

Telefon: 0681 / 66830-0,Telefax: 0681 / 66830-17

E-Mail: [email protected]: http://www.gew-saarland.de

GeW-serviceBeratungszeiten für

Mitglieder in rechtsfragenMo., Di. u. Do.: 08.30 - 16.30 Uhr,

Mi.: 13.00 - 17.00 Uhr

Landesstelle für rechtsschutzGabriele Melles-Müller,Tel.: 0681 / 66830-13,

E-Mail: [email protected].: 13.00 - 16.00 Uhr unterTel. (priv.): 0170 / 4151006

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redaktionsschluss06.04.2018(Mai-ausgabe)

07.05.2018(Juni-ausgabe)

e-Mail: [email protected]

Gewerkschaft erziehung und Wissenschaft (GeW) im dGB,

Landesverband Saarland, Geschäftsstelle:Mainzer Str. 84, 66121 Saarbrücken

Tel.: 0681 / 66830-0, Fax: 0681 / [email protected]

redaktionHelmut Bieg,

Thomas Bock (verantw.), Dr. Judith Frankhäuser,

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anzeigenverwaltungAndreas Sánchez [email protected]

satz, GestaltungBärbel Detzen

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druckCOd Büroservice Gmbh

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titelfotofotolia.de/©magele-picture

Namentlich gezeichnete Beiträge geben nichtunbedingt die Meinung der GEW wieder. Für

unverlangt eingesandte Manuskripte wird keineGewähr übernommen.

impressumherausgeber

euWis 04/2018 | 2

editorial 03

thema: Was ist die Wahrheit? 04 04 Historiker im Dienste der Vertuschung

07 Erlöse uns Interview mit dem Historiker Rainer Gries

08 Der Wert der Wahrheit Kommentar

09 Warum der Umgang mit der Wahrheit die Demokratie bedroht ... und warum uns das möglicherweise alle betrifft.

Jugendhilfe 10 10 Arbeitsbelastung im Bereich KITA Ergebnisse der Umfrage | Teil 2

hochschule 13 13 „Wir müssen lauter und sichtbarer werden!“ DaF/DaZ-Lehrkräfte setzen sich für bessere Arbeitsbedingungen ein

schule 15 15 Kreativ im Konflikt Gewaltprävention einmal anders

Gewerkschaft 16 16 FG Gemeinschaftsschule bekräftigt ihre bildungspolitischen Forderungen

Thema: Was ist die Wahrheit?04

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theMa: Was ist die Wahrheit?

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theMa: Was ist die Wahrheit?

historiker im dienste der Vertuschunghermann röchling, Oscar Orth – das saar-

land tut sich schwer mit seiner Geschichts-schreibung und vor allem mit seinen säulen-heiligen, die doch so wichtig sind für dieidentität des kleinen Landes. nun ist einweiterer held der saar ins Visier der histo-riker geraten: der langjährige Ministerpräsi-dent Franz Josef röder (CdU). Um ihn undseine ns-Vergangenheit hat sich ein span-nender historikerstreit entwickelt, der eini-ges aussagt über die politische Kultur imLand, aber auch über die Frage, ob dieWahrheit auch im saarland Wahrheit ist.aufgedeckt haben röders nähe zum nazi-regime die saarbrücker hefte. Wir habenden Journalisten und hefte-redakteur,Julian Bernstein, gebeten, den Konflikt ausseiner sicht nachzuzeichnen.

Als der Geschäftsführer der Heinrich-Böll-Stiftung Saar, Erich Später, vor 15 Jahren FranzJosef Röders NS-Vergangenheit zum erstenMal thematisierte, gab es keinerlei öffentlicheReaktionen. Dabei hatte es der Aufsatz in sich:Röder ist am 1. August 1933 der NSDAP beige-treten, war dort in einem Absatz zu lesen. Vonnun an war eine Information in der Welt, dienicht nur der CDU nicht gefiel, sondern diesaarländische Identität insgesamt tangierte.Denn die Erkenntnis, dass mit der zweitenSaarabstimmung zahlreiche frühere Nazis –Röder inklusive – wieder in Amt und Würdenkamen, passt nicht so recht zu den Feierlich-

keiten, mit denen man alle paar Jahre dieWiedereingliederung des Saarlandes in dieBundesrepublik begeht.

Auch dem bisherigen Röder-Bild entsprachdiese Information nicht. Der langjährige Mi-nisterpräsident galt bis dahin unbestritten alsLichtgestalt, die, wie es heute noch auf denWebseiten der Konrad-Adenauer-Stiftungnachzulesen ist, während des Nationalsozialis-mus dem „resistenten katholischen Milieu“zuzurechnen war. Dass sich Röder verhältnis-mäßig früh der NSDAP angeschlossen hat,hätte nach der Veröffentlichung von SpätersAufsatz zumindest in darauffolgenden Publi-kationen zu einer Neubewertung der politi-schen Karriere Röders führen müssen. DieLandeshistoriker machten allerdings dort wei-ter, wo sie aufgehört hatten: Tauchte derName Röder irgendwo auf, wurde geflissent-lich darauf geachtet, die Nähe des späterenCDU-Politikers zum NS-Regime unter denTisch fallen zu lassen. Paul Burgard etwa, Mit-arbeiter des Landesarchivs, veröffentlichte inseiner 2010 erschienenen „Kleinen Geschich-te des Saarlandes“ eine Eloge auf den „Lan-desvater“ – jeglicher Hinweis auf Rödersnationalsozialistische Vergangenheit fehlt.Selbst noch in einem im Jahr 2012 erschiene-nen Artikel – Röders NSDAP-Karteikarte konn-te man längst auf Wikipedia einsehen – brach-te der derzeitige Leiter des SaarbrückerStadtarchivs, Hans-Christian Herrmann, das

Kunststück fertig, diese Information derÖffentlichkeit vorzuenthalten.

Das ganz dreiste Verschweigen fand erst imJahr 2013 sein Ende. Die Zeitschrift Saarge-schichten – Redakteur ist unter anderem PaulBurgard – veröffentlichte einen Artikel mitdem Titel „Im Schatten der Geschichte“. DerAutor Peter Wettmann-Jungblut, ebenfalls imLandesarchiv tätig, ging in seinem Text in dieOffensive: Als erster Historiker überhauptwertet er Röders plötzlich „aufgetauchte“ Ent-nazifizierungsakte aus. Auch wenn die vonWettmann-Jungblut präsentierten Ergebnisseeher spärlich waren, auf den ersten Blick er-scheint dieser Artikel als Fort-schritt, wirddoch Röders NS-Vergangenheit hier zum ers-ten Mal seitens der etablierten Geschichts-wissenschaft ausführlich thematisiert. EineAnalyse des Textes ist jedoch dazu geeignet,das Vertrauen in weite Teile der saarländi-schen Historikerzunft zu erschüttern.

Für seinen Artikel wertet Wettmann-Jung-blut ein spannendes Dokument aus: ein drei-seitiges persönliches Schreiben Röders, indemsich der spätere CDU-Politiker für seine NS-Aktivitäten rechtfertigt. Röder räumt darinteils bekannte Tatsachen wie seine NSDAP-Mitgliedschaft ein, die, wie er schreibt, natür-lich nur rein nominell bestanden hätte.Weitaus interessanter ist, dass Röder in demSchreiben auch bis dahin Unbekanntes

erwähnt – zum Beispiel eine Mitgliedschaft imSchlägertrupp der Deutschen Front, demOrdnungsdienst (siehe abgebildeter Aus-schnitt aus dem Schreiben). Ein wenig kryp-tisch gesteht er zudem ein: Aus seiner „reinäusserlichen Zugehörigkeit zum Ordnungs-dienst“ habe er seinerzeit ebenfalls eineMitgliedschaft in der saarländischen SA „kon-struiert“, ohne dieser aber, wie er weiter aus-führt, „jemals angehört zu haben“. Röderräumt hier also eine Zugehörigkeit zur saar-ländischen SA ein, um sie im nächsten Halb-satz wiederum zu leugnen. Wie immer mannun Röders verklausuliertes Eingeständniseiner „konstruierten“ SA-Mitgliedschaft inter-pretieren mag – erwähnenswert ist der Fundeiner solchen Textstelle allemal. Wettmann-Jungblut bringt es jedoch fertig, wörtlich vonder betreffenden Seite zu zitieren, ohne diesefür die Bewertung von Röders NS-Vergangen-heit überaus relevanten Informationen zubenennen. Ebenso wenig erwähnt der AutorRöders offizielle Parteifunktion als Zellenleiterder NSDAP in Den Haag, die der spätere„Landesvater“ gleichfalls in dem Schreibeneingesteht.

Es ist nicht nur diese äußerst selektiveZitierweise, auf die man häufig – nicht nur beiWettmann-Jungblut – stößt. Nicht mehr zuleugnende, belastende Quellen werden gerneabsichtlich falsch interpretiert oder mit abs-trusen Argumenten beiseite gewischt. Nebendem Hinweis auf eine SA-Mitgliedschaft inRöders Schreiben gibt es eine weitere Quelle,die eine Zugehörigkeit zur Sturmabteilungnahelegt: ein Brief von Röders Vater an NS-Behörden aus dem Jahr 1937. Darin schreibtder Vater, sein Sohn sei während desAbstimmungskampfes Mitglied der SA gewe-sen. Wettmann-Jungbluts eigenwillige Erklä-rung: Vater Röder müsse hier schlichtweg dieUniformen verwechselt haben. Röder Juniorsei nämlich auch im NSKK gewesen, demnationalsozialistischen Kraftfahrkorps, und dieUniformen sähen nun mal ganz ähnlich aus.Diese vermeintliche Erklärung präsentierteder Archivar im Sommer 2016 auf einer Po-diumsdiskussion im Saarbrücker Schloss,wohlgemerkt in vollem Wissen um die Tat-sache, dass Röder ja selbst immerhin eine„konstruierte“ Mitgliedschaft eingesteht. DieZuschauer hingegen wussten nichts von demzusätzlichen Hinweis auf eine SA-Mitglied-schaft Röders, hatte Wettmann-Jungblutdiese Textstelle – wie übrigens auch den Briefvon Röders Vater – in seinem zuvor erschiene-nen Aufsatz doch nicht erwähnt. Man musskein Experte sein, um zu erkennen, dass essich hier um Geschichtsklitterung handelt –betrieben von einem promovierten Archivar,beschäftigt im Öffentlichen Dienst.

Die großen und kleinen Manipulationen inden Texten Peter Wettmann-Jungbluts sindalles andere als ein Einzelfall. Sie finden sich inähnlicher Form auch bei Stadtarchivar Herr-mann, der jüngst eine Röder-Biografie veröf-fentlicht hat. Der Archivleiter erwähnt zwardiesmal Röders NSDAP-Mitgliedschaft, einWort über Röders Verbindung zum Ordnungs-dienst und der SA sucht man hingegen ver-geblich. Ebenso der Historiker Heinrich Küp-pers, der im Jahr 2015 gleichfalls eine Biogra-fie Röders vorgelegt hat – herausgegebenenvon der CDU-nahen Unionstiftung. Flankiertwerden diese Veröffentlichungen von zweifel-haften Wortmeldungen aus der universitärenGeschichtswissenschaft. Dietmar Hüser zumBeispiel, Professor für Europäische Zeitge-

schichte an der UdS, sagte der SaarbrückerZeitung, Röder sei weder Nationalsozialistnoch Nationalist gewesen, sondern ein„christdemokratischer Patriot“.

Bedenklich an den Manipulationen ist, dasssie nicht etwa von isolierten Heimatkundlernstammen. Die Historiker, die sich aktiv an derVerklärung von Röders Vergangenheit arbei-ten, sind Angestellte des saarländischenLandesarchivs, des Saarbrücker Stadtarchivsund an Universitäten tätig. Sie sind Mitgliederdes wichtigsten Geschichtsvereins des Saar-landes, dem Historischen Verein für dieSaargegend, der die Zeitschrift Saargeschich-ten mitherausgibt – ein Magazin, das sich, wieder Verein selbst, auch explizit an Geschichts-

der Fall röderanmerkungen zum Umgang deutscher Zeitgeschichte

Keine Frage: In der Regel freut es einenAutor, wenn sich Kollegen auf sein Buchbeziehen. Anders verhält es sich, wenn dieeigene Position auf den Kopf gestellt wird.

