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SWR2 Feature am Sonntag Die Turmspringerinnen Coming of Age zwischen Angst und Adrenalin Von Klaus Schirmer Sendung: Sonntag, 19. Mai 2019 Redaktion: Walter Filz /Mareike Maage Regie: Thomas Wolfertz Produktion: RBB/NDR 2018 SWR2 Essay können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.SWR2.de , auf Mobilgeräten in der SWR2 App, oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/essay.xml Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de Die neue SWR2 App für Android und iOS Hören Sie das SWR2 Programm, wann und wo Sie wollen. Jederzeit live oder zeitversetzt, online oder offline. Alle Sendung stehen sieben Tage lang zum Nachhören bereit. Nutzen Sie die neuen Funktionen der SWR2 App: abonnieren, offline hören, stöbern, meistgehört,

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SWR2 Feature am SonntagDie TurmspringerinnenComing of Age zwischen Angst und AdrenalinVon Klaus Schirmer

Sendung: Sonntag, 19. Mai 2019Redaktion: Walter Filz /Mareike MaageRegie: Thomas Wolfertz Produktion: RBB/NDR 2018

SWR2 Essay können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.SWR2.de, auf Mobilgeräten in der SWR2 App, oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/essay.xml

Bitte beachten Sie:Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.

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01: O-Ton Kieu: Delphin Momentan arbeite ich an einem neuen Sprung, dem dreieinhalb Delphin von 10, also eigentlich ist der gar nicht neu, den hatte ich in der Jugend schon mal gemacht, aber mir fehlte damals die Orientierung, so dass ja ich eher nicht senkrecht ins Wasser

gekommen bin (lacht leicht). 0’15 SPRECHER: Kieu Duong, 23, ist Turmspringerin und trainiert am Olympiastützpunkt Berlin.

01: O-Ton Kieu: Delphin, Fortsetzung Bei den Frauen ist es schon so ein Angstsprung, also das, wo auch recht viel passieren kann, man steht halt rückwärts auf dem Turm und rotiert aber vorwärts und wenn man da mal unkonzentriert ist, oder so, kann schon mal vorkommen, dass man da mit dem Kopf an den Turm knallt oder so und (stöhnt) Jaaa! also da hat man schon echt Respekt vor dem Sprung als Frau. 0’21 02: SZENE: Schmerz

ATMO Motor Bahre My: Höher? Physiotherapeutin: Halt! Nicht ganz so tief! Ja. Jetzt legst du dich nach hinten! My: Phhh! Ph: Gut, wenn ich hier rein drücke, tut dir dabei was weh? My: Nein! Ph: Gut My: Das ist kein Schmerz! Also, ich spüre, dass du gegen was drückst, aber Ph: Ich drücke gegen- My: Es fühlt sich gut an, also Ph (leise): Ne My: Ah! Eh! ah! (Schmerzschreie) Oh! Das tut aber auch weh! LACHT SPRECHER: My Phan, 25, ist Turmspringerin und Trainingspartnerin von Kieu.

02: SZENE: Schmerz Fortsetzung Physiotherapeutin: Für uns ist immer, wenn wir das aus medizinischer Sicht betrachten, wichtig, klar, dass Ihr eure Arme nach oben nimmt. Ihr fallt ja auch permanent auf den Kopf, ne, ich kann mir schon vorstellen, dass es da vom Kopf her so kleine Konkussions, also Gehirnerschütterungen oder so was manchmal gibt, wenn man auch unsauber mal eintaucht oder wenn man die Handhaltung nicht richtig hat und so, aber Ihr seid alle trotzdem normal intelligente Menschen, also Ihr federt das ab, ne. My: Mhh (leicht gequält) Ph: Ihr studiert alle, Ihr seid intelligent alle, ne. My (lacht)

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My (atmet tief aus) Ph: Okay, gut! Dann komm mal hoch! 0’34

SPRECHERIN: Die Turmspringerinnen.

Coming of age zwischen Angst und Adrenalin.

Feature von Klaus Schirmer SPRECHER:

2010: In der Schwimm- und Sprunghalle im Europasportpark

Berlin schaue ich mir zufällig nach dem Schwimmen das Training der

Turmspringerinnen an. My – damals 17, Kieu 15 und die beiden 14-jährigen

Anna und Talisa – trainieren zusammen in der Juniorinnengruppe am

Olympiastützpunkt

Berlin.

SPRECHER: Sie springen vom 10-Meter-Turm und machen dabei mehrere Saltos und Umdrehungen. Alles rasend schnell, super elegant, voller Anmut. Ich kann nur

erahnen, wie groß die Überwindung jedes Mal sein muss, wenn sie die Stufen hoch auf

den Turm steigen und bis zur Kante vorlaufen. Wieso machen die jungen Mädchen das?

Und warum als Leistungssport? Wovon träumen sie? Schnell wird mir auf der leeren

Zuschauertribüne klar: Ich will mehr von ihnen erfahren. Was ich in dem Moment 2010

nie gedacht hätte: Ich werde die Mädchen die kommenden acht Jahre auf ihrem Weg

begleiten: bei großen Erfolgen und bitteren

Niederlagen, bei ihren Zweifeln und Glücksmomenten, bei Höhenflügen und

schicksalhaften Wendungen. Und - beim Erwachsen werden.

SPRECHERIN: Kapitel 1: Die Jugendjahre. 04: O-Ton Zurufe Trainer zu Anna, Kieu, Schraube mit ATMO

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Trainer ruft: Anna! Mit so einem ist alles versaut, das weißt du! Also, Ruhe im Anlauf, hoher Sprung und Pause! Kieu! Der ist ein bisschen früh aus der Schraube! Du machst mit dem Arm zu wenig! Mit dem musst du die Schraube wieder anhalten! Also aktiv gegen die Drehrichtung! Noch mal von vorne anfangen! 0’32 SPRECHER: Kieu gehört 2010 mit ihren 15 Jahren bereits zum

Nachwuchskader des Deutschen Schwimmverbandes.

05: O-Ton Kieu: Adrenalin Also, vom Zehner – das ist so ein Adrenalinkick. Ich habe immer Respekt vor 10-Meter-Turm, egal, was ich da für einen Sprung runter mache, weil ich weiß, dass es sehr gefährlich ist und man muss ja unten, wenn man auf die Wasseroberfläche prallt auch mehr als das fünffache des Körpergewichts aushalten. Ich weiß nicht, ich kann’s nicht beschreiben, man hat Glücksgefühle, wenn man dann unten heil ankommt (lacht leicht). 0’23 Trainer: Zehn! SPRECHER: Jugendtrainer Andreas Hampel 06: O-Ton Trainer über Kieu Trainer: [ins Mikro:] Kieu ist eine ganz mutige Sportlerin. Man kriegt nicht viele Mädchen so auf den Turm in so einem jungen Alter und die schon solche schweren Sprünge machen. Sie ist ja auch noch elegant und hat Ausstrahlung, ja, da ist ja viel Ästhetik drinnen, wenn man sie so springen sieht. Trainer ruft: Ja, ist okay! Mach die Schraube, versuch die Schraube ein klein bisschen schneller zu machen, ja, hoch die Arme und dann zack! Dass sie noch ein bisschen schneller dreht. Fand ich aber vom Ansatz besser, aber verpeilst du unten. Trainer: [ins Mikro:] Ich sag mal, so eine talentierte Sportlerin, gibt es ganz selten. Ganz selten. Den dreieinhalb Delphin springt kein anderes Mädchen in ihrer Altersklasse in Deutschland. Da ist sie die

Einzige. 0’36 07: O-Ton Kieu: Schmerz Ich habe mir bei dem Sprung schon so oft wehgetan und das liegt

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nicht an der Geschwindigkeit oder wie schnell ich drehe, sondern einfach, ich strecke blind. Ich weiß nicht, wo ich bin und das ist von 10 wirklich sehr schmerzhaft. Wenn man auf den Rücken fliegt, dann kann man nicht mehr atmen und sich nicht mehr bewegen. Wenn man auf den Bauch fliegt, dann tut das halt an den Beinen, an den Armen überall weh. Aber mein Trainer glaubt an mich. 0’26 08: O-Ton Zuruf Trainer: Schiss Trainer: Haste Schiss gehabt? Kieu: Ja (in Ferne, nicht hörbar) Trainer: Hat man gesehen! Wie so ein Angsthase! Der muss straff raus, Baff! Und dann muss der lang gemacht werden! Gut, mach mal weiter! Nächsten! 0’14 SPRECHER:

My wartet bereits oben auf der Plattform des 10-Meter-Turms auf ein Zeichen

des Trainers, der das Becken für den nächsten

Sprung erst freigeben muss.

SPRECHER: Beim Sprung von 10 Metern rast der Körper der jugendlichen Sportlerinnen mit 60 Stundenkilometern aufs Wasser zu.

09: O-Ton My: Angst Bei einem kleinen Fehler kann man sich so schwer verletzen. Es gab auch schon Todesfälle und das ist das, was die meisten Ballsportler z.B. nicht verstehen. Ich habe in meinem Internat Volleyballer und wir streiten uns immer darüber, welche Sportart einfach schwieriger oder anstrengender ist, aber die verstehen einfach nicht, die denken, wir springen einfach nur runter und klettern wieder hoch und das machen wir jahrelang so, einfach so und das einzig anstrengende ist, wenn wir in der Luft sind, aber das ist ja nicht wahr und wir haben ja richtig Angst, wenn wir solche schweren Sprünge machen müssen. Es tut ja auch weh und bei denen die haben vielleicht Angst, wenn die mal einen Ball gegen

Kopf bekommen oder so. 0’33 SPRECHER: My springt mit Kieu zusammen auch synchron vom Turm.

