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14 Gemeinde Gemeinde er l eben eben Anden und Amazonas, Anden und Amazonas, Wasser und Solarkocher Wasser und Solarkocher – meine Reise zu den – meine Reise zu den von unserer Pfarrge von unserer Pfarrge- meinde unterstützten meinde unterstützten Wasserprojekten in Peru Wasserprojekten in Peru Verkehrschaos und Alkoholverbot „Lima ist ein Chaos“ schimpft der Taxifahrer ungehalten auf der Fahrt ins Zentrum. Tatsächlich kommen wir nur schleppend durch die Straßen. „Deutlich mehr Verkehr seit meinem letzten Besuch vor 15 Jahren“ denke ich. Auch durch den Rohstoffboom ist mehr Geld ins Land geflossen. Lei- der wird sich während meiner Reise herausstellen, dass gerade die Men- schen am Amazonas und in den Anden, wenig von diesem Wachstum spüren. Gespannt auf die 3 Wochen, die vor mir liegen, sitze ich auf der Plaza San Martin im Zentrum von Lima. „¡Hola André!“ Ich erkenne André unmittel- bar an seinen zielgerichteten Schrit- ten und seinen grauen Haaren. Im letzten Jahr hat mich der Leiter der kanadischen Hilfsorganisation Alas de Esperanza bei seinem Besuch in Pul- heim eingeladen, ihn auf seiner kom- menden Reise zu Wasserprojekten in abgelegenen peruanischen Dörfern zu begleiten. „Kein Bier - Alkoholver- bot wegen der Wahlen" antwortet der Kellner auf unsere Bestellung. Aber die bunte Vielfalt der teilweise in Deutschland völlig unbekannten tro- pischen Säfte entschädigt hierfür. Die morgigen Präsidentschaftswahlen sind Stadtgespräch und die Frage „wen hast Du gewählt?" stellt André jedem Taxifahrer direkt nach dem Einsteigen. Baumfäller, Schamanen und eine Uni im Regenwald „Banditos“ schimpft André – die Män- ner, die für eine belgische Holzfirma arbeiten, zucken merklich zusam- men. „Sie machen nur eine Inventur der Bäume“, wendet der gewählte Dorfleiter von Shirintiari, einem Dorf im peruanischen Regenwald ein. Dieser sticht vor allem durch sein rotes T-Shirt mit dem umkreisten „K“ hervor. Dieser Buchstabe steht für „Keiko“, chancen- reiche Präsidentschaftskandidatin und Tochter des wegen Korruption und Massakern durch Todesschwa- dronen zu 25 Jahren Haft verurteilten ehemaligen Präsidenten Alberto Fuji- mori. André ist aufgebracht. Er warnt die Dorfbewohner eindringlich vor der Holzfällermafia. „Das Dorf hat eine Wasser Marsch! - Wasser Marsch! - Wasserprojekte in Peru Wasserprojekte in Peru

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GemeindeGemeinde er ll ebeneben

Anden und Amazonas,Anden und Amazonas,

Wasser und SolarkocherWasser und Solarkocher

– meine Reise zu den– meine Reise zu den

von unserer Pfarrgevon unserer Pfarrge--

meinde unterstütztenmeinde unterstützten

Wasserprojekten in PeruWasserprojekten in Peru

Verkehrschaos und Alkoholverbot

„Lima ist ein Chaos“ schimpft derTaxifahrer ungehalten auf der Fahrtins Zentrum. Tatsächlich kommen wirnur schleppend durch die Straßen.„Deutlich mehr Verkehr seit meinemletzten Besuch vor 15 Jahren“ denkeich. Auch durch den Rohstoffboomist mehr Geld ins Land geflossen. Lei-der wird sich während meiner Reiseherausstellen, dass gerade die Men-schen am Amazonas und in denAnden, wenig von diesem Wachstumspüren.