Dieses Schicksal ist meiner Habilitations-schrift widerfahren. Auf sie bezieht sichHans-Christian Herrmann in seiner Biogra-phie über Franz Josef Röder, und zwar im Zu-sammenhang mit dessen Tätigkeit in denNiederlanden zwischen 1937 und 1945. Ausder Tatsache, dass der spätere saarländischeMinisterpräsident in meinem Buch über diePolitik des hochrangigen NS-FunktionärsArthur Seyß-Inquart nicht erwähnt wird,glaubt Herrmann ableiten zu dürfen, dassRöder keinerlei Bedeutung für die unerhör-ten Verbrechen gegen die Menschlichkeitbesessen habe, die die deutsche Besat-zungsmacht während des Zweiten Welt-kriegs in den Niederlanden zu verantwortenhatte. Dabei lässt der Leiter des SaarbrückerStadtarchivs außer Acht, dass meine biogra-phische Studie über Seyß-Inquart nicht ein-mal ansatzweise alle NSDAP-Mitgliederunter die Lupe nehmen konnte und wollte,die in der NS-Zeit in den Niederlanden aktivgeworden sind.

Hätte Herrmann dem Vortrag beige-wohnt, den ich am 27. Oktober letztenJahres in der Politischen Akademie derStiftung Demokratie gehalten habe, hätte erübrigens gelernt, dass ich Röders NS-Ver-gangenheit sehr kritisch betrachte. Wie imInternet auf einem YouTube-Mitschnittnachzuhören ist, sehe ich in Röder einenjener Parteigenossen, die sich freiwillig undsehr engagiert in die nationalsozialistischeBesatzungspolitik in den Niederlanden ein-

gebracht haben. Es ist somit inhaltlich wider-sinnig und methodisch unzulässig, meinewissenschaftliche Arbeit für eine EntlastungRöders in Anspruch zu nehmen. In dieserHinsicht betätigt sich Herrmann geradezu alsWiederholungstäter: Wie ebenfalls aufYouTube dokumentiert ist, hatte er michschon auf der Podiumsdiskussion „Rödersbraune Spuren?“ vom 8. Juli 2016 als Kron-zeugen missbraucht. Das ist genauso inak-zeptabel wie der Versuch der Konrad-Ade-nauer-Stiftung, Röder in ihrem Internetauf-tritt in die Nähe des Widerstands gegen dieNS-Herrschaft zu rücken.

Herrmann bleibt letztlich weit hinter demaktuellen Forschungsstand zurück, zu deminsbesondere Erich Später und Julian Bern-stein wichtige Beiträge geliefert haben. Umendlich zu einem angemessenen Bild vonRöders Biographie zu gelangen, wäre es bit-ter nötig, systematisch historische Quellenaus niederländischen Archiven zu durchfors-ten und in den Kontext der deutschen Besat-zungspolitik im Zweiten Weltkrieg zu stellen.Auf dieser Grundlage ließe sich nicht zuletztdie Frage nach Kontinuitäten und Brüchen inder saarländischen Geschichte des 20.Jahrhunderts qualifizierter bewerten, alsHerrmann dies tut. Auf jeden Fall könnte derFall Röder ein weiterer Anlass sein, denUmgang der deutschen Nachkriegsgesell-schaft mit einer vergifteten Vergangenheitselbstkritisch zu beleuchten. Gut achtJahrzehnte nach Entfesselung des ZweitenWeltkriegs käme ein derartiges Unterfangenkeineswegs zu früh.

Pd dr. Johannes Koll, Wien

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theMa: Was ist die Wahrheit? theMa: Was ist die Wahrheit?

erlöse unsÜberall auf der Welt glauben die Menschen an bestimmte politische ideen. ein Gespräch mit dem historikerrainer Gries über unsere schwächen – und darüber, wie wir stark bleiben, um Propaganda zu widerstehen.

Frage:Herr Gries, was macht die Menschen für

Propaganda empfänglich?

rainer Gries:Wir wollen umworben werden. Der

Mensch wünscht sich persuasive Kommunika-tion. Der Begriff stammt vom lateinischenWort für „überreden“ ab. Der Wunsch, um-schmeichelt zu werden, ist Teil unserer Psy-che. Zudem sind wir anfällig für Botschaften,die uns Vereinfachungen liefern, Welterklä-rung.

Frage:Ist man immer nur Opfer von Propaganda,

oder trägt man selbst dazu bei?

rainer Gries:Zum System gehört, dass mehrere Akteure

im Spiel sind. Der Absender und die Adres-saten sind beide Akteure. Wenn wir heuteüber Populisten sprechen, sind wir geneigt,nur auf die Produzenten einfacher Botschaf-ten zu schauen, und vergessen das Publikum,das Volk, lateinisch eben populus. Das mussmitspielen.

Frage:Aber es empfängt doch nur.

rainer Gries:Oft wird unterteilt in den aktiven Führer

und die passiv Geführten oder Verführten.Das ist eine verkürzte Sichtweise, die in derNachkriegszeit auch der Entlastung diente.Man schob alles auf den Führer und nahmsich selbst als Akteur aus der Schusslinie. Somusste man seinen eigenen Anteil an denVerbrechen nicht hinterfragen. Aber bei Pro-paganda gilt: Es kommt darauf an, dass wirmitmachen. Wenn wir es nicht tun, ist siemachtlos.

Frage:Es geht also nicht nur ums Reden.

rainer Gries:Vor allem die radikale Tat gehört zur Propa-

ganda. Aktionen, die aufhorchen lassen, brin-gen Achtung. Hitler hat gesagt, dass Gewaltund Grausamkeit imponieren. Und das giltselbst für die Angegriffenen. Zu Beginn desNationalsozialismus haben sich nach Saal-schlachten, bei denen sich politische Gegnermit den Nazis prügelten, besonders viele die-ser Verprügelten bei der SA gemeldet.

Frage:Heute gehört es in manchen Ländern im-

mer noch zum Mittel der Politik, Andersden-kende zu verprügeln oder ins Gefängnis zustecken. Ist das nicht ein Zeichen, dass diePropaganda versagt hat?

rainer Gries:Beides gehört dazu. Der türkische Präsident

Erdoğan etwa zählt die öffentliche Ausübungvon Gewalt zu den politischen Mitteln. Er lässtDemonstrationen für die Pressefreiheit brutalauflösen und Journalisten verhaften. Es ist einZeichen an seine Anhänger. So wie wir es auchals Zeichen verstehen müssen, wenn Anhän-ger der Pegida auf ihren Demos Journalistenangreifen.

Frage:Imponiert das der lethargischen Masse?

rainer Gries:Es gibt diesen Reflex, sich mit dem Aggres-

sor zu identifizieren, um sich selbst stärker zufühlen. Donald Trump hat im Wahlkampfgesagt, er könne durch New York laufen undjemanden auf offener Straße erschießen,ohne Wähler zu verlieren. Damit bringt erüberspitzt eine historische Erfahrung auf denPunkt: Die Rede plus die Tat, das überzeugt.

Frage:Welche Menschen sind dafür besonders

empfänglich?

rainer Gries:Menschen aus problematischen Umfel-

dern, die in ihrer persönlichen Situation he-rausgefordert sind. Für sie ist das ein Angebot,mit einer gefühlten Hoffnungslosigkeit umzu-gehen oder, wie im Falle von Pegida, mit ge-fühlten Abstiegsängsten. Jemand vermeintlichStarkem zuzujubeln erscheint so als Rück-gewinnung eigener Macht und Stärke.

Frage:Postfaktisch, Fake News, alternative Fakten:

Ist es bei Propaganda zunehmend egal, ob dieBotschaften der Wahrheit entsprechen?

rainer Gries:Bei der Abwägung, was wahr und was effi-

zient ist, entscheidet sich die Propaganda im-mer für die Effizienz. Das ist auch der Unter-schied zur Werbung. Die darf von der Wahr-heit nicht zu weit entfernt sein, sonst kaufen

die Konsumenten ein Produkt nur einmal.Dagegen muss sich die politische Werbungum die Wahrheit ihrer Botschaft nicht so sehrkümmern, weil das Einlösen der Versprechenin weiter Zukunft liegen kann oder womöglichgar nicht stattfindet. Und dennoch bleiben dieMenschen bei der Stange.

Frage:Wenden sich die Menschen nicht von

Politikern ab, die ihre Versprechen brechen?

rainer Gries:Nicht unbedingt. Man kann das mit der

Enttäuschung beim Kauf eines mangelhaftenProdukts vergleichen. Wenn Sie ein Autogekauft haben, das schon nach kurzer ZeitMacken hat, werden Sie Ihren Freunden trotz-dem erzählen, dass der Wagen gar nicht soschlecht ist. Niemand will, dass seine Ent-scheidung durch eine Enttäuschung imNachhinein delegitimiert wird. Wenn Sie sicheingestehen, falsch entschieden zu haben,geht der erlösende Moment der Aktion verlo-ren. In den sozialen Medien werden ohneUnterlass Botschaften versendet, dieAbstiegsängste oder Fremdenhass befeuern.

Frage:Ist das Internet das Propagandamedium

der Stunde?

rainer Gries:Es ist tatsächlich ein Problem, wenn die

öffentliche Diskussion über das, was wahr istoder erwünscht, zunehmend in den Echo-kammern, den filter bubbles der sozialenMedien stattfindet und man nicht mehr mitAndersdenkenden in Kontakt kommt. Den-noch muss man berücksichtigen, dass zur„klassischen“ Propaganda auch Elemente vonMacht und Gewalt gehören. Da bin ich trotzder verbalen Gewalt nicht so pessimistisch.

Frage:Wie wichtig sind für erfolgreiche Propa-

ganda Feinde?

rainer Gries:Es braucht nicht unbedingt Feinde, aber

üble Bilder von den Anderen. Sie dienen derÜberhöhung des Eigenen und der Denunzia-tion des Gegners. Man zieht harte, radikaleund unüberwindliche Grenzen gegenüber denAnderen. Sie werden mit negativen Attributenversehen, verunglimpft und dämonisiert – bis

lehrer wendet. Die fehlende Aufarbeitung vonRöders NS-Vergangenheit ist damit vor allemein Versagen der etablierten Geschichtswis-senschaft, die gerade bei Themen, die aus-schließlich lokal und von der immergleichen

Clique verhandelt werden, Gefahr läuft, My-then zu produzieren.

Mit dem in Wien tätigen HistorikerJohannes Koll hat sich nun immerhin ein

renommierter Experte von außerhalb zu Wortgemeldet. Der Autor einer hochgelobtenHabilitationsschrift über den Chef der damali-gen deutschen Besatzungsmacht in denNiederlanden, Arthur Seyß-Inquart, gab aufeinem Vortrag in der politischen Akademieder Stiftung Demokratie Saarland eineEinschätzung ab: Röder sei als Funktionär derNSDAP mit den Zielen der Nazis vertrautgewesen und habe in den Niederlanden aktivan der Besatzungsherrschaft mitgewirkt.Zudem wirft er Hans-Christian Herrmann vor,seine Habilitationsschrift für eine EntlastungRöders zu missbrauchen (siehe Kasten mitdem Schreiben von Johannes Koll).

Ob diese Intervention von außen zu einernennenswerten Veränderung der Sicht aufden „Landesvater“ führen wird, darf jedochbezweifelt werden. Denn Geschichtsmythen,so falsch sie auch sein mögen, haben bekannt-lich eine unangenehme Eigenschaft: Sie hal-ten sich hartnäckig. n

Julian BernsteinWeitere Texte, Informationen und Quellen zur Röder-Debatte findet man auf der Webseite der SaarbrückerHefte unter der Rubrik „Röder-Debatte“:https://www.saarbrücker-hefte.de/

Franz Josef röder (geb. am 22. Juli 1909 in Merzig; gest. am 26. Juni 1979 in saarbrücken)n 1928 abitur am Gymnasium in st. Wendel n 1928-1932 studium der romanistik und Geografie in Freiburg/ Breisgau, innsbruck und Münster n 1. august 1933 eintritt in die nsdaP n 1. Februar 1934 eintritt in den ns- Lehrerbund n angehöriger des nationalsozia- listischen Kraftfahrerkorps nsKK sturm 21/7 saar n Mitglied des Ordnungsdienstes der deutschen Frontn Mutmaßlich Mitglied der im saargebiet illegalen san 1933-1937 Lehrtätigkeit an verschie denen Gymnasien

n 1937 Wechsel nach den haag an das deutsche realgymnasiumn 1940-1944 Leiter des deutschen akademischen austauschdienst in den niederlanden; auswahl nieder- ländischer ns-sympathisanten nach rassischen und ideologischen Gesichtspunkten für studienaufent- halte in deutschlandn Zellenleiter der nsdaP in den haagn 1. april 1948 Wiederaufnahme der Lehrtätigkeit am Mädchenrealgym- nasium in neunkirchen n 1. august 1951 schulleiter des real- gymnasiums in dillingen (bis 1957) n 18. dezember 1955 Wahl in den saarländischen Landtag n 4. Juni 1957 Minister für Kultus, Unterricht und Volksbildung (bis 10. Juli 1965)n 1959-1979 Ministerpräsident des saarlandes

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theMa: Was ist die Wahrheit?

euWis 04/2018 | 8

theMa: Was ist die Wahrheit?