Deshalb und vor allem wegen der besseren

Trainingsbedingungen am Olympiastützpunkt ist die 17-Jährige vor einem Jahr aus ihrer

Heimatstadt Aachen nach Berlin gezogen und wohnt seitdem im Sportinternat. Die

Sportart teilt sich auf in die Disziplinen Springen vom 10-Meter-Turm und Kunstspringen

vom Ein- und Drei-Meter-Brett.

10: O-Ton Kieu: geboren

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Kieu: Brett liegt mir mehr, also, mag ich so mehr, aber Turm - dafür bin ich wohl geboren worden [ATMO Brett federn] (lacht leicht). Das soll jetzt nicht eingebildet klingen, sondern, also mein Trainer sagt, dass ich genau richtig bin für Turm: klein, schnell.

0’18 SPRECHER: Nach dem Vormittagstraining lockern Kieu und My zusammen mit ihren

Trainingspartnerinnen Anna und Talisa ihre Muskulatur im Wärmebecken. Die vier haben

in den letzten Jahren jede Menge Titel und Medaillen in ihren Altersklassen abgeräumt.

Und wecken damit natürlich hohe Erwartungen bei Verband und Olympiastützpunkt.

11: SZENE: Gruppe: Meistertitel, Ort: Wärmebecken

Talisa, Anna: Also – Kieu: Fang an! Talisa: Deutsche Meisterschaft, erster Platz, eigentlich schon jeder von uns. Mindestens fünfmal oder so. Anna: Ja! Kieu: Dann international sind wir auch schon gestartet erfolgreich. Talisa: Ja genau. Und die hier ist Jugendeuropameisterin. Anna: Ja, Kieu ist Jugendeuropameisterin vom Turm. Kieu: Ja und ja. Lachen in der Gruppe Kieu: Und die da ist Dritte geworden vom Turm. Anna: Jule. Kieu: In der A-Jugend, falls es Euch interessiert. Lachen in der Gruppe

0’30

13: SZENE Gruppe: Freunde, Ort: Trockenhalle

Talisa: Freunde, die halt außerhalb sind, die sieht man halt nicht mehr oft oder man kann sich halt kaum mit denen treffen, weil man immer Training hat. Kieu: Die beneiden uns eigentlich, denke ich. Lachen Gruppe Kieu: Ja, weil wir kommen überall hin und wir erreichen, also die meisten von uns erreichen viel. Talisa: Darum beneiden die uns, aber manchmal denken die auch: so viel Training! Zum Glück habe ich das nicht! Oder so. My: Manchmal sind die auch sauer, wenn wir keine Zeit für die haben. Kieu: Die sind doch nicht sauer! Was hast du denn für Freunde!

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Lachen Gruppe My: Ich habe gute Freunde, aber die können das nicht verstehen, wenn ich – die kennen das ja nicht, dass du den ganzen Tag trainierst, die leben doch ein anderes Leben. Kieu: Trotzdem, meine sind nicht gleich sauer. Anna: Wir leben in unserer eigenen Welt, aber das ist okay. Kieu: Ich denke mal, dass die das so ganz einfach sehen: „Ja, die fängt an, springt, hat Erfolg, aber das harte Training, das sehen die

gar nicht raus. 0’47 21: SZENE Zurufe Trainer, Sprünge, Halle

Trainer: Der gefällt mir gar nicht! Da war der erste deutlich besser, jetzt holst du dir den Salto, indem du nur den Armrumpfwinkel zumachst, da ist kein Abdruck mehr, der schleudert, der kann nicht anhalten, musst dich oben abdrücken! Sehr schön Lolo, zweieinhalb! Was machst du denn da unten? Der ist zwar nicht sonderlich schnell, aber so eine Kartoffel muss man da nicht draus

machen! Zehn! 0’30 SPRECHER: Insgesamt trainieren die Mädchen fünf bis sechs Stunden täglich, an sechs

Tagen in der Woche.

22: O-Ton Anna: Plan Also, so am Anfang, wenn man mit sechs oder fünf anfängt, hat man natürlich noch gar keinen richtigen Plan, was man später mal machen will oder erreichen will. Ich würde sagen, wenn man dann so in die D, C-Jugend kommt, also wenn man dann auch so seine ersten internationalen Wettkämpfe hat, sieht man erstmal, was man so alles machen kann und wie man rumkommen kann und so nach Kanada, also richtig weit weg. Und da glaub ich, kommt dann schon so der Gedanke auf: ja und wenn du dann irgendwann mal Olympia mitspringen könntest, also das wäre schon cool und darauf arbeiten wir ja auch alle irgendwann hin, dass wir es schaffen. 0’37 23: O-Ton Hampel: Sichtung Die Kinder werden gesichtet in der letzten Kindergartengruppe bzw. in der Vorschule, ja, werden Schwimmkurse angeboten. Das sind also zwei, drei ausgebildete Frauen, die wir haben, die das machen und es werden vorrangig erstmal Körperbaumerkmale angeguckt, also kleine, schlanke, zierliche Kinder und ein paar Bewegungsübungen werden mit denen gemacht und dann werden sie mal zum Probetraining eingeladen und da erkennt man dann auch schon ein bisschen die koordinativen Fähigkeiten und ob sie mutig sind. So und dann versucht man die, wo man denkt, das könnte mal ein Wasserspringer werden zu halten.

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Und dann versuchen wir in spielerischer Form, die Kinder ans Wasserspringen zu binden. 0’40

24: O-Ton My: Kindheit

Als kleines Kind weiß man das nicht, also, als ich damals angefangen habe, ich wusste nicht einmal, dass ich da richtig eine Sportart mache, für mich war das einfach nur schwimmen und spielen. Das kam halt immer mehr, dass wir ein bisschen gesprungen sind, aber

das war halt alles nur Spaß, finde ich. 0’13 25: O-Ton Hampel: Bewusstsein Kinder sind motiviert, die wollen ein Lob vom Trainer, die machen ja, die trainieren ja, die springen ja eigentlich nur, weil es ihnen Spaß macht und weil sie gelobt werden wollen, die springen also für den Trainer, die haben ja gar nicht das Bewusstsein, warum sie das machen. Ja, die haben aber auch Erfolge, wir machen ja auch Wettkämpfe mit den Kleinen, dann machen sie erst Abfaller, ganz einfache Sprünge, und wenn die dann eine Medaille gewinnen, da sind die so stolz wie Hanne und ja (lacht) da haben die dann eben

auch Freude daran. 0’21 20: O-Ton Talisa, Kieu, Hobby Talisa: Ich habe ein Hobby noch: Klavierspielen. Also, mein Klavierlehrer weiß auch, dass ich ziemlich viel Druck habe, deswegen sagt er nichts, wenn ich keine Lust mehr habe oder so, ich soll ihm halt immer vorher Bescheid sagen, dass er weiß, was er mit mir machen kann. Also, ich finde Klavierspielen toll und ich mag die Stücke, die ich lerne. Ich find, das mache ich auch, wenn ich mich irgendwie abreagieren will, setze ich mich ans Klavier und spiele einfach. Kieu (lacht): Ich habe nicht viel Zeit für Hobbys. Na ja ich komm nach Hause 18 Uhr und das einzige, was ich dann noch machen will, ist ins Bett legen und schlafen. Meine Mutti, die sagt so: Ja, du kommst immer nach Hause und bist total kaputt, willst du nicht doch mal überlegen und so, ob das der richtige Sport ist. Aber mein Papa, der ist so stolz auf mich, der findet es total toll, was ich mache. Applaus Publikum Wertung durch Hallensprecher: 5,5. 5. 5. 5,5. 5,5. 4,5, 5. 46,50 Salto gehechtet, leichter Applaus SPRECHER: Jedes Jahr finden die offenen deutschen Meisterschaften im Wasserspringen

statt, bei denen Erwachsene und Junioren gemeinsam antreten, aber getrennt gewertet

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werden. Die vier Mädchen sind in ihren jeweiligen Altersklassen bereits zigfach Deutsche

Meisterinnen geworden. Kieu zum Beispiel 27 mal in den vergangenen vier Jahren, My 16

mal: vom Turm und Brett, im Einzel und synchron.

26: O-Ton Hampel: kompliziert Es gibt ja sechs Sprunggruppen im Wasserspringen: vorwärts, rückwärts, Auerbach, Delphin, Schraube und Handstand und jede Sprunggruppe muss absolviert werden. Es passiert ja alles in ganz kurzer Zeit, so ein Sprung dauert ja anderthalb Sekunden, länger ja nicht. Da werden manchmal 6, 7 Umdrehungen in der Luft gemacht, um die Längsachse, um die Breitenachse und das ist auch für den Zuschauer kompliziert. Ein ungeschultes Auge kann das nicht erkennen. Und schon gar nicht irgendwelche Fehler. Die sagen dann: Oh das war gut, aber dann kommt irgendwann das Kampfgericht und dann wundert man sich, warum die so wenig Punkte kriegen. Das ist eine komplizierte Sportart und für einen

Laien ist es schwer, da die Feinheiten zu erkennen. 0’34 SPRECHER: Kieu, Talisa und Anna pausieren dieses Mal aufgrund leichterer Verletzungen.

Sie sitzen heute auf der Tribüne und schauen sich an, was ihre Konkurrentinnen von den

anderen Bundesstützpunkten so drauf haben.