Gespannt auf die 3 Wochen, die vormir liegen, sitze ich auf der Plaza SanMartin im Zentrum von Lima. „¡HolaAndré!“ Ich erkenne André unmittel-bar an seinen zielgerichteten Schrit-ten und seinen grauen Haaren. Imletzten Jahr hat mich der Leiter derkanadischen Hilfsorganisation Alas deEsperanza bei seinem Besuch in Pul-

heim eingeladen, ihn auf seiner kom-menden Reise zu Wasserprojekten inabgelegenen peruanischen Dörfernzu begleiten. „Kein Bier - Alkoholver-bot wegen der Wahlen" antwortet derKellner auf unsere Bestellung. Aberdie bunte Vielfalt der teilweise inDeutschland völlig unbekannten tro-pischen Säfte entschädigt hierfür. Diemorgigen Präsidentschaftswahlensind Stadtgespräch und die Frage„wen hast Du gewählt?" stellt Andréjedem Taxifahrer direkt nach demEinsteigen.

Baumfäller, Schamanen und eine

Uni im Regenwald

„Banditos“ schimpft André – die Män-

ner, die für eine belgische Holzfirmaarbeiten, zucken merklich zusam-men. „Sie machen nur eine Inventurder Bäume“, wendet der gewählteDorfleiter von Shirintiari, einem Dorf imperuanischen Regenwald ein. Diesersticht vor allem durch sein rotes T-Shirtmit dem umkreisten „K“ hervor. DieserBuchstabe steht für „Keiko“, chancen-reiche Präsidentschaftskandidatinund Tochter des wegen Korruptionund Massakern durch Todesschwa-dronen zu 25 Jahren Haft verurteiltenehemaligen Präsidenten Alberto Fuji-mori.André ist aufgebracht. Er warnt dieDorfbewohner eindringlich vor derHolzfällermafia. „Das Dorf hat eine

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staatliche Lizenz für den Verkauf ihrerBäume“ berichtet er mir später. „Oftführt ein solcher Baumverkauf aber zueiner ökologischen Katastrophe undauch zu Streit innerhalb des Dorfes.Auch Pater Rosendo, der uns beglei-tende Claretinerpater, berichtet vonFällen in denen Kinder des Dorfes diePornofilme der Holzfäller sehen undjene sich an den Frauen des Dorfesvergreifen.

„Peke-peke“ schnarrt der Motor desnach diesem Geräusch benanntenEinbaums. Das Wasser steht zwei Fin-ger breit unter der Kante des kippeli-gen Bootes. Anfangs halte ich michnoch an der Bootskante fest. Mit derZeit wächst aber das Vertrauen in Luis,unseren mit gestreiften Poncho undbuntem Federschmuck bekleidetenBootsführer. Als er mich abends zueinem Ritual einlädt, erfahre ich, dasser der Schamane des Dorfes ist. „DieSchamanen sind die ersten, die inmeinen Gottesdienst kommen.“beschreibt Pater Rosendo respektvolldie gute Zusammenarbeit. „Es istMedizin" beginnt Luis das abendlicheRitual, das sich an Körper, Seele undGeist richtet.

Bei der Diskussion über das anstehen-de Wasserprojekt ist das ganze Dorfam Fluß Unini auf den Beinen. Ich binerstaunt, wie viele Frauen und Män-ner das Wort ergreifen und ihre Mei-nung zum anstehenden Wasserpro-jekt kundtun. Das vom Dorf zu wäh-

lende Wasserkomitee ist mindestenszur Hälfte mit Frauen besetzt undmeist wird auch eine Frau zur Kassie-rerin gewählt. Auch verpflichtet sichdas Dorf in allen Projekten von Alasde Esperanza schriftlich zur Mitarbeitbeim Materialtransport, dem Aushe-ben von Gräben und dem Verlegender Wasserleitungen.

Im Gegensatz zu Regierungsprojek-ten, die häufig am grünen Tischgeplant werden und oft nicht fach-gerecht umgesetzt werden, sind beiden Projekten von Alas de EsperanzaExperten in allen Projektphasendabei. Auch nach Fertigstellung wer-den die Dörfer weiter begleitet.Sowohl im Amazonasgebiet als auchin den Anden gibt es Vertrauensper-sonen, die auch kurzfristig die Projektebesuchen.