Warum der Umgang mit der Wahrheitdie demokratie bedroht... und warum uns das möglicherweise alle betrifft.

hin zum Imperativ, dass sie vernichtet werdendürfen.

Frage:Hilft gegen Propaganda Bildung?

rainer Gries:Absolut, denn dadurch kann man die

Botschaften besser einordnen. Ich kann michfragen, warum die ein oder andere Aussagegemacht wird, wie wahr sie ist, ob es nichtdoch Alternativen gibt. Das muss ich aber je-des Mal wieder machen, es gibt keinenSchutzschild, der automatisch wirkt. GegenPropaganda ist niemand gefeit. Ob Reklameoder politische Botschaften: Die um uns wer-bende Kommunikation ist allgegenwärtig.

Frage:Und oft vermittelt sie den Eindruck, man

hätte keine Wahl.

rainer Gries:Das Absolute ist ein Popanz der Propagan-

da. Sie lebt davon, eine Alternativlosigkeit vor-zugaukeln. Deswegen ist es immer gut, wennin der politischen Kommunikation Wege of-

fenbleiben, man nicht das Miteinander ab-bricht und Mittelwege sucht. Papst Franziskushat gerade zum Thema Trump gesagt, dass esimmer irgendwo Türen gibt, die nicht ge-schlossen sind. Das ist die absolute Nichtpro-paganda.

Frage:Wie kann man noch Gegenwehr organisieren?

rainer Gries:Indem man sich klarmacht, wie das System

funktioniert. Sich also vor Augen hält, was wirbis hierhin gesagt haben, und daraus Schlüssezieht, wie man mit den Angeboten, die täglichauf uns einprasseln, verantwortungsvoll um-geht. Wir können uns all diesen Botschaftennicht entziehen. Erdoğan nicht, Trump nicht,Putin schon gar nicht. Aber ob wir Inhalte derPropaganda annehmen oder nicht, hängtletztlich von uns selbst ab. Wir sind keineObjekte, sondern Subjekte.

Frage:Aber doch nur, wenn man genügend

Selbstbewusstsein hat und Bildung. Was istmit den anderen?

rainer Gries:Die müssen auch durch politische Maß-

nahmen geschützt werden. Für die Menschenmit Abstiegsängsten, persönlichen Nötenoder Traumata, vor allem für junge Men-schen, muss die Politik Sorge tragen. Es gilt,Geld in Bildungs- und Beschäftigungsangebo-te zu stecken und vor allem in die Jugend zuinvestieren. Damit entzieht man einfachenBotschaften und ihren Propagandisten denNährboden.

Rainer Gries forscht zu „überredenden“Kommunikationen im 20. Jahrhundert. Er hatBücher über sozialistische Helden und zur Ge-schichte der politischen Massenbeeinflussungim 20. Jahrhundert geschrieben beziehungs-weise herausgegeben. n

Oliver Gehrs„Erlöse uns“, Erstveröffentlichung im fluter 63 –„Propaganda“ – Seiten 10 - 12, Sommer 2017,Herausgeber: Bundeszentrale für politischeBildung/bpb.

Wir danken der Bundeszentrale für politische Bildungherzlich für die Nachdruckgenehmigung.

Als ich Ende der 90iger Jahre im Kino denFilm „Wag the dog – wenn der Schwanz mitdem Hunde wedelt“ von Barry Levinson sah,bin ich anschließend ziemlich verstört nachHause gegangen. Der Plot: als dem US-ameri-kanischen Präsidenten 11 Tage vor der Wie-derwahl vorgeworfen wird, eine minderjähri-ge Schülerin sexuell belästigt zu haben, siehtdas Wahlkampfteam nur eine Möglichkeit, dieAufmerksamkeit der Medien von diesemVorkommnis abzuziehen: ein fiktiver Krieg ge-gen Albanien – ein Land, über das in Amerikakaum einer etwas weiß – wird medial insze-niert. In dem Film geht es um die Macht derMedien und die Manipulierbarkeit der Öffent-lichkeit.

Dass im Jahr 2003 die Begründung desdamaligen US-Außenministers vor dem UN-Sicherheitsrat für den längst beschlossenenKrieg gegen den Irak wegen angeblicher biolo-gischer, chemischer und nuklearer Massen-vernichtungswaffen des Regimes eine einzigeLüge war, wissen wir heute längst. Jahre spä-ter hat sich Colin Powell zumindest dafür ent-schuldigt. Ende der 90iger Jahre ist mir etwasverloren gegangen – der naive Glaube, dassdas, was ich in der Zeitung lese (weil sauberrecherchiert) und in den Nachrichtenkanälenverbreitet wird, die Wahrheit sei.

Was hat sich seitdem verändert?Wir leben heute in einer Welt, in der viel

die Rede ist von Fakten, ‚fake-news‘ (bewusstlancierte Falschmeldungen) bis hin zu Ver-schwörungstheorien. Wir leben in einer Welt,in der ein Sexist, Rassist und notorischer Lüg-ner zum Präsidenten der Vereinigten Staatengewählt worden ist und diese Welt immerwieder und immer mehr mit seiner Rhetorikund seinen Drohungen in Atem hält. In einerWelt, in der Kellyanne Conway, die Beraterineben dieses Präsidenten, dessen offensichtli-che Lügen als „alternative Fakten“ bezeichnet.

In diesem Zusammenhang spricht der ame-rikanische Wissenschaftsjournalist DavidRoberts von „Stammes-Epistemologie“, in derjede Gruppe die ihr gerade passenden Be-hauptungen als Wahrheiten deklariert (dieEpistemologie ist jener Zweig der Philosophie,der untersucht, wie wir Dinge wissen könnenund was es bedeutet, dass etwas wahr oderfalsch ist). Der amerikanische Historiker

Daniel T. Rogers sieht daher das Problem des‚postfaktischen Zeitalters‘ nicht in der Abwe-senheit von Wahrheiten. Es gehe eher um dasGefühl, recht zu haben, als um eine möglichstobjektive Überprüfung eigener Meinungen.Bereits im Jahr 2005 stellt der Komiker StevenColbert eine tiefe Spaltung in der Gesellschaftfest. Was ist richtig? Das, von dem du willst,dass es wahr ist oder das, was wahr ist?

Und auch wir stehen immer wieder vor derFrage, warum es so schwer ist, andere trotzfaktenbasierter Argumente von ihrer Meinungabzubringen. Aber sind wir nicht gerade alsMenschen in erziehenden Berufen dazu ver-pflichtet, den Kampf um die Wahrheit mitaller Kraft zu unterstützen?

Und schon tut sich das nächstedilemma auf:

Ist das Weglassen von Wahrheiten nichtauch schon Lüge? Dafür gibt es in der jüngs-ten Vergangenheit ja auch im Saarland genü-gend Beispiele. (Das unrühmliche Nichteinge-stehen des Millionenlochs beim LSVS durchKlaus Meiser wäre da genauso zu nennen wiedas „Beschönigen“ der beruflichen Vita desneuen saarländischen Ministerpräsidenten.)

Worte, so sagt man in der Kommunikations-forschung, schaffen Wirklichkeit – die Wahr-heit ist aber damit noch lange nicht in derWelt. Wahrheit, Wahrhaftigkeit, Ehrlichkeit,Anstand – sind das alles veraltete Begriffe, dieheute nicht mehr gelten? Auch weil diese vonso manchen Poltiker_innen nicht (mehr) vor-gelebt werden? Nehmen wir es also klaglos

hin, dass der Innensenator von Berlin sich vorder Anhörung vor dem Bundestagsuntersu-chungsausschuss zur Aufklärung der Ver-säumnisse von Justiz und Staatsgewalt bezüg-

lich des mutmaßlichen Attentäters desBreitscheidplatzes ‚krank meldet‘, dann aberzwei Tage später am Berlin -Marathon teil-nimmt?

Was können wir tun?Sicher ist ein guter Deutsch- und Medien-

unterricht wichtig, damit Schüler_innen ler-nen, Texten und Argumentationsmustern kri-tisch und kompetent zu begegnen. Als Erzie-hende haben wir aber auch die Aufgabe, Kin-der und Jugendliche, die uns anvertraut sind,zu mündigen und demokratiefähigen Men-schen zu erziehen. Dabei kommt uns Erwach-senen, ob Eltern, Lehrer_innen oder Poltike-r_innen eine wichtige Vorbildfunktion zu.Wenn wir diesen Erziehungsauftrag ernst neh-men, stehen wir deshalb auch immer mal wie-der selbst auf dem Prüfstand. Da ist es sichernicht schlimm, wenn wir uns bewusst machen,dass auch Erwachsene fehlbar sind und sichirren können, sofern sie dies eingestehen undandere nicht absichtlich täuschen. n

annahaßdenteufel

Grafik: fotolia.de/©liblu

„Nein, so war das nicht gemeint mit demInformationswissenschaftler und dem wissen-schaftlichen Mitarbeiter. Nie wollte man denEindruck eines abgeschlossenen Studiums er-wecken.“

Die Lüge ist hoffähig, sie wird nur nichtmehr so genannt. Ein Versehen, eine Unacht-samkeit, eine unglückliche Verwechslung –natürlich nur dann, wenn sie enttarnt wurde.Wir konnten im Saarland in den letzten Wo-chen einen Eindruck davon gewinnen, wieselbstverständlich es mittlerweile ist, zu täu-schen und zu tricksen. Gottseidank gehen im-mer weniger diesen Versuchen auf den Leim.

Häufig geht es um Geld, meistens ums ei-gene, wie die Führung des Landessportver-bands uns in einer Art ‚Bauernkomödie‘ gera-de eindrucksvoll vor Augen führt.

Die Lüge ist nicht das eigentliche Problem.Wir alle lügen und betrügen ab und an ganzgerne und das nicht ohne Grund: Der Menschbraucht dieses Mittel, um sich selbst und an-dere in Sicherheit zu wiegen, um Komplexe zu

besiegen oder Ziele zu erreichen. Frei nachErving Goffman und seinem Bestseller ausdem Jahr 1959 spielen wir alle Theater.

Trotzdem gewinnt man bei vielen Verlaut-barungen aus Politik und Wirtschaft den Ein-druck, dass das gezielte Einsetzen der Un-wahrheit fast schon System hat. Dazu zähltauch das bewusste Verschweigen von Faktenoder das bewusste Verdrehen der Kontexte.Das gilt für alle politischen Beteiligten. Die ge-zielte Lüge als Verbesserung der eigenen Posi-tion könnte man als Marketing in eigenerSache bezeichnen. Häufig ist diese Unwahr-heit jedoch allzu leicht durchschaubar. Daswiederum macht sie gefährlich, denn ein ent-täuschter Bürger ist ein allzu leichtes Opfer fürden Populismus.

Ein Affront ist die Tatsache, dass man ande-ren unterstellt, es nicht zu durchschauen, sieim wahrsten Sinne des Wortes für dumm ver-kaufen möchte. Man tut so, als hätte nicht je-der bereits bemerkt, dass etwas erlogen wur-de, wobei der Betrug längst aufgeflogen ist.Das ist die Verneinung einer Grundregel des

guten Anstands, die wir Kindern angedeihenlassen: Wenn man erwischt wurde, dann gibtman es wenigstens zu und man kann darüberreden. Das Eingeständnis der eigenen Fehl-barkeit, des wirklichen Grundes der Lüge.

Als Vorbild taugt man nicht mehr. Wir alsPädagogen geraten in Not ob der Erläuterungder Welt.

Wenn Menschen in der Öffentlichkeit ste-hen, wie Politiker, dann tun sie gut daran, sichwieder auf diese Grundregel des Anstands zubesinnen. Es wäre für viele Kinder undJugendliche ein Vorbild, wenn man sich zu sei-nen Fehlern und auch zu seinen Lügenbekennt. Manche könnten damit sogar gewin-nen, da darf man sich sicher sein. n

Matthias römer

KOMMentar

der Wert der Wahrheit

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aus datenschutzgründen wollen wir hierkeine kompletten Passagen von euren text-eingaben wiedergeben. stattdessen habenwir versucht, die häufig genannten argu-mente in prägnanten, neutralen Kernaus-sagen im Folgenden zusammenzufassen.