30: O-Ton Talisa: perfekter Sprung Vom Gefühl her, fühlt sich der Sprung manchmal ganz anders an als er dann wirklich aussah. Da denkt man manchmal: Oh! Der war ja total toll jetzt und dann sagt der Trainer: Nee! Irgendwie, da fehlt noch was so! Und jeder Trainer hat immer eine andere Auffassung von perfektem Sprung. Die einen gucken sich die Technik an, die anderen nur die Eintauchphase und dann gibt es wieder andere, die sich den Anfang angucken. Und deswegen gibt es halt auch halbe Punkte Unterschiede, weil jeder auf was Anderes guckt. 0’23 31: SZENE Kieu: Weltklasse Hallensprecher: 9, 8,5, 9, 8,5 (hohe Wertung) In File bei 0’19: Kieu: Boah! Der war schon Weltklasse! 0’11 32: SZENE My: Auerbach

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Auerbach das ist: man steht vorwärts, aber man springt rückwärts ab, also man dreht rückwärts, man guckt zum Wasser, man dreht rückwärts. Und vor dem Sprung haben eigentlich viele Angst, weil man kann auch zu nah springen. Wie sie - Zuschauer: Ohhhhhh! Applaus verzögert Das war Caroline mit einem eineinhalb Auerbach Salto mit eineinhalb Schrauben. Caroline hat ihn gerade wirklich zu nah gemacht und sie hatte wirklich nur Glück gehabt, dass sie schief neben dem Brett gesprungen ist, weil sonst wäre sie mit dem Kopf

dran. 0’26 34: O-Ton My, Anna: Mut My: Es gibt ja viele, die hören deswegen auf, weil sie keinen Mut haben – Anna: - weil sie sich die Sprünge nicht mehr trauen irgendwann. Eine, die war mein Jahrgang, die hat in der 4. Klasse glaub ich aufgehört, weil sie sich den einen Sprung nicht mehr getraut hat, aber ohne den einen Sprung kam sie nicht weiter und dann musste sie aufhören. My: Ja, die Trainer erkennen so was schon früh und die sagen dann auch so: Ja, es bringt nichts. Anna: Und wenn du nicht willst, kannst auch nach Hause gehen! My: Das ist ja nicht böse gemeint, aber Trainer wollen ja auch nicht

ihre Zeit verschwenden. 0’26 35: O-Ton Kieu: beste Freundin Na bei mir das Schlimmste war, als meine ehemalige beste Freundin aufgehört hat. Wir haben alles geteilt, wir waren einfach total dicke und dann irgendwann kommt die zu mir: Ja, ich habe Rückenprobleme, ich kann jetzt nicht mehr springen. Dann dachte ich erstmal, wie soll ich jetzt das Training ohne sie überleben. Weil wir haben immer, wenn wir irgendwie keine Lust hatten, haben wir geschwatzt und Faxen gemacht und das konnte ich halt dann nicht mehr. Also, da war ich echt schon am Boden zerstört sage ich mal. Meine Eltern fragen auch schon die ganze Zeit: Ja, wann kommt sie denn wieder dich besuchen oder wann gehst du sie wieder besuchen? Sage ich nur: Oh nee! Ich habe nichts mehr mit ihr zu

tun. 0’39 36: O-Ton Anna: Rest Am Anfang waren wir in unserem Jahrgang, also ich bin 96 geboren und da waren wir am Anfang in Berlin 17 Mädchen und jetzt sind

wir noch zwei. 0’08 37: O-Ton Kieu, Talisa: Druck

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Kieu: Also die meisten haben deswegen aufgehört, weil die von allen Seiten unter Druck gesetzt wurden und die es nicht mehr aushalten konnten. Also ich hatte auch schon solche Phasen, wo mein Trainer so viel Druck auf mir - Talisa: Auf dich geleistet hat oder so was - Kieu: Genau! Und da habe ich auch schon überlegt, ob ich nicht einfach aufhöre, weil ich das einfach nicht mehr hören kann, aber

ich habe es durch gestanden. 0’23 SPRECHER: 2010 sucht der Filmregisseur Andreas Dresen für seinen Kinofilm „Halt auf

freier Strecke“ eine Turmspringerin. Nach dem Casting beim Berliner Olympiastützpunkt

wählt er Talisa aus. Zu den Dreharbeiten geht sie nach Training und Schule am späten

Nachmittag oder Abend. Mit 14 spielt sie die Tochter eines Vaters, der urplötzlich an

einem Gehirntumor erkrankt.

40: O-Ton Talisa: Lieblingsszene Meine Lieblingsszene ist, wenn ich mit meinem Vater auf dem Bett sitze und der gerade so einen Anfall kriegt und wir dann einfach nur 2 Minuten da sitzen und ich ihm seine Hand halte. Also, das finde ich, ist so für mich der schönste Moment im Film, war auch beim

Drehen sehr schön, das zu machen und so. 0’16 48: O-Ton Talisa nächster Film _clean Dann kam Axel Rahnich, auch ein Regisseur und hat sich so Springer angeguckt für seinen Film und der kam auf mich zu u meinte so: Ja, hast du schon einmal einen Film gemacht? Ja, ich habe schon Film. „Ach, du warst das!“ und so und dann kam das wieder dazu (wird lauter und euphorischer) habe ich halt einen nächsten Film bekommen und da habe ich jetzt meine Agentur kennen gelernt. Hat mich gefragt, was ich denn für Wünsche habe und so und ich habe ihr halt ganz klar gesagt, dass für mich so was wie Serien, also so RTL-Serien, wenn ich das sagen darf, nicht in Frage kommen und ich wirklich gern Filme machen würde und Theater und da meinte sie: Ja, okay, das kriegen wir hin. ich meinte auch, dass ich ganz oft absagen muss wegen Springen oder so, da hat sie auch gesagt: Okay, ist ihr egal, ich darf in die Agentur. 0’36 49: SZENE Trainer Zuruf: super

Trainer zu sich selber: Oh! Schön gemacht unten!

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Trainer ruft: Er geht ein bisschen raus, ein bisschen schwer, aber unten hast du super gemacht! Gut, Talisa, kannst Schluss machen!

0’11

50: O-Ton Kieu, My: Olympia 2016 Kieu: So, wir haben noch ein bisschen zu trainieren. My: Spätestens Olympia 2016

Kieu: Da sind wir dann 100 pro dabei!

Lachen 0’14 SPRECHERIN: Kapitel 2: Der Weg zu Olympia SPRECHER: Es sind zwei Jahre vergangen. Die olympischen Sommerspiele 2012 in London

liegen erst wenige Wochen zurück. Am

Olympiastützpunkt Berlin beginnen bereits die Planungen für

Olympia 2016 in Rio de Janeiro. Dafür wird nun ein neuer

Perspektivkader aufgebaut. Während eines Trainingslagers auf Fuerteventura teilen die

Trainer My und Kieu mit, dass sie ab jetzt zu den Erwachsenen kommen. Ihre bisherige

Trainingsgruppe mit Anna und Talisa wird aufgelöst.

51: O-Ton My: Schock Das war so ein großer Schock für uns. Wir wollten bei unseren Mädels bleiben und ich bin dann zurück in mein Zimmer und habe erstmal angefangen zu weinen (lacht stark). Also ich habe da echt geweint, weil auch mit Herrn Hampel, wir hatten so einen tollen Trainer gehabt damals, wir wollten ihn auch nicht verlassen. Das war der traurigste Augenblick in der Karriere, glaube ich (lacht leicht), dass da unsere Trainingsgruppe so einfach auseinander gerissen wurde. 0’25 SPRECHER:

Die jüngeren Anna und Talisa, bei denen die Trainer noch keine Perspektive für Olympia sehen, kommen in die Juniorengruppe mit gleichaltrigen Jungs.

SPRECHER: My und Kieu sind unterdessen hin und her gerissen. Einerseits hängen sie noch sehr an ihrer alten Trainingsgruppe -

53: O-Ton My: Privileg

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Andererseits waren wir auch glücklich zu Herrn Kretschmer zu gehen, weil das ist ja ein Privileg, in seiner Trainingsgruppe zu trainieren, weil er hat ja wirklich nur die großen, erfolgreichen Sportler. Und er hatte das Potential in Kieu und mir gesehen. Wir wussten, dass es dann anders sein wird, auch ernster im Training, weil vorher: wir haben halt viel Spaß gemacht und viel Mist und wir waren verspielt. Wir wussten, dass wenn wir jetzt zu den

Erwachsenen gehen, dass wir da ruhiger sein müssen. 0’23 64: SZENE: Huhn oder Adler My: Willst du ein Huhn sein oder ein Adler? Talisa: Das kenn ich nicht. My: Überlegs dir! Kieu: Ein Küken! … Ein Huhn. LACHEN Lena: Also ich will lieber ein Küken. My LACHT Lena: He? Warum willst du ein Adler sein? Kieu: Na, willst du auf dem Boden rumpicken oder fliegen wie ein Adler? My synchron mit Kieu: - wie ein Adler! Lena: Ach so! Talisa: Fliegen tue ich auch so LACHEN ALLE Kieu: Also, My und ich haben es dann tatsächlich versucht, wie ein Adler zu fliegen, aber es hat nicht funktioniert LACHEN Erinnerst du dich an die Synchrontrainingseinheit? Da sollten wir Wurfachsel machen My: Montag war das! Kieu: Ja und wir dachten uns: ja! Herr Buschko hatte ja gesagt: ja, guckt euch Sascha Klein an, der macht ein MR, geht auf 10 Meter, macht seine Sprünge und dann haben wir uns halt gedacht: ja! das können wir auch! LACHEN Kieu: Und die haben wir einfach ganz weggelassen, also die Vorübung My: Also direkt auf 3 Meter. Kieu: Sind direkt auf 3 Meter gegangen und es hat geknallt bei beiden! LACHT

LACHEN 1’14 SPRECHER: Nach dem Abitur an der Sportschule stellen My und Kieu erfolgreich einen

Antrag auf Aufnahme in die Sportfördergruppe der Bundeswehr.