Als wir mit dem dreirädrigen „Moto-Taxi“ nach Nokopi, der Uni im Regen-wald kommen, röhrt eine Beton-mischmaschine und eine langeSchlange von Studenten schlepptEimer und kippt das graue Gemischin eine Holzschalung für den Neubaueines Unterrichtsgebäudes. AndereStudenten fangen Fische für das Mit-tagessen, säubern die Anlagen oderlegen Beete an. Was in Deutschlandundenkbar wäre, ist hier selbstver-ständlich. Jeden Samstagvormittagsteht Gemeinschaftsarbeit, die „Fae-na“ auf dem Plan und die Studentenarbeiten mit ihrer eigenen Hände

Arbeit für ihre Uni. Darinka arbeitet hierals Lehrerin und erzählt vom zweispra-chigen Unterricht an dieser von Alasde Esperanza mitbegründeten Indio-Universität. Die meisten studieren ander Nokopi, was „ich bin hier“ bedeu-tet, auf Lehramt, um dann in ihr Dorfals Lehrer zurückzukehren. In der Ver-gangenheit wurden oft Lehrer ausLima in die Dörfer geschickt. Städter,die sich nicht mit der dortigen Kulturauskannten, geschweige denn diedort gesprochene native Sprachesprachen. Erklärtes Ziel von Nokopi istes, die Traditionen und Sprachen derverschiedenen Stämme lebendig zuhalten. Die Lehramtsstudenten erler-

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nen auch eine praktische, meisthandwerkliche Tätigkeit, um dieseFähigkeiten dann in ihrem Dorf anzu-wenden. Ungewöhnlich für die Stäm-me im Amazonasgebiet ist auch,

dass Studenten verschiedenerEthnien zusammenwohnen. Aufmeine Frage an einen Studen-ten, wie lange er denn seineFamilie nicht mehr gesehen

habe, antwortet dieser:„4 Jahre nicht, abernächstes Jahr kehreich in mein Dorfzurück". Mich bewegt,was diese Studentenfür Bildung auf sichnehmen.

Tanzen und Terror in

den Anden

Manzanayoc – das Dorf hält,was sein exotisch klingenderName verspricht: über eineGeröllpiste stoßen wir aufeine Herde zierlicher Vicuñas,deren Wolle als seltenste und

teuerste der Welt gilt, und auf unzäh-lige der bis zu 100 Jahren alt werden-den aber nur einmal in ihrem Pflan-zenleben blühenden Puya raimondii.„Wir sind Rückkehrer. Vor 30 Jahrenmussten wir aus unserem Dorf wegendes Terrorismus fliehen“ antworteteine Frau auf meine Frage, wo denndie Kinder des Dorfes seien. In vielenDörfern ermordete der 'LeuchtendePfad' unschuldige Bauern. Auch dieunvorbereitet in das Armenhaus vonPeru geschickte Armee verschleppteviele vermeintlich Verdächtige, vondenen kaum einer zurückkehrte.Noch heute demonstrieren trauerndeMütter alle zwei Wochen auf demHauptplatz von Ayacucho für „Ge -rechtigkeit und Wahrheit“.Überlebende dieses Terrors kommenseit einigen Jahren in Dörfer wie Man-zanayoc zurück und versuchen sicheine Existenz aufzubauen. Die Provinz-regierung hat ihnen als Starthilfe eini-ge Kühe bezahlt. „Wir haben kein

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Trinkwasser“ berichtet eine andereFrau. Deshalb haben diese Men-schen Alas de Esperanza angespro-chen, die schon einige erfolgreicheProjekte in dieser Gegend durchge-führt hat und dabei auch regelmäßigdie zuständige Verwaltung einbindet.So ist auch der Distriktbürgermeistervor Ort und sagt seine Unterstützungzu. Der Leiter des Wasserkomiteesspricht von seiner Hoffnung, dass mitdem Wasser auch mehr junge Men-schen im Dorf bleiben, die in denStädten oft keine Perspektive haben.„Wir reiten zur Quelle" kündigt Andréan. Die Strecke zieht sich, das Pferdtrottet sicher aber nah am Abgrundentlang. Es ist beeindruckend, wasdie Dorfbewohner geleistet haben,um ihr Projekt zu verwirklichen. „Es istdas Wasser, das uns vereint" betontAndré bei seiner Rede zur Einweihungdes Wasserprojektes in Pillucho.„Gerade heute findet eine Altkleider-