Wir wollen euch nicht vorenthalten, dassviele Aussagen deckungsgleich und sehr häu-fig vorkamen, sei es das unfaire Verhalten derVorgesetzten, die Konflikte im Team, bis hin zuMobbing, die Überlastungssymptome, mitun-ter bis zu drohendem Burnout usw. Vor allemdie genannten Ängste und Sorgen um den Er-halt der Gesundheit und Arbeitsfähigkeit biszur Rente treiben viele von euch um. DasWissen, dass ihr nicht alleine steht, hilft imMoment vielleicht nur bedingt.

die Forderungen nachVerbesserungen kann man nach derdurchsicht dieser Umfrage wirklichnicht mehr nur auf einzelfälle redu-zieren.

Belastungen:n Die Anforderungen in den Kitas erhöhensich durch Erwartungen von allen Seiten, wieTräger, Leitung, Eltern, Kinder. Die Verpflich-tungen und Termine nehmen immer mehr zudurch die Durchführung von QM (Qualitäts-management), zunehmende Dokumentatio-nen, vermehrte Sicherheitsvorschriften undDienstanweisungen und zu viele Zusatzauf-

gaben, wie z.B. die Tätigkeit als Brandschutz-beauftragte_r, Sicherheitsbeauftragte_r oderHygienebeauftragte_r. Die Öffnungszeitenhaben sich zudem verlängert. Das Einkaufenfür die Kita nach Dienstschluss und die Ver-lagerung von immer mehr Arbeit nach Hausesind bei vielen Einrichtungen zur Selbstver-ständlichkeit geworden, bei gleichzeitig gerin-ger Anerkennung des Berufes in der Öffent-lichkeit und zunehmender Respektlosigkeitvon Eltern und Kindern gegenüber dem päda-gogischen Fachpersonal. Die zusätzliche Über-nahme von hauswirtschaftlichen Arbeiten,wie z.B. die Reinigung von Mobiliar und Ge-schirr, die Wäschepflege und die Nahrungs-zubereitung, zeigt das Ungleichgewicht in die-sen Anforderungen und sorgt für eine immergrößere Überlastung.

n Dauerhafte Stressfaktoren, denen dieFachkräfte in gesundheitsgefährdendem Aus-maß ausgesetzt sind, werden nicht gesehen:der Zeitdruck, die Zunahme der täglichen Ar-beitsbelastung, zu viele Überstunden, Ausfallvon Pausenzeiten etc.

n Bei dem Pädagogischen Personal ist Flexi-bilität in hohem Maße gefordert. Die pädago-gischen Fachkräfte müssen ihre Arbeitszeitständig an die jeweilige Situation anpassen,z.B. Einspringen bei Personalausfall. Dadurchkönnen private Termine, wie z.B. Arztbesuch,oft – auch über einen längeren Zeitraum hin –nicht wahrgenommen werden. Die eigene

Gesundheit wird nachrangig behandelt. Teil-zeitkräfte werden wechselweise auch amNachmittag eingesetzt und die Arbeitszeit imKontext mit Vereinbarkeit von Beruf undFamilie ebenso hintenangestellt.

n Eine hohe Gruppengröße, die temporär –bedingt durch Personalmangel und hohenKrankenstand – zum Teil erheblich erhöhtwird, erschwert zunehmend die angemesseneArbeit mit den Kindern. Die starke Zunahmeder oben beschriebenen Anforderungen füralle Fachkräfte bei gleichbleibender Persona-lisierung bedeutet zwangsweise weniger Zeitfür das einzelne Kind.

n Immer öfter kommen Kinder krank in dieKita, belasten dadurch die Arbeitssituationnoch mehr und stecken zudem die anderenKinder und die Mitarbeiter_innen oft an, wasdann nicht selten zu epedemieartiger Verbrei-tung von Magen-Darm-Erkrankungen u.ä.führt, und damit in der Konsequenz erneut zueinem Personalmangel.

n Inklusion bleibt eine Wunschvorstellung,wenn sie nicht einhergeht mit einer besserenPersonalisierung und der zusätzlichen Anstel-lung von Inklusionsfachkräften; Stichwort:multiprofessionelle Teams. Gleichzeitig sehenwir die starke Zunahme von Kindern mit er-höhtem Förderbedarf, sei es im emotional-sozialen oder sprachlichen Bereich usw.

n Es fehlt in vielen Kitas der benötigte Platz,sprich die entsprechenden Räume:

a) Funktionsräume für die Kinder

b) Pausenräume für die Mitarbeiter_innen

c) diskreter Besprechungsraum für Elterngespräche

d) eigener Bürobereich, um die zunehmen- den Dokumentations- und Verwaltungs- arbeiten in Ruhe zu bewältigen.

n Der bauliche Zustand in vielen Kitas läsststark zu wünschen übrig. Oft fehlen geeigneteBereiche für das Essen, das Schlafen und oftsind die sanitären Einrichtungen in einemmiserablen Zustand. Es fehlt an Lärmschutz,geeigneter Dämmung usw.

n Es gibt zeitraubende Konflikte mit der Lei-tung der Kita, weil diese die Schwierigkeitender Mitarbeiter_innen nicht sieht oder andersbeurteilt. Hier werden Stress, Konflikte bis hin

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JUGendhiLFe

arbeitsbelastung im Bereich Kitaergebnis der Umfrage | teil 2 - die offenen Fragen

Foto: fotolia.de/©dglimages

zu Mobbing aufgeführt. Die Unzufriedenheitmit der Leitung einer Einrichtung ist ein sehrhäufig genannter Punkt. Hier reichen die Be-schreibungen von „schlecht organisiert“ bis zu„unfairem Verhalten“ und „wenig Wertschät-zung und Unterstützung dem Personal gegen-über“ Stichwort: Personalführung.

n Es fehlt häufig an geeignetem Mobiliar fürdie pädagogischen Fachkräfte in ausreichen-der Anzahl. Ebenso fehlt es an der Ausstat-tung (PCs, Drucker) für die zunehmend gefor-derten Dokumentationen.

n Fortbildungen können oft nicht mehrselbst gewählt, sollen aber andererseits selbstfinanziert werden. Klappt es dennoch mal miteiner Anmeldung, muss die Teilnahme an denVeranstaltungen oft wegen geänderterDienstpläne abgesagt werden.

n Die Ausbildung an den Fachschulen sollteüberarbeitet werden. Die Praxisanleiter_in-nen in den Kitas haben zu wenig Zeit für dieAuszubildenden, und die Zusatzqualifikationwird nicht in der Vergütung anerkannt. Es gibtkeine Höhergruppierung oder Zulage bei Zu-satzaufgaben oder eben Zusatzqualifikatio-nen, wie Praxisanleitung oder Krippenfach-kraft.

n Leitungen haben zu wenig Zeit für die vonihnen geforderten Aufgaben (Qualitätsmana-gement, Verwaltungsaufgaben etc.) und füh-len sich dadurch auch be- und überlastet.

Forderungen: n Die Teilnehmer_innen unserer Umfragefordern mehr Vereinbarkeit von Familie undBeruf, d.h. bessere Dienstplangestaltung, Ar-beitszeitkonten, Einsatz der Teilzeitkräfte ge-mäß den Gründen für die gewählte Teilzeit.

n Die Forderung nach Schulungen von Lei-tungen in Sachen Personalführung geht aussehr vielen Aussagen der Befragten hervor, seies bei der Organisation, z.B. Dienstplange-staltung, dem fairen Umgang mit den Mitar-beiter_innen, den Möglichkeiten der Partizi-pation und Ähnlichem. Außerdem solltenLeitungen generell freigestellt sein und stell-vertretende Leitungen eine feste Stellenzu-teilung mit entsprechender Bezahlung erhal-ten.

n Vom Arbeitgeber fordern viele der Teilneh-mer_innen mehr Transparenz und Beteiligungbei Entscheidungen, wie z.B. Umbaumaßnah-men und mehr Umsetzung der Fürsorge-pflicht gegenüber dem Personal. Dazu gehö-

ren die Reduzierung der Belastungsfaktoren,wie genauere Regelung und die Umsetzungdieser Regelungen bei Krankheiten der Kinderin Kitas sowie mehr Gesundheitspräventionfür das pädagogische Fachpersonal, geeignetePausenräume und vor allem Stresspräven-tionsmaßnahmen. Die an der Umfrage teilge-nommenen Kolleg_innen fordern ebenso dieEinführung von Angeboten zu altersgerech-tem Arbeiten und besseren Möglichkeiten derAltersteilzeit.

n Viele der Befragten fordern mehr Zeit zurRegeneration, z.B. mehr Urlaubstage, garan-tierte Vor- und Nachbereitungszeiten, flexib-lere Arbeitszeitmodelle und bessere Dienst-plangestaltung.

n Es fehlt an ausreichenden Funktionsräu-men, geeigneten Pausenräumen, baulichenVerbesserungen, Lärmschutz und Ähnlichem.Hier muss nachgebessert werden.

n Die verstärkte Übernahme der Verantwor-tung durch übergeordnete Stellen wie Träger,Jugendämter, Landesjugendamt und Berufs-genossenschaft war ein breites Thema unterden Teilnehmer_innen der Umfrage: z.B. dieAnerkennung von berufsbedingten Krankhei-ten, Verringerung der Öffnungszeiten bei mi-

JUGendhiLFe

Karikatur: Reante Alf

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nimierter Personalisierung, keine Überbele-gung der Gruppen usw..

n Viele Forderungen bezogen sich auf dieInhalte der pädagogischen Arbeit:

a) Mehr Zeit für das einzelne Kind

b) Mehr garantierte Vor- und Nachberei- tungszeit

c) Geringere Gruppengröße

d) Bessere Ausbildung an den Fachschulen.

n Zum Thema „Personal“ wurden folgendeForderungen häufig genannt:

1.) Weniger Verwaltungs – und Schreibar- beiten, weniger Dokumentationen, weniger QM (Qualitätsmanagement)

2.) Bereitstellung von größeren Budgets in den Haushalten der Einrichtungen für Materialien u.ä.

3.) Mehr Personal, d.h. auch die Anerken- nung der mittelbaren pädagogischen Zeit und die Anrechnung derselben auf den Personalschlüssel.

4.) Mehr unbefristete Arbeitsverträge

5.) Multiprofessionelle Teams

6.) Anerkennung von Zusatzqualifikationen, z.B. Praxisanleitung, Krippenfachkraft.

n Die Teams brauchen Fachberatung, Super-vision, mehr Zeit für den Austausch und diePlanung der gemeinsamen pädagogischenArbeit.

die teilnehmer_innen unsererUmfrage fordern eine aufwertungder Berufe im sozial-underziehungsdienst.

die pädagogischen Fachkräfte in deneinrichtungen halten dieses systemam Laufen. Was passiert eigentlich,wenn sie wegfallen?

Alle Befragten haben uns ihre Belastungs-situationen geschildert, ihre Meinungen mituns geteilt und uns einen Überblick über dieKita-Situation im Saarland ermöglicht.

Wir bedanken uns an dieser Stelle noch-mals für die Teilnahme und Zeit und werdendie Ergebnisse von Teil 1 und Teil 2 an die Ver-

antwortlichen in den Ministerien und Parteienweiterleiten. Vielleicht könnt ihr die Ergebnis-se dieser Umfrage als Gesprächsgrundlageoder als Einstieg in einen pädagogischen Tagnutzen. Alle pädagogischen Fachkräfte, auchauf Leitungsebene, erleben eine Zunahmevon Aufgaben und eine Arbeitsverdichtung,die belastet. Im gemeinsamen Verständnisvon dieser Situation lassen sich vielleichtVerbesserungen und Erleichterungen finden,bis die gesetzlichen Änderungen auf den Weggebracht sind.

Die GEW kämpft mit euch gemeinsamdafür, dass der Ressourcenschutz für pädago-gische Fachkräfte mehr Gewicht in denKöpfen der Verantwortlichen gewinnt. n

Christel PohlErzieherin,GeschäftsführenderVorstand (BereichJugendhilfe undSozialarbeit)

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hOChsChULe

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JUGendhiLFe

„Wir müssen lauter und sichtbarerwerden!“daF/daZ-Lehrkräfte setzen sich für bessere arbeitsbedingungen ein

diskutieren, solidarisieren, politisieren:Für die überwiegend freiberuflich tätigenLehrkräfte in deutschkursen ist die Vernet-zung mit anderen Kolleg_innen und der aus-tausch über die häufig prekären arbeitsbe-dingungen keine selbstverständlichkeit. dasBündnis daF/daZ-Lehrkräfte versucht dieszu ändern und ruft daF/daZ-Lehrkräfte zumengagement auf.