56: O-Ton Kieu: Gehalt Wenn man einmal drin ist, dann kriegt man halt Gehalt fürs Training und wird immer um ein Jahr weiter verpflichtet. Also, es kommt halt immer drauf an, ob man immer die Leistung

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bringt, die nötig ist, um drin bleiben zu dürfen. 0’10 57: O-Ton My: Arbeitgeber Die Bundeswehr ist ja unser Arbeitgeber, das ist ja unser Beruf, und natürlich, man möchte so lange wie möglich in der Bundeswehr bleiben, um halt erstens den Sport ausüben zu können, zweitens halt Geld zu verdienen. So und deswegen, wenn ich schlechte Leistungen bringe, fliege ich aus der Bundeswehr raus und damals ist man halt auch mit weniger Druck gesprungen, weil man weiß: okay, wenn du schlecht springst, das Einzigste, was dir passieren kann: dein Trainer schreit dich an! mehr nicht. Wenn du heutzutage schlecht springst, dann ist Geld weg, Beruf weg. ist halt alles weg,

ne. 0’31 SPRECHER: In Deutschland ist die Bundeswehr der Hauptsponsor für Leistungssportler in

Randsportarten.

58 O-Ton raus genommen 59: SZENE Trainer Zurufe, Murks 0’14: Sprung 0’15 Trainer ruft: Ach! der ist Murks! Mach noch mal ein paar Saltos von da unten, aber die mal ein bisschen mehr mit der Hüfte weggehen! Zehn! 0’24 Trainer ruft: Talisa! Ruhig noch ein bisschen mehr Raum nehmen, nicht so in zwei Etappen strecken. Zack! Beine raus! 0’30 Trainer ruft: Bis zur Streckung. Bis hierher. Das gleiche wie beim gehechteten. Lange Arme Bogenspannung, Hüfte vor. 0’24 SPRECHER: Die jüngeren Talisa und Anna gehören als Juniorinnen weiterhin

zum erweiterten Nationalteam. Zusammen gewinnen sie 2012 die Deutsche

Meisterschaften im Synchronspringen vom 3Meter-Brett und das als 16-Jährige bei den

Erwachsenen. Für beide der bislang größte sportliche Erfolg. Und dennoch:

61: O-Ton Anna: anstrengend Es zehrt natürlich auch an den Nerven. Man steht morgens um sechs oder sieben auf, geht zur Schule, hat Training, kommt abends wirklich nur noch platt nach Hause und es ist schon

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wirklich nicht ohne. Diese Momente kommen auf jeden Fall immer wieder, dass man sich denkt: Wieso, wieso tust dir das noch an?! 0’16 62: O-Ton Talisa: kein Lachen Man hat es ihr auch extrem angesehen. Man merkt es ja, wenn jemand nicht mehr so viel Spaß im Training hat. Wir haben ja auch so viel gelacht früher immer. Und irgendwann fehlt es dann halt beim Training, man merkt dann auch: man kann nicht mehr über so viel lachen. 0’09 SPRECHER: Anna hört auf. 63: O-Ton Anna: weggeschmissen Es war auf jeden Fall keine leichte Entscheidung und man weiß, wenn man aufhört, ist es vorbei. Man hat keine Wettkämpfe mehr, man hat das Training nicht mehr. Und man kann sich nur noch an die Zeit erinnern, wo man es noch hatte. Na ja, man fühlt sich natürlich schon so, als wenn man die ganzen Jahre an Training und Wettkämpfen schon so ein bisschen wegschmeißt. Aber ich denke, da fällt auf jeden Fall eine sehr große Last von einem ab, wenn man dann wirklich sagt: okay! Bis hierhin und nicht weiter. Und ich denke, dass tut der Seele auch ganz gut, wenn dann wirklich Schluss

ist. 0’32 SPRECHER: 2013 zieht sich My bei einem Trainingssprung vom Turm eine komplizierte

Schulterverletzung zu, die operiert werden muss.

65: O-Ton My: Verletzung Ich wusste: mit einer Schulterverletzung dann wieder auf 10 Meter zu gehen wird schwierig, auch weil mein Arzt zu mir meinte, ja er kann mir nicht versichern, dass ich wieder auf 10 Meter gehen kann. Ich habe auch mit meinem Trainer darüber gesprochen, dass ich eigentlich keinen Sinn mehr darin sehe. Er meinte: Ja, wir haben erst 2013! Die olympischen Spiele sind erst 2016 und er war der festen Überzeugung, dass ich das wirklich noch mal schaffe, mich ran zu kämpfen und er war die ganze Zeit an meiner Seite und hat mich motiviert. Er hat letztendlich auch mich überredet, sonst hätte ich gesagt: Tschüss! (lacht) 0’31 SPRECHER: Talisa steht oben auf der Plattform des 10-Meter-Turms und läuft langsam bis

zur Kante vor. Für einen Moment schließt sie die Augen.

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71: O-Ton Talisa, Kieu: Schlussstrich Talisa: Also, sich dann auf 10 Meter zu stellen und zu sagen: Ach! mein Körper weiß schon, was ich tue, ist dann doch nicht immer leicht. Kieu kennt das auch, aber sie schafft das immer wieder, sich zu überwinden. Kieu (lacht): Na ja, mehr oder weniger! Es ist halt so ein Sprung, wo man einfach abspringt, ohne nachzudenken und man muss sich … Talisa: Auf seinen Körper verlassen. Kieu: Genau, auf seinen Körper verlassen, aber den Mut aufzubringen, einfach ins Nichts zu springen, ist schon wirklich sehr schwierig und vor allem von 10 Meter, wenn man ja weiß, was da alles passieren kann, das ist dann immer schon eine schwere Geburt. Talisa: Und das war dann so der Punkt, wo ich gedacht habe: ich kann es nicht mehr, also ich habe dann auch echt schon die Stunden und Minuten gezählt in der Schule, wo ich saß: Oh Gott! In einer Stunde musst du auf 10 Meter gehen! Kieu: (lacht) Talisa: Und dann kam noch ein Wettkampf dazu, wo ich dann echt LACHT mir ein bisschen weh getan habe von 10 Meter, da habe ich gedacht: Okay, jetzt ist am besten der Schlussstrich, jetzt verstehen dich auch manche Trainer, wenn du dir halt weh getan hast und ja,

das war dann das Ende der Turmkarriere. 0’50 72: O-Ton Talisa ausgeträumt Und habe dann sozusagen nur noch von 1 Meter und 3 Meter meine Sprünge gemacht und dann haben die Trainer auch schon gleich gesagt: Aber wenn du jetzt aufhörst, dann ist dein Traum von Olympia Geschichte, weil von 3 Meter und 1 Meter schaffst du es nicht so weit. Also da gibt es zu viel Konkurrenz, die besser ist als

du. 0’13 73: O-Ton Zuruf Trainer Talisa

Trainer: sehr schön, Talisa! 74a: O-Ton Talisa: nicht aufhören

Ich wollte nicht aufhören! Ich wollte bloß nicht mehr diesen 10Meter-Druck haben und dann hat zum Glück unser Trainer Herr Hampel gesagt: Nein, ich möchte nicht, dass Talisa

aufhört, ich trainiere sie trotzdem noch. Und da bin ich auch sehr, sehr dankbar. 0’10 75: SZENE Physio, My durchhalten Physiotherapeutin: hier oben? ATMO Hände reiben

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My: Ja, hier so. ATMO Hände reiben My: Mh. … ohohoh P: So schlimm, My? My: Ph, da unten! P: Noch einmal, ja?! My: Hm! ATMO knacken My: Ah! Ah! Ohhhh!! P: Durchhalten My! Gleich geschafft! My: Mh! P: Es ist nicht immer angenehm bei uns in der Physiotherapie (lacht leicht). My: Phph P: So My, du drehst dich bitte mal rum!

ATMO umdrehen 0’29 SPRECHER: Während My das ganze Jahr für ihre Rückkehr auf den Turm kämpft,

qualifiziert sich Kieu mit 18 das erste Mal für die Weltmeisterschaft bei den Erwachsenen

in Barcelona: Hatte sie im Juniorenbereich noch unzählige Meisterschaften, national wie

international, gewonnen, scheidet sie bei ihrer ersten großen WM bereits im Vorkampf

aus.

77: O-Ton Kieu: gepusht Mich hat das eher gepusht, wenn man weiß, die haben auch hart trainiert dafür und haben es geschafft, dann heißt es für mich: Ja, wenn ich genauso hart trainiere, dann werde ich es auch irgendwann schaffen. Vielleicht dauert es bei mir halt ein bisschen länger, aber wenn man halt dran bleibt, dann denk ich, ist die Chance, irgendwann mal da oben anknüpfen zu können, schon da.

0’19 SPRECHER: Neben der Reha fängt My wieder langsam an zu springen, zunächst aus 5

Metern. In drei Monaten sind die Deutschen Meisterschaften – und My möchte

unbedingt dabei sein.