sammlung in Pulheim statt" berichteich, und erzähle von den Menschenund Gruppierungen der PulheimerPfarrgemeinde, die sich seit vielenJahren für Peru und zuletzt konkret fürdieses Projekt in Pillucho engagieren.Elizabeth, die Koordinatorin von Alasde Esperanza, enthüllt zusammen mitmir die Metalltafel, auf der der Nameder Pulheimer Pfarrgemeinde ver-ewigt ist. Die gebratenen Meer-schweinchen, die unsbeiden als Projektpa-ten serviert werden,teilen wir freigebig mitden anderen Gästen.Wie beim Pulheim Kar-nevalszug werfen wirKamelle für die Kindersowie einen Volleyball(für die Mädchen)und einen Fußball (fürdie Jungs). Nochganz atemlos vom

Fußballspielen mit den Kindern werdeich zum Huayno-Tanz aufgefordert,den die Musiker mit Andenharfe, Gei-ge und spiralförmigen Stierhorn insengender Hitze begleiten. Am Endedes Tages bin ich erfüllt von der Freu-de, wieviel wir Pulheimer dazu beige-tragen haben, dass sich die Men-schen hier in Pillucho ihre eigeneWasserversorgung bauen konnten.„Wir sind allergisch auf Bürokratie“ sagt

André Franche zum Abschluss unse-rer Reise. „Elizabeth ist die einzigeAngestellte hier in Peru, und in Kana-da habe ich lediglich eine Sekretärinin Teilzeit. Das ist alles.“ Ingenieurslei-stungen werden bei Alas de Esperan-za projektbezogen vergeben. AlleKosten durchlaufen ein doppeltes 4-Augen Prinzip: Je 2 Personen in Peruund in Kanada erhalten monatlicheine Mail mit einer Aufstellung allerAusgaben pro Projekt sowie allenRechnungen. Beruflich als Controllermit hohen Kosten in Großunterneh-

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men konfrontiert bin ich erstaunt, mitwie wenig Fixkosten eine Organisationso viel leisten kann und dabei nochtransparent ist. Hier kommt die Hilfewirklich bei den Menschen an.

Solarkocher – oder 5 Stunden Schul-

weg

Nach dem Ende meiner Wasserpro-jektreise mit André begleite ich Anto-nio, genannt Pepe, in die sprichwörtli-che Pampa jenseits jeder Zivilisation.Unser Mitsubishi Pajero holpert auf dereinspurigen Piste auf knapp 4.000Metern, neben uns direkt derAbgrund, kein Telefonempfang, dasnächste Dorf einige Stunden entfernt,mitten in der Pampa. Pepe machtuns Mut: wisst ihr warum es so vieleKondore gibt? Weil hier immer wiederKühe in die Tiefe stürzen. „Hoffentlichbleibt es bei den Kühen“, denke ichmir. Plötzlich zischt und brodelt es.Weißer Dampf umhüllt das Auto: derKühler kocht zum dritten Mal. Ichrechne nicht mehr damit, dass wirheute noch irgendwo ankommen.Doch Pepe bleibt ruhig. Mit peruani-schem Improvisationstalentbekommt er den Motor wieder zumLaufen.Wir sind endlich in Condorcochaangekommen. „Zweieinhalb Stundenlaufen einige Kinder zur Schule hin,und die gleiche Strecke zurück“berichtet die Rektorin. „Mit ihren Elternund einigen Llamas, Alpacas oderSchafen leben die Kinder irgendwoabseits jeder Straße.“ Ich kann eskaum glauben und frage, wie die Kin-

der dann überhaupt noch in derLage sind, sich in der Schule zu kon-zentrieren. Auf 5.200 Metern Höhewächst hier außer Dornengestrüppkaum noch etwas. Brennmaterial undsomit auch warmes Essen ist hierMangelware. Aber es besteht Hoff-nung: der Weltladen in Altötting hatder Schule einen Solarkocher finan-ziert, mit dem eine einfache Zwi-

schenmahlzeit für diese Kinder mög-lich wird. Wir bauen den Kocher aufund weisen die Menschen in dessenBedienung ein. Die Kinder singen undklatschen vor Begeisterung Die Freu-de kommt spürbar von Herzen.

Reinhold Hahn

Quelle: R. Hahn