Bündnis daF/daZ-LehrkräfteStets heißt es, Sprache sei der Schlüssel zur

Integration. Doch obwohl gerade Sprachlehr-kräfte in Deutsch- und Integrationskursen mitihrer Arbeit einen großen Beitrag zur Integra-tion neu zugewanderter Menschen leistenund für die Ausführung der Tätigkeit ein hoherQualifikationsgrad gefordert ist, ist ihre Be-schäftigung in der Regel durch schlecht be-zahlte Honorarverträge, befristete Stellenan-gebote zu untertariflichen Bedingungen undeinen geringen gewerkschaftlichen Organisa-tionsgrad geprägt. Dies betrifft nicht nur Do-zent_innen in der Erwachsenen- und Weiter-bildung, sondern auch ausgebildete DaF/DaZ-Lehrkräfte, die aufgrund der gestiegenen Zah-len neu zugewanderter Schüler_innen ihrenWeg an die Regelschulen gefunden haben,aber finanziell wesentlich schlechter gestelltsind als ihre Kolleg_innen mit klassischer Lehr-amtsausbildung.

Verschiedene lokale Initiativgruppen, diesich bereits zusammengefunden hatten, umauf die Missstände aufmerksam zu machen,haben sich im Mai 2016 zum bundesweiten

Bündnis DaF/DaZ-Lehrkräfte zusammenge-schlossen. Mithilfe einer übergeordneten In-teressenvertretung erhofft man sich einenwirkungsvolleren Einsatz für bessere Arbeits-bedingungen und eine faire Bezahlung allerLehrer_innen im Bereich Deutsch als Fremd-und Zweitsprache. Gleichzeitig sollen die an-haltenden öffentlichen Debatten zum ThemaIntegration mit Fachkompetenz unterfüttertwerden. Das Bündnis dient als Ansprechparterfür Politik und Medien und bietet Lehrkräfteneine Möglichkeit zur Vernetzung mit Kolle-g_innen, um in einen fachlichen, aber auchpolitischen Austausch zu kommen. Seit derGründung wurden bereits mehrere Gesprä-che mit Vertreter_innen des Bundesamtes fürMigration und Flüchtlinge (BAMF) geführt so-wie verschiedene Konferenzen und Protestak-

tionen organisiert. Unterstützt werden dieAktivitäten und Forderungen des Bündnissesvon den Gewerkschaften GEW und ver.di.

team-treffen in KölnAm 3. Februar 2018 kamen Vertreter_in-

nen des Bündnisses zu einem Team-Treffen imDGB-Haus als Gast der Fachgruppe Erwach-senenbildung der GEW Köln zusammen, umThemenschwerpunkte und Ziele für 2018 zudiskutieren und festzulegen. Angereist waren24 Bündnismitglieder aus Saarbrücken, Berlin,Frankfurt, Stuttgart, Mannheim und verschie-denen Städten in Nordrhein-Westfalen.

In gemeinsamen Diskussions- und Grup-penarbeitsphasen haben sich drei Schwer-punkte herauskristallisiert:

Gesetzliche Krankenkasse. Das Bündnis fordert eine Abschaffung der

zu hohen Mindestbemessungsgrundlage vonderzeit 2283,75 € Einkommen pro Monat, diedazu führt, dass geringverdienende Honorar-kräfte, Teilzeitkräfte oder auch von Kursausfallbetroffene Lehrkräfte, deren tatsächlichesEinkommen unter dieser Grenze liegt, zusätz-lich durch überproportional hohe Kranken-kassenbeiträge belastet werden. Die Absen-kung der Mindestbemessungsgrundlage auf1150 €, die auf Seite 102 im Koalitionsvertragder Großen Koalition1 festgehalten ist, wird alsein Anfang betrachtet, zeichnet sich aberimmer noch durch Ungerechtigkeit für dieje-nigen aus, die noch weniger verdienen.

Arbeitsgruppe "Außenauftritt" beim Team-Treffen in Köln | Foto: Sandra Langer

Teilnehmer_innen des Team-Treffens Anfang Februar | Foto: Francis Oghuma

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hOChsChULe sChULe

Fachliche Fragen.

Hierbei stehen vor allen Dingen Änderun-gen der Organisationsstrukturen von Integra-tionskursen im Vordergrund, die durch dieDritte Integrationskursverordnung2 ausgelöstwurden. Dabei geht es sowohl um die freieWahl der Träger_innen von Seite der Teilneh-mer_innen als auch zentrale Einstufungstests,die bisherige Einstufungsverfahren ersetzensollen. Das Vorgehen wird derzeit an ausge-wählten Standorten getestet und von Bünd-nismitgliedern beobachtet. Es wird darum ge-beten, Erfahrungen mit den neuen Regelun-gen aus der Praxis weiterzugeben. Außerdemhat sich eine Arbeitsgruppe gebildet, die sichmit dem Berufsprofil der DaF/DaZ-Lehrkräfteauseinandersetzen wird. Ein möglicher Be-zugspunkt stellt das Europäische Profilrasterfür Lehrende dar.

Weltlehrer_innentag. Eine weitere Arbeitsgruppe wurde einge-

richtet, um Ideen zu erarbeiten, wie sich auchMitglieder des Bündnis DaF/DaZ-Lehrkräfte

an Aktionen zum „UNESCO Welttag derLehrerin und des Lehrers“ am 5. Oktober 2018einbringen können. Bereits in den vergange-nen Jahren hatten Bündnismitglieder undHonorarlehrkräfte aller Fächer in Berlin undKöln mit Protesten auf sich aufmerksamgemacht. 2018 soll erstmals eine bundesweitkoordinierte Aktion des Bündnisses stattfin-den, weshalb ein Konzept entwickelt wird, dasin möglichst vielen Regionen und Städtenumgesetzt werden kann.

regionalgruppe saarDamit der Kontakt zum Bündnis und der

Austausch mit Kolleg_innen vor Ort erleich-tert werden kann, organisieren sich Bündnis-Vertreter_innen in regionalen Kleingruppen,richten lokale Stammtische ein, stellen Kon-takt zu Vertreter_innen der örtlichen Medienund Landespolitik her und widmen sich in klei-neren Arbeitsgruppen verschiedenen aktuel-len Themen. Eine Deutschlandkarte mit Kon-taktpersonen findet man auf der Homepage

des Bündnisses oder bei Kreidefresser (sieheunten).

Seit Dezember 2017 ist auch das Saarland(wieder) mit der Regionalgruppe Saar vertre-ten und es haben sich bereits einige Interes-sent_innen gemeldet, die sich aktiv an derArbeit im Bündnis DaF/DaZ-Lehrkräfte beteili-gen möchten. Es werden jedoch weitereKolleg_innen gesucht, die an einem regelmä-ßigen Austausch interessiert sind und ihreeigenen Ideen und Erfahrungen einbringenmöchten. Geplant ist, auch im Saarland amkommenden UNESCO-Weltlehrer_innentagauf die prekären Arbeitsbedingungen derDaF/DaZ-Lehrkräfte aufmerksam zu machen.Denn um langfristig wirkliche Verbesserungenerreichen zu wollen, müssen wir lauter undsichtbarer werden! n

sandra steinmetz

1Entwurf Koalitionsvertrag CDU/CSU und SPD:http://www.tagesspiegel.de/downloads/20936562/4/koav-gesamttext-stand-070218-1145h.pdf.2Dritte Verordnung zur Änderung derIntegrationskursverordnung:http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Downloads/Infothek/Integrationskurse/Kurstraeger/Traegerrundschreiben/2017/traegerrundschreiben-11_20170705.html.

Zur Person:sandra steinmetz ist wissenschaftlicheMitarbeiterin und doktorandin am Lehrstuhl fürdeutsch als Fremd- und Zweitsprache an derUniversität des saarlandes und koordiniert dortunter anderem zwei Projekte im Bereichsprachförderung für Jugendliche. nebenberuflichist sie als dozentin in integrationskursen sowieals Fortbildnerin tätig. sie ist als GeW-Mitgliedaußerdem in der Fachgruppe hochschule aktiv.Mehr unter: https://www.uni-saarland.de/lehr-stuhl/haberzettl/mitarbeiter/sandra-steinmetz-ma.html.

Themen des Team-Treffens | Foto: Sandra Langer

In den Pausen wird die gemeinsame Arbeit kulinarisch belohnt. | Foto: Sandra Langer

die regionalgruppe saar freut sich überweitere Mitstreiter_innenWer sich aktiv in der interessenvertretung engagierenmöchte, meldet sich bitte per Mail [email protected]. neuigkeiten zu aktivitäten der regionalgruppe saar desBündnis daF/daZ-Lehrkräfte gibt es auch auf derFacebook-seite unter fb.me/dafdazsaar.aktuelles zum bundesweiten Bündnis findet man derzeitnoch unter dafdaz-lehrkraefte.de (die homepage wirdgerade erneuert und zieht demnächst um).auch kreidefresser.org informiert als Partnerblog regel-mäßig über relevante themen.

Kreativ im KonfliktGewaltprävention einmal anders

Gewaltprävention ist ein wichtige Aufgabeund Teil schulischer Sozialisation. Unser KIK-Projekt ist sicherlich eines von vielen in die-sem Bereich – für uns ein ganz Besonderes.Als meiner Schwester Anna vor ca. fünf Jahrenvom damaligen Leiter des LPM, Bernd Schäfer,der Bereich „Friedenserziehung in Schulen“angetragen wurde, galt es etwas aufzubauen,was lange brach gelegen hatte. Da kam dasAngebot des Friedenskreises Halle geraderecht. „KIK - Kreativ im Konflikt“ – eine Fort-bildung für alle im pädagogischen Bereich tä-tigen Menschen – lockte Anna und mich imNovember 2013 ins Wendland. Mit viel Freu-de erlebten wir im Laufe eines Jahres die vierModule dieser theaterpädagogischen Fortbil-dung zum Thema „Gewaltprävention“.

Danach war uns sehr bald klar, dass wir dieInhalte dieser Fortbildung als Angebot in dieSchulen bringen wollten. So haben wir das,was wir selbst erprobt, erlebt und erfahrenhaben, in ein zweitägiges Projekt für die Jahr-gangsstufen 5 – 7 einfließen lassen. Daraus istdas Gewaltpräventionsprojekt „KIK“ entstan-den, das wir jetzt im dritten Jahr an saarländi-schen Schulen anbieten. Besonders wichtig istuns dabei, dass der Fokus auf der Gewaltprä-vention und nicht auf deren Intervention liegt.

Unser Anliegen ist es, die Klassengemein-schaft zu stärken und etwas für das sozialeMiteinander von Lehrerinnen und Lehrernund den ihnen anvertrauten Kindern zu tun.Aus diesem Grund ist es uns besonders wich-tig, dass die Klassenlehrerin/der Klassenlehrerwährend der beiden Projekttage dabei ist.Wie Konflikte, die unweigerlich zum (Schul-)Leben dazugehören, gewaltfrei gelöst werdenkönnen, wird anhand von theoretischen Mo-

dellen und theaterpädagogischen Elementenaufgezeigt. Dabei geht es zunächst darum,wie Konflikte entstehen und um das Heraus-bilden einer neuen/anderen Konfliktfähigkeit.

Durch Körperarbeit, Rollenspiele undStandbilder wird die emotionale Erinnerungder Schülerinnen und Schüler in besondererWeise angesprochen. In den unterschiedli-chen Übungen geht es darum, andere genauwahrzunehmen, sich anzuvertrauen, sich zuzeigen. Das bedeutet immer wieder auch, dieeigene Komfortzone zu verlassen und über dieSchwelle des gewohnten Verhaltens zu gehen,um Neues auszuprobieren. Während des Pro-jektes erfahren die Schülerinnen und Schülermehr voneinander, sie schlüpfen in unter-schiedliche Rollen und zeigen in Standbildern

nonverbal beeindruckende Konfliktbilder undderen Auflösung. Dass es in diesen beidenProjekttagen auch darum geht, dass Fehler zuunserem Leben dazugehören, wir gemeinsamdarüber lachen können, aber niemand ausge-lacht oder beschämt wird – das ist uns eingrundsätzliches Anliegen.