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81: O-Ton My: Wille Scheiße, ich will es! Und dieser Wille, der wird so verstärkt in dieser Zeit, dass, wenn man zurückkommt, wirklich alles dafür tut, weil ich weiß: ich kann viel und ich möchte das dann auch zeigen! Jetzt!

Oder nie! Entweder du gibst alles oder nichts! 0’14 SPRECHER: Sie springt ohne Wettkampfpraxis vom Turm und wird 2014 zum ersten Mal

Deutsche Meisterin bei den Erwachsenen.

Hallensprecher: „Achtung Siegerehrung!“

ATMO Fanfare SPRECHER: Kieu dagegen erlebt ihren ersten Rückschlag. Bei einem Salto im Training

merkt sie, dass bei der Landung irgendwas passiert ist. Sie trainiert aber trotzdem weiter.

Der Arzt diagnostiziert später eine Stressfraktur im Wirbelbogen. Kieu muss drei Monate

komplett aussetzen. Danach bleibt ihr wenig Zeit, um sich auf die nächsten deutschen

Meisterschaften vorzubereiten.

82: O-Ton Kieu: Kreislauf Da ging’s natürlich schön in die Hose und da war so das erste, wo ich mir dachte: Okay! Wie soll ich da jetzt wieder anknüpfen an der

Spitze der deutschen Mannschaft. 0’28 SPRECHER: Kieu, ist ein Jahr vor Olympia 2016 plötzlich nicht mehr Teil des Nationalteams.

Für sie wird die Zeit, vor Rio noch rechtzeitig in Form zu kommen, immer knapper. Aber sie

glaubt noch an ihre Chance. Die erste wichtige Prüfung für die Springerinnen sind die

Deutschen Meisterschaften.

86 + 87 O-Ton Kieu, aussortiert, nicht aufhören So wie mein Trainer dann mit mir gesprochen hat, klang es so, ja mal schauen, wann ich da bin, dann kannst du bei mir trainieren, und sonst meldest du dich einfach bei

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irgendjemandem. Da stand ich dann auch erstmal da und dachte so: okay, gut! Sie können mir auch direkt sagen, dass Sie mich nicht mehr haben wollen so nach dem Motto. Da war es dann auch noch mal schwer, sich zu motivieren, weil ich nicht genau wusste: ja, bringt das überhaupt was, jetzt weiter zu kämpfen? Weil Rio ist ja eh gelaufen für mich. Also habe ich schon drüber nachgedacht: ja, wie wäre es denn, wenn du den Sport gar nicht hast? Hättest du jetzt schon deinen Bachelor vielleicht? Oder würdest du eine Ausbildung machen und dein eigenes Geld verdienen? Aber ich wollte nicht einfach sagen: ja, gut, ich hör jetzt auf und das war’s dann, weil das hätte dann so einen negativen Touch für mich. Mit einer schlechten Erfahrung hätte meine Karriere aufgehört und das wollte ich nicht. Ich will

aufhören, wenn es gerade gut läuft. 0’55 Englische Kommentatoren: “Nice start from Germany. Maria Kujo and My Phan: fourth position, but not far down“

SPRECHER: 2016 finden die Europameisterschaften in London statt. My startet im

Synchronwettbewerb mit ihrer Partnerin Maria. Vor dem letzten Sprung liegt sie mit ihrer

Synchronpartnerin auf Rang vier.

88: O-Ton My: nervös Natürlich war ich nervös, klar, ich war von Anfang an nervös, aber ich wollte unbedingt Bronze haben (lacht) und ich wusste, dass wir das können und ich wusste auch, wenn ich motiviert bin und aufgeregt bin, dann kann ich den Sprung auch gut machen. 0’13 Englische Kommentatoren: That’s more like it… Very, very good indeed. SPRECHER: Und das tut sie! Mit einem zweieinhalb Salto rückwärts mit anderthalb

Schrauben legen My und Maria einen exzellenten letzten Sprung hin. Die vor ihnen

platzierten Paare, unter ihnen die favorisierten Engländerinnen, sind beeindruckt.

Englische Kommentatoren: Oh noooooooo! What a huge miss from Tawlson! (…) SPRECHER: Sie patzen allesamt bei ihrem letzten Sprung. My und Maria gewinnen Gold.

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Kommentator: Great Britain and Russia come away with nothing, but Germany the Champions. SPRECHER: Es ist Mys bislang größter Erfolg. Ihr Blick geht allerdings schon nach Rio.

89: O-Ton My: einziger Traum Das ist jetzt noch der einzige Traum, den ich mir gern erfüllen würde. Also, es werden meine ersten und wahrscheinlich auch letzten olympischen Spiele sein. Ich mein, ich bin jetzt 24 und dann möchte man dann schon endlich mal bei den olympischen Spielen teilnehmen, wofür man halt wirklich Jahre lang gearbeitet hat, eigentlich fast sein ganzes Leben. SPRECHER: Für Kieu und Talisa ist der Zug nach Rio schon länger abgefahren.

90: O-Ton Kieu, Talisa: Olympia Kieu: Ja! (mit Nachdruck und Überzeugung!) Für jeden Sportler ist glaub ich Olympia das größte Ziel überhaupt und dafür trainiert man eigentlich auch nur, oder?! Also man trainiert ja nicht, um zu den Deutschen Meisterschaften zu fahren und dort dann Gold zu gewinnen Talisa: lacht Kieu: Sondern einfach sich mit der großen, weiten Welt zu messen und zu gucken, wo man so steht leistungsmäßig. Und ich hatte ja das Ziel eigentlich dieses Jahr zu Olympia zu fahren, es hat (PAUSE lassen!) nicht funktioniert und ja - Talisa: Aber nach der Olympia ist vor der Olympia …-de. Kieu: Olympiade Beide: … die Spiele, ja (lachen) Kieu: (seufzt) Ich hoffe, also ich gucke jetzt erstmal wie es läuft so die nächsten Jahre und ob ich noch in der Bundeswehr bleibe, das ist ja auch noch mal ein großer Grund, aber ich würde gern einmal in meinem Leben dort mit springen. Es war ja schon immer so mein Ziel, mein Lebensziel, aber ja, wenn es nicht klappt, dann muss man halt irgendwann loslassen.

0’54 SPRECHER: Es ist Mitte Juni: noch 6 Wochen bis zu Olympia.

In Berlin bei den Deutschen Sommermeisterschaften sind die

Zuschauertribünen spärlich besetzt. Eigentlich sehen nur Teamkollegen aus

Berlin, Dresden, Halle und Leipzig zu.

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Hallensprecher: Dritte Starterin: My Phan vom Berliner TSC (folgt Applaus)

SPRECHER: Heute, entscheidet sich, wer für Deutschland beim Turmspringen der Frauen in Rio an den Start geht. Nur die ersten zwei fahren zu Olympia.

Anna, Freundin und ehemalige

Trainingspartnerin von My, Kieu und Talisa, sitzt als Zuschauerin auf der Tribüne.

92: O-Ton Anna: Druck Ich muss sagen, da geht es mir eigentlich ziemlich gut (lacht). Ich habe es nie bereut, dass ich diese Entscheidung getroffen habe und es ist ein schönes Gefühl, zu wissen, du kannst jetzt hier sitzen, du kannst es Dir kannst entspannt angucken, und du hast nicht mehr selber diesen Druck. Weil es ist natürlich auch mit einem enormen Druck verbunden, diese Wettkämpfe zu springen und tagtäglich dieses Training durchzuhalten. Also, es war schon extrem schwer.

0’24 Hallensprecher: Wir wünschen euch viel Erfolg! Einen schönen Wettkampf SPRECHER: Am Nachmittag ist das Finale der besten acht. Dafür hat sich My problemlos

qualifiziert. Für sie geht es jetzt um alles! Olympia ja oder nein! Auch Talisa sitzt auf der

Tribüne und feuert ihre Freundin an.

93: SZENE My, Hallensprecher, Talisa

Hallensprecher: My Phan! Handstand mit Doppelt-Salto rückwärts Talisa ruft: Hey My! Hallensprecher: mit ..:Schraube …von 10 Metern. APPLAUS, Pfiff

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SPRECHER: My geht in den Handstand, mit dem Rücken zum Wasser. Ihre Fingerspitzen

liegen gespreizt auf der Plattform auf: 10 Meter überm Wasser, 5 Meter über den

Zuschauerrängen. Ihre Zehenspitzen scheinen fast das Hallendach zu streifen. Sie steht den

Handstand eine gefühlte Ewigkeit, ohne Wackler.