Wie wichtig das Thema besonders für dieEingangsklassen der weiterführenden Schulenist, zeigt uns die große Nachfrage. EinigeGemeinschaftsschulen haben „KIK“ mittler-weile in ihr Schulkonzept aufgenommen. Umdem großen Bedarf gerecht zu werden, ist –gemeinsam mit Tanjeff Bourgett und AndreasKlär vom LPH – die Idee für „STIK“ entstanden,eine modularisierte Ausbildung für Lehrer_in-nen-Tandems. Anmeldungen zu „STIK“ –„Stark im Konflikt“ sind im kommendenSchuljahr entweder über das LPM oder dasLPH möglich. n

hillahaßdenteufel

Fotos: hilla haßdenteufel

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GeWerKsChaFt

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GeWerKsChaFt

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FG Gemeinschaftsschule bekräftigt ihrebildungspolitischen Forderungen

Nachdem am Gewerkschaftstag im Oktober2017 unser GEW-Positionspapier zur Bil-dungspolitik der neuen Landesregierung be-schlossen war, hatten wir uns in der letztenFachgruppensitzung in 2017 darauf verstän-digt, dass wir mit den Landtagsfraktionen vonCDU, SPD und Die Linke Anfang des Jahres2018 den Dialog suchen, um mit ihren bil-dungspolitischen Sprechern über die Positio-nen der Fachgruppe Gemeinschaftsschulen zudiskutieren. Die Gespräche mit Barbara Spa-niol (Die Linke) und Jürgen Renner, SebastianThul und Martina Holzner (SPD) fanden je-weils mit Vertreter_innen des FG-Vorstandesim saarländischen Landtag statt. Die Ge-sprächsanfrage an den bildungspolitischenSprecher der CDU, Frank Wagner, ist bis heutebedauerlicherweise unbeantwortet geblie-ben.

Konsens bestand bei allen Gesprächen da-rüber, dass grundsätzlich zwingende Voraus-setzung fur die demokratische, inklusive, so-ziale und auch wirtschaftlich prosperierendeGesellschaft in unserem Lande eine bessereFinanzierung und Ausstattung des Bildungs-wesens sein muss. Und natürlich wussten wirauch schon aus den Spitzengesprächen derGewerkschaften mit der Landesregierung,dass wir alle auf das Jahr 2020 warten, wennendlich „Milch und Honig“ fließen werdenund hoffentlich auch genügend finanzielleMittel, um Worten auch flächendeckendTaten folgen zu lassen.

In den Gesprächen haben wir zum wieder-holten Mal klargestellt, dass durch die derzei-tige Unterfinanzierung des Bildungswesensdie Anforderungen an die Kolleg_innen unddamit einhergehend ihre Belastungen in mitt-lerweile teilweise unzumutbarer Weise ange-stiegen sind. Dies wurde in den letzten Mo-naten nicht zuletzt durch die in den Medienveröffentlichen Briefe von Gemeinschafts-schulen an Bildungsminister Commerçonauch in der breiten Öffentlichkeit diskutiert.Wir haben deshalb erneut bei den Gesprä-chen unsere GEW-Forderung Nachdruck ver-liehen, die Bildungsausgaben im saarländi-schen Landeshaushalt auf einen Anteil von 30 % (abzuglich Pensionsrucklagen) zu erhö-hen. Und somit eine ausreichende Finanzie-rung im Bildungsbereich sicherzustellen, da-mit sich die Bildungschancen junger Men-schen verbessern und die Arbeitsbelastungender Kolleg_innen sich spürbar verringern. Mit

den im Koalitionsvertrag der neuenBundesregierung getroffenen Vereinbarungenscheint eine langjährige GEW-Forderung, dieAufhebung des Kooperationsverbotes, ja ingreifbare Nähe gerückt zu sein. Diese sehenwir innerhalb der GEW als Grundvorausset-zung fur die im Koalitionsvertrag der saarlän-dischen Landesregierung festgeschriebenenbestmöglichen Bildungs- und Ausbildungsbe-dingungen aller Kinder und Jugendlichen,aber auch der Arbeitsbedingungen der Kolle-ginnen und Kollegen.

Damit die Inklusion gelingen kann, brau-chen wir multiprofessionelles Teams an allenSchulen mit den jeweils standortspezifischensächlichen, personellen und räumlichen Res-sourcen. Diese müssen den Anspruch der UN-BRK nach gleichberechtigter wohnortnaherTeilhabe aller Schuler_innen am allgemeinenSchulsystem und gleichzeitig dem gestiege-nen Bedarf an individueller Förderung derSchüler_innen, insbesondere an Gemein-schaftsschulen, gerecht werden. Damit sollauch den Gemeinschaftsschulen im Sinne derGleichwertigkeit gegenüber den GymnasienRechnung getragen werden. Eine Unterstüt-zung der von der GEW schon lange geforder-ten multiprofessionellen Teams durch Ein-gliederungshilfen erscheint uns nur dannsinnvoll, wenn es sich um qualifiziertes Per-sonal handelt. Auch hierüber bestand Kon-sens bei unseren Gesprächen.

Damit die Schulsozialarbeit an den Schuleneffektiver gestaltet werden kann, braucht eseine engere Kooperation mit der Jugendhilfe.Hier haben wir erneut unserer ForderungAusdruck verliehen, dass die landesrechtli-chen Bestimmungen entsprechend angepasstwerden und die zuständigen Ministerienenger kooperieren müssen.

Dass spürbare Entlastungen für die Kolle-g_innen und gleichzeitig verbesserte Lehr-und Lernbedingungen eine deutlich höhere,sozialindizierte Personalzuweisung an allen,aber insbesondere an stark belasteten Schu-len in innerstädtischen Bereichen mit ihrenenormen pädagogischen Herausforderungenerfordert, war auch allen an den GesprächenBeteiligten klar.

In diesem Zusammenhang war auch dieKlassenmesszahl ein Thema. Hier fordertenwir erneut, dass sie an Gemeinschaftsschulen

auf 24 Schuler_innen pro Klasse reduziert undstandortbezogen angepasst werden muss.Dass wir auch noch mehr Förderschullehr-kräfte an den Gemeinschaftsschulen brau-chen, machten wir auch wieder zum Thema.Nur woher sollen sie kommen?

Auch unsere Forderung nach Einführungvon Systemzeit im Umfang von zwei Unter-richtsstunden pro Woche bei Verringerungder Unterrichtsverpflichtung für die Kolleg_in-nen an Gemeinschaftschulen bekräftigten wirerneut. Aus unserer Sicht ein wichtigerSchritt, damit die Kolleg_innen die gestiege-nen außerunterrichtlichen Verpflichtungenauch bewältigen können.

Wir werden diese Gespräche spätestensnach der Sommerpause wieder aufnehmen.Bis dahin hatten wir hoffentlich auch dieGelegenheit zum Dialog mit Frank Wagner. n

traudel Job

Die Bildungs-gewerkschaft empfiehlt:_ ______________

AktivwerdengegenNazis

erste Warnstreiks im saarlandtarifrunde tVöd2018

terminankündigung

a.o. Gewerkschaftstag 2018Am 17. Mai 2018 findet ein a.o. Gewerk-

schaftstag der GEW Saarland statt. Da für dieEinberufung eines a.o. Gewerkschaftstageslaut Satzung der Landesausschuss zuständigist, findet am gleichen Tag vor dem Gewerk-schaftstag eine Sitzung des Landesausschussesstatt, der dann die Einberufung des a.o. Ge-werkschaftstages beschließen kann. DerGewerkschaftstag findet dann unmittelbardanach statt.

Im Mittelpunkt des a.o. Gewerkschafts-tages stehen die Wahlen zum Geschäftsfüh-renden Vorstand der GEW. Die Wahlen wurdeauf dem Gewerkschaftstag am 25. Oktober2017 abgebrochen – und werden jetzt aufdem a.o. Gewerkschaftstag am 17. Mai 2018durchgeführt. Ein weiterer Schwerpunkt wirddie Antragsberatung sein. n

Willi schirraFoto: Kay Herschelmann

Am 08.03.2018 fand um die Mittagszeiteine Aktion der Gewerkschaften ver.di undGEW vor dem Rathaus der Stadt Saarbrückenstatt. Die Beschäftigten der Landeshauptstadtwaren für die Zeit von 11.30 Uhr bis 13.30 Uhrzum Warnstreik aufgerufen, um Druck auf dieArbeitgeber in der Tarifrunde TVöD 2018 aus-zuüben.

Die Gewerkschaften fordern sechs Prozentmehr Gehalt, mindestens aber 200 Euro. DieEinkommen der weit über zwei MillionenBeschäftigten im öffentlichen Dienst vonBund und Kommunen müssen mit den stei-genden Lebenshaltungskosten und der wirt-schaftlichen Entwicklung Schritt halten. Nachdem die kommunalen Arbeitgeber auch in der2. Verhandlungsrunde, am 12. und 13. Märzin Potsdam, kein Angebot vorlegten, hatte dieGewerkschaft GEW und ver.di im Saarland zulokalen Aktionen aufgerufen.

Am Donnerstag, den 15. März 2018 warendie Beschäftigten der Stadt Völklingen zumStreik aufgerufen. GEW-Mitglieder an 4 kom-munalen Kindertagesstätten beteiligten sichan dem Warnstreik. In Neunkirchen wurde am

Dienstag, den 20. März 2018 gestreik; auchdort nahmen die GEW-Mitglieder aus Kinder-tagesstätten und Ganztagsschulen am Warn-streik teil. n

Willi schirra

Foto: Andreas Sánchez Haselberger

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Mit diesem Thema hatte die GEW wiedereinmal mehr den schulischen Personalräteneine Veranstaltung geboten, die sie in ihrerArbeit vor Ort in den Schulen unterstützt.Besonders die Personalräte an Grund-, Ge-meinschafts- und Förderschulen haben zumThema derzeit alle Hände voll zu tun. Denninsbesondere in den genannten Schulformenkommt es vermehrt zu Arbeitsüberlastungen.Aber auch die Kolleg_innen anderer Schulfor-men sehen sich immer mehr außerstande,die ihnen übertragenen Arbeiten bestmög-lich zu erledigen. Ihre Belastungsgrenze isterreicht oder bereits überschritten.

Was können sie selbst in einem sol-chen Fall tun?

Nur wenige wissen, dass mit einer Über-lastungsanzeige nicht nur eine rechtlicheMöglichkeit, sondern auch eine Verpflichtungbesteht, einen solchen Missstand anzuzeigenund ihm entgegenzuwirken. In der Schulung,zu der die GEW am 26. Februar 2018 in dasBildungszentrum der Arbeitskammer in Kirkeleingeladen hatte, ging es um folgendeSchwerpunkte:

n Was ist eine Überlastungsanzeige?

n Rahmenbedingungen, die eine Überlas-tungsanzeige notwendig machen können

n Sinn und Zweck der Überlastungsanzeige

n der rechtliche Hintergrund

n Form und Inhalt der Überlastungsanzeige

n die Folgen einer Überlastungsanzeige

n Beteiligungsmöglichkeiten des Personal-rats im Rahmen des Arbeits- und Gesund-heitsschutzes (Überwachung; Mitwirkung,Mitbestimmung)

n Welche Hilfen den Beschäftigten an denSchulen an die Hand gegeben werden kön-nen, um mit Überlastungssituationen umzu-gehen.

Die Referentin, Kerstin Blass, Dipl. Sozio-login und Fachkraft für Gesundheitsmanage-ment im Betrieb (IHK) von BEST (Beratungs-stelle für sozialverträgliche Technologiege-staltung e.V.) behandelte die genanntenPunkte in gewohnt kurzweiliger Art und ließden Teilnehmer_innen genügend Zeit undRaum für individuelle Fragen.