93: SZENE My, Hallensprecher, Talisa

Talisa: Ja, eigentlich ist der Handstand, wenn man den steht, ist der Sprung eigentlich relativ in Ordnung. Ja, das hat sie gut gemacht. ATMO Klatscher, APLLAUS (verhalten) Talisa: Ich glaub, das unten war jetzt halt wegen – ein bisschen gespritzt, wegen ihrem Arm. Ist halt schwer dann Druck aufzubauen in den Armen, wenn du den einen Arm nicht genau so lang machen kannst wie den Zweiten. SPRECHER: Weil Mys linker Arm getapt ist, kann sie ihn beim Eintauchen nicht komplett

durchstrecken. Das führt zu Spritzern und damit zu erheblichem Punktabzug. Vor zwei

Wochen hat sie bei einem Trainingssprung den Ellenbogen überstreckt. Noch bis gestern

war es unsicher, ob sie überhaupt springen kann. Aber My wollte unbedingt starten:

94 : O-Ton My: Ellenbogen Ja, ph! Ist mir egal, ich springe auch mit einem gebrochenen Arm (lacht). Ich mein, da hängt ja viel dran, ne, also. Ich musste im Vorfeld halt auch meinen Ellenbogen spritzen, weil sonst ging das gar nicht und die Physios im OSP und die Ärzte, die haben so geholfen und jeden Tag unterstützt, ich war zwei Mal täglich bei ihnen und mein Physio hat auch versucht, immer meinen Ellenbogen so fest zu tapen, dass ich überhaupt von 10 Metern springen kann, weil sonst würde das gar nicht funktionieren. Und da bin ich auch sehr dankbar darüber, dass die sich halt wirklich ins Zeug gelegt haben, die letzten 2 Wochen vor den Deutschen, weil die wissen ja ganz genau, was das eigentlich für einen Sportler bedeutet, wenn man nicht einmal an der Olympia-Quali teilnehmen kann und die wollten ja auch nur das beste für mich und ja, letztendlich bin ich denen halt sehr, sehr dankbar. 0’42 SPRECHER: Die Belastung binnen weniger Stunden durch Vorkampf, Halbfinale und Finale

ist mit dieser Verletzung extrem. Nicht nur körperlich, sondern vor allem psychisch. Aber

My kämpft.

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Bis zum letzten Sprung.

Sprung, eintauchen, Zuschauer: oohhohoho! Talisa: der war gut! 95: O-Ton My: traurig, stolz Also, ich bin sehr traurig darüber, dass ich es nicht geschafft habe. Aber es bringt jetzt auch nichts, dem nachzutrauern. Nach dem Wettkampf sind auch viele Trainer zu mir gekommen und haben halt gesagt: schade, dass es nicht gereicht hat, aber man hat gesehen, dass du gekämpft hast. Ich mein die Trainer und Kampfrichter haben ja, wussten ja, was im Vorfeld passiert ist und ich bin trotzdem nicht schlecht gesprungen: Ich bin gut gesprungen, mein Trainer war super zufrieden, er hat halt gesagt: ja, mehr war da nicht rauszuholen! Er war froh, dass ich halt durchgehalten habe und ich bin auch stolz, dass ich das wirklich geschafft habe. Weil ich wusste halt wirklich bis 2 Tage vor dem Wettkampf nicht, ob ich es jetzt überhaupt schaffe, auf 10 Meter zu gehen. Hallensprecher: Achtung Siegerehrung!

SPRECHER: Kieu zeigt bei ihrem letzten Wettkampf in diesem Jahr eine starke Leistung und

wird Dritte. Sie ist nur knapp hinter denjenigen gelandet, die es nach Rio geschafft haben.

96: O-Ton Kieu: DM erleichtert Ich bin auch super, super erleichtert darüber, dass die Deutschen so gut für mich liefen, und ja, das war halt auch so ein Zeichen für mich: Es hat sich gelohnt trotzdem weiter zu machen und das hat mir so die Bestätigung gegeben: Huh! Hast alles richtig gemacht!

Jaaa! (seufzt stark) 0’16 SPRECHER: Obwohl viele sie schon abgeschrieben hatten, hat Kieu noch an

sich geglaubt. Und jetzt, mit diesem Erfolgserlebnis, sieht sie sich wieder nah dran an der

nationalen Spitze. Das war ihr wichtig bei den Meisterschaften. Gerade gegenüber

Verband und

Trainern, die sie bereits Anfang des Jahres aus dem Kader für Olympia genommen hatten.

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97: O-Ton Kieu: gezeigt Ja, so ein bisschen habe ich mir auch gedacht: Ja gut! Dann hab’s ich euch noch mal gezeigt, dass es ein Fehler war, mir keine Chance zu geben! Ich kann jetzt erstmal entspannt in Urlaub gehen, und nächstes Jahr greife ich dann wieder im Training an. Ich will unbedingt einmal an den Spielen teilnehmen, also bis 2020 Tokio würde ich schon noch gerne mitnehmen. Das wäre wirklich so mein

Traum. 0’22 SPRECHER: Kieu wird dann 25 sein. Die beiden Startplätze für den Turm der Frauen gingen

dieses Mal an eine 27-Jährige und eine 15jährige.

SPRECHERIN: Kapitel 3: Die Wege trennen sich. SPRECHER: Alle vier jungen Frauen sind inzwischen über 20 Jahre alt. 03: SZENE Partnerschaft Kieu: Ich glaube, das wird bei uns vieren nichts mehr! (lacht leicht). Also wir stellen uns so ein bisschen an, aber normalerweise ist das gar kein Problem mit dem Leistungssport da eine Partnerschaft einzugehen. Talisa: Genau! Viele fangen dann eine mit anderen Sportlern an. Kieu: Ja. My: Ja. Talisa: Ich glaub, eine richtige Begründung dafür, warum wir noch in keiner Beziehung sind, haben wir auch nicht, also ich habe keine - Kieu: Das liegt nicht an dem Sport, sondern an uns! Lena: Ja! Kieu: An unserer Person, also weil wir einfach anders gestrickt sind. LACHT LEICHT Talisa: Vielleicht sind wir auch zu selbstbewusst. LACHEN My: Die denken jetzt, wir wären LACHT

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Kieu: Nee! nein! Wir sind nicht zu selbstbewusst, sondern einfach sehr eigen würde ich sagen. Lena: Wir laufen jetzt nicht so total neben der Spur, oder? LACHT Kieu: Da bin ich mir nicht mehr ganz so sicher! LACHT My: Na ich glaube, wir sind einfach so freie Vögel noch!

LACHEN 0’39 SPRECHER: Talisa hat ihr Abitur auf der Sportschule gemacht. Nach dem Ende ihrer

Turmkarriere springt sie weiterhin vom Ein- und DreiMeter-Brett.

99: O-Ton Talisa: Absturz Das erste Erwachsenenjahr lief ja echt eigentlich noch ziemlich gut. Dann hatte ich einen totalen Absturzwettkampf, also einen total schlechten Wettkampf. Und da fing dann auch meine Überlegung mit Amerika an. Mein Ziel war eigentlich immer, eine EM mitzumachen noch, weil das dachte ich so, das könnte ich vielleicht noch schaffen oder ein Grand Prix. Aber es ist so krass, wie viele Jugendliche oder junge Leute schon nachkommen. Es reicht ja nur eine 16-Jährige, die totales Talent hat oder so, und dann überholt

die auch schon die 20- bis 25-Jährigen u so. 0’27 100: O-Ton Kieu: Amerika Ja, das war so eine spontane Idee. Und dann dachte Talisa sich, ja warum sollte ich nicht die Möglichkeit nutzen. Ich mein ja, der Sport der könnte mir ein Vollstipendium irgendwie sichern und da hat sie das einfach in Angriff genommen und meinte: Ja, ich geh nach

Amerika. 0’16 101: O-Ton Talisa: Video _clean Und dann habe ich einfach gesagt: Schreib doch mal irgendwelche Trainer aus Amerika an, die Wasserspringen anbieten. Also habe ein Video für die zusammen geschnitten und so und hab das gezeigt, dann haben sie sich zurückgemeldet und gesagt: Ja, wir würden gerne, dass du an unsere Uni kommst. Und dann habe ich natürlich auch gefragt, wie es dann wäre mit einem Vollstipendium, weil studieren in Amerika ist unglaublich teuer und da muss ich auch ehrlich sagen, das wollte ich meinen Eltern nicht antun. 0’20 103: O-Ton Talisa: Vollstipendium Und dann haben die gesagt: Ja, gut: Von deinen Leistungen her können wir dich da und da anordnen. Und jetzt habe ich halt ein Vollstipendium bekommen, also d.h. ich darf da wirklich studieren und trainieren, ohne dass ich wirklich viel aus meiner eigenen

Tasche bezahlen muss. 0’11 104: O-Ton Kieu: cool

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Ich find das echt total super, dass sie das Wasserspringen hier eigentlich nutzt, um Vollstipendium in Amerika zu bekommen. Sie macht es ja dort weiter. Wenn sie meint, dass sie hier nicht mehr weit kommt, ja, dann soll sie’s machen. Ich find’s cool. Und sie wurde ja auch von allen möglichen Trainern unterstützt. 0’17 105: O-Ton Talisa: rausholen Also das freut mich total, das ist das beste, glaub ich, was ich noch aus dem Sport richtig rausholen kann und vielleicht bringt das neue Trainingsreize und es bringt mich vielleicht auch noch weiter. 0’08 SPRECHER: My kuriert schon wieder eine Verletzung aus, dieses Mal am Ellenbogen. Nach

dem Termin in der Physiotherapie geht sie noch spontan bei ihrer Ärztin zwei Stockwerke

darüber vorbei.

108: SZENE Ärztin Teil II, späteres Leben

My lacht leicht auf Ärztin: Joah! Lachen beide Ärztin: Du strahlst immer! My: Mh Ärztin: Was ein bisschen wirklich traurig ist, dass es jetzt so in diesem vorolympischen Jahr, wo sie eigentlich relativ gut in Schuss war, also sie einen guten Lauf hatte bei der EM - Ihr seid ja gut gewesen, dass dann mit einmal so [schnalzt mit den Fingern] hintereinander weg doch mehrere kamen und alles nicht so banale Verletzungen oder Verletzungsfolgen oder wie auch immer, also da gehört dann noch eine ganze Portion Ehrgeiz und Mut dazu, da sich immer wieder am Schopf zu nehmen, sich aus dem Sumpf da raus zu ziehen. Und da hast du schon eine Menge durch. My: Mh Ärztin: Aber bist so ein kleines Stehaufmännchen! bist immer wieder aufgestanden. My: Das stimmt (lacht leicht) Ärztin lacht My: Mal gucken, wie lange das noch so weiter geht (lacht) Ärztin: Ach doch! Nee, nee, ich sag es mal so, egal jetzt, ob es den Sport nimmt, es sind ja auch alles Erfahrungen, die für das spätere Leben, auch für das Berufsleben, ja nicht unwichtig sind.