Seitens der Personalrät_innen gab es sehrviele Fragen, was die Form, den Inhalt unddie Folgen einer Überlastungsanzeige anbe-trifft, und ob man unbedingt diese Über-schrift wählen muss. Andreas Sánchez

Haselberger, stellvertretender GEW-Landes-vorsitzender und Vorsitzender des HPR Ge-meinschaftsschulen, verwies auf das Muster-formular, das auf der GEW-Website zumHerunterladen steht (www.gew.saarland).Dort sind auch beispielhaft mögliche Überlas-tungen bzw. fehlende Zeitressourcen aufge-führt sowie Belastungen durch mangelhaftenArbeits- und Gesundheitsschutz, die alsFormulierungshilfen durchaus sehr hilfreichsein können. n

traudel Job

Kerstin Blass hatte ergänzend dazu eine Checklistevon Günther Schmidt-Falk der GEW Ansbach miteiner Auswahl möglicher struktureller und personellerBelastungen im Schulalltag dabei. Sie ist im Internetveröffentlicht unter http://www.magazin-auswege.de/data/2012/11/Schmidt-Falck_Checkliste_Ueberlastungsanzeige.pdf.

euWis 04/2018 | 19

GeWerKsChaFt

euWis 04/2018 | 18

GeWerKsChaFt

die Überlastungsanzeige - rechtlicheWirkung und notwendiger inhaltPersonalräteschulung

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auf ein neues ...Klausurwochenende der Fachgruppe sozialpädagogische Berufe am 09./10. März 2018 in Kirkel

auf ein neues ...Unter dieses Motto hätte man unsere

Arbeitstagung wirklich stellen können, dennes stehen im Jahr 2018 einige Neuerungen füruns GEW-Mitglieder aus sozialpädagogischenArbeitsfeldern an:

n Außerordentlicher Gewerkschaftstag inden nächsten Monaten mit Wahl einer/einesneuen GEW Vorsitzenden

n neue Tarifverhandlungen im Bereich öf-fentlicher Dienst, Bund und Kommunen

n Wahl eines neuen Fachgruppenvorstan-des/bzw. einer/eines neuen Fachgruppenvor-sitzenden

n Planung der Fachgruppenarbeit, insbeson-dere Fachtagung und Jubiläumsfeier

Am Freitagabend, 9. März 2018, trafen sich25 Mitglieder unserer Fachgruppe in Kirkel,um nach dem Abendessen die Bewerberin fürdas Amt der neuen Vorsitzenden der GEWSaar kennenzulernen. Die meisten Kolleg_in-nen kennen Anna Haßdenteufel nur vonihrem Foto und Artikeln in der EuWiS, unserersaarländischen Gewerkschaftszeitung. Nurunsere Delegierten haben sie auch am Ge-werkschaftstag 2017 in Illingen erlebt. Alsonutzten wir die Gelegenheit zu einem Ken-nenlerngespräch und haben Anna eingeladen,uns von sich, ihrer Arbeit und Plänen als de-signierte Vorsitzende zu berichten. Wir woll-ten unsere Arbeitsbereiche vorstellen undnach gemeinsamen Arbeitsgrundlagen undVisionen suchen. Leider war die Zeit vom Ge-werkschaftstag bis heute nicht immer vonsachlichen Diskussionen in- und außerhalbder verschiedenen Gremien geprägt. Persön-liche Betroffenheit, Enttäuschung, Unzufrie-denheit mit bestimmten Sachlagen in derGEW liess die Auseinandersetzungen hochko-chen. Wir haben in unserer Fachgruppe des-halb von Anfang an auf einen respektvollenUmgang miteinander und fairem Verhaltengegenüber allen beteiligten Diskussionspart-nern gesetzt. Diese Atmosphäre war auchwährend unseres Gespräches mit Anna Haß-denteufel deutlich zu spüren.

Nachdem die Teilnehmer_innen sich undihre vielfältigen Arbeitsbereiche vorgestellthatten, erzählte uns Anna auch etwas vonihrem persönlichen und beruflichen Werde-gang und ihrer Motivation, sich für das Amtder GEW-Vorsitzenden zu bewerben. Beson-ders die Probleme benachteiligter Kinder und

Jugendlicher und deren Teilhabe an unseremBildungssystem sind ihr ein besonderesAnliegen. Das war eine gute Grundlage für dieweitere Diskussion, in deren Verlauf unsereKolleg_innen über schlechte Arbeitsbedin-gungen in allen sozialpädagogischen Arbeits-feldern berichteten. Berührungspunkte zumSchulbereich ergaben sich automatisch undAnna beantwortete viele Fragen dazu.

Zu den Themen: Multiprofessionelle Teamsan Schulen und sozialpädagogische Fachkräf-te an Schulen, gab es einen regen Informa-tionsaustausch und übereinstimmende For-derungen:

n Arbeit auf Augenhöhe mit den Lehrer- kolleg_innen

n genügend Zeit zum Austausch,

n feste Arbeitsstrukturen,

n entsprechende Arbeitszeiten,

n unbefristete Arbeitsverträge,

n Annäherung des Gehaltes beider Professionen.

Ab 21.00 Uhr trafen wir uns dann im Bistroder Arbeitskammer, um bei einem oder meh-reren Gläsern Wein oder Bier den Tag ausklin-gen zu lassen. Traditionell sangen wir zur Gi-tarre von Brigitte, Thomas und Martin nocheinige Arbeiter- bzw. Volks- und Fahrtenlieder.Da auch einige neue Gesichter dabei waren,die vorher noch an keiner unserer Veranstal-tungen teilgenommen hatten, nutzten wirdiese Gelegenheit für ein besseres Kennen-lernen und wünschen uns, sie bei unserenFachgruppentreffen wieder zu sehen!

Am Freitagmorgen stieß Willi Schirra zuuns, um über die Tarifverhandlungen im Be-reich des TVöD zu berichten. Im Rahmen sei-ner Power-Point-Präsentation gab er uns ei-nen Überblick über die Zahlen der Beschäf-tigten in diesem Tarifbereich. Es handelt sichum 4,5 Millionen Arbeitnehmer in der Bun-desrepublick Deutschland. Leider sind vieleKolleg_innen immer noch nicht gewerkschaft-lich organisiert, so dass der Druck auf die Ar-beitgeber nicht groß genug ist. Zwischenzeit-lich gab es für die betroffenen Kolleg_innenVeranstaltungen in Saarbrücken, Völklingenund Neunkirchen mit den neuesten Tarifinfos.Auch die letzte Ausgabe der Mitgliederzeit-schrift der Bundes-GEW beschäftigt sich aus-führlich mit dieser Thematik.

Bis zum Mittagessen nutzten wir die Zeit,um Themen für die Fachgruppenarbeit in die-sem Jahr zu sammeln. Beim Stöbern in altenFachgruppenunterlagen habe ich entdeckt,dass die Fachgruppe SozialpädagogischeBerufe im Jahre 2019 auf ein 45-jähriges Be-stehen zurückblicken kann. Ob und wie diesesJubiläum gefeiert wird, beschäftigte uns biszur Mittagspause.

Am Samstagnachmittag wurde der neueVorstand bzw. die neue Vorsitzende gewählt.Christel Pohl ist jetzt unsere neue Fachgrup-penvorsitzende. Damit konnte die wichtigeSchaltstelle zwischen dem VorstandsbereichJugendhilfe und Sozialarbeit und der Fach-gruppe nun endlich wieder besetzt werden.Ihr zur Seite steht Nadine Berwanger-Alt alsstellvertretende Fachgruppenvorsitzende, dieuns auch im Bundesfachgruppenausschussvertreten wird. Natalie Horne und YvonneDiessner werden die beiden Vorsitzenden imFachgruppenvorstand unterstützen.

Nun wurden noch die Termine derFachgruppensitzungen für das Jahr 2018 fest-gelegt und wir konnten nach einer erfolgrei-chen Tagung noch das Restwochenende zuHause genießen. Es wartet noch viel Arbeitauf uns. Ich danke allen Teilnehmer_innen fürihre engagierten, ideenreichen, konstruktivenund kritischen Diskussionsbeiträge. n

Brigitte Bock

termine der nächstenFachgruppensitzungendonnerstag, 12. april

21. Juni23. august18.Oktober

jeweils um 19.00 Uhr in der GeW-Geschäftsstelle, saarbrücken

Jahresabschlussessen:Freitag, 14. dezember 2018

Wir freuen uns auf euerKommen.

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BÜCher & Medien

13.15 Uhr

13.45 Uhr Moritz NeumeierKabarett, „Kein Scheiß Regenbogen“

14.15 Uhr

Zentrale 1. Mai- Kundgebung im SaarlandZentrale 1. Mai- Kundgebung im Saarland

11.00 Uhr DEMO ab Staatstheater(Tbilisser Platz)

12.00 Uhr Kundgebung am Schloss(Avant Cour Platz, Saarbrücker Schloss)

� Peter Scherrer stv. Generalsekretär EGB

� Eugen Roth stv. Bezirksvorsitzender DGB RLP/Saarland

Buntes Kinder- und Familienprogramm mit Clown Luse und vielen

befreundeten Verbänden, die ein tolles Info- und Mitmach-

Programm dabei haben.

Wer in oder für Schule arbeitet, ist häufigvöllig vom Alltag absorbiert. Schließlich ist derLehrerberuf sehr beanspruchend, nicht seltensogar überfordernd. Und doch ist es gut,wenn Lehrkräfte wie ihre Ausbilder und Vor-gesetzten ab und zu ein wenig Abstand zumAlltag nehmen, um über den Tellerrand zuschauen. Das Buch „Ich würde die Hausauf-gaben abschaffen ebenso wie das Sitzenblei-ben“, herausgegeben von Klaus Moegling undCatrin Siedenbiedel, ist dafür sehr nützlich.

Es enthält 19 Interviews zu wesentlichenBereichen des Themenkreises „Schule“, die infünf Teile untergliedert sind: Qualität vonSchulen; Inklusion, Beziehungen und Binnen-differenzierung; Lernen und Geschlecht;fächerübergreifendes Lernen, Bewegungsbil-dung und forschendes Lernen sowie Reformder Lehrerbildung. Damit ist ein inhaltlicherRegenbogen über den Himmel des Schulall-tags gespannt, der staunen macht, aber viel-leicht auch ab und zu ein Kopfschütteln pro-duziert. „Wie langweilig wäre ein Interview-buch, bei dessen Rezeption nur ein Kopfnik-ken und keine Kritik hervorgerufen werdenwürde“ (S. 8), meinen die Herausgeber in Ih-rer Einführung.

Manch ein Interview eröffnet Perspektiven,die den meisten Menschen fremd sind.Höchst beeindruckend ist beispielsweise dasGespräch mit einem jungen Transmann, derals Mädchen geboren wurde. Es konfrontiertmit Fragen danach, mit welchem Namen manihn im Unterricht ansprechen soll oder wieman zu einer gendersensiblen Sprache findet.

Sehr erhellend wirkt auch das Gespräch mitder Sonderpädagogin Magda von Garrel, diesich als Integrationslehrerin besonders mitder Situation von Kindern und Jugendlichenaus armen Verhältnissen befasst. Es zeigt,dass soziale Beschämung nicht nur von denKindern aus „besseren“ Verhältnissen aus-geht, sondern auch schulstrukturell bedingtist. Darum fordert sie die Abschaffung selekti-ver Schulstrukturen und eine pädagogischgestaltete Ganztagsschule mit kostenlosemFrühstück und qualifizierter Hausaufgabenbe-treuung. „Wann findet Lernen statt?“, ein E-Mail-Interview mit dem Innsbrucker Pädago-gik-Professor Michael Schratz, eröffnet denBlick auf die Frage nach der Lehrseitigkeit undder Lernseitigkeit von Schule. Wie oft imAlltag decken sich die Lehrbemühungen derLehrkräfte nicht mit dem Lernerfolg der Kin-der und Jugendlichen? Schratz plädiert für er-hebliche Veränderungen von Schule und Leh-rerbildung und steht ganz konkret der Praxisvon Notengebung, Sitzenbleiben sowie derHausaufgabenpflicht kritisch gegenüber.

Wie kann es sein, dass ein thematisch ei-gentlich „trockenes“ Buch doch so fesselndwirkt? Die Sprache im Gespräch und selbst inder Beantwortung von E-Mail-Fragen ist ein-fach lebendiger als jene, die in einer geschlif-fenen Abhandlung geglättet und poliert wor-den ist. Als Leser fühlt man sich gelegentlichunmittelbar an der Kommunikation beteiligt.Die Distanz zum wissenschaftlichen Fachbuchschaffen dann jedoch immer wieder die zwei-sprachigen Zusammenfassungen am Beginneines jeden Beitrags und die biografischen

Notizen samt Publikationshinweisen an ihremEnde.

Dieses Interviewbuch ist für alle Schulprak-tiker lesenswert, bereichert durch Informa-tionstiefe und unterschiedliche Perspektivenund regt den Prozess des Nachdenkens überunser Bildungswesen bereichernd an. Die amEnde des Buches von Klaus Moegling undCatrin Siedenbiedel geäußerte Hoffnung aufVeränderungen der schulpädagogischen Pra-xis ist durchaus gerechtfertigt – es muss nurgelesen werden. n

detlef träbertKlaus Moegling, Catrin Siedenbiedel (Hrsg.): Ich würdedie Hausaufgaben abschaffen ebenso wie dasSitzenbleiben. Prolog-Verlag, 189 SeitenISBN: 978-3934575929Preis: 22,80 Euro

Die Publikation bietet einen praktischenEinstieg in alle relevanten Aspekte derKitainklusion. Sie verschafft einen unkompli-zierten, reichhaltigen Beginn und verdeut-licht, welche Themen besonders beachtetwerden sollen. Schwerpunkt ist der praktischeBezug und die Anwendbarkeit der Inhalte, u.a.unterstrichen durch mehrere Interviews mitFachkräften aus dem Kitabereich. Konkretepädagogische Ansätze und Spielsituationenfinden genauso Platz wie Teamarbeit, Haltungund planerische Umsetzung von inklusivenVorhaben.