0’58 109 xy SZENE Autogrammkarte, Fans Lena: My hat richtig schöne Autogrammkarten.

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Talisa: My hat wirklich coole Autogrammkarten. Gleichzeitig: Kieu: Werbung! Werbung (lacht leicht) Talisa: Ich hab, ich hab auch eine bekommen, die steht auf meinem Schreibtisch! Kieu: Ich habe auch eine, ja. My: Mit Herzchen! ja, die Mädels haben eine mit Herzchen! Lena: Hey Kieu! Du müsstest eigentlich auch mal Autogrammkarten machen! Kieu: Für was denn? LACHT Talisa: Hast du nicht schon mal Fanpost bekommen? Kieu: Ich habe Abitur! LACHEN Talisa: Ihr habt doch beide schon mal Fanpost bekommen vom Wasserspringen, oder? Kieu: Jaaa! Aber- My: Jaa Kieu: Das sind quasi nur so Kettenbriefe, wo nur der Name geändert wird. My: Ja. Talisa: Geil! My: Das sind meistens solche Autogramm-Sammler, Kieu: Die nicht mal wissen, wer du bist. My: Ja, ich habe mal einen Brief bekommen, da stand „Herr Phan“ drauf. LACHEN alle stark Kieu: Das ist noch viel besser! LACHEN My: Da denk ich mir, hey! was will der? Warum? Kieu: Das war ein Spaß! My: Meinst du? Lena und My synchron: Neeeeiiiiinnnn! Kieu: 100%ig! Lena: Ich glaube, das sind einfach Leute, die haben dann zu Hause so 20 Ordner stehen mit Autogrammkarten. Kieu: Ja, aber ich will doch kein Autogramm haben von irgendjemandem, wo ich nicht mal weiß, was der gerissen hat. 0’57 SPRECHER: Herbst 2016: Talisa ist gut in Ohio angekommen: sie studiert nun Schauspiel

und Film. Davor trainiert sie am frühen Vormittag drei Stunden bei den Wasserspringern

ihres Colleges. My und Kieu sind wieder im Trainingsrhythmus. Nebenbei gehen beide vor

und nach dem Training für wenige Stunden an die Uni.

My hat mit BWL begonnen, Kieu mit Rehabilitationspädagogik. Finanziert werden sie als

Leistungssportlerinnen weiterhin von der Bundeswehr. My wohnt noch immer im

Sportinternat, mittlerweile im Bereich für die erwachsenen Leistungssportler. Kieu ist von

zu Hause ausgezogen und mietet ihre erste eigene

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Ein-Zimmer-Wohnung in Charlottenburg. Jan Kretschmer, der Trainer der

Erwachsengruppe, geht in den Ruhestand. Für ihn leitet jetzt der 30-jährige Christoph

Bohm die Trainingsgruppe.

110: O-Ton My: Unfall Ja, ich bin nach dem Urlaub wieder ins Training eingestiegen und wollte auf den Kasten springen – also wir haben Hocksprünge gemacht und bin halt auch unglücklich gelandet. Und ich habe es halt auch gespürt, im Knie, wie was gerissen ist. Ich konnte mich ja nicht mehr bewegen, habe auch sofort anzufangen zu weinen, aber ich glaube halt, ich habe so doll geweint, weil ich wusste, was passiert ist und wie die Zeit danach sein wird! (mit Nachdruck!), weil Reha ist wirklich die schlimmste Zeit. Diagnose war dann Kreuzbandriss und Innenmeniskus gerissen. (kleiner Seufzer)

0’45 SPRECHER: Es ist Mys dritter Kreuzbandriss. 111: O-Ton My: weiter Ich habe auch kurz überlegt: machst du weiter, machst du nicht weiter? Aber dann habe ich auch mit meinem alten Trainer darüber gesprochen (Seufzer) und wir haben ja einen neuen Trainer dazu bekommen und ich will ihm halt auch mal die Chance geben (lacht leicht) mit mir zu arbeiten und noch was raus zu holen, was raus zu holen geht und um zu gucken, also er setzt ja auch neue Reize und mal schauen, wenn es dann wirklich nicht klappt, dann halt nicht, aber ich möchte halt den Weg gehen und sagen: Ich möchte es probieren, ja, warum nicht (haucht aus und lacht leicht). 0’30

SPRECHER: Wieder OP. 10 Monate kein Leistungsport, statt dessen Reha,

Physiotherapie, Aufbautraining. Kieu trainiert bereits beim neuen Trainer. 113: O-Ton Kieu: Trainerwechsel Für mich war es glaub ich das Beste, was passieren konnte, weil Herr Kretschmer und ich – das war immer so eine Sache! Also ich hab’ dolle Probleme mit dem Gewicht, das zu halten und so und Herr Kretschmer war da immer sehr konsequent. Ich durfte mir oft was anhören und irgendwann konnte ich das nervlich nicht mehr. Ja und deshalb war’s ganz gut, dass Christoph hergekommen ist, weil er ganz andere Methoden – also er geht zum einen an die Sache ganz anders ran. Bei ihm habe ich halt das Gefühl, dass wir beide dran arbeiten und nicht nur: „Ja, Kieu!“ du musst jetzt so und so viel abnehmen! Sonst brauchst du nicht mehr antanzen. Und bei Christoph ist es so: „ja wir strukturieren das Training ein bisschen um, damit du vielleicht ein bisschen mehr Kondition machst“, aber ohne mir das Gefühl zu

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geben, dass ich die einzige bin, die das machen muss so als Straftraining oder so. 0’49

114: SZENE My: volles Potential SPRECHER: My sitzt in der Reha auf dem Isomet. Damit wird die

Kraftfähigkeit ihrer Muskeln und Gelenke gemessen.

My: Uhhhh! (klatscht in die Hände) Schon bei 108! Also man sieht, Kraft-Leistung ist da. Ich möchte das volle Potential ausschöpfen (lacht). Günzl: Konzentrieren wir uns und hoffen auf 120, das ist so die Zielsetzung. ATMO Gerät Einatmen nicht vergessen und maximal was geht tschak ATMO Gerät Günzl: Das war schon der letzte und wir haben 123! Sehr, sehr gut! My atmet laut aus, ATMO Klettverschluss Günzl: Wir müssen so langsam das gesunde Bein mal wieder angucken. My: Ja, glaube ich auch. Günzl: Nicht, dass du hier deutlich besser bist. Lachen Günzl: In Anführungszeichen das Gesunde (lacht leicht). My: bei dem gesunden Bein sieht man die Muskeln! Bei dem kaputten nicht (lacht leicht). Günzl: Hier ist das Problem, dass sie kein gesundes Bein hat. Also sie hat ja sowohl rechts schon Kreuzbandschaden letztendlich und Operation, links genauso. Aber aktuell ist das linke und dass die Muskelspannung schön gleich ist, auf beiden Seiten, das ist ja auch ein Hinweis, dass sie eigentlich schon sehr, sehr weit ist. SPRECHER: Anfang Mai, nach dem Semesterende in Ohio, kommt die inzwischen 22-

jährige Talisa in den Ferien zurück nach Berlin.

122: O-Ton Talisa: Klippe Ich mach jetzt auch bald ein Musikvideo, wo ich von der Klippe springe und das hat mir auch noch mal ein Job gebracht so. Also mir hat das Wasserspringen eigentlich mein Schauspiel und viele Rollen immer gebracht. Und das hebt mich ja auch ab von Anderen.

SPRECHER: Um sich fit zu halten, darf Talisa bei den Berliner

Wasserspringern mittrainieren. An den Wochenenden trifft sie sich oft mit My und Kieu.

Ihre Karriere als Wasserspringerin läuft in den USA besser als von ihr erwartet.

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124: O-Ton Talisa: USA Also diese Saison in den USA war sehr, sehr gut für mich. Ich habe auch sehr viel Fitness aufgebaut und auch Selbstvertrauen, was ja immer hilft und dann wird dir auch manchmal so bewusst nach (lacht leicht) 16 Jahren: ach! das ist so einfach! Man muss einfach nur mal selbst in sich vertrauen und nicht ein Tag die ganze Woche ruinieren lassen. Und diese Saison war halt sehr gut, weil ich zu den amerikanischen Meisterschaften gefahren bin und die erste seit 30 Jahren von meiner Uni war und deswegen habe ich da sehr viel Aufmerksamkeit bekommen und die Amis mögen es ja immer groß und imposant und deswegen gab es dann auch eine Verabschiedung und so und Polizeieskorte, wo ich dachte: Oh Gott! Das ist jetzt alles hier übertrieben! So toll ist es jetzt auch nicht, aber das ist die

andere Gesellschaft da so. 0’39 125: O-Ton My: Anruf Ich habe einen Anruf bekommen (lacht leicht frustriert) und dann hieß es, dass ich eh bei der Planung für die Bundeswehrstellen im nächsten Jahr nicht berücksichtigt wurde. Das waren die Worte. Ich habe auch mehrmals nachgefragt, warum nicht, weil (stöhnt) von den Leuten, die alle drin geblieben sind oder rein gekommen sind war ich ja auch die einzige, die in den letzten Jahren auch international mit dabei war und auch als einzige von denen einen internationalen Leistungsnachweis hatte für die olympischen Spiele und ja Null Verständnis. Wenn man von Anfang an mit mir so ehrlich gesprochen hätte: „hier pass auf! Jüngere kommen nach blabla. Konzentrier dich auf die Reha, dass du im Alltag wieder problemlos alles meistern kannst“. - Kein Problem! Aber ich habe mich ja genau aus dem Grund ja Anfang des Jahres mit denen zusammengesetzt und darüber gesprochen und mir wurde halt gesagt: „Nein! Zieh die Reha knallhart durch!“ Und jeder, der verletzt ist, bekommt dann mindestens noch ein Jahr Zeit. Also, wir haben ausgemacht, dass es einen Wettkampf geben soll, nachdem ich wieder fit bin und dort eine Leistungsüberprüfung stattfinden sollte und ja, kam halt nie zu diesem Wettkampf. Das ist das, was mich halt ankotzt.