Hänschel zeigt auf, dass der Spagat zwi-schen wissenschaftlichen Erkenntnissen überdie Inklusion von Menschen mit unterschied-lichen Beeinträchtigungen und der prakti-schen Umsetzung in Kitas gar keiner seinmuss. Fundiert und strukturiert werden sosowohl die Anliegen von Inklusion als auchderen Umsetzungsmöglichkeiten in der Kitadeutlich. Damit wendet sich der Band auch anWissenschaftler, primär aber an die Akteure„an der Basis“ (Erzieher_innen, Kitaleitungen,Eltern). Er zeigt, wie Inklusion in unterschied-licher Geschwindigkeit umgesetzt werdenkann, wie gute Vernetzung und Kooperatio-nen entstehen und auf welchen Konzeptenund Richtlinien dieser Prozess basiert. n

(red.)Karsten Hänschel: KitainklusionBeltz Juventa, 96 SeitenISBN: 978-3-7799-3742-5Preis: 16,95 Euro

so spannend kann ein Buch über schule sein

KitainklusionWege zur gelingenden Umsetzung

euWis 04/2018 | 21

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GeBUrtstaGe Und JUBiLäen aPriL 2018

herzlichen Glück wunsch zum Ge burtstagggggggdie GeW gratuliert allenJubilar_innen, die 50, 55, 60, 65 Jahre oder älter werden.

Liebe Jubilar_innen, wir freuen uns, dass ihrso lange dabei seid.die GeW bedankt sich für die langjährige Mitgliedschaft!

Georg DieningMartin SchneiderBernd WeismuellerHanne KrausAngelika Waldherr-HeidenreichAnna HaßdenteufelWilli SchirraRita DirkingMaria-Theresia KrauserBaerbel BinkleErnst MartinArnulf BeckerHerbert SaarManfred WilboisAlois MaldenerRainer MeiersDagmar SteigerwaldEva HahnHelmut StollRuediger SchneidewindAndrea Dunzweiler

38 J.36 J.34 J.33 J.33 J.33 J.32 J.32 J.32 J.31 J.31 J.30 J.29 J.29 J.29 J.28 J.27 J.26 J.26 J.26 J.25 J.

Elfriede GottschallGunther SchuesslerBrigitte HarigWolfgang RoehrigBernd SchneiderGuenter AgneHerbert GomblerMarianne GerlachVolker MittermüllerHelmut CommerUrsula Gressung-SchlobachErnst PallierRobert WeberRuth EichenauerRuediger HoeglMechthild GeigerKlaus ReuterUlrike FickingerJoachim ScholtJörg AatzSibylle Klein

66 J.60 J.60 J.56 J.51 J.50 J.49 J.47 J.45 J.44 J.43 J.42 J.41 J.41 J.39 J.39 J.38 J.38 J.38 J.38 J.38 J.

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Kurt GrothWalter WeberManfred SchneiderRudolf GrillmaierMargret GablerHelga JungbluthWaltraud SchoesserWaltraud LauermannHerbert GomblerWalter KappmeierUte AndersSusi LiebhartErhard DiemerUwe KrembEdgar MüllerErich BollingerMargot MoenchAnette LimamMagdalene MenzlerElisabeth MünsterUrsula Dorr-TowaeGisela BremerichIngrid H BoczkowskiInsa TsiakirisBrigitte BockKarin KleinGertrud MickElmar FischnichHildegard Ames-ReiberIngrid SchappeEwald SchmeerWerner SchlosserBernd ClosterJ. Michael BeckerAstrid MaxeinerWolfgang AdamEvelyn SchlagmannGudrun BeckerMona ReiserLuise HaenIris Molaro-PhilippiKarin SchmitzClaudia FuchsSabine Schneider-BossletHeike M. SchmittErhard MüllerAnne WilhelmIrene KrohnKatja RomeykeThomas BockMichaela WagnerPetra JochumUlrike HerrmannConcetta LindseyBrigitte Barthel

91 J.87 J.85 J.85 J.85 J.83 J.82 J.81 J.78 J.74 J.74 J.74 J.74 J.72 J.75 J.75 J.70 J.70 J.69 J.69 J.69 J.68 J.68 J.68 J.67 J.67 J.67 J.66 J.66 J.66 J.66 J.66 J.66 J.65 J.65 J.65 J.60 J.60 J.60 J.60 J.60 J.55 J.55 J.55 J.55 J.55 J.55 J.55 J.55 J.50 J.50 J.50 J.50 J.50 J.50 J.

euWis 04/2018 | 22

BÜCher & Medien

SchlusswortWer, wie was... ist aKK?

annegret Kramp-KarrenbauerSagen alle Saarländer

annegret Kann KoalitionSagen viele Saarländer

außergewöhnliche KernKompetenzSagen einige Bewunderer

annegret Kann KappensitzungSagen die von „Mir sin net so“

alle Kosten KleinrechnenSagen die vom 4. Pavillon

arbeitsplätze Kaputt KriegenSagen die Stadtwerke Völklingen

annegret Kennt KeinerSagen viele Deutsche

altonaer KinderKrankenhausSagen die Hamburger

alpen-Karpaten-KorridorSagen östereichische Naturschützer

atomKernKraftSagen fanatische Umweltblogger

altKatholische KircheSagt Erzbischof Joris Vercrammen

autoKorrelationsKoeffizientSagen politisch unbedarfte Statistiker

atypische KarosserieKorrosionSagt der TÜV

aKKusativSagt der Duden

annegret Kritisiert KeinerSagt die gesamte Union

alexander Kritisiert KeinerSagt nur der Dobrindt

absolut Keine KonkurrenzSagt derzeit noch Jens Spahn

annegret Kann KündigenSagt hoffnungsvoll Tobias Hans

aktuell Kein KommentarSagt Stephan Toscani

annegret Kann KommenSagt der CDU-Parteitag

angelas KleinKaliberwaffeSagen böse Zungen

angelas Kleine KronprinzessinSagen neidische Parteigenossen

alternativlose KrönungsKürSagt Frau Merkel

annegret Kann KämpfenSagt Annegret

annegret Kann KochenSagen Familie und Freunde

alte Krass KuhlSagt ein Sponti

annegret Kann KanzlerinSagen Fantasten

auch Klöckner Könnt’sSagt Julia

alles Kann KeinerSagt der Realist

aufgewärmter Kalter KaffeeSage ich

Harald Ley

depression überwindenPeter Brills „Kompass“ zeigt auf, wie man eine depression überwinden bzw. vermeiden kann

Wie man den Weg in Erschöpfung – Burn-out – Depression vermeiden kann, dem wirdin der Ausbildung zu den Lehrberufen, in derErzieher_innenausbildung oder in pflegendenBerufen kaum Rechnung getragen. Dabei istdie Gefahr in diesen Berufszweigen besondersgroß, dass gerade die besonders Engagiertenschleichend über eine stete Überforderung inein Hamsterrad geraten, das in einer schwe-ren Depression enden kann. Es ist nicht ein-fach, in diesem Fall die richtige Hilfe zu finden.

Peter Brill als direkt Betroffener möchte andieser Stelle helfen. Er hat den Mut gehabt,ein Buch über seinen Weg in die Depressionund Wege aus der Krankheit heraus zu verfas-sen. Dieser Ansatz hat durchaus etwas fürsich, denn jemand, der das Ganze aus eige-nem Erleben kennt, kann am ehesten nach-vollziehen und beurteilen, was sich im In-nersten eines Menschen abspielt, wenn er in

dieser Krankheit gefangen ist. Und so jemandkann auch am ehesten konkrete Hilfen anbie-ten, bevor die Dinge sich auf gefährlicheWeise zuspitzen. Immerhin ist die Depressiondie einzige psychische Erkrankung, die tödlichenden kann.

Dass die Zahl der Suizide immer noch vielzu hoch ist, das hat auch mit dem Stigma zutun, mit dem diese Krankheit immer nochbehaftet ist und die schuld ist daran, dass esBetroffenen so schwer fällt, dazu zu stehenund offener damit umzugehen. Im Falle, dassman selbst nicht mehr weiter weiß, vermagein Betroffener anderen Betroffenen am bes-ten aufzuzeigen, wo und wie man kompetenteHilfe finden kann. Denn viele kommen irgend-wann an den Punkt, wo es ohne fremde Hilfenicht mehr weitergeht.

Diesen Menschen mit konkreten Ratschlä-gen zu helfen, dieses Anliegen verfolgt derAutor Peter Brill mit seinem Buch zum ThemaDepression. Er selbst hat – mit professionellerHilfe – einen Weg aus der Depression gefun-den und diesen Weg in seinem Buch beschrie-ben, wobei er sich aber nicht auf das eigeneHandeln und Erleben beschränkt, sondern zujedem Punkt weitere gute Alternativen auf-zeigt. So kann man mit Hilfe dieses Ratgebersseinen eigenen Weg finden und ausprobieren.

Bestechend ist dabei die Ordnung undÜbersicht, die Peter Brill für dieses komplexeThema gefunden hat. Das Ganze, von derDarstellung der Hintergründe einer depressi-ven Erkrankung und der möglichen Ursachenbis zu konkreten Hilfsmaßnahmen, die pro-phylaktisch oder therapeutisch eingesetzt

werden können, ist derart systematisch auf-bereitet, wie man es nur selten in der Fach-literatur findet, weshalb dieses Buch tatsäch-lich zu einem Kompass taugt, der BetroffenenOrientierung bieten und eine Richtung ausder Krankheit heraus zeigen kann.

Aber das Buch ist nicht nur vom Inhalt-lichen her sehr hilfreich, sondern auch vonseiner farblichen Gestaltung und der Bebilde-rung her ein sehr gelungenes Werk. Das Wich-tigste aber scheint mir: Vor allem auch für An-gehörige, die im Umgang mit den Erkranktenund mit deren Krankheit ganz schnell überfor-dert sind, kann Peter Brills Ratgeber tatsäch-lich eine Art Kompass sein, der dank derknapp gehaltenen, aber prägnant formulier-ten Einzelkapitel ein tieferes Verständnis er-möglicht und auf der dieser Basis eine ent-scheidende Hilfe zur Unterstützung derErkrankten bieten kann.

Peter Brill leitet die gleichnamige Selbsthil-fegruppe Kompass, die sich regelmäßig inMerzig trifft und in der er nach eben diesemKonzept, das er aus der eigenen Krankheits-geschichte heraus entwickelt hat, seit Jahrenerfolgreich mit den Teilnehmern arbeitet. Dasdargestellte Konzept ist also in der Praxis er-probt und mit den Teilnehmer_innen, aberauch mit kompetenten Fachleuten gemeisambis zu dem Punkt weiterentwickelt worden,der sich uns nun in Buchform darbietet. n

rainer MeiersBrill Peter: Mein Kompass – Wegweiser zur Gesundheitfür DichKrüger Druck + Verlag, 160 SeitenISBN: 978-3-9818087-9-7Preis: 15 Euro

die Lehrer-ChallengeEs scheint eine Eigenheit des Lehrer_innen-

berufes zu sein, sich am Ende seiner Dienst-zeit ‚berufen‘ zu fühlen, anderen mitzuteilen,was man gut oder vielleicht weniger gutgemacht hat. Auf dem Markt sind eine Reihesolcher Bücher und wie so oft im Leben gibtes gute und schlechte davon. Die Lehrer-Challenge von Autriche preist sich selbst als‚Ein Wegbegleiter für alle, die gerne als Päda-gogen wirken – möchten‘ und ist sogar ganzamüsant zu lesen. Denn die Aufteilung in ein-zelne, kurze und prägnante Kapitel gelingt gut

und versucht verschiedene Facetten desLehrer_innendaseins zu beleuchten. Wenn, jawenn da nicht der ständige Versuch wäre, mit-hilfe von negativen Beispielen die eigene Rolleauf Kosten anderer aufzuwerten und vorallem nicht das Abdriften in ein Vulgär-Vokabular, was am Anfang noch ganz witzigsein mag, auf die Dauer aber eher nervt.

Ich bin ein wenig unschlüssig, ob man eineEmpfehlung aussprechen soll, könnte miraber denken, dass die eine oder andere

Anregung sicherlich für junge Kolleg_innenwertvoll ist. Vielleicht darf man das Buch ein-fach nicht so ernst nehmen. n

Matthias römerAutriche: Die Lehrer-ChallengeSchadinsky-VerlagISBN: 978-3-9818360-2-8Preis: 12,90 Euro

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