1’12 126: O-Ton Kieu: Schreck Ende My Ich war total erschrocken, ich weiß ja, was für Erfolge sie da dem Verband eingebracht hat und dass man sich dann so von ihr

verabschiedet, hätte ich nicht gedacht. 0’10 127: O-Ton My: Wut Also, ich glaub ich bin einfach wütend, weil man mir die Entscheidung genommen hat. Die haben über mein Leben bestimmt! Und die haben jetzt nicht darüber bestimmt, ob ich an einem Wettkampf teilnehmen darf oder nicht, es ging um die Existenz! Und das ist das, was mich halt wütend macht! 0’12

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130: O-Ton Kieu: aufgerappelt Sie hatte so viele Verletzungen und sie hat sich dann noch mal aufgerappelt, und was sie dann halt alles erreicht hat, das pusht ja auch irgendwie. Und ich denke, dass sie sich halt gedacht hat, ja gut, ich hab’s schon mal geschafft, mich wieder hochzuarbeiten und warum sollte ich es nicht noch mal schaffen? Man hätte vorher schon drüber reden können: so ja, also du stehst auf der Kippe oder so, aber man hat ihr ja trotzdem noch Hoffnungen gemacht, das ist das Problem. 0’24 129 O-Ton My: mein Körper Ich kenn mich mit Verletzungen einfach aus (lacht, seufzt), das muss man einfach ehrlich zugeben und ich kenne meinen Körper am besten so und ich wollte dann wieder weiter trainieren und weil ich mich einfach auch so fit gefühlt habe, dass ich wusste: okay! Es kann nichts passieren. Klar, für die Physios und Ärzte, die wollten das halt nicht so unbedingt unterstützen, und ja, es hieß dann immer: Ja, du musst ein bisschen zurückschrauben und keine Ahnung was, es ist zu viel! Ich so: Nee! Es ist nicht zu viel!

1’06 133a: O-Ton Kieu: Angst um Platz, Teil I Wir werden ja immer bei der Bundeswehr sag ich mal nur für ein Jahr weiter verpflichtet und wenn man halt da raus gekickt wird, hat man keine finanzielle Unterstützung mehr und da ich jetzt im Moment alleine wohne, muss ich da auch erstmal überlegen, wie ich mich da irgendwie über Wasser halte. 0’15 132: O-Ton My: wohnen Das erste, was ich dachte: verdammt! Du wohnst im Internat, im Sportinternat! Wenn man kein Sportler mehr ist, kann man da auch nicht mehr wohnen bleiben, ist okay! Wo wohnst du dann? Erstmal direkt Immoscout die App herunter geladen, um nach Wohnungen zu suchen. Okay, gut! Du hast dann eine Wohnung, aber wie finanzierst du dir diese Wohnung?! direkt nach Jobs gesucht, aber ja phh! Es nimmt dich halt kein Unternehmen ohne Bachelor-

Abschluss. Ich habe ja nicht mal einen Bachelor-Abschluss. 0’25 133b: O-Ton Kieu: Angst um Platz, Teil II Natürlich hat man dann Angst, dass die Entscheidung dann einen

selbst trifft. Auch Druck. 0’18 134: O-Ton My: Angebot

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Das erste, woran ich gedacht habe: Wie verdienst du dir jetzt dein Geld? Dann habe ich mit meinem Chef von der Bundeswehr gesprochen und zufällig wird eine Stelle zum 1.April frei.

0’40 SPRECHER: Im Personalwesen. 134: O-Ton My: Angebot, Fortsetzung So und dann hat er gefragt, ob ich nicht diese Stelle nach besetzen möchte, weil er gerne einen Sportler mit der Stelle besetzen würde. Ich habe dann ganz lange darüber nachgedacht, mit meiner Laufbahnberaterin darüber gesprochen und sie meinte auch: Du, pass auf! Es kann dir in diesem Moment nichts Besseres passieren! Ich mein Bundeswehr ist ein sicherer Arbeitgeber. Ich bin jetzt erstmal abgesichert und falle nicht in ein Loch (lacht auf) Ich sag mal so, das war halt wirklich das beste Angebot, es ist auch das einzige. 135: O-Ton My: Lebensmittelpunkt

Viele sagen: ja, das war vielleicht Schicksal, aber nee! Weil ich muss ja trotzdem aus dem Internat raus, was ich halt nicht wollte und seit ich klein bin, geh ich dorthin. Das war wie mein Zuhause einfach (lacht) Und es gab nie einen anderen Lebensmittelpunkt in Berlin für mich und meine ganzen Freunde wohnen ja auch noch dort (lacht leicht). Es ging halt nicht um den Sport, sondern alles drum herum, was dann sozusagen wegfällt. Das war halt viel schlimmer.

0’23 SPRECHER: Kieu ist jetzt noch die einzige, die Turmspringen als Leistungssport betreibt. 147: O-Ton Kieu: Welt Also wenn ich irgendwann älter bin und ein normales Leben führe, kann ich sagen: ja! Ich war Sportlerin! Und ich hab’s geschafft, bei dem größten Event mitzumachen. Also, das ist so dieser Plan, den ich seit 2005 eigentlich verfolge. Und jetzt ja gut mit 23 Jahren denk ich mir: so, es wird langsam Zeit und so 10 Jahre möchte ich halt den Sport auch nicht mehr machen, also ich muss mich jetzt schon echt zusammen reißen, um das 2020 dann mit Olympia zu schaffen. Natürlich wäre es schön, wenn man da auch noch durch die beste Leistung glänzt und dann letztendlich sogar eine Medaille holt, aber die Teilnahme ist ja schon schwierig. Aber dieses Gefühl, dass ich zu den besten der Welt gehöre, das würde mir vollst reichen (lacht). Also das wäre schon ausreichend für mich und mein

Ego (lacht). 0’51

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SPRECHER: My ist auf dem Weg zu ihrer Laufbahnberaterin im Olympiastützpunkt. My: Sie begleitet mich auch schon seit, phhh, ich noch Schülerin bin. Sie hat mir damals auch geholfen, als ich noch im Abi war. Da ging es ja schon darum: ja, was studiere ich? Studiere ich überhaupt? Und ja, sie hilft dann einem dabei, das passende Studium zu finden. Klopfen an der Tür. My: ach da! Hallooooo! Leukert: Hallo Leukert: Wie ist jetzt noch deine Verbindung zum Sport? Hast du deine ehemaligen Trainingskameraden oder die aus dem Haus der Athleten – bist du mit denen noch in Kontakt? My: Ja, also Freunde, das sind dieselben geblieben und Leukert: Mh My: Das Ding ist wirklich, zum Sport in die Halle gehen, das mache ich gar nicht mehr. Leukert: Mh. Wobei My, das wird sich legen! Jetzt bist du erstmal ein bisschen gefrustet, enttäuscht, dass es so abrupt war, dieser - My: Ja Leukert: Beendigung des Leistungssports. Bei vielen anderen Sportlern ist es ja so, dass sie sagen: okay, das Ziel ist Olympia dann und dann und danach geh ich weg. So und bei dir war es ja von außen bestimmt! My: Ja Leukert: Und nicht von Dir selbst. My: Genau! Leukert: Und ich glaube, deshalb ist bei dir auch jetzt so eine Ressentiment gegenüber Sprunghalle, Wettkämpfe, Sport insgesamt. Aber ich bin mir ganz, ganz sicher, dass sich das in einem halben Jahr wirklich legt. Weil du wärst die erste Wasserspringerin, die ich nicht in der Halle bei irgendwelchen Wettkämpfen sehe. My: lacht leicht Leukert: Und das ist ja gerade das Schöne, dass es dann wie so eine Art Klassentreffen wird! My: Ja (leicht traurig) Leukert: Und wenn Ihr älter werdet, ja, „Mensch, was machst du? Verheiratet? Kinder?“ Also dann sind auch so ein paar andere Themen, die sich nicht bloß um 3-fach Salto, Auerbach gebückt drehen. Da ist dann auch eine andere Kommunikation.

2’04 SPRECHERIN: Die Turmspringerinnen.

Coming of age zwischen Angst und Adrenalin.

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Feature von Klaus Schirmer

Es sprach: Fabian Hinrichs

Ton: Bernd Bechtold und Martin Scholz

Regieassistenz: Oliver Martin

Regie: Thomas Wolfertz

Redaktion: Mareike Maage

Eine Produktion des Rundfunk Berlin-Brandenburg mit dem Norddeutschen Rundfunk 2018.